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German Pages 4779 [4766] Year 2023
Assmann ⁄ Uwe H. Schneider ⁄ Mülbert Wertpapierhandelsrecht · Kommentar
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Wertpapierhandelsrecht Kommentar MAR • PRIIP • MiFIR Leerverkaufs-VO • EMIR
WpHG herausgegeben von
Professor Dr. Heinz-Dieter Assmann, LL.M. em. Universitätsprofessor, Universität Tübingen Of Counsel, Stuttgart
Professor Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider em. Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens, Universität Mainz
Professor Dr. Peter O. Mülbert Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens, Universität Mainz
I. Band MAR • PRIIP • MiFIR Leerverkaufs-VO • EMIR 8. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2023
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Bearbeiter Prof. Dr. Heribert M. Anzinger Universitätsprofessor, Universität Ulm
Dr. Henning Hönsch Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Steuerberater, Berlin
Prof. Dr. Heinz-Dieter Assmann, LL.M. (Philadelphia) em. Universitätsprofessor, Eberhard Karls Universität Tübingen, Of Counsel, Stuttgart
Thomas Klanten Rechtsanwalt, Düsseldorf
Dirk Beule Rechtsanwalt, Langenfeld (Rheinland) Prof. Dr. Petra Buck-Heeb Universitätsprofessorin, Leibniz Universität Hannover Dr. Doris Döhmel à Leitende Regierungsdirektorin, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Frankfurt am Main Dr. Stefan Gebauer Leipzig Prof. Dr. Elke Gurlit Universitätsprofessorin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Holger Hartenfels Rechtsanwalt, Frankfurt am Main Prof. Dr. Alexander Hellgardt, LL.M. (Harvard) Universitätsprofessor, Universität Regensburg
àDie
Prof. Dr. Peter O. Mülbert Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dr. Alexander Sajnovits, M.Sc. (Oxford) Akademischer Rat a.Z. und Habilitand, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dr. Sven H. Schneider, LL.M. (Berkeley) Rechtsanwalt, Frankfurt am Main, Attorney-at-Law (New York) Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider em. Universitätsprofessor, Technische Universität Darmstadt, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens, Johannes Gutenberg-Universität Mainz Prof. Dr. Wolfgang Spoerr, LL.M. (Edinburgh) Honorarprofessor, Humboldt-Universität zu Berlin, Rechtsanwalt, Berlin
Autorin gibt in ihren Kommentierungen ihre persönliche Meinung wieder.
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 8. Aufl. 2023, § 2 WpHG Rz. 10 Bearbeiter in Assmann/Uwe H. Schneider/Mülbert, Wertpapierhandelsrecht, 8. Aufl. 2023, Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 10
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-40103-0 © 2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Schäper, Bonn Druck und Verarbeitung: C.H. Beck, Nördlingen Printed in Germany 3 |
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Vorwort Nachdem sich das Kapitalmarktrecht, beginnend in den 1990er Jahren, nur schrittweise und zentripetal – konzentriert auf wenige Gesetze – entwickelte und das 1994 eingeführte WpHG mit überschaubaren Regelungsfeldern noch als das Grundgesetz des Kapitalmarkts bezeichnet werden durfte, befinden wir uns in einer zentrifugalen Entwicklungsphase des Rechtsgebiets: Immer mehr Vorgänge auf den Kapital- und Finanzmärkten werden als regelungsbedürftig empfunden und münden in eine immer größere Zahl von teils sehr speziellen neuen europäischen Rechtsakten und nationalen Gesetzen. Das gilt in besonderem Maße für das Wertpapierhandelsrecht. Zunehmend europäische Regelungsvorgaben umsetzend und beständig um neue Regelungsfelder erweitert, war es im Wesentlichen im WpHG kodifiziert. Ungeachtet der beständigen Ausdifferenzierung seiner Bestimmungen konnte der 6. Auflage dieses Kommentars von 2012 noch der anfängliche Regelungszuschnitt des WpHG zugrunde gelegt werden. Doch schon die 7. Auflage, erschienen 2019, war mit einer demgegenüber gänzlich veränderten Regelungslandschaft konfrontiert. Zentrale ursprüngliche Regelungsfelder des WpHG waren in EU-Verordnungen überführt und durch Verordnungen ergänzt worden, die ganz neue und zu keiner Zeit im WpHG erfasste Regelungsfelder enthielten. An das einst im WpHG enthaltene Wertpapierhandelsrecht erinnern heute weitgehend nur noch dessen Bestimmungen zur Durchführung dieser Verordnungen. Doch nicht nur das Wertpapierhandelsrecht hat sich geändert, sondern mit der Schaffung der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA auch die Kapitalmarktaufsicht und die Kompetenzverteilung zwischen dieser und den nationalen Aufsichtsbehörden. Schon die 7. Auflage dieses Kommentars brachte daher eine Zäsur zu den vorausgegangenen: Mit ihr wurde der Kommentar zu einem solchen zum deutschen und europäischen Wertpapierhandelsrecht, in dessen Mittelpunkt die Marktmissbrauchsverordnung, die MiFIR, die EMIR, die PRIIP und die Leerverkaufs-VO standen. Von den Kommentierungen der 6. Auflage blieb damit nicht viel übrig. Selbst die im WpHG noch zu findenden und nicht anderweitig abgewanderten Regelungsmaterien des sich entwickelnden deutschen und europäischen Wertpapierhandelsrechts hatten umfangreiche Änderungen zur Umsetzung neuer EU-Richtlinien erfahren und verlangten Neukommentierungen. So war von der 7. Auflage wieder einmal, wie die seinerzeitige Werbung für diese Auflage herausstrich, „Pionierarbeit“ in der Kommentierungslandschaft des Wertpapierhandelsrechts zu leisten. Nicht weniger dramatisch fallen die Änderungen des europäischen und deutschen Wertpapierhandelsrechts aus, die in dieser Neuauflage zu berücksichtigen sind. Aufgrund der vielen neu zu kommentierenden Vorschriften europäischer Rechtsakte und der zahlreichen Änderungen der bereits in der 7. Auflage kommentierten EU-Verordnungen ist das europäische, in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbare Wertpapierhandelsrecht ganz in den Vordergrund gerückt. Es beansprucht nunmehr einen eigenen Band in dem zweibändigen Kommentarwerk. Zu diesem Schritt sahen sich Herausgeber und Verlag gezwungen, weil eine einbändige Kommentierung herstellerisch nicht mehr zu bewältigen war und sie Maßnahmen wie die Verringerung der Schriftgröße bei noch dünnerem Papier verlangt hätte, die dem Leser nicht zumutbar gewesen wären. Der Bedeutung und dem Umfang des unmittelbar anwendbaren Verordnungsrechts entsprechend, wird dieses in Band I und das WpHG in Band II kommentiert. Ein eigener Band für die Erläuterung eines Gesetzes, das über weite Teile nur Durchführungsbestimmungen in Bezug auf unmittelbar geltendes europäisches Verordnungsrecht enthält, mag nur die verwundern, die übersehen, dass das WpHG nach der letzten Auflage durch mehr als zwanzig Gesetze nicht unerhebliche Änderungen erfuhr, um zahlreiche Bestimmungen zu neuen Regelungsfeldern ergänzt wurde und dadurch zum wiederholten Mal ein neues Gesicht erhielt. Über die Änderungen und Ergänzungen des WpHG, die in dieser Auflage zu berücksichtigen waren, informiert ausführlich Rz. 15 der Einleitung zum Kommentar. Nicht minder groß war die Zahl von EU-Verordnungen zu Änderungen und Ergänzungen bereits kommentierter Verordnungen. Zu ihnen gehören u.a. – die VO (EU) 2019/2115 vom 27.11.2019 zur Änderung u.a. der Marktmissbrauchsverordnung VO (EU) Nr. 596/2014; – die VO (EU) 2019/1156 vom 20.6.2019 und die VO (EU) 2021/2259 vom 15.12.2021 zur Änderung u.a. der VO (EU) Nr. 1286/2014 (PRIIP); – die VO (EU) 2019/2033 vom 27.11.2019, die VO (EU) 2019/2175 vom 18.12.2019 und die VO (EU) 2021/168 vom 10.2.2021 zur Änderung u.a. der VO (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR); – die VO (EU) 2019/834 vom 20.5.2019 (EMIR REFIT), die VO (EU) 2019/876 vom 20.5.2019, die VO (EU) 2019/2099 vom 23.10.2019 (EMIR 2.2) und die VO (EU) 2021/168 vom 10.2.2021 zur Änderung u.a. der VO (EU) Nr. 648/2012 (EMIR). Mit vorstehenden Änderungsverordnungen verbindet sich eine Normenflut bislang ungekannten Ausmaßes. Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission dazu noch den Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129), der EU-MarktmissbrauchsVII
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Vorwort
verordnung (VO (EU) Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO (EU) Nr. 600/2014) – vorgelegt (s. Einl. Rz. 51). Die darin geplanten Änderungen der in diesem Kommentar behandelten Verordnungen konnten noch kurz vor Drucklegung in den betroffenen Vorschriften mit entsprechenden Hinweisen und Erläuterungen eingearbeitet werden. Die zahlreichen und weitreichenden Änderungen der in diesem Werk kommentierten EU-Verordnungen und (u.a. auch der Umsetzung neuer EU-Richtlinienvorschriften dienenden neuen) Bestimmungen des WpHG, eine Fülle neuer Rechtsprechung des EuGH und nationaler Gerichte sowie nicht zuletzt Änderungen nationaler Verordnungen und neue oder geänderte Verlautbarungen der Aufsichtsbehörde (etwa in Gestalt von Änderungen des Emittentenleitfadens der BaFin) haben vielfach Neukommentierungen oder beträchtliche Erweiterungen der Erläuterungen erforderlich gemacht. Auch hinsichtlich nahezu sämtlicher dieser Änderungen darf dieser Kommentar sich – ganz uneitel – wieder berühmen, bei den Erläuterungen der Neuerungen voranzugehen. Nicht umsonst bewirbt der Verlag die vorliegende 8. Auflage mit der Kopfzeile: „Einer geht immer voran“. Das bedarf auch deshalb der Erwähnung, weil dies allen Beteiligten erneut ein – auch in zeitlicher Hinsicht – großes Engagement abgenötigt hat. Entsprechend weitreichend sind auch die Veränderungen des Autorenkreises, die zur Bearbeitung der 8. Auflage erforderlich wurden, sowie des Kommentierungsdeputats. Prof. Dr. Ingo Koller hat aus dem Bereich der Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten die §§ 63–71, 84 WpHG an den neu in das Autorenteam aufgenommenen Dirk Beule und die §§ 80–83, 85–87, 92, 95, 96 WpHG an Dr. Alexander Sajnovits abgegeben und zieht sich damit aus seinen Kommentierungspflichten zurück. Er gehört zu den engagierten und in jeder Hinsicht verlässlichen „Gründungskommentatoren“ dieses Werks und hat dessen Gesicht und Ansehen wesentlich mitgeprägt. Dafür sei ihm auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Gedankt für mehrauflagigen Einsatz sei auch Dr. Henning Hönsch, dessen Erläuterungen zum Abschnitt Überwachung von Unternehmensabschlüssen, Veröffentlichung von Finanzberichten (§§ 106–118, 132, 134, 136 WpHG) mit dieser Auflage in die Verantwortung von Prof. Dr. Heribert M. Anzinger gegangen sind. Den Abschnitt Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister (§§ 33–46 WpHG) verantwortet Prof. Dr. Uwe H. Schneider jetzt gemeinsam mit Dr. Sven H. Schneider. Prof. Dr. Petra Buck-Heeb steuert dem Kommentar, über ihre bisherigen Kommentierungen hinaus, die Erläuterungen der neuen Schwarmfinanzierungsdienstleistervorschriften (§§ 32a–32f WpHG) bei. Art. 1–27i der VO (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR), darunter auch die neuen Vorschriften in Art. 27a–27i VO (EU) Nr. 600/2014, werden in der 8. Auflage von Dr. Stefan Gebauer und Thomas Klanten gemeinsam kommentiert. Die Erläuterungen zu den neuen Art. 38a–38o, 54a, 54b VO (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR) hat Prof. Dr. Elke Gurlit übernommen. Die Änderungen und Ergänzungen der VO (EU) Nr. 648/ 2012 (EMIR) haben Neukommentierungen der Verordnung erforderlich gemacht: Die Kommentierungen der Verordnung durch Holger Hartenfels erstrecken sich nunmehr auf die neuen Art. 25–25q der Verordnung über Beziehungen zu Drittstaaten. Die neuen Art. 24a–24e der Verordnung zum CCP-Aufsichtsausschuss kommentiert Dr. Doris Döhmel. Die Erläuterungen zu Art. 5 VO (EU) Nr. 596/2014 liegen jetzt in der gemeinsamen Verantwortung von Prof. Dr. Peter O. Mülbert und Dr. Alexander Sajnovits. Das Register dieser Auflage hat Stefanie Hörpel erstellt. Zu dem Wenigen, was sich (auch) bei dieser Auflage nicht verändert hat, gehört der unermüdliche und auf Kommentierungsaugenhöhe angesiedelte Einsatz von Dr. Birgitta Peters vom Verlag Dr. Otto Schmidt, der diesmal auch die Vorbereitungen zur Neugestaltung des Kommentars sowie, wie schon bisher, die Einweisung neuer Autoren und die Bewahrung der Übersicht über die verzweigten Änderungen des kommentierten Wertpapierhandelsrechts umfasste. Ebenfalls unverändert erneuern wir die schon in den Vorauflagen ausgesprochene Ermunterung, den Herausgebern und Autoren Hinweise, Anregungen und Kritik – auch zur Neugestaltung des Kommentars – nicht vorzuenthalten, sondern zur Kenntnis zu bringen (gerne per E-Mail: [email protected]). Wieder sind auch lobende Anmerkungen willkommen. Tübingen/Stuttgart, Mainz und Darmstadt, im Februar 2023 Heinz-Dieter Assmann, Peter O. Mülbert und Uwe H. Schneider
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Es haben bearbeitet: Anzinger
§§ 108, 109a, 113a, 140, 141 (WpHG) Vor § 106, §§ 106–107, 109, 110–113, 114–118, 132, 134, 136 WpHG (mit Hönsch)
Assmann
Art. 1–4, 6, Vor Art. 7, Art. 7–11, 14, 17, 35–39 VO Nr. 596/2014 Einl., §§ 1–4, 25, 26, 29, 128, 135, 139 WpHG
Beule
§§ 63–71*, 84*, 142 WpHG
Buck-Heeb
Art. 1–14, 30–34 VO Nr. 1286/2014 §§ 31a–32f WpHG
Döhmel
Art. 22–29 VO Nr. 596/2014 Art. 19–21 VO Nr. 1286/2014 Art. 38, 46–49, 54 VO Nr. 600/2014 (Art. 54 mit Hartenfels) Art. 32–40 VO Nr. 236/2012 Art. 23–24e, 55–63, 70–77, 83, 84 VO Nr. 648/2012 Vor § 6, §§ 6–12, 14, 14a, 16–22, 24, 27, 28, 47, 90, 91, Vor § 102, §§ 102–105, 129 WpHG
Gebauer
Art. 1–27i, 52 VO Nr. 600/2014 (mit Klanten) (Art. 1 mit Klanten, Gurlit und Hartenfels, Art. 2 mit Klanten und Gurlit, Art. 52 mit Klanten und Hartenfels) Vor § 58, §§ 58–60, 72–77, 79 WpHG
Gurlit
Art. 15–18 VO Nr. 1286/2014 Art. 1, 2, 38a–45, 54a VO Nr. 600/2014 (Art. 1 mit Gebauer, Klanten und Hartenfels, Art. 2 mit Gebauer und Klanten) §§ 15, 54–57, 88, 89 WpHG
Hartenfels
Art. 1, 28–37, 50–52, 54 VO Nr. 600/2014 (Art. 1 mit Gebauer, Klanten und Gurlit, Art. 52 mit Gebauer und Klanten, Art. 54 mit Döhmel) Vor Art. 1, Art. 1–11, 13–22, 25–54, 78–82, 85–91 VO Nr. 648/2012 §§ 30–32, 78, 138 WpHG
Hellgardt
Art. 18, 19 VO Nr. 596/2014 §§ 97, 98, 101 WpHG
Hönsch
Vor § 106, §§ 106–107, 109, 110-113, 114–118, 132, 134, 136 WpHG (mit Anzinger)
Klanten
Art. 1–27i, 52 VO Nr. 600/2014 (mit Gebauer) (Art. 1 mit Gebauer, Gurlit und Hartenfels, Art. 2 mit Gebauer und Gurlit, Art. 52 mit Gebauer und Hartenfels)
Mülbert
Art. 5, Vor Art. 12, Art. 12, 13, 15, 16 VO Nr. 596/2014 (Art. 5 mit Sajnovits) Vor Art. 1, Art. 1–31, 42–48 VO Nr. 236/2012 (mit Sajnovits) Vor § 48, §§ 48–53, Vor § 99, §§ 99, 100, 130 WpHG
Sajnovits
Art. 5, 20*, 21* VO Nr. 596/2014 (Art. 5 mit Mülbert) Vor Art. 1, Art. 1–31, 42–48 VO Nr. 236/2012 (mit Mülbert) §§ 80–83, 85–87, 92, 95, 96 WpHG*
* Die Kommentierungen der Art. 20, 21 VO Nr. 596/2014 und der §§ 63–71, 80–87, 92, 95, 96 WpHG wurden auf der Basis der Vorauflagenbearbeitung von Herrn Prof. Dr. Ingo Koller erstellt. Die Verfasser danken Herrn Prof. Koller für die großzügige Überlassung seiner bisherigen Ausführungen.
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Bearbeiterverzeichnis
Sven H. Schneider
§ 35 WpHG § 5, Vor § 33, §§ 33, 34, 36–46, 127 WpHG (mit Uwe H. Schneider)
Uwe H. Schneider
§ 5, Vor § 33, §§ 33, 34, 36–46, 127 WpHG (mit Sven H. Schneider)
Spoerr
Art. 30–34 VO Nr. 596/2014 Art. 22–29 VO Nr. 1286/2014 Art. 41 VO Nr. 236/2012 Art. 12, 64–69 VO Nr. 648/2012 Vor § 13, §§ 13, 23, 93, 94, Vor § 119, §§ 119–126, 137 WpHG
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Inhaltsübersicht Seite
Band I Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Allgemeines Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (MAR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) . . . . . .
959
Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (MiFIR) . . . . . . . . . . . . .
1133
Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit default Swaps (Leerverkaufs-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1667
Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1909
Band II Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII IX
Wertpapierhandelsgesetz Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz – WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . .
2733
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4673
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Inhaltsverzeichnis Seite
Band I Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Allgemeines Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV Einleitung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (MAR) Kapitel 1 Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 1 VO Nr. 596/2014 Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 2 VO Nr. 596/2014 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 3 VO Nr. 596/2014 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 4 VO Nr. 596/2014 Meldungen und Liste der Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . Art. 5 VO Nr. 596/2014 Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Art. 6 VO Nr. 596/2014 Ausnahme für Maßnahmen im Rahmen der Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung und der Klimapolitik . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2
Insiderinformation, Insidergeschäfte, unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation (Art. 7–16 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . Vorbemerkungen zu den insiderrechtlichen Regelungen der Art. 7–11 und zum Insiderhandelsverbot nach Art. 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 7 VO Nr. 596/2014 Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 8 VO Nr. 596/2014 Insidergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 9 VO Nr. 596/2014 Legitime Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 10 VO Nr. 596/2014 Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen . . . . . . . Art. 11 VO Nr. 596/2014 Marktsondierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen zu Art. 12, 13, 15 und 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 12 VO Nr. 596/2014 Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 13 VO Nr. 596/2014 Zulässige Marktpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 14 VO Nr. 596/2014 Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 15 VO Nr. 596/2014 Verbot der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 16 VO Nr. 596/2014 Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch . . . . . . . . . Kapitel 3 Offenlegungsvorschriften (Art. 17–21 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . Art. 17 VO Nr. 596/2014 Veröffentlichung von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . Art. 18 VO Nr. 596/2014 Insiderlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 19 VO Nr. 596/2014 Eigengeschäfte von Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . Art. 20 VO Nr. 596/2014 Anlageempfehlungen und Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 21 VO Nr. 596/2014 Weitergabe oder Verbreitung von Informationen in den Medien
. . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
23 23 26 34 51 56
.
106
. .
110
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
110 130 188 233 246 281 312 343 431
. . . . . .
472 477 493
. . . . . .
521 521 665 707 801 851
. . . . . .
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Kapitel 4 ESMA und zuständige Behörden (Art. 22–29 VO Nr. 596/2014) . . . . Art. 22 VO Nr. 596/2014 Zuständige Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 23 VO Nr. 596/2014 Befugnisse der zuständigen Behörden . . . . . . . . . . Art. 24 VO Nr. 596/2014 Zusammenarbeit mit der ESMA . . . . . . . . . . . . . Art. 25 VO Nr. 596/2014 Verpflichtung zur Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . Art. 26 VO Nr. 596/2014 Zusammenarbeit mit Drittstaaten . . . . . . . . . . . . Art. 27 VO Nr. 596/2014 Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 28 VO Nr. 596/2014 Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 29 VO Nr. 596/2014 Übermittlung personenbezogener Daten in Drittstaaten
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864 864 866 874 880 895 899 903 905
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922 926 937 948
Kapitel 6 Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte (Art. 35–36 VO Nr. 596/2014) . . Art. 35 VO Nr. 596/2014 Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 36 VO Nr. 596/2014 Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
953 953 954
Kapitel 7 Schlussbestimmungen (Art. 37–39 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . Art. 37 VO Nr. 596/2014 Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG und ihrer Durchführungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38 VO Nr. 596/2014 Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 39 VO Nr. 596/2014 Inkrafttreten und Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abschnitt I Abfassung des Basisinformationsblatts (Art. 5 VO Nr. 1286/2014) . . . . . . . . . . Art. 5 VO Nr. 1286/2014 [Abfassung und Veröffentlichung] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 5 Verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen (Art. 30–34 VO Nr. 596/2014) Art. 30 VO Nr. 596/2014 Verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 31 VO Nr. 596/2014 Wahrnehmung der Aufsichtsbefugnisse und Verhängung von Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 32 VO Nr. 596/2014 Meldung von Verstößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 33 VO Nr. 596/2014 Informationsaustausch mit der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 34 VO Nr. 596/2014 Veröffentlichung von Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) Kapitel I Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–4 VO Nr. 1286/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 1 VO Nr. 1286/2014 [Gegenstand] . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 2 VO Nr. 1286/2014 [Anwendungsbereich] . . . . . . . . . . . . . Art. 3 VO Nr. 1286/2014 [Konkurrenzen] . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 4 VO Nr. 1286/2014 [Begriffsbestimmungen] . . . . . . . . . . . . Kapitel II Basisinformationsblatt (Art. 5–14 VO Nr. 1286/2014)
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Abschnitt II Form und Inhalt des Basisinformationsblatts (Art. 6–12 VO Nr. 1286/2014) Art. 6 VO Nr. 1286/2014 [Form des Basisinformationsblatts] . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 7 VO Nr. 1286/2014 [Sprache des Basisinformationsblatts] . . . . . . . . . . . . . . . Art. 8 VO Nr. 1286/2014 [Titel und Inhalt des Basisinformationsblatts] . . . . . . . . . . Art. 9 VO Nr. 1286/2014 [Inhalt der Werbematerialien] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV
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992 992 1000 1002 1027
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Art. 10 VO Nr. 1286/2014 Art. 11 VO Nr. 1286/2014 Art. 12 VO Nr. 1286/2014
[Überprüfung der Informationen durch Hersteller] . . . . . . . . . . . [Zivilrechtliche Haftung] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . [Versicherungsvertrag] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1029 1034 1043
Abschnitt III Bereitstellung des Basisinformationsblatts (Art. 13–14 VO Nr. 1286/2014) . . . . Art. 13 VO Nr. 1286/2014 [Zeitpunkt der Bereitstellung des Basisinformationsblatts] . . . . . . . . Art. 14 VO Nr. 1286/2014 [Art der Bereitstellung des Basisinformationsblatts] . . . . . . . . . . .
1044 1044 1050
Kapitel III Marktüberwachung und Produktinterventionsbefugnisse (Art. 15–18 VO Nr. 1286/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 15 VO Nr. 1286/2014 [Marktüberwachungsaufgabe] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 16 VO Nr. 1286/2014 [Produktinterventionsbefugnis der EIOPA] . . . . . . . . . . . . . Art. 17 VO Nr. 1286/2014 [Produktinterventionsbefugnis der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 18 VO Nr. 1286/2014 [Koordination und Vermittlung der EIOPA bei Maßnahmen der zuständigen Behörden] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel IV Beschwerden, Rechtsbehelfe, Zusammenarbeit und Aufsicht (Art. 19–21 VO Nr. 1286/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 19 VO Nr. 1286/2014 [Beschwerden und Rechtsbehelfe] . . . . . . . Art. 20 VO Nr. 1286/2014 [Zusammenarbeit und Aufsicht] . . . . . . . . Art. 21 VO Nr. 1286/2014 [Verarbeitung personenbezogener Daten] . . .
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1053 1053 1058
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1089 1089 1095 1098
Verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere Maßnahmen (Art. 22–29 VO Nr. 1286/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 22 VO Nr. 1286/2014 [Festlegung verwaltungsrechtlicher Sanktionen] . . . . . . . . . . Art. 23 VO Nr. 1286/2014 [Organisation des mitgliedstaatlichen Vollzugs] . . . . . . . . . . Art. 24 VO Nr. 1286/2014 [Mindestanforderungen an mitgliedstaatliche Sanktionsbefugnisse] Art. 25 VO Nr. 1286/2014 [Zumessung der Sanktion] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 26 VO Nr. 1286/2014 [Rechtsmittel] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27 VO Nr. 1286/2014 [Meldungen an die ESMA] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 28 VO Nr. 1286/2014 [Schaffung wirksamer Meldemechanismen] . . . . . . . . . . . . . Art. 29 VO Nr. 1286/2014 [Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen] . . . . . . .
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1101 1101 1105 1107 1112 1114 1115 1117 1120
Kapitel VI Schlussbestimmungen (Art. 30–34 VO Nr. 1286/2014) . Art. 30 VO Nr. 1286/2014 [Erlass delegierter Rechtsakte] . . . . . . . Art. 31 VO Nr. 1286/2014 [Erlass technischer Regulierungsstandards] Art. 32 VO Nr. 1286/2014 [Übergangsregelung] . . . . . . . . . . . . Art. 33 VO Nr. 1286/2014 [Überprüfung durch die Kommission] . . Art. 34 VO Nr. 1286/2014 [Inkrafttreten und Geltung] . . . . . . . .
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1125 1125 1126 1127 1128 1131
Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–2 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 1 VO Nr. 600/2014 Gegenstand und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 2 VO Nr. 600/2014 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1133 1133 1140
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Kapitel V
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Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (MiFIR) Titel I
XV
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Titel II
Transparenz für Handelsplätze (Art. 3–13 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 1 Transparenz für Eigenkapitalinstrumente (Art. 3–7 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . Art. 3 VO Nr. 600/2014 Vorhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 4 VO Nr. 600/2014 Ausnahmen für Eigenkapitalinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 5 VO Nr. 600/2014 Mechanismus zur Begrenzung des Volumens . . . . . . . . . . . . . . Art. 6 VO Nr. 600/2014 Nachhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 7 VO Nr. 600/2014 Genehmigung einer späteren Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2 Transparenz für Nichteigenkapitalinstrumente (Art. 8–11 VO Nr. 600/2014) . . . . . Art. 8 VO Nr. 600/2014 Vorhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 9 VO Nr. 600/2014 Ausnahmen für Nichteigenkapitalinstrumente . . . . . . . . . . . . . Art. 10 VO Nr. 600/2014 Nachhandelstransparenzanforderungen für Handelsplätze im Hinblick auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 11 VO Nr. 600/2014 Genehmigung einer späteren Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . Kapitel 3
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1144
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1144 1153 1162
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1167 1172
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1176
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1176 1188
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1198 1203
Verpflichtung, Handelsdaten gesondert und zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen anzubieten (Art. 12–13 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 12 VO Nr. 600/2014 Verpflichtung zur gesonderten Offenlegung von Vorhandels- und Nachhandelsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 13 VO Nr. 600/2014 Verpflichtung zur Offenlegung von Vorhandels- und Nachhandelsdaten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen . . . . . . . . . . . . . Titel III
1144
1211 1211 1212
Transparenz für systematische Internalisierer und Wertpapierfirmen, die OTC handeln, und Tick-Größen-System für systematische Internalisierer (Art. 14–23 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1218 Art. 14 VO Nr. 600/2014 Verpflichtung der systematischen Internalisierer zur Offenlegung von verbindlichen Kursofferten für Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente . . 1218 Art. 15 VO Nr. 600/2014 Ausführung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1230 Art. 16 VO Nr. 600/2014 Pflichten der zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1236 Art. 17 VO Nr. 600/2014 Zugang zu Kursofferten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1237 Art. 17a VO Nr. 600/2014 Tick-Größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1241 Art. 18 VO Nr. 600/2014 Verpflichtung der systematischen Internalisierer zur Veröffentlichung verbindlicher Kursofferten in Bezug auf Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate . . . . . . . 1244 Art. 19 VO Nr. 600/2014 Überwachung durch die ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1260 Art. 20 VO Nr. 600/2014 Veröffentlichungen von Wertpapierfirmen – einschließlich systematischer Internalisierer – nach dem Handel betreffend Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds, Zertifikate und andere vergleichbare Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1261 Art. 21 VO Nr. 600/2014 Veröffentlichungen von Wertpapierfirmen – einschließlich systematischer Internalisierer – nach dem Handel betreffend Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate . . . . 1267 Art. 22 VO Nr. 600/2014 Bereitstellung von Informationen für Transparenz- und andere Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1273 Art. 23 VO Nr. 600/2014 Handelspflichten für Wertpapierfirmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1274 XVI
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Titel IV Meldung von Geschäften (Art. 24–27 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 24 VO Nr. 600/2014 Pflicht zur Wahrung der Marktintegrität . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 25 VO Nr. 600/2014 Pflicht zum Führen von Aufzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 26 VO Nr. 600/2014 Pflicht zur Meldung von Geschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27 VO Nr. 600/2014 Pflicht zur Bereitstellung von Referenzdaten für die einzelnen Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1284 1284 1289 1302
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1321
Titel IVa Datenbereitstellungsdienste (Art. 27a–27i VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . .
1329
Kapitel 1 Zulassung von Datenbereitstellungsdienstleistern (Art. 27a–27f VO Nr. 600/2014) Vorbemerkungen zu Art. 27a–27i VO Nr. 600/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27a VO Nr. 600/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27b VO Nr. 600/2014 Zulassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27c VO Nr. 600/2014 Zulassung von Datenbereitstellungsdienstleistern . . . . . . . . . . Art. 27d VO Nr. 600/2014 Verfahren für die Erteilung der Zulassung und die Ablehnung von Anträgen auf Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27e VO Nr. 600/2014 Entzug der Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27f VO Nr. 600/2014 Anforderungen an das Leitungsorgan des Datenbereitstellungsdienstleisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel 2 Bedingungen für APA, CTP und ARM (Art. 27g–27i VO Nr. 600/2014) Art. 27g VO Nr. 600/2014 Organisatorische Anforderungen an APA . . . . . . . . Art. 27h VO Nr. 600/2014 Organisatorische Anforderungen an CTP . . . . . . . . Art. 27i VO Nr. 600/2014 Organisatorische Anforderungen an ARM . . . . . . .
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Titel V Derivate (Art. 28–34 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 28 VO Nr. 600/2014 Pflicht zum Handel über geregelte Märkte, MTF oder OTF . . . . Art. 29 VO Nr. 600/2014 Clearingpflicht für über geregelte Märkte gehandelte Derivate und Zeitrahmen für die Annahme zum Clearing . . . . . . . . . . . . Art. 30 VO Nr. 600/2014 Indirekte Clearingvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 31 VO Nr. 600/2014 Portfoliokomprimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 32 VO Nr. 600/2014 Verfahren bei einer Handelspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 33 VO Nr. 600/2014 Mechanismus zur Vermeidung doppelter oder kollidierender Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 34 VO Nr. 600/2014 Verzeichnis von der Handelspflicht unterliegenden Derivaten . . .
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. 1329 . 1329 . 1332 . 1334 . 1338
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1340 1345
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1348
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1353 1353 1368 1380
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1389 1389
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1402 1408 1419 1423
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1432 1435
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Titel VI Diskriminierungsfreier Zugang zum Clearing für Finanzinstrumente (Art. 35–38 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 35 VO Nr. 600/2014 Diskriminierungsfreier Zugang zu einer zentralen Gegenpartei . . . . . Art. 36 VO Nr. 600/2014 Diskriminierungsfreier Zugang zu einem Handelsplatz . . . . . . . . . Art. 37 VO Nr. 600/2014 Diskriminierungsfreier Zugang zu Referenzwerten und Genehmigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38 VO Nr. 600/2014 Zugang für in einem Drittland niedergelassene zentrale Gegenparteien und Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel VIa
Befugnisse und Zuständigkeiten der ESMA (Art. 38a–38o VO Nr. 600/2014) . . . . . .
Kapitel 1 Zuständigkeiten und Verfahren (Art. 38a–38g VO Nr. 600/2014) Art. 38a VO Nr. 600/2014 Ausübung der Befugnisse durch die ESMA . . . Art. 38b VO Nr. 600/2014 Informationsersuchen . . . . . . . . . . . . . . Art. 38c VO Nr. 600/2014 Allgemeine Untersuchungen . . . . . . . . . . . Art. 38d VO Nr. 600/2014 Kontrollen vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . .
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1436 1436 1451 1463 1472 1479 1479 1479 1481 1486 1493 XVII
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Art. 38e VO Nr. 600/2014 Art. 38f VO Nr. 600/2014 Art. 38g VO Nr. 600/2014
Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrung des Berufsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsmaßnahmen der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 2
Verwaltungssanktionen und andere Verwaltungmaßnahmen (Art. 38h–38o VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38h VO Nr. 600/2014 Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38i VO Nr. 600/2014 Zwangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38j VO Nr. 600/2014 Offenlegung, Art, Vollstreckung und Zuweisung der Geldbußen und Zwangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38k VO Nr. 600/2014 Verfahrensvorschriften für Aufsichtsmaßnahmen und Geldbußen . Art. 38l VO Nr. 600/2014 Anhörung der betroffenen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38m VO Nr. 600/2014 Überprüfung durch den Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38n VO Nr. 600/2014 Zulassungs- und Aufsichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 38o VO Nr. 600/2014 Übertragung von Aufgaben durch die ESMA an die zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Titel VII
1500 1500 1506
. . . . . .
1512 1512 1516
. . . . .
. . . . .
1521 1526 1533 1535 1536
. .
1539
Aufsichtsmaßnahmen zur Produktintervention und zu den Positionen (Art. 39–45 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1541
Kapitel 1 Produktüberwachung und Produktintervention (Art. 39–43 VO Nr. 600/2014) Art. 39 VO Nr. 600/2014 Marktüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 40 VO Nr. 600/2014 Befugnisse der ESMA zur vorübergehenden Intervention . . . Art. 41 VO Nr. 600/2014 Befugnisse der EBA zur vorübergehenden Intervention . . . . Art. 42 VO Nr. 600/2014 Produktintervention seitens der zuständigen Behörden . . . . Art. 43 VO Nr. 600/2014 Koordinierung durch die ESMA und die EBA . . . . . . . . . .
. . . . . .
1541 1541 1545 1561 1565 1585
Kapitel 2 Positionen (Art. 44–45 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 44 VO Nr. 600/2014 Koordinierung nationaler Positionsmanagementmaßnahmen und Positionsbeschränkungen durch die ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 45 VO Nr. 600/2014 Positionsmanagementbefugnisse der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . .
1587
. . . . .
. . . . . .
. . . . . .
Erbringung von Dienstleistungen und Tätigkeiten durch Drittlandfirmen infolge einer Gleichwertigkeitsentscheidung oder ohne Zweigniederlassung (Art. 46–49 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 46 VO Nr. 600/2014 Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 47 VO Nr. 600/2014 Gleichwertigkeitsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 48 VO Nr. 600/2014 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 49 VO Nr. 600/2014 Von der ESMA zu ergreifende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
1587 1589
Titel VIII
. . . . .
1610 1610 1625 1639 1640
Delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte (Art. 50–51 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1648
Kapitel 1 Delegierte Rechtsakte (Art. 50 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 50 VO Nr. 600/2014 Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1648 1648
Kapitel 2 Durchführungsrechtsakte (Art. 51 VO Nr. 600/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 51 VO Nr. 600/2014 Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1651 1651
Titel X Schlussbestimmungen (Art. 52–55 VO Nr. 600/2014) . . . . . . Art. 52 VO Nr. 600/2014 Berichte und Überprüfung . . . . . . . . . . . Art. 53 VO Nr. 600/2014 Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 Art. 54 VO Nr. 600/2014 Übergangsbestimmungen . . . . . . . . . . . Art. 54a VO Nr. 600/2014 Übergangsmaßnahmen in Bezug auf die ESMA
1652 1652 1660 1661 1663
Titel IX
XVIII
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Inhaltsverzeichnis Seite
Art. 54b VO Nr. 600/2014 Art. 55 VO Nr. 600/2014
Beziehungen zu Wirtschaftsprüfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten und Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1664 1665
Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit default Swaps (Leerverkaufs-VO) Vorbemerkungen vor Art. 1–41 VO Nr. 236/2012
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–4 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . Art. 1 VO Nr. 236/2012 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 2 VO Nr. 236/2012 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 3 VO Nr. 236/2012 Short- und Long-Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 4 VO Nr. 236/2012 Ungedeckte Position in einem Credit Default Swap auf öffentliche Schuldtitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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. . . .
1701 1701 1706 1719
. . . .
1734
Kapitel II Transparenz von Netto-Leerverkaufspositionen (Art. 5–11 VO Nr. 236/2012) . . . Art. 5 VO Nr. 236/2012 Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien an die zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 6 VO Nr. 236/2012 Offenlegung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien gegenüber der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 7 VO Nr. 236/2012 Meldung signifikanter Netto-Leerverkaufspositionen in öffentlichen Schuldtiteln an die zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . Art. 8 VO Nr. 236/2012 Meldung ungedeckter Positionen in Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel an die zuständigen Behörden . . . . . . . . . Art. 9 VO Nr. 236/2012 Melde- und Offenlegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 10 VO Nr. 236/2012 Anwendung der Melde- und Offenlegungsverfahren . . . . . . . . . Art. 11 VO Nr. 236/2012 Bereitstellung von Informationen an die ESMA . . . . . . . . . . . .
. . . .
1667
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1745
. .
1745
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1745
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1746
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1746 1747 1748 1769
Kapitel III Ungedeckte Leerverkäufe (Art. 12–15 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . . Art. 12 VO Nr. 236/2012 Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe in Aktien . . . . . . . . . . . Art. 13 VO Nr. 236/2012 Beschränkung ungedeckter Leerverkäufe von öffentlichen Schuldtiteln Art. 14 VO Nr. 236/2012 Beschränkungen für ungedeckte Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 15 VO Nr. 236/2012 Eindeckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
1774 1774 1774
. .
1800 1807
Kapitel IV Ausnahmen (Art. 16–17 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 16 VO Nr. 236/2012 Ausnahme für in Drittländern befindliche Haupthandelsplätze . . . . . Art. 17 VO Nr. 236/2012 Ausnahme für Market-Making-Tätigkeiten und Primärmarkttätigkeiten
1808 1808 1816
Kapitel V Eingriffsbefugnisse der zuständigen Behörden und der ESMA (Art. 18–31 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1831
Abschnitt 1 Befugnisse der zuständigen Behörden (Art. 18–26 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . Art. 18 VO Nr. 236/2012 Meldung und Offenlegung in Ausnahmesituationen . . . . . . . . . Art. 19 VO Nr. 236/2012 Meldepflicht von Verleihern in Ausnahmesituationen . . . . . . . . Art. 20 VO Nr. 236/2012 Beschränkung von Leerverkäufen und vergleichbaren Transaktionen in Ausnahmesituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 21 VO Nr. 236/2012 Beschränkung von Transaktionen mit Credit Default Swaps auf öffentliche Schuldtitel in Ausnahmesituationen . . . . . . . . . . . . Art. 22 VO Nr. 236/2012 Maßnahmen durch andere zuständige Behörden . . . . . . . . . . .
. . . . . .
1831 1831 1831
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1832
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1832 1833 XIX
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Art. 23 VO Nr. 236/2012 Art. 24 VO Nr. 236/2012 Art. 25 VO Nr. 236/2012 Art. 26 VO Nr. 236/2012
Befugnis zur befristeten Beschränkung des Leerverkaufs von Finanzinstrumenten bei signifikantem Kursverfall . . . . . . . . . . . . . . Dauer der Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekanntmachung von Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . Unterrichtung der ESMA und der anderen zuständigen Behörden .
Abschnitt 2 Befugnisse der ESMA (Art. 27–31 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27 VO Nr. 236/2012 Koordinierung durch die ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 28 VO Nr. 236/2012 Eingriffsbefugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen . . . . . . Art. 29 VO Nr. 236/2012 Befugnisse der ESMA in Ausnahmesituationen im Zusammenhang mit öffentlichen Schuldtiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 30 VO Nr. 236/2012 Abgrenzung ungünstiger Ereignisse oder Entwicklungen . . . . . Art. 31 VO Nr. 236/2012 Untersuchungen der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
1833 1834 1834 1835
. . . . . . . . .
1853 1853 1853
. . . . . . . . .
1855 1855 1855
Kapitel VI Rolle der zuständigen Behörden (Art. 32–41 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . 1877 Art. 32 VO Nr. 236/2012 Zuständige Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1877 Art. 33 VO Nr. 236/2012 Befugnisse der zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1879 Art. 34 VO Nr. 236/2012 Berufsgeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1884 Art. 35 VO Nr. 236/2012 Verpflichtung zur Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1887 Art. 36 VO Nr. 236/2012 Zusammenarbeit mit der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1888 Art. 37 VO Nr. 236/2012 Zusammenarbeit bei Anträgen auf Prüfungen oder Ermittlungen vor Ort 1890 Art. 38 VO Nr. 236/2012 Zusammenarbeit mit Drittländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1892 Art. 39 VO Nr. 236/2012 Übermittlung und Speicherung personenbezogener Daten . . . . . . . . 1894 Art. 40 VO Nr. 236/2012 Offenlegung von Informationen gegenüber Drittländern . . . . . . . . . 1897 Art. 41 VO Nr. 236/2012 Strafmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1899 Kapitel VII Delegierte Rechtsakte (Art. 42–43 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 42 VO Nr. 236/2012 Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 43 VO Nr. 236/2012 Frist für den Erlass delegierter Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . .
1904 1904 1905
Kapitel VIII Durchführungsrechtsakte (Art. 44 VO Nr. 236/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 44 VO Nr. 236/2012 Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1905 1905
Kapitel IX Übergangs- und Schlussbestimmungen (Art. 45–48 VO Nr. 236/2012) Art. 45 VO Nr. 236/2012 Überprüfung und Berichterstattung . . . . . . . . . . . Art. 46 VO Nr. 236/2012 Übergangsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 47 VO Nr. 236/2012 Personal und Ressourcen der ESMA . . . . . . . . . . . Art. 48 VO Nr. 236/2012 Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . .
. . . . .
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. 1906 . 1906 . 1907 . 1908 . 1908
Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR) Vorbemerkungen vor Art. 1–91 VO Nr. 648/2012
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1909
Titel I Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–3 VO Nr. 648/2012) Art. 1 VO Nr. 648/2012 Gegenstand und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 2 VO Nr. 648/2012 Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 2a VO Nr. 648/2012 Entscheidungen über die Gleichwertigkeit für die Zwecke der Bestimmung des Begriffs „OTC-Derivate“ . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 3 VO Nr. 648/2012 Gruppeninterne Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1930 1930 1938
XX
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1976 1978
Inhaltsverzeichnis Seite
Titel II
Clearing, Meldung und Risikominderung von OTC-Derivaten (Art. 4–13a VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 4 VO Nr. 648/2012 Clearingpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 4a VO Nr. 648/2012 Clearingpflichtige finanzielle Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . Art. 5 VO Nr. 648/2012 Verfahren in Bezug auf die Clearingpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 6 VO Nr. 648/2012 Öffentliches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 6a VO Nr. 648/2012 Aussetzung der Clearingpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 6b VO Nr. 648/2012 Aussetzung der Clearingpflicht im Fall der Abwicklung . . . . . . . . . Art. 7 VO Nr. 648/2012 Zugang zu einer CCP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 8 VO Nr. 648/2012 Zugang zu einem Handelsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 9 VO Nr. 684/2012 Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 10 VO Nr. 648/2012 Nichtfinanzielle Gegenparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 11 VO Nr. 648/2012 Risikominderungstechniken für nicht durch eine CCP geclearte OTC-Derivatekontrakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 12 VO Nr. 648/2012 Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 13 VO Nr. 648/2012 Mechanismus zur Vermeidung doppelter oder kollidierender Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 13a VO Nr. 648/2012 Änderungen bei Altkontrakten zur Umsetzung der Referenzwertreform
2275 2279
Titel III
. . . . . . .
2282
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
2282 2282 2286 2288 2295 2300 2311 2315 2317
Kapitel 2 Beaufsichtigung und Überwachung von CCPs (Art. 22 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . Art. 22 VO Nr. 648/2012 Zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2319 2319
Kapitel 3 Zusammenarbeit (Art. 23–24 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 23 VO Nr. 648/2012 Zusammenarbeit zwischen den Behörden . . . . . . . . . . . . Art. 23a VO Nr. 648/2012 Aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und der ESMA hinsichtlich zugelassener CCPs . . . Art. 24 VO Nr. 648/2012 Krisensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
2321 2321
. . . . . . . . . .
2324 2328
Kapitel 3A CCP-Aufsichtsausschuss (Art. 24a–24e VO Nr. 648/2012) . . Art. 24a VO Nr. 648/2012 CCP-Aufsichtsausschuss . . . . . . . . . . . . Art. 24b VO Nr. 648/2012 Konsultation der emittierenden Zentralbanken Art. 24c VO Nr. 648/2012 Beschlussfassung im CCP-Aufsichtsausschuss Art. 24d VO Nr. 648/2012 Beschlussfassung im Rat der Aufseher . . . . . Art. 24e VO Nr. 648/2012 Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . . . . . .
Zulassung und Beaufsichtigung von CCPs (Art. 14–25q VO Nr. 648/2012)
Kapitel 1
Bedingungen und Verfahren für die Zulassung einer CCP (Art. 14–21 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 14 VO Nr. 648/2012 Zulassung einer CCP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 15 VO Nr. 648/2012 Ausweitung der Tätigkeit und Dienstleistungen . . . . . . Art. 16 VO Nr. 648/2012 Eigenkapitalanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 17 VO Nr. 648/2012 Verfahren zur Erteilung oder Verweigerung der Zulassung Art. 18 VO Nr. 648/2012 Kollegium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 19 VO Nr. 648/2012 Stellungnahme des Kollegiums . . . . . . . . . . . . . . . Art. 20 VO Nr. 648/2012 Entzug der Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 21 VO Nr. 648/2012 Überprüfung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . .
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1990 1990 2029 2039 2058 2061 2066 2071 2077 2081 2110 2124 2271
. . . . . .
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2331 2331 2344 2347 2349 2351
Kapitel 4 Beziehungen zu Drittstaaten (Art. 25–25q VO Nr. 648/2012) . . . . . . . Art. 25 VO Nr. 648/2012 Anerkennung einer in einem Drittstaat ansässigen CCP . Art. 25a VO Nr. 648/2012 Vergleichbarkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 25b VO Nr. 648/2012 Dauerhafte Erfüllung der Anerkennungsvoraussetzungen
. . . .
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2352 2352 2383 2390 XXI
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Art. 25c VO Nr. 648/2012 Art. 25d VO Nr. 648/2012 Art. 25e VO Nr. 648/2012 Art. 25f VO Nr. 648/2012 Art. 25g VO Nr. 648/2012 Art. 25h VO Nr. 648/2012 Art. 25i VO Nr. 648/2012
Kollegium für Drittstaaten-CCPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der in den Artikeln 25f bis 25h genannten Befugnisse . . . Informationsersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungen vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensvorschriften für Aufsichtsmaßnahmen und die Verhängung von Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhörung der betreffenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offenlegung, Art, Zwangsvollstreckung und Zuweisung der Geldbußen und Zwangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrolle durch den Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderungen des Anhangs IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzug der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsichtsmaßnahmen der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 2392 . 2395 . 2400 . 2401 . 2404 . 2408 . . . .
2412 2420 2428 2431
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2433 2435 2435 2436 2440
Titel IV Anforderungen an CCPs (Art. 26–50d VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2442
Art. 25j VO Nr. 648/2012 Art. 25k VO Nr. 648/2012 Art. 25l VO Nr. 648/2012 Art. 25m VO Nr. 648/2012 Art. 25n VO Nr. 648/2012 Art. 25o VO Nr. 648/2012 Art. 25p VO Nr. 648/2012 Art. 25q VO Nr. 648/2012
Kapitel 1 Organisatorische Anforderungen (Art. 26–35 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . Art. 26 VO Nr. 648/2012 Allgemeine Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 27 VO Nr. 648/2012 Geschäftsleitung und Leitungsorgan . . . . . . . . . . . . . . Art. 28 VO Nr. 648/2012 Risikoausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 29 VO Nr. 648/2012 Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 30 VO Nr. 648/2012 Aktionäre und Gesellschafter mit qualifizierten Beteiligungen Art. 31 VO Nr. 648/2012 Informationspflicht gegenüber den zuständigen Behörden . . Art. 32 VO Nr. 648/2012 Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 33 VO Nr. 648/2012 Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 34 VO Nr. 648/2012 Fortführung des Geschäftsbetriebs . . . . . . . . . . . . . . . Art. 35 VO Nr. 648/2012 Auslagerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 2442 . 2442 . 2453 . 2456 . 2459 . 2464 . 2465 . 2466 . 2472 . 2474 . 2478
Kapitel 2 Wohlverhaltensregeln (Art. 36–39 VO Nr. 648/2012) Art. 36 VO Nr. 648/2012 Allgemeine Bestimmungen . . . . . Art. 37 VO Nr. 648/2012 Vorschriften über die Teilnahme . . Art. 38 VO Nr. 648/2012 Transparenz . . . . . . . . . . . . . Art. 39 VO Nr. 648/2012 Trennung und Übertragbarkeit . . .
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2481 2481 2482 2487 2493
Kapitel 3 Aufsichtsrechtliche Anforderungen (Art. 40–50 VO Nr. 648/2012) . . . . . Art. 40 VO Nr. 648/2012 Management von Risikopositionen . . . . . . . . . . . . . Art. 41 VO Nr. 648/2012 Einschussforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 42 VO Nr. 648/2012 Ausfallfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 43 VO Nr. 648/2012 Sonstige Finanzmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 44 VO Nr. 648/2012 Kontrolle der Liquiditätsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . Art. 45 VO Nr. 648/2012 Wasserfallprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 45a VO Nr. 648/2012 Vorübergehende Beschränkungen im Falle eines erheblichen Nichtausfallereignisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 46 VO Nr. 648/2012 Anforderungen an die Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . Art. 47 VO Nr. 648/2012 Anlagepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 48 VO Nr. 648/2012 Verfahren bei Ausfall eines Clearingmitglieds . . . . . . . .
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2504 2504 2505 2514 2518 2521 2527
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2531 2535 2544 2553
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Art. 49 VO Nr. 648/2012 Art. 50 VO Nr. 648/2012
Überprüfung der Modelle, Stresstests und Backtesting . . . . . . . . . . Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 4
Berechnungen und Meldungen für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Art. 50a–50d VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 50a VO Nr. 648/2012 Berechnung der hypothetischen Kapitalanforderung (KCCP) . . . . Art. 50b VO Nr. 648/2012 Allgemeine Regeln für die Berechnung der KCCP . . . . . . . . . . Art. 50c VO Nr. 648/2012 Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 50d VO Nr. 648/2012 Berechnung der von der ZGP zu meldenden besonderen Positionen Titel V Interoperabilitätsvereinbarungen (Art. 51–54 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . Art. 51 VO Nr. 648/2012 Interoperabilitätsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 52 VO Nr. 648/2012 Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 53 VO Nr. 648/2012 Leistung von Einschusszahlungen im Rahmen der Vereinbarungen zwischen CCPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 54 VO Nr. 648/2012 Genehmigung einer Interoperabilitätsvereinbarung . . . . . . . .
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2588 2588 2589
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2590 2590
Kapitel 1
Bedingungen und Verfahren für die Registrierung eines Transaktionsregisters (Art. 55–74 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 55 VO Nr. 648/2012 Registrierung eines Transaktionsregisters . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 56 VO Nr. 648/2012 Registrierungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 57 VO Nr. 648/2012 Unterrichtung und Konsultation der zuständigen Behörden vor der Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 58 VO Nr. 648/2012 Prüfung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 59 VO Nr. 648/2012 Mitteilung von Beschlüssen der ESMA in Bezug auf die Registrierung Art. 60 VO Nr. 648/2012 Ausübung der in den Artikeln 61 bis 63 genannten Befugnisse . . . . Art. 61 VO Nr. 648/2012 Informationsersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 62 VO Nr. 648/2012 Allgemeine Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 63 VO Nr. 648/2012 Prüfungen vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 64 VO Nr. 648/2012 Verfahrensvorschriften für Aufsichtsmaßnahmen und die Verhängung von Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 65 VO Nr. 648/2012 Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 66 VO Nr. 648/2012 Zwangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 67 VO Nr. 648/2012 Anhörung der betreffenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 68 VO Nr. 648/2012 Offenlegung, Art, Zwangsvollstreckung und Zuweisung der Geldbußen und Zwangsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 69 VO Nr. 648/2012 Kontrolle durch den Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 70 VO Nr. 648/2012 Änderungen des Anhangs II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 71 VO Nr. 648/2012 Widerruf der Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 72 VO Nr. 648/2012 Gebühren für die Beaufsichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 73 VO Nr. 648/2012 Aufsichtsmaßnahmen der ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 74 VO Nr. 648/2012 Delegation von Aufgaben durch die ESMA an die zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 2575 . 2575 . 2576 . 2577 . 2578
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Titel VI Registrierung und Aufsicht von Transaktionsregistern (Art. 55–77 VO Nr. 648/2012)
Kapitel 2 Beziehungen zu Drittstaaten (Art. 75–77 VO Nr. 648/2012) . . . Art. 75 VO Nr. 648/2012 Gleichwertigkeit und internationale Übereinkünfte Art. 76 VO Nr. 648/2012 Kooperationsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . Art. 76a VO Nr. 648/2012 Gegenseitiger direkter Datenzugang . . . . . . . . Art. 77 VO Nr. 648/2012 Anerkennung von Transaktionsregistern . . . . .
2560 2574
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2596
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2596 2596 2599
. 2605 . 2606 . 2608 . 2609 . 2610 . 2614 . 2619 . . . .
2625 2633 2640 2644
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2645 2650 2652 2653 2655 2662
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2664
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2667 2667 2672 2673 2676 XXIII
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Titel VII Anforderungen an Transaktionsregister (Art. 78–82 VO Nr. 648/2012) Art. 78 VO Nr. 648/2012 Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . Art. 79 VO Nr. 648/2012 Operationale Zuverlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Art. 80 VO Nr. 648/2012 Schutz und Speicherung der Daten . . . . . . . . . . . Art. 81 VO Nr. 648/2012 Transparenz und Datenverfügbarkeit . . . . . . . . . . Art. 82 VO Nr. 648/2012 Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . .
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2679 2679 2684 2686 2688 2704
Titel VIII Gemeinsame Bestimmungen (Art. 83–84 VO Nr. 648/2012) . . . . . . . . . . . . . . . Art. 83 VO Nr. 648/2012 Wahrung des Berufsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 84 VO Nr. 648/2012 Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2706 2706 2711
Titel IX Übergangs- und Schlussbestimmungen (Art. 85–91 VO Nr. 648/2012) Art. 85 VO Nr. 648/2012 Berichte und Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . Art. 86 VO Nr. 648/2012 Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 87 VO Nr. 648/2012 Änderung der Richtlinie 98/26/EG . . . . . . . . . . Art. 88 VO Nr. 648/2012 Websites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art. 89 VO Nr. 648/2012 Übergangsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . Art. 90 VO Nr. 648/2012 Personal und Ressourcen der ESMA . . . . . . . . . . Art. 91 VO Nr. 648/2012 Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 2714 . 2714 . 2720 . 2722 . 2723 . 2725 . 2732 . 2732
Band II Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII IX
Wertpapierhandelsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2733
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Allgemeines Schrifttumsverzeichnis Ausführliche Schrifttumshinweise finden Sie auch zu Beginn der Kommentierungen. Adler/Düring/Schmaltz Achenbach/Ransiek/Rönnau (Hrsg.) Angerer/Geibel/Süßmann (Hrsg.) Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.) Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.) Assmann/Wallach/Zetzsche (Hrsg.)
Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995 ff. Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2019 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 3. Aufl. 2017 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 3. Aufl. 2020
Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme (Hrsg.)
Investmentgesetze, Bd. 1 (§§ 1–90 KAGB), 4. Aufl. 2019, Bd. 2 (§§ 91–213 KAGB), 4. Aufl. 2020, Bd. 3 (§§ 214–360 KAGB), 4. Aufl. 2020 Handels- und Steuerbilanz, §§ 238 bis 339, 342 bis 342a HGB, 13. Aufl. 2022, hrsg. von Grottel, Justenhoven, Schubert, Störk Kreditwesengesetz mit CRR, Loseblatt KWG, CRR-VO. Kommentar zu Kreditwesengesetz, VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und Ausführungsvorschriften, 5. Aufl. 2016 Bankrecht und Bankpraxis, begründet von Hellner und Steuer, hrsg. von Höche/Piekenbrock/Siegmann, Loseblatt Kapitalmarktrecht, 12. Aufl. 2022 Aktiengesetz (Heidelberger Kommentar), 5. Aufl. 2021
Beck'scher Bilanz-Kommentar Beck/Samm/Kokemoor Boos/Fischer/Schulte-Mattler BuB Buck-Heeb Bürgers/Körber/Lieder
Prospektrecht. Kommentar, 4. Aufl. 2022 Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020 Kapitalanlagegesetzbuch, 2. Aufl. 2023
Derleder/Knops/Bamberger (Hrsg.)
Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2017
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn
HGB, hrsg. von Joost und Strohn, Band I (§§ 1–342e), 4. Aufl. 2020, Band II (§§ 343–475h), 4. Aufl. 2020 Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022 Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 5. Aufl. 2018 Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl. 2022 Wirtschaftsstrafrecht, Kommentar, 2017
Ellenberger/Bunte (Hrsg.) Ellenberger/Clouth (Hrsg.) Emmerich/Habersack Esser/Rübenstahl/Saliger/ Tsambikakis (Hrsg.) Eyermann
Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022
Fuchs (Hrsg.) Fuchs/Zimmermann (Hrsg.)
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2. Aufl. 2016 Wertpapierhandelsrecht (WpHG), 3. Aufl. 2023
Gebauer/Teichmann (Hrsg.)
Grüneberg Grunewald/Schlitt
Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, Band 6 der Enzyklopädie Europarecht, 1. Aufl. 2016; 2. Aufl. 2022 Kapitalmarktrecht, 8. Aufl. 2022 Aktiengesetz, hrsg. von Hopt und Wiedemann, 4. Aufl. 1992 ff.; hrsg. von Hirte, Mülbert und Roth, 5. Aufl. 2016 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl. 2022; 82. Aufl. 2023 Einführung in das Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2020
Haarmann/Schüppen (Hrsg.) Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.)
Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 4. Aufl. 2017 Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl. 2020
Groß Großkommentar
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Allgemeines Schrifttumsverzeichnis
Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.) Hauschka/Moosmayer/Lösler (Hrsg.) Heidel (Hrsg.) Hölters/Weber (Hrsg.) Hellgardt Hellner/Steuer Hopt Hopt Hopt/Seibt (Hrsg.)
Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019 Corporate Compliance, 3. Aufl. 2016 Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2020 Aktiengesetz, 4. Aufl. 2022 Kapitalmarktdeliktsrecht, 2008 s. BuB Handelsgesetzbuch, 41. Aufl. 2022 Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975 Schuldverschreibungsrecht, 2017; 2. Aufl. 2023
Immenga/Mestmäcker
Wettbewerbsrecht, Kommentar, hrsg. von Körber, Schweitzer, Zimmer, 6. Aufl. 2019 ff.
Just/Voß/Ritz/Becker (Hrsg.)
Wertpapierhandelsgesetz, 2015
Kallmeyer Karlsruher Kommentar Klöhn (Hrsg.) Koch Kölner Kommentar
Umwandlungsgesetz, 7. Aufl. 2020 Ordnungswidrigkeitengesetz, hrsg. von Mitsch, 5. Aufl. 2018 Marktmissbrauchsverordnung, 2018 Aktiengesetz, 16. Aufl. 2022 Aktiengesetz, hrsg. von Zöllner, 2. Aufl. 1986 ff.; hrsg. von Zöllner und Noack, 3. Aufl. 2006 ff.; hrsg. von Noack und Zetzsche, 4. Aufl. 2020 ff. WpHG, hrsg. von Hirte und Möllers, 2. Aufl. 2014 WpÜG, hrsg. von Hirte und von Bülow, 2. Aufl. 2010 Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Aufl. 2022 Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl. 2017 MaComp, 3. Aufl. 2021 Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006 Kapitalmarktrecht, Loseblatt Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2006 Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022
Kölner Kommentar Kölner Kommentar Kopp/Schenke Krieger/Uwe H. Schneider (Hrsg.) Krimphove Kübler/Assmann Kümpel/Hammen/Ekkenga Kümpel/Veil Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried Langenbucher Langenbucher/Bliesener/Spindler Lehmann/Kumpan Leipziger Kommentar Lenenbach Lutter Lutter/Bayer/J. Schmidt Marsch-Barner/Schäfer Meyer-Goßner/Schmitt Meyer/Veil/Rönnau Möllers/Rotter (Hrsg.) Möslein/Omlor Moritz/Klebeck/Jesch (Hrsg.) Müller-Gugenberger (Hrsg.)
Aktien- und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2022 Bankrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2020 European Financial Services Law, 2019 Strafgesetzbuch, begr. von Jescheck/Ruß/Willms, hrsg. von Jähnke, Laufhütte und Odersky, 11. Aufl. 1992 ff., 12. Aufl. 2006 ff. Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010 Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2019 Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2017 Handbuch börsennotierte AG, 5. Aufl. 2022 Strafprozessordnung, begr. von Schwarz, bearb. von Meyer-Goßner und Schmitt, 65. Aufl. 2022 Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 2. Aufl. 2023 Ad-hoc-Publizität, 2003 FinTech-Handbuch, 2. Aufl. 2021 Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Band 1: KAGB, 2019 Wirtschaftsstrafrecht, 7. Aufl. 2020
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Allgemeines Schrifttumsverzeichnis
Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Kommentar zum Aktiengesetz
Band 4, Aktiengesellschaft, hrsg. von Hoffmann-Becking, 5. Aufl. 2020 hrsg. von Goette und Habersack, 3. Aufl. 2008 ff., 4. Aufl. 2014 ff., 5. Aufl. 2019 ff.
Palandt Park (Hrsg.) Patzner/Döser/Kempf (Hrsg.) Prölss/Martin (Hrsg.)
s. Grüneberg Kapitalmarktstrafrecht, 5. Aufl. 2019 Investmentrecht, 3. Aufl. 2017 VVG, 31. Aufl. 2021
Reischauer/Kleinhans
Kreditwesengesetz (KWG), Loseblatt
Schäfer/Hamann Schäfer/Sethe/Lang (Hrsg.) Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.) Schlüter Schmidt, Karsten Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus (Hrsg.) Schoch/Schneider Schönke/Schröder Scholz
Kapitalmarktgesetze, Kommentar, Loseblatt Handbuch der Vermögensverwaltung, 3. Aufl. 2022 Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017 (s. auch Ellenberger/Bunte) Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002 Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Aktiengesetz, 4. Aufl. 2020
Steinmeyer (Hrsg.) Stelkens/Bonk/Sachs
Verwaltungsgerichtsordnung, Loseblatt Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019 Kommentar zum GmbHG, Band I (§§ 1–34), 13. Aufl. 2022, Band II (§§ 35–52), 12. Aufl. 2021 und Band III (§§ 53–88), 12. Aufl. 2021 Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2020 Kapitalmarktrechts-Kommentar, 5. Aufl. 2020 Bankrecht, 6. Aufl. 2021 BeckOK Wertpapierhandelsrecht Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005 VermAnlG, 2017 Handelsgesetzbuch, hrsg. von Canaris, Habersack und Schäfer, 5. Aufl. 2008 ff., 6. Aufl. 2021 ff. Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 4. Aufl. 2019 Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018
Tipke/Kruse
Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Loseblatt
Weitnauer/Boxberger/Anders (Hrsg.) Wilhelmi/Achtelik/Kunschke/ Sigmundt (Hrsg.)
KAGB, 3. Aufl. 2021
Zöller
ZPO, 34. Aufl. 2022
Schröder Schwark/Zimmer (Hrsg.) Schwintowski Seibt/Buck-Heeb/Harnos (Hrsg.) Sethe Siering/Izzo-Wagner (Hrsg.) Staub
Handbuch EMIR – Europäische Regulierung der OTC-Derivate, 2016
XXVII
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XXVIII
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Einleitung Schrifttum: Achtelik/Mohn, Die Reform der europäischen Finanzaufsichtsstruktur: Auswirkungen auf die Europäischen Aufsichtsbehörden im Banken- und Kapitalmarktbereich, WM 2019, 2339; Assmann, Kapitalmarktrecht – Zur Formation eines Rechtsgebiets in der vierzigjährigen Rechtsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, in K. W. Nörr (Hrsg.), 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland – 40 Jahre Rechtsentwicklung, 1990, S. 251; Assmann, Die rechtliche Ordnung des europäischen Kapitalmarkts, ORDO 44 (1993), 8; Assmann/Buck, Europäisches Kapitalmarktrecht, EWS 1990, 110 (I.), 190 (II.), 220 (III.); Beck, Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BKR 2002, 662; Beiersdorf/Buchheim, Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie (TUG), BB 2007, 99; Bosse, Wesentliche Neuerungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, 39; Bosse, Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie: Änderungen bei periodischer Finanzberichterstattung und Beteiligungstransparenz, BB 2015, 746; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 12. Aufl. 2022; Buck-Heeb, Die Verhaltenspflichten (§§ 63 ff. WpHG n.F.) nach dem 2. FiMaNoG – Inhalt und Durchsetzung, BKR 2017, 485; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Burgard/Heimann, Beteiligungspublizität nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, WM 2015, 1445; Diekmann/Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – ein Überblick über den Regierungsentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz, NZG 2007, 921; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Fenchel, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – ein Überblick, DStR 2002, 1355; Fleischer, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 2002, 2977; Frank, Die Rechtswirkungen der Leitlinien und Empfehlungen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, 2012; Gebauer/Teichmann (Hrsg.), Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, Band 6 der Enzyklopädie Europarecht, 2016; Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl. 2021; Großmann/Nikoleyczik, Praxisrelevante Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes – Die Auswirkungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, DB 2002, 2031; Jung/Bischof, Europäisches Finanzmarktrecht, 2015; Hemeling, Editorial – Europäische Finanz- und Kapitalmarktregulierung auf dem Prüfstand, ZHR 181 (2017), 595; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; Hopt, Vom Aktienund Börsenrecht zum Kapitalmarktrecht?, ZHR 140 (1976), 201 (Teil 1), ZHR 141 (1977), 389 (Teil 2); Hupka, Kapitalmarktaufsicht im Wandel – Rechtswirkungen der Empfehlungen des Committee of European Securities Regulators (CESR) im deutschen Kapitalmarktrecht, WM 2009, 1351; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderung der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Hutter/Kaulamo, Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderung der Regelpublizität und das neue Veröffentlichungsregime für Kapitalmarktinformation, NJW 2007, 550; Jordans, Zum aktuellen Stand der Finanzmarktnovellierung in Deutschland, BKR 2017, 273; von Keussler, Vom Grauen zum Weißen Kapitalmarkt, 2001; Korff, Das Risikobegrenzungsgesetz und seine Auswirkungen auf das WpHG, AG 2008, 692; Klöhn/Mock (Hrsg.), Festschrift 25 Jahre WpHG, 2019; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2017; Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, 593; Meixner, Das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz, ZAP 2017, 911; Mülbert, Regulierungstsunami im europäischen Kapitalmarktrecht, ZHR 176 (2012), 369; Mülbert/Sajnovits, Vertrauen und Finanzmarktrecht, ZfPW 2016, 1; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Oser/Staß, Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, DB 2015, 2825; Pfeiffer, Richtlinienkonforme Auslegung gegen den Wortlaut des nationalen Gesetzes – Die Quelle-Folgeentscheidung des BGH, NJW 2009, 412; Pirner/Lebherz, Wie nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz publiziert werden muss, AG 2007, 19; Potacs, Effet utile als Auslegungsgrundsatz, EuR 2009, 465; Reuschle, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, 2002; Roth, Das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, GWR 2015, 485; Roth, Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte, GWR 2016, 291; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Finanzmarktrichtlinie auf Aktien- und Equity-Linked-Emissionen, AG 2007, 227; Schmolke, Der Lamfalussy-Prozess im Europäischen Kapitalmarktrecht – eine Zwischenbilanz, NZG 2005, 912; Uwe H. Schneider, Internationales Kapitalmarktrecht, AG 2001, 269; Uwe H. Schneider, Aufsicht und Kontrolle von RatingAgenturen, in FS Hans-Jürgen Hellwig, 2010, S. 329; Uwe H. Schneider/Brouwer, Kapitalmarktrechtliche Meldepflichten bei Finanzinstrumenten, AG 2008, 557; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Sethe, 25 Jahre Wertpapierhandelsgesetz – ein Anlass zum Feiern?, in Klöhn/Mock (Hrsg.), FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 1171; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 (I), 1797 (II); Spindler/Kasten, Änderungen des WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1245; Tautges, Stimmrechtsmitteilungen (§§ 21 ff. WpHG) im Aktienemissionsgeschäft nach dem Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie, WM 2017, 512; Teuber, Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Veil (Hrsg.), Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2022; Wiederhold/Pukallus, Zwischenberichterstattung nach dem Transparenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Neue Anforderungen an kapitalmarktorientierte Unternehmen aus der Sicht der Corporate Governance, Der Konzern 2007, 264.
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Einl. Rz. 1 | Einleitung I. Deutsch-europäisches Kapitalmarktrecht: ein Gemisch aus europäischem Richtlinienrecht, angeglichenem nationalen Kapitalmarktrecht und europäischem Verordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung des WpHG: Ausweitung und Reduktion seiner Regelungsfelder . . . . . . . . . . . 2. Kapitalmarktrecht in Deutschland: das Wertpapierhandelsgesetz und mehrfach gestuftes EU-Verordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Direkt geltende EU-Verordnungen als Gegenstand des Kommentars . . . . . . . . . . . . .
1 1
III. Die Anwendung der Vorschriften des WpHG und europäischer Verordnungen . . . . . . . . . . 1. Die Anwendung von Vorschriften des WpHG a) Bestimmungen zur Umsetzung von EU-Richtlinien (angeglichenes Recht) . . . . b) Bestimmungen zur Ausführung von EU-Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Anwendung von Verordnungsvorschriften
26 26 26 37 39
10
IV. Die Wertpapieraufsicht in Europa als Teil des europäischen Finanzaufsichtssystems . . .
41
20
V. Jüngste Änderungen und Ausblick . . . . . . . .
47
I. Deutsch-europäisches Kapitalmarktrecht: ein Gemisch aus europäischem Richtlinienrecht, angeglichenem nationalen Kapitalmarktrecht und europäischem Verordnungsrecht 1. Entwicklung des WpHG: Ausweitung und Reduktion seiner Regelungsfelder 1 Mit der Einführung des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) als Art. 1 des Zweiten Finanzmarktför-
derungsgesetzes (2. FFG)1 mit Wirkung teils vom 1.8.1994 teils vom 1.1.1995 wurde eine neue Ära in der rechtlichen Ordnung des deutschen Kapitalmarkts eingeleitet: Das WpHG etablierte auf breiter Ebene den bereits mit dem zwischenzeitlich aufgehobenen Verkaufsprospektgesetz von 1990 eingeleiteten Versuch, den Kapitalmarkt als solchen und nicht, wie zuvor, eine bestimmte Anlageart oder das Anlageangebot des in einer bestimmten Rechtsform organisierten Emittenten zum Gegenstand der gesetzgeberischen Regulierung des Markts für Risikokapital zu machen. Das WpHG löste damit ein Kapitalmarktrecht ab, dessen Regelungsperspektive als „rechtsform- und institutionenbezogen“ bezeichnet werden konnte: Kapitalmarktrecht war in Deutschland bis in die siebziger Jahre hinein praktisch gleichbedeutend mit denjenigen Regelungen, die sich auf Beteiligungen an Aktiengesellschaften und die bei der Emission entsprechender Beteiligungstitel mitwirkenden Institutionen bezogen. Seine Bestandteile waren dementsprechend das Aktienrecht, das Börsenrecht und Teile des Bankrechts2. Inhaber- und Orderschuldverschreibungen durften aufgrund des Gesetzes über die staatliche Genehmigung der Ausgabe von Inhaber- und Orderschuldverschreibungen vom 26.6.1954 (BGBl. I 1954, 147) bis zur Aufhebung der §§ 795, 808a BGB a.F. durch Art. 1 Gesetz zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen vom 17.12.1990 (BGBl. I 1990, 2839) mit Wirkung vom 1.1.1991 nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden und spielten deshalb in dieser Zeit als Finanzierungsinstrumente keine Rolle.
2 In seiner Erstausstattung enthielt das WpHG drei große Regelungsbereiche: die Insiderüberwachung, Mit-
teilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils an börsennotierten Gesellschaften und Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungen. Dabei handelte es sich um aufsichtsrechtliche Bestimmungen, die durch Vorschriften über die Kapitalmarktaufsicht durch die seinerzeit als Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) neu geschaffenen Aufsichtsbehörde und durch Straf- und Bußgeldvorschriften flankiert wurden. Nahezu durchweg dienten die Vorschriften des WpHG der teils vollständigen, teils partiellen Umsetzung von Richtlinien zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts durch Angleichung der einschlägigen mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften3. Einer vollständigen Transformation diente das WpHG im Hinblick auf die Richtlinie 88/627/EWG vom 12.12.1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen4 und die Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte5. Eine zumindest partielle Umsetzung im WpHG erfolgte in Bezug auf 1 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) vom 26.7.1994, BGBl. I 1994, 1749. 2 Hopt, Vom Aktien- und Börsenrecht zum Kapitalmarktrecht?, ZHR 140 (1976), 201 (Teil 1), ZHR 141 (1977), 389 (Teil 2). Hierzu und zu den Entwicklungslinien des Kapitalmarkt- und Finanzmarktrechts in Deutschland im Rahmen der diesbezüglichen europäischen Rechtsentwicklung etwa Assmann in Assmann/Schütze, § 1 Rz. 5 ff. 3 Zu diesem Ansatz und dem dabei verfolgten Konzept s. Assmann/Buck, Europäisches Kapitalmarktrecht, EWS 1990, 110 (I.), 190 (II.), 220 (III.); Assmann, Die rechtliche Ordnung des europäischen Kapitalmarkts, ORDO 44 (1993), 87. 4 ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62. 5 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30.
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die Richtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen6. Seitdem dürfen die Änderungen des WpHG, von denen es bis zur derzeitigen 68 frühere Fassungen gibt, als die Wachstumsringe des Europäischen Kapitalmarktrechts betrachtet werden. Ungeachtet der europasekundärrechtlichen Grundlagen des WpHG und über die Umsetzung der vor- 3 genannten Richtlinien hinaus bot sich dem deutschen Gesetzgeber seinerzeit noch genügend Spielraum zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland durch die Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen des Finanzplatzes Deutschland mit dem Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Finanzmärkte so zu modernisieren, dass sie „international wettbewerbsfähig bleiben“ und „ihre volkswirtschaftlichen Funktionen zu jeder Zeit erfüllen“7. Diese autonome Gestaltungsmöglichkeit konnte auch noch in den nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen des WpHG um weitere Regelungsfelder genutzt werden, wie etwa in Gestalt der Einführung von Vorschriften zur Haftung für falsche und unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen nach § 37b und § 37c WpHG a.F., über den Anlegerschutz bei Finanztermingeschäften nach Maßgabe von §§ 37d bis 37g WpHG a.F. und zur Überwachung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen durch ein „Enforcement-Verfahren“ nach §§ 37n bis 37u WpHG a.F. Auch die mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.20028 (4. FFG) in das WpHG gelangten Vorschriften zur Überwachung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation (§§ 20a und 20b WpHG a.F.) wiesen einen solchen eigenständigen Gestaltungswillen auf, waren jedoch schon kurz danach zum Zwecke der Umsetzung der zwischenzeitlich verabschiedeten Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.20039 durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.200410 (AnSVG) nicht unerheblich zu modifizieren. Spätestens mit den Änderungen des WpHG durch das vorstehend angeführte Anlegerschutzverbesserungs- 4 gesetz war eine Phase eingeläutet, in der die Erweiterung und Modifikationen des WpHG zunehmend auf europarechtliche Vorgaben zurückzuführen war. Mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.200411 (Transparenzrichtlinie) und der Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente12 (MiFID I) durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz13 bzw. das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.7.200714 gingen nicht europarechtlich veranlasste Änderungen des WpHG, die nicht lediglich Randkorrekturen betrafen, stark zurück. Zu den wenigen Ausnahmen gehören die mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz verbundene Änderung des Systems des Anlegerschutzes bei Finanztermingeschäften zu einem System anlegerbezogener Aufklärungspflichten nach §§ 31 ff. WpHG a.F. sowie Änderungen des WpHG, der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) a.F. und der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) durch das als Reaktion auf die 2007 einsetzende Finanzkrise ergangene Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 5.4.201115.
6 ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. 7 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 33. Eine wesentliche Leitlinie für den späteren Entwurf des 2. FFG lieferte in dieser Hinsicht die Verlautbarung „Konzept Finanzplatz Deutschland“ des Bundesministers der Finanzen vom 16.1.1992 (abgedruckt in WM 1992, 420). 8 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, 2010. 9 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 10 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004, BGBl. I 2004, 2630. 11 ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. Zur Durchführung der Richtlinie erging die Richtlinie 2007/14/EG, ABl. EG Nr. L 69 v. 8.3.2007, S. 27. Die Umsetzung der Durchführungsrichtlinie erfolgte durch Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (TranspRLDV) vom 13.3.2008, BGBl. I 2008, 408. 12 Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85/611/ EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 (sog. MiFID). 13 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 14 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 15 BGBl. I 2011, 538.
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Einl. Rz. 5 | Einleitung 5 Die beständige Erweiterung der Regelungsfelder des WpHG haben dessen Ruf bestätigt, in ihm erwachse
das Grundgesetz des Kapitalmarktrechts. Zwei parallel verlaufende Entwicklungen des europäischen Kapitalmarktrechts lassen eine solche Kennzeichnung des WpHG indes nicht mehr zu: 6 Zum einen haben sich die Maßnahmen und Rechtsakte der EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktrechts auf Regelungsbereiche erstreckt, denen eine herausragende Bedeutung für die Ordnung der Finanzmärkte zukommt, die aber nicht innerhalb des WpHG umgesetzt werden. Anzuführen hierzu sind namentlich die Rechtsangleichung im Bereich des Investmentrechts, das heute weit mehr erfasst als die klassischen Investmentanteile und zu einer Überführung des Investmentgesetzes (InvG) a.F. in das neue KAGB geführt hat16, des europäischen Prospektrechts, das im WpPG, dem VermAnlG und dem KAGB in nationales Recht umgesetzt wurde17, und der Einlagensicherung und Anlegerentschädigung18. 7 Zum anderen sind dem WpHG durch die zunehmende Ablösung von Richtlinienrecht durch Verordnungsrecht der EU, d.h. die Ablösung der noch in mitgliedstaatliches Recht umzusetzenden Richtlinien durch unmittelbar in den Mitgliedstaaten verbindliche Verordnungen19, erhebliche Regelungsfelder entzogen worden. Dazu gehören neben dem Insiderrecht einschließlich dem Recht der Ad-hoc-Publizität und der Führung von Insiderlisten, den Mitteilungen der Geschäfte von Führungskräften („Directors' Dealings“) sowie dem Verbot der Marktmissbrauchs – allesamt in die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Marktmissbrauchsverordnung)20 überführt – auch die Vorschriften über Leerverkäufe und Geschäfte in Derivaten (§§ 30h bis 30j WpHG a.F.), wohingegen die Vorschriften über Ratingagenturen (§ 17 WpHG a.F.) sich von vornherein nur auf die Überwachung von Ratingagenturen und deren Ratings nach Maßgabe der mehrfach geänderten Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen bezogen (dazu § 29 WpHG Rz. 1 ff.), der keine diesbezügliche Richtlinie vorausging. Mit der Ablösung von Richtlinienrecht durch Verordnungsrecht einher geht der Übergang der primären Beaufsichtigung nach dem europäischen Finanzmarktrecht auf die europäische Aufsichtsbehörde ESMA21 und die Änderung der Kompetenzen der BaFin in solche der nach den jeweiligen Verordnungen zuständigen nationalen Behörde. Die Ablösung von Richtlinienrecht durch Verordnungsrecht trifft im Übrigen nicht nur früher im WpHG geregelte Rechtsbereiche, sondern auch anderer Regelungsfelder, wie etwa die Verordnung (EU) 2017/1129 vom 14.6.201722 (EU-Prospektverordnung), die schrittweise die Prospektrichtlinie – Richtlinie 2003/71/EG23 – und die auf ihr beruhende nationale Umsetzungsgesetzgebung, in Deutschland die wesentlichen Teile des WpPG, ersetzt hat. 8 Die zu beobachtende Ablösung von Richtlinienrecht durch Verordnungsrecht der EU ist nur dadurch möglich, dass erstens das über nahezu drei Jahrzehnte dominierende Richtlinienrecht24 zwecks Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts auf der Grundlage des „Financial Services Action Plan“ der Kommission 16 Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds vom 4.7.2013 (AIFM-Umsetzungsgesetz – AIFM-UmsG), BGBl. I 2013, 1981. 17 Zur Entwicklung des Prospektrechts und der Prospekthaftung s. Assmann/Kumpan in Assmann/Schütze/BuckHeeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 5 Rz. 5 ff.; Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht, Einl. ProspVO/WpPG Rz. 5 ff. und Einl. VermAnlG Rz. 1 ff. 18 Zuletzt Richtlinie 2009/14/EG vom 11.3.2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist, ABl. EU Nr. L 68 v. 13.3.2009, S. 3, umgesetzt durch das Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze vom 25.6.2009, BGBl. I 2009, 1528 und Verordnung vom 11.7.2013, BGBl. I 2013, 2435. 19 Dazu Mülbert, ZHR 176 (2012), 369, 373 ff., 377 ff. 20 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/ EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1. 21 Zur Schaffung eines europäischen Finanzaufsichtssystems zwecks Verbesserung der Aufsicht im Finanzsektor s. Assmann/Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 1 Rz. 60 ff. Die Einrichtung der Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde – „European Securities and Markets Authority“/ESMA – mit Sitz in Paris geht zurück auf Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/ EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 22 Verordnung (EU) 2017/1129 vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, ABl. EU Nr. L 168 v. 30.6.2017, S. 12. 23 Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 325 v. 31.12.2003, S. 64. 24 Die ersten einschlägigen Richtlinien ergingen in den Jahren 1979, 1988 und 1989: Die Richtlinie 79/279/EWG zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse erging am 5.3.1979, die Richtlinie 88/627/EWG über die beim Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung zu veröffentlichenden Informationen (ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62) am 12.12.1988
4 | Assmann
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Einleitung | Rz. 10 Einl.
von 199925 zur Verwirklichung eines Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen im Wesentlichen auf vier großen Rahmenrichtlinien der Jahre 2003 und 2004 – der Prospektrichtlinie (Rz. 7), der Markmissbrauchsrichtlinie26, der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente27 und der Transparenzrichtlinie28 – nebst den zu diesen sowie ihren Änderungsrichtlinien ergangenen, der Durchführung und/oder der Konkretisierung derselben dienenden Rechtsakten beruhte, zweitens beständig perfektioniert wurde und drittens einen Grad der Detaillierung und der Angleichung des mitgliedstaatlichen Rechts erreicht hatte, der eine weitgehend authentisch Überführung und Weiterentwicklung des Richtlinienrechts und des angeglichenen Rechts der Mitgliedstaaten in und als Verordnungsrecht erlaubte. Dabei ist indes nicht zu übersehen, dass dieser Vorgang durch das Lamfalussy-Verfahren29 der Rechtsetzung in der EU begünstigt wurde. Aufgrund von der zu diesem gehörenden und im Gefolge einer Verordnung regelmäßig – im sog. Komitologie-Verfahren als Teil der Rechtsetzung nach dem Lamfalussy-Verfahren – ergehenden Delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen ist ein mehrfach gestuftes Verordnungsrecht von einer bislang nicht gekannten Komplexität und Kompliziertheit entstanden, das nicht selten noch von komplementären Richtlinien flankiert und von Leitlinien des ESMA ergänzt wird30.
Es ist vor allem das mehrfach gestufte, überaus verschachtelte, schon heute in seinem Umfang ausladende, 9 in seiner hypertechnischen Terminologie nur schwer verständliche, hinsichtlich der Entstehungsgründe31 nicht leicht zu recherchierende, komplexe und komplizierte Verordnungssystem im Bereich der Regulierung der Finanz- und Kapitalmärkte, das Kritik hervorgerufen hat. Die „Vervielfachung der Texte auf den verschiedenen Ebenen“, formuliert Hemeling, „steht in keinem Verhältnis zum Regelungsnutzen, führt aber zwangsläufig zu einem Verlust an Systematik, Konsistenz, sprachlicher Klarheit und Bestimmtheit“, um konkretisierend hinzuzufügen: „So zeichnen sich die neuen Regelungen durch unnötige Komplexität, etwa bei der Definition des Begriffs ‚Finanzinstrumente‘ über eine lange Verweisungskette, sowie einer Bürokratisierung im Bereich des Directors Dealing aus“32. Dass und wie der entfesselte Prometheus in Gestalt des „Europäischen Gesetzgebers“ wieder in Ketten gelegt werden könnte, ist angesichts der hypertrophen Brüsseler Rechtsetzungsmaschinerie und der unbestreitbaren Schwierigkeiten, in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltende sowie den unterschiedlichen Rechtskulturen und Rechtssysteme gerecht zu werdende Bestimmungen zu schaffen, nicht erkennbar. Entsprechend inflationär wie das Verordnungsrecht sind auch die Sanktionen von Verstößen gegen dieselben. So weist § 120 WpHG – neben strafrechtlichen Sanktionen in § 119 WpHG – hunderte Blankett-Tatbestände auf, in denen Verstöße gegen noch weitaus mehr teils kompliziert teils vage formulierte Bestimmungen des WpHG und gegen EU-Verordnungen als Ordnungswidrigkeiten erfasst und bußgeldrechtlich sanktioniert werden.
2. Kapitalmarktrecht in Deutschland: das Wertpapierhandelsgesetz und mehrfach gestuftes EU-Verordnungsrecht Noch zu Zeiten, als man vom WpHG als Grundgesetz des Kapitalmarkts sprach, war nicht zu erwarten, dass 10 es eine Kodifikation des deutsch-europäischen Kapitalmarktrechts in einem Gesetz und erst recht nicht in
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und die Richtlinie 89/592/EWG zu Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte (ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30) am 13.11.1989. Financial Services: Implementing the Framework for Financial Markets: Action Plan, 11.5.1999, KOM (1999) 232. Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85/611/ EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/35/EG vom 15.12.2004, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. Dazu etwa Schmolke, NZG 2005, 912 ff.; Walla in Veil, § 4 Rz. 4 ff. Das Lamfalussy-Verfahren endete mit dem Inkrafttreten der Reformen des Vertrags von Lissabon in Gestalt der Art. 289 bis 291 AEUV und der hierauf aufbauenden ESA-Verordnungen mit ihrer Detaillierung der unterschiedlichen Varianten der Mitwirkung der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden. Etwa Moloney, EU Securities und Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 860. Den Verordnungen sind zwar Erwägungsgründe vorangestellt, doch geben diese über die Entstehung und den systematischen Zusammenhang der Vorschriften regelmäßig keine für deren Auslegung und Anwendung brauchbaren Informationen, sondern paraphrasieren ganz überwiegend nur den Verordnungstext. Auch die Konsultationsdokumente sowie Zwischenberichte und endgültige Berichte zu einem Rechtsetzungsverfahren sind – abgesehen davon, dass sie vielfach nur in Englisch zur Verfügung stehen – wegen ihrer Zahl und ihres Umfangs für den Rechtsanwender nur sehr schwierig zu erschließen und selten hilfreich. Hemeling, ZHR 181 (2017), 595, 596, Hervorhebung im Original.
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Einl. Rz. 10 | Einleitung einem Gesetz über den Wertpapier-Handel geben könne. Das hätte eine Zusammenführung einer Vielzahl von multifunktionalen Gesetzen bedurft wie – neben zahlreichen anderen – vor allem des Börsengesetzes, des Kreditwesengesetzes, des Wertpapierprospektgesetzes und des Vermögensanlagegesetzes, des Kapitalanlagegesetzbuchs, des Depotgesetzes, des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes, des KapitalanlegerMusterverfahrensgesetzes, samt aller mit diesen verbundenen Verordnungen. Einer Kodifikation, die von vornherein der Beherrschung durch den nationalen Gesetzgeber entzogen gewesen und die durch die immer stärker sprudelnde Quelle des europäischen Richtlinienrechts und neuerdings Verordnungsrechts so zerfleddert worden wäre wie es dem hinsichtlich seines Anwendungsbereichs bereits weitaus schmäleren WpHG widerfahren ist. 11 Dementsprechend liefert auch der vorliegende Kommentar zum WpHG sowie einer Fülle von Verordnun-
gen der EU und mit diesen zusammenhängenden Delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen keine Kommentierung des deutschen und europäischen Kapitalmarktrechts. Versammelt sind hier vielmehr Erläuterungen zu den Bestimmungen des WpHG und der Verordnungen der EU, die mehr oder weniger Regelungsbereiche des WpHG auf dem Höhepunkt seines Anwendungsbereichs zum Gegenstand haben und von denen man mit Fug und Recht als dem Kern des deutsch-europäischen Kapitalmarktrechts sprechen darf.
12 Seit seinem Inkrafttreten zum 1.8.1994 ist das Wertpapierhandelsgesetz vom 26.7.1994 (zu dessen Entste-
hung Rz. 1) aufgrund von mehr als hundert Änderungsgesetzen geändert worden33. Das Spektrum der Änderungen reicht von gravierenden bis hin zu rein redaktionellen Änderungen. Sie sind in den sieben Vorauflagen des Kommentars in der jeweiligen Einleitung nachgewiesen und erläutert. Die letzte der in der 7. Aufl. aufgeführten Änderungen des WpHG betraf Art. 1 bis 3a des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (2. FiMaNoG) vom 23.6.201734 (7. Aufl. Einl. Rz. 13, 17 ff.). Bis zum Redaktionsschluss dieses Kommentars ist das WpHG durch eine Vielzahl weiterer Gesetze geändert worden (s. Rz. 15). Auch hier betrafen die Änderungen teils nur einen oder wenige Vorschriften, teils ganze Regelungskomplexe mit weitreichenden Neuregelungen. Die fraglichen Änderungen sind in den Vorauflagen jeweils aufgelistet (zuletzt 7. Aufl. Einl. Rz. 13). Unter diesen verdienen allerdings die weitreichenden Änderungen des WpHG durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) vom 30.6.2016 (Rz. 13) und das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) vom 23.6.2017 (Rz. 14), die dem WpHG eine neue Struktur und Ausrichtung gegeben haben, auch in dieser Auflage besonders hervorgehoben zu werden35.
13 Dabei diente das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) vom 30.6.201636 der Umsetzung der
Richtlinie 2014/57/EU vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation37 und vor allem der Anpassung des WpHG an die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.2014 (Marktmissbrauchsverordnung)38, namentlich durch die Aufhebung einer Reihe von Bestimmungen mit (an Richtlinienrecht) angeglichenen Regelungen und deren Ersetzung durch Ausführungsbestimmung zur Verordnung. Weiterer Anpassungsbedarf des WpHG bestand darüber hinaus im Hinblick auf die Verordnung (EU) Nr. 909/2014 vom 23.7.2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union39 und die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsprodukte (PRIIP)40. Im Mittelpunkt der Änderungen des WpHG durch das 1. FiMaNoG steht die Aufhebung zahlreicher Bestimmungen des bisherigen Abschnitts 3 über die Insiderüberwachung einschließlich derer zur Ad-hoc-Publizität und des Abschnitts 4 über die Überwachung der Marktmanipulation. Entsprechende, sowohl in der Sache als auch dem Umfang nach erheblich erweiterte Vorschriften finden sich nunmehr in der in allen Mitgliedstaaten der EU unmittel33 Eine Rückschau und eine rückblickende Beurteilung des WpHG im Vergleich zum schweizerischen Kapitalmarktaufsichtsrecht gibt Sethe in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 1171 ff. 34 BGBl. I 2017, 1693. 35 Zur Stellung des WpHG im europäischen Kapitalmarktrecht und zur Struktur desselben s. Binder in Gebauer/ Wiedmann, Kap. 24 Rz. 34 ff. 36 Erstes Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG) vom 30.6.2016, BGBl. I 2016, 1514. Dazu etwa Jordans, BKR 2017, 273, 276 ff.; Roth, GWR 2016, 291. 37 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. 38 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1. 39 Verordnung (EU) Nr. 909/2014 vom 23.7.2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer sowie zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG und 2014/ 65/EU und der Verordnung (EU) Nr. 236/2012, ABl. EU Nr. L 257 v. 28.8.2014, S. 1. 40 ABl. EU Nr. L 352 v. 9.12.2014, S. 1, mit Berichtigung in ABl. EU Nr. L 358 v. 13.12.2014, S. 50.
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bar geltenden Marktmissbrauchsverordnung. Erhebliche Veränderungen haben des Weiteren die zur Umsetzung der vorgenannten Richtlinie 2014/57/EU vorgenommenen Änderungen – im Wesentlichen Ergänzungen – der Straf- und Bußgeldvorschriften des bisherigen Abschnitts 12 des WpHG erfahren: Dort wurde, wie es im RegE 1. FiMaNoG heißt, „zum einen eine inhaltliche Ausweitung der zu ahndenden Verstöße vorgenommen, zum anderen wurden auch die europäischen Vorgaben zu schärferen Sanktionsmöglichkeiten, insbesondere bei der Bußgeldhöhe, berücksichtigt“41. Darüber hinaus wurden in Fortführung von Änderungen des WpHG und vor allem des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes vom 22.4.2002 (FinDAG)42 durch das Kleinanlegerschutzgesetz vom 3.7.201543 die aufsichtsrechtlichen Befugnisse ergänzt und an die gesetzlichen Anforderungen angepasst. Schließlich dienen weitere Änderungen des WpHG dazu, die Einhaltung von Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 vom 4.7.2012 im Hinblick auf OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister44 sicherzustellen. Das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) vom 23.6.201745 diente vor allem der Umset- 14 zung der Richtlinie 2014/65/EU vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente46 (MiFID II) sowie der Vorschriften zur Bestimmung der technischen Einzelheiten zu deren Vorgaben in einer Unzahl von Europäischen Delegierten Verordnungen47, der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7.4.201648 und EU-Durchführungsverordnungen49. Darüber hinaus enthielt das 2. FiMaNoG u.a. zur Änderung des WpHG eine Vielzahl von Ausführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/201250, der Verordnung (EU) 2015/2365 vom 25.11.2015 über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/201251 sowie zur Verordnung (EU) 2016/1011 des Rates vom 8.6.2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/201452. Einer der Schwerpunkte der Änderungen des WpHG durch das 2. FiMaNoG betraf Vorschriften des früheren Abschnitts 6 und heutigen Abschnitts 11 über Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen, durch die die Vorgaben der Richtlinie 2014/65/EU und der Delegierten Richtlinie EU 2017/593 zu Verhaltens- und Organisationspflichten umgesetzt werden. Als ein weiterer Schwerpunkt der Änderungen des WpHG durch das 2. FiMaNoG wurden dem WpHG im neuen Abschnitt 9 (§§ 54 bis 57 WpHG) Vorschriften zur Überwachung von Positionslimits und Positionsmanagementkontrollen bei Warenderivaten und Positionsmeldungen und im neuen Abschnitt 10 (§§ 58 bis 62 WpHG) Bestimmungen zu Organisationspflichten von Datenbereitstellungdiensten eingefügt. Der Einfügung neuer Regelungsfelder in das WpHG steht die Aufhebung der Vorschriften alter gegenüber, die der 41 RegE eines Ersten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG), BT-Drucks. 18/748 v. 8.2.2016, 1, 49. 42 BGBl. I 2002, 1310. 43 BGBl. I 2015, 1114. 44 ABl. EU Nr. L 201 v. 27.7.2012, S. 1. 45 Zweites Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) vom 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1693. Dazu etwa Jordans, BKR 2017, 273, 279; Meixner, ZAP 2017, 911. Zur Änderung der Verhaltenspflichten nach den §§ 63 ff. WpHG durch das 2. FiMaNoG Buck-Heeb, BKR 2017, 485. 46 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349. 47 Sechzehn Delegierte Verordnungen zur Richtlinie 2014/65/EU sind – mit anderen Verordnungen – veröffentlicht im ABl. EU Nr. L 87 v. 31.3.2017, S. 1 bis 499 (sic!). 48 Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7.4.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, ABl. EU Nr. L 87 v. 31.3.2017, S. 500. 49 Durchführungsverordnung (EU) 2017/988 technische Durchführungsstandards für Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zusammenarbeit in Bezug auf Handelsplätze, deren Geschäfte in einem Aufnahmemitgliedstaat von wesentlicher Bedeutung sind, ABl. EU Nr. L 149 v. 13.6.2017, S. 3; Durchführungsverordnung (EU) 2017/1110 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zulassung von Datenbereitstellungsdiensten und die damit zusammenhängenden Mitteilungen gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 162 v. 23.6.2017, S. 3. 50 ABl. EU Nr. 173 v. 12.6.2014, S. 84. 51 ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 1. 52 ABl. EU Nr. 171 v. 29.6.2016, S. 1.
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Einl. Rz. 14 | Einleitung Anpassung des WpHG namentlich an die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie der zahlreichen Delegierten Verordnungen zur Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II), geschuldet ist. Die augenfälligste Änderung des WpHG war aber die durch dessen Art. 3 bewirkte Neuordnung und v.a. Neunummerierung der Vorschriften des WpHG, die der Verbesserung der Lesbarkeit des Gesetzes dienen sollen. 15 Im Einzelnen handelt es sich bei den Änderungen des WpHG seit der 7. Auflage um die nachfolgenden
Änderungsgesetze. Auf die Auflistung der jeweils geänderten Bestimmungen des WpHG wird dabei verzichtet, da sich entsprechende Hinweise in den Erläuterungen zu den einzelnen Vorschriften des WpHG im Rahmen der jeweiligen Darstellung der Normentwicklung finden. Besonders bedeutsame Änderungsgesetze und Änderungen werden im Anschluss an die nachfolgende Aufstellung näher behandelt: (1) Gesetz zur Ausübung von Optionen der EU-Prospektverordnung und zur Anpassung weiterer Finanzmarktgesetze vom 10.7.201853; (2) Gesetz zur Anpassung von Finanzmarktgesetzen an die Verordnung (EU) 2017/2402 und an die durch die Verordnung (EU) 2017/2401 geänderte Verordnung (EU) Nr. 575/2013 vom 18.12.201854; (3) Gesetz zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Europäischen Emissionshandels vom 18.1.201955; (4) Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 25.3.201956; (5) Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen vom 8.7.201957; (6) Zweites Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 216/680 vom 20.11.201958; (7) Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie vom 12.12.2019 (ARUG II)59; (8) Gesetz zur Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien und zur Anpassung des Wertpapierhandelsgesetzes an die Unterrichtungs- und Nachweispflichten nach den Artikeln 4a und 10 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 vom 19.3.202060; (9) Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz (WStFG) vom 27.3.202061; (10) Gesetz zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte vom 12.8.202062; (11) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz – RiG) vom 9.12.202063; (12) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten vom 12.5.202164; (13) Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen (Fondsstandortgesetz – FoStoG) vom 3.6.202165; (14) Gesetz zur begleitenden Ausführung der Verordnung (EU) 2020/1503 und der Umsetzung der Richtlinie EU 2020/1504 zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern (Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz) und anderer europarechtlicher Finanzmarktvorschriften vom 3.6.202166; 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66
BGBl. I 2018, 1102. Zu diesem Gesetz schon „last minute“ in 7. Aufl. Einl. Rz. 44. BGBl. I 2018, 2626. BGBl. I 2019, 37. BGBl. I 2019, 357. BGBl. I 2019, 1002. BGBl. I 2019, 1626. BGBl. I 2019, 2637. BGBl. I 2020, 529. BGBl. I 2020, 543. BGBl. I 2020, 1874. BGBl. I 2020, 2773. BGBl. I 2021, 990. BGBl. I 2021, 1498. BGBl. I 2021, 1568. Die Änderungen des WpHG durch Art. 1 dieses Gesetzes sind nach dessen Art. 30 Abs. 4 am 28.11.2021 in Kraft getreten, die weiteren Änderungen des WpHG nach dessen Art. 2 und 3 gem. dessen Art. 30 Abs. 7 am 1.1.2022 und diejenigen nach dessen Art. 4 gem. dessen Art. 30 Abs. 3 an dem Tag, an dem die Verordnung (EU) 2020/1503 nach ihrem Art. 51 Unterabs. 2 erstmalig gilt, d.h. am 10.11.2021.
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Einleitung | Rz. 17 Einl.
(15) Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) vom 3.6.202167; (16) Gesetz zur begleitenden Ausführung der Verordnung (EU) 2020/1503 und der Umsetzung der Richtlinie EU 2020/1504 zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern (Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz) und anderer europarechtlicher Finanzmarktvorschriften vom 3.6.202168; (17) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (Telekommunikationsmodernisierungsgesetz) vom 23.6.202169; (18) Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes vom 9.7.202170; (19) Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 5.7.202171; (20) Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.202172 mit Wirkung vom 1.1.2024; (21) Erstes Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I) vom 23.5.202273. Unter den vorstehend angeführten neuen Gesetzen, die eine Änderung des WpHG mit sich brachten, kommt den nachfolgenden Gesetzen besondere Bedeutung zu: Obschon das Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Fi- 16 nanzmarktgesetzen vom 8.7.201974 in erster Linie der Anpassung vor allem des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) an die EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129)75 diente, hat diese doch auch zahlreiche Folgeänderungen für das WpHG mit sich gebracht. Sie beruhen auf dem Umstand, dass die Änderungen des WpPG weitgehend Maßnahmen zum Gegenstand hatten, die die in den Mitgliedstaaten unmittelbare anwendbare EU-Prospektverordnung den Mitgliedstaaten überlässt, und dies eine Anpassung der administrativen Aufgaben, Befugnisse und Sanktionsmöglichkeiten der BaFin als der nach der EU-Prospektverordnung zuständigen Verwaltungsbehörde erforderlich machte. Ergänzend zu den Befugnissen der BaFin nach dem WpPG wurden einige Befugnisse zur Wahrung ihrer Aufgaben nach der EU-Prospektverordnung, insbesondere solche im Zusammenhang mit Handelseinschränkungen und -aussetzungen, wegen der Sachnähe zu den Regelungsmaterien des WpHG in diesem verankert76. Die Änderungen des WpHG zur begleitenden Ausführung der Verordnung (EU) 2020/150377 und der Um- 17 setzung der Richtlinie EU 2020/150478 zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern durch das Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz vom 3.6.202179 sind, obwohl sie lediglich gesetzliche Anpassungen an und Ausführungsbestimmungen zu der unmittelbar geltenden Verordnung (EU) 2020/1503 enthalten, umfangreich und stellen den wesentlichen Teil der gesetzlichen Änderungen nationalen Rechts zur Implementierung der Vorgaben der Verordnung dar. Die Verordnung selbst hat die Schwarmfinanzierung als eine al67 BGBl. I 2021, 1534. Die Änderungen des WpHG durch Art. 1 dieses Gesetzes sind gem. dessen Art. 27 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 teils am 1.7.2021, teils am 1.1.2022 in Kraft getreten. 68 BGBl. I 2021, 1568. 69 BGBl. I 2021 1858. 70 BGBl. I 2021, 2570. 71 BGBl. I 2021, 3338. 72 BGBl. I 2021, 3436. 73 BGBl. I 2022, 754. 74 BGBl. I 2019, 1002. 75 Verordnung (EU) 2017/1129 vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handeln an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, ABl. EU Nr. L 168/12 v. 30.6.2017, S. 12. Die Verordnung ist gem. ihrem Art. 49 Abs. 1 bzw. 2 am 20.7.2017 in Kraft getreten und gilt seit dem 21.7.2019. 76 RegE Gesetz zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen BT-Drucks. 19/8005 v. 25.2.2019, 1, 36. 77 Verordnung (EU) 2020/1503 vom 7.10.2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937, ABl. EU Nr. L 347 v. 20.10.2020, S. 1. 78 Richtlinie (EU) 2020/1504 vom 7.10.2020 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente. ABl. EU Nr. L 347 v. 20.10.2020, S. 50. 79 BGBl. I 2021, 1568. Die Änderungen des WpHG durch Art. 1 dieses Gesetzes sind nach dessen Art. 30 Abs. 4 am 28.11.2021 in Kraft getreten, die weiteren Änderungen des WpHG nach dessen Art. 2 und 3 gem. dessen Art. 30 Abs. 7 am 1.1.2022 und diejenigen nach dessen Art. 4 gem. dessen Art. 30 Abs. 3 an dem Tag, an dem die Verordnung (EU) 2020/1503 nach ihrem Art. 51 Unterabs. 2 erstmalig gilt, d.h. am 10.11.2021.
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Einl. Rz. 17 | Einleitung ternative Form der Finanzierung zum Gegenstand, „bei der eine Vielzahl von Investoren Kapital für einzelne Projekte, die jeweils über eine Plattform oder ein Onlineportal angeboten werden, investiert“ und führt europaweit geltende Regelungen für Schwarmfinanzierungsdienstleister ein80. 18 Vor allem die Vorkommnisse um das Zahlungsabwicklungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen
Wirecard gaben Anlass, die Bilanzkontrolle zur stärken, die bereits intensive Regulierung der Abschlussprüfung zu verschärfen, die Strukturen der Finanzaufsicht neu zu ordnen und die Befugnisse der BaFin bei der Prüfung von Auslagerungen durch Finanzdienstleistungsunternehmen zu erweitern. Die diesbezüglich „vordringlichen“ und durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz vom 3.6.202181 eingeleiteten Maßnahmen umfassen vor allem das Bilanzkontrollverfahren. Dessen bisher zweistufiger Aufbau sei, wie der Fall Wirecard mit seinem „mutmaßlichen System betrügerischer Strukturen mit internationalen Dimensionen“ und der Bilanzkontrolle auf „rein privatrechtlicher Ebene auf der ersten Stufe“ zeige, „an seine Grenzen gestoßen“ und verlange nach einer grundlegenden Reform des bisher zweistufigen, auf Mitwirkung der geprüften Unternehmen ausgerichteten Bilanzkontrollverfahrens „zugunsten eines stärker staatlich-hoheitlich geprägten Verfahrens“82. Das neue Bilanzkontrollverfahren ist – durch entsprechende Änderungen und Ergänzungen des WpHG in Abschnitt 16 Unterabschnitt 1 („Überwachung von Unternehmensabschlüssen“, §§ 107 ff. WpHG) – nunmehr vollständig im WpHG geregelt, während die Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer durch komplementäre Änderungen des HGB herbeigeführt werden.
19 Das am 1.8.2022 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom
5.7.202183 dient der Umsetzung europäischer Vorgaben zur Neuregelung einer europaweiten Vereinfachung der Online-Gründung von Kapitalgesellschaften, der Errichtung von Zweigniederlassungen sowie der Offenlegung von Registerinformationen84. Die in Art. 14 DiRUG aufgeführten Änderungen des WpHG – namentlich von §§ 5, 107, 109 und §§ 114–116 WpHG85 – regeln die von verschiedenen Bestimmungen des WpHG verlangte Offenlegung von Informationen und Unterlagen durch Einstellung in das Unternehmensregister nach § 8b HGB im Wege der Übermittlung derselben an die das Unternehmensregister führende Stelle. Diese Offenlegungsform tritt an die Stelle der Veröffentlichung im Bundesanzeiger.
II. Direkt geltende EU-Verordnungen als Gegenstand des Kommentars 20 Das europäisch-mitgliedstaatliche Finanz- und Kapitalmarktrecht wird, wie schon in Rz. 7 ff. ausgeführt,
mehr und mehr durch Verordnungsrecht der EU geprägt, das in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt und nicht erst der Umsetzung in mitgliedstaatliches Recht bedarf. Die folgende Kommentierung beschränkt sich daher nicht auf das WpHG. Sie bezieht vielmehr eine Reihe von europäischen Verordnungen mit ein. Solche Rechtsakte finden sich nicht nur auf Level 1 der Rechtsetzung in der EU, sondern auch auf deren Level 2 und 3, und sie dienen auf Letzteren nicht nur der Konkretisierung bzw. Durchführung der Verordnungen der EU des ersten Levels, sondern auch derjenigen von Richtlinien, wie das Beispiel der Richtlinie 2014/65/ EU vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II) zeigt, deren technischen Einzelheiten zu ihren Vorgaben auch in einer Vielzahl von Europäischen Delegierten Verordnungen bestimmt werden (Rz. 14). Und wie ebenfalls bereits erwähnt (Rz. 7 und Rz. 13) wurde, haben Verordnungen der EU ganze der früher im WpHG geregelten Regelungsfelder in Verordnungsrecht überführt. Dementsprechend setzt dieser Kommentar die Erläuterungen zum WpHG und den auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen in Gestalt von Erläuterungen zum einschlägigen EU-Verordnungsrecht fort. Die hierfür maßgeblichen Verordnungen auf Level 1 sind in § 1 Abs. 1 Nr. 8 lit. b bis k WpHG aufgeführt.
21 Die im Hinblick auf die Regelung zuvor im WpHG enthaltener Bereiche bedeutendste unter den auf Level 1
ergangenen Verordnungen ist die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) (Rz. 7). Abgeleitet von der englischen Kurzbezeichnung der Verordnung als „market abuse regulation“ wird diese verbreitet auch MAR genannt und ihre Vorschriften entsprechend als solche der MAR zitiert. Sie tritt an die Stelle der Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)86, die ihrerseits die Richtlinie 89/592/EWG des Rates 80 81 82 83 84 85 86
RegE Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz, RegE BT-Drucks. 19/27410, 1, 40 f. BGBl. I 2021, 1534. RegE Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz BT-Drucks. 12/26966 v. 24.2.2021, 1, 55. BGBl. I 2021, 3338. BT-Drucks. 19/28177 v. 31.3.2021, 1, 62 ff. S. BT-Drucks. 19/28177 v. 31.3.2021, 1, 155 f. ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16.
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Einleitung | Rz. 22 Einl.
vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider- Geschäfte ersetzte87 und durch Art. 37 Satz 1 VO Nr. 596/2014 mitsamt der zu ihr ergangenen Durchführungsmaßnahmen aufgehoben wird. Flankierend zur Marktmissbrauchsverordnung erging die Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie)88. Ihren Gegenstandsbereich umreist die Marktmissbrauchsverordnung in Art. 1 VO Nr. 596/2014 selbst: „Mit dieser Verordnung wird ein gemeinsamer Rechtsrahmen für Insidergeschäfte, die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) sowie für Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch geschaffen, um die Integrität der Finanzmärkte in der Union sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken.“ Näher zur Entstehung der Verordnung und ihren Regelungsfeldern sowie zu ihrem Regelungszwecke Art. 1 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff. bzw. Rz. 6 ff. Nicht minder folgenreich für die Neuausrichtung des WpHG und die Neuregelung des Handels mit Finanzinstrumenten ist die komplementär zur Richtlinie 2014/65/EU vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II, Rz. 14, 20) ergangene Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/201289 (MiFIR), deren Schwerpunkt auf der Herstellung von Markttransparenz bei Geschäften in Finanzinstrumenten liegt und deren wesentliche Vorschriften in diesem Kommentar erläutert werden. Zusammen sollen die durch das 2. FiMaNoG (Rz. 14) umgesetzte Richtlinie (MiFID Insiderinformationen) und die Verordnung (MiFIR) „den Rechtsrahmen für die Festlegung der Anforderungen bilden, denen Wertpapierfirmen, geregelte Märkte und Datenübermittlungsdienstleister zu genügen haben“90. Das WpHG ist in einer Reihe von neuen Vorschriften – etwa in Gestalt der §§ 6, 18 und 22 WpHG – an die Verordnung angepasst worden, darunter auch durch Ausweitung der Sanktionsvorschriften des WpHG (§§ 120, 126 WpHG) auf die Ge- und Verbote der MiFIR. Änderungen hat die Marktmissbrauchsverordnung zuletzt durch Art. 1 VO (EU) 2019/211591 in ihren Artikeln 11, 13, 17–19 und 35 erfahren. Komplementär zu den Verhaltenspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen im neuen Ab- 22 schnitt 11 des WpHG in §§ 63 bis 96 WpHG enthält die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte92, die sog. PRIIP-Verordnung, Vorschriften zur Verbesserung des Kleinanlegerschutzes im Hinblick auf von der Verordnung so bezeichnete und in Art. 2 VO Nr. 1286/2014 (PRIIP-VO) näher umschriebene verpackte Anlageprodukte. Dabei handelt es sich nach Erwägungsgrund 1 VO Nr. 1286/2014 um Anlagen, „die auf die Bedürfnisse von Kleinanlegern zugeschnitten sind, häufig mit einem Versicherungsschutz verbunden sind oder komplex und schwer zu verstehen sein können“ und für die es keine aufeinander abgestimmten und Vergleiche erlaubende Offenlegungspflichten gibt. Dementsprechend legt die PRIIP-Verordnung – wie es in Art. 1 VO Nr. 1286/2014 zu Gegenstand und Anwendungsbereich der Verordnung heißt – „einheitliche Vorschriften für das Format und den Inhalt des Basisinformationsblatts[,] das von Herstellern von verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukten (packaged retail and insurance-based investment products – im Folgenden ‚PRIIP‘) abzufassen ist, sowie für die Bereitstellung des Basisinformationsblatts an Kleinanleger fest, um Kleinanlegern zu ermöglichen, die grundlegenden Merkmale und Risiken von PRIIP zu verstehen und zu vergleichen“. Wie Erwägungsgrund 2 VO Nr. 1286/2014 deutlich macht, handelt es sich bei der Verbesserung der Transparenz in Bezug auf PRIIP-Anlagen, die Kleinanlegern angeboten werden, um eine Maßnahme zur „Wiederherstellung des Vertrauens von Kleinanlegern in den Finanzmarkt, insbesondere nach der Finanzkrise“ nach 200793, die erste Schritte in diese Richtung in Gestalt der „Entwicklung der Regelung zu den wesentlichen Informationen für den Anleger durch die Richtlinie 2009/65/EG“94, ergänze. Einzelheiten zum Gegenstand, zum Anwendungsbereich und zu den Vorschriften der Verordnung finden sich in den Erläuterungen zur PRIIP-Verordnung.
87 88 89 90 91
ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 84. Erwägungsgrund 3 VO (EU) Nr. 600/2014, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 84. Verordnung (EU) 2019/2115 vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten, ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1. 92 Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABl. EU Nr. L 352 v. 9.12.2014, S. 1. 93 Zur Bedeutung von Vertrauen im Finanzmarktrecht Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1 ff. 94 Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 32.
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Einl. Rz. 22 | Einleitung Die PRIIP-Verordnung hat zuletzt durch Art. 1 VO (EU) 2019/1156 vom 20.6.201995 und Art. 1 (EU) 2021/ 2259 vom 15.12.202196 in ihren Artikeln 32 und 33 kleinere Folgeänderungen erfahren. 23 Ebenfalls erläutert sind die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und be-
stimmte Aspekte von Credit Default Swaps vom 14.3.201297. Leerverkäufe (d.h. der Verkauf eines Wertpapiers, das sich im Zeitpunkt des Abschlusses nicht im Eigentum des Verkäufers befindet) und Credit Default Swaps (d.h. außerbörslich gehandelte Verträge zwischen Parteien, die – unabhängig von bestehenden Kreditbeziehungen – einen Referenzschuldner und Ausfallrisiken der Gläubiger dieses Schuldners zum Gegenstand haben) gelten als Instrumente der Spekulation und verbreitet als Mitverursacher, jedenfalls aber als Verstärker von Kursbewegungen, namentlich von solchen nach unten, und als Katalysatoren der Finanzund Staatsschuldenkrise nach 2007. Da ihnen auch positive Funktionen für die Liquidität der Märkte, die Kursbildung und für die Absicherung von Kreditausfallrisiken nicht abzusprechen sind, ist nicht ihre Eindämmung, sondern Transparenz das Mittel ihrer Regulierung auf europäischer Ebene. Diese ist durch die Verordnung (EU) Nr. 236/2012 vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps erfolgt. Die Verordnung enthält neben dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe umfangreiche Transparenzregelungen und gibt den mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden sogar Befugnisse, um in Ausnahmesituationen gedeckte Leerverkäufe in Abstimmung mit der ESMA untersagen oder beschränken zu können; sie soll ein weiterer Schritt hin zu einer größeren Finanzstabilität in Europa sein.
24 Derivate sind für die Marktliquidität und die Absicherung von Risiken aus der zukünftigen Entwicklung
von Finanz- und Produktmärkten wichtige Instrumente, bergen aber für die Vertragsparteien und das Funktionierung der Märkte aber auch beträchtliche Risiken. Da der bei weitem größte Anteil an Derivaten (die Kommission geht von 80 % aus) auf außerbörslich, „over the counter (OTC)“ gehandelten Kontrakten unterschiedlicher Ausgestaltung beruht, sind die sich aus solchen Instrumenten ergebenden Risiken schon wegen der schieren Größe der hier gehandelten Volumina (die Kommission schätzt den Nominalwert von OTC-Derivaten für Ende Dezember 2009 auf 615 Billionen Euro) eine für die Stabilität von Finanzmärkten und die Volkswirtschaft nicht zu übersehende Größe. Auch die sich daraus ergebenden und vor allem in der Finanz- und Staatsschuldenkrise zutage getretenen Regulierungsprobleme geht die EU mit der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister98, auch als European Market Infrastructure Regulation – EMIR – bekannt – über Transparenzregelungen, Vorschriften zur Reduzierung der mit solchen Derivaten verbundenen systemischen Risiken sowie durch Maßnahmen zum Schutz von Marktmissbrauch an. Dazu verlangt die Verordnung die Abwicklung standardisierter OTC-Derivate-Geschäfte über eine Zentrale Gegenpartei („Central Counterparty – CCP“) und setzt Grenzwerte für OTC Geschäfte, die aufgrund ihrer Struktur nicht für das zentrale Clearing geeignet sind. Zudem schreibt die Verordnung u.a. vor, dass Informationen zu allen europäischen Derivate-Transaktionen an ein Transaktionsregister gemeldet werden, welches den nationalen Aufsichtsbehörden und ESMA zugänglich ist, um sowohl politischen Entscheidungsträgern als auch Aufsichtsorganen einen Überblick über die Aktivitäten auf den Märkten zu verschaffen. Ferner enthält sie der Aufsicht unterliegende Auflagen an Zentrale Gegenparteien in Bezug auf deren Organisation und Geschäftsgebaren. Die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 ist zuletzt durch Art. 2 VO (EU) 2021/168 vom 10.2.202199 geändert worden.
25 Nicht eigens erläutert wird in diesem Kommentar die Verordnung (EU) 2015/2365 vom 25.11.2015 über
die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften und der Weiterverwendung sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012100. Sie modifiziert und komplementiert die in Rz. 24 behandelte Verord95 Verordnung (EU) 2019/1156 vom 20.6.2019 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Organismen für gemeinsame Anlagen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 345/2013, (EU) Nr. 346/2013 und (EU) Nr. 1286/2014, ABl. EU Nr. L 188 v. 12.7.2019, S. 55. 96 Verordnung (EU) 2021/2259 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 durch Verlängerung der Übergangsregelung für Verwaltungsgesellschaften, Investmentgesellschaften und Personen, die über Anteile von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und Nicht-OGAW beraten oder diese verkaufen, ABl. EU Nr. L 455 v. 20.12.2021, S. 1. 97 Verordnung (EU) Nr. 236/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps, ABl. EU Nr. L 86 v. 24.3.2012, S. 1. 98 ABl. EU Nr. L 201 v. 27.7.2012, S. 1. Dazu: Ausführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz) vom 13.2.2013, BGBl. I 2013, 174. 99 Verordnung (EU) 2021/168 vom 10.2.2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 im Hinblick auf die Ausnahme bestimmter Devisenkassakurs-Referenzwerte aus Drittstaaten und die Bestimmung von Ersatz-Referenzwerten für bestimmte eingestellte Referenzwerte und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU Nr. L 49 v. 12.2.2021, S. 6. 100 ABl. EU Nr. L 337 v. 23.12.2015, S. 1. Die Verordnung wurde zuletzt durch Art. 88 VO 2021/23 vom 16.12.2020, ABl. EU Nr. L 22 v. 16.12.2021, S. 1, mit Wirkung vom 12.8.2022 geändert.
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Einleitung | Rz. 27 Einl.
nung (EU) Nr. 648/2012 vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister in Bezug auf Wertpapierfinanzierungsgeschäfte. Durch diese können nach den Ermittlungen des Rats für Finanzstabilität (FSB) und des mit der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010101 eingerichteten Europäische Ausschusses für Systemrisiken (ESRB), Hebeleffekte, Prozyklizität und wechselseitige Verflechtungen auf den Finanzmärkten anwachsen. Insbesondere die mangelnde Transparenz bei der Nutzung von Wertpapierfinanzierungsgeschäften habe, so wird in Erwägungsgrund 2 VO 2015/2365 dargelegt, „dazu geführt, dass Regelungs- und Aufsichtsbehörden ebenso wie Anleger die einschlägigen bankähnlichen Risiken und das Ausmaß der wechselseitigen Verflechtungen im Finanzsystem vor und während der Finanzkrise nicht richtig einschätzen und verfolgen konnten“. Vor dem Hintergrund umfangreicher Studien zum Schattenbankwesen und zu den Möglichkeiten seiner Eindämmung will das Europäische Parlament und der Rat mit der Verordnung (EU) 2015/2365 die Märkte für Wertpapierfinanzierungen und damit auch das Finanzsystem transparenter machen. Dabei sollen die in der Verordnung festgelegten verbindlichen Transparenz- und Meldeanforderungen für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte das Abwandern dieses Geschäftsfelds in weniger streng geregelte Bereiche, etwa den Schattenbankensektor, verhindern. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen und internationale Konvergenz zu gewährleisten, soll die Verordnung einen Unionsrahmen schaffen, „in dem Einzelheiten von Wertpapierfinanzierungsgeschäften auf effiziente Weise an Transaktionsregister gemeldet werden können und Anleger in Organismen für gemeinsame Anlagen Informationen über Wertpapierfinanzierungsgeschäfte und Gesamtrendite-Swaps (total return swaps) erhalten“ (Erwägungsgrund 7 VO 2015/2365).
III. Die Anwendung der Vorschriften des WpHG und europäischer Verordnungen 1. Die Anwendung von Vorschriften des WpHG a) Bestimmungen zur Umsetzung von EU-Richtlinien (angeglichenes Recht) Auch wenn die Mehrzahl der Vorschriften des WpHG heute – und zukünftig immer mehr – der Ausführung 26 von EU-Verordnungsrecht dient, das in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt, so finden sich noch immer Vorschriften, die angeglichenes Recht darstellen, d.h. der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht dienende Bestimmungen (s. Rz. 13 f.). Als angeglichenes Recht unterliegen sie nicht nur im Hinblick auf ihre Änderung, sondern auch in Bezug auf ihre Anwendung und Fortbildung einigen Besonderheiten. Dabei sind es weniger die kompetentiellen Sperren, die das Unionsrecht nationaler Gesetzgebungskompetenz auferlegt102, als die Rechtsanwendungsfragen, die besondere Hervorhebung verdienen. Die angeglichenen Vorschriften des WpHG enthalten in nicht geringem Umfang Vorschriften mit unbe- 27 stimmten, konkretisierungsbedürftigen Rechtsbegriffen. Soweit die anzuwendende Norm unmittelbar der Transformation einer Richtlinie in nationales Recht dient oder zumindest den Regelungsbereich einer solchen Richtlinie berührt, ist sie, im Rahmen und auf der Grundlage des nach den nationalen Auslegungsregeln Möglichen103, richtlinienkonform auszulegen104, d.h. „im Lichte der Richtlinie“105. Zur Konkretisierung der Grenzen richtlinienkonformer Auslegung von mitgliedstaatlichen Rechts, das der Angleichung nationalen Rechts an Gemeinschaftsrecht dient, ist der BGH in seiner sog. Quelle-Folgeentscheidung von seiner Rechtsprechung abgerückt, der Wortlaut eines nationalen Gesetzes bilde eine absolute Grenze für die richtlinienkonforme Auslegung106. Um die Auslegungsgrenze des Gesetzeswortlauts zu überwinden, kommt zukünftig vor allem eine teleologische Reduktion der fraglichen Vorschrift in Betracht. Diese setzt indes den Nachweis voraus, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die Richtlinie korrekt umzusetzen gedachte. Dabei muss 101 Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1. 102 Dazu etwa Hayder, RabelsZ 53 (1989), 622, 655. 103 EuGH v. 5.10.2004 – verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01 – Pfeiffer, ZIP 2004, 2342, 2343 Rz. 115 ff. Das schließt die über den Wortlaut einer Vorschrift hinausgehende „richtlinienkonforme“ Rechtsfortbildung ein. S. BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 („Quelle-Folgeentscheidung“), NJW 2009, 427, LS 1: „soweit dies nötig und möglich ist“. 104 S. etwa EuGH v. 15.5.2003 – Rs. C-160/01 (Mau), NJW 2003, 2371 Rz. 34; EuGH v. 5.10.2004 – Rs. C-397/01 bis C-403/01 (Pfeiffer), NJW 2004, 3547 Rz. 113–116; EuGH v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04 (Adeneler), NJW 2006, 2465 Rz. 110–112. 105 Gebauer/Teichmann in Gebauer/Teichmann, § 1 Rz. 82. Zur richtlinienkonformen Auslegung näher Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 33 ff. 106 BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 („Quelle-Folgeentscheidung“), NJW 2009, 427. Hierzu etwa Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 62 ff.; Pfeiffer, NJW 2009, 412.
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Einl. Rz. 27 | Einleitung sich der Wille der korrekten Richtlinienumsetzung auf die konkrete in Frage stehende Regelung beziehen, wohingegen ein genereller Wille zur Umsetzung der Richtlinie nicht als ausreichend zu betrachten ist107. 28 Das wiederum verlangt eine Auslegung des Unionsrechts nach den hierfür maßgeblichen unionsrecht-
lichen Auslegungsmethoden108: In deren Vordergrund steht die Wortlautauslegung. Sie führt allerdings gerade bei der Interpretation des Unionssekundärrechts selten zu eindeutigen Ergebnissen, weil die Auslegung auf die Ermittlung der Wortbedeutung in dem insoweit rechtsdogmatisch noch wenig elaborierten Unionsrecht gerichtet ist und selbst dann nicht auf eine mitgliedstaatliche Begriffsbildung zurückgegriffen werden darf, wenn diese einem Regelungszusammenhang entstammt, welcher der fraglichen Richtlinie ganz offenbar als Regelungsvorbild oder -grundlage diente. Die rechtssystematische Auslegung spielt dagegen bei der Auslegung von Gemeinschaftssekundärrecht in Gestalt von Richtlinien und Verordnungen praktisch keine Rolle109, was nicht verwundert, da diesen jegliches System und rechtssystematisches Denken fehlt. Im Mittelpunkt der Auslegung des Unionssekundärrechts steht deshalb die systematisch-teleologische Auslegung110. Sie umfasst einerseits die Frage nach dem sich aus der Systematik des Vertrages, des Unionssekundärrechts und der jeweiligen Richtlinie ergebenden Sinn der Norm und andererseits diejenige nach dem Zweck der Vorschrift. Auch die historische Auslegung spielt allenfalls bei der Ermittlung des Zwecks eines Rechtsakts bzw. einer seiner Bestimmungen eine Rolle. Die Vorschriften von Richtlinien und Verordnungen und die in diesen verwandten Begriffe sind autonom auszulegen111. Das bedeutet, dass „die Begriffsbildung eigenständig, ‚aus sich heraus‘... und damit unabhängig von dem Begriffsverständnis eines nationalen Rechts (z.B. der lex fori) erfolgen soll“112.
29 So wie sich der EuGH im Zusammenhang mit der Auslegung des Unionsrechts durchaus der Rechtsverglei-
chung in Bezug auf die einzelnen mitgliedstaatlichen Regelungen und deshalb besser Umsetzungsrechtsvergleichung bedient, verlangt er eine solche auch bei der Auslegung angeglichenen nationalen Rechts durch den nationalen Rechtsanwender: Auch wenn die Herkunft des Regelungsmodells einer Richtlinie oder einzelner ihrer Vorschriften aus dem Rechtssystem bestimmter Mitgliedstaaten bei der Anwendung angeglichenen Rechts als unbeachtlich zu gelten hat113, ist bei der Auslegung angeglichenen Rechts doch die Art und Weise der Umsetzung und Auslegung einer Richtlinie durch die übrigen Mitgliedstaaten bzw. deren Gerichte mit zu berücksichtigen114.
30 Soweit die Theorie: In der Praxis der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften und der hieran auszurichten-
den richtlinienkonformen Auslegung angeglichenen Rechts folgt der EuGH bedingungslos und de facto vorrangig der effet utile-Methode, der zufolge Unionsrecht und entsprechend auch angeglichenes Recht – soweit die Auslegung nicht dem offensichtlichen Wortlaut der Bestimmung widerspricht (dazu Rz. 31) – so auszulegen ist, dass das Ziel der umzusetzenden Richtlinie am effektivsten erreicht werden kann115. Damit kommt dem Zweck einer Regelung für die Auslegung der einzelnen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und des angeglichenen mitgliedstaatlichen Rechts eine herausragende Bedeutung zu. Das hat sich namentlich, und in den Ausführungen vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 und Rz. 29 näher belegt, in den bislang ergangenen Entscheidungen des EuGH zum Insiderrecht bestätigt.
31 Im Rahmen der teleologischen Auslegung europäischer Rechtsakte, die durch die effet utile-Methode (vor-
stehend Rz. 30) des EuGH geprägt ist, kommt den sog. Erwägungsgründen, die dem jeweiligen Rechtsakt vorangestellt sind und die vielfach nicht mehr als eine Paraphrasierung der Bestimmungen des Rechtsakts 107 Vgl. Pfeiffer, NJW 2009, 412 f. 108 Zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht s. etwa Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 1 ff.; Langenbucher in Langenbucher, § 1 Rz. 5 ff.; Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV, 72. EL Februar 2021, Art. 19 Rz. 53 ff.; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 9. Aufl. 2021, § 9 Rz. 165 ff.; Veil in Veil, § 5 Rz. 14 ff. 109 Veil in Veil, § 5 Rz. 31, der aber ausführt, Systemdenken im europäischen Kapitalmarktrecht könne angesichts der zunehmenden Ablösung rein mitgliedstaatlichen Kapitalmarktrechts durch Richtlinien und Verordnungen nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden. Die systematische Europäisierung mitgliedstaatlichen Kapitalmarktrechts ist aber nicht das, was europäisches Kapitalmarktrecht aufweisen müsste, um dieses als ein System des europäischen Kapitalmarktrechts einer rechtssystematischen Auslegung seiner Normen aussetzen zu können. 110 Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 15 ff. (Rz. 18: „zentrale Bedeutung“). 111 Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 6, und 20, betont zutreffend, die autonome Auslegung sei kein allgemeines Auslegungskriterium wie die vorstehend Beschriebenen, sondern – vergleichbar der richtlinienkonformen Auslegung – um ein „Auslegungsgebot“ im Sinne einer „normativen Vorgabe“ mit der „Begriffswelt eines anderen Normenregimes“. 112 Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 20 m.w.N. 113 Lutter, JZ 1992, 593, 601 f. m.w.N. 114 Etwa Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV, 72. EL Februar 2021, Art. 19 Rz. 59 ff. 115 Zu dieser Auslegungsmethode des EuGH etwa Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 19; Mayer in Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV, 72. EL Februar 2021, Art. 19 Rz. 57 f.; Potacs, EuR 2009, 465 Rz. 31.
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Einleitung | Rz. 35 Einl.
darstellen, bei der Ermittlung des Zwecks desselben besondere Bedeutung zu, doch beschränkt sich die Rolle der Erwägungsgründe darin auch. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass „die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts rechtlich nicht verbindlich sind und weder herangezogen werden können, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht.“116 Auch Leitlinien und Empfehlungen der ESMA, die diese nach Art. 16 VO Nr. 1094/2010 (ESMA-Verord- 32 nung)117 und mitunter auch aufgrund ausdrücklichen Auftrags in Rechtsakten der EU – etwa in Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 zur Erstellung von Leitlinien zum Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 17) – herausgibt, sind rechtlich nicht bindend118. Das gilt für Gerichte ebenso wie für die Betroffenen und die nationalen Aufsichtsbehörden. Für Letztere folgt dies schon aus Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 1094/2010, in dem bestimmt ist, dass die zuständige Behörde binnen zwei Monaten nach Herausgabe einer Leitlinie oder Empfehlung der ESMA bestätigen muss, ob sie dieser Leitlinie oder Empfehlung nachkommt oder nachzukommen beabsichtigt. Für den Fall, dass sie der Leitlinie oder Empfehlung nachkommt oder nachzukommen beabsichtigt, muss die zuständige nationale Behörde dies der ESMA nach Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 1094/2010 unter Angabe von Gründen mitteilen. Diese veröffentlicht diese Tatsache dann nach Maßgabe von Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 1094/2010.
Dessen ungeachtet entfalten auch Leitlinien oder Empfehlungen der ESMA formelle und informelle Bin- 33 dungswirkungen: Für die ESMA und die nationalen Aufsichtsbehörden, die erklärt haben, dass sie einer Leitlinie oder Empfehlung der ESMA nachkommen oder nachzukommen beabsichtigen, sind deren Bestimmungen im Sinne einer Selbstbindung119 anzuwenden. Auch Gerichte werden Leitlinien oder Empfehlungen der ESMA als Auslegungshilfe heranziehen, zumal dann, wenn Leitlinien und Empfehlungen auf breite Akzeptanz durch die nationalen Aufsichtsbehörden gestoßen sind, jedenfalls müssen sie sich mit Leitlinien und Empfehlungen „beschäftigen“120. Und schließlich werden sich auch die Betroffenen, die ihr Handeln an den Leitlinien oder Empfehlungen ausgerichtet haben, im Hinblick auf die Frage schuldhafter Verstöße gegen angeglichenes Recht oder Verordnungsrecht auf diesen Umstand berufen können121. Erst recht rechtlich unverbindlich sind Verlautbarungen der nationalen Aufsichtsbehörde zur Auslegung 34 angeglichenen Rechts oder von Verordnungsrecht. Das gilt namentlich für die Veröffentlichungen der BaFin in Gestalt sog. Frequently Asked Questions (FAQs), wie etwa in Gestalt der Fragen und Antworten in BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand 20.6.2017 (s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 17)122. Von Leitlinien und Empfehlungen der ESMA und den Verlautbarungen der nationalen Aufsichtsbehörden zur Auslegung angeglichenen Rechts oder von Verordnungsrecht zu unterscheiden sind technische Regulierungs- und Durchführungsstandards, die von der Kommission aufgrund entsprechender Ermächtigungen in Gesetzgebungsakten – vielfach unter Hinweis auf deren Vorbereitung durch die ESNA wie etwa in Art. 17 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 297) – als delegierte Rechtsakte nach Art. 290 AEUV erlassen werden. Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob die Wortlautgrenze der Auslegung, namentlich unter Berufung auf 35 teleologische Erwägungen, überschritten werden darf, wenn es um zivilrechtliche Folgen des Verstoßes gegen straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktionierte Verhaltensge- oder -verbote des WpHG geht. 116 EuGH v. 19.6.2014 – Rs. C-345/13, EuZW 2014, 703, 704 f. Rz. 31; EuGH v. 24.11.2005 – Rs. C-136/04, BeckRS 2005, 70929 Rz. 32 m.w.N. 117 Richtlinie (EU) 2017/593 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 31.3.2017, S. 84. 118 EuGH v. 15.7.2021 – C-911/19, NZG 2021, 1254, 1255 Rz. 45 (keine „verbindliche[n] Rechtswirkungen gegenüber den zuständigen Behörden“) und Rz. 46 (keine „verbindliche[n] Wirkungen gegenüber den Finanzinstituten“); ebd. zusammenfassend: „Es zeigt sich daher, dass der Unionsgesetzgeber mit der Ermächtigung der EBA, Leitlinien und Empfehlungen herauszugeben, dieser Behörde die Befugnis verliehen hat, Anstöße zu geben und Überzeugungsarbeit zu leisten, die sich von der Befugnis zum Erlass verbindlicher Handlungen unterscheidet“ (Rz. 48). Veil in Veil, § 5 Rz. 24. 119 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 40; Frank, S. 171 ff.; Hupka, WM 2009, 1351 ff. 120 EuGH v. 13.12.1989 – C-322/88, NZA 1991, 283, 285 Rz. 18: „Die innerstaatlichen Gerichte sind ... verpflichtet, bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten die Empfehlungen zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn diese Aufschluß über die Auslegung zu ihrer Durchführung erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen“. Dazu näher Veil in Veil, § 5 Rz. 24. 121 Frank, S. 133, 167; Veil in Veil, § 5 Rz. 24 a.E. 122 Näher Veil in Veil, § 5 Rz. 26 (ihnen zu folgen hat aber „haftungsentlastende Wirkung“).
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Einl. Rz. 35 | Einleitung Das wurde von Cahn123 im Hinblick auf den diesbezüglichen Hauptanwendungsfall der Behandlung von Vorschriften des WpHG, die als Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zu betrachten sind, bejaht, wobei eine gespaltene Gesetzesanwendung in Kauf genommen wird. Rechtspolitisch mag man dieser Auffassung zugutehalten, dass der Gesetzgeber einzelne Verhaltensge- oder -verbote des WpHG durchaus konform den Vorgaben der umzusetzenden europäischen Richtlinien (näher 7. Aufl. Rz. 13, 19) auch zivilrechtlich hätte sanktionieren können, wodurch die einschlägigen Vorschriften der Rechtsfortbildung nach zivilrechtlichen Grundsätzen zugänglich gewesen wären. De lege lata war und ist eine gespaltene Auslegung von Bestimmungen des WpHG indes nicht haltbar: Die sich über den Wortlaut eines strafrechtlichen Schutzgesetzes hinwegsetzende zivilrechtliche Auslegung bedeutet de facto die richterrechtliche Ausweitung des dieser Bestimmung vom Gesetzgeber beigelegten Schutzbereichs. Zwar wird im deliktsrechtlichen Schrifttum heute verbreitet die Ansicht vertreten, zumindest „gesetzesvertretendes Richterrecht in Form relativ ‚fertiger‘, von Einzelsachverhalten gelöster Normen“ müsse als „Bezugsgegenstand des § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommen können“124, doch sind diese Voraussetzungen im Falle der Anwendung konkreter strafgesetzlicher Schutzgesetze offenkundig nicht gegeben. Hinzu kommt, dass der EuGH in seiner Entscheidung Grøngaard und Bang in einem obiter dictum der gespaltenen Richtlinienauslegung und damit auch der gespaltenen Auslegung nationalen Rechts eine Absage erteilt hat125. Dem folgt auch der BGH: In seiner Entscheidung vom 19.7.2011 hat er die Ablehnung einer gespaltenen Auslegung von Vorschriften des WpHG bekräftigt: „Wenn aber nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG insoweit eine über den Wortlaut hinausgehende Anwendung der §§ 21, 22 WpHG nicht zulässig ist, kommt eine andersartige („gespaltene“) Auslegung oder analoge Anwendung auch für den Bereich des Zivilrechts grundsätzlich nicht in Betracht“126. 36 Auch im Rahmen der Anwendung angeglichenen Rechts kommt dem Emittentenleitfaden der BaFin und
der in diesem ausgeführten Rechtsauslegung durch die Aufsichtsbehörde eine erhebliche Bedeutung zu. Der seit 2018 überarbeitete Emittentenleitfaden – die BaFin selbst spricht von der 5. Auflage desselben – hat eine gegenüber früheren Fassungen neue Gestalt: „Anders als bisher bildet er kein Gesamtdokument, sondern steht in Form thematisch geordneter Einzelmodule zur Verfügung. Durch den neuen, modularen Aufbau soll insbesondere die fortlaufende Aktualisierung und Erweiterung des Leitfadens flexibler gestaltet werden“127. Für die Auslegung von Vorschriften des WpHG sind vor allem Modul A zur Überwachung von Unternehmensabschlüssen (§§ 17, 21, 106 ff. WpHG), der Pflicht zur Finanzberichterstattung (§§ 18, 111, 114–118 WpHG) und damit zusammenhängenden Bestimmungen sowie Modul B zu Informationen über bedeutende Stimmrechtsanteile und notwendige Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren (§§ 33–47 bzw. §§ 48 ff. WpHG) von Bedeutung, während sich Modul C im Wesentlichen auf die Anwendung der Vorschriften der EU-Marktmissbrauchsverordnung (Rz. 7) beschränkt. Soweit damit für die Auslegung von Bestimmungen des WpHG in Betracht kommend, stellt der Emittentenleitfaden jedoch lediglich eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift128 mit allein verwaltungsinterner Bindungswirkung129 dar. Dessen ungeachtet formuliert sie die für die Ahndung von Verstößen gegen das WpHG zunächst maßgebliche Rechtsauffassung, gegen die der Adressat etwa eines Bußgeldbescheids nur gerichtlich vorgehen kann.
b) Bestimmungen zur Ausführung von EU-Verordnungen 37 Wie bereits ausgeführt, dienen seit den Änderungen des WpHG durch das Erste und Zweite Finanzmarkt-
novellierungsgesetz von 2016 bzw. 2017 (Rz. 13 bzw. 14) die Mehrzahl von dessen Bestimmungen der Aus123 124 125 126
Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1, 9 f. Mertens in MünchKomm. BGB, 3. Aufl. 1997, § 823 BGB Rz. 172 m.w.N. EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02, WM 2006, 612, 615, Rz. 28. BGH v. 19.7.2011 – II ZR 246/09, AG 2011, 786, 788, Rz. 33. Für seine Auffassung zitiert der BGH „Veil/Dolff, AG 2010, 385, 389 f.; Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933, 936 f.; von Bülow/Petersen, NZG 2009, 1373, 1375 f.; Widder/Kocher, ZIP 2010, 457, 459; s. auch BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 = AG 2006, 883 – WMF – Rz. 17“. Ablehnend Schürnbrand, Wider den Verzicht auf die gespaltene Auslegung im Kapitalmarktrecht, NZG 2011, 1213. Nach Segna, Die sog. gespaltene Rechtsanwendung im Kapitalmarktrecht, ZGR 2015, 84, soll eine gespaltene Rechtsanwendung zulässig und geboten sein, wenn die in Frage stehende kapitalmarktrechtliche Geoder Verbotsnorm einer analogen Anwendung zugänglich sei. Für die §§ 21 ff. WpHG a.F. sei dies zu verneinen. Über das aus diesem Grund bestehende Analogieverbot dürfe sich der Rechtsanwender nur hinwegsetzen, soweit ein Bedürfnis nach richtlinienkonformer Rechtsfortbildung bestehe. 127 Einleitung (letzter Absatz) zum Emittentenleitfaden https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Emitten tenleitfaden/emittentenleitfaden_node.html. 128 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07 Rz. 24, ZIP 2008, 639, 641 Rz. 24 „Der Emittentenleitfaden der BaFin ... stellt jedoch lediglich eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift dar (vgl. nur Fleischer, ZGR 2007, 401, 404 m.w.N.)“; BGH v. 27.6.2017 – II ZB 22/16, ZIP 2018, 2307, 2313 Rz. 62. 129 Das gilt für norminterpretierende Verwaltungsvorschriften nicht anders als für behördliche Leitfäden, Empfehlungen und FAQs von deutschen und europäischen Behörden. S. Rz. 32, 34.
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Einleitung | Rz. 41 Einl.
führung der Bestimmungen von in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden EU-Verordnungen. Teile der Vorschriften enthalten Regelungen, welche diese Verordnungen den Mitgliedstaaten überlassen haben, die Mehrzahl jedoch hat die Ausführung der Verordnungen in Gestalt von Vorschriften betreffend die Aufsicht über die Einhaltung der Verordnungsbestimmungen durch die BaFin als zuständige Verwaltungsbehörde und die Sanktionierung von Verstößen gegen Verordnungsbestimmungen und autonome oder der Ausführung von EU-Verordnungen dienende Vorschriften zum Gegenstand. Obwohl kein angeglichenes Recht, sind der Ausführung von Verordnungen dienende Bestimmungen wie angeglichenes Recht (Rz. 26 ff.) anzuwenden, wobei an die Stelle der richtlinienkonformen Auslegung (Rz. 27) diejenige der verordnungskonformen Auslegung tritt. Auch diesbezüglich wird der durch die effet utile-Methode des Europäischen Gerichtshofs (Rz. 30) geprägten teleologischen Auslegung sowie den der jeweiligen Verordnung vorangestellten Erwägungsgründen (Rz. 31) besondere Bedeutung zukommen. Für die Berücksichtigung von Leitfäden, Empfehlungen und FAQs von deutschen und europäischen Behör- 38 den – zumeist Aufsichtsbehörden – gilt das bereits vorstehend Ausgeführte (Rz. 32, 34, 36). Bei diesen handelt es sich, auch wenn sie die Gerichte nicht binden, um Rechtsanwendungshilfen von einigem Gewicht. Im Hinblick auf die Anwendung der Vorschriften des WpHG gilt dies insbesondere für die Ausführungen in Modul A und B des Emittentenleitfadens der BaFin (s. Rz. 36).
2. Die Anwendung von Verordnungsvorschriften Was für die Auslegung angeglichenen Rechts und der ihm zugrunde liegenden Bestimmungen von EU- 39 Richtlinien gilt, gilt auch für die unmittelbar geltenden Verordnungen und ihrer Bestimmungen. Auch diese sind, legt man die Auslegungspraxis des EuGH zugrunde, im Wesentlichen nach Sinn und Zweck und hier nach der effet utile-Methode des EuGH (vorstehend Rz. 30) auszulegen. Das kann allerdings nur so weit gehen, als die Auslegung dem Wortlaut einer Vorschrift nicht offensichtlich widerspricht (Rz. 30 f.). Bei der Bestimmung von dessen Grenzen können einem nationalen Recht entstammende rechtssystematische Überlegungen ebenso wenig herangezogen werden, wie diese generell bei der Auslegung von Verordnungsrecht durch ein nationales Recht Berücksichtigung finden dürfen. Auch hier hat die Auslegung verordnungsautonom unter Zugrundelegung von Sinn und Zweck der Verordnung und der Vorschrift zu erfolgen130. Auch hinsichtlich der rechtlichen Bindungswirkung von Leitlinien und Empfehlungen der ESMA, von Ver- 40 lautbarungen der nationalen Aufsichtsbehörden zur Auslegung von Verordnungsrecht vor allem in der Form sog. Frequently Asked Questions (FAQs) und von technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards ist auf die Ausführungen zur Auslegung von Richtlinien und angeglichenem Recht – Rz. 32 f., Rz. 34 bzw. Rz. 35 zu verweisen. Das gilt namentlich für die Ausführungen der BaFin in Modul C des Emittentenleitfadens (Rz. 36), der die Anwendung von Bestimmungen der EU-Marktmissbrauchsverordnung zum Gegenstand hat.
IV. Die Wertpapieraufsicht in Europa als Teil des europäischen Finanzaufsichtssystems Die 2007 einsetzende Finanzkrise hat nicht nur Schwächen des nationalen, sondern auch des europäischen 41 Aufsichtssystems offenbart131. Vor allem wurde offenkundig, dass die europäische Finanzmarktaufsicht trotz erheblicher Fortschritte bei der Finanzmarktintegration und einer zunehmenden Zahl grenzübergreifend tä-
130 Dazu etwa Gebauer/Teichmann in Gebauer/Teichmann, § 1 Rz. 67 ff. Ebd. Rz. 67: „Autonome Auslegung bedeutet Entkoppelung von einem national vorgeprägten Verständnis, welches bei der Interpretation von Begriffen nach mitgliedstaatlichem Recht geläufig sein mag. Autonome Auslegung zeichnet sich dadurch aus, dass sie ‚ohne Rekurs auf mitgliedstaatliche Konzepte‘ erfolgt (Baldus/Raff [in Gebauer/Teichmann], § 3] Rz. 52). Entsprechend sind etwa die Fragen, was eine ‚Zivilsache‘ im Sinne des europarechts ist oder ob ein Anspruch einem vertraglichen oder außervertraglichen Schuldverhältnis entspringt, aus dem Europarecht selbst zu beantworten.“ Ausführlich auch Gebauer in Gebauer/Wiedmann, Kap. 3 Rz. 5 f., 20 ff. und 32. 131 So heißt es etwa in Erwägungsgrund 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1: „Die Aufsichtsmodelle auf nationaler Ebene konnten mit der Globalisierung des Finanzsektors und mit der Realität der Integration und Verknüpfung der europäischen Finanzmärkte mit vielen grenzüberschreitend tätigen Finanzinstituten nicht Schritt halten. Die Krise brachte Mängel bei der Zusammenarbeit, bei der Koordinierung, bei der kohärenten Anwendung des Unionsrechts und einen Mangel an Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden zutage.“
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Einl. Rz. 41 | Einleitung tiger Unternehmen noch immer national fragmentiert ist132. Um diese Schwäche zu beseitigen, sind seit Oktober 2008 auch Bestrebungen zur Weiterentwicklung der europäischen Finanzmarktaufsicht im Gange. Eingeleitet wurden sie dadurch, dass Kommissionspräsident Barroso im Oktober 2008 eine hochrangige Expertengruppe unter dem Vorsitz des ehemaligen geschäftsführenden Direktors des IWF Jacques de Larosière einsetzte und sie beauftragte, Empfehlungen zur Schaffung eines effizienten, integrierten und nachhaltigen Aufsichtsrahmens zu erarbeiten. Die Expertengruppe legte am 25.2.2009 ihren Bericht vor133. 42 Die Empfehlungen der Larosière-Gruppe wurden im März 2009 von der Kommission und dem Europä-
ischen Rat gebilligt134. Aus ihnen sind vier in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar geltende Verordnungen hervorgegangen:
43 Eine dieser Verordnungen – die VO (EU) Nr. 1092/2010 vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Euro-
päischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken – dient der Schaffung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB)135. Der Ausschuss soll „die potentiellen Risiken für die Finanzmarktstabilität, die sich aus makroökonomischen Entwicklungen und aus Entwicklungen innerhalb des Finanzsystems insgesamt ergeben, überwachen und bewerten“, um „frühzeitig vor sich abzeichnenden systemweiten Risiken warnen und erforderlichenfalls Empfehlungen für Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken aussprechen“ zu können136.
44 Drei weitere Verordnungen haben die Einrichtung eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS)
zum Gegenstand, das sich aus einem Netz nationaler Finanzaufsichtsbehörden zusammensetzt, die mit den neuen Europäischen Aufsichtsbehörden („European Supervisory Authorities“/ESA) kooperieren. Ankerpunkte dieses neuen Aufsichtssystems sind drei neue europäische Aufsichtsbehörden, die durch die Zusammenführung und Umbildung der vorhandenen europäischen Aufsichtsausschüsse in eine Europäische Bankaufsichtsbehörde („European Banking Authority“/EBA mit Sitz in London)137, eine Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung („European Insurance and Occupational Pensions Authority“/EIOPA mit Sitz in Frankfurt/M.)138 und eine Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde („European Securities and Markets Authority“/ESMA mit Sitz in Paris)139 geschaffen wurden. Auf der Grundlage der sog. SSM-Verordnung – Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 vom 15.10.2013140 – und der diese flankierenden sog. EBA-Änderungsverordnung – Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 vom 22.10.2013141 – ist am 4.11.2014 der Einheitliche Europäische Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism – SSM) in Kraft getreten. Er unterstellt – seinerzeit 120142 – als für das europäische Bankensystem besonders wichtig eingestufte Kreditinstitute der zentralen Beaufsichtigung durch die Europäische Zentralbank (EZB). Hierbei
132 Vgl. Kommissionsvorschlag KOM(2009)499 v. 23.9.2009, S. 2 (1. Kontext des Vorschlags). 133 Der Bericht ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_larosiere_report_de.pdf. 134 Zum weiteren Verlauf der Umsetzung der Vorschläge s. etwa Begründung zum Kommissionsvorschlag zu einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, KOM(2009)499 v. 23.9.2009, S. 2 (1. Kontext des Vorschlags) und Erwägungsgrund 3 ff. VO Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1 f. 135 ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1. 136 Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde, KOM (2009) 503 v. 23.9.2009, S. 2. 137 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 12. 138 Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 48. 139 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 140 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 vom 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. EU Nr. L 287 v. 29.10.2013, S. 63. 141 Verordnung (EU) Nr. 1022/2013 vom 22.10.2013 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) hinsichtlich der Übertragung besonderer Aufgaben auf die Europäische Zentralbank gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013, ABl. EU Nr. L 287 v. 29.10.2013, S. 5. 142 Eine aktuelle Liste der beaufsichtigten Institute ist abrufbar unter https://www.bankingsupervision.europa.eu/ban king/list/who/html/index.en.html.
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Einleitung | Rz. 48 Einl.
kooperiert die EZZ mit den nationalen Aufsichtsbehörden, die Teil des SSM sind. Der EBA verbleibt die Aufgabe, technische Standards, Leitlinien und Empfehlungen auszuarbeiten, um die aufsichtsrechtliche Konvergenz und die Kohärenz der Aufsichtsergebnisse innerhalb der Union sicherzustellen. Um ein reibungsloses Funktionieren des Europäischen Finanzaufsichtssystems zu gewährleisten, waren 45 Änderungen der Rechtsakte der Union im Tätigkeitsbereich der drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden notwendig. Sie betrafen die Festlegung des Umfangs bestimmter Befugnisse der Behörden, die Integration bestimmter Befugnisse, die durch bestehende Rechtsakte der Union festgelegt sind, sowie Änderungen, die eine reibungslose und wirksame Funktionsweise der Behörden im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems ermöglichen sollen. In die Wege geleitet wurde dies durch Richtlinie 2010/78/EU vom 24.11.2010143. Die Richtlinie wurde durch das Gesetz vom 4.12.2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/ EU vom 24.11.2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems in deutsches Recht umgesetzt144. Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem (ESFS)145 soll die Qualität und Kohärenz der nationalen Auf- 46 sicht verbessern und es damit nicht mehr dem Zufall überlassen, ob die nationalen Aufsichtsbehörden bei Aufsichtsentscheidungen für grenzübergreifend tätige Finanzmarktteilnehmer effektiv zusammenarbeiten und zur bestmöglichen Lösung gelangen. Ziel der Maßnahmen ist der Aufbau eines integrierten Netzes nationaler Aufsichtsbehörden und der Aufsichtsbehörden der Union, in dem die laufende Beaufsichtigung auf nationaler Ebene verbleibt, aber eine kohärente Anwendung und Weiterentwicklung der europäischen Aufsichtsregeln gewährleistet wird. Nur in wenigen Fällen übernehmen die neuen europäischen Aufsichtsbehörden direkte Aufsichtsfunktionen, wie etwa die ESMA in Gestalt von Aufsichtsbefugnissen über Ratingagenturen146. Die Errichtung und die Festlegung der Aufgaben der ESMA als Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde einschließlich ihrer Stellung im Europäischen System der Finanzaufsicht (ESFS) ist Gegenstand der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010147.
V. Jüngste Änderungen und Ausblick Art. 14 des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) vom 5.7.2021148 enthält eine 47 Reihe von (Folge-)Änderungen des WpHG. Diese sind nach Art. 31 Abs. 1 DiRUG am 1.8.2022 in Kraft getreten. Das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrecht (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.8.2021149 sieht in seinem Art. 56 lediglich eine redaktionelle Anpassung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 WpHG vor, doch tritt diese nach Art. 137 MoPeG erst später – zum 1.1.2024 – in Kraft.
„Als Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriff der Russischen Föderation gegenüber der Ukraine hat 48 die EU verschiedene Sanktionspakete verabschiedet“150, die in (in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden) Verordnungen niedergelegt sind. „Für den wirkungsstarken operativen Vollzug der Sanktionen“ wird aber „für die jeweiligen Sanktionsbereiche die Expertise verschiedener Behörden und Stellen auf Bundesund Länderebene und deren Zusammenarbeit“ als erforderlich angesehen. Das soll durch den Erlass des
143 Richtlinie 2010/78/EU vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/ 41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 120. 144 BGBl. I 2011, 2427. 145 Zu den Auswirkungen der Reform der europäischen Finanzaufsichtsstruktur auf die Aufsicht im Banken- und Kapitalmarktbereich Achtelik/Mohn, WM 2019, 2339. 146 § 29 WpHG Rz. 11, 13 und 14. Zu den Aufgaben der ESMA und zu den Befugnissen der Behörde bei der Durchsetzung derselben ist auf Art. 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 VO Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84, 95 f., zu verweisen. 147 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 148 BGBl. I 2021, 3338. 149 BGBl. I 2021, 3436. 150 Dieses Zitat und das nachfolgende sind entnommen dem Entwurf eines ersten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I), BT-Drucks. 20/1740 v. 10.5.2022, 1.
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Einl. Rz. 48 | Einleitung Sanktionendurchsetzungsgesetzes I vom 23.5.2022151 bewerkstelligt werden, dessen Schwerpunkt in Änderungen (nahezu durchweg in Gestalt von Ergänzungen) des Außenwirtschaftsgesetzes und des Geldwäschegesetzes, aber auch solchen des Kreditwesengesetzes, des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes und nicht zuletzt des WpHG besteht. Letzterem wird durch Art. 4 des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes I ein neuer § 14a WpHG hinzugefügt: Dieser soll „der Sicherstellung einer unmittelbaren und kohärenten Umsetzung von Handelsverboten in Finanzinstrumenten [dienen], die von zuständigen Stellen der Europäischen Union oder Einrichtungen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union hinsichtlich einzelner oder mehrerer Finanzinstrumente erlassen werden“152. Das wiederum soll sicherstellen, „dass ein Handelsverbot an sämtlichen Märkten in Deutschland, an denen vom Handelsverbot erfasste Finanzinstrumente gehandelt werden, zur selben Zeit und in derselben Weise umgesetzt wird“. Zuständige Stellen i.S.d. § 14a WpHG „sind sämtliche Organe, Einrichtungen, Agenturen oder sonstige Stellen der Europäischen Union, soweit deren Zuständigkeit betroffen ist“. Vor allem gibt die neue Vorschrift der BaFin „die Möglichkeit, sämtliche für die Umsetzung von Handelsverboten erforderliche Maßnahmen zu treffen“, darunter „insbesondere die Anordnung von Handelsaussetzungen an einzelnen oder mehreren Märkten, aber auch vorbereitende Maßnahmen wie die Einholung von Informationen“. 49 Das Sanktionsdurchsetzungsgesetz I vom 23.5.2022 (Rz. 48) wurde alsbald durch das Sanktionsdurchset-
zungsgesetz II vom 19.12.2022153 komplementiert. Nachdem mit Ersterem „bereits kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zur Verbesserung der Sanktionsdurchsetzung realisiert“ wurden, sollen mit dem Letzteren „strukturelle Verbesserungen bei der Sanktionsdurchsetzung und bei der Bekämpfung von Geldwäsche in Deutschland auf den Weg gebracht werden“154. Das wird vor allem deshalb als erforderlich angesehen, weil für „den wirkungsstarken operativen Vollzug [von] Sanktionen ... die Expertise verschiedener Behörden und Stellen auf Bundes- und Länderebene und deren Zusammenarbeit erforderlich“ ist155. Um den hierfür erforderlichen Rechtsrahmen zu schaffen, ist mit Art. 1 des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes II das Gesetz zur Durchsetzung von wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz – SanktDG) eingeführt worden. Dieses weist in § 1 SanktDG der – ergänzend neben die bislang im Bereich der Sanktionsumsetzung und -durchsetzung zuständigen Behörden tretenden – neu geschaffenen Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung die Aufgabe zu, „die Durchsetzung der vom Rat der Europäischen Union im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschlossenen wirtschaftlichen Sanktionsmaßnahmen im Inland zu gewährleisten und mit ausländischen Behörden bei der Durchsetzung dieser Sanktionsmaßnahmen zusammenzuarbeiten“. Für das Wertpapierhandelsgesetz hat das Sanktionsdurchsetzungsgesetz II indes nur eine Ergänzung gebracht: Im neuen § 2a WpHG wird definiert, wann eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft aufsichtsrechtlich für die BaFin oder für die Beurteilung von Personen durch beaufsichtigte Unternehmen (etwa Wertpapierdienstleistungsunternehmen) als „unzuverlässig“ gilt156.
50 Um eine einheitliche und qualitativ hochwertige Finanzaufsicht herbeizuführen, sollte die Aufsicht über die
freien Finanzanlagevermittler schrittweise auf die BaFin übertragen werden. Dazu wurde der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Bearbeitungsstand vom April 2020 vorgelegt157. Gegen das mit diesem Gesetzentwurf angestrebte Vorhaben sind aus verschiedenen Gründen Einwände erhoben worden, nicht zuletzt vom Nationalen Normenkontrollrat, der – in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 6.7.2011 – das Ziel und vor allem die Notwendigkeit der Übertragung der Aufsicht auf die BaFin als nicht ausreichend nachvollziehbar und verständlich dargestellt kritisierte. Auch der Bundesrat rügte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf, es sei „unklar, wie die Vereinheitlichung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) finanziell und organisatorisch tatsächlich umgesetzt werden solle158. Die FDP-Fraktion verlangte, die Bundesregierung solle auf geplante Zentralisierung der Aufsicht über Finanz151 Erstes Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I) vom 23.5.2022, BGBl. I 2022, 754. 152 Dieses Zitat und die folgenden Zitate sind entnommen dem Entwurf eines ersten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz I), BT-Drucks. 20/1740 v. 10.5.2022, 1, 23. 153 Zweites Gesetz zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (Sanktionsdurchsetzungsgesetz II) vom 19.12.2022, BGBl. I 2022, 2606. 154 RegE Sanktionsdurchsetzungsgesetz II, BT-Drucks. 20/4534 v. 21.11.2022, 1. 155 RegE Sanktionsdurchsetzungsgesetz II, BT-Drucks. 20/4534 v. 21.11.2022, 1. 156 RegE Sanktionsdurchsetzungsgesetz II, BT-Drucks. 20/4534 v. 21.11.2022, 1, 7 („Der Text des Gesetzentwurfs und der Begründung ist gleichlautend mit der Bundestagsdrucksache 20/4326“) unter Verweis auf BT-Drucks. 20/4326 v. 8.11.2022, 1, dort 80 (zum seinerzeitigen Art. 9 Nr. 2). 157 BT-Drucks. 19/18794 v. 27.4.2020, 1. 158 BT-Drucks 19/19364 v. 20.6.2020, 1.
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Einleitung | Rz. 51 Einl.
anlagenvermittler bei der BaFin verzichten, den Gesetzentwurf zurückziehen und stattdessen einen Entwurf erarbeiten, der die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung vollständig auf die Industrie- und Handelskammern übertrage159. Mit dem Ende der Wahlperiode, in der der Regierungsentwurf eingebracht wurde, ohne verabschiedet worden zu sein, ist das Vorhaben gescheitert. Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer Verordnung 51 u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO2017/1129), der EU-Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014)160 – nebst Anhängen161 vorgelegt. Grundlage dieser Initiative ist die Annahme, Börsengänge seien für EU-Unternehmen, insbesondere für KMU [kleine und mittlere Unternehmen], aufwendig und teuer“. Die Folge sei, dass EU-Unternehmen vor einer Kapitalmarktfinanzierung zurückschreckten und sich die Vorteile entgehen ließen, die ein Börsengang mit sich bringe, bspw. „eine breitere Investorenbasis, ein höheres Wachstum und die Entstehung von Arbeitsplätzen“. Die Gesetzesinititative strebt an, die Vorschriften über die Börsenzulassung und die Zulassungsfolgepflichten zu vereinfachen, um die öffentlichen Kapitalmärkte für EU-Unternehmen attraktiver zu machen und KMU den Kapitalzugang zu erleichtern162. Dazu sind (in Art. 1 des Verordnungsvorschlags) nicht nur Änderungen der EU-Prospektverordnung zur Erleichterung der Prospekterstellung vorgesehen, sondern (in Art. 2 des Verordnungsvorschlags) auch solche der Marktmissbrauchsverordnung, insbesondere im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Insiderhandelsrechts nach Art. 7–11, 14 VO Nr. 596/2014 bestimmenden Insiderbegriff nach Art. 7 VO Nr. 596/2014, die Marktsondierung nach Art. 11 VO Nr. 596/2014 als Sonderregelung zum Offenlegungsverbot nach Art. 10 VO Nr. 596/2014, die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014, die Führung von Insiderlisten nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 und die Meldung der Eigengeschäfte von Führungskräften nach Art. 19 VO Nr. 596/2014. Auf die zu erwartenden Änderungen der VO Nr. 596/2014 wird im Zusammenhang mit den betroffenen Vorschriften derselben hingewiesen. Ergänzend zum „Listing Act“ sieht die Bundesregierung mit dem am 29.6.2022 in seinen Eckpunkten vorgestellten sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz Maßnahmen zur Modernisierung des Kapitalmarkts und zur Erleichterung des Kapitalmarktzugangs für Unternehmen, insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU, vor163.
159 Antrag der Fraktion der FDP, BT-Drucks. 19/18861 v. 29.4.2020. 160 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, Brussels, 7.12.2022, COM(2022) 762 final, 2022/0411 (COD), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b213de69-770d-11ed9887-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_1&format=PDF. Dieser Vorschlag geht einher mit dem Vorschlag vom 7.12.2022 zur Änderung der MiFID II-Richtlinie (Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2014/65/EU to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises and repealing Directive 2001/34/EC, COM/2022/ 760 final, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52022PC0760) und dem Richtlinienvorschlag vom 7.12.2022 über Mehrstimmrechtsaktien (Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on multiple-vote share structures in companies that seek the admission to trading of their shares on an SME growth market, COM/2022/761 final). 161 Annexes to the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, COM(2022) 762 final, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b213de69-770d-11ed-9887-01aa75ed 71a1.0001.02/DOC_2&format=PDF. 162 Europäische Kommission, Rechtsakt zur Börsennotierung – Attraktivere öffentliche Kapitalmärkte für EU-Unternehmen und leichterer Kapitalzugang für KMU, abrufbar über die Website https://ec.europa.eu/info/law/betterregulation/have-your-say/initiatives/13238-Rechtsakt-zur-Borsennotierung-Attraktivere-offentliche-Kapitalmarktefur-EU-Unternehmen-und-leichterer-Kapitalzugang-fur-KMU_de. 163 BMF, Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz, abrufbar über die Website des BMF https://www.bundes finanzministerium.de unter Eingabe Stichworte „Eckpunkte Zukunftsfinanzierungsgesetz“.
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Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/125/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (MAR) Kapitel 1 Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–6 VO Nr. 596/2014)
Art. 1 VO Nr. 596/2014 Gegenstand Mit dieser Verordnung wird ein gemeinsamer Rechtsrahmen für Insidergeschäfte, die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) sowie für Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch geschaffen, um die Integrität der Finanzmärkte in der Union sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Schrifttum: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 3. Aufl. 2020; Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb (Hrsg.), Prospektrecht. Kommentar, 4. Aufl. 2022; Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020; Giering, Das neue Kapitalmarktmissbrauchsrecht für Emittenten, CCZ 2016, 214; Graßl, Die neue Marktmissbrauchsverordnung der EU, DB 2015, 2066; Kiesewetter/Parmentier, Verschärfung des Marktmissbrauchsrechts – ein Überblick über die neue EU-Verordnung über Insidergeschäfte und Marktmanipulation, BB 2013, 2371; Klöhn, Ad-hoc-Publizität und Insiderverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, AG 2016, 423; Kumpan, Die neuen Regelungen zu Directors' Dealings in der Marktmissbrauchsverordnung, AG 2016, 446; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung CCZ 2014, 249; Meyer, Finanzanalysen in WpHG, MAR und MiFID II, in Klöhn/Mock (Hrsg.), FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 939; Poelzig, Durchsetzung und Sanktionierung des neuen Marktmissbrauchsrechts, NZG 2016, 492; Poelzig, Insider- und Marktmanipulationsverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, NZG 2016, 528; Seibt, Europäische Finanzmarktregulierung zu Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, ZHR 177 (2013), 388; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Veil, Europäisches Insiderrecht 2.0 – Konzeption und Grundsatzfragen der Reform durch MAR und CRIM-MAD, ZBB 2014, 85. S. im Übrigen das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheitlicher Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . .
1 2
2. Regelungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 6
I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift bezeichnet den Regelungsgegenstand und den Regelungszweck der Marktmissbrauchsver- 1 ordnung (Market Abuse Regulation – MAR). Im Hinblick auf den Regelungsgegenstand und damit auch den Anwendungsbereich der Verordnung (zu diesem detailliert Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff.) umreißt sie zugleich, was der Marktmissbrauchsverordnung als Marktmissbrauch gilt: die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation. Sie ist dabei insoweit (in der Sache unschädlich, aber für die unzähligen Mängel der Verordnung symbolisch) unvollständig, als sie gerade den Kern des Marktmissbrauchs – d.h. die Nutzung von Insiderinformationen für Insidergeschäfte sowie die Empfehlung von Insidergeschäften und das Verleiten zu solchen Geschäften – unerwähnt lässt. Als Regelungszweck führt sie die Verhinderung des Marktmissbrauchs an, um die Integrität der Finanzmärkte in der Union sicherzustellen und um den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken.
1. Einheitlicher Rechtsrahmen Die Ausführungen der Vorschrift zum Regelungsgegenstand sind narrativer Art. Wenn davon die Rede ist, 2 mit der Verordnung werde ein gemeinsamer Rechtsrahmen für die im Weiteren angeführten RegelungsAssmann | 23
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Art. 1 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 | Gegenstand bereiche geschaffen, so wird damit der sich aus Art. 288 Abs. 2 AEUV (zuvor Art. 249 Abs. 2 EGV) angesprochen, demzufolge eine Verordnung allgemeine Geltung hat, in sämtlichen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt1. 3 Tatsächlich schafft die Marktmissbrauchsverordnung für die in Art. 1 VO Nr. 596/2014 angeführten Rege-
lungsfelder erstmals einen einheitlichen, d.h. in allen Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Regelungsrahmen. Sie tritt an die Stelle der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)2, die ihrerseits die Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte ersetzte3 und durch Art. 37 Satz 1 VO Nr. 596/2014 mitsamt der zu ihr ergangenen Durchführungsmaßnahmen aufgehoben wird. Beiden Rechtsakten war gemeinsam, dass sie für die Mitgliedstaaten nur „hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich“ waren, die Wahl der Form und der Mittel zur Umsetzung der Richtlinien entsprechend Art. 288 Abs. 3 AEUV aber den Mitgliedstaaten überließ. Ungeachtet des Umstands, dass die MAR auch die von diesen Richtlinien erfassten Regelungsbereiche erweitert und ihre Regelungen an rechtliche, kommerzielle und technologischen Entwicklungen anpasst4, wird neben der Reformbedürftigkeit der Richtlinienregelungen auch die unterschiedliche Umsetzung derselben und deren uneinheitliche Auslegung als Grund für den neuen, in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Regelungsrahmen angeführt5.
2. Regelungsbereiche 4 Als Regelungsgegenstände, für die durch die MAR ein gemeinsamer Rechtsrahmen geschaffen werden soll,
führt die Vorschrift Insidergeschäfte, die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen, Marktmanipulation (Marktmissbrauch6) und Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch an. Dabei handelt es sich um Bereiche, die bislang im WpHG geregelt waren und nunmehr der Ausgestaltung durch den nationalen Gesetzgeber entzogen sind. Mit ihrer zum 3.7.2016 vollzogenen Überführung in die MAR verbindet sich aber auch eine Ausweitung und nahezu durchweg Verschärfung der jeweiligen Regelungen sowie eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der einschlägigen Vorschriften. Erfasst werden auch Emissionszertifikate und anfänglich nicht in die seinerzeitige Regelung durch das WpHG einbezogene Handelssysteme wie bestimmte Formen des Freiverkehrs oder multilaterale Handelssysteme.
5 Die Regelung von Sanktionen für Verstöße gegen die durch die MAR begründeten Verhaltenspflichten liegt
weitgehend außerhalb der Kompetenz der EU. Sie ist deshalb – wie bisher – einer Richtlinie in Gestalt der komplementär zur Verordnung ergangenen Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie)7 überlassen worden, deren Ausgestaltung allerdings eine effektivere Sanktionierung von Marktmanipulationen gewährleisten soll8.
1 Dementsprechend heißt es in Erwägungsgrund 5 VO Nr. 596/2014: „Diese Verordnung wird zur Folge haben, dass in der gesamten Union alle natürlichen und juristischen Personen die gleichen Regeln zu befolgen haben. Eine Verordnung dürfte auch die rechtliche Komplexität und insbesondere für grenzüberschreitend tätige Gesellschaften die Compliance-Kosten reduzieren sowie zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen beitragen.“ 2 ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 3 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 4 S. Erwägungsgrund 3 VO Nr. 596/2014; Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 20.10.2011, KOM(2011) 0651 endgültig – 2011/0295 (COD), http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52011PC0651, S. 3. 5 S. Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 20.10.2011, KOM(2011) 0651 endgültig – 2011/0295 (COD), S. 3 – http://eurlex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52011PC0651 – i.V.m. mit ESME, Report Market abuse EU legal framework and its implementation by Member States: a first evaluation, zusammenfassend zum „lack of harmonisation“ S. 1 f. – http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/esme/mad_070706_en.pdf. S. auch Erwägungsgründe 4 und 5 VO Nr. 596/2014. Kritisch zum Befund einer uneinheitlichen Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie und einer darauf zurückzuführenden Regelungs- und Aufsichtsarbitrage Veil, ZBB 2014, 85, 86. 6 Nach Erwägungsgrund 7 VO Nr. 596/2014 ist Marktmissbrauch der „Oberbegriff für unrechtmäßige Handlungen an den Finanzmärkten und sollte für die Zwecke dieser Verordnung Insidergeschäfte oder die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation umfassen.“ 7 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. 8 KOM/2011/0654 endgültig – 2011/0297 (COD), http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52011 PC0654. Die Mindestharmonisierung strafrechtlicher Vorschriften ist von zahlreichen Mitgliedstaaten heftig kritisiert worden. Der Bundesrat hat eine Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes gerügt; BR-Drucks. 646/11 (Beschluss) (2) v. 16.12.2011. Dazu und zur Subsidiaritätsproblematik ausführlich Beschlussempfehlung und Bericht
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Gegenstand | Rz. 9 Art. 1 VO Nr. 596/2014
II. Regelungszweck Keineswegs nur narrativ ist die Vorschrift, wenn sie bestimmt, der gemeinsame Rechtsrahmen für die von 6 der MAR erfassten Regelungsbereiche werde geschaffen, „um die Integrität der Finanzmärkte in der Union sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken“. Auch wenn es sich dabei nur um eine grobe9 Beschreibung des Zwecks der Vorschiften der MAR handelt, der noch auf die einzelnen Vorschriften in den verschiedenen Regelungsbereichen der MAR herunterzubrechen ist, ist dieser doch – konkretisiert durch Umschreibungen in den Erwägungsgründen der Verordnung und in der Begründung des Verordnungsvorschlags (dazu Rz. 7) – von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Auslegung der Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung. Schon bei der Auslegung der Vorschriften der der MAR vorausgegangenen Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 3) hat der EuGH, dem die oberste Deutungshoheit zu den Bestimmungen der MAR zukommt, der Auslegung nach dem Grundsatz des „effet utile“ eine alle andere Auslegungsmethoden verdrängende Priorität eingeräumt (s. Einl. Rz. 30). Nach diesem – aus dem Völkerrecht übernommenen – Grundsatz ist eine Norm so auszulegen, dass ihr Ziel am besten und einfachsten erreicht werden kann. Näher hierzu Einl. Rz. 30 und Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29. Die Beschreibung des Zwecks der Marktmissbrauchsverordnung und ihrer Vorschriften in Art. 1 VO Nr. 596/ 7 2014 lässt sich unter Heranziehung der Erwägungsgründe der Verordnung und in der Begründung des Verordnungsvorschlags10 konkretisieren. Zum Regelungszweck „Sicherung der Integrität der Finanzmärkte“ heißt es in Erwägungsgrund 1 VO Nr. 596/2014, die Schaffung eines „echte[n] Binnenmarkt[s] für Finanzdienstleistungen“ sei Voraussetzung für „das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Union“. Voraussetzung eines integrierten, effizienten und transparenten Finanzbinnenmarkts wiederum sei „Marktintegrität“, d.h. das „reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte“. Die Verbindung von Marktintegrität und Vertrauen als Voraussetzung für das Funktionieren der Finanzmärkte bringt Erwägungsgrund 2 VO Nr. 596/2014 auf den Punkt: „Marktmissbrauch verletzt die Integrität der Finanzmärkte und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wertpapiere und Derivate“. Der Konkretisierung des Zwecks der MAR weiterhin dienlich sind die Ausführungen zum Verordnungsvor- 8 schlag11, mit denen die Ablösung einer Regelung des Marktmissbrauchs durch Rechtsharmonisierung mittels Richtlinie durch eine unmittelbar anwendbare Verordnung begründet wird. Sie gibt den Wechsel und die mit diesem einhergehende Ausweitung und Verschärfung der Marktmissbrauchsvorschriften als Reaktion auf die „derzeitige“ Wirtschafts- und Finanzkrise zu erkennen, die 2007 als sog. Subprimekrise ihren Anfang nahm und deren Wirkfaktoren und Erscheinungsformen seitdem mehrfach gewechselt haben: „Die derzeitige weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise“, so heißt es dort, „hat die Bedeutung der Marktintegrität deutlich gemacht. In diesem Zusammenhang hat sich die Gruppe der Zwanzig (G20) auf eine Verschärfung der Finanzaufsicht und Regulierung sowie den Aufbau eines Rahmens international vereinbarter hoher Standards verständigt“. Vor diesem Hintergrund und einer Reihe weiterer Probleme bei der Anwendung der bisherigen Marktmissbrauchsrichtlinie, die sich nachteilig auf die Marktintegrität und den Anlegerschutz auswirkten, bezwecke der Verordnungsvorschlag zum einen „eine Verbesserung der Marktintegrität und des Anlegerschutzes“; zum andere solle mit dem Vorschlag „ein einheitlicher Satz von Regeln und gleiche Rahmenbedingungen für alle Akteure gewährleistet und die Attraktivität der Wertpapiermärkte für die Kapitalbeschaffung gesteigert werden“.
Ein für die Normauslegung bedeutungsloses, aber für die Überarbeitung und Fortentwicklung des europäi- 9 schen Finanzmarktrechts bedeutsames Ziel, zu dessen Verwirklichung die MAR beitragen soll, ist dasjenige der Schaffung einer „Europäischen Kapitalmarktunion“ und eines in den Mitgliedstaaten unmittelbar verbindlichen zentralen Regelwerks („Single Rulebook“) zu deren Regulierung12.
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des Rechtsausschusses zum Vorschlag einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, BT-Drucks. 17/9770 v. 23.5.2012, 1, 3 ff. Nach Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 272, auch „unvollständig(e) und jedenfalls missverständlich eng(e)“. Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 20.10.2011, KOM(2011)0651 endgültig – 2011/0295 (COD), http://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52011PC0651. Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 20.10.2011, KOM(2011) 0651 endgültig – 2011/0295 (COD), http://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52011PC0651; alle nachfolgenden Zitate S. 3 des Vorschlags. Dazu etwa Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 390 f.; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593. Das Konzept eines Single Rulebook ist 2009 im Zusammenhang mit der Harmonisierung der europäischen Bankenregulierung entstanden (s. Assmann/ Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, § 1 Rz. 67 ff.), umfasst – im Interesse der Vermeidung von Regelungswettbewerb und Aufsichtsarbitrage – aber alle Bereiche der Finanzmarktregulierung und des Anlegerschutzes und
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Art. 1 VO Nr. 596/2014 Rz. 10 | Gegenstand 10 Zu einer der zentralen Fragen der Anwendung der Marktmissbrauchsverordnung – der Frage des Verhält-
nisses der beiden Regelungszwecke der Verordnung in Gestalt der Verhinderung des Marktmissbrauchs zur Sicherung der Finanzmärkte in der Union (Markt- und Funktionenschutz) einerseits und der Stärkung des Vertrauens der Anleger in diese Märkte (Anlegerschutz i.S.d. Schutzes der Integritätsinteressen der Anleger) andererseits – finden sich in der Bestimmung keine Hinweise13. Das ist wenig verwunderlich und gut nachvollziehbar, lässt sich diese Frage in einer Bestimmung, die der Marktmissbrauchsverordnung wie eine Präambel vorangestellt ist, in dieser Abstraktheit doch nur schwerlich brauchbar beantworten.
Art. 2 VO Nr. 596/2014 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für a) Finanzinstrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt gestellt wurde; b) Finanzinstrumente, die in einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden, zum Handel in einem multilateralen Handelssystem zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel in einem multilateralen Handelssystem gestellt wurde; c) Finanzinstrumente, die in einem organisierten Handelssystem gehandelt werden; d) Finanzinstrumente, die nicht unter die Buchstaben a, b oder c fallen, deren Kurs oder Wert jedoch von dem Kurs oder Wert eines unter diesen Buchstaben genannten Finanzinstruments abhängt oder sich darauf auswirkt; sie umfassen Kreditausfall-Swaps oder Differenzkontrakte, sind jedoch nicht darauf beschränkt. Diese Verordnung gilt außerdem für Handlungen und Geschäfte, darunter Gebote, bezüglich Versteigerungen von Treibhausgasemissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten auf einer als geregelten Markt zugelassenen Versteigerungsplattform gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/ 2010, selbst wenn die versteigerten Produkte keine Finanzinstrumente sind. Sämtliche Vorschriften und Verbote dieser Verordnung in Bezug auf Handelsaufträge gelten unbeschadet etwaiger besonderer Bestimmungen zu den im Rahmen einer Versteigerung abgegebenen Geboten für diese Gebote. (2) Die Artikel 12 und 15 gelten auch für a) Waren-Spot-Kontrakte, die keine Energiegroßhandelsprodukte sind, bei denen die Transaktion, der Auftrag oder die Handlung eine Auswirkung auf den Kurs oder den Wert eines Finanzinstruments gemäß Absatz 1 hat, oder eine solche Auswirkung wahrscheinlich oder beabsichtigt ist; b) Arten von Finanzinstrumenten, darunter Derivatekontrakte und derivative Finanzinstrumente für die Übertragung von Kreditrisiken, bei denen das Geschäft, der Auftrag, das Gebot oder das Verhalten eine Auswirkung auf den Kurs oder Wert eines Waren-Spot-Kontrakts hat oder voraussichtlich haben wird, dessen Kurs oder Wert vom Kurs oder Wert dieser Finanzinstrumente abhängen, und c) Handlungen in Bezug auf Referenzwerte. (3) Diese Verordnung gilt für alle Geschäfte, Aufträge und Handlungen, die eines der in den Absätzen 1 und 2 genannten Finanzinstrumente betreffen, unabhängig davon, ob ein solches Geschäft, ein solcher Auftrag oder eine solche Handlung auf einem Handelsplatz getätigt wurden. (4) Die Verbote und Anforderungen dieser Verordnung gelten für Handlungen und Unterlassungen in der Union und in Drittländern in Bezug auf die in den Absätzen 1 und 2 genannten Instrumente. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320).
beschränkt sich nicht mehr auf die Setzung technischer Standards. Entsprechend heißt es im „2015 Work Programme“ der ESMA v. 30.9.2014, ESMA/2014/1200, https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/20141200_-_esma_2015_work_programme.pdf, S. 17: „In 2015 ESMA's single rulebook work will be focused, amongst others, on the revision of the Markets in Financial Instruments (MiFID) and Market Abuse Directives (MAD), legislation related to European investment funds and to transparency and prospectus, and the implementation of the CRA III legislation.“ Zum aktuellen Arbeitsprogramm „Completing a single rulebook for EU financial markets“ s. „2017 Work Programme“ v. 30.9.2016 – ESMA/2016/1419, https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ esma-2016-1419_-_esma_2017_work_programme.pdf. 13 Kritisch Klöhn in Klöhn, Art. 1 MAR Rz. 6 ff.
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Anwendungsbereich | Rz. 3 Art. 2 VO Nr. 596/2014 Schrifttum: BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), abrufbar unter https://www. bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/FAQ/dl_faq_mar_art_17_Ad-hoc.html. S. im Übrigen das zu Art. 1 VO Nr. 596/ 2014 angegebene Schrifttum und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geschäfte, Aufträge und Handlungen betreffend Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschäfte, Aufträge und Handlungen betreffend Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 3 und 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Uneingeschränkte Anwendung der Marktmissbrauchsverordnung betreffend Finanzinstrumente nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 . . . a) In multilateralen Systemen gehandelte Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzinstrumente geregelter Märkte (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) . . c) Finanzinstrumente multilateraler Handelssysteme (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Finanzinstrumente organisierter Handelssysteme (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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e) Nicht in einem multilateralen Handelssystem gehandelte Finanzinstrumente des Art. 2 Abs. 1 (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . f) Emissionszertifikate (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung der Marktmanipulationsvorschriften auf nicht von Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 VO Nr. 596/2014 erfasste Fälle . . . . . . . . . . . . . . . a) Waren-Spot-Kontrakte (Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arten von Finanzinstrumenten mit Auswirkungen auf Waren-Spot-Kontrakte (Art. 2 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014) . . . . . c) Handlungen in Bezug auf Referenzwerte (Art. 2 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . 4. Geschäfte, Aufträge und Handlungen (Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . 5. Extraterritoriale Geltung der Verbote und Anforderungen der Marktmissbrauchsverordnung (Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) .
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I. Regelungsgegenstand Die Vorschrift bestimmt den Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Diese gilt 1 nach den Art. 2 Abs. 3 und 4 VO Nr. 596/2014 „für alle Geschäfte, Aufträge und Handlungen, die eines der in den Art. 2 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 genannten Finanzinstrumente betreffen, unabhängig davon, ob ein solches Geschäft, ein solcher Auftrag oder eine solche Handlung auf einem Handelsplatz getätigt wurden“ und in welchem Land eine diesbezügliche Handlung oder ein diesbezügliches Unterlassen vorgenommen wurde (näher Rz. 5). Der maßgeblich durch die erfassten Finanzinstrumente und Handelsplätze umrissene Anwendungsbereich ist in 2 zweierlei Hinsicht umfangreicher als derjenige der von der MAR abgelösten Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/ 6/EG1. Zum einen wird der Kreis der Finanzinstrumente erweitert, die Gegenstand eines marktmissbräuchlichen Verhaltens sein können. So erfasst die Marktmissbrauchsverordnung nunmehr auch Treibhausgasemissionszertifikate und andere auf diesen beruhende Auktionsobjekte (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014) sowie – obschon beschränkt auf die Anwendung der Bestimmungen in Art. 12 und 15 VO Nr. 596/2014 über Marktmanipulation – gewisse Waren-Spot-Kontrakte, bestimmte Arten von Finanzinstrumenten mit Auswirkungen auf Waren-Spot-Kontrakte und Handlungen in Bezug auf Referenzwerte, die für den Preis von Finanzinstrumenten oder Waren-Spot-Kontrakte von Bedeutung sind (Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 596/2014). Zum anderen werden die Handelsplätze, auf denen solche Instrumente gehandelt werden und die vor marktmissbräuchlichem Verhalten geschützt werden sollen, erweitert. Das gilt namentlich für die Märkte für Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014), zu denen nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b bzw. c VO Nr. 596/2014 auch multilaterale Handelssysteme (MTF) bzw. organisierte Handelssysteme (OTF) i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 bzw. Nr. 8 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 bzw. Nr. 23 RL 2014/65/EU2 gehören.
Die Ausweitung des Geltungsbereichs der Marktmissbrauchsverordnung gegenüber demjenigen der durch 3 die Verordnung aufgehobenen Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG (Rz. 2) beruht auf der Erwägung, dass sich Letztere auf Finanzinstrumente konzentrierte, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen waren oder für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt worden war, was sich „in den letzten Jahren“ als zu eng erwiesen habe: Zum einen seien Finanzinstrumente zunehmend 1 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 2 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (Neufassung), ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349 (sog. MiFID II).
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Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Anwendungsbereich auf multilateralen Handelssystemen gehandelt worden und zum anderen gebe es weitere Finanzinstrumente, die ausschließlich auf anderen Arten von organisierten Handelssystemen oder nur außerbörslich gehandelt würden. Deshalb schließe der Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsverordnung alle auf einem geregelten Markt, einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelten Finanzinstrumente ebenso ein wie jede andere Handlung oder Maßnahme, die sich auf ein solches Finanzinstrument auswirken kann, aus, gleich ob sie auf einem Handelsplatz durchgeführt werde oder nicht (Erwägungsgrund 8 Satz 4 VO Nr. 596/2014). 4 Art. 2 Abs. 1 lit. a bzw. lit. d VO Nr. 596/2014 bauen auf Art. 9 Abs. 1 bzw. Abs. 2 RL 2003/6/EG vom
28.1.2003 (Rz. 2) auf und Art. 2 Abs. 3 bzw. Abs. 4 VO Nr. 596/2014 entsprechen Art. 9 Abs. 1 bzw. Art. 10 lit. a RL 2003/6/EG3.
II. Geschäfte, Aufträge und Handlungen betreffend Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 VO Nr. 596/2014) 1. Geschäfte, Aufträge und Handlungen betreffend Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 3 und 4 VO Nr. 596/2014) 5 Die Marktmissbrauchsverordnung gilt nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 „für alle Geschäfte, Aufträge
und Handlungen, die eines der in den Absätzen 1 und 2 genannten Finanzinstrumente betreffen, unabhängig davon, ob ein solches Geschäft, ein solcher Auftrag oder eine solche Handlung auf einem Handelsplatz getätigt wurden“. Zwar erfasst Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nur auf bestimmten Märkten gehandelte Finanzinstrumente, doch ist es nach dieser Vorschrift nicht erforderlich, dass die fraglichen Geschäfte, Aufträge und Handlungen in Bezug auf diese Instrumente auf den jeweiligen Märkten vorgenommen wurden, solange sie nur die Finanzinstrumente betreffen und sich damit auf diese auswirken können (vgl. Erwägungsgrund 8 Satz 4 VO Nr. 596/2014).
6 Weiterhin findet nach dem die extraterritoriale Anwendung der Marktmissbrauchsverordnung anord-
nenden Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 die Verordnung auch auf solche Handlungen und Unterlassungen in Bezug auf die in Art. 2 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 genannten Instrumente Anwendung, die sich außerhalb Deutschlands in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Drittländern ereignet haben.
2. Uneingeschränkte Anwendung der Marktmissbrauchsverordnung betreffend Finanzinstrumente nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 a) In multilateralen Systemen gehandelte Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) 7 Die Marktmissbrauchsverordnung gilt nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a bis d VO Nr. 596/2014 für Finanz-
instrumente (Rz. 8), die in den in der Vorschrift genannten multilateralen Systemen gehandelt werden (Rz. 9).
8 Finanzinstrumente i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO
Nr. 596/2014 die in Art. 4 Abs. 1 RL 2014/65/EU (Rz. 2) i.V.m. deren Anhang I Abschnitt C angeführten Instrumente, nämlich: „(1) Übertragbare Wertpapiere; (2) Geldmarktinstrumente; (3) Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen; (4) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge, Emissionszertifikate oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen, die effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können; (5) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt; (6) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt, über ein MTF oder
3 S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003.
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Anwendungsbereich | Rz. 12 Art. 2 VO Nr. 596/2014
über ein OTF gehandelt; ausgenommen davon sind über ein OTF gehandelte Energiegroßhandelsprodukte, die effektiv geliefert werden müssen; (7) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, die sonst nicht in Nummer 6 dieses Abschnitts genannt sind und nicht kommerziellen Zwecken dienen, die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen; (8) Derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken; (9) Finanzielle Differenzgeschäfte; (10) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Inflationsraten oder andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt, sowie alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht im vorliegenden Abschnitt C genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt, einem OTF oder einem MTF gehandelt werden; (11) Emissionszertifikate, die aus Anteilen bestehen, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandelssystem) anerkannt ist.“ Zu Einzelheiten zu den vorstehend aufgeführten Finanzinstrumenten s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 ff. Für diese Finanzinstrumente gilt die Marktmissbrauchsverordnung nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 9 Nr. 596/2014 allerdings nur, wenn sie in multilateralen Systemen i.S.v. Art. 4 Nr. 19 RL 2014/65/EU (Rz. 2) – das sind Systeme oder Mechanismen, die die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems zusammenführen – gehandelt werden oder die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 erfüllen. Bei den in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 erfassten multilateralen Systeme handelt es sich um deren Ausprägungen in Gestalt geregelter Märkte (Art. 2 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014; Rz. 10 f.), multilateraler Handelssysteme (MTF; Art. 2 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014; Rz. 12 f.) und – als wesentliche Neuerung u.a. dieser Richtlinie – organisierter Handelssysteme (OTF; Art. 2 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014; Rz. 14). Dabei folgt die Untergliederung der multilateralen Systeme Unterschieden der jeweiligen Untersysteme in Bezug auf den Handel mit Finanzinstrumenten und die Marktstruktur. b) Finanzinstrumente geregelter Märkte (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) Finanzinstrumente geregelter Märkte sind nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zunächst alle 10 Finanzinstrumente, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind oder – im Hinblick auf den sog. Handel per Erscheinen – für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt gestellt wurde. Ein geregelter Markt i.S. dieser Bestimmung ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU (Rz. 2) ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie nach Art. 44 RL 2014/65/EU (Rz. 2) eine Zulassung durch einen Mitgliedstaat der EU erhalten hat und im Übrigen ordnungsgemäß und gemäß den Vorschriften des Titel III (Art. 44–56) der RL 2014/65/EU (Rz. 2) funktioniert.
In Deutschland ist der einzige diesen Anforderungen genügende Markt der regulierte Markt der Börsen 11 i.S. von § 32 BörsG, der zugleich ein organisierter Markt i.S.d. WpHG (§ 2 Abs. 11 WpHG) und unterschiedliche Marktsegmente aufweisen kann4. Der Freiverkehr ist kein geregelter Markt, erfüllt aber die Voraussetzungen eines multilateralen Handelssystems (Rz. 13). c) Finanzinstrumente multilateraler Handelssysteme (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014) Weiter gilt die Marktmissbrauchsverordnung nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 für Fi- 12 nanzinstrumente, die in einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden, zum Handel in einem multilateralen Handelssystem zugelassen sind oder – wiederum im Hinblick auf den sog. Handel per Erscheinen 4 Eine Liste deutscher Börsen mit Reguliertem Markt und der in anderen Ländern zugelassenen Regulierten Märkte findet sich auf der Website der ESMA unter https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_ registers_mifid_rma bei Wahl des Registers „Regulated Markets“ unter der Rubrik „Basic information – Register“.
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Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 | Anwendungsbereich – für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel in einem multilateralen Handelssystem gestellt wurde. Ein multilaterales Handelssystem (MTF – Multilateral Trading Facility) ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 RL 2014/65/EU (Rz. 2) ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes, nach Art. 5 RL 2014/65/EU zulassungsbedürftiges multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II (Art. 5–43, darunter vor allem Art. 18) der RL 2014/65/EU (Rz. 2) führt. 13 In Deutschland sind multilaterale Handelssysteme i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014
ganz überwiegend die an deutschen Börsen eingerichteten Freiverkehrssegmente5 sowie die Handelssysteme Eurex Bonds und Eurex Repo6. Da im Freiverkehr auch Finanzinstrumente gehandelt werden, die nicht auf Antrag des Emittenten zum Handel zugelassen wurden, stellt sich die Frage, ob dies zu einer Einschränkung der Anwendung der Marktmissbrauchsverordnung in Bezug auf Emittenten führt, die weder einen Antrag auf Zulassung zum Handel in einem multilateralen Handelssystem gestellt noch an einem solchen mitgewirkt haben. Das lässt sich nicht generell verneinen, doch löst sich das Problem, dass Emittenten auf diese Weise Verpflichtungen unterliegen könnten, deren Entstehen sie nicht durch eigenes Tun in Gestalt eines Zulassungsantrags veranlasst haben, auf der Ebene der einzelnen Normen der Marktmissbrauchsverordnung und der von ihr statuierten Verhaltenspflichten. Das gilt namentlich für die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (sog. Ad-hoc-Publizität) nach Art. 17 VO Nr. 596/2014. Eine solche Pflicht schied unter der aufgehobenen Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG (Rz. 2) und des auf diesem beruhenden § 15 Abs. 1 Satz WpHG a.F. schon deshalb aus, weil letztere Vorschrift sich nur an Emittenten wandte, deren Finanzinstrumente an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 11 WpHG zugelassen waren, was bei Freiverkehr nicht der Fall war7. Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, der sich ebenfalls an „Emittenten“ wendet, kennt eine solche Einschränkung nicht, weil nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 als Emittent jede juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts gilt, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt. Jedoch bestimmt Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014, dass Art. 17 im Hinblick auf Finanzinstrumente, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, nur für solche Emittenten gilt, „die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben“, d.h. einen Zulassungsantrag gestellt haben oder an einem solchen aktiv beteiligt waren. Für den Freiverkehr bedeutet dies, dass der Emittent die Einbeziehung der Finanzinstrumente in den Freiverkehr beantragt haben muss (was nach § 16 AGB FWB für die Einbeziehung in das Marktsegment Scale unter gleichzeitiger Einbeziehung in das Basic Board möglich ist) oder die von ihm emittierten Finanzinstrumente mit seiner Zustimmung in den Handel einbezogen wurden8. d) Finanzinstrumente organisierter Handelssysteme (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014)
14 Nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 gilt die Marktmissbrauchsverordnung darüber hinaus
für Finanzinstrumente, die in einem organisierten Handelssystem gehandelt werden. Ein organisiertes Handelssystem (OTF – Organised Trading Facility) ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 RL 2014/65/EU (Rz. 2) ein nach Art. 5 RL 2014/65/EU zulassungsbedürftiges multilaterales System, bei dem es sich nicht um einen geregelten Markt oder ein MTF handelt und das die Interessen einer 5 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 94; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 9. 6 Eine Liste von multilateralen Handelssystemen in Deutschland und in anderen Ländern findet sich auf der Website der ESMA unter https://registers.esma.europa.eu/publication/searchRegister?core=esma_registers_mifid_rma bei Wahl des Registers „Multilateral Trading Facilities“ unter der Rubrik „Basic information – Register“. 7 Zur Nichtanwendbarkeit des § 15 Abs. 1 Unterabs. 1 WpHG a.F. auf Emittenten von Wertpapieren, die im Freiverkehr gehandelt werden, Assmann in 6. Aufl., § 2 WpHG Rz. 7 und § 15 WpHG Rz. 43 m.w.N. 8 Erwägungsgrund 49 Satz 5 VO Nr. 596/2014: „Der Emittent ist nur verpflichtet, Insiderinformationen offenzulegen, wenn er die Zulassung des Finanzinstruments zum Handel beantragt oder genehmigt hat“. Sich hierauf berufend auch BaFin, Art. 17 MAR (FAQs), S. 2 (II.1.): „Neben den bereits verpflichteten Emittenten am organisierten (=regulierten=geregelten) Markt sind zunächst lediglich Emittenten am MTF (s. insoweit Art. 39 Abs. 4 MAR) veröffentlichungspflichtig, sofern ihre Finanzinstrumente mit ihrer Zustimmung zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen sind. Die Zustimmung zum Handel bzw. die Genehmigung (s. Erwägungsgrund 49, letzter Satz der MAR sowie Corrigendum zur MAR) beinhaltet dabei mehr als ein bloßes zur Kenntnisnehmen. Der Emittent muss wissentlich und willentlich dem Handel zugestimmt haben. Dabei ist aber unerheblich, ob er den aktuellen Folgepflichten der MAR auch zustimmen wollte oder will.“ Ebenso Graßl, DB 2015, 2066, 2067; Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2375; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 2 MAR Rz. 22; Krauße, CCZ 2014, 248, 250; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 596.
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Anwendungsbereich | Rz. 16 Art. 2 VO Nr. 596/2014
Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt. Organisierte Handelssysteme definieren sich im Wesentlichen über die in solchen Systemen gehandelten, vorstehend aufgeführten Finanzinstrumente. Weil unter diesen Aktien nicht genannt sind, ist der Aktienhandel in einem OTF ausgeschlossen9. Die aufgeführten Finanzinstrumente unterliegen keinem Zulassungsverfahren, weshalb es hier keiner besonderen Regelung bedarf, welche den Antrag auf Zulassung der Finanzinstrumente ausreichen lässt, um die Anwendbarkeit der Marktmissbrauchsverordnung zu begründen. Darüber hinaus kennen organisierte Handelssysteme keine Handelsteilnehmer, sondern nur Kunden, deren Aufträge im OTF ausgeführt werden (Art. 20 Abs. 1 RL 2014/65/EU). Schließlich unterliegen OTF keinen nichtdiskretionären Zusammenführungsregeln (Art. 20 Abs. 6, Art. 27 RL 2014/65/EU). e) Nicht in einem multilateralen Handelssystem gehandelte Finanzinstrumente des Art. 2 Abs. 1 (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014) Auch mit Finanzinstrumenten i.S. von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 8), die 15 nicht – wie diejenigen nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 – an einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden, kann Marktmissbrauch betrieben werden. Die Marktmissbrauchsverordnung ist auf solche Finanzinstrumente und auf diese bezogenen Handlungen aber nur dann anwendbar, wenn deren Kurs oder Wert entweder von dem Kurs oder Wert eines der von Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 erfassten Finanzinstrumente abhängt oder sich auf diese auswirkt. Als Beispiele für solche Finanzinstrumente nennt Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d Halbs. 2 VO Nr. 596/2014 KreditausfallSwaps (Credit Default Swaps – CDS, etwa zur Absicherung gegen einen Ausfall des Schuldners von Schuldverschreibungen, die in einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden) und Differenzkontrakte (Contracts for Difference – CFD, d.h. über einer CFD-Broker abgeschlossene Kontrakte, mit denen auf steigende oder sinkende Kurse eines Basiswerts gewettet wird, den keine der Parteien hält). Erfasst sind aber auch Aktienoptionsprogramme10 und sog. Clickoptions, d.h. bei verschiedenen Anbietern außerbörslich – über das Internet – vereinbarte standardisierte Derivateverträge auf Insiderpapiere11. Gemäß einer noch unter anderer Rechtslage gebildeten h.M. sollten dagegen rein virtuelle Aktienoptionsprogramme, Wertsteigerungsrechte, Stock Appreciation Rights und Phantom Stocks nicht zu den Finanzinstrumenten gehören12 und damit nicht der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) unterliegen, was zumindest hinsichtlich der Stock Appreciation Rights bezweifelt wurde13. Der früheren h.M. kann nicht mehr gefolgt werden14, nachdem in Anhang I Abschnitt C Abs. 4 der MIFID II „Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge, Emissionszertifikate oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen“ auch dann Finanzinstrumente darstellen, wenn sie nicht „effektiv geliefert“, aber „bar abgerechnet werden können“15 (s. auch Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2) und die ESMA eine entsprechende Stellungnahme der ESMA zu Stock Options als Finanzinstrumente abgegeben hat16. Als weitere Beispiele für marktmissbräuchliches Verhalten in Bezug auf Finanzinstrumente, die nicht auf 16 einem Handelsplatz gehandelt werden, führt Erwägungsgrund 10 VO Nr. 596/2014 an: „Informationen in Bezug auf eine Aktie oder Schuldverschreibung, mit denen ein Derivat dieser Aktie oder Schuldverschreibung gekauft werden kann, oder ein Index, dessen Wert von dieser Aktie oder Schuldverschreibung abhängt.“ Weiter heißt es dort: „Wenn ein Finanzinstrument als Referenzkurs genutzt wird, kann mit einem außerbörslich gehandelten Derivat von manipulierten Kursen profitiert werden oder der Kurs eines Finanz9 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 95; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 2 MAR Rz. 23. 10 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 32; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, § 8 Rz. 42. 11 Assmann in 6. Aufl., § 12 WpHG Rz. 15; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 32; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 27; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 2 MAR Rz. 25. 12 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 32. Dieser folgend, jeweils m.w.N., etwa Assmann in 6. Aufl., § 12 WpHG Rz. 16 Fn. 6; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 28. 13 S. dazu Assmann in 6. Aufl., § 12 WpHG Rz. 16; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 22. 14 Ebenso, jeweils m.w.N., Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 2 MAR Rz. 26; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 11. 15 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU – Neufassung (MiFID II), ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349, 482. 16 ESMA, Final Report – technical advice on possible delegated acts concerning the. Market Abuse Regulation, 3.2.2015, /2015/224, S. 48 f. (Rz. 133 ff.).
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Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 16 | Anwendungsbereich instruments, das auf einem Handelsplatz gehandelt wird, manipuliert werden.“ Schließlich wird als Beispiel ist die geplante Ausgabe eines neuen Pakets von Wertpapieren angeführt, „die an sich nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, wobei jedoch der Handel mit diesen Wertpapieren den Kurs oder Wert bestehender notierter Wertpapiere beeinflussen könnte, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen.“ f) Emissionszertifikate (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) 17 Die Marktmissbrauchsverordnung gilt nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 auch für
Handlungen und Geschäfte, darunter Gebote (Rz. 18), bezüglich Versteigerungen von Treibhausgasemissionszertifikaten und anderen auf solchen Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten auf einer als geregelter Markt zugelassenen Versteigerungsplattform gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/201017, selbst wenn die versteigerten Produkte keine Finanzinstrumente sind. Emissionszertifikate und deren Derivate werden damit als Finanzinstrumente behandelt, die der Marktmissbrauchsverordnung unterliegen. Die Bedeutung dieser Ausweitung des Anwendungsbereichs der Marktmissbrauchsverordnung liegt vor allem im Bereich der Nutzung von Insiderinformationen im Handel mit Emissionszertifikaten und Derivaten derselben.
18 Darüber bestimmt Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014, dass sämtliche Vorschriften und Ver-
bote der Marktmissbrauchsverordnung in Bezug auf Handelsaufträge, unbeschadet etwaiger besonderer Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1031/201 zu den im Rahmen einer Versteigerung abgegebenen Geboten, auch für Gebote gelten. Das ist etwa für die Anwendung von Art. 9 Abs. 6, Art. 12 Abs. 1 lit. a und b sowie Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 VO Nr. 596/2014 von Belang, die „Handelsaufträge“ zum Gegenstand haben.
3. Anwendung der Marktmanipulationsvorschriften auf nicht von Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 VO Nr. 596/2014 erfasste Fälle 19 Bestimmte Waren-Spot-Kontrakte, Arten von Finanzinstrumenten mit Auswirkungen auf Waren-Spot-Kon-
trakte und Handlungen in Bezug auf Referenzwerte, die nicht bereits kraft der Bestimmungen in Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 VO Nr. 596/2014 unterfallen, unterliegen kraft der Regelung in Art. 2 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 zumindest den Bestimmungen der Art. 12 und 15 VO Nr. 596/2014 über Marktmanipulation. a) Waren-Spot-Kontrakte (Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014)
20 „Waren-Spot-Kontrakt“ sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014 Kontrakte über die Lieferung einer
an einem Spotmarkt gehandelten Ware, die bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert wird, sowie Kontrakte über die Lieferung einer Ware, die kein Finanzinstrument ist, einschließlich physisch abzuwickelnde Terminkontrakte. Waren-Spot-Kontrakte sind damit keine Finanzinstrumente i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 2) und fallen mithin nicht unter Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014 und die MAR. Aufgrund ausdrücklicher Regelung in Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 sind die Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung über die Marktmanipulation in Art. 12 und 15 VO Nr. 596/ 2014 aber auf solche Waren-Spot-Kontrakte anwendbar, die keine Energiegroßhandelsprodukte (i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 VO Nr. 596/2014, s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 ff.) sind und bei denen die Transaktion, der Auftrag oder die Handlung eine Auswirkung auf den Kurs oder den Wert eines der in Abs. 1 aufgeführten Finanzinstrumente hat oder eine solche Auswirkung wahrscheinlich oder beabsichtigt ist. Ein Energiegroßhandelsprodukt ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 VO Nr. 596/2014 ein Energiegroßhandelsprodukt i.S.v. Art. 2 Nr. 4 VO Nr. 1227/2011 (s. dazu näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 ff.). 17 Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission vom 12.12.2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. EU Nr. L 302 v. 18.11.2010, S. 1. Zur Anwendung dieser Verordnung im Marktmissbrauchsrecht führt Erwägungsgrund 37 VO Nr. 596/2014 aus: „Die Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 sieht für die Versteigerung von Emissionszertifikaten zwei parallele Regelungen in Bezug auf Marktmissbrauch vor. Da Emissionszertifikate als Finanzinstrumente eingestuft werden, sollte diese Verordnung allerdings ein einheitliches, für den gesamten Primär- und Sekundärmarkt für Emissionszertifikate gültiges Regelwerk in Bezug auf Marktmissbrauch darstellen. Die Verordnung sollte auch für Handlungen oder Geschäfte, darunter Gebote, bezüglich der Versteigerung von Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten auf einem als Auktionsplattform zugelassenen geregelten Marktgemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 gelten, selbst, wenn die versteigerten Produkte keine Finanzinstrumente sind.“ Definition ist „weit gefasst, um etwaige Abgrenzungsfragen (liegt ein Finanzinstrument vor?) und Schutzlücken zu vermeiden“, Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 13.
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Anwendungsbereich | Rz. 25 Art. 2 VO Nr. 596/2014
b) Arten von Finanzinstrumenten mit Auswirkungen auf Waren-Spot-Kontrakte (Art. 2 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014) Entsprechend erklärt Art. 2 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 die Art. 12 und 15 VO Nr. 596/2014 auch auf 21 bestimmte Arten von Finanzinstrumente für anwendbar, von deren Kurs oder Wert der Kurs oder Wert ein Waren-Spot-Kontrakten abhängt, vorausgesetzt das Geschäft, der Auftrag, das Gebot oder das Verhalten in Bezug auf die fragliche Art von Finanzgeschäft hat eine Auswirkung auf den Kurs oder Wert des WarenSpot-Kontrakts oder wird voraussichtlich eine solche haben. Erfasst sind auch hier – wie in Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 – nur Waren-Spot-Kontrakte, die keine Energiegroßhandelsprodukte sind. Als Beispiele für solche Arten von Finanzinstrumenten führt Art. 2 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 Derivatekontrakte und derivative Finanzinstrumente für die Übertragung von Kreditrisiken an. c) Handlungen in Bezug auf Referenzwerte (Art. 2 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) Der Preis vieler Finanzinstrumente und Kontrakte, die der Marktmissbrauchsverordnung unterfallen, wird 22 durch „Bezugnahme auf Referenzwerte“ festgesetzt. Referenzwert ist nach Art. 3 Nr. 29 VO Nr. 596/2014 ein „Kurs, Index oder Wert, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder veröffentlicht wird und periodisch oder regelmäßig durch die Anwendung einer Formel auf den Wert eines oder mehrerer Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstiger Werte, oder auf Erhebungsdaten ermittelt bzw. auf der Grundlage dieser Werte bestimmt wird und auf den bei der Festsetzung des für ein Finanzinstrument zu entrichtenden Betrags oder des Wertes eines Finanzinstruments Bezug genommen wird“. Die tatsächliche oder versuchte Manipulation eines Referenzwerts ist damit zugleich eine tatsächliche oder versuchte Manipulation sowohl des Finanzinstruments bzw. Kontrakts, das bzw. der sich auf den fraglichen Referenzwert bezieht, als auch der Märkte, auf denen diese gehandelt bzw. abgeschlossen werden18. Dementsprechend werden durch Art. 2 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 die Vorschriften der Art. 12 und 15 VO Nr. 596/2014 über die Marktmanipulation auf Handlungen in Bezug auf Referenzwerte für anwendbar erklärt. Erwägungsgrund 44 VO Nr. 596/2014 folgend, werden alle versuchten oder tatsächlichen Handlungen in 23 Bezug auf alle veröffentlichten sowie unentgeltlichen oder gegen Entgelt über das Internet abrufbare Referenzwerte erfasst. Als Handlungen in Bezug auf Referenzwerte kommen auch die Übermittlung falscher oder irreführender Angaben, die Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten oder Maßnahmen in Betracht, „durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird, wobei die Bestimmung des Begriffs Berechnung weit gefasst ist, so dass sie sich auch auf die Entgegennahme und Bewertung sämtlicher Daten erstreckt, die in Zusammenhang mit der Berechnung des betreffenden Referenzwerts stehen und insbesondere getrimmte Daten einschließen, und auf vollständige algorithmische oder urteilsgestützte Referenzwert-Methoden oder auf Teile davon.“
4. Geschäfte, Aufträge und Handlungen (Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) Die Marktmissbrauchsverordnung ist nicht nur für die in Art. 2 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 aufgeführten 24 Finanzinstrumente bzw. Kontrakte anwendbar, sondern gilt für alle Geschäfte, Aufträge und Handlungen, die eines der in Art. 2 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 genannten Finanzinstrumente betreffen. Dabei ist es kraft ausdrücklicher Bestimmung des Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 unerheblich, ob ein solches Geschäft, ein solcher Auftrag oder eine solche Handlung auf einem Handelsplatz getätigt wurde oder nicht, so dass auch außerhalb solcher Plätze telefonisch oder face-to-face19 zustande gekommene Geschäfte, erteilte Aufträge oder Handlungen erfasst werden.
5. Extraterritoriale Geltung der Verbote und Anforderungen der Marktmissbrauchsverordnung (Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 gelten die Verbote und Anforderungen der Marktmissbrauchsverord- 25 nung nicht nur für Handlungen und Unterlassungen in Bezug auf die in den Art. 2 Abs. 1 und 2 VO 18 Dazu heißt es in Erwägungsgrund 44 VO Nr. 596/2014: „Eine tatsächliche oder versuchte Manipulation von Referenzwerte, einschließlich der Angebotssätze im Interbankengeschäft, kann das Marktvertrauen erheblich beeinträchtigen und zu beträchtlichen Verlusten für die Anleger wie auch zu realwirtschaftlichen Verzerrungen führen. Daher sind spezielle Vorschriften für Referenzwerte erforderlich, um die Integrität der Märkte zu wahren und sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden ein klares Verbot der Manipulation von Referenzwerten durchsetzen können.“ 19 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 297; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 3 MAR Rz. 31.
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Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 25 | Anwendungsbereich Nr. 596/2014 genannten Instrumente in der Europäischen Union, sondern auch für solche in Drittländern. Drittländer sind Länder, die nicht der Europäischen Union angehören20. Ob das Drittland Verbote oder Anforderungen kennt, die der Marktmissbrauchsverordnung vergleichbar sind, ist unerheblich. Die Regelung des Abs. 4 etabliert damit internationalrechtlich für die Regelungsbereiche der Marktmissbrauchsverordnung das Auswirkungsprinzip21, d.h. in grenzüberschreitenden Vorgängen findet die Marktmissbrauchsverordnung auch auf Handlungen und Unterlassungen in anderen Unionsländern oder Drittländern Anwendung, die sich auf die in einem Unionsland gehandelten Instrumente i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/ 2014 und die diesbezüglichen Märkte auswirken.
Art. 3 VO Nr. 596/2014 Begriffsbestimmungen (1) Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. „Finanzinstrument“ bezeichnet ein Finanzinstrument im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 15 der Richtlinie 2014/65/EU; 2. „Wertpapierfirma“ bezeichnet eine Wertpapierfirma im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Richtlinie 2014/65/EU; 3. „Kreditinstitut“ bezeichnet ein Kreditinstitut oder im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates; 4. „Finanzinstitut“ bezeichnet ein Finanzinstitut im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013; 5. „Marktbetreiber“ bezeichnet einen Marktbetreiber im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 18 der Richtlinie 2014/65/EU; 6. „geregelter Markt“ bezeichnet einen geregelten Markt im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 21 der Richtlinie 2014/65/EU; 7. „multilaterales Handelssystem“ bezeichnet ein multilaterales System in der Union im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 22 der Richtlinie 2014/65/EU; 8. „organisiertes Handelssystem“ bezeichnet ein System oder eine Fazilität in der Union im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 23 der Richtlinie 2014/65/EU; 9. „zulässige Marktpraxis“ bezeichnet eine bestimmte Marktpraxis, die von einer zuständigen Behörde gemäß Artikel 13 anerkannt wurde; 10. „Handelsplatz“ bezeichnet einen Handelsplatz im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 24 der Richtlinie 2014/65/EU; 11. „KMU-Wachstumsmarkt“ bezeichnet einen KMU-Wachstumsmarkt im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 12 der Richtlinie 2014/65/EU; 12. „zuständige Behörde“ bezeichnet eine gemäß Artikel 22 benannte zuständige Behörde, sofern nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist; 13. „Person“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person; 14. „Ware“ bezeichnet eine Ware im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 1287/ 2006 der Kommission; 15. „Waren-Spot-Kontrakt“ bezeichnet einen Kontrakt über die Lieferung einer an einem Spotmarkt gehandelten Ware, die bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert wird, sowie einen Kontrakt über die Lieferung einer Ware, die kein Finanzinstrument ist, einschließlich physisch abzuwickelnde Terminkontrakte; 16. „Spotmarkt“ bezeichnet einen Warenmarkt, an dem Waren gegen bar verkauft und bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert werden, und andere Märkte, die keine Finanzmärkte sind, beispielsweise Warenterminmärkte; 20 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 104. 21 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 300; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 104; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 2 MAR Rz. 33; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.10; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 18; Zetzsche in Gebauer/ Teichmann, § 7 C. Rz. 43.
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Begriffsbestimmungen | Art. 3 VO Nr. 596/2014
17. „Rückkaufprogramm“ bezeichnet den Handel mit eigenen Aktien gemäß den Artikeln 21 bis 27 der Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates; 18. „algorithmischer Handel“ bezeichnet den algorithmischen Handel mit [s. Rz. 27 mit Fn.] im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 39 der Richtlinie 2014/65/EU; 19. „Emissionszertifikat“ bezeichnet ein Emissionszertifikat im Sinne von Anhang I Abschnitt C Nummer 11 der Richtlinie 2014/65/EU; 20. „Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate“ bezeichnet eine Person, die Geschäfte einschließlich der Erteilung von Handelsaufträgen, mit Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten oder Derivaten betreibt, und die nicht unter die Ausnahme von Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 2 fällt; 21. „Emittent“ bezeichnet eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt, wobei der Emittent im Fall von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, der Emittent des repräsentierten Finanzinstruments ist; 22. „Energiegroßhandelsprodukt“ bezeichnet ein Energiegroßhandelsprodukt im Sinne von Artikel 2 Nummer 4 der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011; 23. „nationale Regulierungsbehörde“ bezeichnet eine nationale Regulierungsbehörde im Sinne von Artikel 2 Nummer 10 der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011; 24. „Warenderivate“ bezeichnet Warenderivate im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Nummer 30 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates; 25. eine „Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt“, bezeichnet eine Person innerhalb eines Emittenten, eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate oder eines anderen in Artikel 19 Absatz 10 genannten Unternehmens, a) die einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan dieses Unternehmens angehört oder b) die als höhere Führungskraft zwar keinem der unter Buchstabe a genannten Organe angehört, aber regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen mit direktem oder indirektem Bezug zu diesem Unternehmen hat und befugt ist, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Unternehmens zu treffen; 26. „eng verbundene Person“ bezeichnet a) den Ehepartner oder einen Partner dieser Person, der nach nationalem Recht einem Ehepartner gleichgestellt ist; b) ein unterhaltsberechtigtes Kind entsprechend dem nationalen Recht; c) einen Verwandten, der zum Zeitpunkt der Tätigung des betreffenden Geschäfts seit mindestens einem Jahr demselben Haushalt angehört oder d) eine juristische Person, Treuhand oder Personengesellschaft, deren Führungsaufgaben durch eine Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder durch eine in den Buchstaben a, b oder c genannte Person wahrgenommen werden, oder die direkt oder indirekt von einer solchen Person kontrolliert wird, oder die zugunsten einer solchen Person gegründet wurde oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen; 27. „Datenverkehrsaufzeichnungen“ bezeichnet die Aufzeichnungen von Verkehrsdaten im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b Unterabsatz 2 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates; 28. „Person, die beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt“ bezeichnet eine Person, die beruflich mit der Entgegennahme und Übermittlung von Aufträgen oder der Ausführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten befasst ist; 29. „Referenzwert“ bezeichnet einen Kurs, Index oder Wert, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder veröffentlicht wird und periodisch oder regelmäßig durch die Anwendung einer Formel auf den Wert eines oder mehrerer Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstiger Werte, oder auf Erhebungsdaten ermittelt bzw. auf der Grundlage dieser Werte bestimmt wird und auf den bei der Festsetzung des für ein Finanzinstrument zu entrichtenden Betrags oder des Wertes eines Finanzinstruments Bezug genommen wird; 30. „Market-Maker“ bezeichnet einen Market-Maker im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 7 der Richtlinie 2014/65/EU; Assmann | 35
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 | Begriffsbestimmungen 31. „Beteiligungsaufbau“ bezeichnet den Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen, durch den keine rechtliche oder regulatorische Verpflichtung entsteht, in Bezug auf das Unternehmen ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben; 32. „offenlegender Marktteilnehmer“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, die zu einer der Kategorien gemäß Artikel 11 Absatz 1 Buchstaben a bis d sowie Artikel 11 Absatz 2 gehört und im Zuge einer Marktsondierung Informationen offenlegt; 33. „Hochfrequenzhandel“ bezeichnet die Methode des algorithmischen Hochfrequenzhandels im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 40 der Richtlinie 2014/65/EU; 34. „Empfehlung oder Vorschlag einer Anlagestrategie“ bezeichnet i) eine von einem unabhängigen Analysten, einer Wertpapierfirma, einem Kreditinstitut oder einer sonstigen Person, deren Haupttätigkeit in der Erstellung von Anlageempfehlungen besteht, oder einer bei den genannten Einrichtungen im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder anderweitig tätigen natürlichen Person erstellte Information, die direkt oder indirekt einen bestimmten Anlagevorschlag zu einem Finanzinstrument oder einem Emittenten darstellt; ii) eine von anderen als den in Ziffer i genannten Personen erstellte Information, die direkt eine bestimmte Anlageentscheidung zu einem Finanzinstrument vorschlägt; 35. „Anlageempfehlungen“ bezeichnet Informationen mit expliziten oder impliziten Empfehlungen oder Vorschlägen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder Emittenten, die für Verbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit vorgesehen sind, einschließlich einer Beurteilung des aktuellen oder künftigen Wertes oder Kurses solcher Instrumente. (2) Für die Anwendung des Artikels 5 gelten folgende Begriffsbestimmungen a) „Wertpapiere“ bezeichnet: i) Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen; ii) Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel oder iii) verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt bzw. gegen diese eingetauscht werden können. b) „verbundene Instrumente“ bezeichnet die nachstehend genannten Finanzinstrumente selbst wenn sie nicht zum Handel auf einem Handelsplatz zugelassen sind, gehandelt werden oder für sie kein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Handelsplatz gestellt wurde: i) Verträge über bzw. Rechte auf Zeichnung, Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, ii) Finanzderivate auf Wertpapiere, iii) bei wandel- oder austauschbaren Schuldtiteln die Wertpapiere, in die diese wandel- oder austauschbaren Titel umgewandelt bzw. gegen die sie eingetauscht werden können, iv) Instrumente, die vom Emittenten oder Garantiegeber der Wertpapiere ausgegeben werden bzw. besichert sind und deren Marktkurs den Kurs der Wertpapiere erheblich beeinflussen könnte oder umgekehrt, v) in Fällen, in denen die Wertpapiere Aktien entsprechen, die von diesen vertretenen Aktien bzw. die von diesen vertretenen anderen Wertpapiere, die Aktien entsprechen; c) „signifikantes Zeichnungsangebot“ bezeichnet eine Erst- oder Zweitplatzierung von Wertpapieren, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet; d) „Kursstabilisierung“ ist jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf von Wertpapieren oder eine Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320) und Berichtigung vom 21.12.2016 (ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83). Schrifttum: BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung, Stand: 25.3.2020, abrufbar von der Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Emittentenleitfaden Modul C“; ESMA, Leitlinien für die Anwendung der Definitionen in Abschnitt C Nummern 6 und 7 Anhang MiFID II, 5.6.2019, ESMA-70-156-869 DE, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma-70-156869_guidelines_on_c6_c7_application_of_mifid_ii_annex_1_de.pdf; ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (VO Nr. 596/2014), ESMA70-145-11 Version 16, Last updated on 6 August 2021, abrufbar unter
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Begriffsbestimmungen | Rz. 1 Art. 3 VO Nr. 596/2014 https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-111_qa_on_mar.pdf. S. im Übrigen das zu Art. 1 VO Nr. 596/2014 angegebene Schrifttum und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung II. Begriffsbestimmungen für die Anwendung der Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1–35 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finanzinstrument (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertpapierfirma (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kreditinstitut (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzinstitut (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Marktbetreiber (Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Geregelter Markt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Multilaterales Handelssystem – MTF (Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . 8. Organisiertes Handelssystem – OTF (Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . 9. Zulässige Marktpraxis (Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Handelsplatz (Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. KMU-Wachstumsmarkt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 11 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Zuständige Behörde (Art. 3 Abs. 1 Nr. 12 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Person (Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014) . 14. Ware (Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 596/2014) . . 15. Waren-Spot-Kontrakt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Spotmarkt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 16 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Rückkaufprogramm (Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Algorithmischer Handel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 18 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Emissionszertifikat (Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014) . . . . . .
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21. Emittent (Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Energiegroßhandelsprodukt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23. Nationale Regulierungsbehörde (Art. 3 Abs. 1 Nr. 23 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Warenderivate (Art. 3 Abs. 1 Nr. 24 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Führungsaufgaben wahrnehmende Person (Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014) . . . . . . 26. Eng verbundene Person (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27. Datenverkehrsaufzeichnungen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 27 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Person, die beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 28 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29. Referenzwert (Art. 3 Abs. 1 Nr. 29 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30. Market-Maker (Art. 3 Abs. 1 Nr. 30 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31. Beteiligungsaufbau (Art. 3 Abs. 1 Nr. 31 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32. Offenlegender Marktteilnehmer (Art. 3 Abs. 1 Nr. 32 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . 33. Hochfrequenzhandel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34. Empfehlung oder Vorschlag einer Anlagestrategie (Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35. Anlageempfehlungen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Begriffsbestimmungen für die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 (Art. 3 Abs. 2 lit. a–d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wertpapiere (Art. 3 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbundene Instrumente (Art. 3 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Signifikantes Zeichnungsangebot (Art. 3 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kursstabilisierung (Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 enthält die Bestimmung verschiedener in der Marktmissbrauchsverordnung 1 verwandter Begriffe. Eine Reihe der in Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 zu findenden Begriffsbestimmungen baut auf denjenigen auf, wie sie auch in der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.20031 verwandt wurden2. Darüber hinaus finden sich in Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 spezielle Begriffsbestimmungen für in Art. 5 VO Nr. 596/2014 verwandte Begriffe.
1 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 2 S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003.
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 | Begriffsbestimmungen
II. Begriffsbestimmungen für die Anwendung der Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1–35 VO Nr. 596/2014) 1. Finanzinstrument (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014) 2 Ein „Finanzinstrument“ i.S.d. Marktmissbrauchsverordnung ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014
ein Finanzinstrument i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/ 92/EG und 2011/61/EU3 (MiFID II). Dieser verweist zur Bestimmung des Begriffs „Finanzinstrumente“ seinerseits auf die in Anhang I Abschnitt C der Richtlinie genannten Instrumente, nämlich: „(1) Übertragbare Wertpapiere; (2) Geldmarktinstrumente; (3) Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen; (4) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge, Emissionszertifikate oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen, die effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können; (5) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt; (6) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt, über ein MTF oder über ein OTF gehandelt; ausgenommen davon sind über ein OTF gehandelte Energiegroßhandelsprodukte, die effektiv geliefert werden müssen; (7) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, die sonst nicht in Nummer 6 dieses Abschnitts genannt sind und nicht kommerziellen Zwecken dienen, die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen; (8) Derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken; (9) Finanzielle Differenzgeschäfte; (10) Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Inflationsraten oder andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt, sowie alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht im vorliegenden Abschnitt C genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt, einem OTF oder einem MTF gehandelt werden; (11) Emissionszertifikate, die aus Anteilen bestehen, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandelssystem) anerkannt ist.“
3 Die praktisch bedeutsamste Art von Finanzinstrumenten – übertragbare Wertpapiere – umfasst nach Art. 4
Abs. 1 Nr. 44 RL 2014/65/EU (Rz. 2) „Kategorien von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten“, wie: „a) Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktienzertifikate; b) Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen) für solche Wertpapiere; c) alle sonstigen Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird“. Die Vorschrift ist – mit Ausnahme des sachlich folgenlosen Austauschs der Begriffe „Gattungen“ und „auf den Finanzmärkten handelbar bar“ durch die Begriffe „Kategorien“ bzw. „auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können“ – identisch mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Richtlinie 2004/ 39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Euro-
3 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349.
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Begriffsbestimmungen | Rz. 5 Art. 3 VO Nr. 596/2014
päischen Parlaments und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates4 (MiFID I), der in dem unverändert gebliebenen § 2 Abs. 1 WpHG umgesetzt wurde. Kategorien von Wertpapieren sind verbriefte oder unverbriefte Papiere, die gattungsmäßig ausgestaltete (standardisierte) und handelbare private Rechte zum Gegenstand haben. Auf dem Kapitalmarkt zu handeln sind Wertpapiere, die bei Abschluss des Übertragungsgeschäfts nach Art und Zahl der Stücke bestimmt werden können. Dabei stimmt der Wertpapierbegriff des Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 der RL 2014/65/EU mit dem der RL 2004/39/EG (MiFID I) überein5. Zu Einzelheiten kann auf die Erläuterungen zu § 2 WpHG Rz. 11 ff. verwiesen werden. Bei den nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 RL 2014/65/ EU ausdrücklich von den Wertpapieren i.S.d. Marktmissbrauchsverordnung ausgenommenen Zahlungsinstrumenten handelt es sich etwa um Bargeld, Schecks oder andere liquide Mittel, die üblicherweise als Zahlungsmittel verwendet werden6. Nicht ausgenommen sind damit Wechsel, weil es sich bei diesen, obschon sie auch eine Zahlungsfunktion haben, nicht um liquide Zahlungsmittel handelt (§ 2 WpHG Rz. 16). Geldmarktinstrumente sind nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 RL 2014/65/EU (Rz. 2) „die üblicherweise auf dem Geld- 4 markt gehandelten Gattungen von Instrumenten, wie Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten“. Zu diesen Geldmarktinstrumenten gehören nach Art. 11 Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25.4.20167 auch „Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate, Commercial Papers und sonstige Instrumente mit im Wesentlichen den gleichen Merkmalen, soweit sie die folgenden Eigenschaften aufweisen: a) ihr Wert kann jederzeit bestimmt werden; b) es handelt sich nicht um Derivate; c) ihre Fälligkeit bei der Emission beträgt maximal 397 Tage“. Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 RL 2014/65/EU entspricht Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 RL 2004/39/EG (Rz. 3), der in dem inhaltlich unverändert gebliebenen § 2 Abs. 2 WpHG umgesetzt wurde. Auf die diesbezüglichen Erläuterungen in § 2 WpHG Rz. 38 ff. kann deshalb verwiesen werden. Zu den von den Geldmarkinstrumenten ausgenommenen Zahlungsinstrumenten s. Rz. 3 a.E.
Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere können sowohl Anteile i.S.d. RL 2009/ 5 65/EG (sog. OGAW-IV-Richtlinie)8 als auch solche i.S.d. RL 2011/61/EU vom 8.6.2011 (sog. AIFM-Richtlinie)9 sein10. Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere i.S.v. Anhang I Abschnitt C Abs. 3 RL 2014/65/EU (Rz. 2) sind zum einen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere (OGAW) i.S.v. Art. 1 Abs. 2 RL 2009/65/EG (OGAW-IV-Richtlinie). Im deutschem Recht werden OGAW in § 1 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 KAGB als Investmentvermögen [i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB] bezeichnet, die die Anforderungen der RL 2009/65/EG erfüllen. OGAW können – je nach Fondstyp und diesbezüglichem Rechtsformenzwang – die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft aufweisen (§ 1 Abs. 11 KAGB). Aktien von OGAW bezeichnet Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 lit. b RL 2009/65/EG ausdrücklich als Anteile von OGAW. Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere i.S.v. Anhang I Abschnitt C Abs. 3 RL 2014/65/EU (Rz. 2) sind zum anderen auch Anteile an alternativen Investmentfonds i.S.d. AIFM-Richtlinie RL 2011/61/EU. § 1 Abs. 3 KAGB definiert alternative Investmentfonds (AIF), in negativer Abgrenzung zu den vorstehend angeführten Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), als „Investmentvermögen [i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB], die keine OGAW [i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB] sind“. AIF können – je nach Fondstyp und diesbezüglichem Rechtsformenzwang – die Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft aufweisen (§ 1 Abs. 11 KAGB). 4 ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 145. 5 Ebenso Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 4 Rz. 51. 6 Auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 5. Teil Rz. 85; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 4 Rz. 51. 7 ABl. EU Nr. L 87 v. 31.3.2017, S. 1. 8 Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2021/2261 vom 15.12.2021, ABl. EU Nr. L 455 v. 20.12.2021, S. 15, definiert OGAW als „Organismen, a) deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 50 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren, und b) deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht“. 9 Richtlinie 2011/61/EU vom 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinie 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (AIFM-Richtlinie), ABl. EU Nr. L 174 v. 1.7.2011, S. 1. 10 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, zu 1.1 S. 8 („Zu den Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen gehören sowohl Anteile i.S.d. OGAW-Richtlinie ... als auch der AIFM-Richtlinie ...Finanzinstrumente i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 MAR sind demnach auch Anteile an Investmentvermögen“).
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 6 | Begriffsbestimmungen 6 Bei den in Anhang I Abschnitt C Nr. 3 bis 10 der RL 2014/65/EU (Rz. 2) aufgeführten Finanzinstrumen-
ten handelt es sich um Derivate, die identisch sind mit den in § 2 Abs. 3 WpHG – in lediglich anderer Gliederung und Terminologie – aufgeführten Derivaten. Deshalb und weil dort die in Nr. 3–10 angeführten Finanzinstrumente nicht nur artmäßig aufgeführt, sondern im Detail umschrieben werden, kann auch hier auf die Erläuterungen in § 2 WpHG Rz. 45 ff. verwiesen werden. Zudem setzen die Vorschriften des § 2 Abs. 3 WpHG die Vorgaben der RL 2014/65/EU (Rz. 2) um, die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 49 RL 2014/65/EU bestimmt, Derivate seien „Finanzinstrumente, die in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 29 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 definiert“ sind. Dort wiederum werden Derivate definiert als „Finanzinstrumente, die in Artikel 4 Absatz 1 Nummer 44 Buchstabe c der Richtlinie 2014/65/EU [d.h. „übertragbare Wertpapiere“] definiert sind und auf die in Anhang I Abschnitt C Absätze 4–10 jener Richtlinie [s. Rz. 2] verwiesen wird“.
7 Bei den in Anhang I Abschnitt C Nr. 11 der RL 2014/65/EU aufgeführten Emissionszertifikaten handelt
es sich um die in § 3 Nr. 19 VO Nr. 596/2014 unter Verweis auf die vorstehend angeführte Anhangsbestimmung definierten Instrumente, so dass auf die Erläuterungen in Rz. 28 verwiesen werden kann.
2. Wertpapierfirma (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014) 8 Eine „Wertpapierfirma“ i.S.d. Marktmissbrauchsverordnung ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014 eine
Wertpapierfirma i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach diesem bezeichnet der Ausdruck „jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt“. Im deutschen Recht entspricht der Begriff dem des Wertpapierdienstleistungsunternehmens i.S.v. § 2 Abs. 10 WpHG, wobei der Begriff der Wertpapierdienstleistung in § 2 Abs. 8 WpHG bestimmt ist. Auf die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen in § 2 WpHG Rz. 198 ff. bzw. Rz. 92 ff. kann verwiesen werden.
9 Weiter heißt es in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Unterabs. 2 und 3 RL 2014/65/EU zur Definition von Wertpapierfir-
men bzw. zur Bestimmung des Kreises von Wertpapierfirmen: „[Unterabs. 2] Die Mitgliedstaaten können als Wertpapierfirma auch Unternehmen, die keine juristischen Personen sind, definieren, sofern a) ihre Rechtsform Dritten ein Schutzniveau bietet, das dem von juristischen Personen gebotenen Schutz gleichwertig ist, und b) sie einer gleichwertigen und ihrer Rechtsform angemessenen Aufsicht unterliegen. [Unterabs. 3] Erbringt eine natürliche Person jedoch Dienstleistungen, die das Halten von Geldern oder übertragbaren Wertpapieren Dritter umfassen, so kann diese Person nur dann als Wertpapierfirma im Sinne dieser Richtlinie und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 gelten, wenn sie unbeschadet der sonstigen Anforderungen dieser Richtlinie, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 und der Richtlinie 2013/36/EU folgende Bedingungen erfüllt: a) Die Eigentumsrechte Dritter an Wertpapieren und Geldern müssen insbesondere im Falle der Insolvenz der Firma oder ihrer Eigentümer, einer Pfändung, einer Aufrechnung oder anderer von den Gläubigern der Firma oder ihrer Eigentümer geltend gemachter Ansprüche gewahrt werden; b) die Firma muss Vorschriften zur Überwachung ihrer Solvenz einschließlich der ihrer Eigentümer unterworfen sein; c) der Jahresabschluss der Firma muss von einer oder mehreren nach nationalem Recht zur Rechnungsprüfung befugten Personen geprüft werden; d) hat eine Firma nur einen Eigentümer, so muss diese Person entsprechende Vorkehrungen zum Schutz der Anleger für den Fall treffen, dass die Firma ihre Geschäftstätigkeit aufgrund seines Ablebens, seiner Geschäftsunfähigkeit oder einer vergleichbaren Gegebenheit einstellt.“
3. Kreditinstitut (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO Nr. 596/2014) 10 Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO Nr. 596/2014 bezeichnet „Kreditinstitut“ ein Kreditinstitut11 i.S.d. Art. 4 Abs. 1
Nr. 1 VO Nr. 575/201312. Nach dieser Vorschrift ist Kreditinstitut „ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin 11 Bei dem diesem Wort in der deutschen Verordnungsfassung folgenden Wort „oder“ handelt es sich um ein offenkundiges und durch den Vergleich mit der englischen Fassung der VO Nr. 596/2014 belegbares, bislang nicht korrigiertes Redaktionsversehen. 12 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU Nr. L 176 v. 27.6.2013, S. 1.
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Begriffsbestimmungen | Rz. 14 Art. 3 VO Nr. 596/2014
besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren“. Kreditinstitute i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO Nr. 596/2014 sind mithin CRR-Kreditinstitute – früher als Einlagekreditinstitute bezeichnet – i.S.v. § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG13.
4. Finanzinstitut (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 VO Nr. 596/2014 bezeichnet „Finanzinstitut“ ein Finanzinstitut i.S.d. Art. 4 Abs. 1 11 Nr. 26 VO Nr. 575/201314. Nach dieser Vorschrift ist Finanzinstitut „ein Unternehmen, das kein Institut [d.h. kein Kreditinstitut und keine Wertpapierfirma (Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 575/2013, Rz. 10)] ist und dessen Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen zu erwerben oder eines oder mehrere der in Anhang I Nr. 2–12 und 15 der Richtlinie 2013/36/EU genannten Geschäfte zu betreiben; diese Definition schließt Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Zahlungsinstitute im Sinne der Richtlinie 2007/ 64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt ... [ABl. Nr. L 319 vom 5.12.2007, S. 1] und Vermögensverwaltungsgesellschaften ein, jedoch nicht Versicherungsholdinggesellschaften oder gemischte Versicherungsholdinggesellschaften gemäß der Definition in Art. 212 Abs. 1 Buchstabe f beziehungsweise Buchstabe g der Richtlinie 2009/138/EG“.
5. Marktbetreiber (Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/2014) „Marktbetreiber“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/201415 ein Marktbetreiber i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 12 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist Marktbetreiber eine Person oder Personen, die das Geschäft eines geregelten Marktes verwaltet bzw. verwalten und/oder betreibt bzw. betreiben. Eine solche Person kann der geregelte Markt selbst sein. Der Begriff des „geregelten Marktes“ ist in Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU definiert. Auf ihn verweist auch die Begriffsbestimmung des „geregelten Marktes“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014 (Rz. 13), auf die deshalb verwiesen werden kann.
6. Geregelter Markt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014) „Geregelter Markt“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014 einen geregelten Markt i.S.v. Art. 4 13 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist ein geregelter Markt ein von einem Marktbetreiber i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/2014 (Rz. 12) „betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System [Rz. 15], das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gemäß Titel III dieser Richtlinie funktioniert“. Titel III RL 2014/65/EU (Rz. 2), auf den hier verwiesen wird, sieht in Art. 44 Abs. 1 RL 2014/65/EU als der ersten Vorschrift unter diesem Titel vor, dass geregelte Märkte der Zulassung durch die Mitgliedstaaten bedürfen, und unterwirft geregelte Märkte der Aufsicht nach Maßgabe von Art. 54 RL 2014/65/EU. Darin unterscheiden sich geregelte Märkte von multilateralen Handelssystemen (MTF, Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 15) und organisierten Handelssystemen (OTF, Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 17). Ein multilaterales System ist nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 RL 2014/65/EU „ein System oder Mechanismus, der die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems zusammenführt“ (s. auch Rz. 15). Nach Art. 56 Satz 1 RL 2014/65/EU erstellt jeder Mitgliedstaat ein Verzeichnis der geregelten Märkte, für die er der Herkunftsmitgliedstaat ist, und übermittelt dieses Verzeichnis den übrigen Mitgliedstaaten und der ESMA. In Deutschland, wo geregelte Märkte i.S.d. Europarechts (zur Vermeidung von Verwechslungen mit einem 14 früher geregelter Markt genannten regulierten Markt) als organisierte Märkte bezeichnet werden, finden sich geregelte Märkte nur in Form der Regulierten Märkte der Börsen, die mehrere Marktsegmente aufweisen können (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 11; § 2 WpHG Rz. 223). Der an einer Börse eingerichtete Freiverkehr i.S.d. § 48 BörsG ist kein geregelter Markt.
13 Zu diesen Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 243 ff. 14 S. Rz. 10, berichtigte Fassung ABl. EU Nr. 321 v. 30.11.2013, S. 6. 15 Vorschrift in der Fassung der Berichtigung ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320.
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 | Begriffsbestimmungen
7. Multilaterales Handelssystem – MTF (Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014) 15 „Multilaterales Handelssystem“ i.S.d. Marktmissbrauchsverordnung ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/
2014 ein multilaterales Handelssystem i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist ein multilaterales Handelssystem (Multilateral Trading Facility – MTF) ein von einer Wertpapierfirma (Rz. 8) oder einem Marktbetreiber (Rz. 12) betriebenes „multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt“. In diese Begriffsbestimmung eingebaut ist die Definition eines multilateralen Systems in Art. 4 Abs. 1 Nr. 19 RL 2014/65/EU (Rz. 2) als „ein System oder Mechanismus, der die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems zusammenführt“. Ein System umfasst nach Erwägungsgrund 6 Satz 3 der (in dieser Hinsicht auch noch hier heranzuziehenden) RL 2004/39/EG (MiFID I, Rz. 3) „sowohl die Märkte, die aus einem Regelwerk und einer Handelsplattform bestehen, als auch solche, die ausschließlich auf der Grundlage eines Regelwerks funktionieren.“ Weiter heißt es hierzu in Erwägungsgrund 6 Sätze 4 und 5 Halbs. 1 RL 2004/39/EG: „Geregelte Märkte und MTF müssen keine ‚technischen‘ Systeme für das Zusammenführen von Aufträgen betreiben. Ein Markt, der nur aus einem Regelwerk besteht, das Fragen in Bezug auf die Mitgliedschaft, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel, den Handel zwischen Mitgliedern, die Meldung von Geschäften und gegebenenfalls die Transparenzpflichten regelt, ist ein geregelter Markt oder ein MTF im Sinne dieser Richtlinie...“ Die Voraussetzung, dass die Interessen „innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln“ zusammengeführt werden müssen, bedeutet nach Erwägungsgrund 6 Satz 7 RL 2004/39/EG, „dass die Zusammenführung nach den Regeln des Systems oder mit Hilfe der Protokolle oder internen Betriebsverfahren des Systems (einschließlich der in Computersoftware enthaltenen Verfahren) erfolgt“. Wenn dies nach „nichtdiskretionären Regeln“ erfolgen muss, so ist damit gemeint, „dass diese Regeln der Wertpapierfirma, die ein MTF betreibt, keinerlei Ermessensspielraum im Hinblick auf die möglichen Wechselwirkungen zwischen Interessen einräumen“. Demzufolge müssen, wie es in Erwägungsgrund 6 Satz 8 RL 2004/39/EG heißt, „die Interessen in einer Weise zusammengeführt werden, die zu einem Vertrag führt“, d.h. die Ausführung muss nach den Regeln des Systems oder über dessen Protokolle oder interne Betriebsverfahren erfolgen. Multilaterale Handelssysteme bedürfen – anders als geregelte Märkte (Rz. 13) – nicht der Zulassung durch die Mitgliedstaaten, unterliegen aber der Missbrauchsaufsicht (Art. 19 i.V.m. Art. 16 und 18 RL 2014/65/E, Rz. 2). Zu der der Definition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014 entsprechenden Begriffsbestimmung eines multilateralen Handelssystems in § 2 WpHG s. § 2 WpHG Rz. 258.
16 In Deutschland stellt der zumeist an einer Börse eingerichtete Freiverkehr i.S.d. § 48 BörsG ein multilatera-
les Handelssystem dar (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 13). Eine Liste der in Deutschland zugelassenen MTF ist über die Website der ESMA http://registers.esma.europa.eu/publication/unter „Multilateral Trading Facilities“ in der List of Registers abrufbar.
8. Organisiertes Handelssystem – OTF (Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014) 17 Ein „organisiertes Handelssystem“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 ein System oder eine
Fazilität in der Union i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist ein organisiertes Handelssystem (Organised Trading Facility – OTF) „ein multilaterales System, bei dem es sich nicht um einen geregelten Markt [Rz. 13] oder ein MTF [Rz. 15] handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt“. S. im Übrigen Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 14. In der in der Begriffsbestimmung enthaltenen abschließenden Liste von Instrumenten, die in einem organisierten Handelssystem gehandelt werden können, sind Aktien nicht erwähnt (dazu auch § 2 WpHG Rz. 14). Sie dürfen folglich nicht in einem OTF gehandelt werden. Zu den Begriffen des Systems und des multilateralen Systems s. Rz. 13. Im Gegensatz zu multilateralen Handelssystemen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/ 2014 (Rz. 15) muss die Zusammenführung von Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf der in Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 genannten Instrumente nicht nach nichtdiskretionären Regeln erfolgen. Die Zusammenführung liegt vielmehr im Ermessen des Betreibers des jeweiligen OTF (Art. 20 Abs. 6 RL 2014/65/EU)16.
16 Zu den möglichen Formen der Ermessensausübung s. Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 4 Rz. 32.
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Begriffsbestimmungen | Rz. 22 Art. 3 VO Nr. 596/2014
9. Zulässige Marktpraxis (Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 bezeichnet „zulässige Marktpraxis“ eine bestimmte Marktpraxis, 18 die von einer zuständigen Behörde gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 anerkannt wurde. Die hierbei von der Behörde zu berücksichtigenden Kriterien sind Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und – diese konkretisierend – Art. 3–9 DelVO 2016/90817 zu entnehmen.
10. Handelsplatz (Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/2014) Ein „Handelsplatz“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/201418 ein Handelsplatz i.S.v. Art. 4 Abs. 1 19 Nr. 24 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist ein Handelsplatz ein geregelter Markt (Rz. 13), ein MTF (Rz. 15) oder ein OTF (Rz. 17). Der Betrieb von MTF- und OTF-Handelssystemen ist nach Art. 5 Abs. 2 RL 2014/65/EU genehmigungspflichtig. Ein Handelsplatz i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/2014 zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass er der Zusammenführung von Geschäftsinteressenten dient und sein Betreiber über die von ihm betriebenen Plattformen keinen Handel für eigene Rechnung betreiben darf.
11. KMU-Wachstumsmarkt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 11 VO Nr. 596/2014) Ein „KMU-Wachstumsmarkt“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 11 VO Nr. 596/2014 ein KMU-Wachstumsmarkt i.S.v. 20 Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist ein KMU-Wachstumsmarkt – d.h. ein Wachstumsmarkt für kleine und mittlere Unternehmen – ein in Einklang mit Art. 33 dieser Richtlinie als KMU-Wachstumsmarkt bei der zuständigen Behörde seines Herkunftsmitgliedstaats registriertes MTF (Rz. 15). In der Sache handelt es sich bei KMU-Wachstumsmärkten um als multilaterale Handelssysteme i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014 (MTF, Rz. 15) ausgestaltete Märkte, die auf die Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) zugeschnitten sind, um diesen den Zugang zu Kapital erleichtern19. Kleine und mittlere Unternehmen sind nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 13 RL 2014/65/EU (Rz. 2) Unternehmen, deren durchschnittliche Marktkapitalisierung auf der Grundlage der Notierungen zum Jahresende in den letzten drei Kalenderjahren weniger als 200 Mio. Euro betrug. „Durch die Schaffung einer neuen Unterkategorie des ‚KMUWachstumsmarkts‘ innerhalb der MTF-Kategorie und die Registrierung dieser Märkte“, heißt es in Erwägungsgrund 132 RL 2014/65/EU, soll „ihr Bekanntheitsgrad und ihr Ansehen erhöht sowie zur Entwicklung gemeinsamer unionsweiter Regulierungsstandards für solche Märkte beigetragen werden“. Dementsprechend sind in einigen Regelungen der VO Nr. 596/2014 Erleichterungen und Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen („KMU“) vorgesehen, deren Finanzinstrumente zum Handel auf einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind. Dies betrifft unter bestimmten Voraussetzungen etwa die Pflicht zur Erstellung einer Insiderliste oder zur Veröffentlichung von Ad-hoc Mitteilungen auf der Website des Emittenten. Mit dem neuen Marktsegment „Scale“ ist an der Deutschen Börse AG innerhalb des „Open Market“ ein Markt für KMU geschaffen worden20.
12. Zuständige Behörde (Art. 3 Abs. 1 Nr. 12 VO Nr. 596/2014) „Zuständige Behörde“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 12 VO Nr. 596/2014 eine gem. Art. 22 VO Nr. 596/ 21 2014 benannte zuständige Behörde, sofern nicht in dieser Verordnung etwas anderes bestimmt ist. Unbeschadet des § 3 Abs. 5, 11 und 12 und des § 15 Abs. 7 BörsG ist in Deutschland zuständige Behörde i.S.v. Art. 22 VO Nr. 596/2014 die BaFin (§ 6 Abs. 5 Satz 1 WpHG).
13. Person (Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff „Person“ eine natürliche oder eine juristi- 22 sche Person. Natürliche Person i.S.d. Marktmissbrauchsverordnung ist jeder Mensch21. Juristische Per17 Delegierte Verordnung (EU) 2016/908 der Kommission vom 26.2.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Kriterien, das Verfahren und die Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis und die Anforderungen an ihre Beibehaltung, Beendigung oder Änderung der Bedingungen für ihre Zulässigkeit, ABl. EU Nr. L 152 v. 10.6.2016, S. 3. 18 Vorschrift in der Fassung der Berichtigung ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320. 19 Näher Veil, KMU-Wachstumsmärkte nach MiFID Insiderinformationen: Alter Wein in neuen Schläuchen, in FS Baums, 2017, S. 1267 ff.; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 4 Rz. 34 ff. 20 Rubner/Pospiech, „Scale“ – das neue Marktsegment der Deutsche Börse AG für KMU, NJW-Spezial 2017, 143. 21 Ebenso Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 4 Rz. 3.
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 22 | Begriffsbestimmungen sonen i.S. dieser Bestimmung sind nicht nur die nach deutschem Recht als juristische Personen geltenden GmbH, AG, KGaA, eingetragene Vereine und Genossenschaften sowie die diesen entsprechende ausländischen Rechtsformen, sondern in verordnungsautonomer teleologischer Auslegung alle rechtlich verselbstständigten Personenvereinigungen und Körperschaften des Privatrechts und öffentlichen Rechts, die selbstständige Träger von Rechten und Pflichten sein können22. Erfasst sind damit auch die deutschen Rechtsformen OHG, KG, Partnerschaftsgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts soweit sie nach außen in Erscheinung tritt, d.h. als Außengesellschaft) und nicht rechtsfähiger Verein sowie entsprechende ausländische Rechtsformen. Dem steht nicht entgegen, dass im Rahmen der Definition „eng verbundene Person“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 neben der juristischen Person die Personengesellschaft Erwähnung findet. Die Erwähnung der Personengesellschaft erfolgt hier lediglich klarstellend und nicht abgrenzend und ist dem Umstand der mitunter mangelnden begrifflichen Stringenz der VO Nr. 596/2014 geschuldet23.
14. Ware (Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 596/2014) 23 Der Begriff „Ware“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 596/2014 eine Ware i.S.v. Art. 2 Nr. 1 VO
Nr. 1287/200624. Nach dieser Vorschrift bezeichnet „‚Ware‘ ... Güter fungibler Art, die geliefert werden können“. Zu diesen zählen nach Art. 2 Nr. 1 VO Nr. 1287/2006 auch „Metalle sowie ihre Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte und Energien wie Strom“. Dass auch Strom als Ware gilt, hat etwa zur Folge, „dass auch Derivate auf Strom, die in Deutschland an der European Energy Exchange (EEX) gehandelt werden, Finanzinstrumente darstellen und dem Insiderhandelsverbot nach Art. 14 MAR unterliegen“25.
15. Waren-Spot-Kontrakt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014) 24 Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff „Waren-Spot-Kontrakt“ sowohl einen
Kontrakt über die Lieferung einer an einem Spotmarkt i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 16 VO Nr. 596/2014 (Rz. 25) gehandelten Ware i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 596/2014 (Rz. 23), die bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert wird, als auch einen Kontrakt über die Lieferung einer Ware, die kein Finanzinstrument ist, einschließlich physisch abzuwickelnde Terminkontrakte.
16. Spotmarkt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 16 VO Nr. 596/2014) 25 Der Begriff „Spotmarkt“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 16 VO Nr. 596/2014 einen Warenmarkt, an dem
Waren i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 596/2014 (Rz. 23) gegen bar verkauft und bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert werden, und andere Märkte, die keine Finanzmärkte sind, beispielsweise Warenterminmärkte.
17. Rückkaufprogramm (Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014) 26 Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff „Rückkaufprogramm“ den Handel mit
eigenen Aktien gem. Art. 21 bis 27 RL 2012/30/EU26. Diese Bestimmungen umfassen den Erwerb (Art. 21, 22, 25 und 26 RL 2012/30/EU) das Halten (Art. 24 RL 2012/30/EU), die Veräußerung (Art. 23 RL 2012/30/ EU) und die Inpfandnahme (Art. 27 RL 2012/30/EU) eigener Aktien. Erfasst ist darüber hinaus nur der Handel mit eigenen Aktien, der den Vorgaben an den Rückerwerb eigener Aktien der Art. 21–27 Kapitalschutz-Richtlinie (RL 2012/30/EU27) entspricht (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 15, 33, 42). Kein Rückerwerb eigener Aktien liegt bei einem Erwerb von Aktien konzernangehöriger Unternehmen vor (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 37). 22 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 12, 14; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 4 Rz. 4 ff. 23 Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 13. 24 ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1. 25 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, zu 1.1 S. 8. 26 ABl. EU Nr. L 315 v. 14.11.2012, S. 74. 27 Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EU Nr. L 315 v. 14.11.2012, S. 74.
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Begriffsbestimmungen | Rz. 32 Art. 3 VO Nr. 596/2014
18. Algorithmischer Handel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 18 VO Nr. 596/2014) „Algorithmischer Handel“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 18 VO Nr. 596/201428 ein algorithmischer Handel i.S.v. 27 Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Nach dieser Vorschrift ist algorithmischer Handel der Handel mit einem Finanzinstrument, bei dem ein Computeralgorithmus (d.h. programmierte problembezogene Verarbeitungsvorschriften in Bezug auf Daten und Informationen) die einzelnen Auftragsparameter automatisch bestimmt, z.B. ob der Auftrag eingeleitet werden soll, Zeitpunkt, Preis bzw. Quantität des Auftrags oder wie der Auftrag nach seiner Einreichung mit eingeschränkter oder gar keiner menschlichen Beteiligung bearbeitet werden soll, unter Ausschluss von Systemen, die nur zur Weiterleitung von Aufträgen zu einem oder mehreren Handelsplätzen, zur Bearbeitung von Aufträgen ohne Bestimmung von Auftragsparametern, zur Bestätigung von Aufträgen oder zur Nachhandelsbearbeitung ausgeführter Aufträge verwendet werden.
19. Emissionszertifikat (Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff „Emissionszertifikat“ ein Emissionszertifi- 28 kat i.S.v. Anhang I Abschnitt C Nr. 11 der RL 2014/65/EU (Rz. 2). Bei diesem handelt es sich nach Art. 3 lit. a RL 2003/87/EG29 um ein Zertifikat, das zur Emission – d.h. der Freisetzung von Treibhausgasen (Art. 3 lit. c RL 2003/87/EG) in die Atmosphäre aus Quellen einer Anlage (Art. 3 lit. e RL 2003/87/EG) – von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent (Art. 3 lit. j RL 2003/87/EG) in einem bestimmten Zeitraum berechtigt. Emissionszertifikate sind Finanzinstrumente i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 2, 7). Sie und ihr Handel unterliegen damit den für diese geltenden Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung.
20. Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014) „Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014 eine Person, 29 die Geschäfte einschließlich der Erteilung von Handelsaufträgen, mit Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten oder Derivaten betreibt, und die nicht unter die Ausnahme von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 fällt. Näher zum Begriff in Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 256.
21. Emittent (Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014) Unter „Emittent“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 eine juristische Person des privaten oder 30 öffentlichen Rechts zu verstehen, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt, wobei der Emittent im Fall von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, der Emittent des repräsentierten Finanzinstruments ist. Emittent von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, ist der Emittent der repräsentierten Finanzinstrumente (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 38).
22. Energiegroßhandelsprodukt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 VO Nr. 596/2014) Ein „Energiegroßhandelsprodukt“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 VO Nr. 596/2014 ein Energiegroßhandels- 31 produkt i.S.v. Art. 2 Nr. 4 VO Nr. 1227/2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts30. Die BaFin sieht, unter Hinweis auf Anhang I Abschnitt C Abs. 3 Nr. 6 RL 2014/65/EU (Rz. 2), in Energiegroßhandelsprodukten, die über ein OTF (z.B. OTF der EEX) gehandelt werden und effektiv geliefert werden müssen, keine Finanzinstrumente i.S.d. Marktmissbrauchsverordnung: „Sie fallen daher nicht in den Anwendungsbereich der MAR. Vielmehr unterliegen sie der Verordnung 1227/2011/EU (REMIT)“31. Nach Art. 2 Nr. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 1227/2011 sind Energiegroßhandelsprodukte „die folgenden Verträge 32 und Derivate unabhängig davon, wo und wie sie gehandelt werden: a) Verträge für die Versorgung mit Strom oder Erdgas, deren Lieferung in der Union erfolgt; b) Derivate, die Strom oder Erdgas betreffen, das/der in der Union erzeugt, gehandelt oder geliefert wurde;
28 Im Text der Vorschrift „... algorithmischen Handel mit im Sinne von ...“ ist das Wort „mit“ entweder zu streichen oder um das Wort „Finanzinstrumenten“ zu ergänzen. 29 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft [...], ABl. EU Nr. L 275 v. 25.10.2003, S. 32. 30 ABl. EU Nr. L 326 v. 8.12.2011, S. 12. 31 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, zu 1.1 S. 8.
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 32 | Begriffsbestimmungen c) Verträge, die den Transport von Strom oder Erdgas in der Union betreffen; d) Derivate, die den Transport von Strom oder Erdgas in der Union betreffen.“ 33 Dagegen sind nach Art. 2 Nr. 4 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 1227/2011 Verträge über die Lieferung und die
Verteilung von Strom oder Erdgas zur Nutzung durch Endverbraucher keine Energiegroßhandelsprodukte. Verträge über die Lieferung und die Verteilung von Strom oder Erdgas an Endverbraucher mit einer höheren Verbrauchskapazität als dem in Nr. 5 Abs. 2 aufgeführten Schwellenwert gelten jedoch nach Art. 2 Nr. 4 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 1227/2011 als Energiegroßhandelsprodukte.
23. Nationale Regulierungsbehörde (Art. 3 Abs. 1 Nr. 23 VO Nr. 596/2014) 34 Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 23 VO Nr. 596/2014 ist eine „nationale Regulierungsbehörde“ eine nationale Regulie-
rungsbehörde i.S.v. Art. 2 Nr. 10 VO Nr. 1227/2011 (Rz. 31), d.h. eine Behörde, „die gemäß Artikel 35 Absatz 1 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt oder gemäß Artikel 39 Absatz 1 der Richtlinie 2009/73/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt benannt wird“.
24. Warenderivate (Art. 3 Abs. 1 Nr. 24 VO Nr. 596/2014) 35 Der Begriff „Warenderivate“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 24 VO Nr. 596/2014 Warenderivate i.S.v. Art. 2
Abs. 1 Nr. 30 VO Nr. 600/2014 vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR)32. Nach dieser Bestimmung sind Warenderivate Finanzinstrumente, die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 lit. c RL 2014/65/EU (Rz. 2) in Bezug auf eine Ware oder einen Basiswert definiert sind, wie sie in Anhang I Abschnitt C Nr. 10 dieser Richtlinie oder in Anhang I Abschnitt C Ziff. 5, 6, 7 und 10 derselben genannt werden. Zum allgemeinen Begriff der Ware („Güter fungibler Art, die geliefert werden können“) s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 596/2014 und Rz. 23.
36 Finanzinstrumente i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 lit. c RL 2014/65/EU sind Kategorien von Wertpapieren (mit
Ausnahme von Zahlungsinstrumenten), die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, namentlich „alle sonstigen Wertpapiere“ – d.h. alle nicht in lit. a bzw. lit. b angeführten Wertpapieren in Gestalt von „Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktienzertifikate“ bzw. „Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen) für solche Wertpapiere –, „die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird“.
37 Waren oder einen Basiswerte, wie sie in Zusammenhang mit den in Anhang I Abschnitt C Ziff. 5, 6, 7 und
10 der RL 2014/65/EU angeführt werden, sind – nach Ziff. 5 – betreffend Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte – Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt; – nach Ziff. 6 – betreffend Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps und alle anderen Derivatkontrakte – Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt, über ein MTF oder über ein OTF gehandelt, ausgenommen über ein OTF gehandelte Energiegroßhandelsprodukte, die effektiv geliefert werden müssen; – nach Ziff. 7 – betreffend Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, Termingeschäfte (Forwards) und alle anderen Derivatkontrakte – Waren, die effektiv geliefert werden können, und nicht in Ziff. 6 genannt sind; – nach Ziff. 10 – betreffend Optionen, Terminkontrakte (Futures), Swaps, außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward Rate Agreements) und alle anderen Derivatkontrakte – „Klimavariablen, Frachtsätze, Inflationsraten oder andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien bar abgerechnet werden können, ohne dass ein Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis vorliegt, sowie alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht im vorliegenden Abschnitt C genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei u.a. berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt, einem OTF oder einem MTF gehandelt werden“. 32 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 84.
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Begriffsbestimmungen | Rz. 42 Art. 3 VO Nr. 596/2014
25. Führungsaufgaben wahrnehmende Person (Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014) Eine „Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 eine Person 38 innerhalb eines Emittenten, eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate oder eines anderen in Art. 19 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 genannten Unternehmens, die a) einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan dieses Unternehmens angehört oder b) als höhere Führungskraft zwar keinem der unter Buchstabe a genannten Organe angehört, aber regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen mit direktem oder indirektem Bezug zu diesem Unternehmen hat und befugt ist, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Unternehmens zu treffen.
26. Eng verbundene Person (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014) 39 Eine „eng verbundene Person“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 a) den Ehepartner oder einen Partner dieser Person, der nach nationalem Recht einem Ehepartner gleichgestellt ist; b) ein unterhaltsberechtigtes Kind entsprechend dem nationalen Recht; c) einen Verwandten, der zum Zeitpunkt der Tätigung des betreffenden Geschäfts seit mindestens einem Jahr demselben Haushalt angehört oder d) eine juristische Person, Treuhand oder Personengesellschaft, deren Führungsaufgaben durch eine Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder durch eine in den Buchstaben a, b oder c genannte Person wahrgenommen werden, oder die direkt oder indirekt von einer solchen Person kontrolliert wird, oder die zugunsten einer solchen Person gegründet wurde oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen.
Wenn in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 von einer juristische Person, Treuhand oder Personen- 40 gesellschaft, deren Führungsaufgaben durch eine „Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt“, die Rede ist, so ist damit nicht eine solche i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 gemeint. Nach Erläuterungen der ESMA sollen damit – ganz unabhängig von der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/ 2014 – solche Fälle erfasst werden, in denen eine Person mit Führungsaufgaben bei einem Emittenten oder eine mit diesem eng verbundene natürliche Person (i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. a–c VO Nr. 596/2014) an Entscheidungen einer anderen juristischen Person, Treuhand oder Personengesellschaft teilnimmt oder diese beeinflusst33. Zum Begriff des juristischen Person s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 und Rz. 22.
27. Datenverkehrsaufzeichnungen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 27 VO Nr. 596/2014) „Datenverkehrsaufzeichnung“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 27 VO Nr. 596/2014 die Aufzeichnungen von Ver- 41 kehrsdaten i.S.v. Art. 2 lit. b Unterabs. 2 RL 2002/58/EG vom 12.7.200234, d.h. die Aufzeichnung von Daten, die zum Zwecke der Weiterleitung einer Nachricht an ein elektronisches Kommunikationsnetz oder zum Zwecke der Fakturierung dieses Vorgangs verarbeitet werden.
28. Person, die beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 28 VO Nr. 596/2014) Mit „Person, die beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt“, ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 28 VO Nr. 596/ 42 2014 eine Person gemeint, die beruflich mit der Entgegennahme und Übermittlung von Aufträgen oder der Ausführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten befasst ist35. 33 ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (MAR), A7.7, S. 26. Die ESMA führt dazu als Beispiel an: „For example, in the case of mere cross board membership, where a person sits in the administrative, management or supervisory body of an issuer and also in the board of another legal entity where they exercise executive or non-executive functions, without however taking part nor influencing the decisions of that legal entity to carry out transactions in financial instruments of the issuer, then that person should not be considered discharging managerial responsibilities within that legal entity for the purposes of Article 3(1)(26)(d) of MAR. Therefore, that legal entity should not be subject to the notification obligations under Article 19(1) of MAR, unless it is directly or indirectly controlled by, is set up for the benefit of, or its economic interests are substantially equivalent to those of that person.“ 34 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. EG Nr. L 201 v. 31.7.2002, S. 37. 35 Berichtigte Fassung ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83.
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 43 | Begriffsbestimmungen 43 Die Definition ist tätigkeitsbezogen und nicht auf bestimmte Personen oder Unternehmen zugeschnitten
und beschränkt, die – wie etwa Wertpapierfirmen oder Verwalter alternativer Investmentfonds – im Mittelpunkt anderer finanzmarktrechtlichen Regulierungen durch die EU – wie etwa der MiFID, der MiFIR oder der AIFM-Richtlinie – stehen. Dementsprechend hat auch die ESMA die Frage, ob die sich aus Art. 16 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ergebende Verpflichtung desjenigen, der „beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt“, Maßnahmen zur Aufdeckung und Meldung verdächtiger Aufträge und Geschäfte zu schaffen, auf bestimmte Personen oder Unternehmen beschränkt sei, mit dem Hinweis verneint, dass die Begriffsbestimmung des Art. 3 Abs. 1 Nr. 28 VO Nr. 596/2014 keinerlei Bezugnahme auf andere Vorschriften oder Rechtsakte enthalte, die ihre Reichweite einschränke36.
29. Referenzwert (Art. 3 Abs. 1 Nr. 29 VO Nr. 596/2014) 44 Der Begriff „Referenzwert“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 29 VO Nr. 596/2014 einen Kurs, Index oder
Wert, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder veröffentlicht wird und periodisch oder regelmäßig durch die Anwendung einer Formel auf den Wert eines oder mehrerer Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstiger Werte, oder auf Erhebungsdaten ermittelt bzw. auf der Grundlage dieser Werte bestimmt wird und auf den bei der Festsetzung des für ein Finanzinstrument zu entrichtenden Betrags oder des Wertes eines Finanzinstruments Bezug genommen wird. Index i.S.d. Definition des Referenzwerts ist nach der hier ohne weiteres heranzuziehenden Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 Nr. 2016/201137 „jede Zahl, a) die veröffentlicht oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird; b) die regelmäßig, i) ganz oder teilweise, durch Anwendung einer Formel oder einer anderen Berechnungsmethode oder durch Bewertung bestimmt wird und ii) auf der Grundlage des Werts eines oder mehrerer Basisvermögenswerte oder Basispreise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze, Quotierungen und verbindlicher Quotierungen oder sonstiger Werte oder Erhebungen erfolgt“.
30. Market-Maker (Art. 3 Abs. 1 Nr. 30 VO Nr. 596/2014) 45 Der Begriff „Market-Maker“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 30 VO Nr. 596/2014 einen Market-Maker
i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 RL 2014/65/EU (Rz. 2), d.h. eine Person, die an den Finanzmärkten auf kontinuierlicher Basis ihre Bereitschaft anzeigt, durch den An- und Verkauf von Finanzinstrumenten unter Einsatz des eigenen Kapitals Handel für eigene Rechnung zu von ihr gestellten Kursen zu betreiben.
31. Beteiligungsaufbau (Art. 3 Abs. 1 Nr. 31 VO Nr. 596/2014) 46 Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 31 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff „Beteiligungsaufbau“ den Erwerb von
Anteilen an einem Unternehmen, durch den keine rechtliche oder regulatorische Verpflichtung entsteht, in Bezug auf das Unternehmen ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben. Ein Verpflichtung zur Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots ist nach Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 RL 2004/25/EG (Übernahmeangebotsrichtlinie)38 für den Fall vorgesehen, dass eine Person die Kontrolle über eine Gesellschaft erlangt, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt in einem oder mehreren Mitgliedstaaten zugelassen sind, wobei sich nach Art. 5 Abs. 3 RL 2004/25/EG der prozentuale Anteil der Stimmrechte, der eine Kontrolle i.S.v. Art. 5 Abs. 1 RL 2004/25/EG begründet, und die Art der Berechnung dieses Anteils 36 ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (MAR), A6.1, S. 20: „The definition of ‚person professionally arranging or executing transactions‘ laid down in point (28) of Article 3(1) of MAR is activity based, does not cross refer to definitions under MiFID and is independent from the latter, leading thus to consider that the scope of Article 16(2) of MAR is not only limited to firms or entities providing investment services under MiFID. In the absence of any reference in the definition that would limit the scope and exclude particular categories of persons regulated by other financial European legislation, ESMA considers that the obligation to detect and identify market abuse or attempted market abuse under Article 16(2) of MAR applies broadly, and ‚persons professionally arranging or executing transactions‘ thus includes buy side firms, such as investment management firms (AIFs and UCITS managers), as well as firms professionally engaged in trading on own account (proprietary traders).“ 37 Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, ABl. EU Nr. L 171 v. 29.6.2016, S. 1. 38 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12.
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Begriffsbestimmungen | Rz. 51 Art. 3 VO Nr. 596/2014
nach den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, bestimmen. Deutschland hat diese Vorgabe in § 35 Abs. 1 WpÜG umgesetzt und in § 29 Abs. 2 WpÜG als Kontrolle „das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft aus dem Bieter gehörenden Aktien der Zielgesellschaft oder dem Bieter nach § 30 [WpÜG] zugerechneten Stimmrechten an der Zielgesellschaft“ festgelegt.
32. Offenlegender Marktteilnehmer (Art. 3 Abs. 1 Nr. 32 VO Nr. 596/2014) „Offenlegender Marktteilnehmer“ ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 32 VO Nr. 596/2014 eine natürliche oder juristi- 47 sche Person, die zu einer der Kategorien gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 sowie Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 gehört und im Zuge einer Marktsondierung Informationen offenlegt. Zu den Begriffen natürliche und juristische Person s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 und Rz. 22.
33. Hochfrequenzhandel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 VO Nr. 596/2014) „Hochfrequenzhandel“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 VO Nr. 596/2014 die Methode des algorith- 48 mischen Hochfrequenzhandels i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 RL 2014/65/EU (Rz. 2). Gemeint ist die „hochfrequente algorithmische Handelstechnik“, welche die letztgenannte Vorschrift als eine algorithmische Handelstechnik bezeichnet, die gekennzeichnet ist durch a) eine Infrastruktur zur Minimierung von Netzwerklatenzen und anderen Verzögerungen bei der Orderübertragung (Latenzen), die mindestens eine der folgenden Vorrichtungen für die Eingabe algorithmischer Aufträge aufweist: Kollokation, Proximity Hosting oder direkter elektronischer Hochgeschwindigkeitszugang, b) die Entscheidung des Systems über die Einleitung, das Erzeugen, das Weiterleiten oder die Ausführung eines Auftrags ohne menschliche Intervention, und c) ein hohes untertägiges Mitteilungsaufkommen in Form von Aufträgen, Quotes oder Stornierungen.
34. Empfehlung oder Vorschlag einer Anlagestrategie (Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 VO Nr. 596/2014) „Empfehlung oder Vorschlag einer Anlagestrategie“ bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 VO Nr. 596/2014 49 zum einen (i) eine von einem unabhängigen Analysten, einer Wertpapierfirma, einem Kreditinstitut oder einer sonstigen Person, deren Haupttätigkeit in der Erstellung von Anlageempfehlungen besteht, oder einer bei den genannten Einrichtungen im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder anderweitig tätigen natürlichen Person erstellte Information, die direkt oder indirekt einen bestimmten Anlagevorschlag zu einem Finanzinstrument oder einem Emittenten darstellt, und zum anderen (ii) eine von anderen als den in Ziffer i genannten Personen erstellte Information, die direkt eine bestimmte Anlageentscheidung zu einem Finanzinstrument vorschlägt. Zur Auslegung dieser Begriffsbestimmungen ist auf die Ausführungen in Art. 20 VO Nr. 596/2014 Rz. 2, 24 ff. zu verweisen.
35. Anlageempfehlungen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 VO Nr. 596/2014) „Anlageempfehlungen“ sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 VO Nr. 596/2014 Informationen mit expliziten oder 50 impliziten Empfehlungen oder Vorschlägen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder Emittenten, die für Verbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit vorgesehen sind, einschließlich einer Beurteilung des aktuellen oder künftigen Wertes oder Kurses solcher Instrumente. Zur Auslegung dieser Begriffsbestimmungen ist auf die Ausführungen in Art. 20 VO Nr. 596/2014 Rz. 2, 36 ff. zu verweisen.
III. Begriffsbestimmungen für die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 (Art. 3 Abs. 2 lit. a–d VO Nr. 596/2014) In Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 finden sich Begriffsbestimmungen speziell für die Anwendung des Art. 5 51 VO Nr. 596/2014 über Ausnahmen für Rückkaufprogramm und Stabilisierungsmaßnahmen.
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Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 52 | Begriffsbestimmungen
1. Wertpapiere (Art. 3 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014) 52 Für die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 sind nach Art. 3 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 „Wertpapie-
re“ (i) Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, (ii) Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel oder (iii) verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt bzw. gegen diese eingetauscht werden können. Zur Erläuterung der Begriffe „Aktien und andere Wertpapiere“ kann auf die Ausführungen in § 2 WpHG Rz. 18 und 19 ff., zur Erläuterung der Begriffe „Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel“ auf die Ausführungen in § 2 WpHG Rz. 25 ff. verwiesen werden. Als verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt bzw. gegen diese eingetauscht werden können, gehören insbesondere Wandelschuldverschreibungen (§ 221 AktG), Optionsanleihen und Umtauschanleihen.
2. Verbundene Instrumente (Art. 3 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014) 53 Für die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 sind nach Art. 3 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 „verbundene
Instrumente“ die nachstehend genannten Finanzinstrumente selbst wenn sie nicht zum Handel auf einem Handelsplatz zugelassen sind, gehandelt werden oder für sie kein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Handelsplatz gestellt wurde: (i) Verträge über bzw. Rechte auf Zeichnung, Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, (ii) Finanzderivate auf Wertpapiere, (iii) bei wandel- oder austauschbaren Schuldtiteln die Wertpapiere, in die diese wandel- oder austauschbaren Titel umgewandelt bzw. gegen die sie eingetauscht werden können, (iv) Instrumente, die vom Emittenten oder Garantiegeber der Wertpapiere ausgegeben werden bzw. besichert sind und deren Marktkurs den Kurs der Wertpapiere erheblich beeinflussen könnte oder umgekehrt, sowie (v) in Fällen, in denen die Wertpapiere Aktien entsprechen, die von diesen vertretenen Aktien bzw. die von diesen vertretenen anderen Wertpapiere, die Aktien entsprechen.
3. Signifikantes Zeichnungsangebot (Art. 3 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) 54 Für die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 3 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 ein „signifi-
kantes Zeichnungsangebot“ eine Erst- oder Zweitplatzierung von Wertpapieren, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet. Die Erstplatzierung von Wertpapieren ist das erstmalige öffentliche Angebot von Wertpapieren. Die Zweitplatzierung von Wertpapiere ist das öffentliche Angebot von Wertpapieren, die bereits Gegenstand eines öffentlichen Angebots waren und bei einem Dritten platziert wurden. Privatplatzierungen ohne öffentliches Angebot sowie Privattransaktionen platzierter Aktien und der Handel mit Wertpapierblöcken stellen keine signifikanten Zeichnungsangebote dar39.
4. Kursstabilisierung (Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014) 55 Für die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 „Kursstabili-
sierung“ jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf von Wertpapieren oder eine Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht. Hervorzuheben ist, dass hierbei nur Kursstabilisierungsmaßnahmen im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 (Rz. 54) erfasst werden und der Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren außerhalb eines solchen Angebots – etwa zur Kursstabilisierung, Kursstützung oder Kurspflege – nicht unter den Begriff der „Kursstabilisierung“ i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 fallen. Auch dürfen neben dem Ziel, den Marktkurs dieser Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, mit den Maßnahmen keine anderen Zwecke verfolgt werden (dazu Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 96, 111).
39 Erwägungsgrund 6 Satz 3 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission vom 8.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen, ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 95. S. Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 84.
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Meldungen und Liste der Finanzinstrumente | Art. 4 VO Nr. 596/2014
Art. 4 VO Nr. 596/2014 Meldungen und Liste der Finanzinstrumente (1) Die Betreiber von geregelten Märkten sowie Wertpapierfirmen und Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems melden der zuständigen Behörde des Handelsplatzes unverzüglich jedes Finanzinstrument, für das ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf ihrem Handelsplatz gestellt wird, zum Handel zugelassen wird oder erstmalig gehandelt worden ist. Sie informieren auch die zuständige Behörde des Handelsplatzes, wenn ein Finanzinstrument nicht mehr gehandelt wird oder seine Zulassung zum Handel erlischt, außer wenn das Datum, von dem an das betreffende Finanzinstrument nicht mehr gehandelt wird oder mit dem seine Zulassung zum Handel erlischt, bekannt ist und in der Meldung gemäß Unterabsatz 1 genannt wurde. Die in diesem Absatz genannten Meldungen enthalten gegebenenfalls die Bezeichnungen und Kennung der betreffenden Finanzinstrumente sowie Datum und Uhrzeit des Antrags auf Zulassung zum Handel, Datum und Uhrzeit der Zulassung zum Handel sowie Datum und Uhrzeit des ersten Handelsabschlusses. Die Marktbetreiber und die Wertpapierfirmen übermitteln der zuständigen Behörde des Handelsplatzes außerdem die in Unterabsatz 3 festgelegten Informationen zu den Finanzinstrumenten, für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf ihrem Handelsplatz gestellt wurde bzw. die vor dem 2. Juli 2014 auf ihrem Handelsplatz zum Handel zugelassen waren und die an diesem Tag immer noch zum Handel zugelassen waren oder gehandelt haben. (2) Die zuständigen Behörden des Handelsplatzes leiten die Meldungen, die sie gemäß Absatz 1 erhalten, unverzüglich an die ESMA weiter. Die ESMA veröffentlicht diese Meldungen sofort nach Erhalt in Form einer Liste auf ihrer Website. Die ESMA aktualisiert diese Liste unverzüglich bei Eingang einer Meldung von einer zuständigen Behörde des Handelsplatzes. Durch die Liste wird der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eingeschränkt. (3) Die Liste enthält folgende Informationen: a) die Bezeichnungen und Kennung der Finanzinstrumente, für die die Zulassung zum Handel auf geregelten Märkten, multilateralen und organisierten Handelssystemen beantragt wurde, die dort zum Handel zugelassen wurden oder dort erstmalig gehandelt wurden; b) Datum und Uhrzeit der Beantragung der Zulassung zum Handel, der Erteilung der Zulassung oder des erstmaligen Handels; c) ausführliche Informationen zu den Handelsplätzen, auf denen die Zulassung zum Handel für die Finanzinstrumente beantragt wurde, auf denen sie zum Handel zugelassen wurden oder auf denen sie erstmalig gehandelt wurden, und d) Datum und Uhrzeit, zu dem/der der Handel mit dem Finanzinstrument eingestellt wird bzw. zu dem/der seine Zulassung zum Handel erlischt. (4) Zur Sicherstellung der durchgehenden Harmonisierung dieses Artikels arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um Folgendes festzulegen: a) den Inhalt der Meldungen gemäß Absatz 1 und b) die Art und Weise und die Bedingungen der Zusammenstellung, Veröffentlichung und Pflege der in Absatz 3 genannten Liste. Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 dieses Absatzes genannten technischen Regulierungsstandards nach Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates zu erlassen. (5) Zur Sicherstellung der durchgehenden Harmonisierung dieses Artikels arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, um den Zeitplan, das Format und Muster für die Übermittlung der Meldungen gemäß den Absätzen 1 und 2 festzulegen. Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320, 321).
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Art. 4 VO Nr. 596/2014 | Meldungen und Liste der Finanzinstrumente Delegierte Verordnung (EU) 2016/909 der Kommission vom 1. März 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für den Inhalt der Meldungen, die den zuständigen Behörden zu übermitteln sind, sowie für die Zusammenstellung, Veröffentlichung und Pflege der Liste der Meldungen Art. 1 Die Meldungen zu den Finanzinstrumenten gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 beinhalten alle in Tabelle 2 des Anhangs der vorliegenden Verordnung genannten Angaben zu den betreffenden Finanzinstrumenten. In der Fassung vom 1.3.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 13). Art. 2 (1) Die zuständigen Behörden überprüfen und beurteilen mithilfe automatisierter Verfahren, ob die gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 übermittelten Meldungen den Anforderungen von Artikel 1 der vorliegenden Verordnung und Artikel 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 der Kommission1 entsprechen. (2) Die Handelsplatzbetreiber werden mithilfe automatisierter Verfahren unverzüglich über unvollständige Angaben bei eingegangenen Meldungen und über eine etwaige Nichteinhaltung der in Artikel 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 genannten Meldefrist in Kenntnis gesetzt. (3) Die zuständigen Behörden übermitteln der ESMA gemäß Artikel 1 mithilfe automatisierter Verfahren vollständige und genaue Meldungen zu den Finanzinstrumenten. Am Tag nach dem Eingang der Meldungen zu den Finanzinstrumenten gemäß Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 konsolidiert die ESMA mithilfe automatisierter Verfahren die von allen zuständigen Behörden übermittelten Meldungen. (4) Die ESMA überprüft und beurteilt mithilfe automatisierter Verfahren, ob die eingegangenen Meldungen der zuständigen Behörden vollständig und genau sind und dem in Tabelle 3 des Anhangs zur Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 vorgegebenen Format sowie den dort angegebenen Normen entsprechen. (5) Die ESMA setzt die zuständigen Behörden mithilfe automatisierter Verfahren unverzüglich über unvollständige Angaben bei eingegangenen Meldungen und über eine etwaige Nichteinhaltung der in Artikel 1 Absatz 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 genannten Meldefrist in Kenntnis. (6) Die ESMA veröffentlicht mithilfe automatisierter Verfahren die vollständige Liste der Meldungen in elektronischer, herunterladbarer und maschinenlesbarer Form auf ihrer Website. In der Fassung vom 1.3.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 13). Art. 3 Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 1.3.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 13). Anhang (nicht abgedruckt) Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 der Kommission vom 11. März 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf den Zeitplan, das Format und Muster für die Übermittlung der Meldungen an die zuständigen Behörden gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates Art. 1 1. Ein Handelsplatz meldet der für ihn zuständigen Behörde gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014 an jedem Handelstag bis spätestens 21.00 Uhr MEZ mithilfe automatisierter Prozesse alle Finanzinstrumente, die auf diesem Handelsplatz vor 18.00 Uhr MEZ an dem betreffenden Tag erstmals Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel waren oder zum Handel zugelassen oder gehandelt wurden (einschließlich der über sein System eingegangenen Aufträge oder Offerten) bzw. deren Handel eingestellt wurde oder deren Zulassung zum Handel auf diesem Handelsplatz erloschen ist. 2. Der Handelsplatz meldet die Finanzinstrumente, die nach 18.00 Uhr MEZ auf diesem Handelsplatz erstmals Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel waren oder zum Handel zugelassen oder erstmals gehandelt wurden (einschließlich der über sein System eingegangenen Aufträge oder Offerten) bzw. deren Handel eingestellt wurde oder deren Zulassung zum Handel an diesem Handelsplatz erloschen ist, bis spätestens 21.00 Uhr MEZ des nächsten Handelstags mithilfe automatisierter Prozesse an die zuständige Behörde. 3. Die zuständigen Behörden übermitteln der ESMA die in Absatz 1 und 2 genannten Meldungen nach Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 täglich bis spätestens 23.59 Uhr MEZ mithilfe automatisierter Verfahren und über sichere elektronische Kommunikationskanäle zwischen ihnen und der ESMA. In der Fassung vom 11.3.2016 (ABl. EU Nr. L 72 v. 17.3.2016, S. 1).
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Meldungen und Liste der Finanzinstrumente | Rz. 2 Art. 4 VO Nr. 596/2014 Art. 2 Alle Detailangaben, die die Meldungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 enthalten müssen, sind in dem im Anhang dieser Verordnung angegebenen Format und nach den dort genannten Normen in elektronischer und maschinenlesbarer Form sowie in einer einheitlichen XML-Vorlage nach der Methodik von ISO 20022 zu übermitteln. In der Fassung vom 11.3.2016 (ABl. EU Nr. L 72 v. 17.3.2016, S. 1). Art. 3 Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 11.3.2016 (ABl. EU Nr. L 72 v. 17.3.2016, S. 1). Anhang (nicht abgedruckt) Schrifttum: S. Art. 1 VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand und Übersicht . . . . . . . II. Meldepflichten und Meldungen – Aufgaben der BaFin (Art. 4 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) 1. Meldepflichten (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1, 2 und 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meldungen und Meldeverfahren (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . .
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III. Aufgaben der ESMA (Art. 4 Abs. 2–4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weiterleitung der Meldungen und Veröffentlichung einer Liste von Finanzinstrumenten (Art. 4 Abs. 2 und 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . 2. Auftrag an die ESMA und Ermächtigung der Kommission nach Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 596/2014
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I. Regelungsgegenstand und Übersicht Zu Zwecken sowohl einer effektiven Marktaufsicht als auch der Markttransparenz1 sieht die Vorschrift Mel- 1 depflichten gegenüber der zuständigen Behörde des jeweils betroffenen Handelsplatzes (Abs. 1), Übermittlungspflichten der gemeldeten Daten an die ESMA (Abs. 2) und die Führung einer aus den übermittelten Daten zusammengestellten Liste (Abs. 3) vor. Von der ESMA nach Art. 4 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 (MAR) zur Sicherstellung der durchgehenden 2 Harmonisierung dieses Artikels ausgearbeitete technische Regulierungsstandards sind von der Kommission entsprechend der Ermächtigung in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 5 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 im Wege der Delegierte Verordnung (EU) 2016/909 der Kommission vom 1.3.20162 bzw. der Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 der Kommission vom 11.3.20163 erlassen worden. Dabei nehmen die Delegierte Verordnung und die Durchführungsverordnung zugleich eine Angleichung der nach Art. 27 VO Nr. 600/ 2014 (MiFIR – Markets in Financial Instruments Regulation) vorzunehmenden fortlaufenden Übermittlung von Referenzdaten und der nach Art. 4 VO Nr. 596/2014 meldepflichtigen Daten vor, um den Verwaltungsaufwand der von diesen Pflichten betroffenen Unternehmen zu verringern4. Die Vorschriften der Delegierten Verordnung (EU) 2016/909 sind oben nach den Bestimmungen von Art. 4 VO Nr. 596/2014 wiedergegeben5. Gleiches gilt für die Bestimmungen der Durchführungsverordnung6. 1 Erwägungsgrund 9 VO Nr. 596/2014. S. auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 316; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 31. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2016/909 der Kommission vom 1.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für den Inhalt der Meldungen, die den zuständigen Behörden zu übermitteln sind, sowie für die Zusammenstellung, Veröffentlichung und Pflege der Liste der Meldungen, ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 13. 3 Durchführungsverordnung (EU) 2016/378 der Kommission vom 11.3.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards in Bezug auf den Zeitplan, das Format und Muster für die Übermittlung der Meldungen an die zuständigen Behörden gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 72 v. 17.3.2016, S. 1. 4 Vgl. Erwägungsgrund 1 (a.E.) zur DelVO 2016/909, ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 13, und Erwägungsgrund 1 DurchfVO 2016/378, ABl. EU Nr. L 72 v. 17.3.2016, S. 1. 5 Auf eine Wiedergabe der Erwägungsgründe und die im Anhang der DelVO 2016/909 enthaltenen Tabellen, die – vor allem Tabelle 2 des Anhangs – für den Inhalt der Meldungen an die BaFin und mittelbar an die ESMA von Bedeutung sind, wird verzichtet. 6 Auch hier wird von einer Wiedergabe der Erwägungsgründe und des umfangreichen Anhangs, der wegen der Befassung seiner Tabellen mit Normen und Format der Übermittlung der Meldungen an die zuständigen Behörden und an die ESMA von Bedeutung ist, abgesehen.
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Art. 4 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Meldungen und Liste der Finanzinstrumente 3 Für Mitteilungen an die BaFin als zuständiger Behörde von Handelsplätzen in Deutschland nach Art. 4 VO
Nr. 596/2014 (MAR) und Art. 27 VO Nr. 600/2014 (MiFIR) hat die BaFin das Portal der Melde- und Veröffentlichungsplattform (MVP Portal) eingerichtet.
II. Meldepflichten und Meldungen – Aufgaben der BaFin (Art. 4 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) 1. Meldepflichten (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1, 2 und 4 VO Nr. 596/2014) 4 Für die nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 meldepflichtigen Betreiber von geregelten Märkten sowie Wert-
papierfirmen und Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems begründet Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 eine zweiteilige Meldepflicht:
5 – Eine Erstmeldepflicht nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verpflichtet die Meldepflichtigen
der zuständigen Behörde des Handelsplatzes unverzüglich jedes Finanzinstrument zu melden, für das ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf ihrem Handelsplatz gestellt wird, an diesem zum Handel zugelassen wird oder an diesem erstmalig gehandelt worden ist. Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 596/2014 entstand – gleichsam als Übergangsregelung – eine solche Meldepflicht auch für Finanzinstrumente, „für die ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf ihrem Handelsplatz gestellt wurde bzw. die vor dem 2. Juli 2014 auf ihrem Handelsplatz zum Handel zugelassen waren und die an diesem Tag immer noch zum Handel zugelassen waren oder gehandelt haben“.
6 – Eine Folgemeldepflicht nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 verpflichtet die Meldepflichtigen,
auch die Beendigung des Handels mit einem Finanzinstrument oder das Erlöschen seiner Zulassung zum Handel gegenüber der zuständigen Behörde zu melden. Eine solche Meldung ist nur dann entbehrlich, wenn sich das Datum, von dem an das betreffende Finanzinstrument nicht mehr gehandelt wird oder mit dem seine Zulassung zum Handel erlischt, bereits bei der Erstmeldung bekannt ist und in dieser genannt wurde.
7 Da die Meldepflicht auch den Betreiber eines multilateralen Handelssystems betrifft, das in Deutschland in
erster Linie in Gestalt des Freiverkehrs vorkommt (Rz. 8), der nur die Einbeziehung in den Handel kennt, ist unter Zulassung und dem Antrag auf Zulassung auch die Einbeziehung und der Antrag auf Einbeziehung in das jeweilige Marktsegment des Freiverkehrs zu verstehen. Betreiber des Freiverkehrs ist der jeweilige Träger der Börse, an dem dieser außerbörsliche Handel eingerichtet ist.
8 Meldepflichtig sind Betreiber von geregelten Märkten sowie Wertpapierfirmen und Betreiber eines multi-
lateralen oder organisierten Handelssystems. In Deutschland sind geregelte Märkte – eine Definition der geregelten Märkte findet sich in Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 13) – die regulierten Märkte der Börsen mit ihren jeweiligen Marktsegmenten (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 11; Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 14). Wertpapierfirmen sind juristische Personen, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringen und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausüben (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU, s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 8). Multilaterale Handelssysteme (Multilateral Trading Facilities – MTF) sind von Wertpapierfirmen oder Marktbetreibern (Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 12) betriebene multilaterale Systeme, die die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführen, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 RL 2014/65/EU, s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 15). Der meist an den Börsen eingerichtete Freiverkehr ist ein solches multilaterales Handelssystem (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 13; Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 16). Organisierte Handelssysteme sind multilaterale Systeme, bei denen es sich nicht um geregelte Märkte oder multilaterale Handelssysteme handelt und die die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 RL 2014/65/EU, s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 17).
9 Gegenstand der Meldung sind Finanzinstrumente, wie sie auch Gegenstand der Bestimmung des Anwen-
dungsbereichs der Marktmissbrauchsverordnung in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sind. Finanzinstrumente sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 die in Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I Abschnitt C der RL 2014/65/EU und in Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 aufgeführten Instrumente.
10 Die Meldung an die zuständigen Behörden muss nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverzüg-
lich erfolgen. Art. 1 Nr. 1 DurchfVO 2016/378 (Rz. 2) konkretisiert die Meldefrist allerdings (abweichend
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Meldungen und Liste der Finanzinstrumente | Rz. 14 Art. 4 VO Nr. 596/2014
von der auch im Kapitalmarktrecht üblichen Auslegung des Begriffs unter Rückgriff auf § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB im Sinne einer Meldung „ohne schuldhaftes Zögern“) dahingehend, dass „an jedem Handelstag bis spätestens 21.00 Uhr MEZ mithilfe automatisierter Prozesse alle Finanzinstrumente, die auf diesem Handelsplatz vor 18.00 Uhr MEZ an dem betreffenden Tag erstmals Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel waren oder zum Handel zugelassen oder gehandelt wurden (einschließlich der über sein System eingegangenen Aufträge oder Offerten) bzw. deren Handel eingestellt wurde oder deren Zulassung zum Handel auf diesem Handelsplatz erloschen ist“, gemeldet werden müssen. Für Finanzinstrumente, die nach 18:00 Uhr MEZ erstmals Gegenstand eines Antrags auf Zulassung zum Handel waren oder zum Handel zugelassen oder erstmals gehandelt wurden (einschließlich der über sein System eingegangenen Aufträge oder Offerten) bzw. deren Handel eingestellt wurde oder deren Zulassung zum Handel an diesem Handelsplatz erloschen ist, bestimmt Art. 1 Nr. 2 DurchfVO 2016/378, dass diese Finanzinstrumente bis spätestens 21.00 Uhr MEZ des nächsten Handelstags mithilfe automatisierter Prozesse an die zuständige Behörde zu melden sind.
2. Meldungen und Meldeverfahren (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014) Die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1, 2 und 4 VO Nr. 596/2014 verlangten Meldungen enthalten nach Art. 4 11 Abs. 1 Unterabs. 3 – je nach Anlass der Meldung – zum einen die die Bezeichnungen und Kennung der betreffenden Finanzinstrumente sowie zum anderen Datum und Uhrzeit des Antrags auf Zulassung zum Handel bzw. Datum und Uhrzeit der Zulassung zum Handel bzw. Datum und Uhrzeit des ersten Handelsabschlusses. Entsprechend der Ermächtigung in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 konkretisiert die DelVO 12 2016/909 (Rz. 2) die zu meldenden Angaben. Nach Art. 1 der Delegierten Verordnung beinhalten die „Meldungen zu den Finanzinstrumenten gemäß Art. 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ... alle in Tabelle 2 des Anhangs der vorliegenden Verordnung genannten Angaben zu den betreffenden Finanzinstrumenten“. Alle Detailangaben, die die Meldungen enthalten müssen, sind nach Art. 2 DurchfVO 2016/378 (Rz. 2) in dem in deren Anhang angegebenen Format und nach den dort genannten Normen in elektronischer und maschinenlesbarer Form sowie in einer einheitlichen XML-Vorlage nach der Methodik von ISO 20022 zu übermitteln. Darum müssen sich die Meldepflichtigen allerdings nur bedingt sorgen: Sie haben die Möglichkeit, ihre Mel- 13 dungen über das Portal der Melde- und Veröffentlichungsplattform (MVP Portal) der BaFin, das den vorstehend angeführten Anforderungen Rechnung trägt, bei dieser elektronisch einzureichen. Dazu führt die BaFin in ihren diesbezüglichen Mitteilungen7 aus: „Um der Verpflichtung zur Mitteilung von Referenzdaten für Finanzinstrumente sowie der Bereitstellung von Informationen zur Transparenzberechnung nachkommen zu können, müssen diese Mitteilungen und Informationen der BaFin im Wege der Datenfernübertragung im Standardformat ISO 20022 übermittelt werden. Die Meldepflichtigen sind verpflichtet, entweder selbst oder vertretend durch einen geeigneten Dritten, diese Meldepflichten bzw. Bereitstellungen zu erfüllen. Die BaFin hat eigens hierfür das elektronische Fachverfahren ‚Mitteilungen und Informationen zum Referenzsystem für Finanzinstrumente und Transparenzberechnungen (Title II MiFIR/Art. 22 + 27 MiFIR/Art. 4 MAR)‘ entwickelt und stellt dieses über das MVP Portal zur Verfügung. Dadurch ist es möglich, die unterschiedlichen Mitteilungen und Informationen mittels einem Verfahren einzureichen“. Zum vorstehend angesprochenen Fachverfahren und die zu dessen Nutzung vorzunehmende Selbstregistrierung am MVP-Portal ist auf die ausführlichen Informationen im Informationsblatt zum Fachverfahren der BaFin8 zu verweisen. Fachliche und inhaltliche Fragen können an die Adresse [email protected] und technische Fragen zum Verfahren an die Adresse [email protected] gerichtet werden. Die zuständige Behörde – das ist die BaFin – hat nach Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/909 (Rz. 2) mittels auto- 14 matisierter Verfahren zu überprüfen und zu beurteilen, ob die gem. Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 übermittelten Meldungen den Anforderungen von Art. 1 DelVO 2016/909 und Art. 2 DurchfVO 2016/378 (Rz. 2) entsprechen: Nach der letztgenannten Bestimmung sind „[a]lle Detailangaben, die die Meldungen gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 enthalten müssen“, in dem im Anhang zur DurchfVO 2016/378 angegebenen Format und nach den dort genannten Normen in elektronischer und maschinenlesbarer Form sowie in einer einheitlichen XML-Vorlage nach der Methodik von ISO 20022 zu übermitteln. 7 Mitteilungen und Informationen zum Referenzsystem für Finanzinstrumente und Transparenzberechnungen (Title II MiFIR/Art. 22 + 27 MiFIR/Art. 4 MAR), https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/Service/MVPportal/LFI/lfi_artikel.html. 8 Abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Infoblatt_zum_fachverfahren_firds_de.pdf?__blob =publicationFile&v=7.
Assmann | 55
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Art. 4 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 | Meldungen und Liste der Finanzinstrumente
III. Aufgaben der ESMA (Art. 4 Abs. 2–4 VO Nr. 596/2014) 1. Weiterleitung der Meldungen und Veröffentlichung einer Liste von Finanzinstrumenten (Art. 4 Abs. 2 und 3 VO Nr. 596/2014) 15 Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 DelVO 2016/909 (Rz. 2) leiten
die zuständigen Behörden des Handelsplatzes die empfangenen Meldungen i.S.v. Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014 unverzüglich mithilfe automatisierter Verfahren an die ESMA weiter. Auch hier enthält die DurchfVO 2016/378 (Rz. 2) eine eigene Bestimmung der Frist, in der die Weiterleitung an die ESMA zu erfolgen hat. Nach Abs. 1 Nr. 3 DurchfVO 2016/378 übermitteln die zuständigen Behörden der ESMA die ihnen zugegangenen Meldungen täglich bis spätestens 23.59 Uhr MEZ mithilfe automatisierter Verfahren und über sichere elektronische Kommunikationskanäle an die ESMA. 16 Die ESMA veröffentlicht nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 2 Unterabs. 6 DelVO 2016/ 909 (Rz. 2) diese Meldungen sofort nach Erhalt in elektronischer, herunterladbarer und maschinenlesbarer Form als Liste auf ihrer Website. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 VO Nr. 596/2014 hat die ESMA diese Liste unverzüglich bei Eingang einer Meldung von einer zuständigen Behörde des Handelsplatzes zu aktualisieren. Nach Art. 2 Unterabs. 4 DelVO 2016/909 überprüft und beurteilt die ESMA mithilfe automatisierter Verfahren, ob die eingegangenen Meldungen der zuständigen Behörden vollständig und genau sind und dem in Tabelle 3 des Anhangs zur DurchfVO 2016/378 (Rz. 2) vorgegebenen Format sowie den dort angegebenen Normen entsprechen. Stellen sich die übermittelten Angaben als unvollständig heraus oder wurden die Meldefristen nach Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2016/378 nicht eingehalten, so setzt die ESMA die zuständigen Behörden mithilfe automatisierter Verfahren unverzüglich darüber in Kenntnis. Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 DelVO 2016/909 verlangt darüber hinaus, dass die ESMA am Tag nach dem Eingang der Meldungen zu den Finanzinstrumenten gem. Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 die von allen zuständigen Behörden übermittelten Meldungen mithilfe eines automatisierten Verfahrens konsolidiert. 17 Wenn Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VO Nr. 596/2014 bestimmt, durch die Liste werde der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht eingeschränkt, so heißt dies, dass die MAR auf alle Finanzinstrumente i.S.v. und nach Art. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 DurchfVO 2016/378 (Rz. 2) anwendbar bleibt, auch wenn ein unter diese Vorschriften fallendes Finanzinstrument nicht in der ESMA-Liste aufgeführt ist9. 18 Art. 4 Abs. 3 lit. a–d VO Nr. 596/2014 führt auf, welche Informationen die Liste enthalten muss. Abs. 3 lit. b war Gegenstand einer Berichtigung in ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320, 321.
2. Auftrag an die ESMA und Ermächtigung der Kommission nach Art. 4 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 19 Der in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 sowie Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 erteilte Auftrag an
die ESMA ist erfüllt worden und die Kommission hat von der ihr in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 5 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht. S. dazu die Hinweise in Rz. 2.
Art. 5 VO Nr. 596/2014 Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen (1) Die in den Artikeln 14 und 15 dieser Verordnung festgeschriebenen Verbote gelten nicht für den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen, wenn a) die Einzelheiten des Programms vor dem Beginn des Handels vollständig offengelegt werden, b) Abschlüsse der zuständigen Behörde des Handelsplatzes gemäß Absatz 3 als Teil des Rückkaufprogramms gemeldet und anschließend öffentlich bekanntgegeben werden, c) in Bezug auf Kurs und Volumen angemessene Grenzen eingehalten werden und d) er im Einklang mit den in Absatz 2 genannten Zielen und den in dem vorliegenden Artikel festgelegten Bedingungen und den in Absatz 6 genannten technischen Regulierungsstandards durchgeführt wird. 9 Erwägungsgrund 9 VO Nr. 596/2014 (a.E.). Auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil, Rz. 316.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Art. 5 VO Nr. 596/2014
(2) Um in den Genuss der in Absatz 1 vorgesehenen Ausnahme zu gelangen, muss ein Rückkaufprogramm als seinen einzigen Zweck haben: a) das Kapital eines Emittenten zu reduzieren, b) die aus einem Schuldtitel entstehenden Verpflichtungen zu erfüllen, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können, oder c) die aus einem Belegschaftsaktienprogramm oder anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter oder Angehörige der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane des Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen entstehenden Verpflichtungen zu erfüllen. (3) Um in den Genuss der in Absatz 1 vorgesehenen Ausnahme zu gelangen, muss der Emittent der für den Handelsplatz, auf dem seine Aktien zum Handel zugelassen wurden bzw. gehandelt werden, zuständigen Behörde des Handelsplatzes jedes mit Rückkaufprogrammen zusammenhängender Geschäft, einschließlich der in Artikel 25 Absätze 1 und 2 und Artikel 26 Absätze 1, 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 genannten Informationen, melden. (4) Die in den Artikeln 14 und 15 dieser Verordnung festgeschriebenen Verbote gelten nicht für den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren, wenn a) die Dauer der Stabilisierungsmaßnahme begrenzt ist, b) relevante Informationen zur Stabilisierung offengelegt und der zuständigen Behörde des Handelsplatzes gemäß Absatz 5 gemeldet werden, c) in Bezug auf den Kurs angemessene Grenzen eingehalten werden und d) ein solcher Handel den Bedingungen für die Stabilisierung gemäß den technischen Regulierungsstandards gemäß Absatz 6 entspricht. (5) Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 1 teilen Emittenten, Bieter oder Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, unabhängig davon, ob sie im Namen Ersterer handeln oder nicht, der zuständigen Behörde des Handelsplatzes spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung dieser Maßnahmen die Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen mit. (6) Zur durchgängigen Harmonisierung dieses Artikels arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen die bei den Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen nach Absatz 1 und 4 einzuhaltenden Bedingungen präzisiert werden, darunter Handelsbedingungen, Beschränkungen der Dauer und des Volumens, Bekanntgabe- und Meldepflichten sowie Kursbedingungen. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Delegierte Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission vom 8. März 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen Art. 1 Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) „programmiertes Rückkaufprogramm“ ist ein Rückkaufprogramm, bei dessen Bekanntgabe Termine und Volumen der Aktien, die während der Laufzeit des Programms gehandelt werden sollen, festgelegt werden; b) „angemessene Bekanntgabe“ ist die Veröffentlichung von Informationen in einer Art und Weise, die der Öffentlichkeit einen schnellen Zugriff darauf und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung dieser Informationen nach Maßgabe der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 der Kommission ermöglicht, und gegebenenfalls unter Verwendung des amtlich bestellten Systems gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates; c) „Bieter“ ist der Vorbesitzer oder Emittent der Wertpapiere; d) „Zuteilung“ ist das Verfahren oder die Menge der Verfahren, in dem bzw. denen festgelegt wird, wie viele relevante Wertpapiere jeder Anleger, der diese zuvor gezeichnet oder beantragt hat, erhält; e) „ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahme“ ist eine Überzeichnung oder die Ausübung einer Greenshoe-Option durch ein Wertpapierhaus oder Kreditinstitut, die im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots von Wertpapieren ausschließlich der Vereinfachung der eigentlichen Kursstabilisierungsmaßnahme dient;
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen f) „Überzeichnung“ ist eine Klausel im Emissions- bzw. Garantievertrag, die es erlaubt, Zeichnungs- oder Kaufangebote für Wertpapiere über die ursprünglich geplante Menge hinaus anzunehmen; g) „Greenshoe-Option“ ist eine Überzeichnungsreserve, die der Bieter einem Wertpapierhaus bzw. den Wertpapierhäusern oder einem Kreditinstitut bzw. den Kreditinstituten im Rahmen des Zeichnungsangebots zugesteht, bei der diese Häuser bzw. Institute innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Emission der Wertpapiere eine bestimmte Menge dieser Wertpapiere zum Ausgabekurs erwerben können. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 2 Bekanntgabe- und Meldepflichten (1) Um in den Genuss der Ausnahme nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu kommen, sorgt der Emittent vor Beginn des Handels im Rahmen eines nach Artikel 21 Absatz 1 der Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zulässigen Rückkaufprogramms für eine angemessene Bekanntgabe folgender Informationen: a) Zweck des Programms gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014; b) größtmöglicher Geldbetrag, der für das Programm zugewiesen wird; c) Höchstzahl der zu erwerbenden Aktien; d) Zeitraum, für den das Programm genehmigt wurde (im Folgenden „Dauer des Programms“). Der Emittent gewährleistet eine angemessene Bekanntgabe nachfolgender Änderungen beim Programm und bei den Informationen, die bereits entsprechend Unterabsatz 1 veröffentlicht wurden. (2) Der Emittent verfügt über Mechanismen, die ihm die Erfüllung der Meldepflichten gegenüber der zuständigen Behörde und die Erfassung aller mit einem Rückkaufprogramm zusammenhängenden Geschäfte ermöglichen, wozu auch die in Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Informationen gehören. Der Emittent meldet der zuständigen Behörde jedes Handelsplatzes, auf dem die Aktien zum Handel zugelassen sind bzw. gehandelt werden, spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung des Geschäfts alle mit dem Rückkaufprogramm zusammenhängenden Geschäfte in detaillierter Form sowie in aggregierter Form. Bei der aggregierten Form werden das aggregierte Volumen und der gewichtete Durchschnittskurs pro Tag und pro Handelsplatz angegeben. (3) Der Emittent gewährleistet, dass die in Absatz 2 genannten Informationen zu den mit Rückkaufprogrammen zusammenhängenden Geschäften spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung solcher Geschäfte angemessen bekanntgegeben werden. Darüber hinaus veröffentlicht der Emittent die bekanntgegebenen Geschäfte auf seiner Website und sorgt dafür, dass die Informationen ab dem Tag der angemessenen Bekanntgabe mindestens fünf Jahre öffentlich zugänglich bleiben. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 3 Handelsbedingungen (1) Um in den Genuss der Ausnahme nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu kommen, müssen Geschäfte im Zusammenhang mit Rückkaufprogrammen folgende Bedingungen erfüllen: a) Die Aktien werden vom Emittenten auf einem Handelsplatz gekauft, auf dem sie zum Handel zugelassen sind oder gehandelt werden; b) im Falle von Aktien, die auf einem Handelsplatz kontinuierlich gehandelt werden, erfolgt keine Auftragserteilung während einer Auktionsphase, und die vor Beginn einer Auktionsphase erteilten Aufträge werden während dieser Phase nicht geändert; c) im Falle von Aktien, die auf einem Handelsplatz ausschließlich durch Auktionen gehandelt werden, werden die Aufträge vom Emittenten während der Auktion erteilt und geändert, sofern die anderen Marktteilnehmer ausreichend Zeit haben, darauf zu reagieren. (2) Um in den Genuss der Ausnahme nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu kommen, dürfen Emittenten, wenn sie Geschäfte im Rahmen eines Rückkaufprogramms tätigen, Aktien nicht zu einem Kurs erwerben, der über dem des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) über dem des derzeit höchsten unabhängigen Angebots auf dem Handelsplatz, auf dem der Kauf stattfindet, liegt, was auch dann gilt, wenn die Aktien auf unterschiedlichen Handelsplätzen gehandelt werden. (3) Um in den Genuss der Ausnahme nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu kommen, dürfen Emittenten, wenn sie Geschäfte im Rahmen eines Rückkaufprogramms tätigen, an einem Handelstag nicht mehr als 25 % des durchschnittlichen täglichen Aktienumsatzes auf dem Handelsplatz, auf dem der Kauf erfolgt, erwerben. Für die Zwecke von Unterabsatz 1 beruht der durchschnittliche Tagesumsatz auf dem durchschnittlichen täglichen Handelsvolumen in einem der beiden folgenden Zeiträume: a) dem Monat vor dem Monat, in dem die laut Artikel 2 Absatz 1 geforderte Bekanntgabe erfolgt; der so festgelegte Wert wird im Rückkaufprogramm angeführt und gilt für die Dauer des Programms; b) den 20 Börsentagen vor dem Kauftermin, wenn im Programm nicht auf diesen Wert Bezug genommen wird. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34).
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Art. 5 VO Nr. 596/2014 Art. 4 Handelsbeschränkungen (1) Um in den Genuss der Ausnahme nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu kommen, sieht der Emittent während der Dauer von Rückkaufprogrammen von Folgendem ab: a) dem Verkauf eigener Aktien; b) dem Handel während des geschlossenen Zeitraums, der in Artikel 19 Absatz 11 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannt wird; c) dem Handel, soweit der Emittent beschlossen hat, die Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absatz 4 oder 5 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 aufzuschieben. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn a) der Emittent ein programmiertes Rückkaufprogramm durchführt oder b) das Rückkaufprogramm unter Führung eines Wertpapierhauses oder Kreditinstituts durchgeführt wird, das seine Entscheidungen über den Zeitpunkt des Erwerbs von Aktien des Emittenten unabhängig von diesem trifft. (3) Absatz 1 Buchstabe a findet keine Anwendung, wenn der Emittent ein Wertpapierhaus oder Kreditinstitut ist und für den Handel mit eigenen Aktien angemessene und wirksame, der Aufsicht der zuständigen Behörde unterliegende interne Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten hat, um gegenüber Personen, die für Entscheidungen über den Handel mit eigenen Aktien zuständig sind, im Falle des Handels mit eigenen Aktien auf der Grundlage einer solchen Entscheidung die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen durch Personen zu verhindern, die Zugang zu direkt oder indirekt den Emittenten betreffende Insiderinformationen haben. (4) Absatz 1 Buchstaben b und c finden keine Anwendung, wenn der Emittent ein Wertpapierhaus oder Kreditinstitut ist und für den Handel mit eigenen Aktien angemessene und wirksame, der Aufsicht der zuständigen Behörde unterliegende interne Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten hat, um gegenüber Personen, die für den Handel mit eigenen Aktien im Namen von Kunden zuständig sind, im Falle des Handels mit eigenen Aktien im Namen jener Kunden die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen durch Personen zu verhindern, die Zugang zu direkt oder indirekt den Emittenten betreffende Insiderinformationen (einschließlich Erwerbsentscheidungen im Rahmen des Rückkaufprogramms) haben. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 5 Bedingungen hinsichtlich des Stabilisierungszeitraums (1) Bei Aktien und Aktien entsprechenden Wertpapieren beginnt der in Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannte begrenzte Zeitraum (im Folgenden „Stabilisierungszeitraum“) a) im Falle eines signifikanten Zeichnungsangebots in Form einer öffentlich angekündigten Erstplatzierung an dem Tag, an dem der Handel mit den Wertpapieren auf dem betreffenden Handelsplatz aufgenommen wird, und endet spätestens nach 30 Kalendertagen; b) im Falle eines signifikanten Zeichnungsangebots in Form einer Zweitplatzierung an dem Tag, an dem der Schlusskurs der Wertpapiere angemessen bekannt gegeben wird, und endet spätestens 30 Kalendertage nach dem Zuteilungsdatum. (2) Für die Zwecke von Absatz 1 Buchstabe a gilt Folgendes: Findet die öffentlich angekündigte Erstplatzierung in einem Mitgliedstaat statt, in dem das Wertpapier bereits vor Aufnahme des Handels auf einem Handelsplatz gehandelt werden darf, beginnt der Stabilisierungszeitraum an dem Tag, an dem der Schlusskurs der Wertpapiere angemessen bekannt gegeben wird, und endet spätestens nach 30 Kalendertagen. Dieser Handel erfolgt unter Einhaltung der geltenden Vorschriften des Handelsplatzes, auf dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen werden sollen, einschließlich etwaiger Bekanntgabe- und Meldevorschriften. (3) Bei Schuldverschreibungen und anderen verbrieften Schuldtiteln einschließlich verbrieften Schuldtiteln, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt oder umgetauscht werden können, beginnt der Stabilisierungszeitraum an dem Tag, an dem die Konditionen des Angebots der Wertpapiere angemessen bekannt gegeben wurden, und endet spätestens 30 Kalendertage nach dem Tag, an dem der Emittent der Titel den Emissionserlös erhalten hat, oder – sollte dies früher eintreten – spätestens 60 Kalendertage nach der Zuteilung der Wertpapiere. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 6 Bekanntgabe- und Meldepflichten (1) Vor Beginn der Erst- oder Zweitplatzierung der Wertpapiere gibt die gemäß Absatz 5 ernannte Person in angemessener Weise bekannt, a) dass eine Kursstabilisierungsmaßnahme nicht zwingend erfolgen muss und dass sie jederzeit beendet werden kann; b) dass Stabilisierungsmaßnahmen auf die Stützung des Marktkurses der Wertpapiere während des Stabilisierungszeitraums abzielen; c) wann der Zeitraum, innerhalb dessen die Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt werden könnte, beginnt und endet; d) welches Unternehmen für die Durchführung der Stabilisierungsmaßnahme zuständig ist – sollte dies zum Zeitpunkt der Bekanntgabe noch nicht feststehen, so ist diese Information vor Beginn der Stabilisierungsmaßnahme angemessen bekannt zu geben; e) ob die Möglichkeit einer Überzeichnung oder Greenshoe-Option besteht und wie viele Wertpapiere von dieser Überzeichnung oder Option maximal abgedeckt werden, in welchem Zeitraum die Greenshoe-Option ausgeübt werden kann und welche Voraussetzungen gegebenenfalls für eine Überzeichnung oder die Ausübung der Greenshoe-Option erfüllt sein müssen; und
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen f) an welchem Ort die Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt werden kann, wobei gegebenenfalls auch der Name des Handelsplatzes bzw. die Namen der Handelsplätze anzugeben sind. (2) Während des Stabilisierungszeitraums gewährleisten die gemäß Absatz 5 ernannten Personen die angemessene Bekanntgabe der Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung dieser Maßnahmen. (3) Innerhalb einer Woche nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums gibt die nach Absatz 5 ernannte Person in angemessener Weise bekannt, a) ob eine Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt wurde oder nicht; b) zu welchem Termin mit der Kursstabilisierung begonnen wurde; c) zu welchem Termin die letzte Kursstabilisierungsmaßnahme erfolgte; d) innerhalb welcher Kursspanne die Stabilisierung erfolgte (für jeden Termin, zu dem eine Kursstabilisierungsmaßnahme durchgeführt wurde); e) an welchem Handelsplatz bzw. welchen Handelsplätzen die Kursstabilisierungsmaßnahmen erfolgten, sofern zutreffend. (4) Um der Mitteilungspflicht nach Artikel 5 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 nachzukommen, zeichnen die Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, unabhängig davon, ob sie im Namen des Emittenten oder des Bieters handeln oder nicht, alle Kursstabilisierungsaufträge und -transaktionen bei Wertpapieren und verbundenen Instrumenten entsprechend Artikel 25 Absatz 1 sowie Artikel 26 Absatz 1, 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (7) auf. Die Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, melden unabhängig davon, ob sie im Namen des Emittenten oder des Bieters handeln oder nicht, alle durchgeführten Kursstabilisierungstransaktionen bei Wertpapieren und verbundenen Instrumenten a) der zuständigen Behörde an jedem Handelsplatz, an dem die unter die Stabilisierungsmaßnahme fallenden Wertpapiere zum Handel zugelassen sind oder gehandelt werden; b) der zuständigen Behörde an jedem Handelsplatz, an dem Transaktionen bei verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung von Wertpapieren durchgeführt werden. (5) Der Emittent, der Bieter und alle Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, sowie in ihrem Auftrag handelnde Personen, ernennen einen von ihnen als zentrale Stelle, die verantwortlich ist für a) die Bekanntgabepflichten nach den Absätzen 1, 2 und 3; und b) die Bearbeitung von Ersuchen der in Absatz 4 genannten zuständigen Behörden. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 7 Kursbedingungen (1) Im Falle eines Zeichnungsangebots für Aktien oder Aktien entsprechende Wertpapiere darf die Kursstabilisierung der Wertpapiere unter keinen Umständen zu einem höheren Kurs als dem Emissionskurs erfolgen. (2) Im Falle eines Zeichnungsangebots für verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt oder umgetauscht werden können, darf die Stabilisierung dieser Schuldtitel unter keinen Umständen zu einem höheren Kurs erfolgen als dem Marktkurs dieser Instrumente zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der endgültigen Modalitäten des neuen Angebots. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 8 Bedingungen für ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahmen Ergänzende Kursstabilisierungsmaßnahmen werden nach Maßgabe der Artikel 6 und 7 vorgenommen und entsprechen den folgenden Bedingungen: a) eine Überzeichnung von Wertpapieren erfolgt nur innerhalb der Zeichnungsfrist und zum Emissionskurs; b) eine aus einer Überzeichnung resultierende und nicht durch die Greenshoe-Option abgedeckte Position eines Wertpapierhauses oder eines Kreditinstituts überschreitet nicht 5 % des ursprünglichen Angebots; c) die Greenshoe-Option wird von den Begünstigten einer solchen Option nur im Rahmen einer Überzeichnung der Wertpapiere ausgeübt; d) die Greenshoe-Option überschreitet nicht 15 % des ursprünglichen Angebots; e) der Zeitraum, in dem die Greenshoe-Option ausgeübt werden darf, deckt sich mit dem Kursstabilisierungszeitraum nach Artikel 5; f) die Öffentlichkeit wird unverzüglich und in allen angemessenen Einzelheiten über die Ausübung der GreenshoeOption unterrichtet, insbesondere über den Zeitpunkt der Ausübung und die Zahl und Art der relevanten Wertpapiere. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34). Art. 9 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 8.3.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34).
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Art. 5 VO Nr. 596/2014 Schrifttum: Juristisches Schrifttum: Arnold, Beteiligungen von Investmentgesellschaften und Hedgefonds an börsennotierten Gesellschaften, ZHR 185 (2021), 281; Bayer/Hoffmann/Weinmann, Kapitalmarktreaktionen bei Ankündigung des Rückerwerbs eigener Aktien über die Börse, ZGR 2007, 457; Bezzenberger, Erwerb eigener Aktien durch die AG, 2002; Bingel, Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen, 2007; Bisson/Kunz, Die Kursund Marktpreismanipulation nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 18.10.2004 und der Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation vom 1.3.2005, BKR 2005, 186; Bredow/ Sickinger/Weinand-Härer/Liebscher, Rückkauf von Mittelstandsanleihen, BB 2012, 2134; Bueren, Kopplung und Kursstabilisierung bei Neuemissionen zwischen Kapitalmarkt- und Kartellrecht, WM 2013, 585; Busch, Refreshing the Shoe, in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211; Caspari, Das geplante Insiderrecht in der Praxis, ZGR 1994, 530; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Eichhorn/Schanz, „Deutsche“ SPAC unter gesellschafts- und aufsichtsrechtlichen Aspekten, RdF 2021, 186; Ekkenga, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigem Recht, WM 2002, 317; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, 2006; El-Qalqili/Offinger, Zebras, Einhörner und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung nachhaltiger Start-ups, BKR 2021, 86; Fida, Mehrzuteilung und Greenshoe-Option aus gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Sicht, ÖBA 2005, 43; Fleischer, Statthaftigkeit und Grenzen der Kursstabilisierung, ZIP 2003, 2045; Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, 2016; Geber/zur Megede, Aktienrückkauf – Theorie und Kapitalmarktpraxis unter Beachtung der 'Safe-harbor-Verordnung' (EG Nr. 2273/2003), BB 2005, 1861; Groß, Kursstabilisierung – Zur Reichweite der Safe Harbour-Regeln der §§ 14 Abs. 2 und 20a Abs. 3 WpHG, in GS Bosch, 2006, S. 49; Grüger, Kurspflege – Zulässige Kurspflegemaßnahmen oder verbotene Kursmanipulation, 2006; Grüger, Kurspflegemaßnahmen durch Banken – Zulässige Marktpraxis oder Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 WpHG, BKR 2007, 437; Günther, Special Purpose Acquisition Companies und die Ineffizienz des Kapitalsystems, 2021; Habersack/ Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2019; Häller/Roggemann, Publizitätspflichten beim Rückerwerb eigener Aktien zur Mitarbeitervergütung und Einziehung, NZG 2019, 1005; Hansen, EBLR 15 (2004), 183; Hell, The SPACs are back – Unternehmensfinanzierung durch Special Purpose Acquisition Companies, BKR 2021, 26; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz – Die Veränderungen im WpHG, VerkProspG und BörsG und ihre Auswirkungen in der Praxis, WM 2004, 1948; Hopt/Waschkeit, Stabilisation and Allotment – A European Supervisory Approach – Stellungnahme zum FESCO-Konsultationsdokument vom 15.9.2000, in FS Lorenz, 2001, S. 147; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996; Krämer/Hess, Zulässigkeit und Grenzen der Kursstabilisierung bei Aktienplatzierungen, in FG Döser, 1999, S. 171; Koch-Schulte/de Toma, „Sweet Equity“: Zur disproportionalen Zeichnung von Kapitalinstrumenten bei Managementbeteiligungen, BB 2021, 215; Kuthe in Kuthe/Rückert/Sickinger (Hrsg.), Compliance-Handbuch Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2008, Kap. 9; Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022; Langenbucher, Kommunikation als Governance-Instrument in der börsennotierten Aktiengesellschaft, ZHR 185 (2021), 414; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, 2000; Lenzen, Das neue Recht der Kursmanipulation, ZBB 2002, 279; Leppert/Stürwald, Aktienrückkauf und Kursstabilisierung – Die Safe Harbour-Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 und der KuMaKV, ZBB 2004, 302; S. Lombardo, The stabilisation of the share of IPOs in the United States and the European Union, EBOR 2007, 521; Maume/Fromberger, Die Blockchain-Aktie, ZHR 185 (2021), 507; Meissner, Die Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen im Kapitalmarkt- und Aktienrecht, 2005; Meyer, Neue Entwicklungen bei der Kursstabilisierung, AG 2004, 289; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3rd edition 2014; Möller, Die Neuregelung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2002, 309; Neurath, Beschleunigter Aktienrückkauf bald auch in Deutschland?, AG 2019, 634; Oechsler, Das Verbot der Marktmanipulation durch Aktienrückkauf im Licht der neueren Kritik an der klassischen Kapitalmarkttheorie, in GS Wolf, 2011, S. 291; Park, Kapitalmarktstrafrecht, 5. Aufl. 2020; Pfüller/Anders, Die Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation, WM 2003, 2445; Rieckers, Ermächtigung des Vorstands zu Erwerb und Einziehung eigener Aktien, ZIP 2009, 700; Schäfer, Zulässigkeit und Grenzen der Kurspflege, WM 1999, 1345; Schäfer, Marktpflege im Primär- und Sekundärmarkt und das Recht zur Verhinderung von Börsenkursmanipulationen, in Schwintowski (Hrsg.), Entwicklungen im deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht, 2001, S. 63; Schalast/Geurts/Türkmen, SPACs: Mode, Boom oder doch ein „Must habe“?, BB 2021, 1283; Schanz, SPACs – Neue Finanzierungsform und deutsches Recht, NZG 2011, 1407; Schanze, Eigene Aktien – Recht und Ökonomik, in FS Nobel, 2005, S. 999; Schlitt/Schäfer, Quick to Market – Aktuelle Rechtsfragen im Zusammenhang mit Block-Trade-Transaktionen, AG 2004, 246; Schlitt/Singhof/Schäfer, Aktuelle Rechtsfragen und neue Entwicklungen im Zusammenhang mit Börsengängen, BKR 2005, 251; de Schmidt, Neufassung des Verbots der Marktmanipulation durch MAR und CRIM-MAD, RdF 2016, 4; Schockenhoff/Wagner, Ad-hoc-Publizität beim Aktienrückkauf, AG 1999, 548; Seibt/Bremkamp, Erwerb eigener Aktien und Ad-hoc Publizitätspflicht, AG 2008, 469; Selzner, SPAC Transaktionen in Deutschland, ZHR 174 (2010), 318; Sieder/Baumgartner, Direct Listing – Alternative zum klassischen Börsengang, ZBB 2020, 372; Singhof/Weber, Neue kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb eigener Aktien, AG 2005, 549; Streinz/Ohler, 20a WpHG in rechtsstaatlicher Perspektive – europa- und verfassungsrechtliche Anforderungen an das Verbot von Kurs- und Marktpreismanipulationen, WM 2004, 1309; Swalve, Special Purpose Acquisition Companies: Der alternative Weg an die Börse in Deutschland und den USA, NZG 2021, 909; Tountopoulos, Rückkaufprogramme und Safe-Harbor-Regelungen im Europäischen Kapitalmarktrecht, EWS 2012, 449; Vogel, Kurspflege: Zulässige Kurs- und Marktpreisstabilisierung oder straf- bzw. ahndbare Kurs- und Marktpreismanipulation?, WM 2003, 2437; Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 2007; Weitzell, SPACs – Wo lauern die kapitalmarktstrafrechtlichen Risiken, NZG 2021, 1145; Widder, Masterpläne, Aktienrückkaufprogramme und das Spector-Urteil des EUGH bei M&A Transaktionen, BB 2010, 515; Weitzell, Refreshing the shoe – Strafbare Marktmanipulation?, NZG 2017, 411; Wellerdt/Stolz, Exchange Traded Notes – wie Bitcoin zu einem regulierten Wertpapier werden, BKR 2021, 479; Wucherer/Zickgraf, Dividenden und Aktienrückkäufe: Rechtsökonomischer Hintergrund und Handlungsspielräume des Vorstands in der Krise, ZGR 2021, 259.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Ökonomisches Schrifttum: Aktienrückkäufe: Babenko/Tserlukevich/Vedrashko, The credibility of open market share repurchase signaling, Journal of Financial and Quantitative Analysis 47 (2012), 1059; Bagwell, Share repurchase and takeover deterrence, RAND Journal of Economics 22 (1991), 72; Bessler/Drobetz/Seim, Motives and valuation effects of share repurchase announcements in Germany: A comparison of established firms and initial public offerings, Justus Liebig University Working Paper 2009; Chan/Ikenberry/Lee/Wang, Share Repurchases as a Tool to Mislead Investors, Journal of Corporate Finance 16 (2010), 137; Cudd/Duggal/Sarkar, Share repurchase motives and stock market reaction, Quarterly Journal of Business and Economics 111 (1996), 66; Elton/Gruber, The effect of share repurchase on the value of the firm, Journal of Finance 23 (1968), 135; Grullon/Ikenberry, What do we know about stock repurchases?, Journal of Applied Corporate Finance 13 (2000), 31; Gay/Kale/Noe, Share repurchase mechanisms: a comparative analysis of efficacy, shareholder wealth, and corporate control effects, Financial Management 20 (1991), 44; Grullon/Michaely, The information content of share repurchase programs, Journal of Finance 59 (2004), 651; Hackethal/Zdantchouk, Share Buy-Backs in Germany: Overreaction to Weak Signals, 2004; Hackethal/Zdantchouk, Signaling power of open market share repurchases in Germany, Financial Markets and Portfolio Management 20 (2006), 123; Ikenberry/ Lakonishok/Vermaelen, Market underreaction to open market share repurchases, Journal of Financial Economics 39 (1995), 181; Jun/Jung/Walkling, Share repurchase, executive options and wealth changes to stockholders and bondholders, Journal of Corporate Finance 15 (2009), 212; Lie, Operating performance following open market share repurchase announcements, Journal of Accounting and Economics 39 (2005), 411; Miller/McConnell, Open-market share repurchase programs and bid-ask spreads on the NYSE: Implications for corporate payout policy, Journal of Financial and Quantitative Analysis 30 (1995), 365; Seifert/Stehle, Stock performance around share repurchase announcements in Germany, 2005; Stephens/Weisbach, Actual share reacquisitions in open-market repurchase programs, Journal of Finance 53 (1998), 313; Weigand/Baker, Changing perspectives on distribution policy: The evolution from dividends to share repurchase, Managerial Finance 35 (2009), 479; Zhang, Share price performance following actual share repurchases, Journal of Banking & Finance 29 (2005), 1887. 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I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
III. Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik auf Verordnungsebene – Verhältnis zu Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 . 2. Konkretisierende Rechtsakte auf Tertiärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis der beiden safe harbour zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 8 10 11
4. Verhältnis zur zulässigen Marktpraxis . . . . 5. Verhältnis zu anderen Regelungsmaterien . a) Rückkaufprogramme . . . . . . . . . . . . . . . b) Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . IV. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückkaufprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . V. Dogmatische Einordnung der beiden safe harbours . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 2 Art. 5 VO Nr. 596/2014 VI. Rückkaufprogramme (Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich des safe harbour für Rückkaufprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . b) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . c) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . d) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen des safe harbour für Rückkaufprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einklang des Rückkaufprogramms mit den Art. 60 Abs. 1 RL 2017/1132 . . . . . . . b) Allgemeine Anforderungen an den safe harbour (Art. 5 Abs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014) aa) Offenlegung der Einzelheiten des Programms vor dem Beginn des Handels (Art. 5 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) . bb) Meldung und öffentliche Bekanntgabe der Abschlüsse (Art. 5 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . cc) Einhaltung angemessener Grenzen beim Handel (Art. 5 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Legitime Zwecke des Rückkaufprogramms (Art. 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 VO Nr. 596/2014) aa) Reduzierung des Kapitals eines Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erfüllung der aus einem Schuldtitel entstehenden Verpflichtungen, die in Eigenkapital umgewandelt werden können . cc) Erfüllung der Verbindlichkeiten, die aus einem Belegschaftsaktienprogramm oder einer anderen Form der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter oder Angehörige der Verwaltungs-, Leitungsoder Aufsichtsorgane des Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen erwachsen . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 31 33 33 38 39 40
VII. 1. 2.
41 42
3.
44 45 50 57 61 63 64
4. VIII. 1. 2. 3.
66
4. IX.
d) Weitere Handelsbedingungen und Handelsbeschränkungen (Art. 5 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabilisierungsmaßnahmen (Art. 5 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich des safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . b) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . c) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . d) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . Anforderungen an allgemeine Stabilisierungsmaßnahmen (Art. 5 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stabilisierungszeitraum (Art. 5 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Kursstützung (Art. 5 Abs. 4, Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . c) Publizitäts-, Dokumentations- und Organisationspflichten (Art. 5 Abs. 4 lit. b, Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . d) Einhaltung angemessener Grenzen hinsichtlich des Kurses . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen ergänzender Stabilisierungsmaßnahmen (Mehrzuteilung und Greenshoe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jenseits der safe harbour liegende Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückkaufprogramme jenseits des Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . Stabilisierungsmaßnahmen jenseits des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . Weitere Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkretisierungsbefugnis (Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 78 78 80 80 85 87 88 89 90 96 97 106 108 117 117 119 121 126 128
I. Regelungsgegenstand Der Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Kursstabilisierung von Wertpapieren 1 ebenso wie der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen kann aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt sein und soll nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers innerhalb enger Grenzen von den Marktmissbrauchsverboten ausgenommen sein, sofern die Maßnahmen insbesondere hinreichend transparent durchgeführt werden (Erwägungsgrund 12 VO Nr. 596/2014). In diesem Sinne ist Art. 5 VO Nr. 596/2014 eine Ausnahmebestimmung (safe harbour) für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen und bestimmt die Voraussetzungen, unter denen bestimmte Verhaltensweisen nicht von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 erfasst werden. Der Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014 legt die Anforderungen des safe harbour für Rückkaufprogrammfe 2 fest. Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 als die eigentliche Ausnahmebestimmung wird durch Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und die nach Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 durch die Europäische Kommission erlassenen technischen Regulierungsstandards in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 (DelVO 2016/1052) weiter präzisiert. Gem. Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 gelten die Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/ 2014 nicht für den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen, bei denen die Einzelheiten des Programms vor dem Beginn des Handels vollständig offengelegt werden (lit. a), Abschlüsse der zuständigen Behörde des Handelsplatzes gem. Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 als Teil des Rückkaufprogramms gemeldet und anschließend öffentlich bekanntgegeben werden (lit. b), in Bezug auf Kurs und Volumen angemessene – durch die technischen Regulierungsstandards konkretisierte – Grenzen eingehalten werden (lit. c), und das Rückkaufprogramm einen der drei in Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 genannten Mülbert/Sajnovits | 63
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Zwecke verfolgt sowie im Einklang mit den Bedingungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 und der auf Grundlage dessen Abs. 6 erlassenen technischen Regulierungsstandards durchgeführt wird (lit. d). Alleinige legitime Zwecke eines Rückkaufprogramms sind nach Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 die folgenden drei: Reduktion des Kapitals eines Emittenten (lit. a), Erfüllung der aus einem Schuldtitel entstehenden Verpflichtungen, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können (lit. b) oder Erfüllung der aus einem Belegschaftsaktienprogramm oder anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter oder Angehörige der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane des Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen entstehenden Verpflichtungen (lit. c). Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 konkretisiert die Pflicht zur Meldung an die zuständige Behörde nach Art. 5 Abs. 1 lit. b Alt. 1 VO Nr. 596/2014. 3 Art. 5 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 legt die Anforderungen des safe harbour für Stabilisierungsmaßnah-
men fest. Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 als die eigentliche Ausnahmebestimmung wird durch Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 und die nach Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 durch die Europäische Kommission erlassenen technischen Regulierungsstandards in der DelVO 2016/1052 weiter konkretisiert. Nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 gelten die Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 nicht für den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren, wenn die Dauer der Stabilisierungsmaßnahme begrenzt ist (Art. 5 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014), relevante Informationen zur Stabilisierung offengelegt und der zuständigen Behörde des Handelsplatzes gem. Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 gemeldet werden (Art. 5 Abs. 4 lit. b VO Nr. 596/2014), in Bezug auf den Kurs angemessene – durch die technischen Regulierungsstandards konkretisierte – Grenzen eingehalten werden (Art. 5 Abs. 4 lit. c VO Nr. 596/2014) und der Handel den weiteren Bedingungen für die Stabilisierung gem. den technischen Regulierungsstandards nach Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 entspricht (Art. 5 Abs. 4 lit. d VO Nr. 596/2014). Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 konkretisiert die Pflicht zur Meldung an die zuständige Behörde nach Art. 5 Abs. 4 lit. b Alt. 2 VO Nr. 596/2014.
4 Safe harbours als Bestimmungen des objektiven Rechts sind verbindlich und zwingend in dem Sinne, dass
sie einen Verstoß gegen Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 selbst dann ausschließen, wenn ein Rechtsanwender meinen sollte, es liege ein nach allgemeiner Gesetzesauslegung tatbestandsmäßiges Verhalten vor. Auf der anderen Seite sind sie nicht in dem Sinne abschließend, dass ihren Anforderungen nicht genügende Marktverhaltensweisen per se eine verbotene Marktmanipulation darstellen würden1. Erwägungsgrund 11 VO Nr. 596/2014 formuliert eindeutig, dass der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Kurses von Finanzinstrumenten, für die die Ausnahmen nach Art. 5 VO Nr. 596/2014 nicht gelten, nicht bereits als solche als Marktmissbrauch gewertet werden sollen. In derartigen Fällen kommt den Marktteilnehmern, die sich außerhalb eines anerkannten safe harbour bewegen, dessen tatbestandsausschließende Wirkung allerdings nicht zugute, und sie laufen damit Gefahr, dass die jeweils zuständige Behörde oder Gerichte einen verbotenen und ggf. straf- oder sonst ahndbaren Verstoß gegen das Insiderhandels- bzw. das Marktmanipulationsverbot feststellen (Rz. 117 ff.).
II. Entstehungsgeschichte 5 Die Zulässigkeit von Kursstabilisierungsmaßnahmen wurde schon vor der erstmaligen ausdrücklichen Statu-
ierung eines safe harbour im Zusammenhang mit dem Verbot des Kursbetrugs gem. § 88 BörsG a.F. und später auch vor dem Hintergrund des Insiderhandelsverbots2 diskutiert. Zu § 88 BörsG wurde ganz überwiegend vertreten, dass es sich bei Kurspflegemaßnahmen, wozu auch der Rückerwerb eigener Aktien gerechnet wurde, um ein zulässiges Vorgehen handeln könne, soweit es sich um eine gängige Marktpraxis handele3. Der historische Gesetzgeber war von ihrer Legalität ausgegangen4 und zahlreiche Rechtsvorschriften setzten die Zulässigkeit jedenfalls implizit voraus5. Rechtssicherheit für die Durchführung bestimmter Stabilisie1 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.4., S. 85; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 1, 26; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 15; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.12; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 349; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 16; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 8; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 3; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 206. 2 S. etwa Schäfer, WM 1999, 1345, 1350 f.; Caspari, ZGR 1994, 530, 544. 3 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 112 m.N. zum älteren Schrifttum. 4 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 112 m.N. zum älteren Schrifttum. 5 S. nur Groß, Kapitalmarktrecht, 1. Aufl. 2000, § 88 BörsG Rz. 7 ff. m.w.N.; aus der Rechtsprechung etwa BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, AG 1994, 32 = WM 1993, 1787, 1789; OLG Frankfurt v. 30.1.1992 – 16 U 120/90, AG 1992, 194 = WM 1992, 572.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 7 Art. 5 VO Nr. 596/2014
rungsmaßnahmen brachte jedoch erst die Verordnungsermächtigung zum Erlass von Safe-harbour-Bestimmungen in § 20a Abs. 2 Nr. 3 WpHG i.d.F. des 4. FFG (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 12)6. Ausweislich der Regierungsbegründung zum 4. FFG wollte man „den Marktteilnehmern konkrete Leitlinien an die Hand [...] geben, mit Hilfe derer deutlich wird, welche Handlungen marktkonform sind und damit keinen Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 darstellen.“ Ein solches Bedürfnis ergebe sich „insbesondere bei der Kursstabilisierung als Maßnahme zur Glättung von Kursschwankungen bei der Emission von Wertpapieren“7. Von der entsprechenden Ermächtigung in § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG machte der Verordnungsgeber zunächst mit §§ 4–13 KuMaKV Gebrauch, wobei er sich weitgehend, aber nicht durchweg, bereits an den europäischen Vorgaben (Rz. 11) orientierte8. Eine parallele Bestimmung für das Insiderhandelsverbot war noch nicht vorgesehen. Diese kam erst mit der Umsetzung der Vorgaben der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (MAD I) (Rz. 6)9. Auf europäischer Ebene ermächtigte Art. 8 RL 2003/6/EG die Europäische Kommission dazu, im Komitolo- 6 gieverfahren nach Art. 17 Abs. 2 RL 2003/6/EG Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, um Anforderungen an den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und an Kursstabilisierungsmaßnahmen für Finanzinstrumente zu bestimmen. Von der Ermächtigung machte die Europäische Kommission mit der DurchfVO Nr. 2273/2003 Gebrauch, die ihrerseits auf diesbezüglichen Empfehlungen von CESR10 beruhte. Der § 20a Abs. 3 Satz 1 WpHG i.d.F. des AnSVG (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 14) enthielt eine statische Verweisung auf die DurchfVO Nr. 2273/2003, die in § 5 MaKonV wiederholt wurde. § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG a.F. ordnete die entsprechende Anwendung der DurchfVO Nr. 2273/2003 für in den Freiverkehr oder in den geregelten Markt einbezogene Finanzinstrumente an, und § 6 MaKonV regelte die Anerkennung ausländischer Stabilisierungsregeln. Das deutsche Recht stellte einen grundsätzlichen Gleichlauf der europäischen und deutschen safe harbour sicher, der auch dem Umstand geschuldet war, dass die DurchfVO Nr. 2273/2003 als EG-Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedstaat galt (Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV, zuvor Art. 249 Abs. 2 Satz 2 EG-Vertrag)11, und in ihrem Regelungsbereich Vorrang vor abweichendem nationalen Recht genoss, so dass dem nationalen Gesetz- und Verordnungsgeber insoweit kein Gestaltungsspielraum mehr verblieb12. Die Regelungen der DurchfVO Nr. 2273/2003 sind im Wesentlichen unverändert in Art. 5 VO Nr. 596/ 7 2014 und der DelVO 2016/1052 aufgegangen13. Bei der Ausarbeitung der Level 2-Maßnahmen durch die ESMA war es ein erklärtes Ziel, Kontinuität zum Vorgängerregime zu wahren14. Die DurchfVO 2273/2003 trat am 3.7.2016 zusammen mit der RL 2003/6/EG (MAD I) außer Kraft (Art. 37 VO Nr. 596/2014). Regelungstechnisch wurden die safe harbours für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen von der Level 2 – auf die Level 1-Ebene hochgezogen15 (zu den Regulierungsebenen des Marktmissbrauchsrechts s. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 21 ff.). Die Detailregelungen, die sich zuvor ebenfalls in der DurchfVO Nr. 2273/2003 fanden, sind unter dem MAR-Regime als Level 2-Maßnahme in den gem. Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 erlassenen Tertiärrechtsakt eingegangen.
6 7 8 9 10 11 12 13
14 15
Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 18. Begr. RegE BT-Drucks. 14/8017, 90. S. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 125 ff. sowie BR-Drucks. 639/03, 13. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 19. Dok. CESR/02-020b, April 2002 „Stabilisation and Allotment – A European Supervisory Approach“; Dok. CESR/ 02.089d, Dezember 2002 „Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive“; beide abrufbar unter www.esma.europa.eu. Ob dies bereits vor Umsetzung der Marktmissbrauchs-Richtlinie bzw. Ablauf der Umsetzungsfrist anzunehmen war, war umstritten, bejahend Streinz/Ohler, WM 2004, 1309. Zutr. BR-Drucks. 18/05, 18. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.13; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 20; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 349; de Schmidt, RdF 2016, 4, 8; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 205 mit Fn. 1333; zum Kommissionsvorschlag Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 753; Tountopoulos, EWS 2012, 449, 455. ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 13. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 349.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen
III. Regelungssystematik 1. Systematik auf Verordnungsebene – Verhältnis zu Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 8 Die Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 enthalten die zentralen Verbotsvorschriften der MAR für Insiderhandel
(Art. 14 VO Nr. 596/2014) und Marktmanipulation (Art. 15 VO Nr. 596/2014). Art. 14 VO Nr. 596/2014 verbietet das Tätigen von Insidergeschäften sowie den Versuch hierzu (Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014), Dritten zu empfehlen, Insidergeschäfte zu tätigen, oder Dritte anzustiften, Insidergeschäfte zu tätigen (Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014) sowie die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014). Art. 15 VO Nr. 596/2014 verbietet Marktmanipulation und den Versuch hierzu. Was i.S.d. Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 konkret verboten ist, wird näher durch die übrigen Vorschriften des 2. Kapitels, insbesondere die Art. 7–13 VO Nr. 596/2014 bestimmt. Diese legen fest, was ein Insidergeschäft ist (Art. 8 VO Nr. 596/2014), was eine Insiderinformation ist (Art. 7 VO Nr. 596/2014), sowie was unter einer unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 10 VO Nr. 596/2014) und was unter einer Marktmanipulation (Art. 12 VO Nr. 596/2014) zu verstehen ist.
9 Unter den allgemeinen Bestimmungen der MAR (Art. 1–6 VO Nr. 596/2014) und damit vor die Klammer
der besonderen Vorschriften der Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 gezogen, finden sich die Safe-harbour-Bestimmungen zu Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen, die gleichermaßen für die Insiderverbote und das Marktmanipulationsverbot gelten.
2. Konkretisierende Rechtsakte auf Tertiärebene 10 Zur durchgängigen Harmonisierung des Art. 5 VO Nr. 596/2014 überträgt Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 1 VO
Nr. 596/2014 der ESMA die Aufgabe der Ausarbeitung technischer Regulierungsstandards, in denen die bei den Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 und 4 VO Nr. 596/2014 einzuhaltenden Bedingungen präzisiert werden. Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 ermächtigt die Europäische Kommission auf der Grundlage dieser Entwürfe, technische Regulierungsstandards nach Art. 10– 14 der VO Nr. 1095/2010 zu erlassen. Von dieser Ermächtigung hat die Europäische Kommission durch Erlass der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1052 vom 8.3.2016 (DelVO 2016/1052) Gebrauch gemacht (Rz. 128)16.
3. Verhältnis der beiden safe harbour zueinander 11 Der safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen kann sich mit demjenigen für Rückkaufprogramme über-
schneiden, wenn der Emittent selbst Stabilisierungsmaßnahmen in Gestalt des Rückkaufs eigener Aktien tätigt. In solchen Fällen sollte nach teilweise zu Art. 8 RL 2003/6/EG (MAD I), Art. 7–11 DurchfVO Nr. 2273/2003 vertretener Auffassung der safe harbour für Rückkaufprogramme lex specialis und deshalb vorrangig anwendbar sein17. Das war bereits zum alten Recht zweifelhaft und kann für das Regime der MAR ebenfalls nicht überzeugen18. Die beiden safe harbour sind alia und stehen nicht in einem logischen Spezialitätsverhältnis zueinander. Eine bestimmte Handlung kann mithin nach den beiden Ausnahmetatbeständen in Art. 5 VO Nr. 596/2014 zulässig sein. Erforderlich ist aber stets, dass alle Voraussetzungen zumindest eines safe harbour voll erfüllt sind. Die Ausnahme kann nicht bei einer Erfüllung nur einzelner Tatbestandsmerkmale des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 eingreifen. Praktisch wird eine Überschneidung selten sein, weil die zulässigen Zwecksetzungen für die Durchführung von Rückkaufprogrammen (Rz. 61 ff.) sich kaum mit dem Zweck der Kursstabilisierung nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 (Rz. 96) überschneiden werden. Hinzu kommt, dass Stabilisierungsmaßnahmen nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nur durch Wertpapierfirmen und Kreditinstitute durchgeführt werden können (Rz. 85), während der Rückerwerb eigener Aktien gerade durch den Emittenten selbst erfolgt (Rz. 38).
16 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission vom 8.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen, ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34. Dazu auch Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.13 f.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38; Zimmer/Bator in Schwark/ Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 1. 17 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 333. 18 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 349.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 15 Art. 5 VO Nr. 596/2014
4. Verhältnis zur zulässigen Marktpraxis Für das Verhältnis der Safe-harbour-Bestimmungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 zu den zulässigen Markt- 12 praktiken (Art. 13 VO Nr. 596/2014) wurde vor Inkrafttreten der MAR teilweise vertreten, bei ersteren handele es sich um speziell geregelte Fälle zulässiger Marktpraxis19. In der Tat können sich die Anwendungsbereiche der beiden Figuren überschneiden und es erscheint nicht ausgeschlossen, Handlungen, die tatbestandlich einer Safe-harbour-Gestaltung (sehr) nahekommen, als zulässige Marktpraxis anzuerkennen. In diesem Fall stehen Art. 5 VO Nr. 596/2014 und die zulässige Marktpraxis nach Art. 13 VO Nr. 596/2014 in Idealkonkurrenz zueinander20. Im Übrigen ist festzuhalten, dass safe harbour im Unterschied zu zulässigen Marktpraktiken zwingend durch den europäischen Gesetzgeber festgelegt werden, damit unionsweit gelten und keiner – weiteren – Anerkennung durch eine zuständige Behörde bedürfen.
5. Verhältnis zu anderen Regelungsmaterien Bei der Durchführung von Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen hat die Erfüllung der Vo- 13 raussetzungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 lediglich zur Folge, dass die Handlung keinen Verstoß gegen Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 darstellt. Im Verhältnis zu anderen Rechtsbereichen besteht kein verdrängendes Konkurrenzverhältnis21. Soweit andere Rechtsvorschriften für Rückkaufprogramme oder für die Vornahme von Stabilisierungsmaßnahmen eigene Vorgaben machen, sind diese ebenfalls voll einzuhalten. Ein Verstoß gegen solche Bestimmungen hat andererseits aber nicht eo ipso zur Folge, dass damit zugleich ein Verstoß gegen Art. 15, 12 bzw. 14 VO Nr. 596/2014 vorläge (Rz. 16). a) Rückkaufprogramme Dem safe harbour des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterfallende Rückkaufprogramme müssen sich auch 14 am sonstigen Kapitalmarktrecht messen lassen. So entbindet ein Vorgehen nach Art. 5 VO Nr. 596/2014 nicht von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/201422. Dies ergibt sich auch aus Art. 4 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/1052, der die Möglichkeit des Bestehens einer Ad-hoc-Mitteilungspflicht voraussetzt23. Insbesondere muss der Beschluss des Vorstands, von der Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien Gebrauch zu machen, ad hoc publiziert werden, wenn er – wie regelmäßig24 – kurserheblich ist25. Führt der Rückerwerb eigener Aktien dazu, dass ein oder mehrere Schwellenwerte der § 33 Abs. 1, § 38 Abs. 1 WpHG überschritten werden, müssen die entsprechenden Mitteilungen erfolgen (§ 33 WpHG Rz. 24 ff.)26. In Übernahmesituationen sind zudem die Vorgaben des WpÜG zu berücksichtigen, da der Rückerwerb eigener Aktien gegen das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 WpÜG verstoßen kann27. Was die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben anbelangt, liegt nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014 ein 15 Rückkaufprogramm im Sinne der MAR nur bei einem Handel mit eigenen Aktien vor, der den Vorgaben an den Rückerwerb eigener Aktien der Art. 21–27 RL 2012/30/EU28 (Kapitalschutz-RL) entspricht. Die RL 2012/30/EU ist gem. Art. 166 Unterabs. 1 RL 2017/113229 aufgehoben und Verweise auf die RL 2012/30/EU 19 So namentlich Schönhöft, S. 102. 20 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 15; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 7. 21 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 1; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 7; vgl. Zum früheren § 20a WpHG de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 263. 22 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 16; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.30; Grigoleit/Rachlitz in Grigoleit, § 71 AktG Rz. 25; näher Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1007 f.; vgl. zum früheren § 20a WpHG Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 328; Rieckers, ZIP 2009, 700, 704; Seibt/ Bremkamp, AG 2008, 469, 471 ff. 23 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 16; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1007 ff. 24 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.2. 25 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.2; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.94; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 329; van Aerssen, WM 2000, 391, 402. 26 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 17; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1007 ff. 27 Grunewald in Baums/Thoma/Verse, 8. Lfg. 3/15, § 33 WpÜG Rz. 36 ff. 28 Richtlinie 2012/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2012 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften i.S.d. Art. 54 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. EU Nr. L 315 v. 14.11.2012, S. 74). 29 Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (ABl. EU Nr. L 169 v. 30.6.2017, S. 46).
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen gelten gem. Art. 166 Unterabs. 2 i.V.m. Anhang IV RL 2017/1132 als solche auf die RL 2017/1132 (Gesellschaftsrechts-RL). Nachdem deren Art. 60–66 RL 2017/1132 mit den Art. 21–27 RL 2012/30/EU übereinstimmen, werden im Folgenden die Artikel der neuen Gesellschaftsrechts-RL zugrunde gelegt. Demgemäß spricht Art. 2 DelVO 2016/1052 davon, dass „der Emittent vor Beginn des Handels im Rahmen eines nach Artikel 21 Absatz 1 der RL 2012/30/EU [Art. 60 Abs. 1 RL 2017/1132] des Europäischen Parlaments und des Rates zulässigen Rückkaufprogramms“ bestimmte Transparenzpflichten erfüllen muss. Die Konformität des Rückkaufprogramms jedenfalls mit Art. 60 Abs. 1 RL 2017/1132 ist mithin eine Voraussetzung des kapitalmarktrechtlichen safe harbour für Rückkaufprogramme (Rz. 42 ff.). Diese Verknüpfung ist unionsrechtlich ungewöhnlich (Rz. 42) und in der Sache auch nicht ganz naheliegend: Zum einen stimmen die Zwecksetzungen der RL 2017/1132 bzw. der ehemaligen RL 2012/30/EU und der MAR in weiten Teilen nicht überein30. Zum anderen gelten die Vorgaben der Art. 60 ff. RL 2017/1132 bei Anknüpfung an das Gesellschaftsstatut31 nur für Aktiengesellschaften mit Sitz innerhalb der Europäischen Union, wogegen Gesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat keinen entsprechenden Vorgaben unterliegen, gleichwohl aber den Verboten der MAR unterworfen sind (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 35 ff.). 16 Neben den von Art. 5 VO Nr. 596/2014 in Bezug genommenen gesellschaftsrechtlichen Anforderungen
beim Rückerwerb eigener Aktien sind bei Rückkaufprogrammen deutscher Aktiengesellschaften auch die übrigen aktienrechtlichen Anforderungen zu beachten, insbesondere also diejenigen der §§ 53a, 57, 71 AktG32. Die Gesellschaft hat beim Rückerwerb eigener Aktien den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, darf nicht durch einen überteuerten Erwerb gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen und muss die Anforderungen des § 71 Abs. 1 Nr. 6 (Verweis auf § 237 Abs. 2 Satz 2 AktG), 8, Abs. 2 AktG für den Erwerb eigener Aktien wahren. Allein eine Verletzung dieser Normen lässt jedoch – anders als ein Verstoß gegen Art. 60 Abs. 1 RL 2017/1132 (Rz. 42 f.) – die freistellende Wirkung des kapitalmarktrechtlichen safe harbour des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht entfallen (Rz. 42).
17 CRR-Kreditinstitute dürfen eigene Aktien nach Art. 77 VO Nr. 575/2013 (CRR) nur zurückerwerben,
wenn sie zuvor eine aufsichtsbehördliche Genehmigung eingeholt haben33. Deren Erteilung ist nach Art. 78 VO Nr. 575/2013 an bestimmte Voraussetzungen geknüpft34, die ganz auf die Schutzzwecke des Bankaufsichtsrechts ausgerichtet sind. Daneben müssen sie sich an den Art. 14, 15 VO Nr. 596/2014 messen lassen und fallen nur dann in den safe harbour des Art. 5 VO Nr. 596/2014, wenn sie dessen Voraussetzungen voll erfüllen Die bankaufsichtsrechtlichen Vorschriften qualifizieren sich nicht etwa als eine lex specialis mit verdrängendem Vorrang35, weil das Marktmissbrauchsrecht eben andere Schutzzwecke verfolgt. b) Stabilisierungsmaßnahmen
18 Ein Handeln im safe harbour des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 schließt die Verbotsvorschriften der Art. 14
und 15 VO Nr. 596/2014 aus, lässt aber im Übrigen konkurrierende kapitalmarktrechtliche Pflichten bestehen36. Insbesondere betrifft dies die Ad-hoc-Publizitätspflicht (Art. 17 VO Nr. 596/2014), prospektrechtliche Pflichten (Art. 3 VO 2017/1129) und innerhalb des Emissionskonsortiums die allgemeinen Verhaltensregeln, namentlich die Vermeidung von Interessenkonflikten (§ 63 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WpHG), wenn bestimmte Kunden am Unterbleiben von Stabilisierungsmaßnahmen interessiert sind, weil sie auf Kurseinbrüche spekulieren.
19 Gesellschaftsrechtliche Grenzen sind bei Stabilisierungsmaßnahmen weniger bedeutsam als bei Rückkauf-
programmen, da Stabilisierungsmaßnahmen nicht vom Emittenten selbst, sondern von einem Kreditinstitut oder einer Wertpapierfirma bzw. den Mitgliedern eines Emissionskonsortiums durchgeführt werden (Rz. 85). Erfolgt die Stabilisierung durch den Erwerb von Aktien des Emittenten, sind diese Dritten – anders als der Emittent selbst – an die Vorgaben der §§ 53a, 57 AktG nicht gebunden. Die Beschränkungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–5, 7, 8, Abs. 2 AktG für den Erwerb eigener Aktien erstreckt § 71d Satz 1 AktG dagegen auch 30 Vgl. zum früheren § 20a WpHG Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 321. 31 Vgl. zum früheren § 20a WpHG Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 321. 32 Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.28; vgl. auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 319, 322 gegen Geber/zur Megede, BB 2005, 1861. 33 S. nur Konesny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, Art. 77 CRR Rz. 1. 34 Dazu etwa Konesny/Glaser in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, Art. 78 CRR Rz. 2 ff. 35 A.A. Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.13. Ebenso zu § 10 Abs. 5 Satz 6, Abs. 5a Satz 6, Abs. 7 Satz 5 KWG a.F. schon Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 318, Die Vorschrift gestattete Kreditinstituten, bis zu 3 % einer Emission eigener Genussrechte oder eigener nachrangiger Verbindlichkeiten im Rahmen einer Marktpflege zu erwerben, dazu Schäfer, ZHR 175 (2011), 319. 36 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 7; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.43; vgl. auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 358 ff.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 22 Art. 5 VO Nr. 596/2014
auf einen im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Gesellschaft handelnden Dritten. Und weil § 71 AktG der Gesellschaft selbst den Erwerb eigener Aktien zum Zwecke der Kursstabilisierung nicht gestattet, sehen Stabilisierungsvereinbarungen in der Praxis jedenfalls bei der Stabilisierung von Aktien auch nicht vor, dass der Dritte (Emissionsbegleiter, Stabilisierungsmanager) für Rechnung des Emittenten handelt, zumal dies die Nichtigkeit der Vereinbarung zur Folge hätte (§ 71a Abs. 2 AktG). Im Rahmen von Emissionen stimmen sich Banken ganz regelmäßig ab, um durch Stabilisierungsmaßnah- 20 men einen Kursrückgang emittierter Papiere zu verhindern37. Zum einen sprechen sie ihr Marktverhalten ab und koordinieren dieses, zum anderen machen sie die Zuteilung der Emission gegenüber den Abnehmern von bestimmten zusätzlichen Bedingungen abhängig. Kartellrechtlich können diese Absprachen oft unzulässige Kopplungen darstellen38. Da das Kartellrecht selbständig neben dem Kapitalmarktrecht steht und seinerseits uneingeschränkt zu beachten ist (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 12), kann ein Verhalten, das dem kapitalmarktrechtlichen safe harbour des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 unterfällt, gleichwohl einen Kartellrechtsverstoß darstellen39.
IV. Regelungszweck Die Weite der durch Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 erfassten Handlungsweisen führt dazu, dass die Verbote 21 auch Handlungen erfassen können, die rechtlich nicht zu beanstanden40 oder geradezu positiv zu bewerten sind41. Insbesondere ist man sich seit jeher einig, dass Geschäfte, die auf den Kurs eines Wertpapiers einwirken sollen, um Kursfehlentwicklungen zu vermeiden, die ihren Grund weder in der Lage des Emittenten noch der Marktlage haben, unter Umständen vom Vorwurf des Marktmissbrauchs auszunehmen sind und daher auch nicht nach Art. 14 und/oder 15 VO Nr. 596/2014 verboten sein dürfen. Eine dogmatische Begründung ergibt sich aus der Professionsadäquanz derartiger Handlungen42. Allerdings darf Professionsadäquanz als Unterfall der Sozialadäquanz nicht auf das an Kapitalmärkten faktisch Übliche und Akzeptierte reduziert werden, da auch übliche und akzeptierte Missstände keine rechtliche Billigung verdienen. Vielmehr geht es um ein normatives Urteil des Inhalts, dass die Handlung, gemessen am gesamten Kapitalmarktrecht, nicht zu beanstanden und in jeder Hinsicht billigenswert ist. Ein solches normatives Urteil ist freilich mit großen Unsicherheiten behaftet. Für die Marktteilnehmer würde jedenfalls bis zu einer Konsolidierung durch Judikate, Aufsichtspraxis und Lehre erhebliche Rechtsunsicherheit herrschen, was legitime Marktaktivität beeinträchtigen könnte. Deshalb greift der europäische Gesetzgeber zu der aus dem angloamerikanischen Recht herrührenden Regelungstechnik43, im Verordnungswege sog. safe harbour zu schaffen, also Verhaltensweisen festzulegen, die „auf keinen Fall“ einen Verstoß gegen die Marktmissbrauchsverbote darstellen.
1. Rückkaufprogramme Rückkaufprogramme haben für Aktiengesellschaften eine große wirtschaftliche Bedeutung44, und seit der 22 Lockerung des Erwerbsverbots in Deutschland durch das KonTraG 1998 lassen sich viele Aktiengesellschaften routinemäßig von der Hauptversammlung ermächtigen, eigene Aktien zu erwerben (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 37 38 39 40 41
Bueren, WM 2013, 585, 585. Bueren, WM 2013, 585, 585. Ausführlich Bueren, WM 2013, 585 ff. Ledermann in Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 12 zu § 88 BörsG a.F. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 5; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 219; Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 3 f.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 203; Tountopoulos, EWS 2012, 449, 449 f. 42 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 306. 43 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.15; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 5. 44 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.1; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 5; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 26; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 25; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 93 f.; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 314 ff.; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 263; Singhof/Weber, AG 2005, 549; Merkt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 71 AktG Rz. 17 ff.; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1005; vgl. zur Schweiz Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 6; aus dem ökonomischen Schrifttum Cudd/Duggal/Sarkar, Quarterly Journal of Business and Economics 35 (1996), 66; Elton/Gruber, Journal of Finance 23 (1968), 135; Bessler/Drobetz/Seim, Motives and valuation effects of share repurchase announcements in Germany: A comparison of established firms and initial public offerings, Justus Liebig University Working Paper 2009.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 22 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen AktG)45. Dementsprechend ist es auch in Deutschland in den letzten Jahren zu zahlreichen Aktienrückkäufen gekommen46. Der Erwerb eigener Aktien dient häufig dazu, Verpflichtungen aus Mitarbeiteroptionsprogrammen zu bedienen47, mit eigenen Aktien bezahlte Akquisitionen vorzubereiten48, die Eigenkapitalrendite zu erhöhen49, die Beteiligungsstruktur zu verändern50 oder Dividendenausschüttungen zu ersetzen51. Zudem sind Rückkaufprogramme ein klassisches Mittel der sog. Kurspflege (Rz. 78). Gleichwohl wirken sich Rückkaufprogramme ungeachtet ihrer ökonomisch nachvollziehbaren Zwecksetzungen52 auf die Marktpreisbildung aus53, da sie dem Markt bestimmte kurserhebliche Signale senden (sollen) (Rz. 23 f.), zu einer Verknappung der Zahl handelbarer Aktien führen54 und zudem einen Einfluss auf die Eigenkapitalrendite der übrigen Aktien haben55. 23 Werden Rückkaufprogramme ohne die Herstellung angemessener Markttransparenz durchgeführt, sind sie
dazu geeignet, dem Markt falsche Signale über die Nachfrage nach einem Finanzinstrument zu geben56. Bei Unkenntnis des Marktes über die Person des Käufers könnten Marktteilnehmer davon ausgehen, dass die gesteigerte Nachfrage auf Informationen über eine Unterbewertung der Aktien beruht, worauf sie mit weiteren kurssteigernden Zukäufen reagieren57. Hat der Emittent allerdings keine Informationen über eine Unterbewertung, sendet er ein falsches Signal an den Markt aus, dass zur Kursbeeinflussung geeignet ist. Und selbst wenn er über entsprechende Informationen verfügt, ist es im Falle eines Rückerwerbs eigener Aktien für den Markt wesentlich, wer konkret die Aktien erwirbt58. Ein Rückerwerb durch den Emittenten, bei dem der Markt davon ausgehen kann, dass die Entscheidung auf einem Informationsvorsprung beruht, hat – ähnlich wie der Erwerb durch das Unternehmensmanagement – häufig eine besonders starke Signalwirkung (Rz. 24).
24 Selbst bei Herstellung angemessener Markttransparenz können Rückkaufprogramme einen Einfluss auf den
Kurs haben, weil sie eben das Signal an den Markt aussenden, dass das Unternehmen – möglicherweise aufgrund eines Informationsvorsprungs – die eigenen Aktien für unterbewertet hält (Signaling-Hypothese)59. Empirisch nachgewiesen ist auch für Deutschland, dass bereits die Ankündigung, von einem Ermächti45 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 4; vgl. auch Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 458 f.; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 93. 46 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.2 unter Verweis auf die Aktienrückkäufe von Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA (Veröffentlichung v. 8.12.2017), Deutsche Börse AG (Ad-hoc-Mitteilung v. 26.4.2017), Allianz SE (Ad-hoc-Mitteilung v. 16.2.2017) und Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG (Ad-hoc Mitteilung v. 15.3.2017). 47 Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 459 f.; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 314; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 264; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 12. 48 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 314; Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 460. 49 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.2; Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 460; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 5 ff.; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 94; Wucherer/Zickgraf, ZGR 2021, 259. 50 Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 9 f. 51 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.2; Wucherer/ Zickgraf, ZGR 2021, 259, 262 ff.; Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 460; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 314; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 8; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 94; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 204. 52 Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 460 ff.; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 94. 53 IOSCO, Report on Stock Repurchase Programs, S. 12 f. (abrufbar unter: https://www.iosco.org/library/pubdocs/ pdf/IOSCOPD161.pdf); Elton/Gruber, Journal of Finance 23 (1968), 135; Hackethal/Zdantchouk, Financial Markets and Portfolio Management 20 (2006), 123; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.3; Zhang, Journal of Banking & Finance 29 (2005), 1887; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 376. 54 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 94; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 376. 55 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 315; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.06; Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 6. 56 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.3; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 46; Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 463; Oechsler in GS Wolf, 2011, S. 291, 296; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 376; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 315; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 29; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 205; Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 7. Zum Signaling-Effekt von Aktienrückkäufen aus ökonomischer Sicht Babenko/Tserlukevich/Vedrashko, Journal of Financial and Quantitative Analysis 47 (2012), 1059; Grullon/Michaely, Journal of Finance 59 (2004), 651. 57 Vgl. Chan/Ikenberry/Lee/Wang, Journal of Corporate Finance 16 (2010), 137. 58 Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 376. 59 Schremper, Aktienrückkauf und Kapitalmarkt: Eine theoretische und empirische Analyse deutscher Aktienrückkaufprogramme, 2002, S. 89 ff.; Bayer/Hoffmann/Weinmann, ZGR 2007, 457, 460; Oechsler in MünchKomm. AktG,
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 26 Art. 5 VO Nr. 596/2014
gungsbeschluss nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 AktG Gebrauch zu machen, einen positiven Kurseffekt hat60. In allen diesen Fällen kann der Rückerwerb deshalb insbesondere einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 bedeuten. Zudem besteht im zeitlichen Umfeld von Rückkaufprogrammen die Gefahr von Insiderverstößen sowohl durch die Gesellschaft als auch durch Dritte, insbesondere Mitglieder des Managements61. Soweit die Insiderinformation nur in der Umsetzung des Entschlusses zur Ausnutzung einer Ermächtigung zum Rückerwerb eigener Aktien besteht, kommt ein Insiderverstoß der Gesellschaft nicht in Betracht, da diese insoweit keine Insiderinformation ausnutzt62. Anders kann es aber liegen, wenn die Gesellschaft Insiderinformationen über die Unterbewertung der eigenen Aktien ausnutzt und aufgrund dieser Informationen eigene Aktien erwirbt63. Die daraus erwachsenden Risiken für die Gesellschaft lassen sich jedoch dadurch minimieren, dass bereits vor Durchführung des Rückkaufprogramms die beauftragte Bank bzw. das Wertpapierinstitut eine bindende Verpflichtung eingeht, eine bestimmte festgelegte Menge an Aktien über einen bestimmten Zeitraum selbständig zu erwerben64. Bestimmte Zwecksetzungen (Rz. 61 ff.), die mit der Durchführung von Rückkaufprogrammen verfolgt wer- 25 den, erachtet der europäische Gesetzgeber als besonders wichtig, weswegen er – unter der Maßgabe der Herstellung angemessener Markttransparenz (Rz. 45 ff.) – bei deren Verfolgung durch Art. 5 VO Nr. 596/2014 vom Verbot der Marktmanipulation und vom Insiderhandelsverbot dispensiert. Freilich sind von den safe harbours nicht alle eben (Rz. 22) genannten Zwecke erfasst. Dies bedeutet aber nicht, dass außerhalb der safe harbours liegende Rückkaufprogramme per se als Marktmanipulation anzusehen wären (Rz. 117 ff.).
2. Stabilisierungsmaßnahmen Wirtschaftlicher Hintergrund des safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen ist der Umstand, dass es bei 26 (Primär- oder auch Sekundär-)Emissionen von Finanzinstrumenten nicht selten zu Kurseinbrüchen in der (unmittelbaren) Nachemissionsphase kommt, vor allem, weil Anleger zugeteilte Finanzinstrumente kurzfristig veräußern, um – etwa nach einem vorangegangenen underpricing65 – Zeichnungsgewinne zu realisieren (sog. flipping)66. Bei (stark) überzeichneten Angeboten als Folge eines signifikanten underpricing besteht in der unmittelbaren Nachemissionsphase allerdings oft noch ein Nachfrageüberhang, so dass der Kurs unmittelbar noch nicht unter Druck steht67. Bei Zweitemissionen kommt flipping vor allem vor, wenn es sich um eine bezugsrechtsfreie Emission handelt. Bei Bezugsemissionen haben die bezugsberechtigten (Alt-)Aktionäre häufig ein Interesse daran, die neuen Aktien zu beziehen und zu halten, damit ihr Anteil an der Gesellschaft nicht verwässert wird, wobei es auch dort zu einem Bezugsrechtshandel kommen kann68. Die Kurseinbrüche und mitunter starke Volatilität im zeitlichen Umfeld von Emissionen werden vom Kapitalmarkt (recht) als unerwünscht bewertet69, und es wird als professionsadäquat angesehen, ihnen durch Stabilisie-
60 61 62 63 64 65 66
67 68 69
5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 1. Aus dem ökonomischen Schrifttum etwa Babenko/Tserlukevich/Vedrashko, Journal of Financial and Quantitative Analysis 47 (2012), 1059; Grullon/Michaely, Journal of Finance 59 (2004), 651. Hackethal/Zdantchouk, Share Buy-Backs in Germany: Overreaction to Weak Signals, 2004; Bayer/Hoffmann/ Weinmann, ZGR 2007, 457, 459 ff.; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.3; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 4 m.w.N. Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.94; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 9. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.5., S. 85; Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 162; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1010. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.5., S. 85; Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 163. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.5., S. 85. Zum underpricing von IPOs bereits Welch, Journal of Finance 44 (1989), 421; Allen/Faulhaber, Journal of Financial Economics 23 (1989), 303; ferner Asquith/Jones/Kieschnick, Journal of Finance 53 (1998), 1759. Aggarwal, Journal of Finance 55 (2000), 1075, 1080; Fishe, Journal of Financial and Quantitative Analysis 37 (2002), 319; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.1; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 26; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 4; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 11; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 220; Schäfer in Marsch-Barner/ Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.96. Instruktiv Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.1 mit Fn. 2; s. ferner Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 26. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 313. Die Securities and Exchange Commission (SEC) erkannte bereits am 18.3.1940 in ihrem Release 2446, dass Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen von Börsengängen zwar eine Marktmanipulation darstellen, gleichwohl aber erwünscht sind. Dazu Aggarwal, Journal of Finance 55 (2000), 1075 1078; ferner Benveniste/Busaba/Wilhelm, Journal of Financial Economics 42 (1996), 223 mit teils kritischen Anmerkungen. Aus Sicht des deutschen Rechts Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, 1991, S. 37 ff.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 26 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen rungsmaßnahmen entgegenzuwirken70. Ein auch gesamtvolkswirtschaftliches Interesse an der Kursstabilisierung besteht, weil die Volatilität und Kurseinbrüche unmittelbar nach der Platzierung oftmals nicht durch fundamentalwertbezogene Informationen gerechtfertigt sind und der Kurs folglich stärker vom Fundamentalwert abweichen kann71. Starke Volatilität und erst recht fundamental nicht gerechtfertigte Kursstürze erhöhen die Kapitalkosten der Emittenten und sind geeignet, das Vertrauen der Anleger und der Emittenten in den Kapitalmarkt zu schwächen. Erwägungsgrund 6 DelVO 2016/1052 führt insoweit aus: „Die Kursstabilisierung von Wertpapieren soll eine vorübergehende Stützung des Kurses im Rahmen einer Erst- oder Zweitplatzierung von Wertpapieren bewirken, wenn die Wertpapiere unter Verkaufsdruck geraten, und so den durch kurzfristige Anleger verursachten Verkaufsdruck mindern und für diese Wertpapiere geordnete Marktverhältnisse aufrechterhalten. Auf diese Weise kann sie das Vertrauen der Anleger und der Emittenten in die Finanzmärkte stärken.“ 27 Obgleich im Ausgangspunkt billigenswert, kann die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen falsche
Signale für die Kursentwicklung aussenden und auch im Übrigen ein künstliches Kursniveau herbeiführen und damit im Ausgangspunkt einen Verstoß gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 darstellen72. Zudem kann das Wissen um eine bevorstehende Kursstabilisierung für Insidergeschäfte ausgenutzt werden73. Die Zulässigkeit von Stabilisierungsmaßnahmen ist daher an strenge Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich der Transparenz, des Zeitraums ihrer Vornahme und des Volumens zu knüpfen. Außerhalb des engen Emissionszeitraums unterfallen Kursstabilisierungen nicht dem safe harbour des Art. 5 VO Nr. 596/2014. Aber auch innerhalb des engen zeitlichen Umfelds von Emissionen bewertet der europäische Gesetzgeber das nachvollziehbare Interesse an einer Kursstabilisierung aus marktmissbrauchsrechtlicher Sicht nur für den Fall als legitim und dispensiert Marktteilnehmer von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014, wenn die Stabilisierungsmaßnahmen die engen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 erfüllen und insbesondere für angemessene Markttransparenz gesorgt wurde (Rz. 97 ff.). Die Enge des Tatbestandsausschlussgrundes nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 bedeutet freilich wie schon beim safe harbour für Rückkaufprogramme nicht, dass außerhalb des safe harbour liegende Maßnahmen per se als Marktmanipulation oder Insiderverstoß anzusehen wären (Rz. 117 ff.).
V. Dogmatische Einordnung der beiden safe harbours 28 Die Ausnahmebestimmungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 für bestimmte Rückkaufprogramme und Stabili-
sierungsmaßnahmen sind dogmatisch – wie schon die herrschende Meinung zu § 20a Abs. 2 WpHG a.F. annahm74 – als Tatbestandsausschlussgründe einzuordnen75. Diese Qualifikation ist insbesondere auf der Sanktionsebene von Bedeutung. In Erwägungsgrund 12 VO Nr. 596/2014 heißt es zwar, dass der Handel mit 70 Aggarwal, Journal of Finance 55 (2000), 1075, 1078; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 11; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.1; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 112 ff.; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 1; Thießen, WiSt 2002, 523, 524; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 207. Vgl. auch ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/2015/1455, Rn. 8, die auf den Verkaufsdruck durch short termism hinweist. 71 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 11; vgl. auch Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.1. 72 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 207; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 36. 73 Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.96; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 36. 74 de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 261; Bingel, S. 161; Bisson/Kunz, BKR 2005, 186, 189; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 92; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1954; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 305; Schröder/Poller, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 493; Tountopoulos, EWS 2012, 449, 451; Waschkeit, S. 297; a.A. (Rechtfertigungsgründe) Grüger, S. 98, 250; s. auch Dier/Fürhoff, AG 2002, 604, 605; (persönliche Strafbzw. Ahndbarkeitsausnahmen oder negative objektive Straf- bzw. Ahndbarkeitsbedingungen) Waschkeit, S. 296. 75 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.1., S. 83; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 7; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 1; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 5; Buck-Heeb in Assmann/ Schütze/Buck-Heeb, Hdb. des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 33; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 10; Paschos/Goslar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitamarktinformation, § 26 Rz. 51; Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 38 WpHG Rz. 84; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 2.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 32 Art. 5 VO Nr. 596/2014
Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Kursstabilisierung von Wertpapieren oder der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen aus wirtschaftlichen Gründen „gerechtfertigt“ sein können. Art. 5 VO Nr. 596/2014 spricht allerdings von „gelten nicht“ und „Ausnahme“, und auch Erwägungsgrund 12 VO Nr. 596/2014 benutzt im Weiteren die Formulierung, dass bestimmte Handlungen vom Verbot des Marktmissbrauchs „befreit“ sein sollen. Die Einordnung als Tatbestandsausschlussgründe bereitet auf der Sanktionsebene insoweit keine Probleme, 29 als die safe harbours des Art. 5 VO Nr. 596/2014 an Voraussetzungen anknüpfen, die vor oder spätestens bei der Handlung, die Gegenstand des safe harbour ist, erfüllt sein müssen. Schwierigkeiten bereiten jedoch die von Art. 5 VO Nr. 596/2014 statuierten nachwirkenden Pflichten (Rz. 49 und Rz. 104 f.). Straf- und bußgeldrechtlich scheidet eine nachträgliche Straf- oder Ahndbarkeitsbegründung im Grundsatz aus76. Allenfalls kommt unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs eine Ausnahme in den Fällen in Betracht, in denen von Anfang an die Absicht bestand, die nachwirkenden Pflichten nicht zu erfüllen. Kapitalmarktrechtlich kann es durchaus relevant sein und Anlass für ein Überwachungsverfahren und aufsichtsrechtliche Maßnahmen geben, wenn nachwirkende Pflichten eines safe harbour nicht erfüllt werden77, wobei insofern die nachträgliche Pflichtverletzung im Mittelpunkt zu stehen hat und der Vorwurf einer Marktmanipulation schwerlich zu begründen ist. Sieht man in den safe harbours keine Tatbestandsausschlussgründe (Rz. 29), sondern eine unwiderlegbare ge- 30 setzliche Vermutung78, macht dies jedenfalls im Ergebnis keinen Unterschied. Die Auffassung stützt sich auf die durchaus plausible Erwägung, dass ein Verhalten, dass allen Vorgaben des Art. 5 VO Nr. 596/2014 entspricht, auch für sich keinen Verstoß gegen Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 darstellen würde und damit dem safe harbour eher eine deklaratorische Bedeutung beizumessen sei79. Die Bedeutung des Art. 5 VO Nr. 596/ 2014 erschöpft sich dann in der Gewährleistung einer rechtssicheren Handlungsanleitung. Im Ergebnis führt damit auch die Einordnung als unwiderlegbare Vermutung jedenfalls dazu, dass der Tatbestand der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 nicht erfüllt ist und damit ein entsprechender Verstoß bereits auf der Tatbestandsebene entfällt, was wiederum Auswirkungen auf der Sanktionsebene haben kann. Nicht nur mit Blick auf das Ergebnis ist die Einordnung als unwiderlegbare Vermutung der fehlenden Tatbestandsmäßigkeit deshalb eine gleichwertige alternative dogmatische Einordnung zu derjenigen als Tatbestandsausschlussgrund.
VI. Rückkaufprogramme (Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014) 1. Überblick Ein Rückkaufprogramm ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014 der Handel mit eigenen Aktien gem. 31 den Art. 60–66 RL 2017/113280 (vgl. Rz. 15). Rückkaufprogramme haben für Aktiengesellschaften eine große wirtschaftliche Bedeutung und werden zu ganz unterschiedlichen Zwecken durchgeführt (Rz. 22). Zugleich verbinden sich mit ihnen sowohl aus gesellschaftsrechtlicher als auch aus kapitalmarktrechtlicher Perspektive einige Risiken. Da der europäische Gesetzgeber den Nutzen bestimmter Rückkaufprogramme unter der Maßgabe ihrer transparenten Durchführung ein höheres Gewicht beimisst, werden bestimmte Rückkaufprogramme dem safe harbour des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zugeordnet und damit von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 ausgenommen. Rückkaufprogramme können auf ganz unterschiedliche Arten durchgeführt werden. In Betracht kommen 32 etwa ein Rückerwerb über die Börse (open market repurchase), öffentliche Rückkaufangebote (tender offer oder dutch auction offer), die Emission übertragbarer Verkaufsrechte (transferable put rights) oder individuell ausgehandelte Kaufverträge (privatly negotiated repurchase)81. Im Rahmen eines Rückkaufprogramms nach Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sind aber nicht alle diese Erwerbsgestaltungen zulässig, da die Aktien grundsätzlich an einem Handelsplatz erworben werden müssen (Rz. 69 f.). 76 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.56; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 44; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 248; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 369. 77 Ebenso Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 368. 78 Tountopoulos, EWS 2012, 449, 451 unter Verweis auf die Diskussion im französischen Schrifttum. 79 Tountopoulos, EWS 2012, 449, 451 unter Verweis auf die Diskussion im französischen Schrifttum. 80 Zuvor Art. 21–27 RL 2012/30/EU (Kapitalschutz-Richtlinie), s. Rz. 15. 81 Zu diesen Erwerbsmethoden ausführlich Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 13 ff.; Merkt in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 71 AktG Rz. 29 ff.; zu weiteren Methoden nur Lutter/Drygala in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 71 AktG Rz. 32 ff.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 32a | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen 32a In dem jüngst von der EU-Kommission veröffentlichen Listing Act Package, einem weiteren Maßnahme-
paket zur Schaffung einer Kapitalmarktunion, schlägt diese Änderungen an den Vorgaben für Rückkaufprogramme vor, um das Meldeverfahren die notwendigen Veröffentlichungen (Rz. 50) zu vereinfachen82. Damit fügt sich die vorgeschlagene Änderung des Art. 5 VO Nr. 596/2014 in das allgemeine Ziel des Listing Act Packages ein, die EU-Kapitalmärkte für Unternehmen attraktiver zu machen und insbesondere den Zugang zu Kapital für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu erleichtern83. Konkret sieht der Vorschlag vor, Art. 5 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 wie folgt zu fassen: „trades are reported as being part of the buy-back programme to the competent authority of the trading venue in accordance with paragraph 3 and subsequently disclosed to the public in an aggregated form;“. Zudem soll Abs. 3 durch folgende Fassung ersetzt werden: „In order to benefit from the exemption laid down in paragraph 1, the issuer shall report all transactions relating to the buy-back programme to the competent authority of the most relevant market in terms of liquidity as referred to in Article 26(1) of Regulation (EU) No 600/2014. The receiving competent authority shall, upon request, forward the information to the competent authorities of the trading venue on which the shares have been admitted to trading and are traded“. Die Konzentration der Meldepflicht gegenüber derjenigen Aufsichtsbehörde, die den aus Liquiditätsgesichtspunkten relevantesten Handelsplatz der Aktie des Emittenten überwacht, ist als sinnvolle Erleichterung zu begrüßen. Was hingegen den Vorschlag angeht, alle mit dem Rückkaufprogramm zusammenhängenden Geschäfte nur noch in aggregierter Form (Rz. 52) und nicht mehr auch in Einzelmeldungen zu veröffentlichen, läge darin zwar durchaus eine Vereinfachung. Allerdings können dem Markt ggf. auch wichtige Informationen für die Preisbildung verloren gehen, wenn ein konkretes Einzelgeschäft nicht mehr als Teil eines Rückkaufprogramms zu identifizieren wäre.
2. Anwendungsbereich des safe harbour für Rückkaufprogramme a) Sachlicher Anwendungsbereich 33 Der Anwendungsbereich des safe harbour für Rückkaufprogramme wird von Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014
im Einklang mit Erwägungsgrund 12 VO Nr. 596/2014 allein für den Handel in eigenen Aktien eröffnet84. Präziser noch lautet die Definition für Rückkaufprogramme in Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014: „bezeichnet den Handel in eigenen Aktien“. Gemeint sind damit aber lediglich Formen des Erwerbs eigener Aktien, nicht solche der Veräußerung85. Dies bestätigt zum einen die Bezugnahme auf die Art. 60–66 RL 2017/ 1132 (zuvor Art. 21–27 RL 2012/30/EU, vgl. Rz. 15), die Vorgaben für den Erwerb eigener Aktien machen86. Zum anderen bestätigt dies Art. 4 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/1052, der während der Durchführung eines Rückkaufprogramms den Verkauf eigener Aktien verbietet (Rz. 72). Ebenfalls nicht erfasst ist die Inpfandnahme eigener Aktien durch die Gesellschaft87. Art. 66 Abs. 1 Var. 1 RL 2017/1132 stellt diesen Vorgang dem Erwerb eigener Aktien zwar gleich, doch lassen sich die drei in Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zugelassenen Zwecke eines Rückkaufprogramms (Rz. 61 ff.) nicht mittels der bloßen Inpfandnahme der eigenen Aktien verfolgen.
34 Nicht der Safe-harbour-Regelung des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterfallen Rückkaufprogramme mit
verbundenen Instrumenten, etwa Derivaten88. Erwägungsgrund 2 DelVO 2016/1052 unterstreicht dies, 82 European Commission. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, COM (2022) 762 final, S. 25 und Erwägungsgrund 53 des Vorschlags (S. 40). 83 European Commission. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, COM (2022) 762 final, S. 1. 84 Zumindest missverständlich daher Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 379. 85 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 26; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 4; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 12; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Art. 5 MMVO Rz. 2; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 15; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 222; vgl. zu Art. 2 Nr. 3 DurchfVO Nr. 2273/2003 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 93; Singhof/Weber, AG 2005, 545, 549, 554; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 15; Geber/zur Megede, BB 2005, 1861, 1861 f.; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 305 f. 86 Dazu Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2019, § 6 Rz. 57 ff. 87 A.A. wohl Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 222. 88 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 13 Rz. 16; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 4; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 23; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 28 f.; Mock in Ventoruzzo/ Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.12; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 10; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Art. 5 MMVO Rz. 2; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand:
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 37 Art. 5 VO Nr. 596/2014
wenn es heißt: „Obwohl die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine Stabilisierung durch verbundene Instrumente zulässt, sollte die Ausnahme für Transaktionen, die mit Rückkaufprogrammen zusammenhängen, auf den tatsächlichen Handel mit eigenen Aktien des Emittenten beschränkt sein und nicht für Transaktionen mit Finanzderivaten gelten.“ Die Ausklammerung insbesondere von Derivaten hängt mit der Schwierigkeit zusammen, Preis und Volumina im Derivatehandel hinreichend zu überwachen89. Obwohl Derivate an sich für den Rückkauf von Aktien genutzt werden können, lassen ihre Komplexität und die ihnen innewohnenden Eigenschaften sie aus Sicht des europäischen Gesetzgebers nicht als geeignetes Instrument für Rückkaufprogramme erscheinen90. Zahlreiche ihrer Eigenschaften laufen insbesondere den Transparenzanforderungen an Rückkaufprogramme zuwider91. Kein Erwerb eigener Aktien ist ferner der Erwerb anderer eigener Instrumente wie (Inhaber-)Schuldver- 35 schreibungen92, Gewinnschuldverschreibungen93 oder Genussscheine94. Die MAR bzw. die DelVO 2016/ 1052 verweisen für die Begriffsbestimmung des Rückerwerbs eigener Aktien auf die RL 2017/1132 (Gesellschaftsrechts-RL, vgl. Rz. 15), weshalb auch nur der Erwerb von Aktien im Sinne des Gesellschaftsrechts der Union unter die kapitalmarktrechtliche Safe-harbour-Bestimmung fallen kann95. Für eine Ausklammerung des Erwerbs entsprechender Instrumente sprechen zudem die Erwägungen, die den Unionsgesetzgeber dazu bewogen haben, den Rückerwerb über verbundene Instrumente nicht einzubeziehen (Rz. 34). Das Erwerbsgeschäft muss unmittelbar eigene Aktien betreffen, da der Handel mit verbundenen Instru- 36 menten als Erwerbsform ausgeschlossen ist (Rz. 34). Vorbereitende Handlungen, insbesondere die Gewährung von Vorschüssen oder Darlehen oder die Leistung von Sicherheiten durch den Emittenten an einen Dritten zum Zweck des Aktienerwerbes durch diesen stellen noch keinen Rückerwerb eigener Aktien dar96. Erst die nachfolgende Markttransaktion, nicht aber schon die vorbereitenden Handlungen haben einen Einfluss auf die Marktpreisbildung und sind damit aus Sicht des Marktmissbrauchsrechts regelungsbedürftig. Kein Rückerwerb eigener Aktien liegt beim Erwerb von Aktien konzernangehöriger Unternehmen vor97. 37 Dies wird durch den fehlenden Verweis in Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014 auf Art. 67 RL 2017/1132 (vgl. Rz. 15) deutlich, der seinerseits Regelungen zum Erwerb eigener Aktien im Konzern enthält. Demgegenüber nennt etwa Art. 5 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 als zulässigen Zweck ausdrücklich auch die aus einem Belegschaftsaktienprogramm eines verbundenen Unternehmens entstehenden Verpflichtungen (Rz. 66 f.). Die ausdrückliche Inbezugnahme nur der Art. 60–66 RL 2017/1132 ist als bewusste Entscheidung des Unionsgesetzgebers anzusehen, den Erwerb von Aktien konzernangehöriger Unternehmen vom safe harbour des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auszunehmen98.
89 90 91 92
93 94 95 96 97 98
15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 12; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Hdb. des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 36; zweifelnd Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 379; Neurath, AG 2019, 634, 638 f.; kritisch Singhof in FS 25 Jahre WpHG, S. 669, 694 ff. Unter dem Regime der RL 2003/6/EG (MAD I) und deren Umsetzung in Deutschland war auch der Handel mit eigenen Aktien in Form derivativer Finanzinstrumente („Derivative-Based Share Repurchase“, vgl. Erwägungsgrund 8 DurchfVO Nr. 2273/2016), z.B. durch den Erwerb von Kaufoptionen, erfasst. S. Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 222. ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 13 Rz. 16. Darauf Bezug nehmend auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 4. ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 13 Rz. 16. ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 13 Rz. 16. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.4., S. 85; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 13; vgl. zur DurchfVO Nr. 2273/2003 CESR, Advice on Level 2 Implementing Measures for the Proposed Market Abuse Directive (CESR/02-089d), Rz. 112; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 19; Bredow/Sickinger/Weinand-Härer/Liebscher, BB 2012, 2134, 2136 f.; kritisch Hansen, EBLR 15 (2004), 183, 213. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 13. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 13; vgl. zur DurchfVO Nr. 2273/2003 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 19; a.A. Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2012, § 221 AktG Rz. 452. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 22. Zum Begriff allgemein etwa Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2019, § 6 Rz. 57 f., 62 ff. A.A. Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 222; zur DurchfVO Nr. 2273/2003 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 8. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 25; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 11; vgl. Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 171; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 14; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 18. Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 18.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 38 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen b) Persönlicher Anwendungsbereich 38 Der persönliche Anwendungsbereich des safe harbour für Rückkaufprogramme wird durch deren Definition
in Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014 als „Handel mit eigenen Aktien“ gem. den Art. 60–61 RL 2017/ 1132 indirekt abgesteckt. Ein Handel mit den eigenen Aktien ist nur der Aktiengesellschaft selbst möglich, sei es, indem sie selbst ihre Aktien erwirbt, oder aber, indem ihr – wie in Art. 60 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 RL 2017/1132 der Fall – deren Erwerb durch einen Dritten zugerechnet wird. Der persönliche Anwendungsbereich umfasst daher den Emittenten der jeweiligen Aktie und alle Personen, die im eigenen Namen, aber auf dessen Rechnung die von ihm emittierten Aktien erwerben99,weshalb grundsätzlich jede Person dem persönlichen Anwendungsbereich unterfallen kann, soweit sie eine Handlung vornimmt, die materiell als Erwerb eigener Aktien durch den Emittenten zu qualifizieren ist100. c) Räumlicher Anwendungsbereich
39 Vgl. hierzu die Kommentierung zu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 35 ff.
d) Zeitlicher Anwendungsbereich 40 Gemäß des allgemeinen zeitlichen Anwendungsbereichs der MAR und der DelVO 2016/1052 unterfallen
dem Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014 nur Rückkaufprogramme, die ab dem 3.7.2016 begonnen wurden (vgl. dazu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 40).
3. Voraussetzungen des safe harbour für Rückkaufprogramme 41 Damit der Erwerb eigener Aktien i.S.d. Art. 5 VO Nr. 596/2014 in den safe harbour des Art. 5 Abs. 1 VO
Nr. 596/2014 fällt, müssen das Rückkaufprogramm, und damit jeder Erwerb im Rahmen des Rückkaufs, im Einklang mit den Art. 60–66 RL 2017/1132 (vgl. Rz. 15) stehen, ausschließlich den in Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 genannten Zwecken dienen und es müssen angemessene Kurs- und Volumengrenzen beim Rückkauf beachtet werden. Zudem müssen bestimmte Handelsbedingungen und Handelsbeschränkungen beim Erwerb eigener Aktien berücksichtigt werden. Schließlich sind noch die Publizitäts- und Meldepflichten nach Art. 5 Abs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014 nebst deren Konkretisierung durch Art. 2 DelVO 2016/1052, vor, während und nach der Durchführung eines Rückkaufprogramms zu beachten. a) Einklang des Rückkaufprogramms mit den Art. 60 Abs. 1 RL 2017/1132
42 Ein Rückkaufprogramm i.S.d. MAR und damit i.S.d. Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist nach der Legaldefiniti-
on des Art. 3 Abs. 1 Nr. 17 VO Nr. 596/2014 nur der Handel mit eigenen Aktien gem. den Art. 60–66 RL 2017/1132 (vgl. Rz. 15). Eine Anforderung des safe harbour für Rückkaufprogramme ist damit der Einklang des Rückkaufprogramms mit den Vorgaben der Gesellschaftsrechts-RL (früher Kapital-RL) zum Rückerwerb eigener Aktien für den Fall, dass ein Mitgliedstaat den Rückerwerb in Ausübung des Wahlrechts aus Art. 60 Abs. 1 Satz 1 RL 2017/1132 überhaupt zulässt, nicht mit den in diesem Fall erforderlichen nationalen Umsetzungsvorschriften (in Deutschland §§ 71 ff. AktG)101. Darin liegt insofern eine Besonderheit, als die Bestimmungen der RL 2017/1132 für den Bürger keine unmittelbare Wirkung entfalten, sondern nur die Mitgliedstaaten berechtigen (Art. 60 Abs. 1 Satz 1 RL 2017/1132) und, soweit die Mitgliedstaaten dieses Wahlrecht ausgeübt haben, zur Umsetzung der Schutzbestimmungen ins nationale Recht verpflichten. Durch den Verweis in der unmittelbar geltenden MAR werden die Vorgaben der Art. 60–66 RL 2017/1132 im Rahmen der Safe-harbour-Bestimmungen für bestimmte Formen von Rückkaufprogrammen für die Marktteilnehmer jedoch unmittelbar verbindlich, soweit sich diese bei ihrem Marktverhalten auf Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 stützen wollen. Der Rückgriff unmittelbar auf die Vorgaben der RL 2017/1132 statt auf deren nationale Umsetzung hat den Vorzug, dass so Aufsichtsarbitrage, die aus einer unterschiedlichen Umsetzung der Gesellschaftsrechts-RL zwischen den Mitgliedstaaten resultieren könnte, weitgehend vermieden wird102. 99 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 24; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 222; Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 14. 100 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 30; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 17. 101 Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.27; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 13; wohl auch Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 31; unklar Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 27; ohne eigene Stellungnahme Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; a.A. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 15.1. 102 A.A. Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 97, der für eine deutsche AG auf die §§ 71 ff. AktG verweist.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 45 Art. 5 VO Nr. 596/2014
Maßgeblich für das Rückkaufprogramm sind die mindestharmonisierenden Vorgaben der Gesellschafts- 43 rechts-RL zum Rückerwerb eigener Aktien insoweit, als diese den Erwerbsvorgang bzw. seine Vorbereitung betreffen, was für die Bestimmungen in Art. 60 Abs. 1 RL 2017/1132 gilt103. Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/1052 stellt dies mit der Festlegung klar, dass der „Emittent vor Beginn des Handels im Rahmen eines nach Artikel 21 Absatz 1 der Richtlinie 2012/30/EU ... zulässigen Rückkaufprogramms“ die dort spezifizierten Informationen bekanntgeben muss (Rz. 46). Nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 RL 2017/1132 kann ein Mitgliedstaat einer Gesellschaft unbeschadet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Aktionäre, die sich in denselben Verhältnissen befinden und unbeschadet der VO Nr. 596/2014, nur für den Fall gestatten, ihre eigenen Aktien entweder selbst oder durch eine im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft handelnde Person, zu erwerben, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (a) die Genehmigung für den Erwerb von der Hauptversammlung erteilt wird, welche die Einzelheiten des vorgesehenen Erwerbs und insbesondere die Höchstzahl der zu erwerbenden Aktien, die Geltungsdauer der Genehmigung, die sich nach den nationalen Rechtsvorschriften richtet, dabei aber fünf Jahre nicht überschreiten darf, und bei entgeltlichem Erwerb den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegt104. Die Mitglieder des Verwaltungs- oder Leitungsorgans müssen sich davon überzeugen, dass im Zeitpunkt jedes genehmigten Erwerbs die unter den Buchstaben b und c genannten Bedingungen beachtet werden; (b) der Erwerb von Aktien einschließlich der Aktien, welche die Gesellschaft früher erworben hat und noch hält, sowie der Aktien, die eine Person im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Gesellschaft erworben hat, nicht dazu führt, dass das Nettoaktivvermögen den in Artikel 56 Absätze 1 und 2 [RL 2017/ 1132] genannten Betrag unterschreitet; und (c) der Vorgang darf nur voll eingezahlte Aktien betreffen. Die sonstigen Vorschriften der Art. 61–66 RL 2017/1132 betreffen im Wesentlichen Aspekte der zwingenden Wiederveräußerung der rückerworbenen Aktien (Art. 61 Abs. 2, 62 RL 2017/1132), der Nichtigerklärung (Art. 61 Abs. 3 RL 2017/1132) sowie des Umfangs der Rechte aus den erworbenen Aktien (Art. 63 RL 2017/ 1132) und sind damit nicht maßgeblich für die Beurteilung im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. b) Allgemeine Anforderungen an den safe harbour (Art. 5 Abs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014) Die Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 greifen nach Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht ein, 44 wenn dessen Anforderungen an das Rückkaufprogramm erfüllt sind. Dies erfordert eine vor dem Beginn des Handels vorzunehmende öffentliche Bekanntgabe der Einzelheiten des Rückkaufprogramms, die Meldung und anschließende öffentliche Bekanntgabe aller Abschlüsse im Rahmen des Rückkaufprogramms, die Einhaltung angemessener Grenzen in Bezug auf Kurs und Volumen, die ausschließliche Verfolgung eines zulässigen Zwecks i.S.d. Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 sowie die Einhaltung aller übrigen Vorgaben der DelVO 2016/1052. aa) Offenlegung der Einzelheiten des Programms vor dem Beginn des Handels (Art. 5 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) Erforderlich ist zunächst die vollständige Offenlegung der Einzelheiten des Rückkaufprogramms vor dem 45 Beginn des Handels. Art. 5 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 mit seiner Konkretisierung in Art. 2 DelVO 2016/ 1052 dient der Herstellung angemessener Kapitalmarkttransparenz105. Nur bei angemessener Markttransparenz ist sichergestellt, dass die Durchführung des Rückkaufprogramms den Preisbildungsprozess nicht beeinträchtigt (Rz. 23). 103 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 224 ff.; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 4 VO Nr. 2273/2003 Rz. 3, a.A. Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 172, der unter anderem auch die Genehmigung durch die Hauptversammlung und die Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots für erforderlich hält. 104 Gem. Art. 60 Abs. 2 RL 2017/1132 können die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats von den in Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Satz 1 gemachten Vorgaben abweichen, sofern der Erwerb eigener Aktien notwendig ist, um einen schweren unmittelbar bevorstehenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. In diesem Fall muss die nächste Hauptversammlung durch das Verwaltungs- oder Leitungsorgan über die Gründe und den Zweck der getätigten Ankäufe, über die Zahl und den Nennbetrag oder, wenn ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, den rechnerischen Wert der erworbenen Aktien, über deren Anteil am gezeichneten Kapital sowie über den Gegenwert der Aktien unterrichtet werden. 105 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 36; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 18; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 18 ff.; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1011.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 46 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen 46 Eine Offenlegung hat vor Beginn des Handels zu erfolgen. Der Begriff „Handel“ ist insoweit unpräzise, als es
einzig um den Ankauf der eigenen Aktien im Rahmen eines Rückkaufprogramms geht (Rz. 33). Dieser Rückkauf wird begonnen, wenn ein entsprechendes Erwerbsgeschäft (Verpflichtungsgeschäft) verbindlich abgeschlossen wird106 oder durch das Unternehmen bereits verbindliche Angebote zum Abschluss eines Geschäfts abgegeben werden, nicht hingegen, wenn lediglich mit Verhandlungen über einen potentiellen Abschluss begonnen wird107. Eine zusätzliche Wartefrist zwischen Offenlegung und Beginn des Rückkaufs ist nicht einzuhalten108.
47 Die Offenlegung erfordert gem. der Konkretisierung in Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/1052 zumindest die Be-
kanntgabe folgender Informationen109: (a) den Zweck des Programms gem. Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 (Rz. 61 ff.), (b) den größtmöglichen Geldbetrag, der für das Programm zugewiesen wird110, (c) die Höchstzahl der zu erwerbenden Aktien, sowie (d) den Zeitraum, für den das Programm genehmigt wurde („Dauer des Programms“). Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Zu den bekanntzugebenden „Einzelheiten des Programms“ zählen ferner der zum Rückkauf ermächtigende Hauptversammlungsbeschluss (§ 71 Abs. 1 Nr. 6, 8 AktG Rz. 16), und ggf. der Beschluss des Vorstands und des Aufsichtsrats über die Ausnutzung der Ermächtigung111. In der Praxis werden regelmäßig noch weitere ergänzende Informationen in die Bekanntmachung aufgenommen112. Dies gilt etwa für einen Hinweis dazu, ob das Rückkaufprogramm jederzeit ausgesetzt werden kann113, sowie dazu, ob Kreditinstitute für die Durchführung beauftragt wurden114.
48 Eine angemessene Bekanntgabe setzt nach Art. 1 lit. b DelVO 2016/1052 die Veröffentlichung von Informa-
tionen in einer Art und Weise voraus, die der Öffentlichkeit einen schnellen Zugriff darauf und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung dieser Informationen nach Maßgabe der DurchfVO 2016/ 1055 (ausführlich Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 153 ff.)115 ermöglicht116. Erforderlich ist damit die Veröffentlichung in Medien, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass die Informationen tatsächlich an die Öffentlichkeit in der gesamten Europäischen Union weitergeleitet werden („Anlegerpublizität“)117. Zudem ist die Unterrichtung der zuständigen staatlichen Stellen („Behördenpublizität“) erforderlich118. Die Bekanntgabe muss wo möglich unter Verwendung des amtlich bestellten Systems gem. Art. 21 RL 2004/109/EG (Transparenz-RL) erfolgen119. „Amtlich bestelltes System“ ist in Deutschland das Unter106 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 25. 107 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 25. 108 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 40; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 26; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 22. 109 Dazu auch Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 37; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 20; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 32 f.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 19 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 226; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1011. 110 Es wird empfohlen, die Bekanntmachung um etwaige in den Hauptversammlungsbeschlüssen enthaltene Preisgrenzen zu ergänzen. S. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 21; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 21. 111 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 368; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 20; Singhof in FS 25 Jahre WpHG, 2020, S. 669, 686 f.; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 4 VO Nr. 2273/2003 Rz. 10. 112 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 22; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 21. 113 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 22; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 21. 114 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 22; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 21. 115 Unter dem Regime der MAD I waren die §§ 3a ff. WpAIV direkt maßgeblich, dazu de Schmidt in Just/Voß/Ritz/ Becker, § 20a WpHG Rz. 271. 116 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 34 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 41; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 22; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 27 ff.; zur entsprechenden Norm bei den Stabilisierungsmaßnahmen Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.42 ff. 117 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 28; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, HdB. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 22. 118 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 44. 119 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 41; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; weniger streng Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 39 („kann“). Um dem erweiterten An-
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 50 Art. 5 VO Nr. 596/2014
nehmensregister (§ 8b HGB)120, dem die entsprechenden Informationen ebenfalls zuzuleiten sind121. Eine Bekanntgabe auf der Website des Emittenten ist nicht zwingend erforderlich122, kann aber freiwillig erfolgen. Zur Sprachenfrage s. Art. 20 RL 2004/109/EG bzw. § 3b WpAV123. Hinsichtlich der angemessenen Bekanntgabe besteht ebenfalls weitestgehend Kontinuität zu der Rechtslage vor Inkrafttreten der MAR. Ursprünglich musste zwar gem. Art. 2 Nr. 5 DurchfVO Nr. 2273/2003 eine angemessene Bekanntgabe den Anforderungen der Art. 102 Abs. 1 und 103 RL 2001/34/EG (Kapitalmarktpublizitäts-RL)124 genügen. An deren Stelle war aber bereits vor Inkrafttreten der MAR die Transparenz-RL125 (RL 2004/109/EG) getreten126. Der Emittent hat zudem eine angemessene Bekanntgabe nachfolgender Änderungen beim Programm und 49 bei den Informationen, die bereits gem. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 DelVO 2016/1052 veröffentlicht wurden (Rz. 47), zu gewährleisten (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/1052)127. Spätere Änderungen müssen damit ebenfalls öffentlich bekannt gemacht werden. Solche sind insbesondere der außerplanmäßige Abbruch oder die außerplanmäßige Aussetzung eines Rückkaufprogrammes128, nicht hingegen dessen planmäßiges Auslaufen129. Ebenfalls bekanntzumachen ist eine nachträgliche Erhöhung der Zahl der zurückzukaufenden Aktien130. Das gilt auch für lediglich geringfügige Änderungen beim Programm, für eine DeMinimis-Ausnahme fehlt es an einem gesetzlichen Anknüpfungspunkt131. Problematisch ist die Präzisierung nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/1052 mit Blick auf die Handlungsermächtigung der Europäischen Kommission insofern, als Art. 5 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ausdrücklich von Offenlegungen vor dem Beginn des Handels spricht und die Auferlegung nachfolgender Pflichten daher keine Präzisierung oder Konkretisierung der entsprechenden Vorschrift mehr darstellt. bb) Meldung und öffentliche Bekanntgabe der Abschlüsse (Art. 5 Abs. 1 lit. b, Abs. 3 VO Nr. 596/ 2014) Die Meldung der Abschlüsse an die zuständige Behörde des Handelsplatzes gem. Art. 5 Abs. 3 VO 50 Nr. 596/2014 als Teil des Rückkaufprogramms und ihre anschließende öffentliche Bekanntgabe ist eine weitere Voraussetzung, um in den Genuss der Ausnahme für Rückkaufprogramme zu kommen132. Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 verpflichtet den Emittenten (Rz. 38), der zuständigen Behörde des Handelsplatzes, an dem seine Aktien zum Handel zugelassen wurden bzw. gehandelt werden, jedes mit Rückkaufprogrammen zusammenhängende Geschäft, einschließlich der in Art. 25 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 26 Abs. 1, 2
120 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132
wendungsbereich der MAR gegenüber der MAD I mit Blick auf Aktien, die auf alternativen Handelsplattformen gehandelt werden, gerecht zu werden, verweist die ESMA im Übrigen auf Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und die dazu zu entwickelnden Technischen Durchführungsstandards nach Art. 17 Abs. 10 MAR (ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/2015/1455, S. 13, S. 13 f.). Dazu nur Merkt in Hopt, § 8b HGB Rz. 1. Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 22; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 30; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 41. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 41; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 22; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 30. So auch Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 43; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 42; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 22; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 32. Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten (...), ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 271. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 39; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 22; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 23; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1012. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 24; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 23. Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 23. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 24; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 23. A.A. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 24. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 43 ff.; Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 23 f.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Haupt in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 45 ff.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 34 ff.; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1011 f.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 50 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen und 3 VO Nr. 600/2014 (MiFIR) genannten Informationen, zu melden133. Die Meldung muss gegenüber allen zuständigen Behörden aller Handelsplätze erfolgen, an denen die Aktien des Emittenten zum Handel zugelassen sind134. Meldepflichtige Emittenten sehen sich insofern ggf. mit Unterschieden in der jeweiligen Aufsichtspraxis konfrontiert135. Zu den Änderungsvorschlägen im Rahmen des Listing Act Packages, s. Rz. 32a. Hinsichtlich Zeitpunkt und Art der Meldung sieht Art. 2 Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/1052 weitere Präzisierungen für „alle“ in Ausführung des Rückkaufprogramms getätigten Transaktionen vor. Spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung des Geschäfts (Rz. 51) müssen alle mit dem Rückkaufprogramm zusammenhängenden Geschäfte in detaillierter (Einzelmeldungen) und in aggregierter Form (Rz. 52) gemeldet werden (zu den Änderungsvorschlägen im Rahmen des Listing Act Packages, s. Rz. 32a)136. Dabei dient die letztere zusammenfassende Meldung einer besseren Verständlichkeit der Informationen137. 51 Alle an einem Handelstag jeweils getätigten Transaktionen müssen nach Sinn und Zweck des Transparen-
zerfordernisses spätestens am Ende des siebten Handelstages danach gemeldet werden138. Die Siebentagesfrist beginnt also erstmalig mit dem Zeitpunkt des ersten Geschäfts, das in Ausführung des Rückkaufprogramms vorgenommen wird. Bei weiteren Transaktionen an späteren Handelstagen haben jeweils weitere Meldungen spätestens am Ende des jeweiligen siebten Handelstages danach zu erfolgen139.
52 Was die Art der Meldung und deren Inhalt betrifft, müssen die Einzelmeldungen insbesondere die Be-
zeichnung und die Zahl der erworbenen Aktien, Datum und Uhrzeit des Abschlusses sowie den Kurs, zu dem das jeweilige Geschäft abgeschlossen wurde, enthalten140. Bei der zusammenfassenden Meldung sind das aggregierte Volumen und der gewichtete Durchschnittskurs pro Tag und pro Handelsplatz anzugeben (Art. 2 Abs. 2 Satz 3 DelVO 2016/1052)141. Die BaFin stellt auf ihrer Website ein Formular in Form einer Excel-Datei für die Meldung der laufenden Abschlüsse bereit142. Die Meldung als solche kann dann über das MVP-Portal der BaFin über das „Fachverfahren für Aktienrückkaufprogramme (und Stabilisierungsmaßnahmen)“ erfolgen143.
53 Der Emittent muss über Mechanismen verfügen, die ihm die Erfüllung der Meldepflichten gegenüber der
zuständigen Behörde und die Erfassung aller mit einem Rückkaufprogramm zusammenhängenden Geschäfte ermöglichen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 DelVO 2016/1052), wozu auch die in Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 genannten Informationen (Rz. 50) gehören144. Die Meldepflichten sind, ebenso wie die entsprechenden 133 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 46; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 35; Häller/Roggemann, NZG 2019, 1005, 1011 f.; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 49 ff.). 134 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 49; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 39. 135 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 68 f. mit Beispielen; kritisch zur Mehrfachmeldung Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 39. 136 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 62 ff.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 47 f. 137 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 14. 138 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 5; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 37. So auch (zur Rechtslage vor der MAR) de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 274. 139 Vgl. de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 274. 140 Näher Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 25; ferner auch Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 36; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 24. 141 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 38. 142 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84. Abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Down loads/DE/Merkblatt/WA/dl_wa_Vorlage_fuer_Transaktionsmeldungen_Rueckkaufprogramm_WA23.html; dazu Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 65. 143 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 73; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 40; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 23. 144 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38a; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 51; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 41; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 227. Zuvor bereits Art. 4 Abs. 3 DurchfVO Nr. 2273/2003. S. dazu nur de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 272.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 55 Art. 5 VO Nr. 596/2014
Compliancepflichten, unmittelbar an die Emittenten selbst adressiert145. Dass es in der Praxis zumeist Wertpapierfirmen sind, die die Meldungen für den jeweiligen Emittenten vornehmen, ändert nichts daran, dass die MAR und die DelVO 2016/1052 den Emittenten selbst verpflichten. Jedoch kann der Emittent seiner Pflicht auch nachkommen, indem er die entsprechenden Meldungen durch eine Wertpapierfirma vornehmen lässt146. Ein Verstoß gegen diese Compliancepflichten führt bei einer gleichwohl ordnungsgemäßen Meldung nicht zum Wegfall des safe harbour des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, was schon daraus folgt, dass die DelVO 2016/1052 als technischer Regulierungsstandard keine zusätzlichen Voraussetzungen aufstellen kann, die über eine Normkonkretisierung hinausgehen147. Weiterhin muss der Emittent für die anschließende öffentliche Bekanntgabe der im Rahmen eines Rück- 54 kaufprogramms getätigten Abschlüsse sorgen. Art. 2 Abs. 3 DelVO 2016/1052 präzisiert, dass der Emittent gewährleisten muss, dass die in Art. 2 Abs. 2 DelVO 2016/1052 genannten Informationen (Rz. 52) zu den mit Rückkaufprogrammen zusammenhängenden Geschäften spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung des jeweiligen Geschäfts (Rz. 48) „angemessen bekanntgegeben“148 (Rz. 46) werden149. Darüber hinaus muss der Emittent die bekanntgegebenen Geschäfte – zeitgleich150 – auf seiner Website veröffentlichen und dafür sorgen, dass die Informationen ab dem Tag der angemessenen Bekanntgabe mindestens fünf Jahre öffentlich zugänglich bleiben151. Sowohl die zuständigen Behörden als auch die Öffentlichkeit sollen mit denselben Informationen in Bezug 55 auf die Transaktionen, die während des Rückkaufprogramms durchgeführt werden, versorgt werden152. Dies soll die Transparenz steigern und die Investoren mit einem vollständigeren Bild über die ausgeführten Transaktionen versorgen153. Die Bekanntgabe und die Veröffentlichung müssen daher sowohl nach Art als auch nach Inhalt der Meldung an die BaFin entsprechen, mithin ebenso wie diese in detaillierter und aggregierter Form (Rz. 50) erfolgen154. In der Praxis erfolgt die Bekanntgabe häufig dergestalt, dass die aggregierten Daten bekanntgemacht und hinsichtlich der detaillierten Daten lediglich ein Link zur Verfügung gestellt wird155. Solange der Abruf der detaillierten Informationen über den Link permanent sichergestellt ist, wird man dieses Vorgehen für zulässig halten können156. Ein Hinweis auf dieses Vorgehen in der Bekanntmachung gem. Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/1052 (Rz. 43 ff.) wird gleichwohl ratsam sein157. Vor dem Hintergrund datenschutzrechtlicher Erwägungen gesteht die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden zu, dass auf die Veröffentlichung der Namen von natürlichen Personen verzichtet werden kann158. 145 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 41. Für die DurchfVO Nr. 2273/2003 war hingegenüber anerkannt, dass die parallelen Vorschriften unmittelbar Wertpapierfirmen betrafen, nicht aber Emittenten als solche. Die h.A. ging davon aus, dass den Emittenten nur eine Aufzeichnungspflicht traf, während die eigentliche Meldepflicht nur einer ggf. mit der Durchführung des Rückkaufprogrammes betrauten Wertpapierfirma oblag. Dazu Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 307; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 4 VO Nr. 2273/2003 Rz. 17; Singhof/Weber, AG 2005, 549, 557; a.A. de Schmidt in Just/ Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 272 der von einer Meldepflicht des Emittenten ausgeht, der dieser aber auch durch eine Übertragung auf die Wertpapierfirma nachkommen kann. 146 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 36; vgl. de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 272. 147 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 51; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 41.1. 148 Art. 4 Abs. 4 DurchfVO Nr. 2273/2003 sah das Kriterium „angemessen“ nicht ausdrücklich vor, was ein Redaktionsversehen gewesen sein dürfte. S. Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 306 f.; Singhof/Weber, AG 2005, 549, 558. 149 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.3., S. 84 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 25; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 74 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 50; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 42. 150 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 43. 151 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.3., S. 84 f.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 43; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38a. 152 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 14. 153 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 14. 154 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.3., S. 84 f. 155 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 44; Stüber, ZIP 2015, 1374, 1376. 156 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 44; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 27. 157 Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, HdB. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 27. 158 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.3., S. 84 f.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 56 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen 56 Der Emittent hat der für den Handelsplatz zuständigen Behörde jedes mit Rückkaufprogrammen zusam-
menhängende Geschäft zu melden, und zwar einschließlich der in Art. 25 Abs. 1 und 2 und Art. 26 Abs. 1, 2 und 3 VO Nr. 600/2014 (MiFIR) genannten Informationen (näher zu den Informationen, s. Art. 25 VO Nr. 600/2014 Rz. 11 ff. und Art. 26 VO Nr. 600/2014 Rz. 13 ff.)159. Ob den Emittenten auch die entsprechend in Bezug genommene Aufzeichnungspflicht trifft160, bleibt insoweit unklar. Deutlicher in dieser Hinsicht ist Art. 6 Abs. 4 Satz 1 DelVO 2016/1052 für Stabilisierungsmaßnahmen (Rz. 96). Danach müssen Unternehmen, die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, um der Mitteilungspflicht nach Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014 nachzukommen, alle Kursstabilisierungsaufträge und -transaktionen bei Wertpapieren und verbundenen Instrumenten entsprechend Art. 25 Abs. 1 sowie Art. 26 Abs. 1, 2 und 3 VO Nr. 600/2014 aufzeichnen. Richtigerweise trifft den Emittenten auch im Falle eines Rückkaufprogramms eine Pflicht zur Aufzeichnung entsprechend Art. 25 VO Nr. 600/2014. Andernfalls wäre nicht gewährleistet, dass die entsprechenden Informationen überhaupt gemeldet werden können. cc) Einhaltung angemessener Grenzen beim Handel (Art. 5 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014)
57 Der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen hat angemessene Grenzen in Bezug auf
den Kurs und das Volumen einzuhalten. Präzisiert werden die Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 an angemessene Grenzen für den Kurs durch Art. 3 Abs. 2 DelVO 2016/1052 und an diejenigen für das Volumen durch Art. 3 Abs. 3 DelVO 2016/1052. Diese Vorgaben sollen verhindern, dass durch den Erwerb eigener Aktien deren Preis künstlich nach oben getrieben wird, sei es durch über dem Marktpreis liegende Rückkauforders oder durch erhebliche Rückkaufvolumina, die das Angebot verknappen und so den Preis treiben161. Mit einer einmaligen Überschreitung fällt allerdings nicht etwa das gesamte Rückkaufprogramm aus dem Anwendungsbereich des safe harbour heraus. Vielmehr hat eine solche lediglich zur Folge, dass die jeweilige Rückerwerbstransaktion einen Verstoß gegen Art. 14 bzw. Art. 15 VO Nr. 596/2014 bedeuten kann162.
58 Die angemessene Grenze in Bezug auf den Kurs präzisiert Art. 3 Abs. 2 DelVO 2016/1052 dahingehend,
dass ein Emittent bei Geschäften im Rahmen eines Rückkaufprogramms die Aktien nicht zu einem Kurs erwerben darf, der über dem des letzten unabhängig getätigten Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) über dem des derzeit höchsten unabhängigen Angebots – gemeint ist Kaufangebot163 – auf dem Handelsplatz, auf dem der Kauf stattfindet, liegt164. Letzteres ist dann bedeutsam, wenn die Aktien auf unterschiedlichen Handelsplätzen gehandelt werden. Maßgeblicher Bezugspunkt ist dann immer derjenige Handelsplatz, auf dem die entsprechende Transaktion stattfindet165. Das Wort „dieser“ in der Klammer bezieht sich dabei auf den letzten getätigten Abschluss, nicht auf das höchste derzeitige (Kauf-)Angebot166: Liegt z.B. der letzte Abschluss bei 100, das derzeit höchste Kaufangebot aber bei 90, weil mittlerweile negativ kursbeeinflussende Informationen bekannt geworden sind, würde es dem Sinn und Zweck des Art. 5 VO Nr. 596/2014 widersprechen, einen Rückkauf zu 100 zuzulassen; der Rückkauf darf mithin 90 nicht überschreiten. Soweit man der Auffassung ist, dass der Wortlaut – auch anderer Sprachfassungen – dieser Auslegung entgegensteht167, ist zumindest eine teleologische Reduktion der Norm angezeigt, und einer solchen steht dann auch ein vermeintlich eindeutiger Wortlaut anderer Sprachfassungen nicht entgegen168. Abschlüsse und Angebote sind 159 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.2., S. 84; s. auch Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 45 ff., auch zum Übergangsregime für die Zeit vor Inkrattreten der MiFIR. 160 So Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 352. 161 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 45; Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 27 ff.; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 5 VO Nr. 2273/2003 Rz. 1; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 275. 162 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 31; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 55.1; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 29; vgl. Tountopoulos, EWS 2012, 499, 455 in Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung der griechischen Kapitalmarktkommission. 163 Vgl. zur alten Rechtslage: Singhof/Weber, AG 2005, 549, 558. 164 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 88; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 53; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 6; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 46 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 28 f. 165 Vgl. de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 276. 166 So auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 6; a.A. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 56; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 50.1 ff. Zum früheren Art. 5 DurchfVO Nr. 2273/2003 ebenso Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 5 VO Nr. 2273/2003 Rz. 2; a.A. Singhof/Weber, AG 2005, 549, 558. 167 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 56 unter Verweis auf die englische und die französische Sprachfassung. 168 So aber Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 50.4, die aber zugesteht, dass die hier vertretene Auffassung dem „Sinn und Zweck der Vorgaben stärker dienen würde“ (Rz. 50.4).
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 61 Art. 5 VO Nr. 596/2014
unabhängig, wenn an ihnen weder der Emittent noch für seine Rechnung handelnde Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, wobei lediglich unabhängige Kauforders, nicht hingegen unabhängige Verkaufsorders maßgeblich sind169. Hinsichtlich der Einhaltung angemessener Grenzen in Bezug auf das Volumen präzisiert Art. 3 Abs. 3 Satz 1 59 DelVO 2016/1052, dass Emittenten, wenn sie Geschäfte im Rahmen eines Rückkaufprogramms tätigen, an einem Handelstag nicht mehr als 25 % des durchschnittlichen täglichen Aktienumsatzes auf dem Handelsplatz, auf dem der Kauf erfolgt, erwerben dürfen. Durch das Abstellen auf den durchschnittlichen Tagesumsatz, statt auf die Gesamtmenge der verfügbaren Aktien, besteht die Möglichkeit, dass die zulässige Höchstgrenze bei sehr liquiden Aktien sogar über der Gesamtmenge aller verfügbaren Aktien liegen kann170. Diese theoretische Möglichkeit ist aber in der Berechnungsgrundlage angelegt und daher hinzunehmen. Für die Berechnung des durchschnittlichen Tagesumsatzes auf Basis des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens stellt Art. 3 Abs. 3 Satz 2 DelVO 2016/1052 zwei alternative Beurteilungszeiträume zur Wahl171. Der Emittent kann den Beurteilungszeitraum bei Bekanntgabe („Veröffentlichung“) des Rückkaufprogrammes für dessen genehmigte Dauer auf den Monat vor dem Monat, in dem die laut Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/1052 geforderte Bekanntgabe erfolgt, festlegen (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 lit. a DelVO 2016/1052). Trifft er keine entsprechende vorhergehende Festlegung, ist für jeden Kauf das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen der letzten 20 Börsentage (Handelstage) vor dem Kauftermin maßgeblich (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 lit. b DelVO 2016/1052). Der erste Modus ist weniger aufwendig, weil das Volumen nur einmal berechnet werden muss, und kann sich empfehlen, wenn der Emittent damit rechnet, dass die Tagesvolumina während der Laufzeit des Rückkaufprogrammes sinken; der zweite Modus ist aufwendiger, weil das Volumen von Tag zu Tag neu berechnet werden muss, kann sich aber empfehlen, wenn der Emittent mit steigenden Tagesvolumina rechnet und/oder sich mehr Flexibilität bewahren will172. Zudem kann sich die Berechnungsmethode bei illiquiden Wertpapieren anbieten173. Der außerbörsliche Rückkauf eigener Aktien insbesondere von einzelnen Aktionären (sog. negotiated repurchase) ist von der Volumenbegrenzung nicht erfasst174. Von der 25 %-Schwelle gibt es keine Ausnahme175. Zur Begründung führt die ESMA in ihrem finalen Report 60 zur DelVO 2016/1052 aus, dass die vormalige 50 %-Ausnahme bei außerordentlich niedriger Liquidität auf dem betreffenden Markt (Art. 5 Abs. 3 DurchfVO Nr. 2273/2003) nur in sehr wenigen Fällen Anwendung gefunden habe176. Lediglich eine zuständige Behörde habe Fälle extrem niedriger Liquidität gemeldet, die eine Anwendung der Ausnahmeregelung gerechtfertigt hatten177. c) Legitime Zwecke des Rückkaufprogramms (Art. 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 VO Nr. 596/2014) In den Schutzbereich des safe harbour fallen gem. Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nur Rückkaufprogramme, die 61 ausschließlich einem der in Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 abschließend178 aufgezählten drei Zwecken dienen179.
169 Vgl. Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 103. 170 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 58; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 51. 171 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 92 ff.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 54. 172 Deshalb empfohlen von Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 104; Geber/zur Megede, BB 2005, 1861, 1864; Singhof/Weber, AG 2005, 549, 558 f. 173 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 55; vgl. de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 278. 174 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 51; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 5 VO Nr. 2273/2003 Rz. 15. 175 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 231. 176 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 16. 177 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, S. 16. 178 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.4., S. 85; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 96; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 2; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 31; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 57.1; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 223; vgl. zum alten Recht Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 96; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 266, jeweils zu Art. 3 DurchfVO Nr. 2273/2003. 179 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.4., S. 85; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 31 f.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 2; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 57; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 30; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 353; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38a; Saliger in
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 61 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Über den Wortlaut hinaus ist es auch zulässig, dass ein Rückkaufprogramm zwei oder gar allen drei genannten Zwecken gleichzeitig dient180. Die Anforderungen an den Nachweis einer Zwecksetzung geben durch die MAR und die DelVO 2016/1052 nicht ausdrücklich vor Bei den zulässigen Zwecken im Rahmen des Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 werden sich insoweit aber regelmäßig keine Probleme ergeben181. So können etwa die Beschlüsse des zuständigen Gesellschaftsorgans und die Verträge über die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme oder die Schuldtitel oder aber der Beschluss über die Einziehung der eigenen Aktien vorgelegt werden. Eine entsprechende Dokumentation wird von der MAR zwar nicht ausdrücklich gefordert. Den Marktteilnehmern ist eine solche aber dringend anzuraten, damit sie einen zweifelsfreien Nachweis für die Erfüllung der Voraussetzungen erbringen zu können. Werden die legitimen Zwecke in betrügerischer Absicht vorgeschoben, können sich Marktteilnehmer nicht auf die formelle Zweckverfolgung berufen182. 62 Nicht in den Schutzbereich des safe harbour einbezogen sind Rückkaufprogramme, die nur oder jedenfalls
auch anderen Zwecken dienen183, etwa um Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG), um einem Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsunternehmen Wertpapierhandel zu ermöglichen (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AktG), anlassbezogene Kurspflege zu betreiben (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AktG), oder um eine Übernahme abzuwenden (vgl. § 33 WpÜG). Auch verbietet sich eine analoge Anwendung auf andere Zwecke, da keine planwidrige Regelungslücke besteht184. Freilich ist in derartigen Fällen zugleich zu bedenken, dass ein Handeln jenseits des safe harbour nicht per se bedeutet, dass eine Marktmanipulation vorliegt. Vielmehr ist dann – unabhängig von einer Erfüllung aller Verfahrensvorgaben der DelVO 2016/1052 – im Einzelfall zu prüfen, ob ein Verstoß gegen Art. 14 oder 15 VO Nr. 596/2014 gegeben ist. Für den Marktteilnehmer ist ein entsprechendes Vorgehen folglich mit erheblichen Rechtsunsicherheiten verbunden. Dazu noch Rz. 117 ff. aa) Reduzierung des Kapitals eines Emittenten
63 Bei der Kapitalherabsetzung handelt es sich um einen anerkannten Zweck für ein Rückkaufprogramm. Uner-
heblich ist dabei, ob die Kapitalherabsetzung durch Herabsetzung der Zahl oder des Werts der Aktien erfolgt. Aktienrechtlich richtet sich eine Kapitalherabsetzung bei deutschen. Aktiengesellschaften nach den Vorgaben der §§ 222 ff. AktG. Im Zusammenhang mit dem Rückerwerb eigener Aktien ist nur diejenige durch Reduzierung der Zahl der Aktien im Wege der Einziehung nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG relevant (der Erwerb selbst gem. § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG zulässig)185, was einen entsprechenden Hauptversammlungsbeschluss voraussetzt (§ 237 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 AktG)186. Eine Kapitalherabsetzung durch Herabsetzung des Nennbetrags und damit durch Reduzierung des Werts der Aktie im Rahmen einer ordentlichen oder vereinfachten Kapitalherabsetzung spielt im Zusammenhang mit dem Rückerwerb eigener Aktien demgegenüber keine Rolle.
bb) Erfüllung der aus einem Schuldtitel entstehenden Verpflichtungen, die in Eigenkapital umgewandelt werden können 64 Das Rückkaufprogramm kann auch dem Zweck dienen, die aus einem Schuldtitel entstehenden Verpflich-
tung zu erfüllen, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können (Art. 5 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/ 2014). Der Begriff der Schuldtitel (debt financial instruments) ist weder in der MAR noch in der DelVO
180 181 182
183 184
185 186
Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 223; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.25; vgl. Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 96; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 267, jeweils zu Art. 3 DurchfVO Nr. 2273/2003. Kritisch zu der Begrenzung Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 10 ff.; Singhof in FS 25 Jahre WpHG, 2020, S. 669, 692. Zustimmend Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 57. Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 16. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 3; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 57.3; Tountopoulos, EWS 2012, 449, 453 f. unter zutreffendem Verweis auf die ständige Rechtsprechung des EuGH, wonach die betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Normen des Unionsrechts nicht gestattet ist. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 35; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 57.1; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 223. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 35; vgl. zum alten Recht BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 39; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 10; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 57.1; a.A. Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 17; Singhof in FS 25 Jahre WpHG, 2020, S. 669, 692 ff.; Schanze in FS Nobel, 2005, S. 999, 1025; tendenziell auch Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 252; Oechsler in GS Wolf, 2011, S. 291, 297 f. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 32; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 58; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 3. Dazu nur Oechsler in MünchKommAktG, 5. Aufl. 2021, § 237 AktG Rz. 78 ff.; Koch, § 237 AktG Rz. 23.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 66 Art. 5 VO Nr. 596/2014
2016/1052 legal definiert. Allgemein werden unter Schuldtiteln alle standardisierten und an den Finanzmärkten handelbaren schuldrechtlichen Ansprüche mit vermögensrechtlichem Inhalt verstanden187. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG fallen unter den Begriff des Schuldtitels insbesondere Genussscheine, Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, sowie sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach den § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird (näher § 2 WpHG Rz. 25 ff.). Der Schuldtitel muss nach Art. 5 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 gerade in Beteiligungskapital umgewandelt werden können, also in Aktien des konkreten Unternehmens, das das Rückkaufprogramm durchführt188. In Deutschland kommen als entsprechende Schuldtitel insbesondere Wandel- und Optionsanleihen nach § 221 Abs. 1 AktG189 sowie Wandel- und Optionsgewinnschuldverschreibungen in Betracht190. Die Bedienung von Wandel- und Optionsanleihen mit eigenen Aktien – ist gesellschaftsrechtlich möglich und eine praktikable Möglichkeit der Absicherung entsprechender Ansprüche191, da es sich um einen zulässigen Erwerbszweck im Rahmen einer Ermächtigung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG handelt192. Erforderlich hierfür ist notwendigerweise ein Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre193, der schon im Ermächtigungsbeschluss zum Rückerwerb eigener Aktien durch die Hauptversammlung vorgesehen werden sollte (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 4 Halbs. 2 AktG unter Verweis auf die § 186 Abs. 3, 4 und § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG)194. Nicht genügend ist zum einen die Bedienung von Verpflichtungen, die nicht aus Schuldtiteln herrühren. 65 Das betrifft insbesondere sog. naked warrants, mithin Optionsrechte, die nicht mit einer Anleihe verbunden werden195. Gleiches gilt für Schuldtitel, die kein unmittelbares Recht auf Beteiligungskapital, sondern nur ein Bezugsrecht oder einen Zahlungsanspruch gewähren196. Nicht erfasst sind deshalb auch sog. HuckepackEmissionen197. cc) Erfüllung der Verbindlichkeiten, die aus einem Belegschaftsaktienprogramm oder einer anderen Form der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter oder Angehörige der Verwaltungs-, Leitungsoder Aufsichtsorgane des Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen erwachsen Anerkannter Zweck eines Rückkaufprogramms ist ferner die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die aus einem 66 Belegschaftsaktienprogramm oder einer anderen Form der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter oder Angehörige der Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane des Emittenten oder einem verbundenen Unternehmen erwachsen. Mit der ausdrücklichen Nennung der Zuteilung an Organmitglieder ist diese Zwecksetzung tatbestandlich weiter als früher diejenige der DurchfVO Nr. 2273/2003, die nur von „Belegschaftsaktienprogramme und anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft“ sprach198. Auch zu dieser war freilich schon anerkannt, dass unter die anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter auch die Zuteilung von Aktien an Organmitglieder fiel199.
187 Kumpan in Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 188 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 60; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 7. 189 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 60; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 6. 190 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 60; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 6. Zu Wandlungs- und Optionsgewinnschuldverschreibungen bzw. Wandlungs- und Optionsgenussrechte nur Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2021, § 221 AktG Rz. 59. 191 Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2021, § 221 AktG Rz. 24a, 52a; Seiler in BeckOGK, § 221 AktG Rz. 85 f.; Koch, § 221 AktG Rz. 59; Hirte in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2012, § 221 AktG Rz. 162. 192 Koch, § 221 AktG Rz. 59; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 331. 193 Seiler in BeckOGK, § 221 AktG Rz. 86. 194 Seiler in BeckOGK, § 221 AktG Rz. 86. 195 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 33; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 60.1; zu diesen Instrumenten nur Koch, § 221 AktG Rz. 75. 196 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrcht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 60.1; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a AktG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 5; a.A. Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 252, der auch Bezugsrechte genügen lässt, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können. 197 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 60.1; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 6. 198 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 34; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 61.1. 199 Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 174 mit Fn. 532; Singhof/Weber, AG 2005, 549, 555; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 8.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 67 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen 67 Belegschaftsaktienprogramme dienen der Mitarbeiterbeteiligung, die die Möglichkeit erhalten, eine i.d.R. li-
mitierte Zahl von Unternehmensaktien zu i.d.R. begünstigten Bedingungen, i.d.R. verbunden mit einer Sperrfrist für die Wiederveräußerung, zu erwerben. Andere Aktienzuteilungsformen sind insbesondere als erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile eingeräumte Optionsrechte200. Aktienrechtlich ist für den Erwerb eigener Aktien zur Bedienung von Ansprüchen aus einem Belegschaftsprogramm oder anderen Formen der Zuteilung an auch frühere Arbeitnehmer kein hierzu ermächtigender Hauptversammlungsbeschluss (s. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG) nötig201, wohl aber regelmäßig für den Rückerwerb zur Bedienung von Bezugsrechten und Optionen von Organmitgliedern202 d) Weitere Handelsbedingungen und Handelsbeschränkungen (Art. 5 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014)
68 Gem. Art. 5 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 muss das Rückkaufprogramm im Einklang mit den sonstigen in Art. 5
VO Nr. 596/2014 festgelegten Bedingungen und den in Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 genannten technischen Regulierungsstandards durchgeführt werden203. Hierunter fallen die Anforderungen an die Handelsbedingungen nach Art. 3 Abs. 1 DelVO 2016/1052 sowie die Handelsbeschränkungen nach Art. 4 DelVO 2016/1052.
69 Geschäfte im Zusammenhang mit Rückkaufbedingungen müssen gem. Art. 3 Abs. 1 DelVO 2016/1052. die
folgenden Bedingungen erfüllen: (a) Die Aktien müssen vom Emittenten auf einem Handelsplatz gekauft werden, auf dem sie zum Handel zugelassen sind oder gehandelt werden; (b) im Falle von Aktien, die auf einem Handelsplatz kontinuierlich gehandelt werden, darf keine Auftragserteilung während einer Auktionsphase erfolgen, und die vor Beginn einer Auktionsphase erteilten Aufträge dürfen während dieser Phase nicht geändert werden; (c) im Falle von Aktien, die auf einem Handelsplatz ausschließlich durch Auktionen gehandelt werden, dürfen die Aufträge vom Emittenten während der Auktion nur erteilt und geändert werden, sofern die anderen Marktteilnehmer ausreichend Zeit haben, darauf zu reagieren.
70 Rückkäufe im Rahmen einer Rückkaufprogramms i.S.d. Art. 5 VO Nr. 596/2014 müssen einen Handels-
platzbezug aufweisen. Für den Begriff des Handelsplatzes gilt auch insoweit die Definition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/2014 und dessen Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 RL 2014/65/EU (MiFID II), wonach ein Handelsplatz ein geregelter Markt204, ein multilaterales Handelssystem205 oder ein organisiertes Handelssystem206 ist (näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 ff.). Der Emittent muss die Aktien auf einem Handelsplatz kaufen, also erwerben, auf dem sie zugelassen sind oder sonst gehandelt werden207. Die OTC-Durchführung eines Rückkaufprogramms, etwa im Rahmen eines sog. accelerated share repurchase208, kommt daher nicht in den Genuss eines safe harbour209, so dass sich diese an den Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 – 200 201 202 203
204
205
206
207 208 209
Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 3 VO Nr. 2273/2003 Rz. 8. Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 146 ff.; Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 61, 65. Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 331; Cahn in BeckOGK, § 71 AktG Rz. 61. Zu diesen auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 229 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 6; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 62 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 32 ff.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.95. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU: „ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gemäß Titel III dieser Richtlinie funktioniert.“ Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 RL 2014/65/EU: „(MTF) ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt.“ Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 RL 2014/65/EU: „(OTF) ein multilaterales System, bei dem es sich nicht um einen geregelten Markt oder ein MTF handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt.“ Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 29; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 353; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 15.2, 63. Zum beschleunigten Aktienrückkauf nach deutschem Recht Neurath, AG 2019, 634. Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 83; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 29; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 222; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 73 Art. 5 VO Nr. 596/2014
soweit anwendbar – vollumfänglich messen lassen müssen (Rz. 117). Eine Ausnahme gilt für ausgehandelte Geschäfte, die nicht zur Kursbildung beitragen. Sie können für die Zwecke eines Rückkaufprogramms genutzt werden und in den Genuss der Ausnahme kommen, sofern alle in der VO Nr. 596/2014 und in der DelVO 2016/1052 genannten Bedingungen erfüllt sind (Erwägungsgrund 4 Satz 3 DelVO 2016/1052). Werden Aktien auf einem Handelsplatz kontinuierlich gehandelt, darf eine Auftragserteilung nicht während 71 einer Auktion erfolgen (Art. 3 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/1052). Bedeutung hat diese Beschränkung für alle Handelsplätze, die mit ergänzenden Auktionsmechanismen arbeiten, wie etwa der Xetra-Handel210. Die Handelsbeschränkung rechtfertigt sich aus der besonderen Manipulationsanfälligkeit der Kursbildung in diesen Auktionsphasen211. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Aktien an keinem Handelsplatz in der EU kontinuierlich gehandelt werden. Aber auch dann kommt ein Erwerb durch Auktion nur insoweit in Betracht als die Auktion an einem Handelsplatz stattfindet und die Aktien ausschließlich durch Auktion gehandelt werden212. Zudem dürfen Aufträge nur während einer laufenden Auktion erteilt werden (Art. 3 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/1052). Diese Vorgaben sollen sicherstellen, dass die Einhaltung angemessener Grenzen beim Handel nicht umgangen werden (Erwägungsgrund 4 Satz 2 DelVO 2016/1052). Um den Marktmissbrauchsrisiken während der Durchführung eines Rückkaufprogramms vorzubeugen (Er- 72 wägungsgrund 5 Satz 1 DelVO 2016/1052)213, sieht Art. 4 Abs. 1 DelVO 2016/1052 bestimmte Handelsbeschränkungen (sog. Black-out-Perioden214) vor. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/1052 ist es dem Emittenten und unmittelbar oder mittelbar für seine Rechnung handelnden Personen untersagt, während der Laufzeit des Rückkaufprogrammes eigene Aktien zu verkaufen (Art. 4 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/ 1052)215. Die Beschränkung gilt nicht nur für den Verkauf zuvor zurückerworbenen Aktien, sondern für alle Aktien des Emittenten216, gleich welcher Gattung217. Unerheblich ist, wo der Verkauf stattfindet, sodass auch OTC-Verkäufe nicht vorgenommen werden dürfen218. Zudem wird man die Beschränkung teleologisch auch auf derivative Instrumente wie Verkaufsoptionen zu erstrecken haben219. Die Ausgabe von Aktien an Mitarbeiter im Rahmen von Belegschaftsaktienprogrammen oder an Inhaber von Wandelschuldverschreibungen ist allerdings kein Verkauf im Sinne dieser Vorschrift220. Andernfalls würde der Regelungszweck des safe harbour für Rückkaufprogramme, der diese Form der Ausgabe gerade zulassen will (Rz. 66 f.), konterkariert. Eine Ausnahme für überschüssig zurückerworbene Aktien ist dagegen nicht angezeigt221. Diese lassen sich nämlich auch noch nach Abschluss des Belegschaftsaktienprogramms wieder veräußern. Eine übermäßige Belastung für den Emittenten wird sich daraus nicht ergeben, zumal der von ihm für die Bedienung des Belegschaftsprogramms eingeplante „Sicherheitspuffer“222 volumenmäßig überschaubar sein dürfte. Der Emittent muss während eines geschlossenen Zeitraums i.S.d. Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 von je- 73 dem Handel mit Aktien absehen (Art. 4 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/1052). Handel meint den Ankauf und
210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222
Rz. 6; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 64; Neurath, AG 2019, 634, 637 ff.; vgl. auch Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 353; Schäfer in MarschBarner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.95. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 64; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 65. ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, Rz. 30; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 49; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 65. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 66. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 353; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 67. Vgl. zum Begriff Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 19 zu Art. 124 FinfraV. Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 98; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 6; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 232; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 7; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 68 ff. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 66; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 68. A.A. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 68.1. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 66; Stüber in BeckOKWertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 68.2. Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 99. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 69; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 6 VO Nr. 2273/2003 Rz. 3; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 279. So aber Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 70. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 70.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 73 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Verkauf eigener Aktien223. Ein geschlossener Zeitraum ist ein Zeitraum von 30 Kalendertagen vor Ankündigung eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlussberichts, zu deren Veröffentlichung der Emittent (a) gemäß den Vorschriften des Handelsplatzes, auf dem die Anteile des Emittenten zum Handel zugelassen sind, oder (b) gemäß nationalem Recht verpflichtet ist. Die Handelsbeschränkung dient der Vorbeugung von Insiderhandel in dieser besonders sensiblen Phase. 74 Schließlich muss der Emittent von jedem Handel mit eigenen Aktien für den Zeitraum absehen, für den er
einen Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/ 2014224 beschlossen hat (Art. 4 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/1052)225. Ausführlich dazu Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 88 ff. Die Ausnahme vermeidet in Phasen einer Zurückhaltung kurserheblicher Informationen eine zu starke Beeinträchtigung der Kapitalmarktpublizität und damit der Preisbildung.
75 Für die Durchführung eines programmierten Rückkaufprogramms gelten diese durchaus einschneidenden
Handelsbeschränkungen nicht226. Ein solches Programm ist gem. Art. 1 lit. b DelVO 2016/1052 ein Rückkaufprogramm, bei dessen Bekanntgabe Termine und Volumen der Aktien, die während der Laufzeit des Programms gehandelt werden, bereits festgelegt werden. Indem der Emittent bereits Vorfestlegungen getroffen hat, kann er aus den andernfalls verbotenen Handlungsweisen regelmäßig keine Vorteile mehr ziehen, und es drohen auch sonst keine Verletzungen der Marktintegrität227. Freilich hat eine entsprechende Vorfestlegung den Nachteil, dass der Emittent nicht mehr flexibel auf Marktveränderungen reagieren kann.
76 Nicht zur Anwendung kommen die Handelsbeschränkungen des Art. 4 Abs. 1 DelVO 2016/1052 ferner, wenn
das Rückkaufprogramm unter Führung eines Wertpapierhauses (Wertpapierfirma) oder Kreditinstituts durchgeführt wird, das seine Entscheidungen über den Zeitpunkt des Erwerbs von Aktien des Emittenten unabhängig von diesem trifft228. Im Falle einer Ad-hoc-Mitteilungspflicht ist dies nur der Fall, wenn deren Aufschub nicht schon zum Zeitpunkt der Beauftragung bestand229. Generell ist zudem erforderlich, dass die Unabhängigkeit der Entscheidungsfindung im Vertragsverhältnis ausdrücklich festgehalten wird230. Für den Begriff des Kreditinstituts verweist Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO Nr. 596/2014 auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 575/2013 (CRR), wobei diese Begriffsbestimmung auch für die auf Basis der MAR erlassenen delegierten Rechtsakte verbindlich ist. Der Begriff des Wertpapierhauses wird hingegen weder in der MAR noch in der DelVO 2016/ 1052 definiert. Es findet sich vielmehr nur noch der Begriff der Wertpapierfirma, für den in Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014 auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU (MiFID II) verwiesen wird. Art. 2 Nr. 1 DurchfVO Nr. 2273/2003 hatte für den Begriff des Wertpapierhauses noch auf Art. 1 Nr. 2 RL 93/22/EWG (Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie) verwiesen. Diese wurde aber bereits 2007 durch die RL 2004/39/EG (MiFID I) abgelöst, die ihrerseits nur noch den Begriff der Wertpapierfirma kannte231. Dass die DelVO 2016/1052 noch immer auf Wertpapierhäuser abstellt, beruht damit auf einer unreflektierten Übertragung aus der DurchfVO Nr. 2273/2003. Richtigerweise ist auf den Begriff der Wertpapierfirma im Sinne der MiFID II abzustellen.
77 Für Emittenten, die selbst Wertpapierfirmen (Rz. 76) oder Kreditinstitute sind, sehen Art. 4 Abs. 3 und 4
DelVO 2016/1052 weitere Ausnahmen vor232. Das Verkaufsverbot (Art. 4 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/1052) gilt nicht, wenn der Emittent eine Wertpapierfirma oder ein Kreditinstitut ist und für den Handel mit eige-
223 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 100 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 71; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 71. 224 Zum Aufschub der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001 (Teil I) und WM 2017, 2043 (Teil II). Zum Aufschub nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 Klöhn, ZHR 181 (2017), 746. 225 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.5., S. 85 f.; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 104 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 72; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 73. 226 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 7; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 75. 227 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 73; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 75; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 6 VO Nr. 2273/2003 Rz. 10; Widder, BB 2010, 515, 518. 228 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38a; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 74 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 6; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 77. 229 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.5., S. 85 f. 230 Weniger streng Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 78: „wird in der Praxis häufig vertraglich mit der Wertpapierfirma bzw. dem Kreditinstitut vereinbart“; in diesem Sinne auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 7 VO Nr. 2273/2003 Rz. 11, der von „sollte“ spricht. 231 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 2. 232 Die Norm entspricht dabei weitgehend der Fassung des Art. 6 Abs. 2 DurchfVO Nr. 2273/2003.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 79 Art. 5 VO Nr. 596/2014
nen Aktien angemessene und wirksame, der Aufsicht der zuständigen Behörde unterliegende interne Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten hat. Diese müssen gegenüber Personen, die für Entscheidungen über den Handel mit eigenen Aktien zuständig sind, im Falle des Handels mit eigenen Aktien auf der Grundlage einer solchen Entscheidung die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen durch Personen verhindern, die Zugang zu direkt oder indirekt den Emittenten betreffenden Insiderinformationen haben (Art. 4 Abs. 3 DelVO 2016/1052). Erforderlich ist also die aufsichtsbehördlich überwachte Einrichtung von chinese walls zwischen den über Insiderinformationen verfügenden Personen einerseits und den mit eigenen Aktien (sei es auch im Namen von Kunden) handelnden Personen andererseits233. Das Verbot des Erwerbs während geschlossener Zeiträume (Art. 4 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/1052) und das Verbot des Erwerbs während des Aufschubs einer Ad-hoc-Mitteilung (Art. 4 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/1052)234 gelten nicht, wenn gleichfalls aufsichtsbehördlich überwachte chinese walls zwischen den über Insiderinformationen (einschließlich Handelsentscheidungen im Rahmen des Rückkaufprogrammes) verfügenden Personen einerseits und den für den Handel mit eigenen Aktien im Namen von Kunden andererseits zuständigen Personen bestehen (Art. 4 Abs. 4 DelVO 2016/1052)235.
VII. Stabilisierungsmaßnahmen (Art. 5 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014) 1. Überblick Stabilisierungsmaßnahmen sind in Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 von den Verboten der Art. 14 und 15 VO 78 Nr. 596/2014 ausgenommen. Der Anwendungsbereich des safe harbour für den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren ist wesentlich enger und technischer gezogen als es dem üblichen Verständnis von Kursstabilisierung, Kursstützung, aber auch Kursdämpfung oder Kurspflege entspricht: Es geht nicht allgemein darum, Marktverzerrungen zu vermeiden bzw. abzufedern, Preiskontinuität herzustellen oder Transaktionen kursschonend durchzuführen, und erst recht nicht darum, bestimmte Kursziele zu erreichen, die z.B. im Zusammenhang mit einer Übernahme, mit Bewertungsstichtagen, aber auch für die Gewährung kursabhängiger Boni bedeutsam sind. Vielmehr handelt es sich bei dem safe harbour um eine begrenzte Ausnahme vom Insiderhandel- und Marktmanipulationsverbot, die preisstützende Stabilisierungsmaßnahmen in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit Primär- oder auch Sekundärmarktemissionen von Finanzinstrumenten zum Gegenstand hat236. Entsprechende Maßnahmen führt in der Kapitalmarktpraxis regelmäßig das die Emission begleitende Konsortium (Emissionskonsortium) durch237. Das Emissionskonsortium wird üblicherweise durch einen Stabilisierungsmanager geführt (Rz. 98). Je nach Lage der Dinge tragen der Emittent, die führende Bank oder das Emissionskonsortium die Kosten der Stabilisierungsmaßnahmen. In der Kapitalmarktpraxis238 beschränken sich Stabilisierungsmaßnahmen nicht auf die unmittelbare Nach- 79 emissionsphase. Vielmehr erfolgen solche auch im Vorfeld von Emissionen, namentlich im Handel per Erscheinen, und auch außerhalb von Emissionen, z.B. bei der Platzierung von Wertpapierblöcken. Man spricht allgemein von Kurs- bzw. Marktpflege oder Kursstützung239. Soweit Stabilisierungsmaßnahmen jenseits des Anwendungsbereichs des safe harbour nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 liegen, besteht kein rechtssicherer Tatbestandsausschluss (Rz. 28) von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014. Gleichwohl liegt damit noch nicht ohne Weiteres ein Verstoß gegen die Art. 14 oder 15 VO Nr. 596/2014 vor240. Vielmehr kommt auch bei diesen Stabilisierungsmaßnahmen in Betracht, dass diese nicht gegen die Marktmissbrauchsverbote verstoßen und jedenfalls insoweit kapitalmarktrechtlich zulässiges Verhalten darstellen (Rz. 117 f., 121 ff.). 233 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 111 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 77; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 80 ff.; vgl. de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 280. 234 Zum Aufschub ausführlich Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001 (Teil I) und WM 2017, 2041 (Teil II). 235 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 81; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 38a; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 76 f. 236 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 92 ff. S. auch die „Price Stabilising Rules“ der FCA; „Regulation M“ der amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC). 237 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.30. 238 Überblick bei Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.3 f.; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 338 ff.; knapp auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 233; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 47 ff. 239 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.3; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 91; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 338. 240 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.15.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 80 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen
2. Anwendungsbereich des safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen a) Sachlicher Anwendungsbereich 80 Der sachliche Anwendungsbereich des safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen ergibt sich aus Art. 5
Abs. 4 VO Nr. 596/2014, wonach die in den Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 festgeschriebenen Verbote nicht für den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Kursstabilisierung gelten. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 ist eine Kursstabilisierung „jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf von Wertpapieren oder eine Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht“241. Das stabilisierte Instrument muss ein Wertpapier i.S.d. Art. 3 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 sein242.
81 Der Kreis der zulässigen Stabilisierungsmaßnahmen ist vom Unionsgesetzgeber weit gezogen243. Art. 5 Abs. 4
VO Nr. 596/2014 spricht vom Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten und meint damit sowohl den Kauf der zu stabilisierenden Wertpapiere oder mit ihnen verbundener Instrumente, die Abgabe von Kaufangeboten in Bezug auf diese, als auch andere Transaktion(sform)en244. Der Kreis der Instrumente, mit denen zulässige Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden dürfen, ist damit deutlich weiter gezogen als derjenige, auf die sich eine Stabilisierungsmaßnahme beziehen darf (die stabilisierten Instrumente). Was die Transaktionsformen angeht, meint Kauf jede Form des direkten Erwerbs im Kassamarkt245 und Kaufangebote, mithin verbindliche Angebote und deren Zugang bei einem Adressaten, ohne dass es auf die Annahme des Angebots ankäme246. Auch Transaktionen in verbundenen Instrumenten (Art. 3 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/ 2014), soweit sie zur Preisstützung geeignet sind, etwa der Verkauf einer Kaufoptionen247 oder die Ausübung einer (amerikanischen) Put-Option, kommen damit in Betracht248. Soweit es um das Wertpapier selbst geht, ist allerdings nur ein Kauf bzw. Kaufangebot zur Stabilisierung geeignet249, die sonstigen Transaktionsformen sind nur für die verbundenen Instrumente von Relevanz. Nicht erfasst sind Stabilisierungsmaßnahmen durch Marktschutzvereinbarungen (Lock-up-Agreements)250 oder Verwässerungsschutzvereinbarungen251, da es sich insoweit weder um den Kauf der zu stabilisierenden Wertpapiere noch um die Erteilung von Kaufangeboten in Bezug auf sie oder um Transaktionen mit verbundenen Instrumenten handelt252. Entsprechende Maßnahmen können daher nicht vom Schutz des safe harbour nach Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 profitieren, ohne dass damit ein Verstoß gegen die Marktmissbrauchsverbote bereits feststünde (Rz. 123). 241 Zum Begriff auch Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.17; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 81 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 234; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 88. 242 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 90; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 89; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 51. 243 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.25; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 5 Rz. B.5.34; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 239. 244 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.25; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, Art. 5 MMVO Rz. 3; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 85 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 86. 245 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 91; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 14 mit dem Hinweis, dass die in der Praxis stattfindenden Stabilisierungsmaßnahmen sich fast durchweg auf diese Form beschränken. 246 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.26; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 92; vgl. Bingel, Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen, 2007, S. 163; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 31. 247 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.25; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 239; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 93; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 15; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 31. 248 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 93; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 239; vgl. Groß in GS Bosch, 2005, S. 49, 62; a.A. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 32. 249 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 86; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 89. 250 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 88; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 352. 251 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 88; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 353. 252 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 403.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 84 Art. 5 VO Nr. 596/2014
Die Stabilisierungsmaßnahmen müssen sich auf Wertpapiere oder verbundene Instrumente beziehen253. 82 „Wertpapiere“ meint nach Art. 3 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 (i) Aktien und andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen; (ii) Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel und (iii) verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, die Aktien entsprechen, umgewandelt bzw. gegen diese eingetauscht werden können. „Verbundene Instrumente“ sind nach Art. 3 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/ 2014 die nachstehend genannten Finanzinstrumente, selbst wenn sie nicht zum Handel auf einem Handelsplatz zugelassen sind, gehandelt werden oder für sie kein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Handelsplatz gestellt wurde254: (i) Verträge über bzw. Rechte auf Zeichnung, Kauf oder Verkauf von Wertpapieren, (ii) Finanzderivate auf Wertpapiere, (iii) bei wandel- oder austauschbaren Schuldtiteln die Wertpapiere, in die diese wandel- oder austauschbaren Titel umgewandelt bzw. gegen die sie eingetauscht werden können, (iv) Instrumente, die vom Emittenten oder Garantiegeber der Wertpapiere ausgegeben werden bzw. besichert sind und deren Marktkurs den Kurs der Wertpapiere erheblich beeinflussen könnte oder umgekehrt, (v) in Fällen, in denen die Wertpapiere Aktien entsprechen, die von diesen vertretenen Aktien bzw. die von diesen vertretenen anderen Wertpapiere, die Aktien entsprechen. Näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.
Bei alledem kommt es nicht darauf an, ob die Stabilisierungsmaßnahme auf oder außerhalb eines Handels- 83 platzes erfolgt. Erlaubt ein Mitgliedstaat bei einer Erstplatzierung den Handel bereits vor Beginn des offiziellen Handels auf einem geregelten Markt („Handel per Erscheinen“)255, sind Stabilisierungsmaßnahmen auch davor möglich (Erwägungsgrund 7 DelVO 2016/1052). Den Begriff signifikantes Zeichnungsgebot definiert Art. 3 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 als „eine Erst- 84 oder Zweitplatzierung von Wertpapieren, die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet“. Dem sachlichen Anwendungsbereich unterfallen damit jedenfalls Erst- oder Zweitemissionen im Sinne von formalisierten „initial“ oder „secondary public offerings“ (IPOs, SPOs)256. Daneben können aber auch Kapitalerhöhungen – ob mit oder unter Ausschluss des Bezugsrechts – unter den Begriff des signifikanten Zeichnungsangebots fallen257. Die Maßnahmen müssen – auch wenn sich dies nicht mehr ausdrücklich aus der Norm ergibt258 – öffentlich angekündigt sein. Indem dies über den engeren Begriff des „öffentlichen Angebots“ hinausgeht259, könnten auch Stabilisierungsmaßnahmen bei öffentlich angekündigte Privatplatzierungen (etwa Pakethandel, blocktrades) dem Anwendungsbereich des safe harbour unterfallen. In der Tat sollte dies bei einer den Publizitätsvorgaben für ein öffentliches Angebot entsprechenden Ankündigung, aber auch bei einer Platzierung bei mehreren Investoren und der gleichzeitigen Eröffnung eines Orderbuchs möglich sein, da so eine „Marktberührung“ stattfindet260. Keine Erst- oder Zweitplatzierung von Wertpapieren im Sinne des safe harbour ist der Handel mit Wertpapierblöcken, der sich als reine Privattransaktion (fehlende öffentliche Ankündigung und Platzierung bei einem Investor) darstellt (Erwägungsgrund 6 Satz 3 DelVO 2016/1052)261. Gleichwohl sind Stabilisierungsmaßnahmen bei derartigen Privatplatzierungen nicht per se als Marktmanipulation oder als Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot zu betrachten (vgl. Rz. 117, 124)262. Insbesondere für den Fall, dass die Vorgaben des safe harbour entsprechend berücksichtigt werden und die Maßnahmen einzig der Kursstützung dienen, wird man nicht von einem Verstoß gegen die Verbote der Art. 14, 15 VO 253 Dazu auch Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.17; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 84 ff. 254 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.17. 255 S. zur alten Rechtslage Vogel, WM 2003, 2437 m.N. 256 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, Rz. 58 ff.; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.18; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 93; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 236; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 93 f. 257 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.34. 258 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.18. 259 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.18; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 94; vgl. zu den insoweit parallelen Normen der DurchfVO Nr. 2273/2003 Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Unternehmensfinanzierung, § 22 Rz. 13. 260 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.18 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 94; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 13; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 15.530. 261 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, Rz. 60; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.21; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 95; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 236; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 95.1. 262 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.22.
Mülbert/Sajnovits | 91
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 84 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Nr. 596/2014 ausgehen können263. Für die Praxis überaus hilfreiche wäre die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis durch die BaFin264. b) Persönlicher Anwendungsbereich 85 Dem persönlichen Anwendungsbereich des safe harbour für Kursstabilisierungen unterfallen nur diejenigen
„Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahme durchführen [...] unabhängig davon, ob sie im Namen des Emittenten oder des Bieters handeln oder nicht“, wie Art. 6 Satz 1, 2 DelVO 2016/1052 in sogar weitgehend wörtlicher Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 formuliert. Weder der Emittent noch der – in den jeweiligen deutschen Sprachfassungen sinnentstellend mit „Bieter“ übersetzte – Anbieter265 (offeror), können mithin in den Genuss dieses safe harbour kommen266. Vielmehr kann er nur einem Kreditinstitut (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 VO Nr. 596/2014, Rz. 76) oder einer Wertpapierfirma (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/ 2014, Rz. 76) zugute kommen, da nach der Definition des Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 nur dann eine Stabilisierungsmaßnahme i.S.d. MAR vorliegt267. Verfügt ein Emittent oder Anbieter über eine Zulassung als Kreditinstitut oder Wertpapierfirma, kann er sich für die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen von vornherein nicht auf Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 berufen268. Offenkundig gehen diese Vorschriften nämlich von der Personenverschiedenheit von Emittent/Anbieter einerseits und stabilisierenden Unternehmen andererseits aus. Letztere müssen vielmehr an der Emission als ein Mitglied des Emissionskonsortiums beteiligt sein269, auch wenn sich für diese letztere Anforderung keine Anhaltspunkte im Normtext findet. Das Erfordernis einer Personenverschiedenheit zwischen Emittent und stabilisierendem Unternehmen findet seine teleologische Rechtfertigung zudem in der dadurch bedingten Verringerung von Interessenskonflikten. Regelmäßig führt der Stabilisierungsmanager (Rz. 98) die Stabilisierungsmaßnahmen durch, auch wenn der Konsortialvertrag zwischen den Konsortialbanken (agreement among underwriters) zumeist alle Konsortialmitglieder für Stabilisierungsmaßnahmen zuständig erklärt270.
86 Die Stabilisierungsmaßnahmen können von den im Emissionskonsortium vertretenen Wertpapierfirmen
oder Kreditinstituten, bzw. vom Stabilisierungsmanager (Rz. 98) an Dritte delegiert werden (Art. 6 Abs. 5 DelVO 2016/1052)271. Dabei muss darauf geachtet werden, dass auch diese Delegation hinreichend transparent gemacht wird272. Aufsichtsrechtlich bleiben die jeweils delegierenden Wertpapierfirmen bzw. Kreditinstitute voll verantwortlich273. c) Räumlicher Anwendungsbereich
87 Die Stabilisierung eines dem Anwendungsbereich der MAR unterfallenden Wertpapiers kann auch in einem
Drittstaat erfolgen. Da gegen die Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 grundsätzlich weltweit verstoßen werden kann (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 35 ff.), können den Emittenten bzw. den für sie handelnden Personen auch die Safe-Harbour-Bestimmungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 zugutekommen. Allerdings sehen die MAR und die DelVO 2016/1052 kein Verfahren zur Anerkennung gleichwertiger ausländischer Stabilisierungsregeln vor, die von der Befolgung der Vorgaben des Art. 5 VO Nr. 596/2014 dispensieren
263 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.22. 264 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.22. 265 S. auch die Definition des Art. 1 lit. c DelVO 2016/1052: „Vorbesitzer oder Emittent der Wertpapiere“ bzw., wiederum präziser, „prior holder of, or the entity issuing the securities“ 266 Die Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014, Art. 6 Satz 1, 2 DelVO 2016/1052 bedeuten also keine Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs, Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 97; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.29 f., die allerdings von einer unklaren Regelung sprechen. 267 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 97; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 100, 102; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 235; Feuring/Berrar in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.29 f. 268 A.A. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.29. 269 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.30; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 99; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 235; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 9; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 99. 270 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.22. 271 Vgl. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.31; a.A. zur alten Rechtslage Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 46. 272 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.31 mit Hinweis auf diverse Wertpapierprospekte. 273 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.31.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 91 Art. 5 VO Nr. 596/2014
würden274. Eine Stabilisierungsmaßnahme, die in einem Drittstaat nach dessen Stabilisierungsregeln erfolgt und sich auf ein der MAR unterfallendes Instrument bezieht, muss sich deshalb vollumfänglich an den Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 messen lassen. Liegen die Voraussetzungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 nicht vor, kommt gleichwohl noch in Betracht, dass eine ausländischem Recht genügende Stabilisierungsmaßnahme nicht gegen die Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 verstößt (vgl. Rz. 117 ff.). Das liegt besonders nahe, wenn die ausländischen Standards denjenigen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 sachlich gleichwertig sind275, was etwa für die amerikanischen Stabilisierungsregeln (Regulation M) gelten dürfte276. d) Zeitlicher Anwendungsbereich Der zeitliche Anwendungsbereich des safe harbour für Stabilisierungsmaßnahmen ist – ebenso wie bei Rück- 88 kaufprogrammen (Rz. 40) – nur für Maßnahmen eröffnet, die ab dem 3.7.2016 begonnen wurden (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 40).
3. Anforderungen an allgemeine Stabilisierungsmaßnahmen (Art. 5 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014) Stabilisierungsmaßnahmen unterfallen nur dann dem safe harbour des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014, wenn 89 sie innerhalb eines bestimmten Stabilisierungszeitraums stattfinden, einzig eine Kursstützung in diesem Stabilisierungszeitraum bezwecken und wenn sie angemessene Grenzen hinsichtlich des Kurses der Wertpapiere einhalten. Zudem müssen vor, während und nach dem Stabilisierungszeitraum bestimmte Publizitäts- bzw. Meldepflichten erfüllt werden. Die Anforderungen nach Art. 5 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 werden durch die Art. 6 ff. DelVO 2016/1052 präzisiert. a) Stabilisierungszeitraum (Art. 5 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014) Das Erfordernis einer zeitlich begrenzten Dauer von Stabilisierungsmaßnahmen folgt aus der Definition des 90 Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014, wonach eine Kursstabilisierung nur die zeitlich befristete Stützung des Marktkurses ist. Art. 5 DelVO 2016/1052 präzisiert den zulässigen Stabilisierungszeitraum277. Dabei unterscheidet Art. 5 Abs. 1 DelVO 2016/1052 zwischen signifikanten Zeichnungsangeboten in Form einer öffentlich angekündigten Erstplatzierung und signifikanten Zeichnungsangeboten in Form einer Zweitplatzierung278.
Bei öffentlich angekündigten Erstplatzierungen von Aktien und ihnen entsprechenden Wertpapieren (v.a. 91 American Depositary Receipts (ADR)279) beginnt die Frist mit dem Tag der Aufnahme des Handels an dem betreffenden Handelsplatz, d.h. mit dem Tag der Notierungsaufnahme, und endet spätestens nach 30 Kalendertagen (Art. 5 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/1052)280. Bei der Frist handelt es sich um eine Höchstfrist, die 274 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.80 f.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 97. 275 Vgl. auch die frühere (Rz. 6 f.) Regelung in § 6 MaKonV für für im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahmen. Diese mussten sich auf ein Finanzinstrument beziehen, das im EU- bzw. EWiR-Raum nicht zugelassen war und für das auch keine Zulassung beantragt war und das damit nicht dem Anwendungsbereich der MAD I unterfiel (etwa ADRs). In diesen Fällen war der safe harbour der Stabilisierungsmaßnahme eröffnet, wenn die im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahme entweder in der Sache den Anforderungen der Art. 7–11 DurchfVO Nr. 2273/ 2003 entsprach oder wenn die an den betreffenden ausländischen Märkten bestehenden Regeln über zulässige Stabilisierungsmaßnahmen eingehalten werden und diese Regeln denen der DurchfVO gleichwertig waren. 276 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 99.1; vgl. Bingel, S. 194. 277 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 60 ff.; Stüber in BeckOK Wertppaierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 104 ff.; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.32 ff.; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 125 ff.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 39; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 100. Zur Befristung auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 242 f. 278 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.33; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 100; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 242. Entsprechende Regelungen fanden sich früher in Art. 8 DurchfVO Nr. 2273/2003. Dazu ausführlich Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/2003. 279 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/2003 Rz. 2. 280 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 105. Für die Fristberechnung kann nicht direkt auf § 187 BGB zurückgegriffen werden. So aber Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 132. Im Ergebnis wird sich aber bei einer Berechnung nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/1052 nichts anderes ergeben.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 91 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen selbstverständlich nicht ausgenutzt werden muss281. Erstplatzierung meint, dass das Unternehmen erstmals Aktien oder ihnen entsprechende Wertpapiere platziert (going public)282. 92 Im Handel per Erscheinen, wenn also das Wertpapier bereits vor dem Tag der Aufnahme des Handels am
betreffenden Handelsplatz gehandelt wird (when issued trading), beginnt die Frist bereits an dem Tag, an dem der Schlusskurs, d.h. der endgültige Platzierungspreis283, angemessen bekannt gegeben wird (s. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 DelVO 2016/1052)284, sofern ein solcher Handel allen Vorschriften des betreffenden Handelsplatzes einschließlich Bekanntgabe- und Meldevorschriften entspricht (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/ 1052). Für Handelsplätze in der Bundesrepublik Deutschland spielt diese Bereichsausnahme keine Rolle285, weil diese einen so geregelten Handel nicht kennen286. Daher fallen in Deutschland Stabilisierungsmaßnahmen, die noch vor und während der Bookbuilding-Phase vorgenommen werden, nicht in den safe harbour287. Während dieser Phase kann eine Aktie nach deutschem Recht nur im sog. grauen Markt gehandelt werden, und die gezielte Beeinflussung von Graumarktpreisen kann gerade bei Privatanlegern Erwartungen wecken, die mit den eigentlichen Daten der Emission und dem Emissionskurs nicht übereinstimmen. Ein so weit vorverlagerter Handel per Erscheinen ist in hohem Maße manipulationsanfällig und auch nicht hinreichend transparent.
93 Bei der Zweitplatzierung von Aktien und ihnen entsprechenden Wertpapieren beginnt der Stabilisierungszeit-
raum gem. Art. 5 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/1052 bereits am Tag der Veröffentlichung des Schlusskurses, gemeint ist der Platzierungskurs288, und endet spätestens 30 Kalendertage nach dem Datum der Zuteilung, d.h. an dem Tag, an dem festgelegt wird, wie viele Aktien jeder Anleger, der sie zuvor gezeichnet oder beantragt hat, erhält289. Unter den Begriff der Zweitplatzierung von Aktien fallen neben Secondary Public Offerings (SPOs) insbesondere auch Kapitalerhöhungen bereits börsennotierter Gesellschaften290. Bei Bezugsemissionen kann der Bezugspreis (Ausgabebetrag) vor Beginn der Bezugsfrist bekannt gemacht werden (§ 186 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AktG). Bereits ab dann können Stabilisierungsmaßnahmen getätigt werden; in der Praxis haben sich Stabilisierungsmaßnahmen im Vorfeld durchaus etabliert291. Beim Bezugspreis wird regelmäßig ein Abschlag von 15–20 % auf den aktuellen Börsenkurs vorgesehen292. Deswegen kommt es bei Bezugsemissionen nur selten zur tatsächlichen nachgängigen Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen, da der Aktienkurs regelmäßig nicht so tief fällt, dass er den Bezugspreis erreicht bzw. unterschreitet293. Werden gem. § 186 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AktG zunächst nur die Grundlagen des Bezugspreises (Ausgabebetrags) bekannt gemacht, genügt das den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/1052 nicht, und es dürfen noch keine Stabilisie281 282 283 284 285 286 287
288 289 290 291 292 293
Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.40. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.34. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 103. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 39; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 242. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 104; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 107.1. Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302, 310; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/ 2003 Rz. 6. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 106; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 234, 240; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/2003 Rz. 5; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 116; differenzierend Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.36 ff. Zur Preisfindung bei IPOs im Rahmen eines Bookbuilding-Verfahrens Aggarwal/Conroy, Journal of Finance 55 (2000), 2903; Benveniste/Busaba, Journal of Financial and Quantitative Analysis 32 (1997), 383; Chowdhry/Nanda, Journal of Financial and Quantitative Analysis 31 (1996), 25; Cornelli/Goldreich, Journal of Finance 56 (2001), 2337; Lewellen, Journal of Finance 61 (2006), 613; Pukthuanthong-Le/Varaiya, Financial Review 42 (2007), 319; Ritter/Welch, Journal of Finance 57 (2002), 1795. Zu den in der Kapitalmarktpraxis sehr seltenen Auktionsverfahren Sherman, Journal of Financial Economics 78 (2005), 615–649. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.35; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/2003 Rz. 7. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 106; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 243. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 108; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/2003 Rz. 7; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 22. Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 111; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.39 unter Verweis auf mehrere Wertpapierprospekte von u.a. DAX 40-Gesellschaften. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.39. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.39 unter Verweis auf sog. at market rights offerings, bei denen Stabilisierungsmaßnahmen doch auch einmal in der Praxis stattfinden.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 96 Art. 5 VO Nr. 596/2014
rungsmaßnahmen durchgeführt werden294. Der Stabilisierungszeitraum endet bei Bezugsemissionen ebenfalls spätestens 30 Kalendertage nach dem Datum der Zuteilung, wobei es insofern nicht auf die Einbuchung der Bezugsrechte, sondern auf den Zeitpunkt der Einbuchung der Aktie selbst ankommt295. Bei Schuldverschreibungen und anderen verbrieften Schuldtiteln, einschließlich solchen, die in Aktien oder 94 andere Aktien entsprechenden Wertpapiere umgewandelt oder umgetauscht werden können296, beginnt der Stabilisierungszeitraum nach Art. 5 Abs. 3 DelVO 2016/1052 an dem Tag, an dem die Konditionen des Angebots der Wertpapiere angemessen bekannt gegeben wurden, und endet spätestens 30 Kalendertage nach dem Tag, an dem der Emittent der Titel den Emissionserlös erhalten hat, oder – sollte dies früher eintreten – spätestens 60 Kalendertage nach der Zuteilung der Wertpapiere297. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Schuldverschreibungen die Notierung meist nicht unmittelbar nach der Platzierung aufgenommen wird298.
Werden zugleich Aktien und Anleihen ausgegeben (sog. kombinierte Angebote), ist der Stabilisierungszeit- 95 raum je gesondert zu bestimmen299. Auswirkungen der Stabilisierung des einen auf das jeweils andere Instrument sind lediglich ein Reflex der je gesondert auf ihre Zulässigkeit zu überprüfenden Stabilisierungsmaßnahmen300. b) Zweck der Kursstützung (Art. 5 Abs. 4, Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014) Stabilisierungsmaßnahmen im safe harbour des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 sind ebenfalls zweckgebun- 96 den301. Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 definiert die Kursstabilisierung als Maßnahme eines Kreditinstituts oder einer Wertpapierfirma mit dem „alleinigen Ziel“, den Marktkurs der Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen. Darauf aufbauend heißt es in Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014, dass die Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 nicht für den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten „zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren“ gelten302. Mithin darf es ausschließlich um die Stützung des Marktkurses bei emissionsbedingtem Verkaufsdruck gehen, also um den Ausgleich kurzfristig sinkender Kurse, wie sie typischerweise im Zusammenhang mit öffentlich angekündigten Platzierungen auftreten303. Nicht abgedeckt sind demgegenüber Stabilisierungsmaßnahmen gegen Kursverluste, die ihren Grund in der aktuellen Geschäftslage des Emittenten oder im allgemeinen Markttrend haben („keine Stabilisierung gegen den Markttrend“)304. Maßnahmen der sog. Kursdämpfung fallen ebenfalls nicht in den safe harbour, und erst recht nicht solche, die über die Kursstützung hinaus auf eine Kurserhöhung abzielen305 oder die andere als kursbezogene Zwecke verfolgen. Letzteres betrifft etwa Maßnahmen des Koordinators eines Bezugsangebots, das Handeln als Designated Sponsor oder als Market Maker (Rz. 126) und die Ausführung von Kundenorders306. Andererseits steht für diese damit noch nicht ohne weiteres fest, dass diese
294 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 108; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 111.1; vgl. zum Ganzen auf Basis der DurchfVO Nr. 2273/2003 Groß in GS Bosch, 2005, S. 49, 60 f.; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 8 VO Nr. 2273/2003 Rz. 17 ff. 295 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 112; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.40. 296 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 131; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 243. 297 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 108. 298 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 105; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 109; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 23; vgl. Groß in GS Bosch, 2005, 49, 54; Meyer, AG 2004, 289, 293. 299 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 110; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.41; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 107; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 24; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 243. 300 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.41 a.E. 301 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 55. 302 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 35. 303 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 237. Ebenso früher § 4 Abs. 2 KuMaKV: „Maßnahmen zur Stützung des Börsen- oder Marktpreises im Rahmen einer Wertpapieremission, um kurzfristig sinkende Kursbewegungen auszugleichen, welche typischerweise im Zusammenhang mit einer solchen Wertpapieremission auftreten“. 304 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 237. 305 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 237; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 2 VO Nr. 2273/2003 Rz. 35. 306 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23 f.; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 55 ff.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 96 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Maßnahmen gegen das Marktmissbrauchsregime verstoßen. Vielmehr sind sie vollumfänglich anhand der Verbotsvorschriften der Art. 14 bzw. 15 VO Nr. 596/2014 zu beurteilen307. c) Publizitäts-, Dokumentations- und Organisationspflichten (Art. 5 Abs. 4 lit. b, Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014) 97 Bei einer dem safe harbour unterfallenden Stabilisierungsmaßnahme müssen nach Art. 5 Abs. 4 lit. b VO
Nr. 596/2014 relevante Informationen zur Stabilisierung offengelegt werden – vor (Rz. 99 ff.), während (Rz. 102) und nach (Rz. 104) der Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen (Rz. 89 ff.) –, und zudem nach Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 die Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen innerhalb eines Siebentageszeitraums der zuständigen Behörde des Handelsplatzes gemeldet (Rz. 103) werden308. Diese Bekanntgabe- und Meldepflichten dienen dem Schutz der Marktintegrität und sind ferner erforderlich, um Anlegerschutz sicherzustellen und den zuständigen Behörden die Überwachung von Stabilisierungsmaßnahmen zu ermöglichen (Erwägungsgrund 8 Satz 1 und 2 DelVO 2016/1052)309. Näher präzisiert werden die Bekanntgabe- und Meldepflichten durch Art. 6 DelVO 2016/1052310. Um Anlegern und Marktteilnehmern einen leichten Zugriff zu ermöglichen sind die Transparenzvorschriften neben denjenigen der Prospekt-VO311 anwendbar und dispensieren sich nicht wechselseitig (Erwägungsgrund 8 DelVO 2016/1052).
98 Als Adressaten der Meldepflichten gegenüber der zuständigen Behörde benennt Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/
201 – alternativ: oder – den Emittenten, den (An-)Bieter (Rz. 85) und Unternehmen, die Stabilisierungsmaßnahmen durchführen312. Allerdings können nur Wertpapierfirmen und Kreditinstitute Stabilisierungsmaßnahmen im safe harbour durchführen (Rz. 85), weshalb auch nur diese aus eigener Sachkenntnis zur Meldung der von ihnen vorgenommenen Stabilisierungsmaßnahmen in der Lage sind. Vor diesem Hintergrund sieht Art. 6 Abs. 5 DelVO 2016/1052 vor, dass die drei Vorgenannten nebst den in ihrem Auftrag handelnden Personen einen aus ihrem Kreis als zentrale Stelle benennen313, der u.a. für die Erfüllung der Bekanntgabe- und Meldepflichten verantwortlich ist314. Die Funktion übernimmt zwar in der Praxis regelmäßig der Stabilisierungsmanager. Zumeist handelt es sich hierbei um den Konsortialführer (lead bank, leading manager)315. Der Benannte ist gem. Art. 6 Abs. 5 lit. b DelVO 2016/1052 verantwortlich für die Erfüllung der Bekanntgabepflichten nach Art. 6 Abs. 1, 2 und 3 DelVO 2016/1052 (Rz. 99 ff.) und für die Bearbeitung von Ersuchen der zuständigen Behörden i.S.v. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/1052 (Rz. 103)316. Erfüllt die zentrale Stelle ihre Pflichten nicht bzw. nicht ordnungsgemäß, entfällt die Inanspruchnahme des safe harbour für alle mit der Durchführung der Stabilisierungsmaßnahme betrauten Unternehmen. Andererseits ist die zentrale Stelle nicht allein zur Bekanntgabe berechtigt. Die Erfüllung der Bekanntgabepflichten kann vielmehr auch durch andere an der Stabilisierung beteiligte Personen erfolgen317.
307 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23. 308 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 39; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 64 ff.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 113 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 109 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 244 ff. 309 Zum Zweck auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 244. 310 Parallele Vorgaben waren früher in Art. 9 DurchfVO Nr. 2273/2003 enthalten. Die dort noch vorgesehene Aussetzung bestimmter Angaben bei prospektpflichtigen Angeboten (Art. 9 Abs. 1 DurchfVO Nr. 2273/2003) findet sich im neuen Recht nicht mehr. 311 Seit dem 21.7.2019 ist die VO (EU) 2017/1129 vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (Prospekt-VO) an die Stelle der Prospekt-Richtlinie bzw. der sie umsetzenden nationalen Rechtsakte. 312 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 116; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 244. 313 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 119; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.27 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 111. 314 Art. 6 Abs. 5 DelVO 2016 besagt nichts dazu, wer die Stabilisierungsmaßnahme durchführen darf, sondern erlaubt nur eine personelle Konzentration der Meldepflicht; s. auch Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 97. 315 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 133 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 111. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.28 empfehlen zur rechtssicheren Ausgestaltung eine ausdrückliche Zuweisung der Rolle an den Konsortialführer. 316 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 244. 317 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.28; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 119 f.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 102 Art. 5 VO Nr. 596/2014
Vor Beginn der Erst- oder Zweitplatzierung der Wertpapiere – gemeint ist der Beginn der Angebotsfrist 99 bzw. Zeichnungsfrist318 – bestehen nur Bekanntgabepflichten, deren inhaltliche Anforderungen sich aus Art. 6 Abs. 1 DelVO 2016/1052 ergeben. Danach muss von der zentralen Stelle (Rz. 98) in angemessener Weise Folgendes bekanntgegeben werden319: (a) dass eine Kursstabilisierungsmaßnahme nicht zwingend erfolgen muss und dass sie jederzeit beendet werden kann320; (b) dass Stabilisierungsmaßnahmen auf die Stützung des Marktkurses der Wertpapiere während des Stabilisierungszeitraums abzielen; (c) wann der Zeitraum, innerhalb dessen die Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt werden könnte, beginnt und endet (vgl. Rz. 90 ff.); d) welches Unternehmen für die Durchführung der Stabilisierungsmaßnahme zuständig ist – sollte dies zum Zeitpunkt der Bekanntgabe noch nicht feststehen, so ist diese Information vor Beginn der Stabilisierungsmaßnahme angemessen bekannt zu geben; (e) ob die Möglichkeit einer Überzeichnung (Mehrzuteilung321) oder Greenshoe-Option (Rz. 108 ff.) besteht und wie viele Wertpapiere von dieser Überzeichnung oder Option maximal abgedeckt werden, in welchem Zeitraum die Greenshoe-Option ausgeübt werden kann und welche Voraussetzungen gegebenenfalls für eine Überzeichnung oder die Ausübung der Greenshoe-Option erfüllt sein müssen; und (f) an welchem Ort die Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt werden kann, wobei gegebenenfalls auch der Name des Handelsplatzes bzw. die Namen der Handelsplätze anzugeben sind322. Was die Form der Bekanntmachung anbelangt, gelten die Ausführungen in Rz. 48 zur angemessenen Be- 100 kanntgabe i.S.d. Art. 1 lit. b DelVO 2016/1052 entsprechend323. Insbesondere muss also die Bekanntgabe grundsätzlich mittels des amtlich bestellten Systems gem. Art. 21 RL 2004/109/EG (Transparenz-RL) erfolgen (näher Rz. 48). Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn eine Veröffentlichung mittels des amtlich bestellten Systems gem. 101 Art. 21 RL 2004/109/EG (Rz. 48) ausnahmsweise aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist (Accelerated Bookbuilding Offering324). Insoweit genügt dann eine hinreichende Kommunikation über die Fachpresse325. Keine Ausnahme ist aber generell für Angebote zu machen, die in den Anwendungsbereich der ProspektVO fallen326. Insoweit verbietet sich auch eine teleologische Reduktion, da der europäische Gesetzgeber eine dem früheren Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 DurchfVO Nr. 2273/2003 entsprechende Ausnahme wohl bewusst nicht in die MAR oder die DelVO 2016/1052 übernommen hat327. Während eines Stabilisierungszeitraums bestehen weitere Bekanntgabe- und zudem Meldepflichten 102 (Rz. 97). Nach Art. 6 Abs. 2 DelVO 2016/1052 muss die zentrale Stelle (Rz. 98) die angemessene Bekannt-
318 Offengelassen von Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.50, die auf die seit Inkrafttreten der MAR noch uneinheitliche Praxis verweisen. Zur alten Rechtslage wie hier Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO Nr. 2273/2003 Rz. 6. 319 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 121 ff.; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.47 ff.; Haupt in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 137 ff. 320 Zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Verpflichtung zur Vornahme von Stabilisierungsmaßnahmen Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.52; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2046; Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211, 217. 321 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 112; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO Nr. 2273/2003 Rz. 4. 322 Insofern liegt eine Neuerung gegenüber der alten Rechtslage vor, s. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.52 a.E. 323 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 136; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 113; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 245. Zu den Voraussetzungen bei Stabilisierungsmaßnahmen Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.42 f. 324 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.18. 325 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.44; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 30. 326 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 125; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.50; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 112. Anders noch Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 DurchfVO Nr. 2273/2003. Dazu Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO Nr. 2273/2003 Rz. 7 f. 327 Im Ergebnis auch Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 125; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 246.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 102 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen gabe der Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen gewährleisten328. Diese hat spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung der jeweiligen Maßnahmen stattzufinden. Der Inhalt der Bekanntgabe nach Art. 6 Abs. 2 DelVO 2016/1052 ergibt sich systematisch aus den Anforderungen, die Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/1052 an die Meldung an die zuständigen Behörden stellt. Danach müssen alle Kursstabilisierungsaufträge und -transaktionen bei Wertpapieren und verbundenen Instrumenten entsprechend Art. 25 Abs. 1 VO Nr. 600/2014 (MiFIR) aufgezeichnet und dementsprechend bekanntgemacht werden. Hinsichtlich der Form der Bekanntgabe gelten die Ausführungen in Rz. 48 entsprechend. 103 Daneben besteht eine Mitteilungspflicht dahingehend, dass die Emittenten, Bieter oder Unternehmen, die
die Stabilisierungsmaßnahme durchführen, unabhängig davon, ob sie im Namen der Emittenten handeln oder nicht, der zuständigen Behörde des Handelsplatzes spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung dieser Maßnahmen die Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen mitteilen (Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/2014). Gemäß der Konkretisierung in Art. 6 Abs. 4 Satz 2 DelVO 2016/ 1052 sind die Meldungen von denjenigen „Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahmen durchführen“, vorzunehmen, mithin von den für die Stabilisierung zuständigen Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (Rz. 85); die Möglichkeit der Benennung einer zentralen Stelle ist nicht vorgesehen329. Sie haben fortlaufend zu erfolgen330. Ihren Inhalt gibt Art. 6 Abs. 4 Satz 1 DelVO 2016/1052 mittelbar vor, indem diese Vorschrift eine Dokumentationspflicht statuiert, um die Einhaltung der Mitteilungspflicht zu gewährleisten: Stabilisierungsmaßnahmen durchführende Unternehmen haben unabhängig davon, ob sie im Namen des Emittenten oder des Bieters handeln oder nicht, alle Kursstabilisierungsaufträge und -transaktionen bei Wertpapieren und verbundenen Instrumenten entsprechend Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 1, 2, 3 VO Nr. 600/2014 (MiFIR) aufzuzeichnen331. Alle in Erfüllung dieser Dokumentationspflicht aufgezeichneten Inhalte sind dann nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 DelVO 2016/1052 zu melden: (a) der zuständigen Behörde an jedem Handelsplatz, an dem die unter die Stabilisierungsmaßnahme fallenden Wertpapiere zum Handel zugelassen sind oder gehandelt werden; (b) der zuständigen Behörde an jedem Handelsplatz, an dem Transaktionen bei verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung von Wertpapieren durchgeführt werden. Diese Verpflichtung besteht unbeschadet des Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (Art. 5 Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014). Die BaFin hat auch insofern auf ihrer Website ein Excel-Dokument für die Meldung bereitgestellt332. Zur Übermittlung an die BaFin kann auch hier das MVP-Portal genutzt werden (vgl. Rz. 52)333.
104 Nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums (Rz. 90 ff.) muss die zentrale Stelle (Rz. 98) nach Art. 6 Abs. 3
DelVO 2016/1052 innerhalb einer Woche in angemessener Weise bekanntgeben: (a) ob eine Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt wurde oder nicht; (b) zu welchem Termin mit der Kursstabilisierung begonnen wurde; (c) zu welchem Termin die letzte Kursstabilisierungsmaßnahme erfolgte; (d) innerhalb welcher Kursspanne die Stabilisierung erfolgte (für jeden Termin334, zu dem eine Kursstabilisierungsmaßnahme durchgeführt wurde); (e) an welchem Handelsplatz bzw. welchen Handelsplätzen die Kursstabilisierungsmaßnahmen erfolgten. Die Bekanntgabe muss auch hier in angemessener Weise (Art. 1 lit. b DelVO 2016/1052) erfolgen (vgl. Rz. 52). Erforderlich ist auch eine Negativerklärung, falls keine Stabilisierungsmaßnahmen vorgenommen 328 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 126 f.; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.58; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 142 ff. 329 Vgl. hierzu auch ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/2015/1455, Rz. 50: hierdurch wird die Etablierung komplexer und vermutlich langwieriger Mechanismen zum Informationsaustausch vermieden. 330 Vgl. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.59 mit berechtigter Kritik hinsichtlich der durch die zahlreichen laufenden Transparenz- und Meldepflichten entstehenden Kosten. 331 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 126.1; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 122; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 249. 332 Abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt/WA/STAB_ISIN_YYYY-MM-DD_ YYYY-MM-DD.xlsx?__blob=publicationFile&v=5. Dazu Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 150 f. 333 Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 157. 334 Richtigerweise ist für jeden Tag (englische Fassung: date), an dem Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, eine Bekanntmachung vorzunehmen. S. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.50.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 108 Art. 5 VO Nr. 596/2014
wurden335. Nicht erforderlich ist die Bekanntgabe des Gesamtvolumens aller Stabilisierungsmaßnahmen innerhalb des Stabilisierungszeitraums336. Die Bekanntgabe nach Art. 6 Abs. 3 DelVO 2016/1052 wird in der Praxis häufig mit der Bekanntgabe über die Ausübung der Greenshoe-Option verbunden337. Rechtspolitisch lässt sich gegen diese nachträgliche Publizität einwenden, dass sie einen Stabilisierungserfolg 105 zunichtemachen kann, wenn eine starke Stützung bekannt wird338. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass vorherige Bekanntgaben nicht bindend sind und der Markt über erhebliche Abweichungen informiert werden muss339. d) Einhaltung angemessener Grenzen hinsichtlich des Kurses Im Falle eines Zeichnungsangebots für Aktien oder Aktien entsprechende Wertpapiere darf die Kursstabi- 106 lisierung der Wertpapiere unter keinen Umständen zu einem höheren Kurs als dem Emissionskurs erfolgen (Art. 7 Abs. 1 DelVO 2016/1052)340. Dies soll verhindern, dass Stabilisierungsmaßnahmen dazu genutzt werden, um den Preis zu erhöhen341. Der Emissionskurs ist als Angebotspreis, nicht als Zeichnungspreis im aktienrechtlichen Sinne zu verstehen342. Im Falle eines Zeichnungsangebots für verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder andere Wertpapiere, 107 die Aktien entsprechen, umgewandelt oder umgetauscht werden können, darf die Stabilisierung dieser Schuldtitel unter keinen Umständen zu einem höheren Kurs erfolgen als dem Marktkurs dieser Instrumente zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der endgültigen Modalitäten des neuen Angebots (Art. 7 Abs. 2 DelVO 2016/1052)343. Nicht zulässig sind die Bereinigung der Preisobergrenze um Auswirkungen von Zins- und Dividendenberechtigungen, die Ausgaben von Berichtigungsaktien (bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) und die Durchführungen von Aktiensplitts (Neustückelung von Aktien durch den Emittenten)344.
4. Voraussetzungen ergänzender Stabilisierungsmaßnahmen (Mehrzuteilung und Greenshoe) Ergänzende Stabilisierungsmaßnahmen fallen in den safe harbour des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014, 108 wenn sie die Bedingungen des Art. 8 DelVO 2016/1052 erfüllen. Hierbei handelt es sich gem. Art. 1 lit. e DelVO 2016/1052 um eine Überzeichnung oder die Ausübung einer Greenshoe-Option durch ein Wertpapierhaus (Wertpapierfirma, vgl. Rz. 76) oder Kreditinstitut (Rz. 76), die im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots von Wertpapieren ausschließlich der Vereinfachung der eigentlichen Kursstabilisierungsmaßnahme dient345. Bei der Vornahme dieser Maßnahmen müssen alle in Art. 6 und 7 DelVO 2016/
335 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 132; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.49. 336 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.49; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 116; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO Nr. 2273/2003 Rz. 14. 337 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 133; Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.51. 338 So zur früheren Rechtslage (Art. 9 Abs. 3 DurchfVO Nr. 2273/2003) Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2452 f. 339 Zur alten Rechtslage Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 9 VO Nr. 2273/2003 Rz. 10. 340 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 138 ff.; Haupt in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 17 Rz. 170; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 74; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 39; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 123; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 388. Die Vorschrift entspricht dem alten Art. 10 Abs. 1 DurchfVO Nr. 2273/2003. 341 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/ 2015/1455, Rz. 51; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 124. 342 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 250; vgl. Pfüller/Anders WM 2003, 2445, 2452; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 14. 343 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 141; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 125. Auch insoweit stimmt die neue Rechtslage mit der alten Rechtslage nach Art. 10 Abs. 2 DurchfVO Nr. 2273/2003 überein. 344 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 250; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II – Art. 10 VO Nr. 2273/2003 Rz. 4; tendenziell auch Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 288. 345 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 143 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 127 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 251 ff. Insoweit entspricht der Wortlaut demjenigen des alten Art. 2 Nr. 12 DurchfVO Nr. 2273/2003.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 108 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen 1052 aufgestellten Maßgaben beachtet werden (Rz. 99 ff.)346. Zusätzlich enthält Art. 8 lit. a–f DelVO 2016/ 1052 ergänzende Bestimmungen. 109 Eine Überzeichnung definiert Art. 1 lit. f DelVO 2016/1052 als eine Klausel im Emissions- bzw. Garantiever-
trag, die es erlaubt, Zeichnungs- oder Kaufangebote für Wertpapiere über die ursprünglich geplante Menge hinaus anzunehmen347. Die Kapitalmarktpraxis spricht terminologisch überzeugend von einer Mehrzuteilung, da nicht eine Überzeichnung von Seiten der Anleger, sondern eine Mehrzuteilung von Seiten des Emissionskonsortiums gemeint ist348. Bei der Mehrzuteilung handelt es sich um eine gängige Praxis349, die der Abfederung eines bei einer Emission erwarteten Nachfrageüberhanges dient, indem mehr Wertpapiere zum Emissionspreis zugeteilt als eigentlich emittiert werden350. Die dafür benötigten Wertpapiere werden zumeist durch das Konsortium mittels einer Wertpapierleihe (Wertpapierdarlehen) vom Emittenten oder anderen Wertpapierinhabern (Altaktionären) übernommen351. Im Zuge dessen gehen das Konsortium bzw. denen entsprechende Personen eine gedeckte Short-Position ein. Kaufen das Konsortium bzw. dessen Mitglieder bei fallendem Kurs Wertpapiere zur Stabilisierung zurück, kann das Wertpapierdarlehen hieraus bedient werden352.
110 Für den Fall, dass eine Stabilisierung nicht notwendig ist oder der Kurs steigt, wird die Darlehensverpflichtung
durch eine Greenshoe-Option abgesichert353. Durch deren Ausübung kann das Konsortium bzw., meist, der Stabilisierungsmanager354 die geliehenen Wertpapiere im Stabilisierungszeitraum zum Emissionspreis erwerben (und dann seine Short-Position aus der Wertpapierleihe – i.d.R. durch Verrechnung – schließen355). In diesem Sinne definiert Art. 1 lit. g DelVO 2016/1052 eine Greenshoe-Option als eine Überzeichnungsreserve356, die der Bieter einem Wertpapierhaus bzw. den Wertpapierhäusern oder einem Kreditinstitut bzw. den Kreditinstituten im Rahmen des Zeichnungsangebots zugesteht, welche diesen Häusern bzw. Instituten das Recht einräumt, innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Emission der Wertpapiere eine bestimmte Menge dieser Wertpapiere zum Ausgabekurs zu erwerben357. Die Kombination von Mehrzuteilung und Greenshoe-Option ermöglicht den Konsorten bzw. dem Stabilisierungsmanager eine für sie/ihn weitgehend risikolose Stabilisierung der Wertpapiere358. Die Europäische Kommission erkennt in Erwägungsgrund 10 Satz 1 DelVO 2016/1052 ausdrücklich an, dass Greenshoe-Optionen für die Bereitstellung von Ressourcen und die Absicherung von Kursstabilisierungsmaßnahmen gestattet sein sollten. Zulässig ist eine ergänzende Stabilisierungsmaßnahme gleichwohl nicht allein in Gestalt einer Greenshoe-Option bzw. deren Ausübung359.
111 Bei der Vornahme ergänzender Stabilisierungsmaßnahmen sind zunächst alle Anforderungen der Art. 6
und 7 DelVO 2016/1052 zu beachten (Rz. 99 ff.)360. Dazu zählen insbesondere die Publizitäts- und Meldepflichten des Art. 6 DelVO 2016/1052. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich auch bei den ergänzenden Stabilisierungsmaßnahmen um Kursstabilisierungen i.S.v. Art. 3 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 handelt, diese also dem alleinigen Ziel dienen müssen, den Marktkurs der Wertpapiere im Stabilisierungszeitraum (Rz. 90 ff.) zu stützen. 346 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 39. 347 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 145. Die Definition deckt sich mit derjenigen nach Art. 2 Nr. 13 DurchfVO Nr. 2273/2003. 348 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.60; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 129 ff. 349 S. zur alten Rechtslage Vogel, WM 2003, 2437, 2437 f. m.N. 350 Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 127. 351 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.60; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 128; Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211, 212. 352 Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211, 212; Weitzell, NZG 2017, 411, 412. 353 Aggarwal, Journal of Finance 55 (2000), 1075, 1079 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 128; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 252; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 146. 354 Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211, 212. 355 Weitzell, NZG 2017, 411, 412. 356 Kritisch zur deutschen Übersetzung des englischen Begriffs „option“ in „Überzeichnungsreserve“ Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 131. 357 Auch insoweit wurden lediglich marginale Änderungen am Wortlaut des Art. 2 Nr. 14 DurchfVO Nr. 2273/2003 vorgenommen. 358 Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211, 212; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 21 Rz. 17; Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 128, der terminologisch überzeugend von der Greenshoe-Option als Hedging-Instrument spricht. 359 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.67 unter Verweis auf die Ad-hoc-Mitteilung der Grammer AG v. 13.7.2005, bei deren Angebot keine Greenshoe-Option eingeräumt war. 360 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 254.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 115 Art. 5 VO Nr. 596/2014
Speziell für Mehrzuteilungen und Greenshoe-Optionen sieht Art. 8 DelVO 2016/1052 die nachfolgenden 112 weiteren Anforderungen vor361: Eine Überzeichnung von Wertpapieren, also eine Mehrzuteilung (Rz. 109) darf nach Art. 8 lit. a DelVO 113 2016/1052 nur innerhalb der Zeichnungsfrist (Rz. 99) und zum Emissionskurs (Rz. 106) erfolgen. Diese Anforderung unterstreicht den Konnex zwischen den ergänzenden Stabilisierungsmaßnahmen und der allgemeinen Kursstabilisierung. Verlassen wird der safe harbour, wenn Maßnahmen außerhalb des Stabilisierungszeitraums stattfinden. Gleichfalls müssen auch die ergänzenden Stabilisierungsmaßnahmen kursschonend abgewickelt werden, um einen übermäßigen Eingriff in den Kursbildungsmechanismus zu verhindern. Deshalb darf der Emissionskurs auch insoweit nicht überschritten werden (vgl. Rz. 106). Art. 8 lit. b DelVO 2016/1052 erlaubt volumenmäßig (5 %) begrenzte Mehrzuteilungen ohne eine Absiche- 114 rung durch eine Greenshoe-Option (sog. naked shorts)362. Innerhalb der Volumengrenzen sind an sich sogar ungedeckte Leerverkäufe zur Kursstabilisierung zulässig363. Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 236/2012 sieht nämlich eine Ausnahme für im safe harbour des Art. 5 VO Nr. 596/2014 liegende Stabilisierungsmaßnahmen vor (dazu Art. 17 VO Nr. 236/2012 Rz. 39 f.)364. In der Praxis finden allerdings keine ungedeckten Leerverkäufe i.S.d. Art. 12 VO Nr. 236/2012 statt. Der gegenüber dem Markt stattfindende Leerverkauf der Aktien ist nämlich in aller Regel voll durch das Wertpapierdarlehen (Rz. 109) gedeckt, mithin ein gedeckter Leerverkauf i.S.d. Leerverkaufs-VO, und nur die Rückzahlung des Darlehens gegenüber dem Sachdarlehensgeber ist mitunter nicht (vollständig) durch die Greenshoe-Option abgesichert365. Letztere Situation stellt aber keinen ungedeckten Leerverkauf i.S.d. Art. 12 VO Nr. 236/2012 dar, weshalb der Begriff des naked short durchaus missverständlich ist366. Die Ausnahme des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 236/2012 ist daher vor allem mit Blick auf die Transparenzvorschriften der Leerverkaufs-VO (Art. 5 ff. VO Nr. 236/2012) von Bedeutung367, indem sie für die im safe harbour erfolgenden gedeckten Leerverkäufe von den Meldepflichten dispensiert.
Die Ausübung der Greenshoe-Option ist ferner nur im Rahmen einer Mehrzuteilung (Rz. 109) zulässig 115 (Art. 8 lit. c DelVO 2016/1052). Dies ist für die Praxis des sog. refreshing the shoe bedeutsam. Dabei handelt es sich um die Ausübung einer Greenshoe-Option in Fällen, in denen dies nicht zur Bedienung von Überzeichnungen erforderlich ist, sondern nur dazu dient, den hieraus resultierenden Aktienüberschuss durch weitere Zuteilungen nach und nach abzubauen, um sich so Mittel zu verschaffen, um ggf. erneut Aktien zu Stabilisierungszwecken erwerben zu können368. Der refreshing the shoe unterfällt nicht dem safe harbour des Art. 5 VO Nr. 596/2014 (Erwägungsgrund 11 Satz 3 VO Nr. 596/2014)369. Das besagt aber wiederum nicht, wie Erwägungsgrund 11 Satz 4 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich bestätigt, dass die Verkäufe oder/ und die anschließenden Käufe ohne Weiteres gegen die Art. 14 und/oder 15 VO Nr. 596/2014 verstoßen würden370. Der Praxis ist aber anzuraten, einen ausdrücklichen Hinweis auf die Möglichkeit des refreshing the shoe in die Bekanntmachungen (Rz. 99) aufzunehmen371. Gleiches gilt für einen sog. Reverse Greenshoe, 361 Zu diesen auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 252; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 147 ff.; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 388; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 23. 362 So auch schon Art. 11 DurchfVO Nr. 2273/2003. 363 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 253. 364 Vgl. Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 253, der von einer gebotenen teleologischen Reduktion des Art. 13 (gemeint: 12) VO Nr. 236/2012 spricht. 365 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.65; ungenau Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 128; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 253. 366 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.65. 367 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.65. 368 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.71; Weitzell, NZG 2017, 411, 412. 369 ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455: „[...] ‚refreshing the Greenshoe‘, selling securities acquired through stabilisation transactions to undertake further purchases for stabilisation purposes, falls outside the scope of the safe harbour and is not covered by the exemption provided by Article 5(1) of MAR.“ So auch Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 135; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 388. Zum alten Recht war noch umstritten, ob entsprechendes Verhalten unter den safe harbour fällt, s. nur Bingel, S. 190 ff.; Hopt/Waschkeit in FS Lorenz, 2001, S. 147, 161; Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211. 370 Ausführlich Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.67 ff.; Weitzell, NZG 2017, 411, 412 f.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 174 f.; vgl. ferner Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 15.542; Busch in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211, 216 ff. 371 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.75.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 115 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen bei dem der Emittent dem Emissionskonsortium zur Stabilisierung eine Put-Option zum Emissionspreis auf die im Rahmen der Stabilisierung erworbenen Wertpapiere einräumt372. Auch solche Maßnahmen sind an den allgemeinen Verbotsnormen zu messen373. 116 Die Greenshoe-Option darf nicht die Schwelle von 15 % des ursprünglichen Angebots überschreiten (Art. 8
lit. d DelVO 2016/1052). Zudem muss auch sie innerhalb des Stabilisierungszeitraums (Rz. 90 ff.) ausgeübt werden (Art. 8 lit. e DelVO 2016/1052). Schließlich muss bei der Ausübung der Greenshoe-Option nach Art. 8 lit. f DelVO 2016/1052 die Öffentlichkeit unverzüglich und in allen angemessenen Einzelheiten über die Ausübung, insbesondere über den Zeitpunkt der Ausübung und die Zahl und Art der relevanten Wertpapiere unterrichtet werden374. Man mag freilich zweifeln, ob insbesondere die nachträgliche Publizität bei Ausübung der Greenshoe-Option sinnvoll ist (Rz. 105)375.
VIII. Jenseits der safe harbour liegende Gestaltungen 1. Grundsätzliches 117 Angesichts der Enge und der hohen förmlichen Anforderungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 können auch
jenseits der safe harbour liegende Gestaltungen marktmanipulations- und insiderrechtlich unbedenklich sein. De lege lata ist zu erinnern, dass Marktverhalten, das keinem safe harbour unterfällt, nicht per se i.S.d. Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 verboten ist (Rz. 4)376. Die Anerkennung einer anderen Tätigkeit als einem weiteren safe harbour im technischen Sinne für Handlungen, die „auf keinen Fall“ Marktmanipulation oder Insiderhandel darstellen, bleibt allerdings dem Unionsgesetzgeber vorbehalten. Hier kann es daher nur darum gehen, im Wege der Auslegung der Insider- und Marktmanipulationsverbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 bestimmte Fallgruppen als regelmäßig unverboten zu identifizieren. Als – freilich nur ganz allgemeine – Leitlinie wird man sich dabei der Überlegung anschließen können, dass Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen, die die Anforderungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 nicht erfüllen, um so eher nicht als Verstoß gegen Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 erscheinen werden, je mehr sie sich den Anforderungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 annähern377. Das entbehrt freilich nicht von einer Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 15, 12 bzw. 14, 7, 8 und 10 VO Nr. 596/2014 in jedem Einzelfall.
118 Eine Anerkennung weiterer Safe-harbour-Tatbestände im Verordnungswege ist jedenfalls in nächster Zeit
kaum zu erwarten. Gem. Art. 38 VO Nr. 596/2014 hatte die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU bis zum 3.7.2019 einen Bericht zur Anwendung der MAR und zu deren gegebenenfalls erforderlichen Überarbeitung zu erstatten378, ohne dass dieser ein Bedürfnis für weitere Safeharbour-Tatbeständen identifiziert hätte. Damit verbleibt allenfalls die Anerkennung entsprechender zulässiger Marktpraktiken im Sinne des Art. 13 VO Nr. 596/2014 durch die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden, um in bestimmten Situationen einen Verstoß gegen Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 auszuschließen und größere Rechtssicherheit zu gewinnen.
372 373 374 375 376
Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 139. Klöhn in Klöhn, Art. 5 MAR Rz. 139. Dazu näher Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.72 ff. Zu Art. 11 DurchfVO Nr. 2273/2003 krit. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2453. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.4., S. 85; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 40; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 15; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 1, 26; Grigoleit/Rachlitz in Grigoleit, § 71 AktG Rz. 23; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 155 ff.; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 8, 42. 377 So Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 27 („Indizwirkung“); Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 158; zum alten Recht auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 370. In der Tendenz auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, 2020, IV.4., S. 85 jedenfalls für nicht den Zwecken des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 entsprechende Rückkaufprogramme. Etwas zu weitgehend Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 388, wonach bei Einhaltung der Transparenzanforderungen und Handelsbeschränkungen auch nicht den Zwecken des Art. 5 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 genügende Rückkaufprogramme generell nicht marktmanipulativ seien. 378 S. zunächst European Commission, Formal request to ESMA for technical advice on the report to be submitted by the Commission under Article 38 of Regulation (EU) No 596/2014 on Market Abuse, 20 March 2019, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma_art_38_mar_mandate.pdf; sodann ESMA, MAR Review Report, 23 September 2020, ESMA70-156-2391.
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 120 Art. 5 VO Nr. 596/2014
2. Rückkaufprogramme jenseits des Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014 Rückkaufprogramme sind geeignet, irreführende Signale für die Nachfrage nach einem Finanzinstrument zu 119 senden (Rz. 22 ff.), weshalb sie im Ausgangspunkt insbesondere den Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i VO Nr. 596/2014 erfüllen können. Zudem ist denkbar, dass sie ein anormales oder künstliches Kursniveau erzeugen (Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i VO Nr. 596/2014). An der Signaleignung und an der Eignung zur Erzeugung eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus kann es bei jenseits des safe harbour liegenden Rückkaufprogrammen im Einzelfall aber bereits dann fehlen, wenn die Volumenbegrenzungen des Art. 3 DelVO 2016/1052 (Rz. 57 ff.) eingehalten werden und/oder das Rückkaufprogramm programmiert bzw. das Wertpapierinstitut bzw. Kreditinstitut angewiesen ist, Preisbeeinflussungen zu vermeiden379. Durch die Herstellung hinreichender Transparenz lässt sich zudem vermeiden, dass einem Rückkaufprogramm die Eignung zur Aussendung falscher oder irreführender Signale hinsichtlich der Nachfrage eines Finanzinstruments (Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i VO Nr. 596/2014) zukommt380. Ob das Programm mittels der in seinem Rahmen durchgeführten effektiven Geschäfte zur Erzeugung eines künstlichen oder anormalen Kursniveaus taugt, ist hingegen in einer normativen Bewertung festzustellen381. Leitlinien hierfür sind auch und insbesondere die Wertungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 selbst (vgl. schon Rz. 117)382. Dass Rückkaufprogramme außerhalb des safe harbour nicht gegen die Verbote der Art. 14 und 15 VO 120 Nr. 596/2014 verstoßen, ist im Wesentlichen denkbar bei solchen, die anderen – insbesondere den übrigen nach § 71 Abs. 1 AktG oder § 33 Abs. 2 WpÜG gesellschaftsrechtlich zulässigen – Zwecken dienen383, und bei deren Durchführung die Transparenzanforderungen384 und die Volumen- und Handelsbeschränkungen des Art. 5 Abs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014 sowie der DelVO 2016/1052 (Rz. 45 ff. und 57 ff.) beachtet werden385. Zudem darf der verfolgte Zweck nicht mit den Schutzzwecken der MAR konfligieren. Diese Voraussetzung kann etwa beim Erwerb eigener Aktien zur Abwendung eines Schadens oder einer Übernahme erfüllt sein386. Zudem kann ein Rückkaufprogramm zulässig sein, wenn es unter der Voraussetzung der Transparenz und marktschonenden Ausführung dazu dient, eigene Aktien als Akquisitionswährung für eine Übernahme zu erwerben387. Die französische Autorité des Marchés Financiers hatte solche Rückkaufprogramme ausdrücklich als zulässige Marktpraxis anerkannt (dazu Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 101), dies allerdings in der Zwischenzeit aufgegeben388. Weiterhin kann die Abwehr gezielter Baisseangriffe oder sonst gezielter Schädigungen des Unternehmens den Rückkauf eigener Aktien rechtfertigen, sofern die Transparenz- und Volumenanforderungen gewahrt sind. Ein sog. beschleunigter Aktienrückkauf (accelerated share purchases) kann ebenfalls marktmanipulationsrechtlich unbedenklich sein389. Allerdings ist einem OTC erfolgenden Rückkauf eine Signalwirkungseignung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i VO Nr. 596/2014 nicht schon deshalb abzusprechen, weil diesen Geschäften „schon im Ausgangspunkt jegliche Markttransparenz“ fehlt390, da die konkreten OTC-Geschäfte im Einzelfall durchaus den Vor- und Nachhandelstransparenzpflichten der MiFIR unterliegen können391. Zudem kann der Abschluss des OTC-Geschäfts bzw. der OTC-Geschäfte dem Markt auch anderweitig bekannt werden und insofern doch eine Signalwirkung entfalten. Sogar ein nicht von § 71 AktG gedeckter und damit nach § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG verbotener392 Erwerb eigener Aktien stellt unter 379 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 40; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 160. 380 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 34; Neurath, AG 2019, 634, 639. 381 Näher zu dieser Sajnovits, ZGR 2021, 804, 816 ff. 382 So im Ergebnis auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 34; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 160 f. 383 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 32; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 163 ff. 384 Die besondere Bedeutung der Transparenzanforderungen heben auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 33 hervor. 385 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.84; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 41. Zur alten Rechtslage unter dem Regime der DurchfVO Nr. 2273/2003 zutreffend Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. II VO Nr. 2273/2003 Rz. 10 ff. 386 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 32. 387 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 40; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 32; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 5 MAR Rz. 41. 388 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 32. 389 Näher Neurath, AG 2019, 634. 390 So aber Neurath, AG 2019, 634, 639. 391 Eingehend zu den Vor- und Nachhandelstransparenzpflichten nach der MiFIR, die unter bestimmten Umständen auch für OTC-Geschäfte gelten, s. Sajnovits, ZBB 2019, 162; Schmies/Sajnovits in Binder/Saguato, Financial Markets Infrastructure, 2022, S. 500. 392 Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 66 ff. m.N.
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 120 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen dem Regime der MAR nicht notwendigerweise eine verbotene Marktmanipulation oder einen Insiderverstoß dar, solange angemessene Transparenz hergestellt wird und kein künstliches Kursniveau erzeugt wird.
3. Stabilisierungsmaßnahmen jenseits des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 121 Stabilisierungsmaßnahmen dienen zwar – wenn sie nicht in Wahrheit „Kurskosmetik“ bezwecken, was regel-
mäßig eine Marktmanipulation darstellt – typischerweise der Abwendung von Marktverzerrungen und der Glättung von Zufallsschwankungen, und damit letztlich der präziseren Abbildung des Fundamentalwerts im Marktpreis. Die (vermeintliche) Rückführung zum richtigen Fundamentalwert ist im Ausgangspunkt allerdings nicht Sache einzelner Marktteilnehmer393, weswegen Kursstabilisierungsmaßnahmen außerhalb des safe harbour des Art. 5 VO Nr. 596/2014 im Ausgangspunkt kritisch zu sehen sind, und zwar gleich in welcher Form sie durchgeführt werden. Soweit Stabilisierungsmaßnahmen allein handelsgestützt durch den Erwerb von Aktien oder anderen Finanzinstrumenten durch den Emittenten oder Dritte erfolgen, müssen sie sich insbesondere an Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 messen lassen394. Insoweit können falsche oder irreführende Signale hinsichtlich der Nachfrage (Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i VO Nr. 596/2014) insbesondere durch die Herstellung genügender – an den Vorgaben des Art. 5 VO Nr. 596/2014 orientierte – Transparenz vermieden werden (s. auch Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 18 ff.). Was die Eignung zur Herbeiführung eines anormalen bzw. künstlichen Kursniveaus anbelangt, muss insbesondere die objektive Zwecksetzung der Stabilisierungsmaßnahme vor dem Hintergrund der Zwecke des Marktmanipulationsverbots normativ beurteilt werden (vgl. allgemein Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 23 ff.)395. In Einzelfällen kann eine Kursstabilisierungsmaßnahme, auch ohne die Anforderungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 zu erfüllen, nicht als verbotene Marktmanipulation zu qualifizieren sein. Sofern Kursstabilisierungsmaßnahmen allein oder in Ergänzung zu handelsgestützten Aktivitäten durch Informationsverbreitung erfolgen, müssen die Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 lit. c und ggf. lit. b VO Nr. 596/2014 berücksichtigt werden396.
122 Jenseits des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 liegende Fallgruppen für nicht marktmanipulative und insider-
rechtlich relevante Stabilisierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer Emission sind etwa in dem Zeitraum vor Aufnahme des Handels und während der sog. Bookbuilding-Phase diskutabel397. Insoweit wird jedenfalls heute398 erforderlich sein, dass die Vorgaben des Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014, insbesondere in seiner Konkretisierung durch die DelVO 2016/1052 und insoweit besonders die Preisgrenzen des Art. 7 Abs. 1 DelVO 2016/1052, entsprechend erfüllt werden399.
123 Marktschutzvereinbarungen sind von Art. 5 VO Nr. 596/2014 nicht erfasste Maßnahmen zur Stabilisierung
bei Emissionen (Rz. 81)400. Sie kommen insbesondere als sog. lock-up-agreements vor, mit denen sich Inhaber von Finanzinstrumenten (z.B. Altaktionäre oder institutionelle Anleger) verpflichten, diese nicht zu veräußern. Es handelt sich um eine übliche, zumindest nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der MAR weithin für zulässig gehaltene Marktpraxis401. Unter dem Regime des Art. 15 VO Nr. 596/2014 ist eine Marktschutzvereinbarung schon deshalb regelmäßig unproblematisch, weil die aufgrund einer Marktschutzvereinbarung unterlassene Veräußerung nicht dem Marktmanipulationsverbot unterfällt (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 51)402. Allerdings kann es im Zusammenhang mit Marktschutzvereinbarungen zu Insiderverstößen kommen.
124 Der Handel mit Wertpapierblöcken403 kann, wenn er öffentlich angekündigt ist, im Einzelfall eine Sekun-
däremission i.S.d. Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 sein (Rz. 84). Hingegen lässt sich der Handel mit Wert393 Vgl. Sajnovits, ZGR 2021, 804, 843 f. 394 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 39; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 169. 395 Vgl. Sajnovits, ZGR 2021, 804, 816 ff. 396 Vgl. auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 39. 397 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 170 ff. 398 Namentlich für den Handel per Erscheinen wurde gefordert, dass die Vorgaben der Art. 7 ff. DurchfVO Nr. 2273/ 2003 im Wesentlichen entsprechend beachtet werden s. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 392 ff. großzügiger – Stabilisierungsmaßnahmen schon zulässig, wenn die Liquidität des jeweiligen Finanzinstruments gering ist, nachweislich Eingriffe Dritter nicht zu befürchten sind und ausreichende Transparenz gewährleistet ist – Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 357, Schlitt/Schäfer, BKR 2005, 251, 263; Fleischer, ZIP 2003, 2045, 2048. 399 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 42. 400 Dazu auch Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 176 ff. 401 Zur alten Rechtslage unter Geltung der DurchfVO Nr. 2273/2003: Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 403 ff.; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449 m.N. 402 So auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 47. 403 Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 181 ff. Zur Rechtslage vor Geltung der MAR Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 356 f.; zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar,
104 | Mülbert/Sajnovits
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen | Rz. 126 Art. 5 VO Nr. 596/2014
papierblöcken, der ausschließlich in Gestalt einer Privattransaktion stattfindet, nicht als signifikantes Zeichnungsangebot betrachten (Erwägungsgrund 6 DelVO 2016/1052), und in diesem Rahmen stattfindende Stabilisierungsmaßnahmen können deshalb auch nicht dem safe harbour unterfallen. In Betracht kommt eine Marktmanipulation hierbei vor allem, wenn im Vorfeld der Platzierung des Blocks Kurse beeinflusst werden. Begleitende Stabilisierungsmaßnahmen (einschließlich des Rückkaufs von Teilen des Blockes) sind jedenfalls bei hinreichender Transparenz unbedenklich. Das gilt erst recht für den sog. Pakethandel, d.h. dem über einen längeren Zeitraum verteilten Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Er ist auch dann nicht marktmanipulativ, wenn es wirtschaftlich gesehen um eine einheitliche Transaktion geht404. Kurspflegemaßnahmen mit dem Ziel, Zufallsschwankungen eines Preises zu vermeiden und eine Glättung 125 unregelmäßiger Preisentwicklungen zu erreichen, qualifizieren sich nach geltendem Recht405 nicht ohne Weiteres als eine verbotene Marktmanipulation nach den Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 bzw. einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot nach Art. 14 VO Nr. 596/2014406. Insbesondere sind Kurspflegemaßnahmen im Regelfall keine fiktiven Transaktionen (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 59), sondern rechtsverbindliche und effektive Geschäfte, da andernfalls der Kurs nicht – oder nicht nachhaltig – stabilisiert werden kann407. Gerade bei kursbeeinflussungsgeeigneten effektiven Geschäften stellen sich – wie auch sonst (näher Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 52) – schwierige Abgrenzungsfragen im Spannungsfeld von marktmanipulativem und legitimem Marktverhalten.
4. Weitere Fallgruppen Die Tätigkeit von Designated Sponsors und Market Makern kann durchaus in die Nähe der Art. 14, 15, 12 VO 126 Nr. 596/2014 geraten408. Ein Designated Sponsor stellt zwar verbindliche oder indikative Quotes, um Liquidität zu schaffen, jedoch liegt dem weder ein reales Angebot noch reale Nachfrage zugrunde, und es erfolgen keine wirtschaftlich begründeten Umsätze409. Gleichwohl ist seine Tätigkeit in Börsenordnungen (z.B. §§ 23 ff. Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse) als sinnvoll und notwendig anerkannt und zugleich börsenordnungsrechtlich begrenzt. Zur Tätigkeit eines Market Maker verweist die MAR auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 RL 2014/ 65/EU (MiFID II). Danach handelt es sich um eine Person, die an den Finanzmärkten auf kontinuierlicher Basis ihre Bereitschaft anzeigt, durch den An- und Verkauf von Finanzinstrumenten unter Einsatz des eigenen Kapitals Handel für eigene Rechnung zu von ihr gestellten Kursen zu betreiben410. An inländischen Börsen werden sie lediglich auf vertraglicher, nicht auf börsenordnungsrechtlicher Grundlage tätig. Unabhängig hiervon anerkennt der Unionsgesetzgeber mit dem Sonderausnahmetatbestand des Art. 9 VO Nr. 596/2014 für Market Maker, zentrale Gegenparteien und bestimmte andere Personen (näher Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 11 ff.)411, dass ihre Tätigkeit sinnvoll und sogar notwendig ist. Erwägungsgrund 29 VO Nr. 596/2014 stellt sogar eigens klar, dass die Rolle der Market Maker anzuerkennen ist, wenn diese in ihrer legitimen Eigenschaft als Bereitsteller von Marktliquidität tätig sind. Explizite Sonderregelungen für Market Maker wurden letztlich allerdings nur im Bereich des Insiderrechts festgesetzt (vgl. auch Erwägungsgrund 30 VO Nr. 596/2014). Auch jenseits dieses Ausnahmetatbestands sollten jedoch beide Tätigkeiten schon de lege lata im Auslegungsweg412, durch Anerkennung als zulässige Marktpraxis oder jedenfalls zeitnah de lege ferenda durch Schaffung eines safe harbour von der Anwendung des Marktmanipulationsverbots ausgenommen werden (Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 106)413. Entsprechende Ausnahmen finden sich schon jetzt etwa von den Verboten der VO Nr. 236/2012 (Art. 17 Abs. 1, 3 VO Nr. 236/2012). Im Übrigen hatten einige ausländische zuständige Behörden sog. liquidity enhancement contracts und auch die Anpassung des Börsenpreises von Schuldverschreibungen durch wash sales als zulässige
404 405 406 407 408 409 410 411 412 413
Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Nach Art. 142 f. FinfraG Rz. 46. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der MAR und zum Pakethandel allgemein s. Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 6; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8; s. hierzu auch (freilich in erster Linie in insiderhandelsrechtlicher Sicht) Hammen, Pakethandel und Insiderhandelsverbot, WM 2004, 1753. S. zur alten Rechtslage die 7. Aufl. Rz. 116. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23 f.; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 184. Zutr. Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23; Stüber in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.3.2022, Art. 5 VO (EU) 596/2014 Rz. 185; vgl. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 50. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.23. Dazu auch Klöhn, ZBB 2017, 261, 266. Näher Klöhn, ZBB 2017, 261. So auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 50. Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 39.24.
Mülbert/Sajnovits | 105
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Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126 | Ausnahmen für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen Marktpraxis anerkannt (Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 101). Zwischenzeitlich wurde in Art. 13 Abs. 12 und 13 VO Nr. 596/2014 sogar ein ausdrücklicher Tatbestandsausschluss von Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/ 2014 für bestimmte Liquiditätskontrakte aufgenommen (näher Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 3, 123 ff.). 127 Der Skontroführer hat gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 BörsG auf einen geordneten Marktverlauf hinzuwirken und
darf hierzu auch Eigen- und Aufgabegeschäfte durchführen, solange sie nicht tendenzverstärkend wirken. Derartige Geschäfte bringen kein reales Angebot bzw. keine reale Nachfrage zum Ausdruck und stellen keine wirtschaftlich begründeten Umsätze dar, müssen aber gleichwohl auch marktmanipulationsrechtlich als unverboten anerkannt werden414.
IX. Konkretisierungsbefugnis (Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) 128 Nach Art. 5 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 soll die ESMA zur durchgängigen Harmonisierung Entwürfe technischer
Regelungsstandards ausarbeiten, in denen die bei den Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen nach Abs. 1 und 4 einzuhaltenden Bedingungen präzisiert werden, darunter Handelsbedingungen, Beschränkungen der Dauer und des Volumens, Bekanntgabe- und Meldepflichten sowie Kursbedingungen. Dies ist durch die Vorlage eines finalen Reports durch die ESMA am 28.9.2015 geschehen415. Die Europäische Kommission hatte sodann gem. Art. 5 Abs. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 die Befugnis, technische Regulierungsstandards nach Art. 10–14 VO Nr. 1095/2010 zu erlassen. Dem ist sie durch Erlass der DelVO 2016/1052 nachgekommen.
Art. 6 VO Nr. 596/2014 Ausnahme für Maßnahmen im Rahmen der Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung und der Klimapolitik (1) Diese Verordnung gilt nicht für Geschäfte, Aufträge oder Handlungen, die aus geld- oder wechselkurspolitischen Gründen oder im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung von a) einem Mitgliedstaat, b) den Mitgliedern des Europäischen Systems der Zentralbanken, c) einem Ministerium, einer anderen Einrichtung oder Zweckgesellschaft eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder einer in deren Auftrag handelnden Person sowie – d) im Fall eines Mitgliedstaats mit der Form eines Bundesstaats – von einem Mitglied des Bundes getätigt werden. (2) Diese Verordnung gilt nicht für solche Geschäfte, Aufträge oder Handlungen, die von der Kommission, einer anderen offiziell benannten Stelle oder einer anderen Person, die in deren Auftrag handelt, im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung getätigt werden. Diese Verordnung gilt nicht für Geschäfte, Aufträge oder Handlungen, die getätigt werden a) von der Union, b) einer Zweckgesellschaft eines oder mehrerer Mitgliedstaaten, c) der Europäischen Investitionsbank, d) der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, e) dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, f) einem internationalen Finanzinstitut, das zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zu dem Zweck errichtet haben, Mittel zu mobilisieren und diejenigen seiner Mitglieder, die von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen betroffen oder bedroht sind, finanziell zu unterstützen. (3) Diese Verordnung gilt nicht für Tätigkeiten eines Mitgliedstaats, der Kommission oder einer anderen offiziell benannten Stelle oder einer in deren Auftrag handelnden Person, die Emissionszertifi-
414 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 5 MAR Rz. 50. Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der MAR: Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448. 415 Abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-esma-1455_-_final_report_ mar_ts.pdf.
106 | Mülbert/Sajnovits und Assmann
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Ausnahme für bestimmte Maßnahmen | Art. 6 VO Nr. 596/2014
kate betreffen und im Rahmen der Klimapolitik der Union im Einklang mit der Richtlinie 2003/87/ EG unternommen werden. (4) Diese Verordnung gilt nicht für Tätigkeiten eines Mitgliedstaats, der Kommission oder einer anderen offiziell benannten Stelle oder einer in deren Auftrag handelnden Person, die zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Union oder der Gemeinsamen Fischereipolitik der Union im Einklang mit angenommenen Rechtsakten oder gemäß dem AEUV geschlossenen internationalen Übereinkünften ausgeführt werden. (5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 35 zu erlassen, um die in Ausnahme nach Absatz 1 auf bestimmte öffentliche Stellen und die Zentralbanken von Drittstaaten auszuweiten. Dazu erstellt die Kommission bis zum 3. Januar 2016 einen Bericht, in dem beurteilt wird, wie öffentliche Einrichtungen, die für die Staatsschuldenverwaltung zuständig oder daran beteiligt sind, und die Zentralbanken von Drittstaaten international behandelt werden, und legt ihn dem Europäischen Parlament und dem Rat vor. Der Bericht enthält eine vergleichende Untersuchung der Behandlung dieser Stellen und Zentralbanken im Rechtsrahmen von Drittstaaten sowie die Risikomanagementstandards, die für die von diesen Stellen und den Zentralbanken in diesen Rechtsordnungen getätigten Geschäfte gelten. Wenn das Fazit dieses Berichts – vor allem angesichts der vergleichenden Untersuchung – lautet, dass es erforderlich ist, die Zentralbanken dieser Drittstaaten im Hinblick auf ihre währungspolitischen Verpflichtungen von den in dieser Verordnung festgelegten Verpflichtungen und Verboten auszunehmen, weitet die Kommission die Ausnahme nach Absatz 1 auch auf die Zentralbanken dieser Drittstaaten aus. (6) Der Kommission wird auch die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 35 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Ausnahmen gemäß Absatz 3 auf bestimmte benannte öffentliche Stellen von Drittstaaten auszuweiten, die ein Abkommen mit der Union im Sinne von Artikel 25 der Richtlinie 2003/ 87/EG geschlossen haben. (7) Dieser Artikel gilt nicht für Personen, die im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder anderweitig für die in diesem Artikel genannten Unternehmen tätig sind, wenn diese Personen unmittelbar oder mittelbar, für eigene Rechnung Geschäfte, Aufträge oder Handlungen tätigen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1) (Auszug) Art. 3 Die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 gilt nicht für Geschäfte, Aufträge oder Handlungen, die aus geld- oder wechselkurspolitischen Gründen oder im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung getätigt werden, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen und von den in Anhang I der vorliegenden Verordnung aufgeführten öffentlichen Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten ausschließlich aus den genannten Gründen vorgenommen werden. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Schrifttum: S. Art. 1 VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung II. Ausgenommene Maßnahmen und Akteure (Art. 6 Abs. 1–4, 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . 1. Generalausnahme (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politikfeldbezogene Ausnahmen . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen der Geld- oder Wechselkurspolitik und der Staatsschuldenverwaltung (Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . b) Maßnahmen im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 3 4 5
c) Maßnahmen der Klimapolitik (Art. 6 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Maßnahmen der Gemeinsamen Agrarund Fischereipolitik (Art. 6 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitarbeiter ausgenommener Unternehmen (Art. 6 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . III. Ermächtigungen (Art. 6 Abs. 5 und 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Assmann | 107
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Art. 6 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Ausnahme für bestimmte Maßnahmen
I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung 1 Die Vorschrift nimmt bestimmte Träger hoheitlicher Gewalt in Bezug auf bestimmte Maßnahmen von vorn-
herein aus dem Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsverordnung aus. Eine entsprechende, aber weitaus weniger umfangreiche Bestimmung fand sich in Art. 7 der durch die Marktmissbrauchsverordnung aufgehobenen RL 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (EU) 2016/909, umgesetzt in § 1 Abs. 3 WpHG a.F. Lediglich Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 findet eine Entsprechung in der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG1.
2 Gestützt auf Art. 6 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 ist zur Ergänzung der Marktmissbrauchsverordnung im Hin-
blick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten die Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17.12.20152 erlassen worden.
II. Ausgenommene Maßnahmen und Akteure (Art. 6 Abs. 1–4, 7 VO Nr. 596/2014) 1. Generalausnahme (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) 3 Die Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung gelten nach Art. 6 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht für
Geschäfte, Aufträge oder Handlungen der Europäischen Union und von Einrichtungen der Mitgliedstaaten. Im Einzelnen sind ausgenommen Maßnahmen a) der Europäischen Union, b) einer Zweckgesellschaft eines oder mehrerer Mitgliedstaaten, c) der Europäischen Investitionsbank, d) der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, e) dem Europäischen Stabilitätsmechanismus sowie f) einem internationalen Finanzinstitut, das zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zu dem Zweck errichtet haben, Mittel zu mobilisieren und diejenigen seiner Mitglieder, die von schwerwiegenden Finanzierungsproblemen betroffen oder bedroht sind, finanziell zu unterstützen. Auch wenn dies für Maßnahmen der vorgenannten Akteure eine weitgehende Generalausnahme darstellt3, sollten offenkundig nicht zu deren Aufgabenbereich gehörende Geschäfte, Aufträge oder Handlungen der Marktmissbrauchsverordnung unterfallen.
2. Politikfeldbezogene Ausnahmen 4 Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1, Abs. 3 und 4 VO Nr. 596/2014 enthalten auf bestimmte Akteure begrenzte
politikfeldbezogene Ausnahmen. Dementsprechend gelten die Ausnahmen auch nur in dem Umfang, in dem die jeweiligen Akteure „im öffentlichen Interesse und ausschließlich in Ausübung dieser Politik handeln“ (Erwägungsgrund 13 Satz 1 VO Nr. 596/2014). a) Maßnahmen der Geld- oder Wechselkurspolitik und der Staatsschuldenverwaltung (Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014)
5 Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 enthält Ausnahmen für Geschäfte, Aufträge oder Handlungen, die aus geld-
oder wechselkurspolitischen Gründen oder im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung von den in Art. 6 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 genannten Trägern öffentlicher Gewalt vorgenommen werden, nämlich a) einem Mitgliedstaat, b) den Mitgliedern des Europäischen Systems der Zentralbanken, c) einem Ministerium, einer anderen Einrichtung oder Zweckgesellschaft eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder einer in deren Auftrag handelnden Person sowie – im Fall eines Mitgliedstaats mit der Form eines Bundesstaats – d) von einem Mitglied des Bundes.
6 Zur Ausweitung der Ausnahme nach Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf bestimmte öffentliche Stellen und die
Zentralbanken von Drittstaaten aufgrund der in Art. 6 Abs. 5 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Ermächtigung durch die Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 (Rz. 2) s. Rz. 11.
1 S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003. 2 Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften, ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1. 3 Anders Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 6 MAR Rz. 12.
108 | Assmann
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Ausnahme für bestimmte Maßnahmen | Rz. 12 Art. 6 VO Nr. 596/2014
b) Maßnahmen im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014) Die Marktmissbrauchsverordnung gilt nach Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht für solche Ge- 7 schäfte, Aufträge oder Handlungen, die von der Kommission, einer anderen offiziell benannten Stelle oder einer anderen Person, die in deren Auftrag handelt, im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung getätigt werden.
c) Maßnahmen der Klimapolitik (Art. 6 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) Nicht anwendbar ist die Marktmissbrauchsverordnung nach Art. 6 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 auch auf Tätig- 8 keiten eines Mitgliedstaats, der Kommission oder einer anderen offiziell benannten Stelle oder einer in deren Auftrag handelnden Person, die Emissionszertifikate betreffen und im Rahmen der Klimapolitik der Union im Einklang mit der RL 2003/87/EG4 unternommen werden. d) Maßnahmen der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik (Art. 6 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) Die Marktmissbrauchsverordnung gilt schließlich nach Art. 6 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nicht für Tätigkeiten 9 eines Mitgliedstaats, der Kommission oder einer anderen offiziell benannten Stelle oder einer in deren Auftrag handelnden Person, die zur Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik der Union oder der Gemeinsamen Fischereipolitik der Union im Einklang mit angenommenen Rechtsakten oder gemäß dem AEUV geschlossenen internationalen Übereinkünften ausgeführt werden.
3. Mitarbeiter ausgenommener Unternehmen (Art. 6 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 6 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 gelten vorstehende Ausnahmen des Art. 6 VO Nr. 596/2014 nicht für 10 Personen, die im Rahmen eines Arbeitsvertrags oder anderweitig für die in diesem Artikel genannten Unternehmen tätig sind, wenn diese Personen nicht für die Unternehmen tätig werden, sondern unmittelbar oder mittelbar, für eigene Rechnung Geschäfte, Aufträge oder Handlungen tätigen.
III. Ermächtigungen (Art. 6 Abs. 5 und 6 VO Nr. 596/2014) Art. 6 Abs. 5 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 überträgt der Kommission die Befugnis, delegierte Rechtsakte 11 gem. Art. 35 VO Nr. 596/2014 zu erlassen, um die in Ausnahme nach Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf bestimmte öffentliche Stellen und die Zentralbanken von Drittstaaten auszuweiten. Die Kommission hat hiervon Gebrauch gemacht und zur Ausdehnung der Ausnahme von den in der Marktmissbrauchsverordnung festgelegten Verpflichtungen und Verboten auf bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten bei der Ausübung ihrer Geld- und Wechselkurspolitik und Politik zur Staatsschuldenverwaltung nach Art. 6 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 die Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 (Rz. 2) erlassen. Nach dem oben im Anschluss an die Bestimmungen von Art. 6 VO Nr. 596/ 2014 wiedergegebenen Art. 3 DelVO 2016/522 gilt die MAR nicht für Geschäfte, Aufträge oder Handlungen, die aus geld- oder wechselkurspolitischen Gründen oder im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung getätigt werden, wenn diese im öffentlichen Interesse liegen und von den in Anhang I der DelVO 2016/522 aufgeführten öffentlichen Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten ausschließlich aus den genannten Gründen vorgenommen werden. In Art. 6 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 wird der Kommission auch die Befugnis übertragen, gem. Art. 35 VO 12 Nr. 596/2014 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die Ausnahmen gem. Abs. 3 auf bestimmte benannte öffentliche Stellen von Drittstaaten auszuweiten, die ein Abkommen mit der Union i.S.v. Art. 25 RL 2003/ 87/EG (Rz. 8) geschlossen haben. Die Kommission hat hiervon bislang keinen Gebrauch gemacht.
4 Richtlinie 2003/87/EG vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EU Nr. L 275 v. 25.10.2003, S. 32.
Assmann | 109
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 | Vorbemerkungen
Kapitel 2 Insiderinformation, Insidergeschäfte, unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation (Art. 7–16 VO Nr. 596/2014) Vorbemerkungen zu den insiderrechtlichen Regelungen der Art. 7–11 VO Nr. 596/2014 und zum Insiderhandelsverbot nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 Europäische Rechtsakte: 1989–2013: Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. EG Nr. 334 v. 18.11.1989, S. 30; Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16; Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; Richtlinie 2003/125/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73; Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme von Wertpapieren und Kursstabilisierungsmaßnahmen der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG (Rz. 11), ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG (Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen [...]), ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70; Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/35/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38; Richtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27; Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1; Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38; Richtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EU Nr. L 69 v. 8.3.2007, S. 27. 2014–2018: Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1 (berichtigt in ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320 und ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83); Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 84; Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179; Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFID II), ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349; Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.11.2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABl. EU Nr. L 352 v. 9.12.2014, S. 1; Durchführungsrichtlinie (EU) 2015/2392 der Kommission vom 17.12.2015 zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Meldung tatsächlicher oder möglicher Verstöße gegen diese Verordnung, ABl. EU Nr. L 332 v. 18.12.2015, S. 128; Delegierte Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission vom 8.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen, ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34; Delegierte Verordnung (EU) 2016/957 der Kommission vom 9.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die geeigneten Regelungen, Systeme und Verfahren sowie Mitteilungsmuster zur Vorbeugung, Aufdeckung und Meldung von Missbrauchspraktiken oder verdächtigen Aufträgen oder Geschäften, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1; Durchführungsrichtlinie (EU) 2016/347 der Kommission vom 10.3.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das genaue Format der Insiderlisten und für die Aktualisierung von Insiderlisten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 65 v. 11.3.2016, S. 49; Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25.4.2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU Nr. L 87 v. 31.3.2017, S. 1; Delegierte Verordnung (EU) 2016/960 vom 17.5.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Ra-
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Vorbemerkungen | Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 tes durch technische Regulierungsstandards für angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für offenlegende Marktteilnehmer bei der Durchführung von Marktsondierungen, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29; Durchführungsverordnung (EU) 2016/959 der Kommission vom 17.5.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Marktsondierungen in Bezug auf die von offenlegenden Marktteilnehmern zu nutzenden Systeme und Mitteilungsmuster und das Format der Aufzeichnungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23; Verordnung vom 23.6.2016 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch und der Verordnung (EU) Nr. 909/2014 zur Verbesserung der Wertpapierlieferungen und -abrechnungen in der Europäischen Union und über Zentralverwahrer, ABl. EU Nr. L 175 v. 30.6.2016, S. 1; Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 der Kommission vom 29.6.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47. 2019 ff.: Richtlinie 2019/878/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2013/36/EU im Hinblick auf von der Anwendung ausgenommene Unternehmen, Finanzholdinggesellschaften, gemischte Finanzholdinggesellschaften, Vergütung, Aufsichtsmaßnahmen und -befugnisse und Kapitalerhaltungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. L 150 v. 7.6.2019, S. 253; Richtlinie 2019/879/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/59/EU in Bezug auf die Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und der Richtlinie 98/26/EG, ABl. EU Nr. L 150 v. 7.6.2019, S. 296; Richtlinie 2019/2034/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/ 59/EU und 2014/65/EU, ABl. EU Nr. L 314 v. 5.12.2019, S. 64; Verordnung (EU) 2020/1505 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.10.2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937, ABl. EU Nr. L 347 v. 20.10.2020, S. 1; Richtlinie (EU) 2020/1504 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7.10.2020 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente, ABl. EU Nr. L 347 v. 20.10.2020, S. 50; Richtlinie (EU) 2021/338 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2021 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU im Hinblick auf die Informationspflichten, die Produktüberwachung und die Positionslimits sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/878 im Hinblick auf ihre Anwendung auf Wertpapierfirmen, zur Förderung der wirtschaftlichen Erholung von der COVID-19-Krise, ABl. EU Nr. L 68 v. 26.2.2021, S. 14. Schrifttum: Assmann, Das künftige deutsche Insiderrecht, AG 1994, 196 (I), 237 (II); Assmann, Das neue deutsche Insiderrecht, ZGR 1994, 494; Assmann, Insiderrecht und Kreditwirtschaft, WM 1996, 1337; Assmann, Rechtsanwendungsprobleme des Insiderrechts, AG 1997, 50; Assmann, Konzernfinanzierung und Kapitalmarktrecht, in Lutter/ Scheffler/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, § 12, S. 332; Assmann, Übernahmeangebote im Gefüge des Kapitalmarktrechts, insbesondere im Lichte des Insiderrechts, der Ad hoc-Publizität und des Manipulationsverbots, ZGR 2002, 697; Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarktrecht, ZHR 172 (2008), 635; Assmann, Information über die bevorstehende Veröffentlichung eines Marktgerüchts als unberechtigte Offenlegung einer Insiderinformation, AG 2022, 398; Bachmann, Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, ZHR 172 (2008), 597; Bachmann, Kapitalmarktpublizität und informationelle Gleichbehandlung, in FS Schwark, 2009, S. 331; Bachmann, Ad-hoc-Publizität nach „Geltl“, DB 2012, 2206; Bachmann, Das europäische Insiderhandelsverbot, 2015; BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand: 31.1.2019, abrufbar unter https://www.lw.com/admin/Upload/Documents/dl_faq_mar_art_17_Ad-hoc.pdf-jses sionid_BF51BA21C4A454DA7590CD085FB6FCF1.2_cid381.pdf; BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen durch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (FAQs), Stand: 21.12.2017, noch abrufbar unter http://www.co2-sachverstaendiger.de/pdf/BaFin%20FAQ%20MAR%20Art_17%20Dezember%202017.pdf; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emitten tenleitfaden_2009.html; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, unter Eingabe der Suchbegriffe „Emittentenleitfaden 2013“; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung, Stand: 25.3.2020, abrufbar von der Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Emittentenleitfaden Modul C“; BaFin, Insiderinformation gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) MAR, 17.12.2018, abrufbar von der Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Insiderinformation gemäß Art. 7 MAR“; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten und Aufschubmöglichkeiten für Kredit- und Finanzinstitute betreffend bankaufsichtliches Handeln und Abwicklung“ vorgelegt, Stand: 31.5.2021, abrufbar über die Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Leitlinien zur Bestimmung“ oder direkt unter file:///C:/Users/assmann/AppData/Local/ Temp/dl_emittentenleitfaden_modul_C_ergaenzende_leitlinien.pdf; BaFin, Veröffentlichung der Insiderinformation, abrufbar von der Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Veröffentlichung der Insiderinformation“; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017; Bayram/Meier, Pinging, Front Running und Quote Matching – Verbotene Handelspraktiken nach der Marktmissbrauchsverordnung?, WM 2018, 1295; Beck, Kreditderivate als Insidergeschäft, in Gedächtnisschrift Ulrich Bosch, 2006, S. 17; Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, 1995; Becker, Das Insiderhandelsverbot bei Kapitalerhöhungen börsennotierter Aktiengesellschaften, ZGR 2020, 999; BennerHeinacher, Kollidiert die Auskunftspflicht des Vorstands mit dem Insidergesetz?, DB 1995, 765; Benzinger, Zivilrechtliche Haftungsansprüche im Zusammenhang mit Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 2008; Bergmann/Löffler, Befugte Mitteilung von Insiderinformationen in Presseerzeugnissen, in Schröder/Sethe (Hrsg.), Kapitalmarktrecht und Pressefreiheit, 2011, S. 95; Bingel, Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierung, 2007; Bonin/Glos, Die neuere Rechtsprechung der europäischen Gerichte im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts, WM 2010, 1821; Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Trans-
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Bonn 2007; Götz, Die unbefugte Weitergabe von Insidertatsachen, DB 1995, 1949; Götze, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Zulassung einer Due Diligence durch AG-Vorstand?, BB 1998, 2326; Graßl, Die neue Marktmissbrauchsverordnung der EU, DB 2015, 2066; Gracz, Insiderhandel in Deutschland, 2007; Grechenig, Schadensersatz bei Verletzung von § 14 WpHG? Insiderhandel bei positiver und negati-
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Vorbemerkungen | Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 ver Information, ZBB 2010, 232; Groß, Kursstabilisierung, in Gedächtnisschrift Ulrich Bosch, 2006, S. 49; Groß/Royé, EU-Marktmissbrauchsverordnung: Ergebnisse einer Umfrage und Versuch einer Präzisierung, BKR 2019, 272; Grothaus, Reform des Insiderrechts: Großer Aufwand – viel Rechtsunsicherheit – wenig Nutzen?, ZBB 2005, 62; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008; Gunßer, Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht bei zukunftsbezogenen Sachverhalten, NZG 2008, 855; Gunßer, Der Vorlagebeschluss des BGH zum Vorliegen einer „Insiderinformation“ in gestreckten Sachverhalten (Fall „Schrempp“), ZBB 2011, 76; Hammen, Pakethandel und Insiderhandelsverbot, WM 2004, 1753; Harbarth, Ad-hoc-Publizität beim Unternehmenskauf, ZIP 2005, 1898; Hartmann, Juristische und ökonomische Regelungsprobleme des Insiderhandels, 1999; Hasselbach, Die Weitergabe von Insiderinformationen bei M&A-Transaktionen mit börsennotierten Aktiengesellschaften, NZG 2004, 1087; Heinsius, Anlageberatung durch Kreditinstitute, ZHR 145 (1981), 177; Heise, Der Insiderhandel an der Börse und dessen strafrechtliche Bedeutung, 2000; Hellgardt, Europarechtliche Vorgaben für die Kapitalmarktinformationshaftung de lege lata und nach Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung AG 2012, 154; Hemeling, Gesellschaftsrechtliche Fragen der Due Diligence beim Unternehmenskauf, ZHR 169 (2005), 274; Herbold, Das Verwendungsmerkmal im Insiderhandelsverbot – unter besonderer Berücksichtigung des Pakethandels und der Due Diligence, 2009; Hess/Krämer, Zulässigkeit und Grenzen der Kursstabilisierung bei Aktienplatzierungen, in FS Döser, 1999, S. 171; Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit, 2006; Hopt, Europäisches und deutsches Insiderrecht, ZGR 1991, 17; Himmelreich, Insiderstrafverfolgung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2013; Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, in FS Heinsius, 1991, S. 289; Hopt, Auf dem Weg zum deutschen Insidergesetz – Die Vorüberlegungen vom Herbst 1992, in FS Beusch, 1993, S. 393; Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135; Hopt, Ökonomische Theorie und Insiderrecht, AG 1995, 353; Hopt, Das neue Insiderrecht nach §§ 12 ff. WpHG – Funktion, Dogmatik, Reichweite, in Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, 1996, S. 3; Hopt, Familienund Aktienpools unter dem Wertpapierhandelsgesetz, ZGR 1997, 1; Hopt, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen, in FS Lutter, 2000, S. 1361; Hopt, Übernahmen, Geheimhaltung und Interessenkonflikte: Probleme für Vorstände, Aufsichtsräte und Banken, ZGR 2002, 333; Hopt, 50 Jahre Anlegerschutz und Kapitalmarktrecht: Rückblick und Ausblick, WM 2009, 1873; Hopt, Insiderrecht – Grundlagen, Internationale Entwicklung, ökonomischer Hintergrund, offene Fragen, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 503; Hopt/Kumpan, Insidergeschäfte und Ad-hoc-Publizität bei M&A – Unternehmenskäufe und Übernahmeangebote und Marktmissbrauchsverordnung (MAR), ZGR 2017, 765; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973; Hopt/Wymeersch (eds.), European Insider Dealing, 1991; Ihrig, Insiderinformationen im Aufsichtsrat – eine Bestandsaufnahme unter spezifischer Berücksichtigung von Personalentscheidungen, in FS Gerd Krieger, 2020, S. 437; Joussen, Auskunftspflicht des Vorstands nach § 131 AktG und Insiderrecht, DB 1994, 2485; Kaiser, Die Sanktionierung von Insiderverstößen und das Problem der Kursmanipulation, WM 1997, 1557; Kemnitz, Due Diligence und neues Insiderrecht, 2007; Kiesewetter/Parmentier, Verschärfung des Marktmissbrauchsrechts – ein Überblick über die neue EU-Verordnung über Insidergeschäfte und Marktmanipulation, BB 2013, 2371; Klasen, Insiderrechtliche Fragen zu aktienorientierten Vergütungsmodellen, AG 2006, 24; Klie, Die Zulässigkeit einer Due Diligence im Rahmen des Erwerbs von börsennotierten Gesellschaften nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG), 2008; Klöhn, Insiderhandel vor deutschen Strafgerichten – Implikationen des freenet-Beschlusses des BGH, DB 2010, 769; Klöhn, Die Regelung selektiver Informationsweitergabe gem. 15 Abs. 1 Satz 4 u. 5 WpHG – eine Belastungsprobe, WM 2010, 1869; Klöhn, Grenzen des insiderrechtlichen Verbots selektiver Informationsweitergabe an professionelle Marktteilnehmer, in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 633; Klöhn, Der „gestreckte Geschehensablauf“ vor dem EuGH, NZG 2011, 166; Klöhn, Ad-hoc-Publizität und Insiderverbot nach „Lafonta“, NZG 2015, 809; Klöhn, Ad-hoc-Publizität und Insiderverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, AG 2016, 423; Klöhn, Finanzjournalismus und neues Marktmissbrauchsrecht, WM 2016, 2241; Klöhn, Insiderinformation – Entwicklung und Lehren nach 25 Jahren, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 523; Klöhn/Mock (Hrsg.), Festschrift 25 Jahre WpHG, 2019; P. Koch, Ermittlung und Verfolgung von strafbarem Insiderhandel, 2005; St. Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität, DB 2005, 267; Th. Koch, Due Diligence und Beteiligungserwerb aus Sicht des Insiderrechts, 2006; Kocher/Widder, Ad-hoc-Publizität bei M&A-Transaktionen, CFL 2011, 88; Kondring, Zur Anwendung deutschen Insiderstrafrechts auf Sachverhalte mit Auslandsberührung, WM 1998, 1369; Kraack, Der neue Emittentenleitfaden zum Marktmissbrauchsrecht, ZIP 2020, 1389; Krauel, Insiderhandel, 2000; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung CCZ 2014, 249; Krause/Brellochs, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität bei M&A- und Kapitalmarkttransaktionen im europäischen Rechtsvergleich, AG 2013, 309; Kümpel, Zum Begriff der Insidertatsache, WM 1994, 2137; Kümpel/ Veil, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2006; Kumpan, Kapitalmarktrecht: Offenlegung von Insider-Informationen mit nicht genau bekanntem Kurseinfluss, EuZW 2015, 387; Kumpan, Ad-hoc-Publizität nach der Marktmissbrauchsverordnung, DB 2016, 2039; Kumpan, Gestreckte Vorgänge und Insiderrecht, in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2018, 2019, S. 109; Kuntz, Informationsweitergabe durch die Geschäftsleiter beim Buyout unter Managementbeteiligung, 2009; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Langenbucher, In Brüssel nicht Neues? – Der „verständige Anleger“ in der Marktmissbrauchsverordnung, AG 2016, 417; Langenbucher, Das insiderrechtliche Handelsverbot – Zur Geschichte eines Verbotstatbestands und zur Kodifikation von Rechtsprechung, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 551; Langenbucher/Brenner/Gellings, Zur Nutzung von Insiderinformationen nach der Marktmissbrauchsrichtlinie, BKR 2010, 133; Lenenbach, Scalping: Insiderdelikt oder Kursmanipulation, ZIP 2003, 243; Leppert/Stürwald, Die insiderrechtlichen Regelungen des Vorschlags für eine Marktmissbrauchsrichtlinie und der Stand der Umsetzung im deutschen Wertpapierhandelsrecht, ZBB 2002, 90; Leuering, Die Ad-hoc-Pflicht auf Grund der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 15 I 3 WpHG), NZG 2005, 12; Leuering, Behandlung zukünftiger Umstände im Recht der Ad-hoc-Publizität, DStR 2008, 1287; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008, 2009, S. 171; Liebscher, Das Übernahmeverfahren nach dem neuen Übernahmegesetz, ZIP 2001, 853; Liekefett, Due diligence bei M&A-Transaktio-
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 | Vorbemerkungen nen, 2005; Lotze, Insiderrechtliche Beurteilung von Aktienoptionsplänen, 2000; Lücker, Der Straftatbestand des Missbrauchs von Insiderinformationen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 1998; Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998; Meißner, Die Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen im Kapitalmarkt- und Aktienrecht, 2005; Menke, Befugnis des Vorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft zur bevorzugten Information eines Aktionärspools, NZG 2004, 697; Merkner/Sustmann, Reform des Marktmissbrauchsrechts: Die Vorschläge der Europäischen Kommission zur Verschärfung des Insiderrechts, AG 2012, 315; Merkner/Sustmann/Retsch, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen Emittentenleitfaden der BaFin, AG 2019, 621; Merkner/ Sustmann/Retsch, Update: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen (und nun finalen) Emittentenleitfaden der BaFin, AG 2020, 477; Meyer/Kiesewetter, Rechtliche Rahmenbedingungen des Beteiligungsaufbaus im Vorfeld von Unternehmensübernahmen, WM 2009, 340; Mock, Gestreckte Verfahrensabläufe im Europäischen Insiderhandelsrecht, ZBB 2012, 286; Mock, Anstehende journalistische Berichterstattung über Gerüchte als Insiderinformation, ZIP 2022, 777; Möllers, Insiderinformation und Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, WM 2005, 1393; Mühlbauer, Zur Einordnung des „Scalping“ durch Anlageberater nach dem WpHG, wistra 2003, 169; Müller, Gestattung der Due Diligence durch den Vorstand der Aktiengesellschaft, NJW 2000, 3452; Neumann, Gerüchte als Kapitalmarktinformationen, 2010; Nietsch, Internationales Insiderrecht, Berlin 2004; Nietsch, Die Verwendung der Insiderinformation, ZHR 174 (2010), 557; Nikoleyczik/Gubitz, Das Insiderhandelsverbot bei M&A-Transaktionen nach der „Spector“Entscheidung des EuGH, GWR 2010, 159; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider – Eine Untersuchung zu den Zentralbegriffen des § 13 Abs. 1 WpHG, Berlin, 1998; Parmentier, Ad-hoc-Publizität bei Börsengang und Aktienplatzierung, NZG 2007, 407; Parmentier, Die Verhandlung eines Rechtssetzungsvorschlags, BKR 2013, 133; Parmentier, Insiderinformation nach dem EuGH und vor der Vereinheitlichung, WM 2013, 970; Poelzig, Durchsetzung und Sanktionierung des neuen Marktmissbrauchsrechts, NZG 2016, 492; Poelzig, Insider-und Marktmanipulationsverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, NZG 2016, 528; Potacs, Effet utile als Auslegungsgrundsatz, EuR 2009, 465; Ransiek, Die Verwendung von Insiderinformationen, in FS Harro Otto, 2007, S. 715; Ransiek, Insiderstrafrecht und Unschuldsvermutung, wistra 2011, 1; Reichert/Ott, Unternehmensplanung und Insiderrecht, in FS Hopt, 2010, S. 2385; Renz/Leibold, Die neuen strafrechtlichen Sanktionsregelungen im Kapitalmarktrecht, CCZ 2016, 157; Rodewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) (Neue Organisationsanforderungen für Emittenten und ihre Berater), BB 2004, 2249; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 268; Rubner/Pospiech, Die EU-Marktmissbrauchsverordnung – verschärfte Anforderungen an die kapitalmarktrechtliche Compliance auch für den Freiverkehr, Vierten Geldwäscherichtlinie 2016, 228; Schäfer (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz mit BörsZulV, Verkaufsprospektgesetz mit VerkProspV, 1999; Schall, Insiderinformation und zivilrechtliche Aufklärungspflicht – Das Leitbild des Individualvertrags als neue Perspektive, JZ 2010, 392; Schiessl, Wertpapierhandelsrecht bei öffentlichen Übernahmen, in Klöhn/Mock (Hrsg.), Festschrift 25 Jahre WpHG, 2019, S. 171; Schlitt/Mildner, Ad-hoc-Publizität Zusammenhang mit (vorläufigen) Geschäftszahlen und Prognosen, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363; Schlitt/Schäfer, Quick to Market – Aktuelle Rechtsfragen im Zusammenhang mit Block-Trade-Transaktionen, AG 2004, 346; Schmidt-Diemitz, Pakethandel und das Weitergabeverbot von Insiderwissen, DB 1996, 1809; Schmitz, BGH, 6.11.2003 – 1 StR 24/03. Zur strafrechtlichen Einordnung des „Scalping“, JZ 2004, 522; I. Schneider, Unternehmenserwerb mit Informationen aus einer Due Diligence kein strafbarer Insiderhandel, DB 2005, 2678; Sven H. Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen, NZG 2005, 702; Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006; Uwe H. Schneider, Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern, ZIP 1996, 1769; Uwe H. Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen im Konzern, in FS Wiedemann, 2002, S. 1255; Uwe H. Schneider/Singhof, Die Weitergabe von Insidertatsachen in der konzernfreien Aktiengesellschaft, insbesondere im Rahmen der Hauptversammlung und an einzelne Aktionäre – Ein Beitrag zum Verhältnis von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht, in FS Kraft, 1998, S. 585; Schockenhoff, Geheimhaltung von Compliance-Verstößen, NZG 2015, 409; Schröder, Strafrechtliche Risiken für den investigativen Journalismus? – Die Meinungs- und Pressefreiheit und das Wertpapierhandelsgesetz, NJW 2009, 465; Schröder, Der Richter als Insider, in FS Nobbe, 2009, S. 755; Schröder, Journalistische Unternehmensberichterstattung und Strafrecht, in Schröder/Sethe (Hrsg.), Kapitalmarktrecht und Pressefreiheit, 2011, S. 75; Schröder/Sethe, Schnittstellen von Medizinrecht und Kapitalmarktrecht, in FS Fischer, 2010, S. 461; Schröder/Sethe (Hrsg.), Kapitalmarktrecht und Pressefreiheit, 2011; Schroeder, Darf der Vorstand der Aktiengesellschaft dem Aktienkäufer eine Due Diligence gestatten?, DB 1997, 2161; Schroeder, Geschäftsführer, Gesellschafter und Mitarbeiter der GmbH als Insider – Über die strafrechtlichen Risiken des Insiderrechts in der Sphäre der GmbH, GmbHR 2007, 907; Schütt, Europäische Marktmissbrauchsverordnung und Individualschutz, 2019; Schulz, Das Insiderhandelsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG im Lichte der Spector-Rechtsprechung des EuGH, ZIP 2010, 609; Schwark, Ad hoc-Publizität und Insiderrecht bei mehrstufigen Unternehmensentscheidungen, in FS Bezzenberger, 2000, S. 771; Schweizer, Insiderverbote – Interessenkonflikte und Compliance: Auswirkungen der Insiderregulierung auf deutsche Banken, 1996; Seibt, Finanzanalysten im Blickfeld von Aktien- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2006, 501; Seibt, Europäische Finanzmarktregulierung zu Insiderrecht und Ad hoc-Publizität, ZHR 177 (2013), 388; Seibt, 1 Jahr Marktmissbrauchsverordnung (MAR) aus Praxissicht, in Bankrechtstag 2017, 2018, S. 81; Seibt/Danwerth, Ad-hoc-Publizitätspflichten beim Vorstandswechsel zwischen Börsenunternehmen, NZG 2019, 121; Seibt/Kraack, Praxisleitfaden zum BaFin-Emittentenleitfaden Modul C, BKR 2020, 313; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Sethe, Die Verschärfung des insiderrechtlichen Weitergabeverbots, ZBB 2006, 243; Singhof, Zur Weitergabe von Insiderinformationen im Unterordnungskonzern, ZGR 2001, 146; Singhof, „Market Sounding“ nach der Marktmissbrauchsverordnung, ZBB 2017, 193; Singhof/Singhof/Weber, Neue kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb eigener Aktien, AG 2005, 549; Smid, Der Journalist als Insider aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen?, AfP 2002, 1; Söhner, Praxis-Update Marktmissbrauchsverordnung: Neue Leitlinien und alte Probleme, BB 2017, 259; Soesters, Die Insiderhandelsverbote des Wertpapierhandelsgesetzes, 2002; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität nach Anlegerschutz-
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Vorbemerkungen | Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 verbesserungsgesetz: rechtliche Grundlagen und ausgewählte Fragen in einem veränderten kapitalmarktrechtlichen Gewand, 2009; Spindler, Finanzanalyse vs. Finanzberichterstattung: Journalisten und das AnSVG, NZG 2004, 1138; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 1999; Steinrück, Das Interesse des Kapitalmarkts am Aufschub der Ad-hocPublizität – Eine Studie zu Art. 17 Abs. 4 MAR, 2018; Stemper, Marktmissbrauch durch Ratingagenturen?, WM 2011, 1740; Stenzel, Managementbeteiligungen und Marktmissbrauchsverordnung, DStR 2017, 883; Stoffels, Grenzen der Informationsweitergabe durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rahmen einer „Due Diligence“, ZHR 165 (2001), 362; Streißle, Insiderrechtliche Aspekte von Pflichtangeboten, BKR 2003, 788; Sturm, Die kapitalmarktrechtlichen Grenzen journalistischer Arbeit, ZBB 2010, 20; Süßmann, Insiderhandel – Erfahrungen aus der Sicht des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel, AG 1997, 63; Süßmann, Die befugte Weitergabe von Insidertatsachen, AG 1999, 162; Szesny, Insiderdelikte (§§ 14 Abs. 1, 38 Abs. 1 WpHG), in Böttger (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht in der Praxis, 2011, Kap. 6 II.; Szesny, Das Sanktionsregime im neuen Marktmissbrauchsrecht, DB 2016, 1420; Tippach, Das Insider-Handelsverbot und die besonderen Rechtspflichten der Banken, 1995; Trüg, Konzeption und Struktur des Insiderstrafrechts, 2014; Vaupel/Uhl, Insiderrechtliche Aspekte bei der Übernahme börsennotierter Unternehmen, WM 2003, 2126; Veil, Prognosen im Kapitalmarktrecht, AG 2006, 690; Veil, Der Schutz des verständigen Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen und nationalen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, 162; Veil, Weitergabe von Informationen durch den Aufsichtsrat an Aktionäre und Dritte, ZHR 172 (2008), 239; Veil, Europäisches Insiderrecht 2.0 – Konzeption und Grundsatzfragen der Reform durch MAR und CRIM-MAD, ZBB 2014, 85; Veil/Koch, Auf dem Weg zu einem Europäischen Kapitalmarktrecht: die Vorschläge der Kommission zur Neuregelung des Marktmissbrauchs, WM 2011, 2297–2306; Versteegen/Schulz, Auslegungsfragen des Insiderhandelsverbots gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG bei Teilnahme an Aktienoptionsprogrammen, ZIP 2009, 110; J. Vetter/Engel/Lauterbach, Zwischenschritte als ad-hoc-veröffentlichungspflichtige Insiderinformation, AG 2019, 160; Viciano-Gofferje/Cascante, Neues aus Brüssel zum Insiderrecht – die Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2012, 968; Villeda, Prävention und Repression von Insiderhandel, 2010; Vogel, Scalping als Kurs- und Marktpreismanipulation, NStZ 2004, 252; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache – Eine Untersuchung zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unter Berücksichtigung der Ad-hoc-Publizität im Vereinigten Königreich, 2002; Walther, Auf dem Weg zum europäischen Insider-Recht, in FS Heinsius, 1991, S. 875; M. Weber, Scalping – Erfindung und Folgen eines Insiderdelikts, NJW 2000, 562; Widder, Gewinnherausgabe bei Insiderstößen, in Liber discipulorum Gerrit Winter, 2002, S. 327; Widder, Insiderrisiken und Insider-Compliance bei Aktienoptionsprogrammen für Führungskräfte, WM 2010, 1882; Widder, Masterpläne, Aktienrückkaufprogramme und das SpectorUrteil des EuGH bei M&A-Transaktionen, BB 2010, 515; Widder, Ad-hoc-Publizität bei gestreckten Sachverhalten – BGH legt Auslegungsfragen dem EuGH vor, GWR 2011, 1; Widder/Kocher, Die Zeichnung junger Aktien und das Insiderhandelsverbot, AG 2009, 654; Wittich, Erfahrungen mit der Ad hoc-Publizität in Deutschland, AG 1997, 3; Wölk, Ad hoc-Publizität – Erfahrungen aus der Sicht des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel, AG 1997, 79; Wohlers/Mühlbauer, Finanzanalysten, Wirtschaftsjournalisten und Fondsmanager als Primär- oder Sekundärinsider, wistra 2003, 41; M. Wolf, Zivilrechtlicher Anlegerschutz beim Insiderhandel, in FS Döser, 1999, S. 255; Wüsthoff, Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach § 131 Aktiengesetz zwischen Insider-Verboten und Ad-hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2000; Zetzsche, Normaler Geschäftsgang und Verschwiegenheit als Kriterien für die Weitergabe transaktionsbezogener Insiderinformationen an Arbeitnehmer, NZG 2015, 817; Ziemons, Die Weitergabe von Unternehmensinterna an Dritte durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft, AG 1999, 492; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht – Europäisierung und Legitimation, 2005; Zuzak, Ökonomische Analyse der Regulierung des Insiderhandels, 2008. S. im Übrigen das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Entwicklung des deutschen und europäischen Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Weg zu einem europäischen Insiderrecht . . a) Die Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Entwicklung zur Harmonisierung des Insiderrechts in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von der Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Insiderrechts durch Richtlinien zum unmittelbar geltenden Insiderrecht in Gestalt der Marktmissbrauchsverordnung . . . . . . . . . . 3. Flankierend: Marktmissbrauchsrichtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung zum Insiderrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik der Neuregelung, Sanktionen gegen Verstöße und Zweck des Insiderrechts sowie bevorstehende Änderungen des Insiderrechts . .
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a) Systematik des neuen Insiderrechts . . . . . . 18 b) Sanktionen bei Verstößen gegen insiderrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 26 c) Regelungszweck, Schutzgut und Auslegung des Insiderrechts der Marktmissbrauchsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 d) Änderungen nach dem am 7.12.2022 vorgeschlagenen EU-Listing Act . . . . . . . . . . . 30b 2. Durchführungs- und Delegierte Rechtsakte, ESMA-Leitlinien und Verlautbarungen der BaFin mit Bezug zum Insiderrecht nach der Marktmissbrauchsverordnung . . . . . . . . . . . . 31 a) Insiderinformation (Art. 7 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Marktsondierung (Art. 11 VO Nr. 596/2014) 33 c) Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . 35 III. Marktmissbrauchsverordnung und deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Vorbemerkungen
I. Entwicklung des deutschen und europäischen Insiderrechts 1. Der Weg zu einem europäischen Insiderrecht 1 Die gesetzliche Regelung des Insiderhandels in Deutschland und durch europäische Rechtsakte ist jung1.
a) Die Entwicklung des Insiderrechts in Deutschland 2 In Deutschland wurde der Umgang mit Insiderinformationen in Gestalt von Insidergeschäften mit Finanz-
instrumenten erstmals mit dem durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz2 eingeführten WpHG einer gesetzlichen Regelung unterworfen. Bis dahin gehörte Deutschland zu den wenigen (europäischen und außereuropäischen) Staaten mit einem entwickelten Kapitalmarkt, die über kein gesetzliches Insiderrecht verfügten. Auch der Segré-Bericht über den Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts von 1966, hat keine gesetzliche Regelung des Insiderhandels nach sich zu ziehen vermocht: Er erwähnte das Problem der rechtlichen Regelung des Insiderhandels zwar nur am Rande, wies ihm indes bereits eine bedeutende Rolle bei der Schaffung der Bedingungen für einen funktionsfähigen europäischen Wertpapiermarkt zu3. Das hatte, im Zuge der Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums zur Reform des Börsenrechts4, auch entsprechende Überlegungen zur Regelung des Insiderhandels nach sich gezogen, doch wurden diese von den Börsen und den betroffenen Wirtschaftskreisen nachdrücklich abgelehnt und in die Bahnen der Selbstregulierung auf Freiwilligkeitsbasis überführt.
3 Zweifellos mit dem Ziel der Verhinderung entsprechender gesetzlicher Maßnahmen5 verabschiedete die sei-
nerzeit beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte Börsensachverständigenkommission im November 1970 „Empfehlungen zur Lösung der sog. Insider-Probleme“. Sie enthielten Insiderhandels-Richtlinien sowie Händler- und Beraterregeln, die 1971 durch Erläuterungen und eine Verfahrensordnung für die bei den Börsen zu bildenden Prüfungskommissionen ergänzt wurden6. Die eingeschlagene Strategie erwies sich als erfolgreich: Nachdem die Reform des Börsengesetzes 1975 ohne gesetzliche Regelung des „Insider-Problems“ passierte, wurden die seit 1972 geltenden „Empfehlungen“ 1976 unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen und der teils heftigen Kritik7 an denselben neu gefasst8. Sie stellten, 1988 noch einmal modifiziert9, bis zur endgültigen Verabschiedung des 2. FFG den deutschen Weg zur rechtlichen Erfassung des Insiderhandels dar10. Ihrem rechtlichen Status nach waren sie weder Rechtsnorm noch Handelsbrauch11 und erlangten Geltung nur durch vertraglich begründete Anerkennung12. Dementsprechend erfasste dieses System der Selbstregulierung den Insiderhandel nur sehr lückenhaft und verfügte zudem über keinen Erkennungs- und Überwachungsapparat.
4 Versuche, die als ineffektiv kritisierten Insiderempfehlungen durch gesetzliche Maßnahmen abzulösen, ka-
men über entsprechende Gesetzgebungsvorschläge aus dem Lager der Rechtswissenschaft nie hinaus. Die von Hopt/Will in ihrer Studie zum europäischen Insiderrecht unterbreiteten Regelungsvorschläge in Gestalt von zwei Regelungsmodellen wollten ein deutsches Insiderrecht indes in den europäischen Kontext eingebettet wissen und zielten deshalb in der Sache mehr auf eine Rechtsangleichungsinitiative der EG. Gleichwohl hat diese Arbeit auch die Diskussion über die Notwendigkeit und die mögliche Gestalt eines deutschen Ge1 Zur Entwicklungsgeschichte des Insiderrecht in Deutschland und Europa s., jeweils m.w.N., Assmann in 6. Aufl., Vor § 12 WpHG Rz. 1 ff.; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 1 ff. 2 BGBl. I 1994, 1749. 3 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – Kommission, S. 32, 263 f. 4 Der einschlägige Entwurf von 1967 ist abgedruckt in Beyer-Fehling/Bock, Die deutsche Börsenreform und Kommentar zur Börsengesetznovelle, 1975, S. 159; vgl. Schwark, BörsG, 2. Aufl. 1994, Einl. Rz. 11. 5 Ebenso Walther in FS Werner, 1984, S. 941. 6 Sämtliche abgedruckt in Hopt/Will, S. M-100; auch in ZfK 1970, Beil. zu Heft 24. 7 S. die Nachw. bei Assmann, AG 1994, 197 Fn. 18. 8 Abgedruckt etwa bei Schwark, BörsG, 1. Aufl. 1976, Anhang II, S. 481 ff.; Nachweise zum Schrifttum bei Assmann, AG 1994, 197 Fn. 19. 9 BAnz. 1988, 2883 = WM 1988, 1105 = ZIP 1988, 873 = Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, (16). 10 Zur Bedeutung der Empfehlungen, namentlich der Insiderhandels-Richtlinien, nach dem Inkrafttreten des WpHG s. Hopt in Bankrechts-Handbuch, 1. Aufl. 1997, § 107 Rz. 6 f. und zur Megede, Insidergeschäfte, in Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Aufl. 1990, § 14 Rz. 6 ff. 11 Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995 (16), Einl. Rz. 3; zur Megede, Insidergeschäfte, in Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Aufl. 1990, § 14 Rz. 14. 12 Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995 (16), Einl. Rz. 4 und (17), Rz. 1; zur Megede, Insidergeschäfte, in Assmann/ Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Aufl. 1990, § 14 Rz. 15.
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Vorbemerkungen | Rz. 8 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
setzes zur Regelung des Insiderhandels nachhaltig belebt. In ihrem Gefolge unterbreitete der Arbeitskreis Gesellschaftsrecht 1976 einen rechtspolitisch ausführlich begründeten und in 41 Paragraphen ausformulierten Vorschlag eines Insiderhandels-Gesetzes, welches er – nicht ganz ohne Informationswert für die konzeptionelle Grundlage des Entwurfs – als „Gesetz gegen unlautere Börsengeschäfte in Wertpapieren“ titulierte. Doch weder solche Vorstöße noch die erst gegen Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts abflauen- 5 de breite und kritische Auseinandersetzung mit der seinerzeitigen Sach- und Regelungslage konnten den Widerstand gegen eine gesetzliche Regelung brechen und die Aufgabe des Selbstregulierungsansatzes bewirken. Angesichts weitaus offenkundigeren Problemdrucks und Modernisierungsbedarfs im deutschen Verbands- und Kapitalmarktrecht kann es deshalb nicht verwundern, dass Insiderhandelsfragen als „Nebenkriegsschauplatz“ in der „Schlacht um den Anleger“13 betrachtet wurden. Spektakuläre und gravierende Fälle von Insidergeschäften, die allein durch eine gesetzliche Statuierung ei- 6 nes Insiderhandelsverbots hätten angemessen erfasst werden können, wurden in Deutschland bis zur Einführung des WpHG nicht aufgedeckt. Nicht innerer, sondern äußerer Druck war es dementsprechend, der den deutschen Gesetzgeber dazu zwang und es ihm auch letztlich erst ermöglichte, ohne Widerstand der langjährigen Befürworter der Selbstregulierungs-Lösung eine gesetzliche Regelung des Insiderhandels auf den Weg zu bringen. Der entscheidende Dammbruch vollzog sich auf der Ebene der Gemeinschaftspolitik, doch musste sich hierzu erst reichlich Wasser aus der EG-Quelle ansammeln. b) Die Entwicklung zur Harmonisierung des Insiderrechts in Europa Seinen ersten gemeinschaftsrechtlich relevanten Niederschlag fand der im Segré-Bericht geäußerte Stand- 7 punkt von der Bedeutung einer Regelung des Insiderhandels für einen funktionsfähigen europäischen Wertpapiermarkt bereits in dem 1970 unterbreiteten Vorschlag über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft14, in dessen Art. 8215 sich schon Bestimmungen über den Insiderhandel fanden. Weitergehende Bemühungen zur Schaffung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Insiderrechts kamen jedoch über einige unverbindliche Empfehlungen (nach Art. 189 Abs. 5 EWGV, heute Art. 288 Abs. 5 AEUV) an die Mitgliedstaaten in Gestalt der „Europäischen Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen“16 zunächst nicht hinaus. Einfluss auf die deutsche Rechtslage haben die Wohlverhaltensregeln nicht einmal indirekt ausgeübt: In einigen Punkten umgearbeitet, reichte sie das Bundesfinanzministerium, ebenfalls als Empfehlung, an die „beteiligten Wirtschaftskreise“ weiter17. Doch waren die EG-Wohlverhaltensregeln nur eine Plattform bei der Verwirklichung des seit 1976 verstärkt 8 vorangetriebenen, allerdings schon wegen der erheblichen Divergenzen in den einschlägigen mitgliedstaatlichen Rechten nicht eben leicht zu verwirklichenden Plans zur Entwicklung und Verabschiedung einer Insiderrichtlinie. Die Kommission brauchte immerhin bis zum Mai 1987, um den ersten Vorschlag einer Richtlinie betreffend Insidergeschäfte vorzulegen18, dem im Oktober 1988, nach Stellungnahmen des Europäischen Parlaments19 und des Wirtschafts- und Sozialausschusses20, ein geänderter Vorschlag21 folgte. Nachdem der Rat am 18.7.1989 seinen gemeinsamen Standpunkt formuliert hatte, wurde die Richtlinie am 13.11.1989 verabschiedet22. Dass dies überhaupt (und zudem in der Kürze der seit dem ersten Vorschlag verstrichenen Zeit) realisiert werden konnte, war im Wesentlichen drei Faktoren zu verdanken: Zunächst dem vom Programm zur Vollendung des Binnenmarktes23 ausgehenden Sog, der auch dieses Richtlinienprojekt erfasste; sodann dem Schachzug, das Vorhaben der Rechtsangleichung mitgliedstaatlichen Insiderrechts mit dem geänderten Richtlinienvorschlag denjenigen Maßnahmen zuzuschlagen, die (als der Vollendung des Binnenmarktes dienend) durch Mehrheitsentscheidung verabschiedet werden konnten; und schließlich dem Umstand, dass der deutsche Finanzplatz wegen angeblich zu laxer Kontrolle auf der Grundlage vermeintlich unzureichender gesetzlicher Kontrollen international zunehmend ins Zwielicht geriet. 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Mertens, ZHR 138 (1974), 269, 270. ABl. EG Nr. C 124 v. 10.10.1970, S. 1. Abgedruckt und erläutert bei Hopt/Will, S. M-118 ff. bzw. S. 140 ff. ABl. EG Nr. L 212 v. 20.8.1977, S. 37; Textberichtigung ABl. EG Nr. L 294 v. 18.11.1977, S. 28. Text bei Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 307, in Gegenüberstellung zu den Kommissionsempfehlungen; näher dazu Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 56. ABl. EG Nr. C 153 v. 11.6.1987, S. 8. ABl. EG Nr. C 187 v. 18.7.1987, S. 93. ABl. EG Nr. C 35 v. 8.2.1989, S. 22. ABl. EG Nr. C 277 v. 27.10.1988, S. 13. ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, 1985.
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 | Vorbemerkungen 9 Deutschland hatte sich lange Zeit gegen eine Richtlinie zur Harmonisierung des Insiderrechts in der Europä-
ischen Gemeinschaft gestemmt, die für das Land vorhersehbar zu einer ersten gesetzlichen Regelung des Insiderhandels führen musste. Die Sorge um die Reputation des Finanzplatzes Deutschland brach aber nicht nur den Widerstand der Befürworter einer auf Selbstregulierung und Freiwilligkeit beruhenden Insiderregelung, sondern ließ sogar aus ihren Reihen den Ruf nach einer gesetzlichen Regelung immer stärker werden. Diese Sinnesänderung hatte freilich rein pragmatische Gründe: Deutsche Kapitalanlageprodukte und Emittenten stießen bei ihren Versuchen, den amerikanischen Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, auf den Widerspruch der amerikanischen Aufsichtsbehörde SEC und der Börsen des Landes24; im Wettbewerb um die Ansiedlung einer europäischen Zentralbank wurde den Deutschen ein zurückgebliebenes Kapitalmarktregelungs- und -aufsichtssystem vorgehalten; und schließlich drohte unter dem Druck vergleichbarer Argumente der deutsche Finanzplatz seine Konkurrenzfähigkeit auch international aufs Spiel zu setzen. Neben dem Vorwurf der fehlenden staatlichen Marktaufsicht und der gesetzlichen Regelung einzelner Kapitalmarkttransaktionen (wie etwa Übernahmeangebote) spielte dabei auch immer wieder die Behauptung einer unzureichenden Insiderhandelskontrolle eine Rolle.
10 Die 1989 verabschiedete Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betref-
fend Insidergeschäfte25 war bis zum 1.6.1992 in nationales Recht umzusetzen. Dass dies in der gesetzten Frist nicht gelang, war im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Insiderregelung Bestandteil einer Reihe zusätzlicher Maßnahmen zur Umsetzung weiterer EG-Richtlinien26 und zur Modernisierung des Finanzplatzes Deutschland27 sein sollte. Vor allem war die Insiderrechtsfrage eng mit der konfliktbehafteten Neuordnung der Börsenaufsicht weg von der bestehenden Rechtsaufsicht über die Börsen hin zu einer zentralen Marktaufsicht über den gesamten Wertpapierhandel verbunden. Die gesetzgeberischen Schwierigkeiten, die mit der Schaffung (nicht nur) des neuen Insiderrechts einhergingen, lassen sich auch daraus ermessen, dass – rechnet man einen der interessierten Öffentlichkeit nicht bekannt gemachten Entwurf („Vorentwurf“) einer Insiderregelung vom Herbst 1992 hinzu28 – erst die vierte Entwurfsfassung eines Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes ins Bundeskabinett gelangte und dort verabschiedet wurde.
2. Von der Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Insiderrechts durch Richtlinien zum unmittelbar geltenden Insiderrecht in Gestalt der Marktmissbrauchsverordnung 11 Die Grundlagen der Harmonisierung des mitgliedstaatlichen Insiderrechts durch Richtlinie 89/592/EWG
vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte (Rz. 10) blieben bis 2003 unverändert. Dementsprechend hat sich die Regelung des Insiderrechts im WpHG in diesem Zeitraum nur geringfügig geändert. Wo es Änderungen gab, haben das Insiderrecht in seinem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt unberührt gelassen und lediglich die Effektivierung der Insiderüberwachung zum Gegenstand gehabt. Erst die Verabschiedung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.200329 sowie der zu dieser ergangenen Durchführungsrechtsakte30 – allen voran der Richtlinie 2003/124/EG zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG31 – hat Bewegung in das europäisch-mitgliedstaatliche Insider24 Vgl. Hopt in FS Beusch, S. 395. 25 ABl. EG Nr. 334 v. 18.11.1989, S. 30. 26 Hinzu kam, dass die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27), welche im 2. FFG nach anfänglichen Plänen mit umgesetzt werden sollte, ihrerseits erst später als erwartet verabschiedet werden konnte. 27 Vgl. die Anfang 1992 veröffentlichte Verlautbarung des Bundesministers der Finanzen „Konzept Finanzplatz Deutschland“ (abgedruckt in WM 1992, 420), in welcher erstmals auch die groben Umrisse der zukünftigen deutschen Insiderregelung erkennbar wurden (WM 1992, 423). 28 Zu diesem Assmann in 5. Aufl. 2009, Einl. Rz. 16 a.E. 29 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 30 Richtlinie 2003/125/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73; Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme von Wertpapieren und Kursstabilisierungsmaßnahmen der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG, ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG (Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen [...]), ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 31 Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70.
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Vorbemerkungen | Rz. 13 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
recht gebracht. Es hat, ohne den Ansatz des Harmonisierungskonzepts der Insiderrichtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 grundlegend zu verändern, zu gleichwohl weitreichenden Änderungen des Systems des Insiderhandelsrechts geführt und es noch stärker als zuvor mit den Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen in Gestalt der sog. Ad-hoc-Publizität nach verwoben. In Deutschland wurden die Richtlinien durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (AnSVG)32 umgesetzt. Zur richtlinienkonformen Auslegung angeglichenen Insiderrechts sind verschiedene Entscheidungen des 12 EuGH ergangen: In der Grøngaard und Bang-Entscheidung33 war zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen die Weitergabe einer Insiderinformation unter Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/592/EWG (Rz. 10) als befugt anzusehen war. Die weiteren insiderrechtlichen Entscheidungen bezogen sich auf die RL 2003/6/ EG vom 28.1.2003 (Rz. 11) und ihre Umsetzung in mitgliedstaatliches Recht. Dabei war in der GeorgakisEntscheidung34 zunächst die Frage zu beantworten, inwieweit eine Person im Hinblick auf von ihr selbst geschaffene Insiderinformationen Insider sein kann. Im Mittelpunkt der umstrittenen Spector Photo GroupEntscheidung des EuGH35 stand die Auslegung des Terminus der „Nutzung“ einer Insiderinformation, dem im deutschen angeglichenen Recht der Begriff der „Verwendung“ einer solchen entsprach. Auf einen Vorlagebeschluss des BGH im Daimler Chrysler-Fall36 zurückgehend, hat der EuGH in der Geltl-Entscheidung37 dargelegt, dass jeder Zwischenschritt eines mehrstufigen Entscheidungsvorgangs ein für sich genommen konkretes Ereignis und damit eine potentielle Insiderinformation darstellt. Das war indes nie ernsthaft bestritten. Neu dagegen war die Aussage, ein solcher Zwischenschritt sei eine konkrete Information nicht nur dann, wenn er die Eintrittswahrscheinlichkeit des letzten Schritts und damit des mit der Entscheidung angestrebten Ziels hinreichend groß werden lasse, sondern auch dann, wenn er als solcher und aus welchen Gründen auch immer kurserheblich sei. Sämtliche dieser Entscheidungen sind, wie auch eine Vielzahl der diesen zugrunde liegenden Regelungen der RL 2003/6/EG (Rz. 11)38, in die neue Marktmissbrauchsverordnung eingegangen, doch gilt dies in besonderem Maße für die Geltl-Entscheidung zur insider- und ad-hocpublizitätsrechtlichen Behandlung mehrstufiger Entscheidungsvorgänge, die ihren Niederschlag in Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 und den dazu gehörigen Erwägungsgrund 16 VO Nr. 596/2014 gefunden hat. Schließlich hat der EuGH in dem Lafonta-Urteil39, das zwar noch in Bezug auf die RL 2003/6/EG und die RL 2003/124/EG (Rz. 11), aber erst nach der Verabschiedung der Marktmissbrauchsverordnung erging, den Begriff der präzisen Information in einer auch für das Insiderrecht der Marktmissbrauchsverordnung maßgeblichen Weise ausgelegt. Nach der Entscheidung verlangt die Einstufung einer Information als präzise nicht, dass aus ihr mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, ihr potentieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente werde sich im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens in eine bestimmte Richtung auswirken40. Nach einer über fünfundzwanzigjährigen, eher kontinuierlichen Entwicklung des europäischen Insiderrechts 13 stellt die Verabschiedung der Marktmissbrauchsverordnung VO (EU) Nr. 596/2014 vom 16.4.201441 und die mit ihr einhergehende Aufhebung der RL 2003/6/EG (Rz. 11) gleich eine dreifache tiefgreifende Veränderung desselben dar: Zum ersten, weil die Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht darstellen und an Stelle von deren bisherigen angeglichenen Insiderrecht traten; zum zweiten, weil der Anwendungsbereich der Regelungen zu Regelungsfeldern, die auch schon unter der RL 2003/6/EG (Rz. 11) bekannt waren, erheblich ausgeweitet hat (s. Art. 1 VO Nr. 596/2014 Rz. 4; Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 5); und zum dritten, weil das Insiderrecht nach der Marktmissbrauchsverordnung drastisch an Detailliertheit, Kompliziertheit und Komplexität gewonnen hat und das angestrebte 32 33 34 35 36
37 38 39 40 41
BGBl. I 2004, 2630. EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2016, 133. EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542. EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806, AG 2010, 74; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 10.9.2009, Slg. 2009, I-12073. BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84. Vorausgegangen: BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380; BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518; OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap. 1/06, AG 2007, 259; OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454; LG Stuttgart v. 3.7.2006 – 21 O 408/05, ZIP 2006, 1731. Nach dem Vorlagebeschluss und der Entscheidung des EuGH v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397, AG 2012, 555: BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518. EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Markus Geltl/Daimler AG, AG 2012, 555. Sie dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 11). EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388. EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388 Ls., 390 Rz. 34 und 38. Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1.
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 | Vorbemerkungen Ziel, den Marktteilnehmern mit der Marktmissbrauchsverordnung „mehr Rechtssicherheit und unkompliziertere Vorschriften zu bieten“42, in dem neuen Regelwerk nicht zu erkennen ist. 14 Die Marktmissbrauchsverordnung – zu deren Gegenstand und Zweck auch Art. 1 VO Nr. 596/2014 Rz. 6 ff.
– stellt eine Reaktion auf die weltweite Wirtschaftskrise dar, die sich im Gefolge der 2007 mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers einsetzenden Finanzkrise ausbreitete43. Zu einem ganz wesentlichen Teil auf einen Mangel an „Marktintegrität“ zurückgeführt, sollte diese durch die „Verschärfung der Finanzaufsicht und Regulierung sowie den Aufbau eines Rahmens international vereinbarter hoher Standards“ wiederhergestellt und gesichert werden. Dazu und um eine Regelungs- und Aufsichtsarbitrage aufgrund unterschiedlicher Umsetzung der RL 2003/6/EG (Rz. 11) sowie daraus resultierender Wettbewerbsverzerrungen und höheren Compliance-Kosten auszuschließen44, wurde eine bloße Änderung dieser Richtlinie als nicht mehr ausreichend angesehen und die Schaffung eines „einheitlichen und stärkeren“ Rahmens zur Wahrung von Marktintegrität in Gestalt von in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltenden Vorschriften für erforderlich erachtet (s. Art. 1 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 f.). Erst recht wurde es – im Hinblick auf das in Art. 5 AEUV verankerte Subsidiaritätsprinzip – als nicht ausreichend angesehen, „die Verhütung von Marktmissbrauch in Form von Insidergeschäften, unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation“ Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten zu überlassen45.
3. Flankierend: Marktmissbrauchsrichtlinie über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation 15 Die Regelung des Marktmissbrauchs in der Marktmissbrauchsverordnung flankierend, wurde die Richt-
linie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie)46 verabschiedet. Sie basiert auf der Überlegung, die mit der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 11) verlangten verwaltungsrechtlichen Sanktionen hätten sich nicht als ausreichend erwiesen, um die Einhaltung der Vorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung von Marktmissbrauch sicherzustellen47. Den Schlussfolgerungen der Larosière-Gruppe „Finanzaufsicht in der EU“ vom 25.2.200948 zufolge sind die Sanktionsregelungen der Mitgliedstaaten jedoch generell schwach und heterogen.
16 Es wurde deshalb „als unverzichtbar angesehen, die Einhaltung der Vorschriften über Marktmissbrauch
durch die Einführung von strafrechtlichen Sanktionen zu unterstützen, die die gesellschaftliche Missbilligung in stärkerer Weise deutlich machen als verwaltungsrechtliche Sanktionen“49. Daher seien zumindest schwere Formen des Marktmissbrauchs unter Strafe zu stellen, um „klare rechtliche Grenzen für als besonders inakzeptabel angesehenes Verhalten“ festzulegen und der Öffentlichkeit und möglichen Tätern zu signalisieren, „dass die zuständigen Behörden ein solches Verhalten sehr ernst“ nähmen. Tatsächlich sahen nicht alle Mitgliedstaaten strafrechtliche Sanktionen für schwere Verstöße gegen die nationalen Rechtsvor42 Erwägungsgrund 4 VO Nr. 596/2014. Wenn es in Erwägungsgrund 5 Satz 5 VO Nr. 596/2014 heißt, die Verordnung werde die aus der unterschiedlichen Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG (Rz. 11) folgende rechtliche Komplexität reduzieren, so spricht dies der mit der Marktmissbrauchsverordnung und ihren Durchführungsrechtsakten (Rz. 11) erreichten Komplexität des Marktmissbrauchsrechts Hohn. 43 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 20.10.2011, KOM(2011) 0651 endgültig – 2011/0295 (COD), abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52011PC0651. 44 Dazu heißt es in Erwägungsgrund 5 VO Nr. 596/2014: „Um die noch bestehenden Handelshemmnisse und die aus den Unterschieden zwischen dem jeweiligen nationalen Recht resultierenden erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zu beseitigen und dem Entstehen weiterer Handelshemmnisse und erheblicher Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen, muss eine Verordnung erlassen werden, durch die eine einheitlichere Auslegung des Regelwerks der Union zum Marktmissbrauch erreicht wird und in der in allen Mitgliedstaaten geltende Regeln klarer definiert sind. Indem den Vorschriften in Bezug auf Marktmissbrauch die Form einer Verordnung gegeben wird, ist deren unmittelbare Anwendbarkeit sichergestellt. Dadurch werden infolge der Umsetzung einer Richtlinie voneinander abweichende nationale Vorschriften verhindert, so dass einheitliche Bedingungen gewährleistet sind. Diese Verordnung wird zur Folge haben, dass in der gesamten Union alle natürlichen und juristischen Personen die gleichen Regeln zu befolgen haben. Eine Verordnung dürfte auch die rechtliche Komplexität und insbesondere für grenzüberschreitend tätige Gesellschaften die Compliance-Kosten reduzieren sowie zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen beitragen.“ 45 Erwägungsgrund 86 VO Nr. 596/2014. 46 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. 47 Erwägungsgrund 5 RL 2014/57/EU, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. 48 The High-Level Group of Financial Supervision in the EU, Report, Brussels 25.2.2009, http://ec.europa.eu/inter nal_market/finances/docs/de_larosiere_report_en.pdf. 49 Dies und das Folgende Erwägungsgrund 6 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 11).
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Vorbemerkungen | Rz. 20 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
schriften zur Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vor, was durch die Marktmissbrauchsrichtlinie 2014/57/EU korrigiert werden sollte. Mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetz (1. FiMaNoG) vom 30.6.201750 und dem Zweiten Fi- 17 nanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) vom 23.6.201751 wurde das deutsche Recht, namentlich das WpHG, an die Marktmissbrauchsverordnung angepasst. Neben der Ausführung der Marktmissbrauchsverordnung diente das 1. FiMaNoG darüber hinaus der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2014/57/ EU (Rz. 15) und das 2. FiMaNoG der Umsetzung der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II)52. Stimmen im Schrifttum haben die Auffassung vertreten, durch die Neufassung von § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG (a.F.) über die Strafbarkeit von nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 verbotenen Insidergeschäften und § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG (a.F.) über die Strafbarkeit einer nach Art. 15 VO Nr. 596/2014 verbotenen Marktmanipulation durch das 1. FiMaNoG zum 2.7.2016 (entsprechend Art. 39 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) sei es zu einer Lücke in der Ahndbarkeit von Insiderhandel und Marktmanipulation gekommen, weil u.a. Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 nach Art. 39 VO Nr. 596/2014 erst ab dem 3.7.2016 Geltung erlangt hätten53. Dem ist der 5. Strafsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 10.1.201754 entgegengetreten: Die Abweichung des Inkrafttretens der Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes zum 2.7.2016 vom Beginn der unmittelbaren Anwendbarkeit der maßgeblichen Bezugsnormen der Marktmissbrauchsverordnung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 3.7.2016 habe nicht zur Folge, dass die Verweisungen des Gesetzes auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften am 2.7.2016 „ins Leere“ gegangen und Marktmanipulationen an diesem Tag nicht mit Strafe oder mit Geldbuße bedroht gewesen wären, denn die Bezugnahmen in § 38 Abs. 3 Nr. 1 bzw. § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG (a.F.) auf Art. 14 bzw. 15 VO Nr. 596/2014 führten vielmehr dazu, dass diese Vorschriften der Verordnung bereits vor ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit ab dem 2.7.2016 durch den Bundesgesetzgeber im Inland für (mit)anwendbar erklärt wurden55.
II. Die Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung zum Insiderrecht 1. Systematik der Neuregelung, Sanktionen gegen Verstöße und Zweck des Insiderrechts sowie bevorstehende Änderungen des Insiderrechts a) Systematik des neuen Insiderrechts Wie zuvor nach §§ 12 bis 14 WpHG a.F. werden das Insiderhandelsverbot (Art. 14 VO Nr. 596/2014) und 18 die Bestimmungen über Insidergeschäfte (Art. 8 VO Nr. 596/2014) und Insiderinformationen (Art. 7 VO Nr. 596/2014) in getrennten Vorschriften behandelt. Dabei werden die Insiderhandelsverbote allerdings, abweichend von der früheren Verbotsregelung in § 14 19 Abs. 1 WpHG a.F. neu gruppiert und formuliert. Das gilt vor allem für das frühere Verbot in § 14 Abs. 1 lit. b WpHG a.F., einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen (Weitergabeverbot) oder zugänglich zu machen. An dessen Stelle ist das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 getreten, das auf der in Art. 10 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Umschreibung dessen aufbaut, was eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen darstellt. Darüber hinaus enthält Art. 11 VO Nr. 596/2014 die bislang nicht bekannte Regelung, die bei Marktsondierungen die Offenlegung von Insiderinformationen nach näherer Maßgabe dieser Bestimmung erlaubt. Zum Zweck des Verbots von Insidergeschäften s. Rz. 29 f. Dem Art. 8 VO Nr. 596/2014 über Insidergeschäfte wird mit Art. 9 VO Nr. 596/2014 eine Vorschrift zur 20 Seite gestellt, die gewisse Handlungen von juristischen und natürlichen Personen, die im Besitz von Insiderinformationen sind, von Insidergeschäften und dem Verbot von Insidergeschäften ausnimmt.
50 BGBl. I 2016, 1514. 51 BGBl. I 2017, 1693. 52 Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349. 53 Der BGH zitiert in seiner Entscheidung v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16, AG 2017, 153 Rz. 6 „Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, 2689; Lorenz/Zierden, HRRS 2016, 443“. Weitere Nachweise zum Schrifttum ebd. 54 BGH v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16, AG 2017, 153 Ls., 153/154 Rz. 7 ff. 55 BGH v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16, AG 2017, 153, 154 Rz. 8. Kritisch zu der Entscheidung etwa Brand/Hotz, NZG 2017, 238; Gaede, wistra 2017, 163; Möllers/Herz, JZ 2017, 445; Pananis, NStZ 2017, 236; Rossi, NJW 2017, 969; Rothenfußer, AG 2017, 149; Saliger, Straflosigkeit unterlassener Ad-hoc-Veröffentlichungen nach dem 1. FiMaNoG?, WM 2017, 2329 (I), 2365 (II).
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 21 | Vorbemerkungen 21 Die Bestimmung des Begriffs „Insiderinformationen“ in Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterscheidet vier
„Arten von Informationen“. Dabei geht es allerdings weniger um die Beschreibung von Arten von Insiderinformation als darum, einer allgemeinen Begriffsbestimmung in Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 in den Buchstaben b–d bestimmte Spezifikationen in Bezug auf bestimmte Instrumente bzw. Informationen hinzuzufügen, die eine mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragte Person erlangt hat. In ersterer – instrumentenbezogener – Hinsicht handelt es sich um Insiderinformationen in Bezug auf Warenderivate (Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014) sowie Emissionszertifikate oder darauf beruhende Auktionsobjekte in (Art. 7 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014). In letzterer – informationsbezogener – Hinsicht geht es um bestimmte Informationen, die ein Kunde einer Person mitgeteilt hat, die mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragt ist (Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014) und die für sog. Frontrunning, d.h. für eigene Geschäfte in Kenntnis des Kundenauftrags, missbraucht werden können (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 102).
22 Die dem Insiderrecht in einem weiten Sinne zuzurechnenden früheren Regelungen über Insiderverzeichnisse
(Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 RL 2003/6/EG, Rz. 11; § 15b WpHG a.F.) einerseits und die Mitteilung von Geschäften sowie Veröffentlichung und Übermittlung diesbezüglicher Informationen an das Unternehmensregister (der Vorschriften zu „Directors' Dealings“ in Art. 6 Abs. 4 RL 2003/6/EG, Rz. 11, und § 15a WpHG a.F.) andererseits finden sich heute, erheblich ausgeweitet und in das Kapitel 3 „Offenlegungsvorschriften“ verlagert, in Art. 18 VO Nr. 596/2014 über Insiderlisten bzw. Art. 19 VO Nr. 596/2014 über Eigengeschäfte von Führungskräften.
23 Die früher – schon wegen des Bezugs auf Insiderinformationen – in engem Zusammenhang mit dem In-
siderhandelsverbot und der Prävention desselben gesehene Regelung über die Ad-hoc-Publizität (Art. 6 RL 2003/6/EG, Rz. 11, und § 15 WpHG a.F.) ist, ohne dass sich an dieser Sichtweise etwas geändert hätte, in der Marktmissbrauchsverordnung in einem eigenen Kapitel (Kapitel 3, Art. 17–21 VO Nr. 596/2014) über Offenlegungsvorschriften geregelt.
24 Das bis zum Erlass der Marktmissbrauchsverordnung in Art. 5 i.V.m. Art. 1 Nr. 2 RL 2003/6/EG (Rz. 11)
und in § 20a WpHG a.F. in einem eigenen Abschnitt geregelte Verbot der Marktmanipulation ist zusammen mit dem Insiderhandelsverbot in Kapitel 2 der Marktmissbrauchsverordnung über Insiderinformationen, Insidergeschäfte, unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation erfasst. Dabei enthalten Art. 15 VO Nr. 596/2014 das Verbot der Marktmanipulation und Art. 12 bzw. 13 VO Nr. 596/2014 die Regelung dessen, was eine Marktmanipulation ausmacht (Art. 12 VO Nr. 596/2014) bzw. was als zulässige Marktpraxis vom Verbot der Marktmanipulation ausgenommen ist. Das ist durchaus angebracht, wenn man bedenkt, dass das europäische Konzept des Verbots von Insidergeschäften und der unrechtmäßigen Offenlegung von Insidergeschäften und Marktmanipulation verbotenes Insiderhandeln als einen Unterfall der Letzteren betrachtet, so dass zumindest verbotene Insidergeschäfte in der Regel zugleich gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen.
25 Neu gegenüber der vorherigen Regelung in Abschnitt 3 (§§ 12 ff. WpHG) a.F. zur „Insiderüberwachung“
sind im Übrigen die in Art. 16 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Vorschriften, die bestimmte Marktteilnehmer verpflichten, wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren zur Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch in Gestalt von Insidergeschäften, Marktmanipulation und versuchten Insidergeschäften und versuchter Markmanipulation zu schaffen und aufrechtzuerhalten sowie Aufträge und Geschäfte, die gegen die Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbote verstoßen könnten, der zuständigen Behörde des jeweiligen Handelsplatzes zu melden.
b) Sanktionen bei Verstößen gegen insiderrechtliche Vorschriften 26 Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformatio-
nen nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 sowie gegen die Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1, 2, 4, 5 und 8 VO Nr. 596/2014 und zur Führung von Insiderlisten nach Art. 18 Abs. 1–6 VO Nr. 596/2014 unterliegen nach Maßgabe der RL 2014/57/EU vom 16.4.2014 (Rz. 15) ausgestalteten strafrechtlichen Sanktionen und den sich aus Art. 30 VO Nr. 596/2014 ergebenden verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen56.
27 Dabei sieht die strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung von Verstößen gegen die In-
siderhandelsverbote des Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 in § 119 Abs. 3 und 4 WpHG bzw. § 120 Abs. 14 und Abs. 15 Nr. 6–11 WpHG – anders als die durch die Marktmissbrauchsverordnung abgelöste Regelung – 56 Zu den Sanktionen von Verstößen gegen die Insiderhandelsverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 s. Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 5 ff.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Vorbemerkungen | Rz. 29 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
keine Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsider mehr vor (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 f.). Damit geht das deutsche Recht teilweise über die Vorgaben der RL 2014/57/EU hinaus, sind doch – was nach Erwägungsgrund 20 der RL 2014/57/EU zulässig ist – gem. § 119 Abs. 3 und 4 WpHG alle Verstöße gegen Art. 14 lit. a-c VO Nr. 596/2014, einschließlich des Versuchs (§§ 22–24 StGB)57, strafbar58. Strafbar ist ausschließlich die vorsätzliche Tat59. Für Täterschaft und Teilnahme gelten die allgemeinen Regeln (§§ 26–31 StGB)60. Eine Verletzung der Insiderhandelsverbote nach Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 durch eine leichtfertige Handlung wird nach § 120 Abs. 14 WpHG als Ordnungswidrigkeit geahndet. Verstöße gegen die in § 120 Abs. 15 Nr. 6–11 WpHG bezeichneten Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 stellen ausschließlich Ordnungswidrigkeiten dar. Zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen von Verstößen gegen Art. 14 lit. a–c i.V.m. Art. 8 bzw. Art. 10 VO 28 Nr. 596/2014 s. Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 ff. und denjenigen gegen Art. 17 VO Nr. 596/2014 s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 307 ff. c) Regelungszweck, Schutzgut und Auslegung des Insiderrechts der Marktmissbrauchsverordnung Es ist die unausgesprochene methodische Grundhaltung des EuGH, Vorschriften des Gemeinschaftsrechts 29 in erster Linie nach der effet utile-Methode, d.h. so auszulegen, dass deren Ziel am effektivsten erreicht wird (Einl. Rz. 30)61. Das gilt für die Auslegung von Gemeinschaftsrecht in Gestalt von Richtlinienrecht, das in nationales Recht umzusetzen ist, sowie für die Auslegung des mitgliedstaatlichen angeglichenen Rechts ebenso wie für das sich immer mehr ausweitende und in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Verordnungsrecht. Damit kommt dem Zweck einer Regelung für die Auslegung der einzelnen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und des angeglichenen mitgliedstaatlichen Rechts eine herausragende Bedeutung zu. Das hat sich ausnahmslos auch in den bislang ergangenen Entscheidungen des EuGH zum Insiderrecht (Rz. 12) bestätigt. So hat der EuGH in der auf Grundlage der RL 2003/6/EG und der RL 2003/124/EG zur Durchführung dieser Richtlinie (Rz. 11) ergangenen Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH ausgeführt, das Ziel des Insiderrechts nach der RL 2003/6/EG sei es, „die Integrität der Finanzmärkte zu schützen und das Vertrauen der Investoren zu stärken, das insbesondere auf der Gewissheit beruht, dass sie einander gleichgestellt und gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insider-Information geschützt sind“62. Dem liegt das dem europäischen Marktmissbrauchsrecht eigene und von der Marktmissbrauchsverordnung übernommene Interesse an der Gewährleistung von Marktintegrität durch die Schaffung integrierter, effizienter und transparenter Finanzmärkte zugrunde63. Entsprechend und enger auf das Ziel der Gewährleistung informationeller Chancengleichheit auf den Finanzmärkten fokussiert, heißt es in Erwägungsgrund 23 VO Nr. 596/2014, das „wesentliche Merkmal von Insidergeschäften [sei] ein ungerechtfertig57 Die Versuchsstrafbarkeit geht auf Art. 6 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zurück. Kritisch Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 149. 58 Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 RL 2014/57/EU verlangt die Strafbarkeit eines sog. Sekundärinsiders („jede Person, die Insider-Informationen unter anderen Umständen als nach Unterabsatz 1 erlangt hat“) nur für den Fall, dass sie positive „Kenntnis davon hat, dass es sich dabei um Insider-Informationen handelt“, während § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG durch die Bezugnahme auf Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 und mittelbar auch auf Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht nur Sekundärinsider erfasst, die positive Kenntnis einer Insiderinformation haben, sondern auch solche, die „wissen müsste[n]“, dass sie über eine Insiderinformation verfügen. Dazu RegE 1. FiMaNoG, BTDrucks. 18/7482 v. 8.2.2016, 1, 64: „Im Bereich des Insiderhandels wird in Absatz 3 im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 2014/57/EU nunmehr vorsätzliches Handeln in sämtlichen Tatbegehungsvarianten unterschiedslos für Primär- und Sekundärinsider unter Strafe gestellt“. 59 § 119 Abs. 3 WpHG, der mit der Formulierung „Ebenso wird bestraft ...“ auf § 119 Abs. 1 WpHG Bezug nimmt, nach dem nur die „vorsätzliche Handlung“ erfasst. 60 S. Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 150 f. 61 Zu dieser Auslegungsmethode des EuGH etwa Potacs, EuR 2009, 465. 62 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806, AG 2010, 74 Ls. 1, 76 Rz. 37 (Hervorhebung hinzugefügt). Ebenso EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Markus Geltl/Daimler AG, AG 2012, 555, 557 Rz. 47; EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388, 389 Rz. 21. Ähnlich auch schon EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542, 544 Rz. 38, und danach EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 403 Rz. 65. Zum Regelungsleitbild des europäischen und des dessen Vorgaben – in Gestalt von §§ 12–14 WpHG a.F. – umsetzenden deutschen Insiderrechts s. Assmann in 6. Aufl., Vor § 12 WpHG Rz. 45 ff. Zum Insiderrecht unter der Marktmissbrauchsverordnung auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 337 ff. 63 Erwägungsgrund 2 VO Nr. 596/2014, in dem es weiter heißt: „Das reibungslose Funktionieren der Wertpapiermärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte sind Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Marktmissbrauch verletzt die Integrität der Finanzmärkte und untergräbt das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wertpapiere und Derivate“. Nach Erwägungsgrund 4 VO Nr. 596/2014 zielt die Marktmissbrauchsverordnung „darauf ab, einen entscheidenden Beitrag zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts zu leisten“.
Assmann | 123
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 | Vorbemerkungen ter Vorteil, der mittels Insiderinformationen zum Nachteil Dritter erzielt [werde], die diese Informationen nicht kennen, und infolgedessen in der Untergrabung der Integrität der Finanzmärkte und des Vertrauens der Investoren“. Und schließlich wird in Erwägungsgrund 24 Satz 2 VO Nr. 596/2014 als Zweck der Insiderregelungen der Marktmissbrauchsverordnung angeführt, „die Integrität des Finanzmarkts zu schützen und das Vertrauen der Investoren zu stärken, das wiederum auf der Gewissheit beruht, dass die Investoren gleichbehandelt und vor der missbräuchlichen Verwendung von Insiderinformationen geschützt werden“. Das im Schrifttum in den Vordergrund des Zwecks des Insiderhandelsverbots gerückte Ziel, die Erzielung eines ungerechtfertigten Sondervorteils durch Insidergeschäfte zu unterbinden64, ist nur ein Aspekt der Gewährleistung der informationellen Chancengleichheit, zu der auch die Verhinderung von Nachteilen aus den Insider-Informationsvorsprüngen anderer gehört65. Sondervorteile der einen und Nachteile der anderen zu verhindern sind wiederum Maßnahmen zur Gewährleistung der Integrität der Finanzmärkte des Vertrauens der Investoren in dieselben. Nur in diesem Zusammenhang66 lässt sich der bei der Anwendung insiderrechtlicher Normen zu berücksichtigende Zweck desselben verordnungskonform bestimmen. Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass die Insiderverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 nur dem Schutz des überindividuellen Rechtsguts der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte (s. Erwägungsgründe 2 und 4 VO Nr. 596/ 2014) und nicht dem Schutz des individuellen Anlegers dienen (s. Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 12)67. 29a Die Ziele des Insiderrechts haben in den einzelnen Verboten des Art. 14 VO Nr. 596/2014 – dem Verbot
von Insidergeschäften, dem Empfehlungs- und Verleitungsverbot und dem Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen – unterschiedliche Ausprägungen erfahren. Dabei wird der Zweck des Insiderrechts in erster Linie und unmittelbar durch das Verbot von Insidergeschäften im engeren Sinne, d.h. der Nutzung von Insiderinformationen für den Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten nach Art. 14 lit. a i.V.m. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, verwirklicht. Zweck des Empfehlungs- bzw. Verleitungsverbots nach Art. 14 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ist es vor allem, als Vorfeldtatbestand68 Vorbereitungshandlungen zu Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäften mit Insiderpapieren, durch die das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Integrität der Kapitalmärkte verletzt wird, zu verhindern (s. auch Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 79 und 80). Das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 VO Nr. 596/2014 dient dazu, den Kreis von Insidern möglichst klein zu halten und der Gefahr zu begegnen, dass einzelne Marktteilnehmer, unter Verletzung der informationellen Chancengleichheit, Sondervorteile auf Kosten anderer Marktteilnehmer erlangen. Wie das Empfehlungsund Verleitungsverbot stellt auch das Offenlegungsverbot einen Vorfeldtatbestand dar, der Vorbereitungshandlungen für nachfolgende Insidergeschäfte erfasst (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 7).
30 Im Lichte der Zielsetzungen des Insiderrechts und zu ihrer Umsetzung hat der EuGH im Spector Photo
Group-Urteil (Rz. 12 und Rz. 29) entschieden, dass im Falle einer Person, die über eine Insiderinformation verfügt und Wertpapiere erwirbt, auf die sich diese Information bezieht, eine widerlegliche Vermutung dafürspricht, dass bei dem Erwerb die Insiderinformation i.S.v. Art. 2 Abs. 1 der RL 2003/6/EG (Rz. 11) genutzt wurde69, und hat dies – beispielhaft – mit recht rigorosen „effet utile“-Erwägungen gerechtfertigt: „Wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, kann das Verbot des InsiderHandels nur dann, wenn es eine effektive Ahndung von Verstößen ermöglicht, sich als schlagkräftig erweisen und so nachhaltig die Normtreue aller Marktteilnehmer gewährleisten. Die effektive Durchführung des Verbots der Geschäfte beruht daher auf einer einfachen Struktur, in der die Möglichkeiten der Verteidigung mit subjektiven Elementen begrenzt sind, um Verstöße gegen dieses Verbot nicht nur wirksam zu ahnden, sondern ihnen auch wirksam vorzubeugen.“70 Und im Geltl-Urteil (Rz. 12) etwa hat der BGH unter Berufung auf den Zweck des Insiderrechts entschieden, jeder Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs
64 Bachmann, Insiderhandelsverbot, S. 27, 35, 48/49, 50 ff. 65 EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542, 544 Rz. 38: Insiderhandelsverbot „verhindert, dass einer von ihnen, der über eine Insider-Information verfügt und deshalb einen Vorteil [gegenüber] den anderen Anlegern hat, daraus zum Nachteil des anderen, der dies nicht weiß, einen Nutzen zieht“). 66 Diesen Zusammenhang stellt auch die Georgakis-Entscheidung des EuGH her, indem sie in Rz. 37 die in Rz. 38 herausgestellte Verhinderung von Vorteilen der einen und von Nachteilen der anderen als Maßnahme zur Gewährleistung des „reibungslose[n] Funktionieren[s] des Sekundärmarktes für Wertpapiere“ und zur Erhaltung des „Vertrauen[s] der Anleger“ begreift; EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542, 544. 67 Aus dem neueren Schrifttum etwa Assmann/Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 1 Rz. 112; Hopt in Klöhn/Mock (Hrsg.), FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 503, 516 f.; Veil in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 4. 68 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3 S. 61; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 1. 69 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806, AG 2010, 74 Ls. 1, 76 f. Rz. 37 ff. 70 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806, AG 2010, 74, 76 Rz. 37.
124 | Assmann
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Vorbemerkungen | Rz. 32 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
könne eine präzise Information sein und für die Frage, wann der Eintritt eines zukünftigen Ereignissen „hinreichend wahrscheinlich sei“ komme es lediglich darauf an, ob aufgrund verfügbarer Anhaltspunkte tatsächlich erwartet werden könne, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden71. Das Gericht hat dabei im ersten Punkt allerdings unzutreffend unterstellt, die ihm zur Entscheidung vorgelegte und von ihm abgelehnte Auslegung würde zur einer Schutzlücke führen und ungerechtfertigte Insidergeschäfte erlauben72. In seiner Marktgerücht-Entscheidung vom 15.3.202273 hat der EuGH erstmals zur Auslegung des Insider- 30a rechts nach der Marktmissbrauchsverordnung und zu der Frage Stellung genommen, ob ein Journalist, der einen Dritten über eine kurz bevorstehende, ein „Marktgerücht“ aufgreifende Presseveröffentlichung informiert, unberechtigt eine eine Insiderinformation offenlegt. In ersterer Hinsicht kann es das Gericht bei der Feststellung der Selbstverständlichkeit belassen, bei der „Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts“ seien „nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, sowie die Zwecke und Ziele, die mit dem Rechtsakt, zu dem sie gehört, verfolgt werden“, zu berücksichtigen74. In zweiter Hinsicht hat der EuGH, ohne explizit zur Frage der Qualifikation von Gerüchten als Insiderinformationen Stellung zu nehmen75, die Information über eine bevorstehende Presseveröffentlichung, in der ein Gerücht publik gemacht wird, bei hinreichender Kursspezifität des Gerüchts als unberechtigte Weitergabe einer Insiderinformation angesehen76. Dabei führt der EuGH auch Grundsätzliches über die Reichweite des sog. Journalistenprivilegs des Art. 21 VO Nr. 596/2014 und das Verhältnis des Offenlegungsprivilegs nach dieser Vorschrift zum Offenlegungsverbot nach Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 aus77. d) Änderungen nach dem am 7.12.2022 vorgeschlagenen EU-Listing Act Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag eines Listing Act nebst Anhängen vorgelegt 30b (s. Einl. Rz. 51). Mit dieser Gesetzesinitiative sollen die Vorschriften über die Börsenzulassung und die Zulassungsfolgepflichten vereinfacht werden, um die öffentlichen Kapitalmärkte für EU-Unternehmen attraktiver zu machen und KMU den Kapitalzugang zu erleichtern (näher Einl. Rz. 51). Dazu sind nicht nur Änderungen der EU-Prospektverordnung zur Erleichterung der Prospekterstellung vorgesehen, sondern auch solche der Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf das Insiderhandelsverbot und die Ad-hoc-Publizität. Bei Redaktionsschluss war der Listing Act noch nicht verabschiedet, doch wird im Zusammenhang mit den einschlägigen Erläuterungen zum Insiderrecht in Art. 7–11 und 14 VO Nr. 596/2014 sowie zu den Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen in Art. 17 VO Nr. 596/2014 auf die zu erwartenden Änderungen hingewiesen.
2. Durchführungs- und Delegierte Rechtsakte, ESMA-Leitlinien und Verlautbarungen der BaFin mit Bezug zum Insiderrecht nach der Marktmissbrauchsverordnung Zur Marktmissbrauchsverordnung sind zwischenzeitlich Durchführungs- und Delegierte Rechtsakte (Level 31 2-Maßnahmen) sowie ESMA-Leitlinien (Level 3-Maßnahmen) mit Bezug zum Insiderrecht ergangen, die bei der Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung zu berücksichtigen sind. Nach Artikeln und Themenfeldern geordnet, handelt es sich um die folgenden Akte: a) Insiderinformation (Art. 7 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 7 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 gibt die ESMA Leitlinien für die Erstellung einer nicht erschöpfenden 32 indikativen Liste von Informationen gem. Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 heraus, deren Offenlegung nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann oder die nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Unionsrechts oder des nationalen Rechts, Handelsregeln, Verträgen, Praktiken oder Regeln auf den in Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 genannten betreffenden Warenderivate- oder Spotmärkten offengelegt werden müssen. Dabei hat die ESMA den Besonderheiten dieser Märkte gebührend Rechnung zu tragen. Solche 71 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Markus Geltl/Daimler AG, AG 2012, 555 Ls. 1 und 2. 72 Zutreffend Bachmann, DB 2012, 2206, 2208. 73 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398. Zu der Entscheidung Assmann, AG 2022, 390; Mock, ZIP 2022, 777. 74 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 403 Rz. 63. 75 Zu den diesbezüglichen Fingerzeigen des Gerichts s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 36c; Assmann, AG 2022, 390, 393 f. Rz. 17 ff. 76 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 400 ff. Rz. 32 ff., 57 Näher dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 36b ff.; Assmann, AG 2022, 390, 391 Rz. 4 ff. 77 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 403 ff. Rz. 58 ff., 71, 89, Dazu näher Assmann, AG 2022, 390, 395 Rz. 23 ff.
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 32 | Vorbemerkungen Leitlinien hat die ESMA am 17.1.2017 vorgelegt78. Mit Schreiben vom 7.3.201779 gab die BaFin bekannt, sie habe ESMA – entsprechend ihrer Pflicht nach Ziff. 4.2 (Rz. 6) der Leitlinien – mitgeteilt, diesen Leitlinien nachzukommen; sie ziehe „daher nunmehr im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis diese Leitlinien zur Konkretisierung der Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b der MAR [VO Nr. 596/2014] heran“. b) Marktsondierung (Art. 11 VO Nr. 596/2014) 33 Gestützt auf 11 Abs. 9 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 hat die Kommission die Delegierte Verordnung (EU)
2016/960 vom 17.5.2016 zur Ergänzung der Marktmissbrauchsverordnung durch technische Regulierungsstandards für angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für offenlegende Marktteilnehmer bei der Durchführung von Marktsondierungen80 erlassen. Gleichzeitig erging auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 10 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 die Durchführungsverordnung (EU) 2016/959 der Kommission vom 17.5.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Marktsondierungen in Bezug auf die von offenlegenden Marktteilnehmern zu nutzenden Systeme und Mitteilungsmuster und das Format der Aufzeichnungen nach der Marktmissbrauchsverordnung81.
34 An die zuständigen Behörden und Personen, die Marktsondierungen erhalten, richten sich die ESMA-Leit-
linien „Personen, die Marktsondierungen erhalten“ vom 11.11.201682. Die Leitlinien gelten in Bezug auf die Faktoren, Schritte und Aufzeichnungen, die von den Personen, die Marktsondierungen erhalten, gem. Art. 11 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 zu berücksichtigen und umzusetzen sind. In ihrem Schreiben vom 8.12.2016 (geändert am 31.5.2017)83, skizziert die BaFin den Gegenstand der „MAR Leitlinien“ wie folgt (Absätze weggelassen): „Die Leitlinien beziehen sich auf Marktsondierungen, also auf die Kommunikation zwischen einem Verkäufer eines Finanzinstruments und potentiellen Anlegern, die vor Ankündigung des eigentlichen Geschäfts erfolgt. Mit einer Marktsondierung soll das Interesse potentieller Anleger an einem möglichen Geschäft, dessen preislicher Ausgestaltung und dessen Umfang abgeschätzt werden. Da es dabei ggf. zur Weitergabe von Insiderinformationen kommen kann, wird in diesen Leitlinien geregelt, anhand welcher Umstände Personen, die Marktsondierungen erhalten, beurteilen müssen, ob die erhaltenen Informationen als Insiderinformationen anzusehen sind. Zudem enthalten die Leitlinien Regelungen dazu, wie sich die Empfänger dieser Informationen in diesem Fall zu verhalten haben, um die Insiderhandelsverbote, insbesondere das insiderrechtliche Weitergabeverbot zu beachten. Abgerundet werden die Leitlinien durch Vorgaben zur Dokumentation.“ Darüber hinaus gibt die BaFin in dem Schreiben bekannt, sie habe ESMA mitgeteilt, im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis diese Leitlinien heranzuziehen, um zu beurteilen, ob die Insiderhandelsverbote, insbesondere das insiderrechtliche Weitergabeverbot, beachtet worden seien. c) Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 VO Nr. 596/2014)
35 Art. 17 Abs. 10 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 überträgt der Kommission die Befugnis, die in dessen Unter-
abs. 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Art. 15 VO Nr. 1095/2010 zu erlassen. Dabei geht es, zum Zwecke der Sicherstellung einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 über die Veröffentlichung von Insiderinformationen, um technische Durchführungsstandards zur Festlegung der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 1, 2, 8 und 9 VO Nr. 596/2014 und der technischen Mittel für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gem. den Abs. 4 und 5. Die Kommission hat von dieser Befugnis Gebrauch ge78 ESMA, MAR-Leitlinien – Informationen über Warenderivatmärkte oder verbundene Spotmärkte im Hinblick auf die Definition von Insiderinformationen über Warenderivate vom 17.1.2017. Zum Anwendungsbereich dieser Leitlinien führt die ESMA, ebd., S. 3 aus, diese Leitlinien hätten Geltung „für zuständige Behörden und Anleger, Finanzintermediäre, Betreiber von Handelsplätzen und Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte mit Warenderivaten vermitteln oder ausführen (gemeinsam bezeichnet als ‚Marktteilnehmer‘)“. 79 GZ: WA 27-Wp 2001-2017/0010, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Anlage/170307_MAR _Leitlinien_Warenderivatemaerkte_Spotmaerkte.html. 80 Delegierte Verordnung (EU) 2016/960 vom 17.5.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für offenlegende Marktteilnehmer bei der Durchführung von Marktsondierungen, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29. 81 Durchführungsverordnung (EU) 2016/959 der Kommission vom 17.5.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Marktsondierungen in Bezug auf die von offenlegenden Marktteilnehmern zu nutzenden Systeme und Mitteilungsmuster und das Format der Aufzeichnungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23. 82 ESMA, MAR-Leitlinien – Personen, die Marktsondierungen erhalten, 11.11.2016. 83 Schreiben der BaFin zur Anwendung der „MAR-Leitlinien Personen, die Marktsondierungen erhalten“ von ESMA, GZ: WA 27-Wp 2001–2016/0056.
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Vorbemerkungen | Rz. 37 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
macht und die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 vom 29.6.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates84 erlassen. Nach Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 hat die ESMA Leitlinien für die Erstellung einer nicht abschließen- 36 den indikativen Liste der in Art. 17 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 als Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung von Insiderinformationen genannten berechtigten Interessen des Emittenten und von Fällen herauszugeben, in denen die Aufschiebung der Offenlegung gem. Art. 17 Abs. 4 lit. b VO Nr. 596/2014 geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen. In Ausführung dieses Auftrags hat ESMA entsprechende Leitlinien85 mit einer nicht abschließenden indikativen Liste der berechtigten Interessen des Emittenten vorgelegt, die von einer unverzüglichen Offenlegung von Insiderinformationen aller Wahrscheinlichkeit nachbeeinträchtigt wären, und von Fällen, in denen der Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationengeeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen. In ihrem Schreiben vom 6.12.201686 zur Anwendung der „Leitlinien über die berechtigten Interessen des Emittenten für den Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen und über Fälle, in denen der Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen“ von ESMA informiert die BaFin über die Verabschiedung dieser Leitlinien und gibt bekannt, sie habe ESMA mitgeteilt, im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis diesen Leitlinien nachzukommen und nunmehr im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis diese Leitlinien zur Konkretisierung der Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 heranzuziehen. In Abschnitt I. bzw II. ihres Emittentenleitfadens Modul C87 informiert die BaFin über ihre Verwaltungs- 37 praxis bei der Anwendung der Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung über die Qualifikation von Informationen als Insiderinformationen nach Art. 7 VO Nr. 596/2014, die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen im Wege der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, die Insiderhandelsverbote nach Art. 8 VO Nr. 596/2014 sowie das Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 10 VO Nr. 596/2014 nebst der Auflistung hierauf bezogener „Legitime[r] Handlungen“ nach Art. 9 VO Nr. 596/2014 bzw. über die sich aus der Marktmissbrauchsverordnung i.V.m. mit dem WpHG ergebenden Sanktionen bei Pflichtverletzungen betreffend Meldungen und Veröffentlichungen in Bezug auf das Insiderrecht. Im Vergleich zum Emittentenleitfaden 2013 der BaFin, der noch zu dem im WpHG a.F. geregelten Insiderrecht erging, welches die Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 sowie der zu dieser ergangenen Durchführungsrechtsakte (Rz. 11) umsetzte, werden dem neuen Emittentenleitfaden Modul C drei Charakteristika zugeschrieben: die „Betonung einer Einzelfallabhängigkeit der konkreten Beurteilung“, die „zeitliche Vorverlagerung“ des Eintritts von Insiderinformationen und von Pflichten der Offenlegung derselben, und die „sachliche Ausdehnung des Insider- und Marktmissbrauchsrechts“88. Diese Charakteristika gehen allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil auf entsprechende methodische und sachliche Vorgaben bei der Anwendung des europäischen Insiderrechts – ehemals enthalten in der vorerwähnten Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003, heute geregelt in der Marktmissbrauchsverordnung – durch den Europäischen Gerichtshof (s. Rz. 12) zurück. Ergänzend zum Emittentenleitfaden Modul C hat die BaFin „Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten und Aufschubmöglichkeiten für Kredit- und Finanzinstitute betreffend bankaufsichtliches Handeln und Abwicklung“ vorgelegt89. In diesen Leitlinien beleuchtet die BaFin „die praktischen Anwendungsfelder“ der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 in Bezug auf die Bereiche „bankaufsichtliches Handeln (einschließlich Aufsichtsorganisation, Sanierungsplanung und bankaufsichtliche Maßnahmen) und Abwicklung“. Die Leitlinien richten sich ausschließlich an Kredit- und Finanzinstitute und sollen Hilfestellung bei
84 ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47. 85 ESMA, MAR – Leitlinien Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen, 20.10.2016. 86 GZ: WA 27-Wp 2001-2016/0058, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Anlage/161205_Auf schub_Insiderinformationen_ESMA.html. 87 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung, Stand: 25.3.2020. S. auch BaFin, Veröffentlichung der Insiderinformation, Stand: 17.12.2018. 88 Seibt/Krack, BKR 2020, 313, 314. Auch Kraack, ZIP 2020, 1389, 1389 f., 1396 mit kritischem „Summa“ zum Emittentenleitfaden: „Die BaFin hat es als sachunmittelbarste Instanz nicht vermocht, mit Modul C – immerhin das Kondensat aus fast vierjähriger Erfahrung mit der MAR – die europarechtlichen Vorgaben samt ESMA-Leitlinien aufsichtsrechtlich stärker zu praktikabilisieren. Umso größere Hoffnung richtet sich nun auf die laufende Evaluation und mögliche Revision der rechtlichen Vorgaben, welche die Kommission auf Basis von Art. 38 MAR und einer entsprechenden ESMA-Konsultation durchführt, sowie darauf, dass die BaFin Modul C künftig in kürzeren Intervallen aktualisiert“. 89 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten und Aufschubmöglichkeiten für Kredit- und Finanzinstitute ..., Stand: 31.5.2021.
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Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 37 | Vorbemerkungen der Bestimmung potenzieller Insiderinformationen in Bezug auf bankaufsichtliches Handeln und Abwicklung sowie die Pflicht zur Veröffentlichung derselben geben. Näher zu den Leitlinien Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 253a ff. 38 In Art. 18 Abs. 9 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 wird der Kommission die Befugnis übertragen, gem. Art. 15
VO Nr. 1095/201090 und nach Maßgabe von Art. 18 Abs. 9 Unterabs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 technische Durchführungsstandards zur Schaffung einheitlicher Bedingungen für die Anwendung von Art. 18 VO Nr. 596/2014 zu erlassen. Die Kommission hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und die Durchführungsverordnung (EU) 2016/347 vom 10.3.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das genaue Format der Insiderlisten und für die Aktualisierung von Insiderlisten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates erlassen91.
III. Marktmissbrauchsverordnung und deutsches Recht 39 Die Marktmissbrauchsverordnung sowie die Delegierte Verordnung (EU) 2016/960 vom 17.5.2016 und die
Durchführungsverordnung (EU) 2016/959 vom 17.5.2016 (beide Rz. 33) sind in Deutschland unmittelbar geltendes Recht. Das hat es erforderlich gemacht, das nationale Recht entsprechend anzupassen: Teils dadurch, dass Vorschriften, die einen jetzt von den EU-Verordnungen geregelten Bereich regelten oder sich auf diese bezogen, aufgehoben werden mussten; teils dadurch, dass die von den EU-Verordnungen vorgesehenen Voraussetzungen geschaffen wurden, um diese in Kraft zu setzen. Zum Insiderrecht fanden sich solche Vorschriften zunächst in § 15 WpHG der Zählweise vor der Änderung durch Art. 3 des 2. FiMaNoG (Rz. 17) und finden sich heute in § 26 WpHG. Im Hinblick auf die Bestimmungen der die Marktmissbrauchsverordnung komplementierenden Marktmissbrauchsrichtlinie 2014/57/EU vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Rz. 15) war ohnehin die Umsetzung in deutsches Recht durch Vorschriften erforderlich, die richtlinienkonform anzuwenden sind.
40 Fragen über die Fortgeltung des früheren Insiderrechts, das von der Marktmissbrauchsverordnung und
den zu dieser ergangenen Verordnungen (Rz. 39) abgelöst wurde, haben sich nur in zweierlei Hinsicht gestellt:
41 Zum einen im Hinblick auf Fortgeltung der rechtlichen Grundsätze wie sie sich im Hinblick auf das bishe-
rige Recht und seine Auslegung entwickelt haben. Antworten hierauf sind im Zusammenhang mit der Anwendung der jeweiligen Bestimmungen der EU-Verordnungen zu geben und nehmen in den nachfolgenden Erläuterungen einen breiten Raum ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das EU-Verordnungsrecht die Regelungszwecke der früheren RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 11) übernimmt und auch deren Regelungen, die im abgelösten Recht der §§ 12 ff. WpHG a.F. umgesetzt waren, über weite Strecken als unmittelbar geltendes Recht beibehält. Das spricht – wenngleich nicht zwingend, so doch prima facie – für die gegebenenfalls im Lichte der Anwendung des Verordnungsrechts in den anderen Mitgliedstaaten zu modifizierende Fortgeltung der Auslegung des abgelösten Rechts.
42 Zum anderen in Bezug auf die Fortgeltung der vom Bundesministerium der Finanzen erlassenen Wert-
papierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) vom 13.12.200492. Für diese wurde und wird allgemein angenommen, dass sie, die im Hinblick auf die EU-Verordnungen (Rz. 39) unangepasst blieb, weiterhin, aber nur in dem Umfange anwendbar ist, als sie den Regelungen dieser Verordnungen nicht widerspricht93. Inwieweit dies jeweils der Fall ist, hat sich – wie die Erläuterungen zu den insiderrechtlichen
90 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 91 ABl. EU Nr. L 65 v. 11.3.2016, S. 49. Zum Ganzen auch: Ad-hoc-Publizität – Änderungen durch die neue Marktmissbrauchsverordnung, BaFin-Journal, Ausgabe Juli 2016, S. 28, https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/ DE/BaFinJournal/2016/bj_1607.pdf;jsessionid=5789649482D385330B528E9B9657192E.2_cid290?__blob=publicati onFile&v=6. 92 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV), BGBl. I 2004, 3376. 93 BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand: 20.6.2917 (zwischenzeitlich Stand: 31.1.2019, deshalb über die Website der BaFin nicht mehr abrufbar), S. 2 zu 3. (zit. gemäß 7. Aufl. Rz. 42): „Die WpAIV bleibt bis zur Umsetzung des 2. Finanzmarktnovellierungsgesetzes in ihrer bisherigen Fassung zunächst bestehen, tritt aber hinter der MAR sowie den ausführenden Verordnungen (EU) 2016/522 und (EU) 2016/
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Vorbemerkungen | Rz. 43 Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014
Bestimmungen, namentlich zur Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 belegen – nicht immer als so einfach erwiesen wie gedacht. Dass von einer Fortgeltung der WpAIV auszugehen war, hat sich spätestens im Zusammenhang mit den Planungen des 2. FiMaNoG gezeigt. Hier ging der Referentenentwurf von einer Fortgeltung der WpAIV und der Notwendigkeit einer Neufassung derselben aus, um deren Vorschriften an die Änderungen des WpHG aufgrund des Erlasses der EU-Verordnungen und das 1. FiMaNoG anzupassen94. Zwar wurden die diesbezüglichen Vorschläge des Referentenentwurfs im Gesetzgebungsverfahren nicht weiterverfolgt, doch wurden sie später im Wege eines eigenständigen Verfahrens zum Erlass einer Dritten Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung durch das Bundesministerium für Finanzen wiederaufgegriffen und haben zu einer Neufassung der WpAIV in Gestalt der heutigen „Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige- Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz – WpAV“95 geführt. Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag eines „Listing Act“ – d.h. einer Verord- 43 nung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der EU-Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014)96 – vorgelegt. Grundlage dieser Initiative ist die Annahme, Börsengänge seien für EU-Unternehmen, insbesondere für KMU [kleine und mittlere Unternehmen], aufwendig und teuer. Die Folge sei, dass EU-Unternehmen vor einer Kapitalmarktfinanzierung zurückschreckten und sich die Vorteile entgehen ließen, die ein Börsengang mit sich bringe, bspw. „eine breitere Investorenbasis, ein höheres Wachstum und die Entstehung von Arbeitsplätzen“. Die Gesetzesinitiative strebt an, die Vorschriften über die Börsenzulassung und die Zulassungsfolgepflichten zu vereinfachen, um die öffentlichen Kapitalmärkte für EU-Unternehmen attraktiver zu machen und KMU den Kapitalzugang zu erleichtern97. Dazu sind nicht nur Änderungen der EU-Prospektverordnung zur Erleichterung der Prospekterstellung vorgesehen, sondern auch solche der Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf das Insiderrecht (Insiderbegriff, Marktsondierung) und die Ad-hoc-Publizität (näher Einl. Rz. 51). Ergänzend zum „Listing Act“ sieht die Bundesregierung mit dem am 29.6.2022 in seinen Eckpunkten vorgestellten sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz Maßnahmen zur Modernisierung des Kapitalmarkts und zur Erleichterung des Kapitalmarktzugangs für Unternehmen, insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen und KMU, vor98.
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1055 zurück, soweit sich in diesen entsprechende oder abweichende Regelungen finden.“ Dabei ging die BaFin noch davon aus, dass die WpAIV, dem Referentenentwurf zum 2. FiMaNoG folgend (dazu im Folgenden) mit dem 2. FiMaNoG den angeführten Verordnungen angepasst würde; Klöhn, AG 2016, 423, 431; Poelzig, NZG 2016, 761, 764; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.33. Referentenentwurf 2. FiMaNoG vom 30.9.2016, S. 363 zu Art. 15, heute noch abrufbar unter http://www.kapital marktrecht-im-internet.eu/de/Rechtsgebiete/Kapitalma/Artikelgesetze/428/2._FimanoG.htm unter III.2. Gesetzgebungsgeschichte. Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 2.11.2017, BGBl. I 2017. 3727, Hervorhebung hinzugefügt. Die Neubezeichnung beruht auf der Änderung der Überschrift der WpAIV durch Art. 1 Nr. 1 dieser Verordnung. BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand: 31.1.2019: „Die WpAIV wurde im Zuge des 2. FiMaNoG durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung zum 3.1.2018 in die Wertpapierhandelsanzeigeverordnung (WpAV) umbenannt und an die europäischen Vorgaben angepasst“. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, Brussels, 7.12.2022, COM(2022) 762 final, 2022/0411 (COD), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b213de69-770d-11ed9887-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_1&format=PDF. Dieser Verordnungsvorschlag geht einher mit dem Vorschlag vom 7.12.2022 zur Änderung der MiFID II-Richtlinie (Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2014/65/EU to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises and repealing Directive 2001/34/ EC, COM/2022/760 final, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52022 PC0760) und dem Richtlinienvorschlag vom 7.12.2022 über Mehrstimmrechtsaktien (Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on multiple-vote share structures in companies that seek the admission to trading of their shares on an SME growth market, COM/2022/761 final). Europäische Kommission, Rechtsakt zur Börsennotierung – Attraktivere öffentliche Kapitalmärkte für EU-Unternehmen und leichterer Kapitalzugang für KMU, abrufbar über die Website https://ec.europa.eu/info/law/better-re gulation/have-your-say/initiatives/13238-Rechtsakt-zur-Borsennotierung-Attraktivere-offentliche-Kapitalmarkte-furEU-Unternehmen-und-leichterer-Kapitalzugang-fur-KMU_de. BMF, Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz, abrufbar über die Website des BMF https://www.bundes finanzministerium.de unter Eingabe der Stichworte „Eckpunkte Zukunftsfinanzierungsgesetz“.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 | Insiderinformation
Art. 7 VO Nr. 596/2014 Insiderinformation (1) Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff „Insiderinformationen“ folgende Arten von Informationen: a) nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen; b) in Bezug auf Warenderivate nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Derivate dieser Art oder direkt damit verbundene Waren-Spot-Kontrakte betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Derivate oder damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte erheblich zu beeinflussen, und bei denen es sich um solche Informationen handelt, die nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, Handelsregeln, Verträgen, Praktiken oder Regeln auf dem betreffenden Warenderivate- oder Spotmarkt offengelegt werden müssen bzw. deren Offenlegung nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann; c) in Bezug auf Emissionszertifikate oder darauf beruhende Auktionsobjekte nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Finanzinstrumente dieser Art betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen; d) für Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragt sind, bezeichnet der Begriff auch Informationen, die von einem Kunden mitgeteilt wurden und sich auf die noch nicht ausgeführten Aufträge des Kunden in Bezug auf Finanzinstrumente beziehen, die präzise sind, direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente, damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder zugehöriger derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. (2) Für die Zwecke des Absatzes 1 sind Informationen dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von den [richtigerweise: von dem man] vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen. So können im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, dieser betreffende zukünftige Umstand bzw. das betreffende zukünftige Ereignis und auch die Zwischenschritte in diesem Vorgang, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, in dieser Hinsicht als präzise Information betrachtet werden. (3) Ein Zwischenschritt in einem gestreckten Vorgang wird als eine Insiderinformation betrachtet, falls er für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen gemäß diesem Artikel erfüllt. (4) Für die Zwecke des Absatzes 1 sind unter „Informationen, die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs von Finanzinstrumenten, derivativen Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten spürbar zu beeinflussen“ Informationen zu verstehen, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Im Fall von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate mit aggregierten Emissionen oder einer thermischen Nennleistung in Höhe oder unterhalb des gemäß Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 2 festgelegten Schwellenwerts wird von den Informationen über die physischen Aktivitäten dieser Teilnehmer angenommen, dass sie keine erheblichen Auswirkungen auf die Preise der Emissionszertifikate und der auf diesen beruhenden Auktionsobjekte oder auf damit verbundene Finanzinstrumente haben. (5) Die ESMA gibt Leitlinien für die Erstellung einer nicht erschöpfenden indikativen Liste von Informationen gemäß Absatz 1 Buchstabe b heraus, deren Offenlegung nach vernünftigem Ermessen 130 | Assmann
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Insiderinformation | Art. 7 VO Nr. 596/2014
erwartet werden kann oder die nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Unionsrechts oder des nationalen Rechts, Handelsregeln, Verträgen, Praktiken oder Regeln auf den in Absatz 1 Buchstabe b genannten betreffenden Warenderivate- oder Spotmärkten offengelegt werden müssen. Die ESMA trägt den Besonderheiten dieser Märkte gebührend Rechnung. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Schrifttum: BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung, Stand: 25.3.2020; BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand: 31.1.2019, abrufbar unter https://www.lw.com/admin/Upload/Documents/dl_faq_mar_art_17_Ad-hoc.pdf-jsessionid_BF51BA21C4A454DA7590 CD085FB6FCF1.2_cid381.pdf (von der Website der BaFin nicht mehr abrufbar); Kuntz, Digitale Kommunikation mit Aktionären und Investoren, ZHR 183 (2019), 190. S. im Übrigen Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgehalt und Normentwicklung . . . . 1 II. Insiderinformationen – Begriff und Begriffselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1. Bezugspunkte: Emittenten und Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Grunddefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Präzise Information (Art. 7 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Allgemeines – Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . 8 b) Umstände und Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . 15 aa) Eingetretene Umstände und Ereignisse (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) . 15 (1) Unterscheidung zwischen Umständen und Ereignissen . . . . . . . . . . . . 15 (2) Äußere und innere Tatsachen und Drittbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 (3) Werturteile, Ansichten und Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 (4) Pläne, Vorhaben oder Absichten und Schritte zu deren Verwirklichung . . 20 (5) Unternehmensplanungen (Plandaten u.a.) . . . . . . . . . . . . . . . 25 (6) Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 (7) Tipps, Empfehlungen und Ratschläge 31 (8) Unternehmensbewertungen und -analysen sowie Ratings . . . . . . . . . 32 (9) Gerüchte und Gerüchte offenlegende Presseberichterstattung . . . 35 (10) Verdacht auf Rechtsverstöße (interne und externe Untersuchungen) und Rechtsverfolgung . . . . . . . 37 (11) Anhängen an fremde Wertpapiergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (12) Fehlerhafte Veröffentlichungen und Pressemitteilungen . . . . . . . . . . . . . 41a bb) Zukünftige Umstände und Ereignisse (Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . 42 cc) Sonderfall: Mehrstufige Entscheidungsvorgänge und Zwischenschritte (Art. 7 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . 49 c) Kursspezifität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Nicht öffentlich bekannte Information . . . . . 63 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Emittenten oder Finanzinstrumente betreffende Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Emittentenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) Bezug zu Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . 76
6. Kurserhebliche Information (Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines – Maßstab des verständigen Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ex-ante-Beurteilung der Kurserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zukunftsbezogene Information und mehrstufige Entscheidungsvorgänge . . cc) Kurserheblichkeit in Bezug auf verschiedene Finanzinstrumente eines Emittenten sowie auf unterschiedliche Gattungen von Finanzinstrumenten . . dd) Kurserheblichkeit spezieller Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Präzise“ Gerüchte . . . . . . . . . . . . (2) Prognosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Geschäftszahlen . . . . . . . . . . . . . . (4) Dividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Mergers & Acquisitions (Übernahmevorgänge) . . . . . . . . . . . . . . (6) Gesetzes- und Rechtsverstöße (Compliance-Verstöße), Rechtsverfolgung sowie Ermittlungs-, Verwaltungs- und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Kurserheblichkeit sonstiger Unternehmensereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insiderinformationen in Bezug auf spezielle Finanzinstrumente und Kundenaufträge (Art. 7 Abs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014) . . . . 1. Insiderinformationen in Bezug auf Warenderivate (Art. 7 Abs. 1 lit. b, Abs. 2, 3 und 4 Unterabs. 1 sowie Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . 2. Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate (Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2, 3 und 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . 3. Insiderinformationen im Zusammenhang mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente (Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Leitlinien für Informationen in Bezug auf Warenderivate nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 (Art. 7 Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 88 88 90
91 93a 93a 93b 93c 93d 93e
93g 94 96 96 100
102
105
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Insiderinformation
I. Regelungsgehalt und Normentwicklung 1 Nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 ist es verboten,
a) Insidergeschäfte zu tätigen und dies zu versuchen, b) Dritten zu empfehlen, Insidergeschäfte zu tätigen, oder Dritte dazu zu verleiten, Insidergeschäfte zu tätigen, oder c) Insiderinformationen unrechtmäßig offenzulegen Auch wenn Art. 14 VO Nr. 596/2014 nur in lit. a ein Verbot des Versuchs erwähnt, ist doch bei allen der vorstehend aufgeführten Verbotshandlungen der Versuch untersagt und nach § 119 Abs. 4 WpHG strafbar1. Gegenstand der Verbote von Art. 14 VO Nr. 596/2014 sind Insiderinformationen. Das gilt auch für die in Art. 14 lit. a und b VO Nr. 596/2014 angeführten Verbote, denn sowohl Insidergeschäfte als auch Empfehlungen setzen Insiderinformationen voraus: So liegt nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ein gem. Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 verbotenes Insidergeschäft vor, wenn eine Person über Insiderinformationen verfügt und unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert. Auch eine nach Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014 verbotene Empfehlung zum Tätigen von Insidergeschäften oder die Verleitung Dritter hierzu liegt nach Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nur dann vor, wenn der Empfehlende über Insiderinformationen verfügt und die Empfehlung auf der Grundlage von Insiderinformationen abgibt. Schließlich hat das in Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 aufgeführte Verbot die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen zum Gegenstand. In diesem Rahmen bestimmt Art. 7 VO Nr. 596/2014, unter welchen Voraussetzungen eine Information als Insiderinformation anzusehen ist. 2 Der in Art. 7 VO Nr. 596/2014 umschriebene Begriff „Insiderinformationen“, unterscheidet sich nicht we-
sentlich von demjenigen, der der aufgehobenen Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.20032 und der zu dieser ergangenen Durchführungsrechtsakte3 zugrunde lag und in § 13 WpHG a.F. umgesetzt wurde4. Tatsächlich bauen Art. 7 Abs. 1 lit. a, b bzw. d VO Nr. 596/2014 auf Bestimmungen in Art. 1 Nr. 1 Abs. 1, 2 bzw. 3 RL 2003/6/EG auf5. Ist der Begriff der Insiderinformationen nach wie vor maßgeblich durch den Begriff der „Finanzinstrumente“ bestimmt6, so wird dieser und damit auch der Anwendungsbereich des Insiderrechts um denjenigen der „Emissionszertifikate“ (Art. 7 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014) erweitert. Darüber hinaus ist der Konkretisierungsgrad, den der Begriff der Insiderinformation und seine Begriffselemente in Art. 7 VO Nr. 596/2014 erfahren haben, erheblich gestiegen. Dabei wurden auch Probleme der Anwendung des Begriffs der Insiderinformationen und dessen Auslegung durch den EuGH teilweise – namentlich durch Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 über Zwischenschritte (dazu Rz. 25, 51 ff.) – in die Vorschriften über Insiderinformationen überführt.
3 Unverändert geblieben ist auch, dass dem Verbot von Insidergeschäften und der unrechtmäßigen Offenle-
gung von Insiderinformationen in Art. 14 VO Nr. 596/2014 auf der einen Seite und der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (sog. Ad-hoc-Publizität) nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 auf der anderen Seite ein einheitlicher Insiderbegriff zugrunde liegt (sog. einstufiges Modell). Dagegen suchte der „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)“ vom 20.10.2011 (im Folgenden: Vorschlag Marktmissbrauchsverordnung)7 noch ein zweistufiges Modell einzuführen, das die Insiderhandelsverbote auch weiterhin an den
1 Szesny, DB 2016, 1420, 1421; s. auch Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27. 2 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 3 S. dazu Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 11. Im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung: Richtlinie 2003/ 124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG (Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen [...]), ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 4 Zu Modifikationen des Begriffs der Insiderinformation, wie er der Insiderrichtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 (ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30) zugrunde lag, s. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 2. 5 S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003. 6 Auch die Definitionen der in Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 als Bezugspunkt des Begriffs „Insiderinformationen“ verwandten Begriffe „Emittent“ und „Warenderivate“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 bzw. Nr. 24 greifen auf den Begriff der „Finanzinstrumente“ zurück; s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 30 und 35 ff. 7 KOM(2011) 651 endgültig, 2011/0295 (COD).
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Insiderinformation | Rz. 4a Art. 7 VO Nr. 596/2014
Begriff der Insiderinformation anbinden sollte, wie er der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) zugrunde lag, für die Veröffentlichungspflicht von Insiderinformationen aber auch nicht präzise Informationen ausreichend lassen wollte, sofern sie nur „einem verständigen Investor verfügbar wären, der regelmäßig an diesem Markt und mit dem betreffenden Finanzinstrument oder einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt handelt, von diesem als relevant bei der Entscheidung über die Bedingungen betrachtet würden“8. Dieses, mit einer Aufspaltung des Begriffs der Insiderinformation arbeitende regulatorische Konzept begründete der Vorschlag wie folgt: „Insider-Informationen können missbraucht werden, bevor ein Emittent zu deren Offenlegung verpflichtet ist. Der Stand von Vertragsverhandlungen, vorläufig in Vertragsverhandlungen vereinbarte Bedingungen, die Möglichkeit der Platzierung von Finanzinstrumenten, die Umstände, unter denen Finanzinstrumente vermarktet werden, oder vorläufige Bedingungen für die Platzierung von Finanzinstrumenten können für Investoren relevante Informationen sein. Daher sollten derartige Informationen als Insider-Informationen eingestuft werden. Entsprechende Informationen können jedoch mitunter nicht ausreichend präzise sein, um für den Emittenten eine Pflicht zu deren Offenlegung zu begründen. In solchen Fällen sollte das Verbot von Insider-Geschäften gelten, die Pflicht zur Offenlegung der betreffenden Informationen jedoch nicht.“9
Der Vorschlag eines gespaltenen Begriffs der Insiderinformation war von der britischen Marktmiss- 4 brauchsregulierung und dem die Veröffentlichung von Insiderinformationen auslösenden Begriff der Insiderinformation im Sinne einer „relevant information not generally available“ (sog. RINGA-Konzept) inspiriert10. Letzterer sah sich jedoch wegen seiner begrifflichen Unschärfen, der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit und den höheren „Compliance-Kosten“, den die Anknüpfung unterschiedlicher Marktmissbrauchsregelungen an unterschiedliche Begriffe der Insiderinformation mit sich gebracht hätte, erheblichen Einwänden ausgesetzt11 und wurde schließlich im Gesetzgebungsverfahren im Rahmen des Trilogs zwischen Europäischem Parlament, Europäischem Rat und der Europäischen Kommission zum Verordnungsvorschlag fallen gelassen12. Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer Verordnung 4a u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014)13 – nebst Anhängen vorgelegt (Einl. Rz. 51). Mit dieser Gesetzesinitiative sollen die Vorschriften über die Börsenzulassung und die Zulassungsfolgepflichten vereinfacht werden, um die öffentlichen Kapitalmärkte für EU-Unternehmen attraktiver zu machen und KMU den Kapitalzugang zu erleichtern (näher Einl. Rz. 51). Dazu sind nicht nur Änderungen der EU-Prospektverordnung zur Erleichterung der Prospekterstellung vorgesehen, sondern auch solche der Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf den (dem Insiderhandelsrecht nach Art. 7–11, 14 VO Nr. 596/2014 zugrunde liegenden) Insiderbegriff nach Art. 7 VO Nr. 596/2014 und die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014. Auf die nach – Stand des Verordnungsvorschlags vom 7.12.2022 (Einl. Rz. 51) – zu erwartenden Änderungen des Begriffs der Insiderinformation gem. Art. 7 VO Nr. 596/2014 wird in den nachfolgenden Erläuterungen hingewiesen. Dabei hat sich nur einer der Änderungsvorschläge in einem Vorschlag zur Änderung des Art. 7 VO Nr. 596/2014 niedergeschlagen, dessen Abs. 1 lit. d neu gefasst werden soll. Diese Änderung soll sowohl den Kreis potenzieller Insider als auch den der dadurch erlangten potenziellen Insiderinformationen im Zusammenhang mit dem Erhalt und der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente erweitern (s. Rz. 104a). Ein zweiter Änderungsvorschlag betrifft die Qualifikation von Zwischenschritten im Rahmen mehrstufiger Entscheidungsvorgänge als Insiderinformationen und die daran anknüpfende Verpflichtung zur Ad-hoc-Veröffentlichung derselben. Die vorgeschlagene Änderung von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 hätte zur Folge, dass Zwischenschritte auf dem Weg zur Herbeiführung eines zukünftigen Ereignisses oder zukünftiger Umstände („intermediate steps in a protracted process“) nicht mehr ad hoc zu publizieren sind (s. Rz. 59a). 8 Art. 6 Abs. 1 lit. e Vorschlag Marktmissbrauchsverordnung vom 20.10.2011 (Rz. 3). 9 Vorschlag Marktmissbrauchsverordnung vom 20.10.2011 (Rz. 3), S. 10. 10 Dazu Bachmann, DB 2012, 2206, 2211; Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 335 f.; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 412 f.; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 596. 11 Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 336; Merkner/Sustmann, AG 2012, 315, 320 f.; Mock, ZBB 2012, 286, 290 f.; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 417; Veil, ZBB 2014, 85, 89; Veil/Koch, WM 2011, 2297, 2299; Viciano-Gofferje/Cascante, NZG 2012, 968, 971 f. 12 Dazu Parmentier, BKR 2013, 133, 135 f.; Poelzig, NZG 2016, 528, 531; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 413 ff.; Veil, ZBB 2014, 85 (89). S. auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 15. 13 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, Brussels, 7.12.2022, COM(2022) 762 final, 2022/0411 (COD), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b213de69-770d11ed-9887-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_1&format=PDF.
Assmann | 133
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 5 | Insiderinformation
II. Insiderinformationen – Begriff und Begriffselemente 1. Bezugspunkte: Emittenten und Finanzinstrumente 5 Insiderinformationen sind Informationen, die sich auf einen Emittenten oder auf Finanzinstrumente bezie-
hen. Dabei ist auch der Begriff des Emittenten mit durch denjenigen der Finanzinstrumente definiert: Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 bezeichnet „Emittent“ eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt, wobei der Emittent im Fall von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, der Emittent des repräsentierten Finanzinstruments ist. Finanzinstrumente, die Gegenstand einer Insiderinformation sein können, sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 solche i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Nr. 15 RL 2014/65/EU14 (aufgeführt in Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2), die auf einem der in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 aufgeführten Märkte gehandelt werden (s. Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 und 9, sowie zu den einzelnen Märkten Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 f., 12 f. und 14), und die in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d und Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 f. bzw. 17 f.) sowie Art. 2 Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/2014 (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 bzw. 21) genannten Finanzinstrumente.
2. Grunddefinition 6 Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 enthält die Definition von Insiderinformationen. Alle weiteren Be-
stimmungen des Art. 7 VO Nr. 596/2014 – mit Ausnahme derer über die Herausgabe von Leitlinien für die Erstellung einer nicht erschöpfenden indikativen Liste von Insiderinformationen in Bezug auf Warenderivate nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 durch die ESMA – sind Konkretisierungen dieser, im Folgenden als Grunddefinition bezeichneten Definition in Bezug auf bestimmte Finanzinstrumente, bestimmte Tätigkeiten bestimmter Personen in Bezug auf Finanzinstrumente oder spezielle Vorgänge.
7 Die komplexe Grunddefinition der Insiderinformation in Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, die sich auf
Insiderinformationen über alle Emittenten und alle Arten von Finanzinstrumenten bezieht, lässt sich in vier Begriffselemente aufspalten. Danach ist eine Insiderinformation – eine präzise Information über Ereignisse oder eine Reihe von Umständen, – die nicht öffentlich bekannt sind, – die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen und – die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.
3. Präzise Information (Art. 7 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VO Nr. 596/2014) a) Allgemeines – Übersicht 8 Eine Information kann nur dann eine Insiderinformation sein, wenn sie präzise ist. Art. 1 Nr. 1 RL 2003/
124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der RL 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie 2003)15 mit geringen sprachlichen Modifikationen folgend und den Wortlaut an die Neuregelungen in Art. 7 Abs. 1 lit. b und c VO Nr. 596/2014 anpassend, bestimmt Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014, dass für die Zwecke von Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 Informationen dann als präzise anzusehen sind, „wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits gegeben sind oder bei denen man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder von dem man vernünftigerweise erwarten kann, dass es in Zukunft eintreten wird, und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen“.
9 Aufgrund des vergleichbaren Wortlauts von Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG (Rz. 8) und Art. 7 Abs. 2 Satz 1
VO Nr. 596/2014 kann deshalb weitgehend auf die Auslegung des Begriffs der „präzisen Information“ zu-
14 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349. 15 ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70.
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Insiderinformation | Rz. 13 Art. 7 VO Nr. 596/2014
rückgegriffen werden, wie sie sich zu Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG und § 13 WpHG a.F. herausgebildet hat16. Das gilt vor allem deshalb, weil es unbestritten war, dass der in § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. verwandte Begriff der „konkreten Information“ lediglich die Transformation des in Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG verwandten Begriffs der „präzisen Information“ in das deutsche Recht darstellte17 und deshalb unter Rückgriff auf die Formulierung in der Richtlinienbestimmung auszulegen war18. Eine deutliche sprachliche Abweichung des Wortlauts des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 von demjenigen Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG liegt allerdings darin, dass der erstere nur solche zukünftigen Umstände bzw. Ereignisse als präzise definiert, von denen „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass sie in Zukunft gegeben sein werden bzw. eintreten werden, während Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG noch eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ verlangte, dass Umstände bzw. Ereignisse in Zukunft existieren bzw. eintreten werden. Aber in der Sache übernimmt die Neuformulierung lediglich die Auslegung des EuGH, die dieser dem Begriff „hinreichende Wahrscheinlichkeit“, im Anschluss an die sprachliche Fassung der RL 2003/124/EG durch die ganz überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten, zuteilwerden ließ (näher Rz. 49)19. Unverändert aus Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG übernommen wurde in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 10 auch die zweistufige Definition des Begriffs der präzisen Information, die sich in der Umsetzung der Richtlinie durch § 13 WpHG a.F. nur unzureichend wiederfand, aber im Anschluss an die Definition in der vorgenannten Richtlinienbestimmung doch allgemein als Bestandteil des Begriffs der „konkreten Information“ i.S.v. § 13 Abs. 1 WpHG a.F. angesehen wurde20: – Dabei geht es auf der ersten Stufe darum, ob eine Information gem. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 11 als eine solche über einen existierenden Umstand oder ein eingetretenes Ereignis oder als eine solche über zukünftig existierende Umstände oder eintretende Ereignisse zu qualifizieren ist, wobei zukunftsbezogene Informationen nur dann als Insiderinformationen in Betracht kommen, wenn vernünftigerweise erwartet werden kann, dass der fragliche Umstand zukünftig gegeben bzw. das zukünftige Ereignis eingetreten sein wird. Dazu im Einzelnen Rz. 15 ff. – Erfüllt eine Information diese Voraussetzungen, ist auf einer zweiten Stufe die Kursspezifität dieser Infor- 12 mation i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zu prüfen. Dabei geht es nicht um die Kurserheblichkeit der Information (d.h. ihre Eignung, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs des betroffenen Finanzinstruments oder denjenigen der mit diesem verbundenen derivativen Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen), sondern darum, ob sie spezifisch genug ist, um eine Aussage über ihre Kursrelevanz für das betroffene Finanzinstrument bzw. der mit diesem verbundenen derivativen Finanzinstrumente zu erlauben21. Dazu im Einzelnen Rz. 60 ff. Die Bedeutung der zweiten Prüfungsstufe erschließt sich, wenn man berücksichtigt, dass die Definition von 13 Insiderinformation in Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 – derjenigen in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 RL 2003/6/ EG (Rz. 2) in dieser Hinsicht folgend – explizit auch Informationen mit indirektem Bezug zu einem oder mehreren Emittenten und einem oder mehreren Finanzinstrumenten als Insiderinformationen aufführt. Angesichts der Fülle der Informationen über Umstände oder Ereignisse, die den Emittenten oder Insiderpapiere mittelbar berühren können, kommt dem Merkmal der Spezifität der Insiderinformation eine Auslesefunktion zu. Zwar weist es eine gewisse Nähe zu dem der Kurserheblichkeit der fraglichen Information auf (Eignung, „den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen“), doch ist hierbei kein Urteil über die Kurserheblichkeit verlangt, sondern lediglich eine Antwort auf die Frage, ob die Information überhaupt hinreichenden Bezug zu einem oder mehreren Emittenten oder zu einem Finanzinstrument oder mehreren Finanzinstrumenten aufweist, um ein Urteil über die Kurserheblichkeit zu gestatten. 16 Ebenso etwa Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.159. 17 Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 6. 18 Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 7. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 51; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 10; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 9; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 7. 19 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 556 f. Rz. 44 ff. Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 9. 20 Auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 27 ff. 21 Zur Regelung in Art. 13 WpHG a.F. s. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 8 m.w.N. Auf diese zweite Stufe weist – ebenfalls noch unter dem Regelungsregime von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/124/EG – ausdrücklich auch der EuGH in seiner Entscheidung v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl), AG 2012, 555, 556 Rz. 39, Hervorhebung im Original) hin: „Wie aus Randnr. 29 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist die Einstufung einer Information als präzise außerdem von der Erfüllung der zweiten in der genannten Bestimmung aufgestellten Voraussetzung abhängig, die darin besteht, dass die Information spezifisch genug sein muss, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung der fraglichen Reihe von Umständen oder des fraglichen Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten zulässt.“
Assmann | 135
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 14 | Insiderinformation 14 Wie der EuGH in der Lafonta-Entscheidung22 hervorhebt, schließt der Begriff der Insiderinformation, wie
er in Art. 1 Abs. 1 RL 2003/6/EG (Rz. 2) verwandt wurde, nur vage oder allgemeine Informationen aus, die keine Schlussfolgerung hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkung auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente zulassen. Weder gehe aber aus dem Wortlaut der Bestimmung hervor noch entspreche es der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Zweck der Richtlinie, „dass ‚präzise‘ Informationen nur solche sein können, mit denen sich bestimmen lässt, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente oder der sich darauf beziehenden derivativen Finanzinstrumente ändern würde“23. Über die Frage der Kurserheblichkeit der Information hatte das Gericht nicht zu befinden. Dem folgt auch die BaFin, unter ausdrücklicher Berufung auf die Lafonta-Entscheidung des EuGH. In ihrem Emittentenleitfaden Modul C heißt es, „für das Vorliegen einer ‚präzisen‘ Information [sei es unerheblich], in welche Richtung die mögliche Auswirkung auf den Kurs der betroffenen Finanzinstrumente“ erfolge24. b) Umstände und Ereignisse aa) Eingetretene Umstände und Ereignisse (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) (1) Unterscheidung zwischen Umständen und Ereignissen
15 Als präzise Informationen kommen nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 eine Reihe von eingetretenen
Umständen oder ein bereits eingetretenes Ereignis in Betracht. Die Unterscheidung zwischen Umständen und Ereignissen fand sich schon in Art. 1 Abs. 1 RL 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 8), wurde aber in § 13 WpHG a.F. nicht übernommen. Vielmehr war in dieser Vorschrift nur von konkreten Informationen über „Umstände“ die Rede. Das wiederum war darauf zurückzuführen, dass sich im Gesetzgebungsverfahren die im Finanzausschuss aufgekommene Ansicht durchsetzte, der Begriff der „Umstände“ umfasse auch „Ereignisse“25. Auch in Bezug auf Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 erscheint die Ansicht berechtigt26. Als beobachtbare Geschehen sind Ereignisse auch Umstände im Sinne von dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Das schließt zwar Meinungen oder Glaubensvorstellungen als inhaltlich nicht beweisbare Tatsachen aus, nicht aber den Umstand, dass jemand eine bestimmte Meinung hat oder an etwas Bestimmtes glaubt oder bestimmte Ansichten oder Glaubensvorstellungen existieren (Rz. 19). Zur Unterscheidung von inneren und äußeren Tatsachen s. Rz. 16. Deshalb erscheint die Differenzierung nur in der Hinsicht bedeutsam, dass mit der Formulierung „eine Reihe von Umständen“ auch eine Vielzahl für sich genommen nur mehr oder weniger bedeutsame Tatsachen zusammen eine präzise und kursspezifische Information darstellen können. Das wird gemeinhin aber auch schon für den Begriff der Insiderinformation angenommen27. (2) Äußere und innere Tatsachen und Drittbezug
16 Als eingetretene Ereignisse oder Umstände, die Gegenstand einer Insiderinformation sein können, kom-
men nur Tatsachen in Betracht, d.h. der äußeren Wahrnehmung zugängliche Geschehnisse oder Zustände 22 EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388 Ls., 389 f. Rz. 30 ff. 23 EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388 Ls., 389 Rz. 30. Im Hinblick auf die entschiedene Frage zustimmend, im Hinblick auf die offen gebliebenen Fragen aber kritisch zu der Entscheidung Klöhn, NZG 2015, 809; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/694. Dass die Entscheidung auch für die Auslegung von Art. 7 VO Nr. 596/2014 relevant ist, wird einhellig bejaht: Klöhn, ZIP 2014, 945, 952; Langenbucher, AG 2016, 417, 421 f.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.16. Zustimmend Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 39 ff. (Rz. 39: Schärfung der Differenzierung zwischen Kursspezifität und Kurserheblichkeit“; Rz. 41: „überzeugt nicht nur in dogmatischer, sondern auch in praktischer Hinsicht“). 24 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.2 S. 9, S. 9/10: „Im sog. Lafonta-Urteil... hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) nämlich entschieden, dass für die Einstufung einer Information als ‚präzise‘ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG15 nicht zu verlangen ist, dass aus ihr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abzuleiten ist, dass sich ihr potenzieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt wird“. Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 39 ff. 25 S. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3493 v. 1.7.2004, 51. 26 Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 51; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 17; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 9; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.162; Kumpan in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 12, 20; Veil/Gumpp/Templer/Voigt, ZGR 2020, 2, 9. 27 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 43, unter Berufung auf die Verwendung des Plurals „Insiderinformationen“ in Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.13; Veil/Gumpp/Templer/Voigt, ZGR 2020, 2, 9. Zum Insiderrecht unter dem WpHG a.F. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 99; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 45 (Insiderinformation kann aus mehreren Informationen bestehen).
136 | Assmann
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Insiderinformation | Rz. 16 Art. 7 VO Nr. 596/2014
der Außenwelt (sog. äußere Tatsachen)28 und des menschlichen Innenlebens (sog. innere Tatsachen)29. Der äußeren Wahrnehmung zugänglich kann nur das sein, was auch dem Beweis zugänglich ist30. Geht es um die Mitteilung von Geschehnissen oder Zuständen, so kommt es allein auf die Verifizierbarkeit – im Sinne der Möglichkeit eines Beweises – derselben, nicht aber darauf an, ob der Informant oder der Informationsempfänger in der Lage ist, sie im Einzelfall tatsächlich zu verifizieren31. Um eine konkrete Information handelt es sich auch dann, wenn sie mit Geltungsanspruch mitgeteilte und verifizierbare Aussagen über Umstände oder Ereignisse zum Gegenstand hat, die sich im Nachhinein als unwahr erweisen32. Entscheidend ist allein, ob sich dem durchschnittlichen Anleger die Information im Zeitpunkt ihrer Erlangung – und das heißt im Hinblick darauf, dass sich die Information nachträglich als unwahr erweist, „ex ante“33 – als eine solche darstellt, die, ganz im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014, „eine Reihe von Umständen“ meint, die bereits gegeben sind oder – genauer – als gegeben erscheinen34. Eine präzise Information ist eine unwahre Tatsache auch dann, wenn ein einzelner oder mehrere Anleger die Unrichtigkeit der nicht öffentlich bekannten Information kennt bzw. kennen, diese aber, wäre sie öffentlich bekannt geworden, als zutreffende Information angesehen worden und geeignet gewesen wäre, den Kurs der betroffenen Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen35. An dem Merkmal einer konkreten Information wird es dagegen mangeln, wenn die Aussage – wie Gerüchte (dazu Rz. 35 f.) – zugleich Zweifel an ihrer Quelle und der Wahrheit ihres Inhalts mitliefert.
28 Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436 mit Anm. Assmann. S. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 33; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 45; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 44; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 55; Krause in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 32. 29 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 33, und Emittentenleitfaden 2009, S. 33; Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 12 Fn. 7; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 40, 45; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 56; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 37; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 86 Rz. 44, 93; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 55; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 23; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 32; Meyer in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.163. 30 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 45; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 56; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 56; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 32; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 8. Für Art. 7 VO Nr. 596/2014 auch Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 54; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 32 f. Für Art. 7 VO Nr. 596/2014 dagegen a.A. Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 20 („Verfehlt wäre damit insbesondere eine Begrenzung auf Tatsachen, also dem Beweis zugängliche Geschehnisse, wie dies teilweise gestützt auf den Wortlaut des § 13 WpHG a.F. früher vertreten wurde“), aber verfehlt, weil „beweisbar“ nicht mit „wahr“ gleichzusetzen ist und „jede[r] der kognitiven Wahrnehmung zugänglich[e] Vorgang“, auf den die Autoren abstellen, denknotwendig nur ein Vorgang sein kann, der existiert und wie auch immer wahrgenommen werden kann. 31 Darum geht es wohl dem Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436, wenn er – in der Formulierung allerdings nicht vertretbar – behauptet, die Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit spiele für den Begriff der Tatsache keine Rolle. Ebenso Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 32. 32 Ebenso Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 35; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.165; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 25. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 63. Zweifelnd („problematisch“) Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 46. A.A. Dreyling/Schäfer, Rz. 64; Wüsthoff, S. 46 f. 33 Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 63; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 34; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 68; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 35 f. 34 Nach anderer, mit Ausnahme von Poelzig, Kapitalmarktrecht, § 13 Rz. 371, ausschließlich von strafrechtlicher Literatur vertretener Ansicht sind vermeintliche Insiderinformationen, die zwar vom Insider und vom Markt als wahr eingestuft und behandelt werden, sich aber später als unzutreffend herausstellen, nicht als Insiderinformationen zu behandeln, weil keine Information, sondern eine Fehlinformation vorliege. Diese führe nicht zu Wissen, sondern zu einem Irrtum. So Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 47. Die Verfasser räumen zwar ein, „es wäre ... begrifflich möglich, auch unzutreffende Aussagen als ‚Informationen‘ iSv Art. 7 der Marktmissbrauchsverordnung einzustufen“, verkennen aber, dass genau dies in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 mit dem Begriff der präzisen Information angelegt und dieser zwar eine Unterscheidung nach präzise und unpräzise, nicht aber eine solche von Information und Fehlinformation und von Wissen und Irrtum erlaubt. Wie Hilgendorf/Kusche auch Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, Nr. 820 WpHG, § 38 Rz. 144; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, Nebenstrafrecht II, 4. Kapitel, XII WpHG, § 119 WpHG Rz. 168 (allenfalls Versuchsstrafbarkeit); Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 236. EL Mai 2021, W 57 a. WpHG, Abschnitt 3. Insiderüberwachung, § 13 WpHG Rz. 6. 35 Nach Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 64, soll es sich um keine Insiderinformation handeln, wenn der Anleger „weiß, dass die Tatsache falsch ist“.
Assmann | 137
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 | Insiderinformation 17 Den Grundsatz, dass auch „innere Tatsachen“ präzise Informationen sein können, hat der 1. Strafsenat des
BGH in seiner Entscheidung vom 6.11.200336 einzuschränken versucht, indem er urteilte, als präzise Informationen kämen nur Informationen mit einem „Drittbezug“ in Betracht. Gemeint ist damit, dass eine von einer Person selbst geschaffene Tatsache – im konkreten Fall ging es um den Erwerb von Wertpapieren in der Absicht, sie anschließend anderen zum Erwerb zu empfehlen („Scalping“, s. dazu Art. 8 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 62 ff.) – für sie selbst keine Information sein könne, oder m.a.W., dass für eine Person eine Information nur sein könne, was sich auf etwas anderes als ihre eigene „innere“ Sphäre beziehe. Obwohl diese Annahme weder logisch zwingend ist noch dem Regelungsziel des Insiderrechts entspricht37, ist ihr ein großer Teil des Schrifttums gefolgt38. Auch wenn nicht tiefer begründet, hat der EuGH jedoch in der GeorgakisEntscheidung39 deutlich gemacht, dass nach einer richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der Insiderinformation von einer Person selbst geschaffene „innere Tatsachen“ auch für diese Insiderinformationen sein können40. Das gilt umso mehr, wenn die fragliche Person lediglich an einer gemeinschaftlichen Entscheidung beteiligt war41. Obschon unter und zu der aufgehobenen RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) und der RL 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003 (Rz. 8) ergangen, ist diese Entscheidung ohne Weiteres auf die heutige Regelung in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 übertragbar und maßgeblich für die Auslegung des Begriffs der präzisen Information anzusehen42. Zweifel daran, dass selbst geschaffene innere Tatsachen präzise Informationen und damit Insiderinformationen sein können, wurden endgültig durch Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 beseitigt, der im Rahmen seiner Vorschriften über „Legitime Handlungen“ und als Reaktion auf die Georgakis-Entscheidung bestimmt, „die bloße Tatsache, dass eine Person ihr Wissen darüber, dass sie beschlossen hat, Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, beim Erwerb oder der Veräußerung dieser Finanzinstrumente“ nutze, stelle „an sich noch keine Nutzung von Insiderinformationen“ dar (dazu näher Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 23).
18 Können Personen damit in Bezug auf ihr Vorhaben, ein Übernahmeangebot abzugeben, Insider sein, so sind sie
dadurch allerdings nicht gehindert, ihren Plan wie vorgesehen – durch den sukzessiven Aufkauf von Aktien der Zielgesellschaft – auszuführen: Das folgte nach dem seinerzeitigen Insiderrecht daraus, dass die Ausführung eines Vorhabens nach nahezu einhelliger Auffassung keine Verwendung einer Insiderinformation i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. darstellte, weil es an der Ursächlichkeit der Insiderinformation für das Handeln des Betreffenden fehlte43. Daran hat sich auch unter Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 – welcher der vorstehend angeführten Bestimmung des WpHG a.F. entspricht und in dem statt von „Verwendung“, bei gleichem Bedeutungsgehalt, von „Nutzung“ einer Insiderinformation die Rede ist – nichts geändert. Dessen ungeachtet stellte aber auch nach der Ansicht, die eine Insiderinformation nur für den Fall annehmen wollte, dass sie einen „Drittbezug“ aufweist, die Kenntnis von fremden Entschlüssen eine präzise „konkrete“ (heute: „präzise“) Information dar44.
(3) Werturteile, Ansichten und Meinungen 19 Nicht der Verifizierung zugänglich ist der Inhalt von Werturteilen, Ansichten und Meinungen45. Das gilt für
Rechtsauffassungen46, d.h. Aussagen über das Ergebnis der Anwendung objektiven Rechts auf objektive
36 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, AG 2004, 144. 37 Dazu näher Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 8. 38 S. die Nachweise bei Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 8 Fn. 3 und 4 (S. 400). Noch immer dieser Ansicht Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 83. Zur seinerzeitigen Gegenansicht Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 8 Fn. 6 (S. 400). 39 EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542. 40 Zur Entscheidung und dieser zustimmend etwa Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 346; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 23. 41 EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542 Rz. 33, 35. 42 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 44, 93; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 26; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 24; i.E. auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 23. 43 S. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 8, § 14 WpHG Rz. 25 ff.; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 791 ff. 44 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302, 303 = AG 2004, 144; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 3. Aufl. 2007, § 12 Rz. 31. 45 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 46; Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 57; Hilgendorf/Kusche in Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 32; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 35; Kumpan/ Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 71; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.115; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39. Kryptisch die Ansicht Klöhns in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 71, „Meinungen, Werturteile, Ansichten und Rechtsauffassungen“ seien „Informationen über Umstände“. 46 BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307 (Ls. 1: „Ob ein ehemaliges Mitglied des Vorstands seine Pflichten verletzt hat, ist eine rechtliche Würdigung, die als Meinungsäußerung mangels Beweisbarkeit keine Tatsache ist“),
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Insiderinformation | Rz. 20 Art. 7 VO Nr. 596/2014
Sachverhalte, ebenso wie für Unternehmensbewertungen; zur Behandlung der Letzteren als Insiderinformation s. aber näher Rz. 32 ff. Dessen ungeachtet können auch Werturteile, Ansichten und Meinungen einen Tatsachenkern haben oder selbst Tatsacheninformationen mit sich führen, die als Insiderinformationen zu betrachten sind47. Des Weiteren stellt der Umstand, dass eine bestimmte Person, ein Organmitglied, ein Sachverständiger, ein Analyst oder eine Ratingagentur eine bestimmte Meinung vertritt, Umstände oder Ereignisse in bestimmter Weise bewertet oder die Meinung oder Bewertung eines anderen teilt oder nicht teilt, eine der Überprüfung zugängliche äußere oder innere Tatsache dar48. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Absicht einer Person, in einer Presseveröffentlichung eine Meinung, eine Rechtsauffassung oder ein „Marktgerücht“49 aufzugreifen und offenzulegen. Darüber hinaus können Werturteile auch deshalb als Tatsachen anzusehen sein, weil sie der Verkehr – namentlich wegen der Person, die das Werturteil abgegeben hat und/oder den Umständen, unter denen es oder auf deren Grundlage (die letzten Quartalszahlen) kundgegeben wurde – wie Tatsachen behandelt50. Das kann dann angenommen werden, wenn der Vorstandsvorsitzende oder Finanzvorstand bei einem Analystengespräch vor der Hintergrund der letzten Quartalszahlen mit negativen Ergebnissen äußert, die Ertragslage des Unternehmens habe sich in diesem Quartal im Gegensatz zum letzten gut entwickelt. (4) Pläne, Vorhaben oder Absichten und Schritte zu deren Verwirklichung Entsprechend verhält es sich mit Plänen, Vorhaben oder Absichten. Dass jemand bestimmte Pläne, Vor- 20 haben oder Absichten hat und verfolgt („innere Tatsache“, Rz. 16), stellt – unabhängig von ihrer Ernsthaftigkeit, der Wahrscheinlichkeit ihrer Realisierung und ihrer Kurserheblichkeit – einen Umstand dar, der des Beweises zugänglich ist51. So ist bereits die Information über die Absicht eines gerade erst gewählten Vorstandsvorsitzenden, unter gewissen Umständen aus dem Vorstand auszuscheiden, als eine präzise und auch kursspezifische Information anzusehen52. Dabei spielt die Realisierungswahrscheinlichkeit von Plänen, Vorhaben oder Absichten, neben möglichen anderen Faktoren, erst im Rahmen der Kurserheblichkeit eine Rolle, wenn die Frage zu beantworten ist, ob die Information, würde sie öffentlich bekannt, geeignet ist, den Kurs von Finanzinstrumenten, derivativen Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten
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2311 Rz. 42; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 35 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 71; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 44. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 46; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 57; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 32; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 74; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.116; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 71; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 35; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39, 41; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.14; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.12. A.A. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 344. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 46; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 58 (in Bezug auf Organmitglieder); Hilgendorf/Kusche in Park, 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 51; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 43; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 73; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 75; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 37; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 72; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.14a; auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 344. Wohl aus diesem Grund, aber ohne nähere Begründung und zu undifferenziert, erklärt die BaFin im Emittentenleitfaden 2013, S. 33, „überprüfbare Werturteile, Einschätzungen, Absichten, Prognosen und Gerüchte“ zu Tatsachen. EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398. Näher Rz. 36b. Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 45, Rz. 46 für Unternehmensbewertungen, weil diese auf Tatsachen beruhten und diese „klar vorgegebenen Regeln“ folgten; ebenso für Unternehmensbewertung Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 51. Wie hier und in Bezug auf Art. 7 VO Nr. 596/2014 auch Krause in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 37: „Der Grund für die Einordnung eines Werturteils als Tatsache ... können auch die Umstände sein, unter denen ein Werturteil kundgegeben wurde ... Insoweit kommen als insiderrechtlich relevante Umstände insbesondere Werturteile von Funktionsträgern in Betracht, denen der Markt aufgrund ihrer Stellung ein nicht öffentlich bekanntes Sachwissen sowie die Fähigkeit zur Durchsetzbarkeit ihrer Entschlüsse zumisst (zB die Aussage des Vorstandsvorsitzenden eines Emittenten, der sich im Analystengespräch zur Umsetzung seiner Strategie äußert)“; Rz. 38 zu „Analysen und Bewertungen“; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.167. BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380, 382; OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Rz. 5. Ebenso, jeweils m.w.N., Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 56; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 44; Kumpan/Misterek in Schwark/ Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 81; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 57. I.E. auch BaFin im Emittentenleitfaden 2013, S. 33, und BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.2.2 S. 9, S. 24. OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Rz. 6.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 | Insiderinformation oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten spürbar zu beeinflussen, was wiederum dann der Fall ist, wenn ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde (Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014). Das wird er in der Regel nur tun, wenn er – entsprechend der in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Regel zur Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Informationen über zukünftige Umstände oder Ereignisse präzise Informationen sind – vernünftigerweise erwarten kann, dass sich das Geplante, Beabsichtigte oder Vorgenommene in Zukunft realisieren werde. Aber auch ungeachtet der Realisierungswahrscheinlichkeit eines Plans, eines Vorhabens oder einer Absicht können Umstände gegeben sein, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass ein verständiger Anleger das schiere Aufkommen und die bloße Existenz eines Plans, eines Vorhabens oder einer Absicht als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen wird. 21 Im Hinblick auf die Behandlung von Plänen, Vorhaben oder Absichten eines Individuums als präzise Infor-
mationen ist allerdings zu beachten, dass die Rechtsprechung sie als solche erst ab dem Zeitpunkt qualifiziert, in dem sie den Bereich interner Willensbildung verlassen haben. Der BGH begründet dies mit der fehlenden Kursspezifität von inneren Tatsachen, die „nicht über den engen persönlichen Bereich hinausgelangt“ seien53 (näher dazu Rz. 62), während das OLG Frankfurt argumentiert, um zu einer insiderrechtlich relevanten „konkreten Tatsache“ zu werden, müsse „das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses gegenüber einem Entscheidungsträger des Unternehmens als konkrete Tatsache objektiv nach außen zu Tage“ treten, beispielsweise durch „Mitteilung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied, das Amt niederlegen zu wollen“54.
22 Die Behandlung von Plänen, Vorhaben oder Absichten als Information über eingetretene Umstände oder Er-
eignisse schließt es freilich nicht aus, diese im Hinblick auf ihren Inhalt auch als Information über zukünftige Umstände oder Ereignisse zu betrachten55, die nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 dann als präzise Information zu qualifizieren ist, wenn vernünftigerweise erwartet kann, dass sich das Geplante, Beabsichtigte oder Vorgenommene in Zukunft realisieren werde. Auch in diesem Falle wäre eine Insiderinformation allerdings nur gegeben, wenn die fragliche Information über einen zukünftigen Umstand oder ein zukünftiges Ereignis darüber hinaus kurserheblich i.S.v. Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 wäre. Der Unterschied in der Behandlung von Plänen, Vorhaben oder Absichten als dem Beweis zugängliche Tatsache einerseits und als Information über zukünftige Umstände oder Ereignisse andererseits liegt darin, dass es sich im ersteren Falle um eine präzise und i.d.R. auch kursspezifische Information handelt, deren Eigenschaft, Insiderinformation zu sein, vor allem von ihrer im nächsten Schritt zu prüfenden Kursrelevanz abhängt. Demgegenüber sind Informationen über Pläne, Vorhaben oder Absichten als Informationen über zukünftige Umstände oder Ereignisse vor der Ermittlung ihrer Kursrelevanz noch daraufhin zu überprüfen, ob vernünftigerweise erwartet kann, dass sich das Geplante, Beabsichtigte oder Vorgenommene in Zukunft realisieren werde.
23 Die vorstehende Behandlung von Informationen über Pläne, Vorhaben oder Absichten als Informationen
sowohl über eingetretene Umstände oder Ereignisse als auch als solche über zukünftige Umstände oder Ereignisse folgt den vom EuGH im Geltl-Urteil56 dargelegten Grundsätzen zur Beurteilung einzelner Schritte eines zeitlich gestreckten Vorgangs im Hinblick auf die Absicht eines Vorstandsvorsitzenden, aus dem Vorstand auszuscheiden, sowie der diese anwendenden Rechtsprechung des BGH57. Die Entscheidung des EuGH, jeder „Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs“ könne „selbst eine Reihe von Umständen oder ein Ereignis in dem diesen Begriffen im Allgemeinen zugeschriebenen Sinn“ und damit eine präzise Information darstellen58, ist in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 übernommen und in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 in der Weise erläutert worden, dass „im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, dieser betreffende zukünftige Umstand bzw. das betreffende zukünftige Ereignis und auch die Zwischenschritte in diesem Vorgang, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, in dieser Hinsicht als präzise Information“ zu betrachten sind. Was für Zwischenschritte gilt, muss erst recht für den ersten Schritt gelten, mit dem ein gestreckter Vorgang auf den
53 Auch zum Folgenden BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 519/520 Rz. 19. Folgend Schäfer in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.14a. 54 OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414. In Bezug auf die Frage, ob es sich bei solchem „privat“ vorhandenen Wissen um ein dem Emittenten zurechenbares Wissen handelt, und diese verneinend Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 400 f. 55 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84, 85 Ls. 2 und Rz. 15. Unstreitig, Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 67 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 69; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 65a; Schwark/ Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 8. 56 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555. 57 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84. Dazu näher Rz. 49 ff. 58 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555 Ls. 1, 556 Rz. 31.
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Insiderinformation | Rz. 27 Art. 7 VO Nr. 596/2014
Weg gebracht wird. Zur Qualifizierung von Informationen über einzelne Schritte zur Umsetzung von Plänen, Vorhaben oder Absichten, deren Realisierung Zwischenschritte verlangt, s. Rz. 49 ff. Wird dem am Erwerb eines Aktienpakets oder dem potenziellen Bieter eines Übernahmeangebots eine Due 24 Diligence-Prüfung gewährt, so stellt eine diesbezügliche Information sowohl eine solche über ein zukünftiges Ereignis als auch eine solche über ein eingetretenes Ereignis dar. Diesbezüglich gibt es weder die Regel, nach der allein die Gewährung einer solchen Prüfung den Schluss zulässt, die Transaktion, derentwillen die Prüfung erfolgt, sei dadurch hinreichend wahrscheinlich geworden, noch ist der Schluss gerechtfertigt, die Gewährung der Prüfung sei schon per se kursrelevant im Hinblick auf die Wertpapiere der Zielgesellschaft und gegebenenfalls auch des Erwerbsinteressenten59. Das gilt selbst für bloße Vertraulichkeitsvereinbarungen, einen allgemein gehaltenen letter of intent und ein entsprechendes memorandum of understanding im Zusammenhang mit einer Due-Diligence-Gewährung60. (5) Unternehmensplanungen (Plandaten u.a.) Die vorstehenden Grundsätze zur insiderrechtlichen Behandlung von Plänen, Vorhaben oder Absichten be- 25 stimmen auch die insiderrechtliche Behandlung von Unternehmensplanungen (Plandaten, Wirtschaftspläne, Planrechnungen). Im Unterschied zur Information über einen Plan, einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeizuführen, stellt die Information über Unternehmensplan bei verständiger Würdigung dieses Instruments der Unternehmensleitung allerdings keine Information über zukünftige Umstände oder Ereignisse dar61, deren Qualifikation als präzise Information nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 davon abhinge, ob vernünftigerweise erwarten kann, dass diese in Zukunft gegeben bzw. eingetreten sein werden, denn Letzteres ist durchweg nicht der Fall. Unternehmensplanungen sind nicht mehr als Referenzdaten, Leitlinien oder Benchmarks, an denen sich 26 die im Unternehmen Handelnden orientieren und an denen ihr Erfolg gemessen wird. Planungen müssen zwar realistische Einschätzungen der Entwicklung der Märkte und des Wettbewerbs, der Produktionsfaktoren sowie der Leistungsfähigkeit des Unternehmens enthalten, um von den Unternehmensbeteiligten überhaupt als Grundlage ihres Handelns akzeptiert zu werden, sind aber auch stets strategischer Natur: Sie haben immer auch Steuerungs- und Anreizfunktion für ihre Adressaten und fallen deshalb – je nach den unternehmerischen Überlegungen, die in die Planung eingehen – bewusst einmal zurückhaltend oder ein andermal optimistisch aus. Darüber hinaus steht jeder Unternehmensplan unter dem Ceteris paribus-Vorbehalt, d.h. dem Vorbehalt, dass sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. Auf jeden Fall erlauben Unternehmenspläne aus sich heraus keine verlässlichen Aussagen über ihre Eintrittswahrscheinlichkeit. Das sieht für „allgemein formulierte Erwartungen oder langfristige Planungen des Emittenten (z.B. Planungen mit einem Zeithorizont von drei oder mehr Jahren oder interne Planungen im Sinne von Zielvorgaben)“ auch die BaFin so, weil diese keine hinreichend konkreten Rückschlüsse auf die tatsächliche Unternehmensentwicklung zuließen62, doch gelten die Vorbehalte der Aufsichtsbehörde nach dem Dargelegten schon für die Planungen für das kommende Geschäftsjähr, die regelmäßig in einem Zeitpunkt erstellt werden, in dem sich nicht einmal sicher sagen lässt, in welchem Umfang sich die Planungen für das aktuelle Geschäftsjahr realisieren werden63. Ganz fraglos sind Planungen deshalb auch keine Prognosen über den Eintritt bestimmter Ereignisse oder Erfolge (dazu Rz. 30), denn sie gehen erkennbar nicht mit der Aussage einher, die Planung oder einzelne Plandaten würden sicher oder mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Aufstellung von Unternehmensplanungen und Unterneh- 27 mensplandaten ein eingetretener Umstand oder ein eingetretenes Ereignis ist. Ob die Information über die Aufstellung oder einzelne oder Gruppen von Plandaten eine Insiderinformation darstellen, hängt deshalb vor allem von der Kurserheblichkeit der Information und d.h. nach Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 59 Schon unter § 14 WpHG a.F. i.E. ebenso Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 113; Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen und Folgen einer due-diligence-Prüfung, 2001, S. 338; Götze, BB 1998, 2326, 2328 f.; Gunßer, S. 113, 143. 60 Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 797 m.w.N. Zu den Voraussetzungen, unter denen diese eine Insiderinformation darstellen können, s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 214. 61 I.E. ebenso Reichert/Ott in FS Hopt, S. 2396 ff., 2405, S. 2397: „mangelnde Realisierungswahrscheinlichkeit“. 62 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 48 im Zusammenhang mit Prognosen. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/ Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.164. 63 Anders Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 13: „Dies ist insbesondere für Unternehmensplanungen für unmittelbar folgende Jahre von Bedeutung, denen nunmehr kaum noch die Qualität der präzisen Information über Umstände abgesprochen werden kann (anderes kann nur für 5- oder gar 10-Jahresplanungen gelten, da diesen häufiger nur Zielcharakter beizumessen sein wird). Dementsprechend hat Vorsicht zu walten bei der Weitergabe von Unternehmensplanungen vor Durchführung einer Due Diligence“.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 27 | Insiderinformation 2014 davon ab, ob ein verständiger Anleger sie „wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde“. Dies im Hinblick auf den vorstehend dargelegten Umstand zu verneinen, dass i.d.R. nicht einmal die Unternehmensplanungen aufstellenden Unternehmen vom Erreichen von Plandaten ausgehen, schließt aber nicht aus, dass ein Anleger den Plandaten unter besonderen Rahmenbedingungen – weil sie zu den vorausgegangen signifikant rückläufig ausfallen – Informationen zu entnehmen vermag, die ein verständiger Anleger für seine Anlageentscheidung nutzen würde64. Die Verwaltungspraxis der BaFin beurteilt dies indes auch im Hinblick auf Art. 7 VO Nr. 596/2014 und vor allem die Veröffentlichungspflicht von Planungen und Planungen einschließenden Prognosen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 anders und vertritt die Ansicht, dass „zunächst für den rein internen Gebrauch erstellte Prognosen insoweit veröffentlichungspflichtig werden können, wenn die sich darin manifestierende Planung hinreichend konkret erwartet wird und diese eine potentielle Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung aufweist“65. (6) Prognosen 28 Prognosen sind Aussagen über künftige Umstände und Ereignisse. Das sieht – obwohl bei der Begriffs-
bestimmung zu sehr auf die Kurserheblichkeit einer Prognose abstellend – letztlich auch die BaFin so, wenn sie im Emittentenleitfaden Modul C ausführt, Prognosen könnten Insiderinformationen sein, wenn sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte für den weiteren Geschäftsverlauf erstellt worden und spezifisch genug seien, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Prognose auf den Kurs des entsprechenden Finanzinstruments zuzulassen66. Das zeigt die Anmerkung zur Überschrift „Prognosen“, in der erläutert wird: Prognosen „i.S.v. zukunftsgerichteten Aussagen z.B. in Bezug auf das Ergebnis und sonstige Kennzahlen des Emittenten, wie etwa Gewinn- und Verlustprognosen und Prognosen zu Auftragseingang und -bestand sowie Cashflow-Kennzahlen“67. Als zukunftsbezogene Information ist die Qualifikation einer Prognose als Insiderinformation nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zu beurteilen (s. Rz. 29). Dass eine Prognose erstellt oder abgegeben wurde, ist ein dem Beweis zugänglicher Vorgang und eine Information darüber eine präzise Information. Die Information über die Erstellung oder die Abgabe einer – von wem auch immer erstellten – Prognose ist aber per se nicht kurserheblich i.S.v. Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 und stellt damit in der Regel auch keine Insiderinformation dar68. Das mag sich, je nach der Reputation des Prognostizierenden und den Umständen, unter denen dieser die Prognose abgibt, anders darstellen. Entsprechendes gilt für Informationen über die Absicht zur Abgabe einer Prognose. Zur Kursspezifität und zur Kurserheblichkeit von Prognosen s. Rz. 60 und Rz. 93b.
29 In der Regel wird eine Prognose deshalb nur dann eine präzise Information sein, wenn sie unter dem Ge-
sichtspunkt einer zukunftsbezogenen Information betrachtet wird und gem. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 der Eintritt des prognostizierten Umstands oder Ereignisses vernünftigerweise erwartet werden kann69. Von diesem Verständnis der Prognose als zukunftsbezogene Information abweichend stellt die BaFin nicht auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des prognostizierten Umstands oder Ereignisses ab, sondern darauf, ob die Prognose aufgrund konkreter Anhaltspunkte für den weiteren Geschäftsverlauf erstellt wurde und spezifisch genug ist, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Prognose auf den Kurs des entsprechenden Finanzinstruments zuzulassen70. Sowohl nach dem einen wie nach dem anderen Verständnis von Prognosen als mögliche Insiderinformationen fehlt es aber an einer präzisen Information bei „allgemein formulierte[n] Erwartungen (z.B. de[m] Hinweis, für das laufende Geschäftsjahr werde eine positive Entwicklung erwartet)“ oder bei „langfristige[n] Planungen in einem zum Beispiel mehrjährigen Zeithorizont“71. Entsprechendes gilt für interne Planungen i.S.v. Zielvorgaben72 und regel-
64 Die Eigenschaft von Unternehmensplanungen im vorstehenden Sinne als präzise Informationen noch generell ablehnend Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 21. 65 BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), III.7. S. 12. 66 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. 67 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15 Fn. 22. 68 Ebenso Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 371. 69 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 33; BaFin im Emittentenleitfaden 2013, S. 56; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 70; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 82; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39a; Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 371; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 52. 70 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15; schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 56. Kritisch („Dies ist unzutreffend“) Kraack, ZIP 2020, 1389, 1394: Entscheidend müsse „für eine Prognose weiterhin sein, ob der Vorstand auf angemessener Prognosegrundlage vernünftigerweise von deren Eintritt ausgehen“ dürfe. 71 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 56, verstand langfristige Planungen als solche „mit einem Zeithorizont von drei oder mehr Jahren“. 72 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 56.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Insiderinformation | Rz. 31 Art. 7 VO Nr. 596/2014
mäßig auch bei Unternehmensplanungen mit Unternehmensplandaten (Rz. 25 ff.). Ist der Eintritt des prognostizierten Umstands oder Ereignisses aufgrund der Umstände der Prognose vernünftigerweise zu erwarten, liegt eine präzise Information vor, die allerdings auch kurserheblich sein muss. Eine „erhebliches Kursbeeinflussungspotential“ bescheinigt die BaFin einer Prognose regelmäßig für den Fall, dass diese „von der Markterwartung – oder bei Fehlen einer solchen – von den zurückliegenden Geschäftsergebnissen deutlich abweicht“73, den Umständen angepasst oder geändert wird74. Treten in der Folgezeit bedeutende Umstände auf und stellt der Emittent bei der Prüfung, ob er seine Prognose aufrechterhalten kann, fest, „dass seine neue Prognose wahrscheinlich deutlich von der ursprünglichen abweicht und sich hieraus – weil sie auch von der Markterwartung abweicht – ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial ableiten lässt“, so stellt dies eine neue Insiderinformation dar75. Falls „der Emittent sowohl bei seiner ursprünglichen als auch bei seiner aktuellen Prognose einen nachvollziehbaren Korridor“ angegeben hat, „innerhalb dessen er einen Gewinn oder Verlust erwartet (‚von ... bis‘)“, so will die BaFin „bei der Beurteilung des erheblichen Kursbeeinflussungspotenzials der aktualisierten Prognose in der Regel auf die Abweichung des Mittelwerts der alten Prognose von dem der aktualisierten Prognose“ abstellen76. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Eintritt einer Prognose vernünftigerweise zu erwarten ist, kann es auch eine Rolle spielen, wer die Prognose abgegeben hat77. Davon zu unterscheiden ist das Wissen um die bevorstehende und vernünftigerweise zu erwartende An- 30 passung oder Änderung (Korrektur) einer Prognose. Dieser Umstand allein ist schon eine präzise Information, die regelmäßig – worauf auch immer sie gründet und wenn sie nicht belanglos ist – ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial aufweist78. Gleiches gilt für Informationen darüber, dass eine Prognose „von den zurückliegenden Geschäftsergebnissen oder der Markterwartung erheblich abweicht“, was zugleich mit einem besonderen Kursbeeinflussungspotenzial einer solchen Prognose einhergeht79. Dies beurteilt die BaFin auch im Hinblick auf interne Prognosen eher hoch (dazu Rz. 27 a.E.). Zur Kreation von Insiderinformationen und die Verpflichtung zur Veröffentlichung derselben durch die Postulierung einer – entgegen eigenem Bekunden fortlaufenden – Pflicht zur Beobachtung des Marktes und des eigenen Geschäfts im Hinblick auf Prognosen s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 114. Treten nach der Abgabe einer Prognose neue bedeutende Umstände ein, muss der Emittent prüfen, ob er die Prognose aufrechterhalten kann80. Kommt ein Emittent zu dem Ergebnis, seine auf der Überprüfung beruhende neue Prognose weiche wahrscheinlich deutlich von der ursprünglichen ab, so dass sich hieraus und der Abweichung von der Markterwartung ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial ableiten lässt, so stellt dies eine neue Insiderinformation dar. Gleichzeitig kann das Ereignis, das die neue Prognose auslöst, selbst eine Insiderinformation darstellen. Für den Fall, dass „der Emittent sowohl bei seiner ursprünglichen als auch bei seiner aktuellen Prognose einen nachvollziehbaren Korridor angegeben [hat], innerhalb dessen er einen Gewinn oder Verlust erwartet (‚von ... bis‘), stellt die BaFin bei der Beurteilung des erheblichen Kursbeeinflussungspotenzials der aktualisierten Prognose in der Regel auf die Abweichung des Mittelwerts der alten Prognose von dem der aktualisierten Prognose ab“81. Zur Kurserheblichkeit von Prognosen und Prognoseänderungen Rz. 93b.
(7) Tipps, Empfehlungen und Ratschläge Tipps, Empfehlungen und Ratschläge haben regelmäßig keinen Inhalt, der einem Beweis zugänglich ist, 31 und stellen deshalb grundsätzlich keine Insiderinformationen dar82. Doch wiederum ist der Umstand, dass
73 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. 74 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 56. 75 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. Das ist nach Kraack, ZIP 2020, 1389, 1394, „missverständlich“, weil entscheidend sein müsse, „dass die neue Prognose wesentlich von der Markterwartung und von der weitgehend deckungsgleichen bisherigen Prognose abweicht“. 76 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. 77 Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 72. 78 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 52, 56. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.164; Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 374. 79 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 56. 80 Dies und das Folgende bei BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. 81 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. 82 Assmann, AG 1994, 241; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 50; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 55; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.166. Kryptisch auch hier die Ansicht Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 74, „Tipps und Empfehlungen“ seien „Informationen über Umstände“; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 76; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 56.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 | Insiderinformation jemand Dritten einen Tipp oder einen bestimmten Ratschlag gegeben hat oder zu geben beabsichtigt, eine verifizierbare konkrete äußere bzw. innere Tatsache83. Der Umstand, dass der Inhalt des Tipps, der Empfehlung oder des Rats als vage zu betrachten ist, ändert daran nichts und wird erst im Hinblick auf die Kursrelevanz der Information relevant. Die Frage, ob Tipps, Empfehlungen und Ratschläge Insiderinformationen darstellen, hat in der Vergangenheit allerdings weniger im Hinblick auf bereits abgegebene Tipps oder Empfehlungen Bedeutung erlangt als in Bezug auf die einer Person bekannt gewordene Absicht von exponierten Marktteilnehmern (wie Kreditinstituten, Börseninformationsdiensten, „Börsengurus“ etc.), demnächst einen bestimmten Tipp oder eine Empfehlung gegenüber der Marktöffentlichkeit abzugeben. Schon vor der Marktmissbrauchsverordnung bestand aufgrund des in § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. umgesetzten Art. 1 Abs. 1 RL 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 8) kein Zweifel daran, dass es sich bei der Absicht zur Abgabe einer Empfehlung, eines Tipps oder eines Rats um eine konkrete Information handelt, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Abgabe zukünftig erfolgen wird bzw., im Hinblick auf die heutige Formulierung in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014, wenn vernünftigerweise erwartet werden kann, die Empfehlung werde in Zukunft abgegeben werden. Wie Werturteile, Meinungen, Ansichten, Tipps (Rz. 19) können auch Empfehlungen und Ratschläge einen Tatsachenkern aufweisen oder mit der Mitteilung von Tatsachen einhergehen, die ihrerseits als konkrete Informationen in Frage kommen84.
(8) Unternehmensbewertungen und -analysen sowie Ratings 32 Unternehmensbewertungen sind, wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, grundsätzlich wie Werturteile zu
behandeln85. Das gilt für sog. Ratings nicht anders als für die Unternehmensbewertung oder Unternehmensanalyse durch Sachverständige. Unternehmensbewertungen und Ratings stützen sich zwar regelmäßig auf „umfangreiches Tatsachenmaterial“, das nach „klar vorgegebenen Regeln“, die das „subjektive Element“ zurückdrängen86, ausgewertet wird und werden deshalb im Schrifttum schon deshalb als präzise Informationen oder doch vom Verkehr wie Tatsachen behandelte Informationen angesehen87, doch ändert dies nichts an dem Umstand, dass vielfach nur das wertende Elemente enthaltende Ergebnis einer Unternehmensbewertung oder eines Ratings auf seine Qualität als Insiderinformation zu beurteilen ist. Allerdings stellen auch als Werturteile qualifizierte Unternehmensbewertungen und Ratings unter den oben angeführten Bedingungen und aufgrund der oben angeführten Umstände regelmäßig präzise Informationen dar.
33 Dass Unternehmensbewertungen und Ratings regelmäßig präzise Informationen sind, war auch die Prä-
misse des § 13 Abs. 2 WpHG a.F., der bestimmte, eine Bewertung, „die ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände erstellt“ werde, sei „keine Insiderinformation, selbst wenn sie den Kurs der Insiderpapiere erheblich beeinflussen“ könne. Die Vorschrift folgte darin Erwägungsgrund 31 der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2), nach dem „Analysen und Bewertungen, die aufgrund öffentlicher Angaben erstellt wurden, ... nicht als Insider-Informationen angesehen werden“ sollten. Entsprechendes findet sich auch in Erwägungsgrund 28 Satz 1 VO Nr. 596/2014. Diesem zufolge sollen „Analysen und Bewertungen, die aufgrund öffentlich verfügbarer Angaben erstellt wurden, ... nicht als Insiderinformationen angesehen werden und die bloße Tatsache, dass Geschäfte auf der Grundlage von Analysen und Bewertungen getätigt werden, [soll] daher nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten.“ Wären Unternehmensbewertungen und Ratings nicht regelmäßig präzise Informationen, wäre es überflüssig, diese generell aus dem Kreis von Insiderinformationen herauszunehmen. Erwägungsgrund 28 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ist deshalb nur in der Weise gerecht zu werden, dass er als eine die Auslegung des Begriffs der Insiderinformation betreffende Ausnahmeregelung88 verstanden wird. 83 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 63; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 44; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 56; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 73; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 56, 62; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.14a. 84 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.116; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 55; Schäfer in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.14a. 85 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 44. A.A. Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 51 („Unternehmensbewertungen sind ... keine reinen Wertungen“, sondern haben „beschreibenden Charakter“ und können „deshalb grundsätzlich Insiderinformation sein“). 86 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 46. 87 So Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 50. Ähnlich Mennicke/ Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 46. 88 Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 329 („Bereichsausnahme“); Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 40 ff.; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 255 („echte Bereichsausnahme“).
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Insiderinformation | Rz. 35 Art. 7 VO Nr. 596/2014
Erwägungsgrund 28 Satz 2 VO Nr. 596/2014 freilich fügt dem eine bislang unbekannte Komplikation in Ge- 34 stalt einer Rückausnahme hinzu89: Wird beispielsweise die Veröffentlichung oder Verbreitung der Analysen und Bewertungen „vom Markt routinemäßig erwartet und trägt diese Veröffentlichung und Verbreitung zur Preisbildung von Finanzinstrumenten bei oder enthält sie Ansichten eines anerkannten Marktkommentators oder einer Institution, die die Preise verbundener Finanzinstrumente beeinflussen können[,] so können diese Informationen Insiderinformationen darstellen“. Um festzustellen, ob sie in Kenntnis solcher Informationen „auf der Grundlage von Insiderinformationen handeln würden, müssen die Marktteilnehmer deshalb“ nach Erwägungsgrund 28 Satz 3 VO Nr. 596/2014 „berücksichtigen, in welchem Umfang die Informationen nichtöffentlich sind und welche Auswirkungen auf Finanzinstrumente möglich wären, wenn sie vor der Veröffentlichung oder Verbreitung handeln würden“. (9) Gerüchte und Gerüchte offenlegende Presseberichterstattung Wie kaum eine andere Frage zur Bestimmung des Begriffs der Insiderinformation ist diejenige, ob es sich 35 bei Gerüchten90 – genauer: bei den Umständen oder Ereignissen, die Inhalt eines Gerüchts sind, nicht die Existenz von Gerüchten – um präzise Informationen handelt, umstritten und Gegenstand teilweise höchst diffuser Stellungnahmen im Schrifttum. Sie ist im Wesentlichen zu verneinen91. Schon wegen des Gerüchten innewohnenden Zweifels an der Wahrheit ihres Inhalts92 und ihres Verbreitungsgrads, der Gerüchten eigen ist und sie von Aussagen über eingetretene oder zukünftig eintretende Umstände unterscheidet, enthalten Gerüchte nur vage93, unsichere und alles andere als präzise Informationen. Wenn behauptet wird, Gerüchte seien Informationen über Tatsachen und damit präzise Informationen94, so wird nicht ernst genommen, dass ein Gerücht – darin unterscheidet es sich von der Mitteilung einer sich später als unwahr darstellendenden Tatsache (Rz. 16) – gerade den Zweifel mit sich trägt, das Mitgeteilte sei eine Tatsache und nachgewiesen95. Deshalb ist es auch schwerlich möglich, Grade der Zweifelhaftigkeit oder – umgekehrt betrachtet – der 89 Ebenso Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.27; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 329; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 41 („Die Voraussetzungen der Rückausnahme sind nicht klar definiert“); Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 260. 90 Schon was ein Gerücht sei, ist höchst umstritten, und es gibt zweifellos eine Reihe von Varianten, zu denen Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 42, 75, vor allem den unter elektronischen Handelsverhältnissen nur schwer zu imaginierenden und obsoleten „Börsentratsch“ zählen. Das ist – wie auch die Erläuterungen hierzu ebd., Rz. 76 ff. – ebenso folkloristisch wie die allgemeine Umschreibung von Gerüchten als eine Nachricht, die „in einer längeren Kommunikationskette weitererzählt wurde“. Letzteres ist schon deshalb keine brauchbare Umschreibung, weil die Weitererzählung von was auch immer in einer längeren Kommunikationskette praktisch weder ermittelbar noch dem Beweise zugänglich ist. 91 Zum älteren Schrifttum s. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 17 f. m.w.N. Aus dem neueren Schrifttum BuckHeeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 64; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 53; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/695. A.A. Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 54 ff. (Rz. 54, Hervorhebung hinzugefügt: „Auch nach Inkrafttreten der MAR kommt es in Betracht, Gerüchte grundsätzlich als präzise Informationen über Ereignisse und Umstände gemäß Art. 7 Abs. 2 MAR einzustufen“; Rz. 117m: „Im Ergebnis dürften die meisten Gerüchte nicht kursrelevant sein. Gleichwohl besteht hierfür keine Vermutung. Vielmehr ist eine detaillierte Einzelfallbetrachtung erforderlich“). 92 Zu diesem Gerüchte kennzeichnenden zentralen Merkmal ebenso Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 50; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.169. 93 Nach Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 374, gibt es auch „vage“ Gerüchte, unter Berufung auf Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 344, demzufolge „subjektive Gerüchte“ existieren; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 42. 94 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 50. Auch Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 35 (präzise Information, wenn „das Gerücht einen zumindest einigermaßen präzisen Faktenbezug“ aufweist), allerdings (Rz. 34) mit dem Hinweis, in vielen Fällen würden „der Wahrheits- und Geltungsanspruch und damit zusammenhängend die Glaubwürdigkeit eines bloßen Gerüchts aber so gering sein, dass es im Verkehr nicht als konkrete Information akzeptiert“ werde. 95 Das bleibt auch Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 57, nicht verborgen, weshalb er zu dem logischen Kniff greift, Gerüchte als „unsichere Tatsacheninformationen mit einem gewissen Verbreitungsgrad“ (Hervorhebung hinzugefügt) zu definieren, um dies noch dadurch zu steigern, dass die Beantwortung der Frage, ob „Gerüchte Art. 7 Abs. 1 lit. a) unterfallen, ... in erster Linie davon [abhängen soll], ob sie präzise sind und Kursrelevanz haben“. Als Begründung für die Behandlung von Gerüchten als Tatsachen wird (ebd. Rz. 60) angeführt: „Schließlich ginge die Ansicht, Gerüchte seien grundsätzlich keine Insiderinformationen, an der Realität des Wertpapierhandels vorbei, da Informationshändler den weit überwiegenden Teil ihrer Transaktionen auf unsichere Informationen oder Informationen mit unsicherer Tatsachengrundlage stützen“. Diese Argumentation ist logisch verfehlt und auch in der Sache nicht haltbar, denn genau dieses Handeln auf der Grundlage unsicherer Informationen – kurz: spekulatives Handeln – soll (von jeher und in jeder Jurisdiktion) vom Insiderhandelsverbot nicht erfasst werden.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 35 | Insiderinformation Verlässlichkeit96 eines Gerüchts ermitteln zu wollen. Wenn die Verlässlichkeit eines Gerüchts „in Abhängigkeit von der Quelle“97 desselben festgestellt werden soll, so wird sich diese in der Regel nicht finden lassen, und es dürfte damit der Überbringer des Gerüchts gemeint sein, der für die Beurteilung der Verlässlichkeit in der Regel allerdings ebenfalls nur wenig Verlässliches herzugeben vermag. Das schließt nicht aus, dass „Gerüchte auf dem Kapitalmarkt einen Wert haben können“98. Aber auch dies ändert nichts daran, dass ein Geschäft mit Finanzinstrumenten, das sich auf Gerüchte zurückführen lässt, ein blankes Spekulationsgeschäft darstellt, das zu sanktionieren und zu unterbinden nicht ernsthaft Aufgabe des Rechts im Allgemeinen und des Insiderrechts im Besonderen sein kann. Entsprechend führte schon die Begründung zum Vorschlag der EG-Insiderrichtlinie von 198799 aus, bei „typischen Börsengerüchten“ handele es sich nicht um eine präzise Information im Sinne der vorgeschlagenen Richtlinie. Auch nach einem Votum des seinerzeitigen Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR), das der RL 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 8) zur Durchführung der RL 2003/6/EG (Rz. 8) zugrunde liegt, fehlt es bei Gerüchten („rumours“) am Erfordernis einer präzisen Information100. Und weiter findet sich in der Begründung des Regierungsentwurfs des AnSVG, das diese Richtlinien umsetzte, der Hinweis, Gerüchte seien nicht als konkrete Tatsachen anzusehen101. Gegen die Sanktion von Geschäften in Finanzinstrumenten, die auf der Grundlage von Gerüchten getätigt werden, spricht darüber hinaus, dass der Empfänger eines Gerüchts davon ausgehen muss, dass dieses bereits eine gewisse Verbreitung habe, wenn nicht gar als öffentlich bekannt gelten muss, und schon in die Kurse der Finanzinstrumente des betroffenen Emittenten eingepreist ist. 36 Dem folgt die unter § 15 WpHG a.F. zumindest überwiegende Auffassung im Schrifttum102. Zunehmend
ablehnende, in einem scholastischen, praktisch nicht einlösbaren Distinktionsstil vorgetragene Stimmen – namentlich zur Auslegung von Art. 7 VO Nr. 596/2014 – begründen ihre Haltung mit den unterschiedlichsten Argumenten: teils wird ein Gerücht als präzise Information betrachtet, weil es (die Zweifelhaftigkeit der Existenz der Tatsache ignorierend) Informationen über Tatsachen enthalte103, teils wird es als „unsichere Tatsacheninformation“ behandelt, deren Qualifikation als präzise Information von ihrer „Verlässlichkeit“ (als sei diese einem Gerücht zu entnehmen) abhängen soll104, teils wird es sogar als ausreichend angesehen, wenn das Gerücht einen Inhalt aufweise, der eine Insiderinformation enthalten könne (als sei dies nicht bei allen Gerüchten denkbar)105. Die wenige Rechtsprechung, die zur Qualifikation von Gerüchten als Insiderinformationen bekannt wurde, ist weder einheitlich106 noch erhellend. Auf der Grundlage der alles andere
96 Darauf abstellend Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 61; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.12. 97 Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.12. 98 So Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 51. 99 KOM [87] 111 v. 21.5.1987, S. 5. 100 CESR's Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02–089d, S. 8 (Rz. 20 Spiegelstrich 1). 101 RegE AnSVG v. 28.10.2004, BT-Drucks. 15/3174, 34 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG. 102 S. die Nachweise bei Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 17 Fn. 5 (S. 404) und Fn. 3 (S. 405). 103 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 50; so auch noch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 1. Aufl. 2018, § 6 Rz. 55 („Ob ein Gerücht als Insiderinformation ... anzusehen ist, „hängt entscheidend davon ab, ob es eine Tatsachenbasis besitzt, die als präzise Information eingestuft werden kann“); jetzt Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 55 (näher ausgeführt in Rz. 55a ff.): es kommt darauf an, ob „das Gerücht in der Form, wie es den Markt erreicht, ‚präzise‘“ i.S.d. Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ist. Dazu schon Rz. 37. 104 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 344 („hinreichender Grad an objektiver Zuverlässigkeit der Aussage“ erforderlich; „rein subjektive – nicht durch konkrete Vorgänge unterlegte – Gerüchte“ sollen dagegen als präzise Information ausscheiden); diesem folgend Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 374 (ein „vages Gerücht“ ist keine präzise Information); Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 64; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 56 f.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 54a. Auch die BaFin vertritt in ihrem Emittentenleitfaden 2013, S. 33, die Auffassung, Kriterien wie die Verlässlichkeit des Gerüchts und seine Quelle seien Aspekte zur Beurteilung der Kurserheblichkeit eines Gerüchts. Übersehen wird allerdings, dass hinreichend verlässliche Informationen keine Gerüchte mehr sind. Zu dem bleibt die Frage ungestellt und unbeantwortet, wer die Verlässlichkeit der Information nach welchen Kriterien feststellen soll und wie mit dem Umstand umzugehen ist, dass danach für den einen aufgrund seines Verlässlichkeitsurteils eine präzise Information sein kann, was für einen anderen nach dessen Urteil eine nicht präzise Information darstellt. Zustimmend Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 55. 105 Bartmann, S. 75. 106 Das OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Rz. 5 lehnt in einem bußgeldrechtlichen Verfahren lehnt die Behandlung von Gerüchten als Insiderinformationen ab („Davon sind nicht veröffentlichungspflichtige subjektive Wertungen und Gerüchte abzugrenzen, zumal der Markt durch sie gerade nicht beeinflusst werden soll“); ebenso OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap. 1/06, NZG 2007, 352 (357). Anders VGH Hess. v.
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Insiderinformation | Rz. 36a Art. 7 VO Nr. 596/2014
als überzeugenden Entscheidung des Hessischen VGH vom 16.3.1998107 behandelt die BaFin – unter breiter Zustimmung im Schrifttum108 – Gerüchte als konkrete Informationen, sofern sie – so ihr kryptischer Vorbehalt – einen Tatsachenkern enthalten und einen konkreten Bezug zu einer Insiderinformation aufweisen109. Ersteres soll etwa dann der Fall sein, wenn das Gerücht „ein Übernahmevorhaben inhaltlich präzise an die freien Aktionäre“ herantrage110. Ein konkreter Bezug zu einer Insiderinformation soll vorliegen, „wenn die aus dem Gerücht abzuleitende Information darauf schließen [lasse], dass ein Informationsleck entstanden und daher die Vertraulichkeit dieser Insiderinformation nicht mehr gewährleistet [sei], also dann, wenn Teile der der Insiderinformation zugrunde liegenden Umstände kolportiert oder sogar Details oder die gesamte Information öffentlich bekannt“ würden111. Dagegen soll die „Verbreitung von Spekulationen oder von Gerüchten ohne Substanz sowie ein willkürliches Streuen diffuser Informationen, die einem Verbreiten von falschen oder irreführenden Informationen gleichkommen ggf. in der Absicht, dem Emittenten richtig stellende Informationen zu entlocken, nicht als ausreichend präzise anzusehen“ sein112. Der EuGH hat sich in seiner Entscheidung vom 15.3.2022, der Vorlagefrage entsprechend, allein mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine Information über eine bevorstehende Publikation, in der ein Gerücht aufgegriffen und offengelegt wird, eine Insiderinformation darstellt, und für die Qualifikation des mitgeteilten Gerüchts als Insiderinformation allenfalls Fingerzeige gegeben (dazu Rz. 36b f.). Der Hinweis derer, die Behandlung eines Gerüchts als Insiderinformation habe sich nicht auf der Ebene 36a der Beurteilung eines Gerüchts als präzise Information zu entscheiden, sondern auf derjenigen der Kurserheblichkeit des Gerüchts, geht in doppelte Hinsicht fehl: Zum einen ist nur schwer zu bestimmen, welche Umstände gegeben sein müssen, um zu dem Urteil zu gelangen, das Gerücht sei dergestalt gewesen, dass es „ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen“ genutzt hätte (Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014). Die Zweifelhaftigkeit der Wahrheit von Gerüchten veranlasst allenfalls spekulierende Anleger zu Geschäften in Finanzinstrumenten. Und zum anderen werden die von „umlaufenden“ Gerüchten (d.h. solchen, die nicht erkennen lassen, auf welchem „Stille-Post-Weg“ über wieviel Stationen sie zu demjenigen gelangten, der das Gerücht jeweils weitergibt) transportierten sowie, das ist ein Charakteristikum von Gerüchten, diffus verbreiteten Informationen regelmäßig als öffentlich
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16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436 (mit Anm. Assmann) mit dem Hinweis, Gerüchte könnten auch Tatsachen enthalten und das WpHG kenne den Begriff des Gerüchts nicht. VGH Hess. v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436 mit Anm. Assmann. Etwa Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 51; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 64; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 362; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/685. Ähnlich Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 50 (Gerücht muss einen „ernst zu nehmenden Kern“ aufweisen); Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 91; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 42 (muss Tatsachengrundlage haben). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.4 S.14, I.3.3.1.4 S. 39 („Nach Auffassung der BaFin ist ein Gerücht dann ausreichend präzise, wenn es einen wahren Tatsachenkern enthält (vgl. Abschnitt I.2.1.4.4) und einen konkreten Bezug zu einer Insiderinformation hat“). Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 33, und BaFin, Emittentenleitfaden 2005, S. 20 (dazu ausführlich und kritisch Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 18). Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 64; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 374 („muss einen wahren Kern enthalten“); Fleischer/Schmolke, AG 2007, 841, 846; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.169. Kritisch Seibt/Kraack, BKR 2020, 313, 315. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.4 S.14 („Das Gerücht ist damit eine präzise Information i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) MAR, muss aber nicht wahr sein“). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. Solche Fälle sollen nach der BaFin (ebd.) „eher die Ausnahme als die Regel darstellen“ und „vom Emittenten auf Einzelfallbasis zu würdigen“ sein und kein „Schweigen des Emittenten oder eine ‚no-comment‘- Politik“ erlauben. Dazu gibt die BaFin, Emittentenleitfaden, ebd., folgendes Beispiel: „Der in Deutschland im geregelten Markt notierte Emittent E steht mit einem Hauptaktionär in laufenden Verhandlungen über die Abgabe einer umfassenden Patronatserklärung und einem damit verbundenen Sanierungsbeitrag. Damit soll die anderenfalls drohende Insolvenz des E abgewendet werden. E schiebt die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung über seine anstehende Insolvenz (berechtigterweise) auf. Während der Verhandlungen werden Gerüchte am Markt bekannt, der E befinde sich in Sanierungsverhandlungen mit einem Hauptaktionär, um eine möglicherweise drohende Insolvenz abzuwenden. Als Quelle für dieses Gerücht wird die Hausbank des E genannt. [Absatz] Dieses Gerücht enthält Details der Insiderinformation (laufende Sanierungsverhandlungen zur Abwendung möglicherweise drohender Insolvenz), also einen wahren Tatsachenkern und einen konkreten Bezug zu einer Insiderinformation. Das Gerücht ist damit präzise. Da das Gerücht ein Indiz dafür darstellt, dass die Vertraulichkeit der Insiderinformation seitens des E nicht gewahrt werden kann (eine Lücke über die Hausbank ist letztlich auf den E zurückzuführen), hat er die insoweit relevante Insiderinformation grundsätzlich unverzüglich zu veröffentlichen“. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 40, unter Hinweis auf CESR, Market Abuse Directive, Level 3 – Third set of CESR guidance, S. 14 Rz. 61.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 36a | Insiderinformation bekannt113 und als bereits die Börsenkurse eingepreist anzusehen sein, was ein verständiger Anleger nicht unberücksichtigt lassen wird114. Gegen die Behandlung von Gerüchten als Insiderinformation spricht schließlich vor allem der Umstand, dass es nicht das Telos des Insiderrechts sein kann, Anlageentscheidungen zu sanktionieren, die auf der Grundlage von umlaufenden Gerüchten getroffen werden und damit auf unsicherer Tatsachengrundlage basieren, keinen zu missbilligenden Sondervorteil aus Wissensvorsprüngen versprechen und in hohem Maße spekulativ und risikoreich sind. Geht man, entgegen der hier vertretenen Ansicht, davon aus, ein Gerücht könne – etwa weil es einen Tatsachenkern enthalte – als Insiderinformation in Betracht kommen, so setzt dies freilich die Kurserheblichkeit – das Kursbeeinflussungspotenzial – des Gerüchts voraus. S. dazu Rz. 93a. 36b Unabhängig von der Frage, ob Gerüchte als Insiderinformationen in Betracht kommen, kann die Informati-
on über eine bevorstehende Presseveröffentlichung, in der ein Gerücht publik gemacht wird, eine Insiderinformation darstellen (s. Rz. 19). Übereinstimmend hiermit hat es der EuGH in seiner „Marktgerücht“-Entscheidung vom 15.3.2022 als Weitergabe einer Insiderinformation angesehen, wenn ein Finanzjournalist einen oder einzelne Marktteilnehmer über eine nicht öffentlich bekannte bevorstehende Veröffentlichung informiert, in der ein Gerücht (der EuGH spricht von „Marktgerücht“) aufgegriffen und offengelegt wird115: Die Information betreffe regelmäßig direkt oder indirekt ein oder mehrere Finanzinstrumente oder deren Emittenten. Fraglich sei allein, ob es sich bei der Information um eine präzise handele, d.h. (1) ob die Information spezifisch genug sei, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung der Information auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zuzulassen, und (2) als kurserheblich betrachtet werden könne116. Mit dem Spezifitätserfordernis sollten aber, so führt der EuGH unter Berufung auf die Lafonta-Entscheidung dieses Gerichts vom 11.3.2015 (Rz. 14) aus, nur vage oder allgemeine Informationen, die im Einzelfall keine Schlussfolgerung hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkung auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente zuließen, vom Begriff Insiderinformation ausgeschlossen werden. Das erlaube es indes nicht, von vornherein solche Informationen als nicht spezifisch auszusondern, die „in eine Kategorie bestimmter Informationen“ fielen „wie etwa Informationen über die bevorstehende Veröffentlichung von Artikeln, die Marktgerüchte zu einer möglichen Abgabe eines öffentlichen Kaufangebots aufgreifen“117. Nur wenn der Information, die veröffentlicht werden solle, jede Präzision fehle, lasse die Information über deren Veröffentlichung keine Schlüsse auf deren möglichen Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente i.S.v. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 zu und sei als nicht spezifisch zu betrachten118. Das sei bei Gerüchten aber nicht generell der Fall. Obwohl nicht als allgemeines Kriterium formuliert, lässt der EuGH jedoch – auf der Grundlage entsprechender Ausführung in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott119 – erkennen, dass er ein Gerücht als hinreichend präzise im Sinne des Spezifitätserfordernisses ansieht, wenn die Kenntnis eines Gerüchts, hier der bevorstehenden Veröffentlichung des Gerüchts, einem Anleger einen Vorteil gegenüber anderen Anlegern verschaffe120. Für die Beurteilung der Spezifität eines in den einem Presseartikel aufgegriffenen Gerüchts, misst der EuGH zwei Umständen besondere Bedeutung zu: zum einen, dass in der Meldung der für die Wertpapiere eines Emittenten im Rahmen eines möglichen öffentlichen Erwerbsangebots gebotene Preis genannt wird, und zum anderen der Identität und der Bekanntheit des Journalisten, der den jeweiligen Artikel unterzeichne, sowie des Presseorgans, das ihn veröffentliche121. Zur Beantwortung der Frage, ob „die ex post tatsächlich spürbaren Auswirkungen einer Veröffentlichung auf den Kurs der Wertpapiere, auf die sie sich bezieht, einen für 113 „Gerüchte sind unsichere Tatsacheninformationen mit einem gewissen Verbreitungsgrad“, Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 53 (Hervorhebung hinzugefügt) m.w.N. Dass „Börsengerüchte“ regelmäßig öffentlich bekannt sind, konzedieren auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 50. 114 Zum Einwand, der Inhalt von Gerüchten dürfte von den Anlegern regelmäßig als öffentlich bekannt und als in den Börsenkurs bereits eingepreist angesehen werden, Assmann, AG 2022, 390, 395 Rz. 22. 115 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 400 Rz. 32 ff. Zu der Entscheidung Assmann, AG 2022, 390; Mock, ZIP 2022, 777. 116 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 400 Rz. 32 ff. 117 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 406 Rz. 42, 46. 118 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 406 Rz. 41. 119 Generalanwältin Kokott v. 16.9.2021 – C-302/20, DB 2021, 2341 Rz. 49; abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/ legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:62020CC0302&from=de. Zu den Schlussanträgen Harnos, AG 2021, R312 ff. 120 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 401 Rz. 44. Ebd. Rz. 45: „Würde angenommen, dass eine Information bereits deshalb nicht als ‚Insiderinformation‘ ... anzusehen ist, weil sie die Veröffentlichung eines Gerüchts betrifft, fielen eine Reihe von Informationen, die sich auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente auswirken können, aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie und könnten daher von Finanzmarktteilnehmern, die sie besitzen, zum Nachteil derjenigen genutzt werden, die diese Informationen nicht kennen“. 121 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 50 bzw. 51.
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Insiderinformation | Rz. 38 Art. 7 VO Nr. 596/2014
die Beurteilung, ob die Information über diese Veröffentlichung präzise ist, erheblichen Aspekt darstellt“, greift der EuGH auf Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 8) zurück: Wenn es dort heiße, eine Ex-post-Information wie etwa die Kursentwicklung eines Finanzinstruments nach Offenlegung einer Information könne zur Überprüfung der Annahme benutzt werden, die „Ex-ante-Information“ sei kurserheblich gewesen122, so hält der EuGH dies auf die Beurteilung der Qualifikation einer Information als präzise Information für übertragbar123. Das ist nicht zu beanstanden, weil – darin ist dem Gericht zu folgen – eine Information nicht kurserheblich sein kann, wenn sie nicht zugleich auch präzise ist. Befremdlich ist es allerdings, eine Ex-post-Information zum „Beweis“ der Präzision einer Information zuzulassen124, wobei der EuGH aber immerhin konzediert, die Kursentwicklung könne niemals allein – d.h. „ohne dass weitere, vor dieser Veröffentlichung bekannte oder offengelegte Angaben geprüft werden“ – für den Nachweis der Präzision der Information genügen125, denn auch dadurch wird das Prinzip einer Ex-ante-Beurteilung der Merkmale einer Insiderinformation (Rz. 16, 78, 80, 88 ff.) unterlaufen126. Zur Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Gerüchte Insiderinformationen sein können, äu- 36c ßert sich der EuGH, an die Vorlagefragen gebunden, in seiner Entscheidung vom 15.3.2022 (Rz. 36b) nicht. Doch finden sich Fingerzeige, dass das Gericht der Auffassung ist, auch Gerüchte könnten als Insiderinformationen in Betracht kommen. Für die verbreitete Annahme, dass dies dann der Fall sei, wenn Gerüchte einen Tatsachenkern aufwiesen (dazu Rz. 36), gibt es in der Entscheidung allerdings keinerlei Anhaltspunkte. Dafür führt der EuGH – wenn auch nur für den Zweck der Beurteilung der Spezifität der Information über eine bevorstehende Veröffentlichung eines Artikels, in dem ein Gerücht aufgegriffen wird (Rz. 36b) – Kriterien an, die einem Gerücht einen hohen „Grad an Präzision“ verleihen und dessen Offenlegung oder Verwendung einem Anleger einen Vorteil gegenüber anderen Anlegern verschaffen könnten, den es zu vermeiden gelte127: Zum einen die Zuverlässigkeit der Quelle, die das Gerücht aufgreift128, was wohl heißt der Person, die das Gerücht weitergegeben hat, und zum anderen die Nennung einzelner, präziser und damit dem Beweis zugänglicher Tatsachen, wie etwa den Preis, der bei einem öffentlichen Kaufangebot für diese Wertpapiere geboten werden soll, oder „andere Angaben“ zu den Umständen und zum Inhalt des Angebots129. Dies und die allgemeine Erwägung des EuGH, Gerüchte müssten schon deshalb Insiderinformationen sein können, weil die Kenntnis eines Gerüchts einem Anleger einen Vorteil gegenüber anderen Anlegern verschaffe (Rz. 36b), könnte dazu veranlassen, die hier vertretene Ablehnung der Behandlung von Gerüchten als Insiderinformationen aufzugeben. Das ist aber nicht der Fall, denn letzteres Argument verkennt, dass der „Vorteil“ der Kenntnis eines Gerüchts nur durch i.d.R. hochgradig riskantes spekulatives Verhalten nutzbar ist und dies zu unterbinden gerade keine Aufgabe des Insiderrechts darstellt (s. Rz. 36a a.E.). (10) Verdacht auf Rechtsverstöße (interne und externe Untersuchungen) und Rechtsverfolgung Kommt in einem Unternehmen der Verdacht auf Rechtsverstöße (Compliance-Verstöße) auf, stellt sich, 37 namentlich im Hinblick auf die Veröffentlichung einer solchen Information nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, die Frage, ob es sich bei dem Verdacht bereits um eine Insiderinformation handelt. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei einem Verdacht um eine unsichere Annahme darüber handelt, ob ein bestimmter Umstand – Verstöße gegen Gesetz und Recht – bereits eingetretenen ist. Zur Kurserheblichkeit von Informationen zum Verdacht auf Rechtsverstöße s. Rz. 93f ff. Gleich ob als Rechtsauffassung (dazu Rz. 19), Tatsache oder – was naheliegt – als Verbindung von Tatsa- 38 chen und Rechtsmeinungen betrachtet, ist die Existenz eines Verdachts eine dem Beweise zugängliche Tatsache, die – vergleichbar der insiderrechtlichen Behandlung von Meinungen – je nachdem, wer den Verdacht 122 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 54. 123 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 55. 124 Der EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 56, formuliert (Hervorhebung hinzugefügt), der „tatsächliche Einfluss einer Veröffentlichung auf den Kurs der in dieser Veröffentlichung genannten Wertpapiere [könne] ein nachträglicher Beweis dafür sein, dass die Information über diese Veröffentlichung präzise war“. 125 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 56, 57 a.E. 126 Ablehnend deshalb Assmann, AG 2022, 390, 393 Rz. 15 f. 127 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 401 Rz. 44. Dabei sind diese Kriterien denen nicht unähnlich, welche die BaFin unter anderen für die Beurteilung der Kurserheblichkeit eines Gerüchts anführt. S. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.4 (S. 15) und hier Rz. 36. 128 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 48. Im vorliegenden Fall war dies die „Bekanntheit“ des Journalisten, der die Veröffentlichung plante, und das Organ, in dem das Gerücht offengelegt wurde (EuGH ebd. Rz. 51). Die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.4 (S. 15), führt in Spiegelstrich 1 allgemein „die Quelle des Gerüchts“ an, welche insbesondere dann zur Kurserheblichkeit beitrage, wenn sie vertrauenswürdig erscheine. 129 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 402 Rz. 50. Die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.4 (S. 15), stellt allgemein auf „die dem Gerücht zugrunde liegenden nachprüfbaren Fakten“ ab.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 38 | Insiderinformation hegt und welche tatsächlichen Erkenntnisse nach Art und Umfang ihm (in seinem Tatsachenkern) zugrunde liegen, vom Verkehr als präzise Tatsache als Insiderinformation betrachtet wird (Rz. 21). Im Hinblick auf die Kurserheblichkeit eines Verdachts und die Frage, ob ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde, kommt es auf die Erwartungen des Anlegers über die Auswirkungen des Verdachts, würde er öffentlich bekannt, auf die Geschäftsentwicklung des Emittenten an. 39 Darüber hinaus liegt im Verdacht auf einen Compliance-Verstoß aber auch eine zukunftsbezogene Infor-
mation über die Erhärtung des Verdachts bis hin zu seiner Bestätigung, zu erwartende behördliche Ermittlungen und die Verhängung von Sanktionen und damit letztlich die für den Emittenten zu erwartenden Nachteile130. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Verdacht im Hinblick auf die mit ihm verbundenen zukunftsbezogenen Informationen eine Insiderinformation darstellt, kommt es deshalb maßgeblich darauf an, ob auf der Grundlage der Tatsachenbasis des Verdachts und der übrigen Umstände vernünftigerweise erwartet kann, dass das noch nicht eingetretene Ereignis – letztlich die zu erwartenden Nachteile für den Emittenten – in Zukunft eintreten wird131.
40 Informationen über die Einleitung von internen oder externen Untersuchungen (Internal oder External
Investigations) zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen bei einem Emittenten stellen, wie auch solche über die späteren Untersuchungen, präzise Informationen über Tatsachen dar und sind, soweit sie öffentlich unbekannt und kurserheblich sind, Insiderinformationen. Als den Emittenten unmittelbar betreffende Informationen sind sie auch nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 veröffentlichungspflichtig.
40a Die Beantwortung der Frage, ob ein aktives oder ehemaliges Mitglied des Vorstands oder ein Mitarbeiter des
Emittenten seine Pflichten verletzt hat, verlangt eine rechtliche Würdigung, die als Meinungsäußerung mangels Beweisbarkeit keine Tatsache ist132 (Rz. 19). Anders verhält es sich bei der Rechtsverfolgung gegen die vermeintlich pflichtwidrig Handelnden, namentlich bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen dieselben wegen der Verletzung von Sorgfalts- und Treuepflichten. Sie stellt, obwohl ihr eine Rechtsauffassung zugrunde liegt, eine dem Beweis zugängliche präzise Tatsache dar. Solange die Rechtsverfolgung nur als Absicht existiert, handelt es sich bei Informationen über diese um eine eingetretene, dem Beweis zugängliche innere Tatsache, hinsichtlich deren Eigenschaft, Insiderinformation zu sein, es wesentlich auf deren Kurserheblichkeit ankommt. Als zukunftsbezogene Information betrachtet, hängt diese Eigenschaft zunächst davon ab, ob es sich bei der Information um eine präzise Information i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 handelt, d.h. die Verwirklichung der Absicht vernünftigerweise erwartet werden kann (dazu Rz. 29). Zur Kurserheblichkeit von Informationen zur Rechtsverfolgung s. Rz. 93f ff. (11) Anhängen an fremde Wertpapiergeschäfte
41 Hängt sich eine Person an Wertpapiergeschäfte eines Dritten an, weil sie – aufgrund von dessen Status im
Unternehmen, dessen Beruf, dessen Fachkunde oder des Volumens, des Zeitpunkts und/oder der Art der Transaktion – vermutet, die Geschäfte des Dritten basierten auf Insiderinformationen, so handelt sie nicht aufgrund einer präzisen Information. Vielmehr folgt sie, der Befolgung von Tipps und Gerüchten vergleichbar, Informationen mit unsicherem Wahrheitsgehalt. Das ist anders, wenn der Person zusätzliche Umstände bekannt sind, die – mit den fraglichen Wertpapierschäften des Dritten zusammengenommen – den zwingenden Schluss auf Insidergeschäfte nahelegen. (12) Fehlerhafte Veröffentlichungen und Pressemitteilungen
41a Nimmt ein Emittent eine fehlerhafte Veröffentlichung vor oder gibt er eine fehlerhafte Pressemitteilung
heraus, die zu einer entsprechend fehlerhaften Information der Öffentlichkeit führt, so stellt das Wissen um deren Fehlerhaftigkeit zwar eine präzise und den Emittenten betreffende Tatsache dar, doch ist sie allein deshalb noch keine Insiderinformation, die so bald wie möglich nach Art. 17 Abs. 1 VO 596/2014 zu veröffentlichen wäre. Zum einen ist eine Falschmeldung nicht als solche kursspezifisch, weil sie – ohne Ansehung ihres Inhalts – keinen Schluss auf die mögliche Auswirkung auf die Kurse der Finanzinstrumente oder der damit verbundenen derivativen Finanzinstrumente zulässt (zum Merkmal der Kursspezifität Rz. 60), und zum anderen handelt es sich bei einer Information über eine Falschmeldung auch nicht per se um eine kurserhebliche Information. Ebenso wie eine vom Emittenten aufgestellte Prognose zur Geschäftsentwicklung 130 Schockenhoff, NZG 2015, 409, 412; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 177. 131 Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 177b („wenn das Endereignis überwiegend wahrscheinlich ist“). 132 BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2311 Rz. 42.
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Insiderinformation | Rz. 44 Art. 7 VO Nr. 596/2014
nicht als solche kursspezifisch und kurserheblich ist, erlangen auch Informationen über fehlerhafte Veröffentlichungen oder Pressemitteilungen Kursspezifität und Kurserheblichkeit erst dadurch, dass die von diesen erzeugten Markterwartungen so stark von der Wahrheit abweichen, dass bei Korrektur der Falschmeldung erhebliche Auswirkungen auf den Kurs der Finanzinstrumente des Emittenten zu erwarten wären133 (s. schon Rz. 29). Im Schrifttum wird verlangt, darüber hinauszugehen und die Qualifikation des Wissens um eine falsche Veröffentlichung oder Pressemitteilung als Insiderinformation nicht allein in Bezug auf von ihr tatsächlich erzeugte Markterwartung vorzunehmen, weil es an dieser fehlen könne. Vielmehr sei generell „auf die unterlassene Korrekturinformation abzustellen und diesbezüglich eine Insiderinformation anzunehmen, wenn die (Korrektur-)Information, sofern sie öffentlich bekannt wurde, geeignet wäre, den Kurs erheblich zu beeinflussen“134. Wenn dazu, wie geboten, zu prüfen ist, ob ein verständiger Anleger diese Information wahrscheinlich „als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen“ würde (s. Rz. 78 ff.), so ist auch ein solches Urteil nur auf der Grundlage der Markterwartung des verständigen Anlegers möglich, in der sich per definitionem seiner Verständigkeit die allgemeine Markterwartung widerspiegelt. Lag vor der Falschmeldung oder falschen Pressemitteilung bereits eine Insiderinformation vor, etwa weil 41b jene der Kaschierung oder Aufhebung der Insiderinformation oder der Beruhigung des Marktes dienen sollten, so ändert dies nichts daran, dass die Falschinformation, neben der verborgen gebliebenen Insiderinformation, selbst eine Insiderinformation sein kann. Ist die Veröffentlichung sowohl der einen Insiderinformation als auch der anderen im Wege von Ad-hoc-Mitteilungen nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterblieben, so kommt in beiderlei Hinsicht eine Haftung des Emittenten nach § 97 WpHG wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen in Betracht135. bb) Zukünftige Umstände und Ereignisse (Art. 7 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) Auch Informationen über eine Reihe zukünftiger Umstände bzw. über zukünftige Ereignisse können präzise 42 Informationen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sein, wenn man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten werden (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Auch hier kommen aber nur solche Informationen in Betracht, die spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014).
Diese Regelung in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 folgt weitgehend Art. 1 Nr. 1 RL 2003/124/EG vom 43 22.12.2003 (Rz. 8), wie er in § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. in deutsches Recht umgesetzt wurde. Sie unterscheidet sich von der deutschen Sprachfassung der RL 2003/124/EG, welche die deutsche Umsetzungsvorschrift weitgehend übernahm, nur durch die Ersetzung der Worte „bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann“ durch die Wendung „bei denen man“ bzw. „von dem man vernünftigerweise erwarten kann“. Wie in der Geltl-Entscheidung des EuGH136 herausgestellt wurde, waren die deutsche Sprachfassung der Richtlinie und die deutsche Umsetzungsvorschrift die einzigen, die hinsichtlich des zukünftigen Eintritts von Umständen und Ereignissen „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ verlangten, während „alle anderen zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2003/124 existierenden Sprachfassungen ihres Art. 1 Abs. 1 auf ein Adverb wie ‚vernünftigerweise‘„ zurückgriffen. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 steht damit ganz in der Tradition der RL 2003/124/EG. Die Auslegung, die die Geltl-Entscheidung (Rz. 43) – eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichts- 44 hofs auf der Grundlage des Vorlagebeschlusses des BGH vom 23.4.2013137 – dem Wortlaut „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ von § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. zuteilwerden ließ, orientierte sich an dem in den übrigen Sprachfassungen der RL 2003/124/EG und deren Umsetzung in anderen Mitgliedstaaten zu finden Wortlaut „vernünftigerweise“138. Dabei kam das Gericht zu dem Ergebnis, durch „die Verwendung eines der133 BGH v. 17.12.2020 – II ZB 31/14, ZIP 2021, 358, 359 Rz. 219 ff., 224, bezogen auf eine fehlerhafte Pressemitteilung, doch gilt das vorstehend und in dieser Entscheidung Ausgeführte erst recht für direkt an die Öffentlichkeit gerichtete Veröffentlichungen. Zustimmend Möllers/Schauer, EWiR 12/2021, 359, 360. Die Entscheidung erging zu § 37b i.V.m. §§ 13, 15 WpHG a.F., ist aber auf die diesen entsprechenden jetzigen Regelungen in § 97 WpHG i.V.m. Art. 7, 17 VO Nr. 596/2014 übertragbar; Möllers/Schauer, EWiR 12/2021, 359, 360 a.E. 134 Buck-Heeb, LMK 2021, 804862 unter 2., zu der Entscheidung BGH v. 17.12.2020 – II ZB 31/14, ZIP 2021, 358. 135 BGH v. 17.12.2020 – II ZB 31/14, ZIP 2021, 358, 359 Rz. 219 ff. 136 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 556 Rz. 42, 44. 137 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518. Vorausgegangen OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454; BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84. Näher hierzu und zum DaimlerChrysler- oder Schrempp-Fall, der zum Vorlagebeschluss und zur Geltl-Entscheidung führte, Rz. 49. 138 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 556/557 Rz. 43 f.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 44 | Insiderinformation artigen Begriffs“ habe „der Unionsgesetzgeber zur Klärung der Frage, ob künftige Umstände und Ereignisse in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen, ein auf Regeln der allgemeinen Erfahrung beruhendes Kriterium eingeführt“139. Um zu klären, ob vernünftigerweise anzunehmen sei, dass in der Zukunft eine Reihe von Umständen existierten oder ein Ereignis eintreten werde, sei „im jeweiligen Einzelfall eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte vorzunehmen“. Daher könne die Verwendung der Worte „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ in Art. 1 Abs. 1 RL 2003/124 nicht so verstanden werden, dass der Nachweis einer hohen Wahrscheinlichkeit der in Rede stehenden Umstände oder Ereignisse erforderlich wäre. Vielmehr stelle diese Richtlinienvorschrift durch den Gebrauch der Worte „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ auf künftige Umstände und Ereignisse ab, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergebe, dass tatsächlich erwartet werden könne, sie würden in Zukunft existieren oder eintreten. 45 Gleichzeitig verneinte die Geltl-Entscheidung die Frage, „ob die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Ein-
tritts einer Reihe von Umständen oder eines Ereignisses je nach dem Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf den Kurs von Finanzinstrumenten variieren“ könne und wies damit das im Schrifttum zur Bestimmung der notwendigen Eintrittswahrscheinlichkeit propagierte140 sog. Probability-Magnitude-Kriterium zurück141. Wenn der EuGH unter Rückgriff auf Erwägungsgrund 1 der RL 2003/124/EG142 ausführt, verständige Investoren stützten ihre Anlageentscheidungen auf alle verfügbaren Ex-ante-Informationen und müssten „somit nicht nur die ‚möglichen Auswirkungen‘ eines Ereignisses auf den Emittenten in Betracht ziehen, sondern auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Ereignisses“, so führt das Gericht damit lediglich Umstände an, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, verknüpft aber den Grad der Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Ereignisses – anders als es das Probability-Magnitude-Kriterium verlangt – in keiner Weise mit den möglichen Auswirkungen, die bei dessen Eintritt zu erwarten wären. Zwar konzediert der EuGH, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine Information über ein Ereignis, dessen Eintritt wenig wahrscheinlich sei, den Kurs der Titel des betreffenden Emittenten spürbar beeinflusse, da die Folgen dieses Ereignisses für ihn besonders weitreichend wären, weist aber unmissverständlich darauf hin, daraus könne „vernünftigerweise nicht abgeleitet werden, dass dieses Ereignis eintreten“ werde143, und steht damit jedem Versuch entgegen, rechtlich erforderliche Wahrscheinlichkeitsurteile mit anderen verbinden zu wollen.
46 Entsprechendes gilt auch für den nachgeschobenen Satz des EuGH, „anhand solcher Erwägungen“ – d.h.
solchen über die möglichen Auswirkungen eines Ereignisses auf den Emittenten sowie den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Ereignisses – lasse sich jedoch ermitteln, ob eine Information geeignet sei, „den Kurs der Finanzinstrumente des Emittenten spürbar zu beeinflussen“, d.h. kurserheblich sei. Zutreffend weist das Gericht damit lediglich auf den Umstand hin, dass ein verständiger Anleger auch die möglichen Auswirkungen eines möglichen zukünftigen Ereignisses zur Grundlage seiner Anlageentscheidungen machen wird, verknüpft und gewichtet die hierbei im Übrigen zu berücksichtigenden Parameter, namentlich
139 Dies und die folgenden Zitate EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 44 ff. und zusammenfassend Rz. 56. 140 Fleischer, NZG 2007, 401, 405: „Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung des zukünftigen Ereignisses [sind] miteinander in Beziehung zu setzen. Diskutabel ist nur, ob man für die Wertrelevanz zukünftiger Ereignisse eine Mindestwahrscheinlichkeit verlangt, um ‚spekulatives Handeln‘ auf der Grundlage zukunftsbezogener Informationen auszuklammern“); Klöhn, NZG 2011, 166, 168 f.; Klöhn, ZIP 2012, 1885, 1886 f. Folgend, auch was das Erfordernis einer Mindestwahrscheinlichkeit (i.S. einer „überwiegende(n) Wahrscheinlichkeit“) angeht, Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 68. Kritisch Gunßer, ZBB 2011, 80 ff.; Kocher/Widder, CFL 2011, 90 ff.; Widder, GWR 2011, 2. Kritisch zum Probability-Magnitude-Test als Kurserheblichkeitskriterium ferner Gunßer, NZG 2008, 856; Leuering, DStR 2008, 1290; Leuering, Praxisprobleme, S. 178 f. 141 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 50 ff. mit ausführlicher Begründung in Rz. 51–54. Zurückgewiesen wurde damit auch der Entscheidungsvorschlag von Generalanwalt Mengozzi, ZIP 2012, 615, 622 f. Rz. 96 ff., 623 Rz. 106: „Daraus folgt, dass, sofern die Information in hohem Maße geeignet ist, die Aktienkurse zu beeinflussen, es ausreicht, dass der Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses weder unmöglich noch unwahrscheinlich, wenn auch offen ist“. Das Probability-Magnitude-Kriterium wurde bereits durch den Vorlagebeschluss des BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 Rz. 20, ins Spiel gebracht, ohne es freilich als solches zu benennen. Das auch als Probability-Magnitude-Test bezeichnete Kriterium geht zurück auf die Entscheidung des US Court of Appeals for the Second Circuit im Falle SEC vs. Texas Gulf Sulphur Co. (United States Court of Appeals (Second Circuit) v. 13.8.1968 – No. 296-30882, 401 F.2d, 833, 849), und wurde vom US Supreme Court im Falle Basic vs. Levinson (Supreme Court v. 7.3.1988 – No. 86-279, 485 U.S. 224, 239) zur Beurteilung der Kursrelevanz („materiality“) von Informationen im US-amerikanischem Kapitalmarktrecht herangezogen. 142 Entsprechende Ausführungen finden sich auch in Erwägungsgrund 14 VO Nr. 596/2014. 143 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 54.
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Insiderinformation | Rz. 48 Art. 7 VO Nr. 596/2014
die Eintrittswahrscheinlichkeit des fraglichen Ereignisses, damit aber weder zu einer beweglichen noch zu einer für die Kurserheblichkeit erforderlichen und genügenden Probability-Magnitude-Größe144. Wenn gerügt wird, das Gericht habe die Vorlagefrage, wie wahrscheinlich die zukünftige Reihe von Umstän- 47 den oder das zukünftige Ereignis sein müsse, unbeantwortet gelassen145, so ist das Fehlen einer solchen Antwort dem Umstand geschuldet, dass das Gericht die Auslegung des Wortlauts „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ in § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. – aus den bei Rz. 44 dargelegten Gründen – an einem Konzept ausrichtet, welches kein reines Wahrscheinlichkeitsurteil verlangt. Das sieht auch der BGH so, wenn er ausführt, der EuGH stelle bei der Beurteilung der Frage, wann vernünftigerweise erwartet werden könne, dass ein Umstand oder Ereignis in Zukunft gegeben sein werde bzw. eintrete, nicht ausschließlich auf eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung ab, sondern auf Regeln der allgemeinen Erfahrung146. Nach diesen müsse zwar „eher mit dem Eintreten des künftigen Ereignisses als mit seinem Ausbleiben zu rechnen sein, aber die Wahrscheinlichkeit“ müsse „nicht zusätzlich hoch sein“147. Das lässt sich dahingehend übersetzen, dass eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ geboten ist, aber auch ausreicht148. Dies Konzept – einschließlich seiner Zurückweisung des Probability-Magnitude-Kriteriums149 – ist mit dem- 47a jenigen identisch, das der Formulierung des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zugrunde liegt, demzufolge auch Informationen über eine Reihe zukünftiger Umstände bzw. über zukünftige Ereignisse präzise Informationen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sein können, wenn „man vernünftigerweise erwarten kann“, dass sie in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten werden. Für die Auslegung dieser Formulierung gibt das Gericht allerdings nur vage Anhaltspunkte: Um zu klären, ob vernünftigerweise anzunehmen sei, dass in der Zukunft eine Reihe von Umständen existieren oder ein Ereignis eintreten wird, sei „im jeweiligen Einzelfall“ eine „umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte“150 dahingehend vorzunehmen, ob „tatsächlich erwartet werden“ könne, „dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden“151. Daher könne die Verwendung der Worte „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit“ in Art. 1 Abs. 1 RL 2003/124 jedenfalls „nicht so verstanden werden, dass der Nachweis einer hohen Wahrscheinlichkeit der in Rede stehenden Umstände oder Ereignisse erforderlich wäre“152. Darüber hinaus hat das Gericht aber auch klar gemacht, dass es für die Beantwortung der Frage, ob man vernünftigerweise erwarten kann, dass bestimmte Umstände oder Ereignisse in Zukunft vorliegen bzw. eintreten werden, nicht auf deren Gewicht oder Bedeutung ankommen kann.
Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auf den Vorlagebeschluss des BGH vom 48 23.4.2013 (s. Rz. 44) hielt der BGH an seiner „an einer reinen Wahrscheinlichkeitsbeurteilung orientierten Auslegung, die mindestens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt und zudem im Ergebnis bei Entscheidungen von mit mehreren Personen besetzten Gremien wie dem Aufsichtsrat hohe Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit stellt, ... nicht fest“153. Damit sei nicht ausschließlich auf eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung abzustellen, sondern auf Regeln der allgemeinen Erfahrung. Zwar müsse danach eher mit dem Eintreten des künftigen Ereignisses als mit seinem Ausbleiben zu rechnen sein, aber die Wahrscheinlichkeit brauche nicht zusätzlich hoch zu sein154. Dem EuGH und dem BGH folgt auch die Verwaltungspraxis der BaFin, die in ihrem Emittentenleitfaden darlegt, es sei dann vernünftigerweise zu erwarten, dass Um144 145 146 147 148
149 150 151 152 153 154
A.A. Klöhn in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 523, 535/536. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 96. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 29. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 29. So auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 62 („größer als 50%“); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 72a a.E.; Poelzig, NZG 2016, 528, 532; Theile in Esser/Rübenstahl/ Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 84 („50 % plus x“). Schon CESR, Market Abuse Directive, S. 6: „The Directive test is ‚likely‘ so on the one hand the mere possibility that a piece of information will have a significant price effect is not enough to trigger a disclosure requirement but, on the other hand, it is not necessary that there should be a degree of probability close to certainty“, d.h. es ist mehr als die bloße Möglichkeit, aber weniger als nahezu Gewissheit erforderlich. Dazu heißt es in Erwägungsgrund 16 Satz 3 VO Nr. 596/2014: „Dieses Konzept sollte jedoch nicht so verstanden werden, dass demgemäß der Umfang der Auswirkungen dieser Reihe von Umständen oder des Ereignisses auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente berücksichtigt werden muss“. EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 45. EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 54. EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 46. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 29. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 29, 30: „Bei der Beurteilung nach den Regeln der allgemeinen Erfahrung sind alle tatsächlichen Umstände einzubeziehen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, ob es dem Aufsichtsratsvorsitzenden in der Vergangenheit regelmäßig gelang, bei sorgfältiger Vorbereitung und Leitung beabsichtigte Beschlüsse zu Personalfragen im Aufsichtsrat durchzusetzen, und Umstände vorlagen, die hier ex ante dagegen sprachen, dass dies auch diesmal gelingen würde“.
Assmann | 153
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 48 | Insiderinformation stände bzw. Ereignisse in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten werden, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit dem Ereigniseintritt gerechnet werden müsse155. Dabei gehe sie „von einem Maßstab 50 Prozent + x (überwiegende Wahrscheinlichkeit) aus“156. Erforderlich sei „hierbei eine Würdigung aller verfügbaren Umstände und Informationen“. Dabei solle auch berücksichtigt werden, mit welchem Ergebnis das Unternehmen in der Vergangenheit vergleichbare Sachverhalte abgeschlossen habe und was im konkreten Fall dafür oder dagegen spreche. So sei etwa zu fragen, ob das Unternehmen es z.B. bisher regelmäßig geschafft habe, geplante Akquisitionen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen oder nicht und welche Besonderheiten im konkreten Fall bestünden. cc) Sonderfall: Mehrstufige Entscheidungsvorgänge und Zwischenschritte (Art. 7 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VO Nr. 596/2014) 49 Im Hinblick auf die Anwendung von § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 3 WpHG a.F. sowie die Auslegung des Begriffs
der präzisen Information besonders umstritten waren Vorhaben, deren Verwirklichung nur über Zwischenschritte – wie die Billigung durch den Gesamtvorstand, die Zustimmung des Aufsichtsrats oder die Genehmigung der Kartellbehörde157 – zu erreichen war, kurz: die insiderrechtliche Behandlung mehrstufiger Entscheidungsvorgänge (auch als „gestaffelte“ oder „zeitlich gestreckte“ Vorgänge bezeichnet). Erstmals gerichtlich zu entscheiden war hierüber in Bezug auf die Absicht des Vorsitzenden des Vorstands der seinerzeitigen DaimlerChrysler AG Schrempp, unter bestimmten Bedingungen – wie einer einvernehmlichen Regelung seiner Nachfolge durch den Aufsichtsrat des Unternehmens – aus dem Vorstand der Gesellschaft auszuscheiden. Er wurde sowohl hinsichtlich seiner bußgeldrechtlichen158 als auch seiner zivilrechtlichen Verfahrensvariante159 zunächst als DaimlerChrysler- oder Schrempp-Fall bekannt und wird seitdem – im Anschluss an den Namen des Klägers in dem Verfahren vor den deutschen Gerichten – als Geltl-Entscheidung bezeichneten Urteil des EuGH über einen Vorlagebeschluss des BGH vom 22.11.2010160 in dieser Sache auch als Geltl-Fall geführt.
50 Das Spektrum der Auffassungen, die zur insiderrechtlichen Beurteilung mehrstufiger Entscheidungsvor-
gänge vor dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung vertreten wurden, wurde maßgeblich durch zwei Meinungslager abgesteckt: Auf der einen Seite wurde das Vorhaben selbst und jeder weitere zu seiner Umsetzung erforderliche Zwischenschritt als Information über zukünftige Umstände betrachtet und gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. erst dann als konkrete/präzise Information angesehen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden konnte, dass diese Umstände, d.h. die Realisierung des Vorhabens, in Zukunft eintreten werden161. Auf der anderen Seite wurden bereits die nach außen getretene Kundgabe eines Vorhabens, wie der Rücktrittsabsicht, sowie jede Zwischenstufe zu einem angestrebten Erfolg (Zwischenziele) – ungeachtet des Zukunftsbezugs einer Information über ein Vorhaben und damit ohne Rücksicht auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des Endziels – als solche und „bei isolierter Betrachtung“162 als konkrete/präzise Information behandelt, um auf diese Weise nur noch auf die Kurserheblichkeit des jeweiligen Schritts abzustellen163. 155 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.2 S. 10, Hervorhebung hinzugefügt. 156 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.2 S. 10. Ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 52 f.; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 67. I.E. auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 48; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.172; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rz. 38.23. 157 Als weitere denkbare Zwischenschritte i.S.v. Art. 7 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VO Nr. 596/2014 führt Erwägungsgrund 17 an: Informationen über „den Stand von Vertragsverhandlungen, vorläufig in Vertragsverhandlungen vereinbarte Bedingungen, die Möglichkeit der Platzierung von Finanzinstrumenten, die Umstände, unter denen Finanzinstrumente vermarktet werden, vorläufige Bedingungen für die Platzierung von Finanzinstrumenten oder die Prüfung der Aufnahme eines Finanzinstruments in einen wichtigen Index oder die Streichung eines Finanzinstruments aus einem solchen Index“. 158 OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Rz. 6. 159 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380; BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518; OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap. 1/06, AG 2007, 259; OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap. 1/08, AG 2009, 454; LG Stuttgart v. 3.7.2006 – 21 O 408/05, ZIP 2006, 1731. Nach dem Vorlagebeschluss des BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84, und der Entscheidung des EuGH v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397, AG 2012, 555 noch: BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518. 160 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84. 161 So namentlich Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 28, 29 m.w.N. 162 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 74. 163 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 74; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 13 WpHG Rz. 15 f. Auch OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Ls. 1, 415 = NJW 2009, 1520, 1521, das im
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Insiderinformation | Rz. 53a Art. 7 VO Nr. 596/2014
Auf der Grundlage des Vorlagebeschlusses des BGH vom 22.11.2010 (Rz. 49) hat der EuGH im Geltl-Urteil 51 (Rz. 49) entschieden, „dass bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nicht nur dieser Umstand oder dieses Ereignis präzise Informationen im Sinne der genannten Bestimmungen sein können, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder Ereignisses verknüpften Zwischenschritte dieses Vorgangs“ (Ls. 1). Diese Entscheidung ist die Grundlage der in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 aufgenommenen Regelungen. Im Lichte des Geltl-Urteils und des auf diesem beruhenden und dieses teilweise konkretisierenden Urteils des BGH ist den Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf die insiderrechtliche Behandlung von Zwischenschritten in mehrstufigen Entscheidungsvorgängen das Folgende zu entnehmen: Absichten, Vorhaben, Pläne sowie jeder weitere (eingetretene, s. Rz. 53) Zwischenschritt zur Herbeifüh- 52 rung der mit diesen jeweils angestrebten zukünftigen Umstände oder Ereignisse kommen je für sich als präzise Informationen in Betracht164. Ein jeder Zwischenschritt ist eine Insiderinformation, wenn „er für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen gemäß diesem Artikel erfüllt“ (Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 596/ 2014). Gleiches gilt erst recht auch für den ersten Schritt auf dem Weg zur Herbeiführung zukünftiger Umstände oder Ereignisse (Rz. 23). Jeder erste und jeder Zwischenschritt können die „Kriterien für Insiderinformationen“ sowohl als Informa- 53 tion über eingetretene Umstände bzw. Ereignisse (Rz. 52) als auch über das Endereignis als zukünftiger Umstand oder zukünftige Ereignisse erfüllen165. Informationen über zukünftige Zwischenschritte kommen damit nicht als Insiderinformationen über zukünftige Umstände oder Ereignisse in Betracht166. Erste Schritte und Zwischenschritte werden damit zu präzisen Informationen nicht erst dadurch, dass – wegen ihres Zukunftsbezugs – nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vernünftigerweise erwartet werden kann, dass die herbeizuführenden Umstände oder Ereignisse in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten werden. Sie können vielmehr jeweils auch als beweisbare innere oder äußere Tatsache eine präzise Information darstellen. Dass ein Umstand oder Ereignis nur ein erster Schritt oder Zwischenschritt zu einem zünftigen Umstand oder Ereignis ist, „sperrt eine Einordnung als Insiderinformation nicht“167. Dass im Fall eines „zeitlich gestreckten Vorgangs“ sowohl der zukünftige Umstand bzw. das zukünftige Ereignis als auch die Zwischenschritte, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, eine präzise Information darstellen können, ist Gegenstand der Regelung in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014. Dem Vorstehenden entsprechend können Zwischenschritte isoliert und „aus sich heraus“ Insiderinformatio- 53a nen darstellen (Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) und/oder ihre Eigenschaft als Insiderinformation „von dem zukünftigen Endereignis ableiten“168. Dabei hat die „Ableitung“ der Insiderinformationseigenschaft eines Zwischenschritts aus dem „zukünftigen Endergebnis“, anders als der Emittentenleitfaden der BaFin im An-
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Bußgeldverfahren davon ausging, die Verknüpfung mehrerer eigenständiger Umstände zu einer einheitlichen Gesamtentscheidung widerspreche dem Wortlaut von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG und den Vorgaben der RL 2003/6/ EG und 2003/124/EG, weshalb es nicht darauf ankomme, wann die endgültige Aufsichtsratsentscheidung falle. Eine (ad hoc publizitätspflichtige) Insiderinformation sei vielmehr bereits dann gegeben, wenn der Bereich interner Willensbildung sich zu einer konkreten Tatsache verdichtet habe und das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses gegenüber einem Entscheidungsträger des Unternehmens als konkrete Tatsache objektiv nach außen zu Tage getreten sei. Ablehnend Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 8a, 19a, 20. Heute unstreitig. S. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 13. Zustimmend Kraack, ZIP 2020, 1389, 1392; Seibt/Kraack, BKR 2020, 313, 314. Auch Kumpan, Gestreckte Vorgänge, S. 109, 120 Rz. 24; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.176; J. Vetter/Engel/Lauterbach, AG 2019, 160, 164 f. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 13: „Bei gestreckten Sachverhalten sind daher sowohl das (geplante) Endereignis als zukünftiges Ereignis als auch die auf dem Weg dahin verwirklichten Zwischenschritte als bereits eingetretene Ereignisse auf ihren Insiderinformationsgehalt hin zu überprüfen“; Hervorhebung hinzugefügt. Ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 58 f.; Groß/Royé, BKR 2019, 272, 276; Kraack, ZIP 2020, 1389, 1392; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 67a ff., 117j; Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2019, 621, 624 ff.; Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 479; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.175; J. Vetter/Engel/Lauterbach, AG 2019, 160, 164 f.; Schiessl in Klöhn/Mock (Hrsg.), S. 171, 178, frühere diesbezügliche Defizite der BaFin rügend; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 114 f. („Zwei-Kriterien-Prüfung“, d.h. zum einen Prüfung des „Zwischenschritt[s] für sich“ und zum anderen Prüfung des „gesamten Vorgang[s]“). Ebenso Seibt/Kraack, BKR 2020, 313, 314. A.A. Kumpan, Gestreckte Vorgänge, S. 109, 120/121 Rz. 26. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 519 Rz. 15. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 13.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 53a | Insiderinformation schluss an die Entscheidung des BGH vom 23.4.2013169 formuliert170, allerdings erst im zweiten Schritt aus der Kursrelevanz des Endergebnisses zu erfolgen und muss gem. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zunächst auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Endergebnisses abstellen171. Es versteht sich von selbst, dass ein Zwischenschritt, der bereits als solcher und nicht erst im Hinblick auf das Endereignis eine Insiderinformation darstellt, „unverzüglich zu veröffentlichen [ist], wenn nicht ein Aufschub in Betracht kommt“172. Während der EuGH nach den Darlegungen des BGH173 nicht ausdrücklich ausgeführt hat, inwieweit die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses, auf das das bereits eingetretene Ereignis hindeuten kann, [schon] bei der Beurteilung der Kursrelevanz des bereits eingetretenen Ereignisses von Bedeutung ist, beantwortet die BaFin diese Frage in ihrem Emittentenleitfaden. In diesem führt sie aus174: „Im Hinblick auf die Bewertung von Zwischenschritten, die ihre insiderrechtliche Relevanz in erster Linie aus ihrer Bezogenheit auf ein zukünftiges Endereignis beziehen, geht die BaFin ... davon aus, dass ein Kursbeeinflussungspotenzial umso eher anzunehmen ist, je gewichtiger und wahrscheinlicher das Endereignis ist und eine Gesamtbetrachtung der eingetretenen und zukünftigen Umstände unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktsituation nahelegt, dass ein verständiger Anleger bereits diesen Zwischenschritt für sich nutzen werde“. Soweit das angestrebte Endergebnis allerdings „noch unwahrscheinlich ist“, soll es „einem Zwischenschritt regelmäßig an der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung fehlen“175. Zur Frage, ob darin ein Rückgriff auf das sog. Probability-Magnitude-Kriterium (Rz. 45) liegt, das Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung des zukünftigen Ereignisses miteinander in Beziehung setzt176, s. Rz. 80. Generell gilt aber sowohl für die Betrachtung eines Zwischenschritts als eingetretenes Ereignis als solchem als auch diejenige eines Zwischenschritts als Information über ein zukünftiges Ereignis als solchem, dass die Qualifikation eines Zwischenschritts als Insiderinformation „im Rahmen einer Gesamtschau“ der Schritte zu erfolgen hat, die „auf dem Weg zum Endereignis bereits verwirklicht worden sind“, wobei die Eignung eines Zwischenschritts zur erheblichen Kursbeeinflussung umso größer ist, je weiter der Übernahmeprozess vorangeschritten ist177. 54 Als Informationen über einen eingetretenen Umstand oder ein eingetretenes Ereignis sind Informatio-
nen über einen ersten Schritt oder einen Zwischenschritt im Rahmen eines mehrstufigen Vorgangs präzise Informationen i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014. Sie sind Insiderinformationen, wenn sie darüber hinaus – als weitere „Kriterien für Insiderinformationen“ – nicht öffentlich bekannt und kurserheblich i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sind. Letzteres sind sie nach Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 dann, wenn sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Das wiederum wird regelmäßig nur der Fall sein, wenn Umstände gegeben sind, unter denen ein verständiger Anleger die Information über einen ersten oder weiteren Schritt zur Herbeiführungen zukünftigen Umstands oder Ereignisses ganz unabhängig von deren jeweiligem zukünftigen Eintritt und der Wahrscheinlichkeit desselben als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nützen würde.
55 Dementsprechend führt der BGH in seiner dem Geltl-Urteil des EuGH nachfolgenden Entscheidung aus:
„Bei der Beurteilung der Kursrelevanz kann nicht allein darauf abgestellt werden, wie wahrscheinlich die beabsichtigte einvernehmliche Beendigung der Bestellung war. Die Information über die Absicht des [Vorstandsvorsitzenden], im Einverständnis mit dem Aufsichtsrat vorzeitig aus dem Amt als Vorstandsvorsitzender auszuscheiden, muss sich für die Bewertung durch einen Anleger nicht im Hinweis auf ein künftiges Ereignis beschränken, sondern kann auch aus anderen Gründen von einem Anleger als Teil der Grundlage 169 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 520 Rz. 25: „Im Zusammenhang mit der Kursrelevanz der Information über künftige Umstände hat er [der EuGH] entschieden, dass dann, wenn es sich um eine Information über ein hinreichend wahrscheinliches künftiges Ereignis handelt, davon auszugehen sei, dass ein Anleger auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses in Betracht zieht ... Da danach bei der Kursrelevanz generell davon auszugehen ist, dass ein Anleger den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses in Betracht zieht, muss dies auch gelten, wenn eine präzise Information über einen eingetretenen Umstand vorliegt, der auf ein künftiges Ereignis hinweist, und der Anleger insoweit den möglichen künftigen Verlauf abschätzen muss ...“. 170 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 13: „... und solchen Zwischenschritten, die ihre Kursrelevanz von dem zukünftigen Endereignis ableiten“. 171 Zur Entwicklung der insiderrechtlichen Beurteilung von Zwischenschritten durch die BaFin und kritisch zu deren im Emittentenleitfaden geäußerten Auffassung Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 60–62 bzw. 63. 172 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 13. 173 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 520 Rz. 25. 174 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 14. 175 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.3 S. 14. Auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 117j. 176 Fleischer, NZG 2007, 401, 405. 177 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 19.
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Insiderinformation | Rz. 58 Art. 7 VO Nr. 596/2014
seiner Anlageentscheidungen benutzt werden. Schon die Absicht, die personelle Veränderung in der Leitung umzusetzen, kann bedeuten, dass die Musterbeklagte [DaimlerChrysler AG] die vom [Vorstandsvorsitzenden] verfolgte Geschäftspolitik nicht oder nicht mit Nachdruck weiterverfolgt.“178 Jedenfalls kann danach die Kursrelevanz einer Information über einen ersten Schritt oder einen Zwischenschritt als ein eingetretener Umstand oder ein eingetretenes Ereignis nicht bereits mit dem Argument abgelehnt werden, das erstrebte Endziel sei nicht hinreichend wahrscheinlich in dem Sinne, dass vernünftigerweise des Eintritt des Endziels nicht erwartet werden könne. Dem Merkmal für die Beurteilung einer Information über einen zukünftigen Umstand oder ein zukünftiges Ereignis kommt bei der Beurteilung der Kursrelevanz eingetretener Umstände oder Ereignisse mithin keine Sperrwirkung zu179. In gleicher Weise hält auch das OLG Frankfurt den gegenüber dem Aufsichtsrat geäußerten Rücktrittswillen des Vorstandsvorsitzenden schon für sich genommen – und ohne dass es auf die Wahrscheinlichkeit der Realisierung des Willens ankomme – als geeignet, „im Falle seines Bekanntwerdens, den Aktienkurs eines Unternehmens erheblich zu beeinflussen“, so dass es „auf die Frage, ‚wie‘ der Aufsichtsrat mit der beabsichtigten Amtsniederlegung unternehmerisch (z.B. Zustimmung, Nachfolgeregelung etc.) ... und rechtlich (z.B. Abfindung, Schadensersatz)“ umgehe, nicht ankomme180. Als Information über einen zukünftigen Umstand oder ein zukünftiges Ereignis ist eine Information über 56 einen ersten Schritt oder einen Zwischenschritt nur dann eine präzise Information, wenn sie die „Kriterien für Insiderinformationen“ erfüllt. Das ist dann der Fall, wenn zum einen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass der Umstand oder das Ereignis in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten wird und, sofern dies anzunehmen ist, die Information zum anderen geeignet wäre, den Kurs von Finanzinstrumenten spürbar zu beeinflussen, d.h. eine Information gegeben ist, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. a i.V.m. Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014).
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen vernünftigerweise erwarten kann, dass Umstände oder Ereig- 57 nisse zukünftig gegeben sein bzw. eingetreten sein werden (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014), ist auf die durch das Geltl-Urteil des EuGH aufgestellten Grundsätze und die diesbezüglichen Erläuterungen in Rz. 44 ff. zu verweisen. Dabei ist beachten, dass sich die diesbezüglichen Ausführungen des EuGH zur Auslegung der „Wendung ‚eine Reihe von Umständen ..., ... bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das ... mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird‘„ ausschließlich auf die Frage beziehen, wann ein Umstand oder ein Ereignis zukünftig gegeben sein bzw. eingetreten sein wird und nichts mit der davon zu unterscheidenden Frage der Kursrelevanz einer präzisen Information über zukünftige Umstände oder Ereignisse zu tun haben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich der EuGH in diesem Zusammenhang auch mit der – von ihm verneinten – Frage befasst, ob die vorstehend zitierte „Wendung“ so zu verstehen sei, „dass das Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente zu berücksichtigen“ sei181. Kann vernünftigerweise erwartet werden, dass die Umstände oder Ereignisse, auf die sich die fragliche Infor- 58 mation über einen Zwischenschritt bezieht, zukünftig gegeben sein bzw. eingetreten sein werden, so liegt eine präzise Information vor, die nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. a i.V.m. Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 auf ihre Kurserheblichkeit/Kursrelevanz zu prüfen ist. Maßgeblich ist dabei, ob ein verständiger Anleger die Information über den ersten Schritt und den Zwischenschritt im Hinblick auf den mit diesen angestrebten zukünftigen Umstand oder das zukünftige Ereignis, dessen Vorliegen bzw. Eintritt vernünftigerweise zu erwarten ist, wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. In diesem Zusammenhang wird der verständige Anleger fraglos die Erwägungen anstellen, wie sie nach Rz. 47 schon in Bezug auf die Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob vernünftigerweise erwartet werden kann, ein Umstand bzw. ein Ereignis werde in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten182. Gleichwohl 178 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 520 Rz. 24. 179 Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 108; Klöhn in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 523, 537; Krause in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 70. Auch Kraack, ZIP 2020, 1389, 1392, der an Stelle des Begriffs der Sperrwirkung den der Konsumation („konsumiert“) bevorzugt. 180 OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Rz. 6. 181 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 556 Rz. 41. 182 Entsprechend heißt es in BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 520 Rz. 25: „Im Zusammenhang mit der Kursrelevanz der Information über künftige Umstände hat er [der EuGH] entschieden, dass dann, wenn es sich um eine Information über ein hinreichend wahrscheinliches künftiges Ereignis handelt, davon auszugehen sei, dass ein Anleger auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses in Betracht zieht ... Da ... bei der Kursrelevanz generell davon auszugehen ist, dass ein Anleger den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses in Betracht zieht, muss dies auch gelten, wenn eine präzise Information über einen eingetretenen Umstand vorliegt, der auf ein künftiges Ereignis hinweist, und der Anleger insoweit den möglichen künftigen Verlauf abschätzen muss“. Auch Fett in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 1089, 1096.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 58 | Insiderinformation wird er in diesem Rahmen auch Überlegungen zum Gewicht des zukünftigen Umstands oder Ereignissen anstellen. Neben dem „Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Ereignisses“ – so formuliert der EuGH, unter Rückgriff auf Erwägungsgrund 1 der RL 2003/124/EG (Rz. 8) im Hinblick auf die Eignung einer Information, über einen Zwischenschritt „den Kurs der Finanzinstrumente eines Emittenten spürbar zu beeinflussen“ – werden verständige Anleger auch die „‚möglichen Auswirkungen‘ eines Ereignisses auf den Emittenten in Betracht ziehen“183. Entsprechend heißt es in der dem Geltl-Urteil folgenden Entscheidung des BGH, „bei der Beurteilung der Kursrelevanz“ könne „nicht allein darauf abgestellt werden, wie wahrscheinlich die beabsichtigte einvernehmliche Beendigung der Bestellung“ gewesen sei184. Und schließlich macht auch Erwägungsgrund 14 Satz 3 VO Nr. 596/2014 deutlich, welche Gesichtspunkten nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers ein verständiger Anleger Beachtung schenken wird, nämlich „die voraussichtlichen Auswirkungen der Informationen ..., insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das Finanzinstrument, die damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder die auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte unter den gegebenen Umständen beeinflussen dürften“. 59 Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass auch eine Information über einen bevorstehenden (zukünftigen)
Zwischenschritt, die als Information über ein zukünftiges Ereignis zu behandeln ist, eine Insiderinformation sein kann185.
59a Der am 7.12.2022 von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer
Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) – würde Zwischenschritte auf dem Weg zur Herbeiführung eines zukünftigen Ereignisses oder zukünftiger Umstände („intermediate steps in a protracted process“) aus dem Kreis ad-hoc zu publizierender Insiderinformationen herausnehmen. Ohne den Begriff der Insiderinformation nach Art. 7 VO Nr. 596/2014 und namentlich die Regelungen betreffend Zwischenschritte in Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 als solche zu modifizieren, geschähe dies – bei Wegfall des bisherigen Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 über die Befreiung von der Offenlegung zeitlich gestreckter Vorgänge – in der Weise, dass die in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverändert fortgeltende Verpflichtung eines Emittenten, der Öffentlichkeit eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, unverzüglich bekannt zu geben, um einen Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/ 2014 ergänzt würde. Dieser sieht vor, dass die vorstehend angeführte Verpflichtung auf die in Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 genannten Zwischenschritte in einem gestaffelten Entscheidungsvorgang keine Anwendung findet, wenn sie der Herbeiführung einer Reihe von Umständen oder Ereignissen dienen186. Damit wäre eine Entwicklung eingeleitet, die noch hinter die anfänglich in diesem Kommentar und zu § 15 WpHG a.F. vertretene Ansicht zurückginge, Zwischenschritte würden eine publizitätspflichtige Eigenschaft als Insiderinformationen erst durch ihre jeweilige Eigenschaft erlangen, den Eintritt des angestrebten Endergebnisses hinreichend wahrscheinlich zu machen. Vielmehr schieden zukünftig alle Ereignisse oder Umstände, die lediglich als Zwischenschritte auf dem Weg zur Herbeiführung eines zukünftigen Ereignisses oder zukünftiger Umstände zu qualifizieren sind, aus dem Kreis der nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 zu veröffentlichenden Insiderinformationen aus. Zur Begründung wird im Verordnungsvorschlag angeführt, zum einen seien Informationen über Zwischenschritte eines gestaffelten Vorgangs („intermediate steps of a protracted process“) zu vorläufig und nicht ausgereift genug, um als Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 veröffentlicht zu werden („too preliminary and hence not mature enough for disclosure“)187, und zum anderen verursache das bisherige Regelungsregime betreffend Zwischenschritten nicht nur hohe Kosten bei der Prüfung einer Publikationspflicht nach Art. 17 VO Nr. 596/2014, sondern sei auch geeignet, im Falle einer zu frühen Veröffentlichung von Zwischenschrittinformationen Investoren irrezuführen188. 183 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 55. 184 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 520 Rz. 24. 185 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 556 Rz. 38: „Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Auslegung nicht nur für Schritte gilt, die bereits existieren oder bereits eingetreten sind, sondern nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 auch Schritte betrifft, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden.“ Auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 68. 186 Der Änderungsvorschlag von Art. 17 Abs. 1 Unterabsatz 1 lautet gem Art. 2 (38) des Verordnungsvorchlags (Rz. 4a): „An issuer shall inform the public as soon as possible of inside information which directly concerns that issuer. That requirement shall not apply to intermediate steps in a protracted process as referred to in Article 7 (2) and (3) where those steps are connected with bringing about a set of circumstances or an event.“ 187 Verordnungsvorchlag (Rz. 4a), S. 7. 188 Verordnungsvorchlag (Rz. 4a), S. 5: „As a consequence, issuers incur high compliance costs to understand which steps of a protracted process may constitute inside information and when a certain piece of information is mature
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Insiderinformation | Rz. 61 Art. 7 VO Nr. 596/2014
c) Kursspezifität Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sind Informationen dann als präzise i.S.v. Art. 7 Abs. 1 VO 60 Nr. 596/2014 anzusehen, wenn diese eingetretene oder bestimmte zukünftige Umstände oder Ereignisse betreffen „und diese Informationen darüber hinaus spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder des damit verbundenen derivativen Finanzinstruments, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen“. Zu der daraus folgenden Zweistufigkeit bei der Prüfung der Frage, ob eine Information präzise ist, s. Rz. 12 ff. Während die Geltl-Entscheidung des EuGH das Merkmal der Kursspezifität als Teil der Anforderungen an eine präzise Information herausstellt189 und auch der BGH sich in seinem nachfolgenden Beschluss190 mit dem Merkmal befasst, ist ihm im Schrifttum teils eine selbstständige Bedeutung abgesprochen191, teils eine Vermischung mit dem Merkmal der Kurserheblichkeit192 vorgeworfen worden. Gleichwohl kommt dem Merkmal eine gewisse Filterfunktion193 zu, indem es Informationen ohne hinreichenden Bezug zu einem bestimmten Emittenten und den von ihm emittierten Finanzinstrumenten aus dem Kreis möglicher Insiderinformationen aussondert. Die BaFin hält, dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 folgend, an der Zweistufigkeit fest und unterscheidet zwischen dem Merkmal „präzise“ und „spezifisch“: Über das Erfordernis einer präzisen Information „hinaus müssen diese Informationen spezifisch genug sein, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse der Finanzinstrumente oder der damit verbundenen derivativen Finanzinstrumente, der damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder der auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte zuzulassen“194. Dabei werden allgemein Informationen als unspezifisch angesehen, „aus denen kein Schluss hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf den Kurs des Finanzinstruments gezogen werden kann, wie etwa unverbindliche Gedankenspiele eines Vorstands über mögliches Wachstumspotenzial oder Meinungen, die keine verlässliche Grundlage erkennen“ lassen195. Auch im Hinblick auf das Merkmal der Kursspezifität gilt, dass spezifische Informationen auch solche sein können, bei denen sich bestimmen lässt, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente oder der sich darauf beziehenden derivativen Finanzinstrumente ändern würde (Rz. 14)196. Gerade Prognosen sind als Insiderinformationen nur dann anzusehen, wenn sie präzise Informationen darstellen (dazu Rz. 28) darstellen, die auch den Test der Kursspezifität bestehen: Nach Auffassung der BaFin können Prognosen nur dann Insiderinformationen sein, „wenn sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte für den weiteren Geschäftsverlauf erstellt worden sind und spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Prognose auf den Kurs des entsprechenden Finanzinstruments zuzulassen“197. Zur Kurserheblichkeit von Prognosen s. Rz. 93b. Zu den Informationen, die zwar eingetretene oder zukünftige Umstände oder Ereignisse zum Gegenstand 61 haben, aber nicht spezifisch genug sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Umstände oder Ereignisse auf die Kurse der in Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Finanzinstrumente haben, gehören beispielsweise allgemeine Marktinformationen (auch „Marktdaten“), d.h. Informationen über Marktverhältnisse und Wettbewerbsparameter, die für alle Marktteilnehmer und Finanzinstrumente
189 190 191 192 193
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enough to be disclosed ... Too early disclosure of information could mislead investors and trigger action on his/ her part that could prove to be suboptimal in hindsight (e.g., divesting the stock too soon or not divesting soon enough), thus increasing the opportunity cost for investors.“ EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555 Rz. 29, 556 Rz. 35 und 39. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 519 f. Rz. 19 und 21. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 80, 83; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 28d. Dagegen spricht Bartmann, S. 70 f., dem Kriterium eine eigenständige Bedeutung ab. Bachmann, DB 2012, 2206, 2209 m.w.N.; Kraack, ZIP 2020, 1389, 1390: Das Merkmal der Kurserheblichkeit wird „vom Kriterium des Kursbeeinflussungspotentials konsumiert“; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 33. Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 79; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 82 ff.; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 33 (fallen dazu noch der Begriff „Auslesefunktion“ ein), allerdings mit erheblichen Zweifeln an „diese[r] Herangehensweise“, ebd. Rz. 34, auf der Grundlage der Kritik Rz. 30 ff.; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.22; Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 88 („Vorab-Filter“); Steinrück, S. 41. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.2 S. 10. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.2 S. 11. Kraack, ZIP 2020, 1389, 1390, rügt, die BaFin exemplifiziere das Merkmal der Kursspezifität „allein in negativer Weise“ und messe dem Merkmal „de facto keine eigenständige Filterfunktion“ mehr zu. Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 39 ff. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 61 | Insiderinformation verbindlich sind198, auch wenn sie einzelne Branchen, Marktteilnehmer oder Finanzinstrumente mehr betreffen als andere199. Erst wenn solche Marktinformationen bestimmbare Auswirkungen auf einzelne Emittenten oder Finanzinstrumente haben, also indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen (Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, dazu Rz. 74 f.), sind sie spezifisch genug, um ein Urteil über ihre Auswirkungen auf die Kurse der in Betracht kommenden Finanzinstrumente zu erlauben200. Käme es etwa dazu, dass die Federal Trade Commission der USA Antidumpingzölle für „golf carts from Europe“ verhängen würde, so hätte man dies grundsätzlich als eine Marktinformation im vorstehenden Sinne anzusehen, die nicht hinreichend emittenten- oder finanzinstrumentenspezifisch wäre, um eine Insiderinformation abzugeben. Diese Beurteilung müsste indes anders ausfallen, wenn auf dem europäischen Markt nur wenige Hersteller von „golf carts“ mit hoher Abhängigkeit vom Export solcher „carts“ in die USA zu finden wären. Wären Marktdaten nicht mangels Kursspezifität als Insiderinformation auszuscheiden, so könnte dies aber spätestens aufgrund eines unzureichenden Bezugs zu bestimmten Finanzinstrumenten oder aufgrund ihres fehlenden Emittentenbezugs geschehen. 62 Als nicht kursspezifisch hat der BGH in seiner nach dem Geltl-Urteil ergangenen Entscheidung in Sachen DaimlerChrysler den „existierenden Umstand“ betrachtet, „dass sich der [Vorstandsvorsitzende] mit dem Gedanken trug, vor Ablauf seiner bis 2008 reichenden Bestellung als Vorstandsvorsitzender auszuscheiden, und seine Ehefrau in entsprechende Überlegungen einweihte“201. Damit seien die Überlegungen des Betreffenden „nicht über den engen persönlichen Bereich hinausgelangt“ und hätten „den Charakter als Überlegungen, denen kein präziser Informationsgehalt zukommt, nicht verloren“, so dass sie in diesem Zeitpunkt keinen Schluss auf mögliche Auswirkung auf die Kurse der Emittentin zugelassen hätten. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch das OLG Frankfurt im bußgeldrechtlichen Verfahren gegen die DaimlerChrysler AG gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 OWiG, begründet dies allerdings damit, dass die vorstehend angesprochenen Überlegungen zum Rücktritt noch dem „Bereich interner Willensbildung“ zugehört und erst in dem Moment zu einer „konkreten Tatsache“ verdichtet hätten, in dem „das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses gegenüber einem Entscheidungsträger des Unternehmens als konkrete Tatsache objektiv nach außen zu Tage“ getreten sei, beispielsweise durch „Mitteilung gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied, das Amt niederlegen zu wollen“202.
4. Nicht öffentlich bekannte Information a) Grundsätzliches 63 Wie schon unter der von der Marktmissbrauchsverordnung abgelösten RL 2003/6/EG (Rz. 2) und der RL
2003/124/EG zur Durchführung dieser Richtlinie (Rz. 8) sowie § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F., der die einschlägigen Vorgaben dieser Richtlinien umsetzte, kann eine präzise Information nur dann eine Insiderinformation sein, wenn sie nicht öffentlich bekannt ist (Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014). Ist eine präzise Information öffentlich bekannt, entfällt der Informationsvorsprung, der sich mit ihrer Weitergabe oder Verwendung verbindet und dessen Ausnutzung durch das Insiderrecht verhindert werden soll. Dementsprechend enthält Art. 17 VO Nr. 596/2014 die Verpflichtung eines Emittenten, der Öffentlichkeit die diesen unmittelbar betreffenden Insiderinformationen so bald wie möglich bekannt zu geben. 64 Ob eine Insiderinformation öffentlich bekannt ist, ist eine objektiv zu beurteilende Frage und hat weder etwas mit den diesbezüglichen Vorstellungen des Insiders oder mit dem der Insiderinformation zugeschriebenen Charakter als Geheimnis oder vertrauliche Information zu tun203 noch spielt es eine Rolle, wer die 198 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 80; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.168. Ähnlich auch BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34 („Informationen über die Rahmenbedingungen von Märkten oder über die Märkte selbst, die im Einzelfall auch die Verhältnisse von Emittenten und Insiderpapieren berühren können“). I.E. nicht anders Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 44, die die Frage, ob „allgemeine Marktinformationen“ Insiderinformationen sein können, als eine solche des „Emittenten- und Finanzinstrumentenbezugs“ der Information behandelt sehen wollen. 199 Das Spektrum solcher Marktinformationen reicht von noch vergleichsweise unternehmens- und kapitalmarktnahen Ereignissen (Zinsbeschlüssen von Notenbanken, Veränderungen von Rohstoffpreisen oder der Bekanntgabe branchen- oder konjunkturbezogener statistischer Daten) bis hin zu eher unternehmens- und marktfernen politischen Vorkommnissen oder Naturereignissen. Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34. 200 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 34 li. Sp. oben; Groß/Royé, BKR 2019, 272, 275. Zu Art. 7 VO Nr. 596/2014 i.E. auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 28f, 98. 201 Auch zum Folgenden BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 519/520 Rz. 19. 202 OLG Frankfurt v. 12.2.2009 – 2 Ss-OWi 514/08, AG 2009, 414 Rz. 6. 203 S., auch für Art. 7 VO Nr. 596/2014 geltend, Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 33 m.w.N.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 383; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 57; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 82c.
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Insiderinformation | Rz. 65 Art. 7 VO Nr. 596/2014
Information bekannt machte204 oder wie die Information öffentlich bekannt wurde. Es besteht Einigkeit, dass eine Insiderinformation erst dann öffentlich bekannt ist, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen von ihr Kenntnis erlangt hat205. Doch darüber, wann dies der Fall ist, wurden schon bei der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der EG-Insiderrichtlinie von 1989206 unterschiedliche Ansichten vertreten207. Schon im Zusammenhang mit der Umsetzung dieser Richtlinie durch Art. 1 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes (2. FFG) vom 26.7.1994208 hieß es in der Regierungsbegründung209 zu derselben allerdings, eine Information habe bereits dann als öffentlich bekannt zu gelten, „wenn die sog. Bereichsöffentlichkeit hergestellt“ sei, d.h. „die Marktteilnehmer“ von der Information Kenntnis nehmen könnten210. Das wiederum sei möglich „bei Verbreitung der Information über allgemein zugängliche Informationssysteme“. Das Konzept der Bereichsöffentlichkeit blieb auch nach der Änderung des Insiderrechts zur Umsetzung der RL 2003/6/EG (Rz. 2) und der RL 2003/124/EG zur Durchführung dieser Richtlinie (Rz. 8) und weiter bis zum Erlass der Marktmissbrauchsverordnung das vorherrschende. Auch die BaFin hat zunächst das Kriterium der Bereichsöffentlichkeit übernommen: Noch zu dem letzten zum WpHG a.F. erschienen Emittentenleitfaden211 hieß es zwar wie in den früheren Fassungen, es müsse als ausreichend, aber auch erforderlich angesehen werden, „dass die Insiderinformation einem breiten Anlegerpublikum zeitgleich zugänglich“ sei, doch fügt sich zur Erläuterung sogleich der Satz an, dies könne durch ein allgemein zugängliches, elektronisches Informationsverbreitungssystem erfolgen“ und verlange „keine Veröffentlichung in den Medien“. So habe „jeder interessierte Marktteilnehmer ... die Möglichkeit, von der Insiderinformation Kenntnis zu nehmen (Bereichsöffentlichkeit)“, ohne „dass die informationelle Chancengleichheit ... beeinträchtigt“ werde. Das lässt sich nur so deuten, dass die BaFin die Information der Bereichsöffentlichkeit als eine solche „eine[s] breite[n] Anlegerpublikums und damit einer unbestimmten Zahl von Personen“ ansieht212. Für das Kriterium der Bereichsöffentlichkeit zur Beantwortung der Frage, wann eine Information öffentlich 65 bekannt ist, hat es gute Gründe gegeben und gibt es sie auch weiter213. Vor allem ist es für die Bestimmung der öffentlichen Bekanntheit einer Information präziser und praktikabler als das Kriterium, nach dem eine Information erst dann öffentlich bekannt sei, wenn – ein Zeitpunkt, der nur schwer zu bestimmen ist – ein „breites Anlegerpublikum“214 von der Information habe Kenntnis nehmen können oder gar Kenntnis genommen hat. Dabei ist es bereits bei Eintritt der Bereichsöffentlichkeit und der mit ihr verbundenen sofortigen Einpreisung der Information ausgeschlossen, dass einzelne Marktteilnehmer mit der Kenntnis der Information einen Informationsvorsprung erlangen und einen ungerechtfertigten Vorteil realisieren können. Die Ansicht, das Konzept der Bereichsöffentlichkeit sei schon nach altem Recht europarechtswidrig gewesen, 204 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 9. Aufl. 2017, Rz. 324; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53. 205 Zu diesem Ausgangspunkt RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 46; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. Ist die als Insiderinformation in Betracht kommende Information als solche veröffentlicht worden, ist es gänzlich unerheblich, ob sie – wie Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52, unter Berufung auf Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 141, meinen – „zutreffend eingeschätzt werden kann“. 206 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 207 Näher dazu Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 33. 208 BGBl. I 1994, 1749. Es gibt deshalb keinerlei Anlass (und auch keinen Beleg) für zu der Behauptung, „schon bisher [habe] die BaFin – trotz ihres Bekenntnisses zur Bereichsöffentlichkeit – auf die breite Öffentlichkeit abgestellt“, so aber Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52 a.E. 209 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 46. 210 Die mögliche und nicht die tatsächliche Kenntnisnahme wird als entscheidend angesehen. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, 46; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34 („zugänglich gemacht“; Schaffung der „Möglichkeit, von der Insiderinformation Kenntnis zu nehmen“); Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 57; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.120; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 88, 91; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 30. 211 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34. 212 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34 zu III.2.1.2 (1. Abs.). 213 Ebenso, mit ausführlicher Begründung, Steinrück, S. 37 ff. 214 So schon vor und erst recht nach dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung VO Nr. 596/2014: Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 73; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 91 ff.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 384 („allgemeine Öffentlichkeit“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52, Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 132; Klöhn, AG 2016, 423, 427 „breite Öffentlichkeit“ folgend; Klöhn, ZHR 180 (2016), 707, 715 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 126 („Das breite Anlegerpublikum ist die Gesamtheit aller professionellen und nicht professionellen Anleger, die nach Informationen suchen, um sie am Kapitalmarkt zu verwerten. Zugang zu der Information haben sie, wenn die Information in einer Weise verbreitet wurde, die mit den Anforderungen des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 [VO Nr. 596/2014] vergleichbar ist“), 130 ff.; Krause in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 78; Kumpan, DB 2016, 2039, 2042.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 65 | Insiderinformation weil dieses seit der Börsenzulassungsrichtlinie 1979 auf die „breite Öffentlichkeit“ abgestellt habe, ist unzutreffend: Zum einen haben Öffentlichkeitskonzepte von Richtlinien wie der angeführten Börsenzulassungsrichtlinie 1979 nichts mit der Herstellung von Öffentlichkeit als Beseitigung der Eigenschaft einer Information als Insiderinformation zu tun und zum anderen versteht sich das Konzept zu Recht als ein solches, das die Information der Bereichsöffentlichkeit als eine Information des breiten Anlegerpublikums im Sinne der Information einer unbestimmten Zahl von Personen ansieht (s. Rz. 66 a.E.). Dafür spricht auch, dass selbst diejenigen, die „öffentlich bekannt“ als einem „breiten Anlegerpublikums bekannt“ verstehen, eine solche breite Bekanntheit der Information annehmen wollen, wenn die „Nachricht über den Börsenticker gelaufen oder durch einen der großen Nachrichtendienste wie Reuters oder DPA oder über ein anderes allgemein zugängliches, elektronisches Informationsverbreitungssystem bekanntgegeben worden ist“215. 66 Für eine Aufgabe des Kriteriums der Bereichsöffentlichkeit gibt es keine triftigen, geschweige denn zwin-
genden Gründe216. Dass der Marktmissbrauchsverordnung gegenüber der RL 2003/6/EG (Rz. 2) und der RL 2003/124/EG zur Durchführung dieser Richtlinie (Rz. 8) ein neues Konzept zugrunde liege, nach dem sich bestimme, wann eine Information öffentlich bekannt ist und damit keine Insiderinformation sein kann, ist nicht erkennbar. Was dafür als Indizien – mehr gibt es nicht – angeführt wird217, vermag einen solche Neuausrichtung nicht zu rechtfertigen. Das gilt auch für die Hinweise zur Auslegung des Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 über die Veröffentlichung von Insiderinformationen218, die zudem verkennen, dass die Anforderungen, die an die ordnungsgemäße Veröffentlichung von Insiderinformationen durch Emittenten (nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, Art. 2 DurchfVO 2016/1055 und § 3a WpAV) gestellt werden, von denen zu unterscheiden sind, die für die Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob eine Information als öffentlich bekannt gelten darf, unabhängig davon, wer sie wie, d.h. ordnungsgemäß oder nicht ordnungsgemäß, veröffentlicht hat219. Noch weniger überzeugend ist der Hinweis, Art. 2 Abs. 2 Abs. 1 lit. a Ziff. I DurchfVO 2016/1055220, der eine Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zum Gegenstand hat, verlange, „dass die Insiderinformation ‚nichtdiskriminierend an eine möglichst breite Öffentlichkeit‘ ... verbreitet“ werde, was zwingend nur durch die breite oder allgemeine Öffentlichkeit zu gewährleisten sei221. Er verkennt, dass gerade das Verlangen einer „möglichst“ breiten Öffentlichkeit Sachangemessenheitsargumenten Raum eröffnet und die „breite Öffentlichkeit“ – sonst hätte man sich das „möglichst“ ersparen können – nicht zum uneingeschränkten Maßstab erhebt. Dementsprechend ist gerade die Bereichsöffentlichkeit unter den Bedingungen der Anlagemärkte als das Konzept anzusehen, das eine „möglichst breite“ Öffentlichkeit i.S.d. DurchfVO 2016/1055 herstellt222. Hinzu kommt, dass es – im Gegensatz zum neuen Öffentlichkeitskonzept 215 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53 (Hervorh. im Orig.); ebenso, in seiner nach eigenem Urteil wohl europarechtswidrigen Erläuterung, Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 136. 216 Dafür, dass das Konzept der Bereichsöffentlichkeit auch Marktmissbrauchsverordnung gilt, Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 58; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/698; Steinrück, S.38 f.; Theile in Esser/Rübenstahl/ Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 87. A.A. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 348; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52; Kumpan/Misterek in Schwark/ Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 96 ff.; Klöhn, AG 2016, 423, 426 f.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 77 ff. (Rz. 79 „zwingend“; Rz. 80: „das Konzept der Bereichsöffentlichkeit ist mit der klaren Vorgabe der MAR nicht in Einklang zu bringen“); Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 7 MAR Rz. 19; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.17 (ohne nähere Begründung). 217 Namentlich bei Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52. 218 Verfehlt ist deshalb der Hinweis bei Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52, die Kommission und die ESMA gingen offensichtlich von einem weiten Verständnis des Begriffs „Öffentlichkeit“ aus, weil sie im Zusammenhang mit der öffentlichen Verbreitung von Informationen durch den Emittenten nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 von einer „möglichst breite[n] Öffentlichkeit“ bzw. von „dissemination to as wide as possible public“ sprächen. Nach Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 73, ist der Gleichlauf von Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 und Art. 17 VO Nr. 596/2014 „nicht zwingend“. 219 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 52, die geltend machen, für weites Verständnis des Begriffs „Öffentlichkeit“ spreche der Verweis in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 auf Art. 21 RL 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie), wo von einer Veröffentlichung „on a non-discriminatory basis“ die Rede sei, obschon das Konzept der Bereichsöffentlichkeit keinerlei Anlegerprivilegierung und damit auch keine Anlegerdiskriminierung mit sich bringt. 220 Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 der Kommission vom 29.6.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47 (Hervorhebung hinzugefügt). 221 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 373; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 91; ähnlich auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 79a. 222 Entsprechende Zweifel klingen auch an bei Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 92.
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Insiderinformation | Rz. 67 Art. 7 VO Nr. 596/2014
– nicht zu ausladender Kasuistik zwingt und Rechtssicherheit gewährleistet. Immerhin hat das Konzept der Bereichsöffentlichkeit – anders als bei der Ausfüllung des neuen Konzepts (s. Rz. 67) – die Rechtsanwendung nicht dazu veranlasst, wegen offensichtlicher Inkonsistenzen im Konzept und seiner Auslegung nach einer Klärung durch die BaFin in Verbindung mit der ESMA zu rufen. Auch wenn es keine überzeugenden und zwingenden Gründe gibt, das Konzept der Bereichsöffentlichkeit 66a aufzugeben, wird die Darstellung des Meinungsstreits im Schrifttum zunehmend mit dem Befund abgeschlossen, die besseren Gründe sprächen für das Erfordernis einer breiten Öffentlichkeit223. Dabei scheint das überzeugendste Argument hierfür noch der Hinweis darauf, dass die Verwaltungspraxis der BaFin unter der Marktmissbrauchsverordnung die Seiten gewechselt hat und der Ansicht folgt, öffentlich bekannt sei eine Information, „wenn sie einem breiten Anlegerpublikum und damit einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wurde“224. „Ausreichend, aber auch erforderlich [sei], dass die Information einem breiten Anlegerpublikum zeitgleich zugänglich“ sei. Jeder interessierte Marktteilnehmer erhalte „so die Möglichkeit, von der Information Kenntnis zu nehmen, so dass die informationelle Chancengleichheit nicht beeinträchtigt“ werde. Dem ist aber die Beobachtung entgegenzustellen, die BaFin vermeide zwar den zum Reizwort gewordenen Begriff der Bereichsöffentlichkeit, in der Sache schreibe sie aber ihre bisherige, vom Konzept der Bereichsöffentlichkeit geprägte Verwaltungspraxis „weitgehend fort und [nehme] lediglich Verfeinerungen im Detail vor“225. Soweit aber festgestellt wird, die BaFin habe nun „endgültig vom umstrittenen Konzept der sogenannten ‚Bereichsöffentlichkeit‘ Abstand“ genommen, wird gerügt, es sei kein „praktikables Verständnis [zu] erkennen, wann ein Informationsverbreitungssystem die öffentliche Bekanntheit“ herstelle226. Dessen ungeachtet: Wenn man mit der heute herrschenden Meinung davon ausgeht, dass eine Information erst dann öffentlich bekannt ist, wenn sie einem breiten Anlegerpublikum zugänglich ist, so ist dies zumindest in den Fällen zu verneinen, in denen schon bisher die Bereichsöffentlichkeit als nicht hergestellt galt. b) Einzelheiten Im Einzelnen ist davon auszugehen, dass sich eine Information an eine unbestimmte Zahl von Personen 67 richtet, wenn nicht aufgrund eines bestimmten Informationsmediums oder den zeitlich-räumlichen Umständen, unter denen die Information abgegeben wird, ein bestimmter Kreis der Bereichsöffentlichkeit ausgeschlossen ist, während – umgekehrt betrachtet – gleichzeitig feststeht, wer die fragliche Information erhalten wird. Dass im Markt „gewisse Vorahnungen“ – im Hinblick auf mögliche Umsatzeinbußen und Gewinnverluste eines Emittenten – bestanden haben mögen oder interessierten Kreisen eine bestimmte „wirtschaftliche Tendenz geläufig“ gewesen sein mag, macht eine diesbezügliche Insiderinformation noch nicht zu einer öffentlich bekannten227. Um eine breite Öffentlichkeit herzustellen, muss die Information einem breiten Publikum zeitgleich zugänglich sein228. Einem breiten Anlegerpublikum wird die Information nicht erst dann zugänglich und bekannt, wenn diese über die Medien und das Medienbündel veröffentlicht wird, die nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, Art. 2 DurchfVO 2016/1055 und § 3a WpAV für die ordnungsgemäße Veröffentlichung einer Insiderinformation durch den Emittenten vorgeschrieben sind (s. Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 185 ff.). Zugänglich und öffentlich bekannt ist eine Information vielmehr schon dann, wenn die Veröffentlichung der Information über ein allgemein zugängliches elektronisches Informationsverbreitungssystem – etwa Bloomberg, FinanzNachrichten.de der ABC New Media AG) – erfolgt229. Allerdings wird man diesbezüglich im Hinblick darauf, dass die Information einer breiten Öffentlichkeit zeitgleich zugänglich sein muss, um als öffentlich bekannt zu gelten, konsequenterweise verlangen, dass es sich zudem – wie dies der aufgehobene § 5 WpAV in seiner bis zum 3.1.2018 geltenden Fassung von einem Veröffentlichungspflichtigen im Hinblick auf die Art der Veröffentlichung vorschrieb – um ein weit verbreitetes Informationsverbreitungssystem handelt. Unerheblich ist, dass der Zugang zu dem Informationsverbreitungs223 Zuletzt etwa Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 73. 224 Dies Zitat und die folgenden Zitate BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10 (Hervorhebungen hinzugefügt). 225 Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.180b. 226 Kraack, ZIP 2020, 1389, 1390: „Praxisferne“. 227 Vgl. BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 – Freenet, AG 2010, 249 Rz. 14. 228 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. 229 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10; BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), III.5.c) S. 9; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 94; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 136. Recht kritisch im Hinblick auf die Frage, ob dadurch tatsächlich eine Bekanntheit der Information beim breiten Anlegerpublikum erreicht wird, auf eine Klärung durch die BaFin und die ESMA drängend, Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 112. Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass sich die Klärung darauf erstrecken sollte, ob sich ESMA und BaFin mit dem neuen Öffentlichkeitskonzept nicht in eine alles andere als zielführende Sackgasse verrannt haben.
Assmann | 163
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 67 | Insiderinformation system kostenpflichtig ist230. Vor allem die Verbreitung von Insiderinformationen über sog. Push-Dienste wird neuerdings als ausreichend angesehen, die Information einem breiten Anlegerpublikum zeitgleich zugänglich zu machen231. Allerdings ist zu bezweifeln, dass allein die Möglichkeit, sie bei „zahlreichen Anbietern“ – mitunter sogar kostenfrei – abonnieren zu können, die Annahme rechtfertigt, bei diesen handele es sich nicht nur um ein allgemein zugängliches, sondern auch um ein weit verbreitetes Informationsmedium. Nicht ausreichend ist es jedenfalls, wenn die Veröffentlichung der Information in einem „nur in bestimmten Kreisen einschlägigen (Börsen-)Informationsdienst oder Newsboard“ erfolgt232. Ganz anderen Einwänden ausgesetzt ist die Annahme, Informationen, die über Rundfunk- oder Fernsehsendungen verbreitet werden, seien „dann der breiten Kapitalmarktöffentlichkeit zugänglich, wenn sie in einem überregionalen Rundfunkoder Fernsehsender, zu dem auch private Anleger Zugang haben, ausgestrahlt worden sind“233. Da nahezu alle nationalen öffentlichrechtlichen Rundfunksender kabelvermittelt und kostenfrei empfangen werden können und nicht einmal die Zugangsentgelte zu einschlägigen Pay-tv-Fernsehsendern als für das breite Publikum jeweils prohibitiv angesehen werden können, ist dies der beste Weg, de jure eine breite Öffentlichkeit herzustellen, ohne dass das breite Publikum tatsächlich Kenntnis von der Information erlangt. De facto handelt es bei den in Frage kommenden allgemein zugänglichen elektronischen Informationsverbreitungssystemen um keine anderen als die, die man auch bisher als geeignet ansah, Bereichsöffentlichkeit herbeizuführen. 67a Nach Auffassung der BaFin und dem ihr folgenden Schrifttum soll keine Öffentlichkeit hergestellt sein,
wenn die Information über soziale Netzwerke („soziale Medien“) vorgenommen wird234. Man mag geneigt sein, dem – ungeachtet des Umstands, dass die sozialen Netzwerke jedermann kostenfrei zugänglich sind – für den Fall der Einstellung der Information in ein einziges soziales Netzwerk (wie etwa Twitter oder Facebook oder LinkedIn usf.) noch mit der Überlegung zuzustimmen, dass manche Netzwerke nur von bestimmten Altersgruppen und „social communities“ genutzt werden oder kapitalmarkt(informations)fern sind und damit der Kreis der potenziellen Empfänger alles andere als die breite Öffentlichkeit (und schon gar nicht eine Bereichsöffentlichkeit nach dem hier vertretenen Test öffentlicher Bekanntheit) ist. Auch bei der Verbreitung einer Information in und durch mehrere Netzwerke würde sich auf dieser Grundlage nichts ändern, da sich in diesem Fall zwar der Kreis der Personen, die die Nachricht erreicht, erheblich vergrößert, doch blieben auch hier die Bedenken, ob dadurch tatsächlich ein Adressatenkreis erreicht wird, den man als „unbestimmt“ im Sinne des Erfordernisses der nicht öffentlichen Bekanntheit einer Information qualifizieren kann. Gleichwohl dürfte eine Information auf diesem Wege einen breiteren Personenkreis erreichen als etwa über eine überregionale Tageszeitung und zumindest bei der Veröffentlichung einer Information in den – auch im Anlegerpublikum – sehr verbreiteten Netzwerken Twitter und Facebook dann auch eine breite Öffentlichkeit235. Die über ein weit verbreitetes oder mehrere Netzwerke verbreitete Information nicht als öffentlich zu betrachten, hieße zudem, dass dadurch potenzielle Anleger in sehr großer Zahl Kenntnis der Information erlangen, zu Insidern werden und damit den Insiderhandelsverboten unterliegen und dass dieser Zustand sehr lange andauern kann. Beendet würde dieser fraglos erst mit einem Akt, der die Information zweifelsfrei ei230 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 131; auch Krause in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 1. Aufl. 2018, § 6 Rz. 89, jetzt (2. Aufl. 2022, Rz. 89b) aber zweifelnd, ob dies auch für Informationsverbreitungssysteme gilt, die grundsätzlich von jedermann abonniert werden können, aber wegen ihrer hohen Kosten nur die Bereichsöffentlichkeit der professionellen Anleger erreichen, weshalb (ebd. Rz. 89c) für elektronische Informationsdienste „im Einzelfall zu prüfen“ sein soll, „ob sie im Regelfall nur die professionellen Anleger erreichen und damit die nach altem Recht maßgebliche Bereichsöffentlichkeit herstellen oder ob sie dem breiten Anlegerpublikum die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschaffen und damit die Anforderungen des Art. 7 Abs. 1 lit. a) MAR erfüllen“; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.181. Sehr diffus Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 103: Die Möglichkeit der Kenntnisnahme muss ... unentgeltlich sein, was aber nicht bedeutet, dass die Erlangung der Information mit keinerlei Kosten verbunden sein darf“ (Hervorhebung hinzugefügt). „Allgemeine Entgelte für die Nutzung“, was immer das ist, sollen nicht entgegenstehen. Auf „etwaige Zahlungspflichten für die Nutzung“ komme es nicht an, doch dürften sie nicht derart überteuert sein, „dass ihn sich tatsächlich nur professionelle Anleger leisten“ könnten. Von Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 131, entlehnt, aber im Übrigen aus der Luft gegriffen, liege die „Toleranzgrenze bei 3.000 Euro jährlicher Kosten“. 231 Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 89c. 232 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 94. 233 Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 90a m.w.N. 234 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10, in letzterer Hinsicht unter Berufung auf „ESMA, Final Report, Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28. September 2015, ESMA/2015/1455/Rn. 188“; i.E. auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 92a. Schon Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 138; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.182. 235 Bedenken wie hier Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75; Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 215.
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Insiderinformation | Rz. 68 Art. 7 VO Nr. 596/2014
nem breiten Publikum bekannt machen würde. Als einen solchen führt die BaFin den Umstand an, dass die Information nachfolgend zur Veröffentlichung der Information in sozialen Netzwerken „von der überregionalen Presse [dazu Rz. 69] aufgenommen und weiterverbreitet“ wird236. Hinzu kommt, dass Unternehmen (Geschäftsleiter, leitende Angestellte oder etwa Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit) in den sozialen Netzwerken zunehmend mit unternehmens- und marktbezogenen Nachrichten präsent sind und dabei Nachrichten einstellen, die – wenn sie nicht, wie wohl die Regel, bereits auf andere Weise öffentlich bekannt wären – auf jeden Fall geeignet wären, ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential aufzuweisen237. So wurde auch die Nachricht von Elon Musk, Tesla von der Börse zu nehmen, zunächst über Twitter an über 23 Mio. Follower verbreitet238. Deshalb sollte auch die Verwaltungspraxis der BaFin, so sie an ihrem „Öffentlichkeits“-Konzept festhält, eine breite Öffentlichkeit als hergestellt sehen, wenn eine Information über ein weit verbreitetes oder mehrere Netzwerke bekannt wird239. Sie würde damit dem Umstand Rechnung tragen, dass soziale Medien wie namentlich Twitter und Facebook „eine immer stärkere Bedeutung für Gesellschaften [gewinnen], ihre Beziehung zu Mitgliedern und Investoren zu gestalten“240. Nach einhelliger Ansicht macht die Einstellung einer Information auf „der Homepage [Website] des Unter- 67b nehmens“ diese nicht öffentlich bekannt241. Unstreitig ist auch, dass eine Information öffentlich bekannt ist, wenn sie dem breiten Anlegerpublikum zeitgleich zugänglich gemacht wird, so dass es nicht darauf ankommt, ob und in welchem Umfang die Information tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde242. Durchweg ist es schließlich als unerheblich anzusehen, wer die Information öffentlich bekannt gemacht hat243. Unabhängig davon, ob Register – zu denen im Hinblick auf Insiderinformationen namentlich das Handels- 67c register, das Unternehmensregister, das Transparenzregister, die Patentrolle oder das Grundbuch zählen – allgemein zugänglich sind oder nicht, ist eine Information nicht bereits dann öffentlich bekannt, wenn sie in eines derselben eingetragen wurde, da die Kenntnis des Eingetragenen eine Nachfrage voraussetzt, welche ihrerseits in der Regel nur anlassbezogen erfolgt244. Werden Informationen an Redaktionen, Nachrichtenagenturen, Betreiber elektronischer Nachrichtenvermitt- 68 lungssysteme oder sonstige Nachrichtenverteilungsstellen gegeben, so sind sie nicht bereits mit der Weitergabe, sondern erst für den Fall als veröffentlicht zu betrachten, dass sie in den von diesen betreuten bzw. beschickten Printorganen und elektronischen Medien so erscheinen, dass nach dem üblichen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden kann, sie seien einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich245. Bei elektronischen Informationsverbreitungssystemen ist eine Veröffentlichung bereits für den Zeitpunkt anzunehmen, in dem die fragliche Information versandt246 wird247. Die bloße Übermittlung der Information an die mit der 236 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. Auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75. 237 So auch Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 215, mit dem Beispiel eines „Social Executies“, der auf diesem Weg die Nachricht verbreitet, sein Unternehmen werde „demnächst eine neue Anwendung (App)“ herausbringen). 238 Näher Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 192. 239 Für diese neue Sichtweise auch Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 216 ff. 240 Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 192. 241 Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34; BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand 31.1.2019, III.5.c) S. 10; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 97; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 137; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 91; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.182; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36. Anders – differenzierend (kann in „Ausnahmefällen“ anders sein) – Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 114. 242 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 373; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 102; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.179. 243 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10 („Ob der Emittent selbst die der Information zugrunde liegenden Umstände, ggf. im Rahmen einer Veröffentlichung nach Art. 17 MAR, bekannt gibt oder diese auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, spielt keine Rolle“); BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), III.5.c) S. 9. 244 So im Ergebnis auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. 245 Ebenso Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 94, 100; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.491; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 113. 246 Auch Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 60. Früher war (vgl. auch noch 5. Aufl. des Kommentars Rz. 38) diesbezüglich, im Hinblick auf Börsenticker – möglicherweise missverständlich – von „Einspeisen“ (im Sinne einer versandfertigen Eingabe) die Rede. Claussen, ZBB 1992, 267, 275; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36, Sethe in Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl. 2007, § 12 Rz. 41. 247 Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 92, 94 („über den Börsenticker gelaufen“). Offener: Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.120 („Möglichkeit der Kenntnisnahme“, jedenfalls nicht schon „Eingabe“); Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 37 („veröffentlicht“).
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 68 | Insiderinformation Nachrichtenverbreitung betraute Agentur reicht dagegen nicht aus, um von der Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ausgehen zu dürfen248. Auf der Grundlage des Konzepts der Bereichsöffentlichkeit (Rz. 64 f.) ist es allerdings nicht erforderlich, dass es sich bei den Printorganen oder elektronischen Medien, in denen Informationen veröffentlicht werden, um solche handelt, die Privatanleger auch tatsächlich regelmäßig nutzen249. 69 Die Veröffentlichung einer Information in der Presse wird einhellig nur dann als einer breiten Öffentlichkeit
bekannt angesehen, wenn sie durch ein überregionales Presseorgan (Rz. 67) und nicht nur durch die Lokalpresse erfolgt, da im letzteren Fall nicht davon ausgegangen werden darf, dass die Information einem breiten Anlegerpublikum zugänglich gemacht wurde250. Eine der zahllosen, zu ausbordender Kasuistik und damit verbundener Rechtsunsicherheit führenden Schwächen des Konzepts einer „breiten Öffentlichkeit“ kommt besonders bei der Bestimmung des Zeitpunkts zum Vorschein, ab dem bei einer Veröffentlichung in einem überregionalen Presseorgan die Information öffentlich sein soll. Dazu wird der „Verkaufsbeginn der Zeitung“251 vorgeschlagen: Abonnenten der Zeitung mit Austragung in frühen Morgenstunden müssten damit mit der Verwertung der abgedruckten Information warten, bis sie im Handel erhältlich ist, bei der Bestimmung dieses Zeitpunkts aber ratlos oder überfordert sein252. Wie Informationen in nicht weit verbreiteten Presseorganen sind auch im Bundesanzeiger wiedergegebene Informationen nicht dem breiten Anlegerpublikum zugänglich253. Des Weiteren ist eine Information nicht bereits dann als öffentlich bekannt anzusehen, wenn ein Unternehmen Analysten oder Journalisten einlädt, um diesen über die fraglichen Umstände zu berichten254. Ebenso wenig können die auf einer Pressekonferenz mitgeteilten Informationen bereits mit Kundgabe als öffentlich bekannt gelten255. Selbst wenn es sich bei dieser um eine öffentliche und nicht nur geladenen Medien und Personen zugängliche Veranstaltung handelt, wurden die auf dieser mitgeteilten Informationen schon bisher nicht als geeignet angesehen, eine Bereichsöffentlichkeit herzustellen, weil es sich selbst bei einer öffentlichen Pressekonferenz nicht um ein allgemein zugängliches Informationsmedium handelt256. Dem steht nicht nur der außergewöhnliche Aufwand zur Teilnahme an einer solchen entgegen, sondern auch der Umstand, dass in dem Moment, in dem die Information kundgegeben wird, mit den tatsächlich Anwesenden nur eine bestimmte Personenzahl die Möglichkeit der Kenntnisnahme besitzt. Das gilt erst recht für den Fall, dass man 248 Ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 113; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 57. 249 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 46; Assmann, AG 1994, 237, 242; Claussen, ZBB 1992, 267, 276; Kümpel, WM 1994, 2137, 2138. 250 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 96; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 90b; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 113. 251 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 113. Im Falle der diesem vorausgehenden Vorwegveröffentlichung auf der Website des Mediums soll dieser Zeitpunkt maßgeblich sein, allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, ob dies auch für Veröffentlichungen mit „paybarrier“ gilt. 252 Selbst Presseverkaufsstellen in Bahnhöfen, bei denen man wohl am frühesten überregionale Zeitungen erhalten dürfte, werden bundesweit nicht zu einheitlichen Zeiten öffnen. Zudem müsste man zwischen Werktagen, Samstagen, Sonntagen und Feiertagen differenzieren. 253 Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 141; Kümpel, WM 1994, 2137, 2138; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 117. 254 Assmann, AG 1994, 237, 242; Assmann, ZGR 1994, 494, 512; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 385; Claussen, DB 1994, 27, 29; Hopt, ZGR 1991, 17, 30; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 138; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 139; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 92b; Kümpel, WM 1994, 2137, 2138; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 116; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.121; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 52; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.182; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36. 255 Ebenso schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34; auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. Aus dem Schrifttum Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 97; BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 373; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 61; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 138; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 140; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 92b; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 116; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.182; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36. 256 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10 („Diese Veranstaltungen [gemeint sind Pressekonferenzen und Hauptversammlungen] richten sich gerade nicht an eine unbestimmte Zahl von Interessierten, sondern gewähren nur einem bestimmten Kreis von Personen Zutritt“); Buck, Kapitalmarktrecht, Rz. 385 a.E.; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.3.II. Art. 7 MAR Rz. 61.
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Insiderinformation | Rz. 72 Art. 7 VO Nr. 596/2014
Informationen erst dann für öffentlich bekannt ansieht, wenn sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Was für Pressekonferenzen gilt, gilt auch für anderweitige Kundgaben an einen begrenzten und bestimmten Personenkreis, wie Festvorträge257 oder Vorträge auf Konferenzen und Fortbildungsveranstaltungen258. Auch die Gerichtsöffentlichkeit genügt schon nicht einmal den Anforderungen an die Bereichsöffentlichkeit259. Anerkannt ist sowohl nach dem Kriterium der Bereichsöffentlichkeit als auch demjenigen einer breiten Öffent- 70 lichkeit, dass eine auf einer Hauptversammlung – vom Vorstandsvorsitzenden in seinem Bericht oder in Erfüllung eines Auskunftsersuchens eines Aktionärs gem. § 131 Abs. 1 AktG – erteilte Information nicht dazu führt, dass diese öffentlich bekannt ist260. Nichts anderes gilt für den Fall der Übertragung der Hauptversammlung im Internet261. Auch wenn hier mit den Aktionären eines Unternehmens eine Gruppe der von solchen Informationen Hauptbetroffenen informiert wird, kann auf der Hauptversammlung nur ein bestimmter Kreis von Aktionären, von Marktteilnehmern und erst recht der Öffentlichkeit unterrichtet werden. Die fragliche Information geht mithin auch nicht an eine unbestimmte Anzahl von Personen. Vielmehr ist sie – auch wenn die Hauptversammlung eine große Zahl von Teilnehmern aufweist, die Presse vertreten ist und die Versammlung gar zeitgleich im Internet übertragen wird – nur einem bestimmten Kreis von Personen zugänglich. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Vorstand befugt ist, Aktionären im Rahmen einer Hauptversammlung Insiderinformationen mitzuteilen (dazu Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 34 f.). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Information auf der Homepage [Website] des Emittenten eingestellt wird (s. Rz. 67a).
Ein ganz anderer Themenbereich ist auch betroffen, wenn es um die Beurteilung der Frage geht, ob mit der 71 Veröffentlichung bestimmter primärer Informationen, wie einem Jahresabschluss oder einem Zwischenbericht, auch bestimmte, ihnen nicht unmittelbar zu entnehmende sekundäre Informationen als öffentlich bekannt angesehen werden dürfen. So kann zu beurteilen sein, ob stille Reserven bspw. aufgrund der veröffentlichten Rechnungslegung als öffentlich bekannt oder unbekannt zu gelten haben. Das wurde unter dem Konzept der Bereichsöffentlichkeit bejaht, wenn zumindest den Angehörigen der Bereichsöffentlichkeit ein Schluss von den fraglichen Primärinformationen auf die fraglichen Sekundärinformationen möglich ist262, so dass sich die Letzteren im Kurs der Wertpapiere widerspiegeln und verbreiten. Das ist im Hinblick auf die Bildung stiller Reserven jedenfalls im Regelfall zu verneinen263. Unter dem Konzept der Herstellung einer breiten Öffentlichkeit, in der kein bereichsspezifisches Wissen eines Teils dieser Öffentlichkeit eine Rolle spielen kann, ist dies fraglos anders zu beurteilen.
5. Emittenten oder Finanzinstrumente betreffende Information Nicht öffentlich bekannte präzise Informationen kommen nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nur 72 dann als Insiderinformationen in Betracht, wenn sie direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten 257 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 92b. 258 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75. 259 Auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1 a.E. S. 10 und 1.2.1.5.8 S. 20, auf der Grundlage ihres Verlangens einer breiten Öffentlichkeit. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 139; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 141; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 92b; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 117, 303; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 99; Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.182. 260 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10 (richtet „sich gerade nicht an eine unbestimmte Zahl von Interessierten, sondern gewähren nur einem bestimmten Kreis von Personen Zutritt“); Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 97; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 75; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 374; Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 139; Kümpel, WM 1994, 2137, 2138; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 92b; Kumpan/ Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 116; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.121; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 98; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/698; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.182; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 36. 261 Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. Aus dem Schrifttum Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 386; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 53; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 92, 98; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.182. A.A. Sven H. Schneider, NZG 2005, 702, 706; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 36. 262 Kübler, Vorsichtsprinzip vs. Kapitalmarktinformation, in FS Budde, 1995, S. 361, 374 f. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 145; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 52. 263 Vgl. Kübler, Vorsichtsprinzip vs. Kapitalmarktinformation, in FS Budde, 1995, S. 361, 374 f.; Lösler in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 52.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 72 | Insiderinformation oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen. Ein entsprechendes Erfordernis findet sich auch im Hinblick auf die in Art. 7 Abs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014 genannten speziellen Finanzinstrumente und Transaktionen. Dieses Merkmal war von Anfang der europäischen und mitgliedstaatlichen Insiderregelung an Bestandteil der Anforderungen an eine Insiderinformation264. Von Anfang an bestanden aber auch Zweifel, ob dem Merkmal überhaupt eine Bedeutung zukommt, die über das Erfordernis einer präzisen, namentlich kursspezifischen, und kurserheblichen Information hinausgeht265. Diese Zweifel bestehen auch im Hinblick auf Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 fort266. Die Rechtsunsicherheiten bei der Beantwortung der Frage, wann eine Information – würde sie sie öffentlich bekannt – geeignet ist, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, gibt einem Kriterium, das einer Information die Eigenschaft einer Insiderinformation nimmt, bevor es zur Prüfung ihrer Kurserheblichkeit kommt, aber wieder Gewicht267. a) Emittentenbezug 73 Unerheblich ist, ob die Quelle der direkt oder – anders als im Hinblick auf die Veröffentlichungspflicht von
Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 – indirekt emittentenbezogenen Information innerhalb oder außerhalb des Unternehmens des Emittenten liegt. Sie kann mithin innerhalb desselben liegen und ihn damit unmittelbar berühren, kann aber auch von außerhalb des Emittenten kommen und ihn direkt oder lediglich indirekt betreffen268. Eine Information, die den Emittenten nur mittelbar betrifft, kann zwar eine Insiderinformation sein, löst aber keine Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht des betroffenen Emittenten nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 aus: Diese Vorschrift verlangt, dass die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft.
74 Dementsprechend ist der Emittentenbezug einer Information gegeben, wenn sie aus dem Unternehmen des
Emittenten kommt und unternehmensinterne Verhältnisse desselben betrifft, d.h. gegenwärtige oder zukünftige Umstände oder Ereignisse in Gestalt namentlich seiner Organisation, seines Personalwesens (Organe und Angestellte), seiner Geschäftspolitik und seines Geschäftsverlaufs, seiner Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, seiner Anteilseignerstruktur, seiner (vor allem konzernrechtlichen) Verbindungen zu und mit anderen Unternehmen sowie seine Marktstellung betrifft269. So ist die Ermittlung einer erheblichen Steige-
264 S. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 42 f. 265 S. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 46 m.w.N. Aus dem neueren Schrifttum Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 121 ff.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.21; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 62. 266 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 76; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 116 ff.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 1. Aufl. 2018, § 6 Rz. 94 („Angesichts der engen Verknüpfung zum Tatbestandsmerkmal der Kursrelevanz kommt dem Merkmal des Bezugs zu einem Emittenten oder einem Finanzinstrument keine selbständige Funktion zur Abgrenzung zwischen Insiderinformationen und sonstigen, insiderrechtlich irrelevanten Informationen zu“); . 267 Abgesehen davon ist – weil es Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 verlangt und wie Mennicke/Jakovou (in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 87) es zu § 13 WpHG a.F. formulierten – „trotz aller Zweifel an der Bedeutung des Merkmals ... an der eigenständigen Prüfung des Emittenten- bzw. Insiderpapierbezugs festzuhalten, auch wenn damit wohl keine substantielle Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals der Insiderinformation verbunden ist“. A.A. jetzt deutlich Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 94: „Weil der mittelbare Bezug zu einem Emittenten oder Finanzinstrument ausreicht, hat das Tatbestandsmerkmal des Bezugs zu einem Emittenten oder einem Finanzinstrument eine derartige Ausweitung erfahren, dass es im Merkmal der Kursrelevanz praktisch vollkommen aufgeht und ihm keine selbständige Funktion zur Abgrenzung zwischen Insiderinformationen und sonstigen, insiderrechtlich irrelevanten Informationen zukommt“. 268 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.3 S. 11; Assmann, AG 1994, 237, 242; Brellochs in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 77; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 100 f.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 51; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 95 („Die Quelle der Information kann dabei sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens liegen“); Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 86; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.117; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 110 f.; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.184. 269 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 77; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 102; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 359; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 87; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 110 ff.; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.185. Ähnlich Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 95 („Emittentenbezogene Informationen sind solche Informationen, die interne Vorgänge der Unternehmen oder die Beziehungen der Unternehmen zu ihrer Umwelt betreffen, ohne sich auf Umstände zu beziehen, die nur eine bestimmte Art oder Gattung von Finanzinstrumenten berühren, die von dem besagten Unternehmen emittiert wurden“).
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Insiderinformation | Rz. 77 Art. 7 VO Nr. 596/2014
rung des Unternehmensgewinns eine Information, welche ihren Ursprung im Unternehmen hat und sich auf den Emittenten bezieht. Gleiches gilt für Informationen über Beschlüsse des Vorstands oder Aufsichtsrats, was auch immer ihr Gegenstand sein mag. Nicht anders ist der Abschluss von Kooperationsverträgen zwischen mehreren Unternehmen – ungeachtet des Umstands, dass er nicht nur den Emittenten betrifft – zumindest auch ein emittenteninterner Vorgang. Darüber hinaus können aber auch Informationen über unternehmensexterne Vorgänge oder Verhältnisse, die 75 den Emittenten direkt oder indirekt betreffen, einen Emittentenbezug aufweisen: Ein solcher direkter Emittentenbezug ist Informationen über die Einleitung von Ermittlungen gegen den Emittenten und/oder einzelne seiner Organe oder Mitarbeiter eigen und darüber hinaus etwa Informationen über die Verhängung von Bußgeldern gegen die Vorgenannten, diese betreffende gerichtliche Entscheidungen, die Erteilung oder Versagung einer (kartellrechtlichen) Genehmigung, Probleme bei einem verbundenen Unternehmen, die Insolvenz eines maßgeblichen Geschäftspartners (eines Hauptlieferanten oder eines Hauptabnehmers), die Abgabe eines Übernahmeangebots auf Wertpapiere des Emittenten oder ein Rating des Emittenten durch eine Ratingagentur270. Einen Emittentenbezug können auch Marktinformationen haben, d.h. Informationen über Marktverhältnisse und Wettbewerbsparamete, die für alle Marktteilnehmer und Finanzinstrumente gelten271, wenn sie bestimmbare Auswirkungen auf einzelne Emittenten mit sich bringen und damit zugleich auch kursspezifisch sind (Rz. 61).
b) Bezug zu Finanzinstrumenten Als Finanzinstrumente betreffende Informationen kommen alle Informationen in Betracht, die direkt oder 76 indirekt ein oder mehrere Finanzinstrumente oder den Handel mit denselben zum Gegenstand haben272. Auch direkt oder indirekt ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffende Informationen können ihre Quelle in- und außerhalb des Emittenten haben. Nicht zuletzt deshalb hat der Finanzinstrumentenbezug als Voraussetzung einer Insiderinformation eine eigenständige Bedeutung allerdings nur in den Fällen, in denen sich die Information ausschließlich auf Finanzinstrumente und ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (wie Informationen über die rechtliche Qualifikation oder Zulässigkeit von oder den Handel mit Finanzinstrumente) bezieht und nicht zugleich einen Emittentenbezug aufweist, weil es direkt oder indirekt auch um die Finanzinstrumente des Emittenten und seine Finanzierungs- und Beteiligungsverhältnisse geht. So haben alle aus dem Unternehmen des Emittenten stammende Informationen über Finanzinstrumente – insbesondere Daten und Informationen den Handel im jeweiligen Finanzinstrumenten betreffend „(Ordervolumen, Art der Order, Identität des Auftraggebers usw., aber auch Aufnahme oder Ausscheiden aus einem Index)“273 – auch einen Emittentenbezug. Das gilt für Beschlüsse über den Ausschluss von Bezugsrechte, die Festlegung einer Dividende (Rz. 93d) oder den Rückkauf von Wertpapieren genauso wie für Informationen über die Ausstattung einer Anleihe oder Genussrechten. Nicht anders verhält es sich für zahlreiche externe Informationen mit Bezug zu Finanzinstrumenten bestimmter Emittenten, wie bspw. die Einführung oder Herausnahme eines Finanzinstruments aus einem Wertpapierindex (dem DAX, MDAX oder TecDAX).
Damit bleiben als eigenständiger Anwendungsbereich der Qualifikation einer Information als Insiderinfor- 77 mation kraft Bezug derselben auf Finanzinstrumente im Wesentlichen nur auf Finanzinstrumente bezogene Marktinformationen, d.h. für alle Marktteilnehmer und Finanzinstrumente maßgeblichen Informationen über Marktverhältnisse und Wettbewerbsparameter (Rz. 61), die keinen Emittentenbezug aufweisen (Rz. 61 und Rz. 75). Eine solche Marktinformation liegt bei einer Information über eine Verlautbarung der BaFin über deren aufsichtsrechtliche Behandlung bestimmter Finanzinstrumente oder bei einer Information über Finanzinstrumente betreffende Gesetzesvorhaben und -änderungen274 vor. Marktinformationen über Fi270 So auch Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 60. 271 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.3 S. 11, führt – ohne weitere Differenzierung zwischen Emittentenund Finanzinstrumenten – als Beispiele an: „Zinsbeschlüssen von Notenbanken, Devisenkursen, Rohstoffpreisen, branchenspezifischen statistischen Daten, außerbörslichen Paketverkäufen durch Großinvestoren ohne strategische Zielsetzung, Daten und Informationen den Wertpapierhandel im jeweiligen Finanzinstrument betreffend (Ordervolumen, Art der Order, Identität des Auftraggebers usw., aber auch Aufnahme oder Ausscheiden aus einem Index), Abfindungsangeboten/Squeeze-outs, Naturkatastrophen sowie Gesetzesvorhaben bzw. -änderungen oder sonstigen politischen Entscheidungen“. 272 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 78; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 104; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 96; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 88; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 186. 273 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.186. 274 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 34. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.186.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 77 | Insiderinformation nanzinstrumente sind aber auch gerichtliche Entscheidung über wertpapierrechtliche Fragen, die zwar primär die Parteien des Verfahrens treffen, hinsichtlich ihrer Aussagen aber für alle Finanzinstrumente der fraglichen Art oder Gattung von Bedeutung sind.
6. Kurserhebliche Information (Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 VO Nr. 596/2014) a) Allgemeines – Maßstab des verständigen Anlegers 78 Nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten
oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betreffen, können gem. Art. 7 Abs. 1 Satz lit. a VO Nr. 596/2014 nur dann Insiderinformationen sein, wenn sie – würden sie öffentlich bekannt – geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, kurz: kurserheblich sind oder, synonym, Kursbeeinflussungspotenzial haben. Die Kurserheblichkeit von Informationen ist nach Art. 7 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 für den Fall zu ermitteln, dass sie „öffentlich bekannt würden“. Das heißt, für die – aus einer Ex-ante-Sicht, bezogen auf den Zeitpunkt des Insidergeschäfts vorzunehmenden (dazu Rz. 88 ff.) – Feststellung der Kurserheblichkeit „ist zu unterstellen, dass die betreffenden Umstände öffentlich bekannt geworden sind“, ohne dass hierbei die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung der nicht öffentlich bekannten Umstände eine Rolle spielt275. Kursbeeinflussungspotenzial haben nach dem in Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 formulierten Kurserheblichkeitstest – dieser fand sich nahezu wortgleich schon in Art. 1 Abs. 2 RL 2003/124/EG (Rz. 8) – solche Informationen, „die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde“. Dieses Erfordernis der Kurserheblichkeit gilt auch für die in Art. 7 Abs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014 genannten speziellen Finanzinstrumente und Transaktionen mit denselben. Der Umstand, dass die deutsche Sprachfassung von Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 von der Eignung zur Kursbeeinflussung spricht, während andere – namentlich die englische – verlangen, dass die Information wahrscheinlich („likely“) erhebliche Auswirkungen auf den Preis der Finanzinstrumente hat276, vermag sich auf die Auslegung des Merkmals der Kurserheblichkeit einer Insiderinformation schon deshalb nicht auszuwirken, weil die Umschreibung des Eignungskriteriums durch Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 in den verschiedenen Sprachfassungen übereinstimmt und ein Wahrscheinlichkeitskriterium nur noch in der Form eines wahrscheinlichen Verhaltens eines verständigen Anlegers enthält. De lege lata unterliegt die Beantwortung der Frage, ob die einer Person bekannt gewordene Information eine solche darstellte, die geeignet war, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, der gerichtlichen Überprüfung, ohne dass sich der Nutzer der Information – namentlich der Emittent im Hinblick auf seine Pflichten zur Ad-hoc-Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 – dabei auf ein Beurteilungsermessen vergleichbar der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Business Judgement Rule berufen könnte277.
79 Unübersehbar verlagert Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 die durch Formulierung des Kurserheb-
lichkeitserfordernisses in Art. 7 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 aufgeworfene Frage, welche Kursveränderung als erheblich anzusehen ist und mit welcher Wahrscheinlichkeit gegebenenfalls mit dieser zu rechnen sein muss, hin zur Frage, ob ein verständiger Anleger die fragliche Information wahrscheinlich zur Grundlage seiner Anlageentscheidungen machen würde. Die noch unter dem Eindruck der EG-Insiderrichtlinie von 1989278 und ihrer Umsetzung in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. unternommenen Versuche, die Kurserheblichkeit von Informationen an bestimmten numerischen Grenz- oder Schwellenwerten zu erwartender Kursänderungen zu bestimmen279, waren mit dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung endgültig zu verabschieden. Tatsächlich hatten sie schon aufgrund der – mit Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 im entscheidenden Punkt wortgleichen – Bestimmung in Art. 1 Abs. 2 RL 2003/124/EG (Rz. 8) keine Grundlage mehr280. Spätestens mit dieser Richtlinie und den diese umsetzenden Änderungen des § 13
275 276 277 278 279 280
OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164 Ls. 3, 166. Hinweis bei Langenbucher, AG 2016, 417, 420. Auch Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 91. ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. S. dazu Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 63. Zur Ablehnung rein quantitativer Kriterien schon CESR, Market Abuse Directive, S. 6: „CESR is clear that fixed thresholds of price movements or quantitative criteria alone are not a suitable means of determining the significance of a price movement“. S. auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12 („Der Kurs eines Finanzinstruments wird nicht nur von den Informationen über das betreffende Unternehmen selbst, sondern auch von der Verfassung des Gesamtmarkts oder der Branche sowie von zusätzlichen Faktoren wesentlich geprägt. Aus dem gleichen Grund können auch keine allgemeingültigen Schwellenwerte existieren“).
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Insiderinformation | Rz. 82 Art. 7 VO Nr. 596/2014
WpHG a.F. war es deshalb herrschende Meinung, die Kurserheblichkeit einer nicht öffentlich bekannten Information danach zu beurteilen, welchen Kauf- oder Verkaufsanreiz diese auf einen rational handelnden Anleger ausüben würde281; näher dazu Rz. 82. Einige allgemeine Hinweise darauf, wie ein verständiger Anleger Anlageentscheidungen trifft und welche 80 Informationen er wahrscheinlich bei einer Anlageentscheidung heranziehen wird, sind Erwägungsgrund 14 VO Nr. 596/2014 zu entnehmen. Dieser geht davon aus, dass verständige Investoren ihre Anlageentscheidungen auf Informationen stützen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen (Ex-ante-Informationen). Unter diesen berücksichtige er „auch die voraussichtlichen Auswirkungen der Informationen ..., insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das Finanzinstrument, die damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakte oder die auf den Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte unter den gegebenen Umständen beeinflussen dürften“. Hat die Geltl-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht ausdrücklich ausgeführt, inwieweit die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines künftigen Ereignisses, auf das ein bereits eingetretenes Ereignis hindeuten kann, bei der Beurteilung der Kursrelevanz des bereits eingetretenen Ereignisses von Bedeutung ist, so geht der BGH aufgrund verschiedener obiter dicta des EuGH davon aus, dass ein Anleger bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit des eingetretenen Ereignisses auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses in Betracht ziehen und damit den möglichen künftigen Verlauf der Dinge „abschätzen“ wird282. Mit dem Probability-Magnitude-Test und seiner Verknüpfung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines zukünftigen Ereignisses mit deren Auswirkungen für den Eintrittsfall (Rz. 45, 53) hat all dies nichts zu tun283. Vielmehr tragen die Ausführungen des BGH dem Umstand Rechnung, dass ein verständiger Anleger das Kursbeeinflussungspotential eines eingetretenen Ereignisses vernünftigerweise im Lichte von dessen Entstehung, der von diesem generierten Entwicklung und der Wahrscheinlichkeit dieser Entwicklung beurteilen wird. Wenn es in Erwägungsgrund 14 VO Nr. 596/2014 heißt, ein verständiger Anleger „sollte“ die vorstehend an- 81 geführten Umstände berücksichtigen, so zeigt dies, dass sich der Verordnungsgeber durchaus des Umstands bewusst waren, dass es sich bei dem Standard des „vernünftigen Investors“ um einen normativen Maßstab284 und nicht um eine empirisch zu ermittelnde Größe und reales Anlegerverhalten handelt. Vorstehende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Verhaltens eines verständigen Investors entsprechen im Übrigen – nahezu wortgleich – denjenigen in Erwägungsgrund 1 der RL 2003/6/EG (Rz. 2), auf die sich auch der EuGH in der Geltl-Entscheidung beruft, um konkretisierend hinzuzufügen, dass – sorgsam zu trennen von der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines zukünftigen Ereignisses (Rz. 45) – der vernünftige Anleger bei seiner Anlageentscheidung nicht nur die möglichen Auswirkungen eines Ereignisses auf den Emittenten in Betracht ziehe, sondern auch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Ereignisses285.
Der Kurserheblichkeitstest des Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 – d.h. die Frage, ob ein verständi- 82 ger Anleger eine nicht öffentlich bekannte Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde – ist weitgehend identisch mit dem als Anreiz-Test zu bezeichnenden Test unter § 13 WpHG a.F., der es für die Kurserheblichkeit einer Information für entscheidend ansah, welchen Kauf- oder Verkaufsanreiz diese auf einen über die Information verfügenden und rational handelnden, d.h. 281 S. dazu Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 64. Ebenfalls zu §§ 13, 15 WpHG a.F. OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 165/166. 282 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 25 unter Berufung auf EuGH, 2. Kammer, v. 28.6.2012 – C19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 55. Im Ausgangspunkt ebenso OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 166, aber mit deutlicher und zweifelhafter, weil weder von der Entscheidung des BGH noch der ihr zugrunde liegenden Geltl-Entscheidung nicht gedeckter Zuspitzung der Ausführungen des BGH in Richtung Probability-Magnitude-Test: „Hieraus folgt aber gerade nicht, dass er zukünftige Entwicklungen, die er als vergleichsweise unwahrscheinlich bewertet, gänzlich unberücksichtigt lassen würde. Ein verständiger Anleger wird vielmehr die Schwere der Auswirkungen einer ungewissen zukünftigen Entwicklung unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit in seine Überlegungen einbeziehen. Eine Art ‚Sperrwirkung‘ für nicht hinreichend wahrscheinliche zukünftige Entwicklungen dürfte § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. nicht entfalten. Dies schon deshalb, weil es bei den einschlägigen Sachverhalten regelmäßig nicht das ‚eine zukünftige Ereignis‘ gibt, sondern stets viele verschiedene Ausgänge denkbar sind (so auch Klöhn in KKWpHG, 2. Auflage 2014, § 13, Rz. 112)“. 283 Anders, von Wunschdenken bestimmt, Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 217. Zurückhaltender Kumpan, Gestreckte Vorgänge, S. 109, 116 Rz. 16: „Darin eine ausdrückliche Bestätigung der Probability/Magnitude-Tests zu sehen, würde den Wortlaut der Entscheidung überdehnen. Eine Ablehnung ist dem aber auch nicht zu entnehmen ...“; ebd. Rz. 17 aber auch zu den Grenzen des Tests. Ablehnend wie hier Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 112 ff. 284 So auch Groß/Royé, BKR 2019, 272, 276; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 55; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 258 f. 285 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 55.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 82 | Insiderinformation die besonderen Verhältnisse des Marktes und des fraglichen Insiderpapiers mit berücksichtigenden Anleger ausüben würde. Das wurde, in griffiger Formulierung, dergestalt gefasst, dass es sich für die als Insider in Betracht kommende Person „lohnen müsse“, ihre Kenntnis der öffentlich unbekannten Tatsache in Geschäften mit dem Insiderpapier auszunutzen286. Das wurde teilweise nur für den Fall angenommen, dass der Kauf- oder Verkaufsanreiz erheblich ist287, wohingegen andere lediglich verlangten, der Anreiz müsse ausreichend sein, um einen rational handelnden Anleger in Ansehung von Kosten und Risiken der Transaktion zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren zu veranlassen288. Die BaFin sah durch das Erfordernis, dass das Geschäft dem verständigen Anleger lohnend erscheinen müsse, jedenfalls solche Fälle als ausgeschieden, „in denen die Verwertung einer nicht öffentlich bekannten Information von vornherein keinen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil verspricht, und damit kein Anreiz besteht, die Information zu verwenden“289 und verlangt auch heute keine erhebliche Anreizwirkung: So betrachtet die BaFin ein Geschäft vielmehr bereits dann als lohnend, wenn die erwartete Rendite abzüglich Transaktionskosten (etwa die Ordergebühren) die Opportunitätskosten, d.h. die Rendite, die eine Anlage in Finanzinstrumenten mit vergleichbarem Risiko erzielen würde, übersteigt, und führt darüber hinaus an, ein Geschäft könne „auch als lohnend angesehen werden, wenn die mögliche Rendite in einem vermiedenen Kursverlust“ liege290. Die Auffassung der BaFin wird dem (u.a. dem Ausschluss von Bagatellfällen dienenden, s. Rz. 83) gesetzlichen Erfordernis, Informationen müssten, um Insiderinformationen darzustellen, geeignet sein, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, nicht gerecht. Immerhin konnte die BaFin im Zuge der Konsultationen zum neuen Emittentenleitfaden Modul C veranlasst werden, ihre Vorstellung, kurserheblich sei eine Information bereits dann, wenn ihre Nutzung einen „kleinen, aber sicheren Gewinn“ erwarten lasse, nicht in den Emittentenleitfaden aufzunehmen291. Der BaFin wird entgegengehalten, ihre Kalibrierung des Anreiztests stelle kaum mehr als eine sehr niederschwellige De-Minimis-Schranke dar292. „Richtigerweise“ müsse die prognostizierte Rendite aber nicht nur die Opportunitätskosten überschreiten, sondern es müsse der Kursausschlag auch über der durchschnittlichen Tagesvolatilität des jeweiligen Finanztitels liegen, damit ein verständiger Anleger durch eine Information einen Kauf- oder Verkaufsanreiz erhalte293. 83 Der Anreiz-Test stimmt im Ausgangspunkt mit dem Kurserheblichkeitstest des Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO
Nr. 596/2014 überein, so dass zur Konkretisierung des Letzteren auf die zu dem Ersteren entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann. Die zum Insiderrecht ergangenen Entscheidungen des EuGH (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 12), namentlich die Geltl-Entscheidung (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 12 und hier Rz. 23), machen aber deutlich, dass sich das Gericht nicht auf eine Festlegung dahingehend einlassen würde, der Anreiz, die Information für eine Anlageentscheidung zu verwenden, müsse „erheblich“ sein. Vielmehr hat der EuGH in sämtlichen der vorgenannten Entscheidungen seine Effet-utile-Methode der Auslegung von Gemeinschaftsrecht bestätigt und deutlich gemacht, dass jede Information als kurserheblich gelten muss, deren Verwendung das Gebot der informationellen Chancengleichheit in den Finanzmärkten verletzen und einem Anleger einen Sondervorteil gegenüber anderen zu verschaffen vermöchte. Auch wenn das Kurserheblichkeitskriterium als solches zur Aussonderung von Bagatell-Fällen von Insidergeschäften betrachtet wird294, 286 Maßgeblich Süßmann, AG 1997, 64; Wölk, AG 1997, 79. OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 165/166. Ebenso schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 35, und jetzt BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 117; Cahn, ZHR 162 (1998), 17; Hopt, 159 (1995), 135, 155; Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 54; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 121 ff.; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 180; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 Rz. 161; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.190; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.22. 287 Wittich, AG 1997, 3; ähnlich Pananis, S. 113; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 13 WpHG Rz. 74. 288 Soesters, S. 147. 289 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 35. 290 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12. OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 166. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.190. 291 Dazu Kraack, ZIP 2020, 1389, 1392; Kiefner/Krämer/Happ, DB 2020, 1386, 1387; Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 478/479. 292 Mülbert/Sajnovits, WM 2020, 1557, 1564. 293 Mülbert/Sajnovits, WM 2020, 1557, 1565: „Andernfalls müsste der Anleger nämlich davon ausgehen, dass der durch die Information bedingte Kursausschlag durch andere Ereignisse ohnehin kompensiert bzw. überkompensiert werden kann, was ihm den Kauf- oder Verkaufsanreiz gerade wieder nimmt“. 294 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12 (s. Zitat in der vorigen Fn.). Zum älteren Schrifttum Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 66 m.w.N. Aus dem neueren Schrifttum Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 87; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 376; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 54; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 164; Krause in
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Insiderinformation | Rz. 84 Art. 7 VO Nr. 596/2014
hat insbesondere das Geltl-Urteil zur Frage, wann der Eintritt eines zukünftigen Ereignisses als hinreichend wahrscheinlich gelten dürfe (Rz. 44 ff.), gezeigt, dass die Bagatellgrenze295 jedenfalls nicht an der Grenze zu wahrscheinlich erheblichen Kursausschlägen gesucht werden darf. Vielmehr werden vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung alle Informationen als kurserheblich anzusehen sein, die einen Anleger, der durch die Kenntnis einer nicht öffentlich bekannten Information über einen Wissensvorsprung gegenüber dem Publikum verfügt, wahrscheinlich dazu veranlassen werden, sich durch die Verwendung dieser Informationen einen ungerechtfertigten Sondervorteil zu verschaffen. „Eine europäische gesetzliche Definition des verständigen Anlegers gibt es nicht“296, doch ist auf der 84 Grundlage vorstehender Ausführungen der verständige Anleger i.S.v. Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 wie unter der RL 2003/6/EG (Rz. 2) und der RL 2003/124/EG (Rz. 8) und dem diese umsetzenden § 13 Abs. 1 WpHG a.F. als ein „durchschnittlich verständigen Anleger“ zu verstehen, d.h. als ein „verständige, mit den Marktgegebenheiten vertraute“ – also börsenkundige297 – und mit Kenntnis aller verfügbaren Informationen ausgestattete298, rational handelnde und dabei selbst irrationale Reaktionen anderer Marktteilnehmer berücksichtigender299 Anleger. Weitgehend ähnlich stellt die BaFin zur Definition des verständigen Anlegers heute „auf einen durchschnittlich börsenkundigen Anleger ab, der seine Entscheidungen auf objektiv nachvollziehbarer Informationsgrundlage trifft“300. Dabei sei ein besonderes Fachwissen nicht erforderlich, doch sei der verständige Anleger mit den Usancen des Wertpapierhandels und dem Unternehmensrecht in Grundzügen vertraut. Darüber hinaus beziehe ein verständiger Anleger aber auch alle Besonderheiten des Einzelfalles mit ein, würdige in einer Gesamtschau, in welcher gegenwärtigen Marktsituation sich das Unternehmen befinde und ob unter Berücksichtigung derselben der in Rede stehende Umstand geeignet erscheine, den Kurs des betreffenden Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen301. Hierbei berücksichtige er, wie aus seiner Erfahrung heraus andere Marktteilnehmer – d.h. das Anlegerpublikum – in der Vergangenheit auf vergleichbare Sachverhalte reagiert hätten. Daher sei davon auszugehen, dass ein verständiger Anleger in seine Anlageentscheidung nicht nur die zukünftige Finanz- und Ertragskraft des Unternehmens
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Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 118; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 173; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 131; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.187, 12.190; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 7 MAR Rz. 20; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 63. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 35: „Die Voraussetzung der Erheblichkeit soll sicherstellen, dass nicht jeder Umstand, der zu einer geringfügigen Preisbewegung führen kann, als Insiderinformation zu bewerten ist.“ BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 11 (Hervorhebung hinzugefügt). BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209, 213 Rz. 41; OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 165 m.w.N.; schon BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 11; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.126 (durchschnittlich börsenkundiger Anleger); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 141; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.189; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 13 WpHG Rz. 87 f. (Rz. 88: „börsenkundiger Laie“); Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 47. Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 35: Abzustellen ist auf die „Sicht eines verständigen Anlegers, der zum Zeitpunkt seines Handelns alle verfügbaren Informationen kennt“; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 a.E. S. 12. Ebenso Fleischer, NZG 2007, 401, 405; Gunßer, S. 60 ff.; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1901 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.126; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2017, § 13 WpHG Rz. 93; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 66. Ausführlich und differenziert OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap. 1/08, OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 = ZIP 2009, 962: „[Rz. 91] Auch der Senat hält es für richtig, auf die Sicht des verständigen Anlegers abzustellen ..., mithin auf die Anlagerelevanz der Information ... [Rz. 92]. Ein verständiger Anleger handelt rational, er trifft seine Entscheidung auf angemessener, also verlässlicher tatsächlicher Informationsgrundlage (vgl. auch Erwägungsgrund 1 der Durchführungsrichtlinie), aufmerksam und kritisch ... Er ist folglich börsenkundig und kennt die verfügbaren Informationen. Ob es sich um einen Kleinanleger oder einen professionellen Anleger handelt, ist nicht wesentlich ... Rational handelt der verständige Anleger auf dieser Grundlage, wenn er – im Unterschied zum spekulativen Anleger – seine Anlageentscheidung an der im Hinblick auf die ihm vorliegenden verlässlichen Informationen zu prognostizierenden künftigen Ertragskraft des Emittenten orientiert.“ BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209, 213 Rz. 41; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 142, 149. Ablehnend Leyens, ZGR 2020, 256, 266 ff.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 117 ff. (im Ansatz zutreffend, aber wegen schwerwiegender Bedenken abzulehnen). Das Fehlen dieses Erfordernisses im Emittentenleitfaden Modul C der BaFin begrüßend Kiefner/Krämer/ Happ, DB 2020, 1386, 1387; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 117d. Dies (Hervorhebung hinzugefügt) und das Folgende bei BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 11. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 12, an diesem Ort auch die nachfolgenden Charakterisierungen des verständigen Anlegers durch die BaFin.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 84 | Insiderinformation einbeziehe, sondern ggf. auch weitere Faktoren, die – losgelöst von einer Änderung des Unternehmenswertes – auf den Kurs des Finanzinstruments einwirken könnten, wie dies z.B. bei der Zahlung von Dividenden (Rz. 93d) oder dem Abfindungsangebot bei einem Squeeze-Out der Fall sei. Kurz: ein Anleger reagiere insoweit auf alle ihm vorliegenden Informationen und „Erfahrungswerte“, die er vollständig und umfassend im Hinblick auf ihre Kursrelevanz bewerte (s. auch Rz. 87 a.E.)302. Dass im Emittentenleitfaden Modul C der BaFin, anders noch als in den FAQs der BaFin zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 von 2019303 in Anschluss an die oben angeführte entsprechende Charakterisierung des verständigen Anlegers durch den BGH im IKB-Urteil304, der Hinweis fehlt, der Anleger reagiere auf alle ihm vorliegenden Informationen einschließlich der Erwartung von irrationalem Anlegerverhalten, mag bewusst oder unbewusst geschehen sein305, kann aber – wie auch immer – nicht dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung geschuldet sein306 und ist kein Grund, von dieser Annahme Abstand zu nehmen307. Vor allem kann dagegen nicht geltend gemacht werden „der verständige Anleger [müsse] eine rationale Figur“ sein308, gehört doch zu rationalem Anlegerverhalten nachgerade, in seine Anlageentscheidung „nicht nur die zukünftige Finanz- und Ertragskraft des Unternehmens“ (also den Fundamentalwert des Finanzinstruments beeinflussende Faktoren) einzubeziehen, „sondern ggf. auch weitere Faktoren, die – losgelöst von einer Änderung des Unternehmenswertes – auf den Kurs des Finanzinstruments einwirken können“309, wozu auf jeden Fall die Beurteilung der Möglichkeit irrationalen Verhaltens im Anlegerpublikum zu rechnen ist. Kritisch muss man dazu allerdings anmerken, dass sich auch normativ zu verstehende Standards, wie der vom durchschnittlichen Anleger, nicht gänzlich von der Realität von Anleger- und Anlageentscheidung entfernen dürfen. 85 Bei dem Standard des verständigen Anlegers handelt es sich im Übrigen nicht um die Festlegung von Sorg-
faltspflichten von Anlegern, sondern um die Konkretisierung eines Standards, der der Abgrenzung von kurserheblichen von nicht kurserheblichen Informationen dient und damit den Anwendungsbereich der Verbote von Insidergeschäften in einer Art und Weise umschreibt, der den Zielen des Insiderrechts der Marktmissbrauchsverordnung gerecht wird wie er zuvor den Zielen der RL 2003/6/EG gerecht wurde. Mit diesen wäre es, wie unter § 13 Abs. 1 WpHG a.F. vorgeschlagen wurde310, jedenfalls nicht vereinbar, den verständigen Anleger im Kreis der Personen zu suchen, die der Bereichsöffentlichkeit zuzurechnen sind, d.h. in einem Kreis professioneller oder institutioneller Marktteilnehmer.
86 Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 lässt es für das Urteil über die Kursrelevanz einer nicht öffentlich
bekannten Information genügen, wenn ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Auch sind die Überlegungen maßgeblich, die der EuGH in Geltl-Entscheidung (Rz. 21) zur Auslegung des in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. verwandten Begriffs der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ des Eintritts eines zukünftigen Ereignisses angestellt hat, um festzustellen, hierbei sei auf das Verhalten eines „vernünftigen Anlegers“ und damit auf die Regeln der allgemeinen
302 Kritisch Leyens, ZGR 2020, 256, 266: „zu unbestimmt“. 303 BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), III.5.b) S. 8 (Hervorhebung hinzugefügt): „Insofern davon auszugehen ist, dass ein Anleger auf alle ihm vorliegenden Informationen – dies kann auch die Erwartung von irrationalem Anlegerverhalten beinhalten – reagiert, die er vollständig und umfassend im Hinblick auf ihre Kursrelevanz bewertet hat, handelt er stets rational. Dies bedeutet aber nicht, dass der verständige Anleger sein Verhalten bei jedem Umstand oder Ereignis ausschließlich nach spekulativen Gesichtspunkten ausrichtet, sondern lediglich, dass er diesen Umstand, wie auch alle anderen, in seine Bewertung mit einfließen lässt, sofern er dies erwarten und abschätzen kann“. 304 BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209, 213 Rz. 41. 305 In erster Hinsicht („bewusst“) wohl Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 81. Der Sache nach durchaus denkbar ist, dass die BaFin diese Annahme in den oben in dieser Randzahl angeführten Charakterisierungen eines verständigen Anlegers – namentlich derjenigen, der verständige Anleger berücksichtige „auch, wie aus seiner Erfahrung heraus andere Marktteilnehmer ... in der Vergangenheit auf vergleichbare Sachverhalte reagiert“ hätten (BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 12) – eingeschlossen sah. Von einer eher bewussten Änderung der Position der BaFin, die nicht über die Annahme hinausgehe, Marktreaktionen der Vergangenheit seien zu berücksichtigen, gehen auch Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 478, aus. 306 Nach Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 139, lässt sich die Berücksichtigung erwartbarer irrationaler Reaktionen sogar auf den Wortlaut von Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 stützen, und wird nur wegen anderweitiger „schwere[r] Bedenken“ – vor allem mangelnder Rechtsicherheit – abgelehnt. 307 Anders Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 85; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 55; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 140; Steinrück, S. 48. Wie hier Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 112; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 142a. 308 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 140. 309 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 12. 310 Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 50 ff. Ablehnend schon Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 58.
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Insiderinformation | Rz. 88 Art. 7 VO Nr. 596/2014
Erfahrung abzustellen311. Nach diesen ist davon auszugehen, dass nur solche Informationen kursrelevant sind, von denen – nach den Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit zukünftiger Ereignisse auf die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Informationen durch einen verständigen Anleger – „tatsächlich erwartet werden kann, dass dieser die Informationen zur Grundlage einer Anlageentscheidung machen“ würde312. Nach den Ausführungen des BGH wiederum heißt dies in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit des Eintritts zukünftiger Ereignisse, danach müsse eher mit dem Eintreten des künftigen Ereignisses als mit seinem Ausbleiben zu rechnen sein, ohne dass die Wahrscheinlichkeit zusätzlich hoch zu sein habe. Übertragen auf die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von Informationen durch einen verständigen Anleger ist deshalb davon auszugehen, dass diese dann gegeben ist, wenn überwiegend wahrscheinlich mit der Verwendung einer Information gerechnet werden kann oder, mit anderen Worten, der Anleger diese eher als nicht seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde313. Obwohl die Lafonta-Entscheidung314 des EuGH zur Auslegung des Begriffs der Insiderinformationen er- 87 ging und keine Aussagen über die Kurserheblichkeit einer Insiderinformation enthielt315, hatte die BaFin die Ausführungen des Gerichts zum Anlass genommen, ihre Verwaltungspraxis zum Tatbestandsmerkmal der Geeignetheit zur erheblichen Kursbeeinflussung der Interpretation des Begriffs der Insiderinformation durch den EuGH anzupassen. Nach dieser geht weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch aus der Entstehungsgeschichte, der Systematik und dem Zweck der Richtlinie hervor, „dass ‚präzise‘ Informationen nur solche sein können, mit denen sich bestimmen lässt, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente oder der sich darauf beziehenden derivativen Finanzinstrumente ändern würde“316. Daher soll aus der Sicht der BaFin das Vorliegen einer Insiderinformation „auch in solchen Fällen zu bejahen [sein], in denen zumindest ein erheblicher Kursausschlag zu erwarten“ sei317. Dementsprechend sollen bei der Prüfung, welche Informationen ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde, grundsätzlich auch solche Informationen berücksichtigt werden müssen, die eine nur kurzfristige erhebliche Kursbewegung auslösen können, selbst wenn unklar sei, in welche Richtung der Kurs ausschlage. Dabei sei davon auszugehen, dass ein Anleger auf alle ihm vorliegenden Informationen reagiere, Erwartungen von irrationalem Anlegerverhalten eingeschlossen. Diese Informationen und Erwartungen bewerte er vollständig, umfassend und rational im Hinblick auf ihre Kursrelevanz. Dies bedeute aber nicht, dass der verständige Anleger sein Verhalten bei jedem Umstand oder Ereignis ausschließlich nach spekulativen Gesichtspunkten ausrichtet, sondern lediglich, dass er diesen Umstand, wie auch alle anderen, in seine Bewertung mit einfließen lasse, sofern er dies erwarten und abschätzen könne (s. schon Rz. 84). b) Einzelheiten aa) Ex-ante-Beurteilung der Kurserheblichkeit Die Frage, ob eine nicht öffentlich bekannte Information kurserheblich ist, ist objektiv – und damit unab- 88 hängig davon, ob der Anleger die Information als kurserheblich ansah318 – aus einer Ex-ante-Sicht, bezogen 311 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 556/557 Rz. 44. 312 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555 Ls. 2, 557 Rz. 49, 564; BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 29. 313 So zur ähnlich gelagerten Frage im Zusammenhang mit Prospekthaftungsbestimmungen, welche Angaben ein durchschnittlicher verständiger Anleger als wesentlich oder erheblich für seine Anlageentscheidung berücksichtigen würde, BGH v. 18.9.2012 – XI ZR 344/11, AG 2012, 874, 876 Rz. 24; BGH v. 21.10.2014 – XI ZB 12/12, ZIP 2015, 25, 30 Rz. 74 = BGHZ 203, 1 = AG 2015, 351. Aus dem Schrifttum Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 60 f.; Assmann in Assmann/Wallach/Zetzsche, § 306 KAGB Rz. 47 m.w.N.; Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, § 9 WpPG Rz. 45, § 20 VermAnlG Rz. 15; Habersack in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation am Kapitalmarkt, § 28 Rz. 15; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 109; Mülbert/Steup in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, Rz. 41.52. I.E. für Art. 7 VO Nr. 596/ 2014 auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 109; Steinrück, S. 46 ff. 314 EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388 Ls., 389 f. Rz. 30 ff. 315 Anders Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.26, der der Entscheidung Aussagen zur Kurserheblichkeit entnehmen zu können glaubt. 316 EuGH v. 11.3.2015 – C-628/13, ECLI:EU:C:2015:162 – Lafonta, AG 2015, 388 Ls., 389 Rz. 30. 317 Dies und das Folgende BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), III.5.b) S. 8. 318 BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209, 213 Rz. 41: „Maßgeblich ist danach weder, ob der Handelnde die Information für kurserheblich hielt oder nicht, noch, ob der Kurs des betroffenen Papiers nach Bekanntwerden der Information tatsächlich eine Veränderung erfährt“; BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2313 Rz. 61: „Ob eine Tatsache ... geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, ist in objektiv-nachträglicher, auf den Zeitpunkt des Entstehens der Tatsache abstellender Ex-ante-Prognose zu ermitteln“. Unstreitig.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 88 | Insiderinformation auf den Zeitpunkt des Insidergeschäfts und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, zu beantworten319. Im Hinblick auf die Verletzung der Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist der Zeitpunkt des Eintritts der Veröffentlichungspflicht maßgeblich (Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 122). Objektive Beurteilung heißt, dass „die Relevanz einer Information für die Bewertung nicht ausgehend von der Person des Wertpapierinhabers (Anlegers), sondern ausgehend vom Beeinflussungspotential der Information bezogen auf den Börsen- oder Marktpreis des jeweiligen Wertpapiers einzuschätzen ist“320. Auf dieser Grundlage ist es möglich, eine Information als Insiderinformation zu qualifizieren, obwohl es, nachdem die Information entstanden ist oder öffentlich bekannt wurde, zu keinen Kursausschlägen gekommen ist321. Der Umstand, dass verständige Investoren, wie es in Erwägungsgrund 15 VO Nr. 596/2014 heißt, ihre Anlageentscheidungen auf Informationen stützen, die ihnen vorab zur Verfügung stehen (Rz. 80), soll es – wie in demselben Erwägungsgrund 15 VO Nr. 596/2014 mit Blick auf die Tätigkeit der Aufsichts- und Verfolgungsbehörden ausgeführt wird322 – allerdings nicht ausschließen, im Nachhinein vorliegende Informationen (Ex-post-Informationen) zur Überprüfung der Annahme zu verwenden, die in Fragen stehenden Informationen seien kurserheblich gewesen323. Um der Gefahr vorzubeugen, die Kurserheblichkeit einer Information aus einer Ex-post-Betrachtung vorzunehmen, heißt in dem Erwägungsgrund allerdings auch, Ex-post-Informationen sollten allerdings nicht dazu verwendet werden, Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die vernünftige Schlussfolgerungen aus den ihnen vorliegenden Ex-ante-Informationen gezogen haben. Deshalb ist es grundsätzlich zulässig, wenn der BGH im DaimlerChrysler-Fall auf der Grundlage der Geltl-Entscheidung des EuGH ausführt, soweit „von einer hinreichend präzisen Information über einen Aufsichtsratsbeschluss als künftig eintretenden Umstand auszugehen sein sollte, [habe] der nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung über den Aufsichtsratsbeschluss tatsächlich eingetretene Kursanstieg für die Beurteilung der Kursrelevanz Indizwirkung, wenn andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Insiderinformation für eine erhebliche Kursänderung praktisch ausgeschlossen werden“ könnten324. Dem entspricht die Deutung, die der Ex-ante-Betrach319 Erwägungsgrund 14 VO Nr. 596/2014: „Die Prüfung der Frage, ob ein verständiger Investor einen bestimmten Sachverhalt oder ein bestimmtes Ereignis im Rahmen seiner Investitionsentscheidung wohl berücksichtigen würde, sollte folglich anhand der Ex-ante-Informationen erfolgen“. Objektiv-nachträglicher Ex-ante-Prognose: BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209, 213 Rz. 41; BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 520 Rz. 22; BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2313 Rz. 61; OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 165, 19; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.1 S. 11; Assmann, AG 1994, 244; Assmann, ZGR 1994, 514; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 82; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 377; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/BuckHeeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 109; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 353; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 54; Hopt, ZGR 1991, 17, 32; Immenga, ZBB 1995, 197, 202; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 157; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 169, 176; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 101 ff.; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 126; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.125; Meyer in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.188; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 129 ff.; Pananis, S. 104; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 7 MAR Rz. 25; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/697; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.24; Steinrück, S. 47. 320 BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2314 Rz. 66. Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.189. 321 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.1.4.2 S. 12 („Es kommt daher nicht darauf an, ob sich der Preis eines Finanzinstruments nach Bekanntwerden der Insiderinformation tatsächlich verändert hat. Ausreichend ist, wenn es aus Sicht eines verständigen Anlegers, der zum Zeitpunkt seines Handelns alle verfügbaren Informationen kennt, wahrscheinlich erscheint, dass es zu einer erheblichen Kursbeeinflussung kommen kann“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 54; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 103; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.188; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 7 MAR Rz. 26. 322 So aber auch schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 35 („Indiz“). 323 Auch BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209, 213 Rz. 41 m.w.N.: Der „faktische Kursverlauf des Insiderpapiers [kann] nach Veröffentlichung dann Indizwirkung haben, wenn andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Insiderinformation für die erhebliche Kursänderung praktisch ausgeschlossen werden können“. Indizwirkung bejaht auch Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.24. 324 BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 31 m.w.N.; BGH v. 17.12.2020 – II ZB 31/14, ZIP 2021, 346, 359 Rz. 229. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12. Auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 127 („maximal Indiz“); Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 131; Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.188; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 7 MAR Rz. 26; Steinrück, S. 47.
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Insiderinformation | Rz. 91 Art. 7 VO Nr. 596/2014
tung komplementäre Berücksichtigung ex-post bekannt werdender Umstände gemäß den Ausführungen in Erwägungsgrund 14 VO Nr. 596/2014 betreffe vor allem die Fehleinschätzung einer Information im Hinblick auf ihre Qualifikation als Insiderinformation und führe von der „Nichthaftung für Fehleinschätzung“ unter der ausschließlichen Geltung der Ex-ante-Beurteilung „zu einer Verfahrenshaftung mit Nachweislast der Verantwortlichen“325. Zu den Marktgegebenheiten, mit denen ein durchschnittlich verständiger Anleger vertraut ist (Rz. 58), gehö- 89 ren auch alle aus der Ex-ante-Sicht zu berücksichtigen Marktverhältnisse326. Diese umfassen den Zustand und die Entwicklung sowohl des Gesamtmarkts als auch der in Betracht kommenden Branchen327. Zu den Marktverhältnissen im Einzelnen gehören nicht nur Umstände wie Marktenge und Volatilitäten in Bezug auf das konkrete Insiderpapier sowie allgemeine oder branchenspezifische Kurstrends, sondern auch solche wie der seit dem Eintritt der Tatsache bereits verstrichene und bis zur voraussichtlichen Veröffentlichung derselben noch bevorstehende Zeitraum328 oder die eventuelle sukzessive und vom Markt jeweils aufgenommene Vorbereitung des Publikums über bestimmte Entwicklungen329. Welche Umstände preisrelevant sind, ist eine Frage des Einzelfalls, weshalb die BaFin eine zweistufige Prüfung der „Preisrelevanz“ von Informationen empfiehlt330: Auf der ersten Stufe sei zu prüfen, ob der Umstand für sich allein betrachtet im Zeitpunkt seiner Entstehung (ex ante) nach allgemeiner Erfahrung ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial habe. Dies könne „z.B. ein Übernahmeangebot sein, ein besonders wichtiger Vertragsschluss oder eine bedeutsame Erfindung, eine Gewinnwarnung oder drohende Insolvenz, eine Kapitalherabsetzung oder der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Weitere – nicht abschließende – Beispiele [seien] Dividendenänderungen, vor allem Dividendenkürzungen oder -streichungen“. Sodann seien auf der zweiten Stufe „auch die im Zeitpunkt des Entstehens der Umstände vorliegenden oder absehbaren konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, die das Kursbeeinflussungspotenzial erhöhen oder vermindern“ könnten. Zur Illustration fügt die BaFin folgenden Beispielsfall an: „Sollte sich beispielsweise bei der Aufstellung des Jahresabschlusses eine Gewinnsteigerung oder ein Verlust von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr ergeben, stellt dies zwar eine neue Information dar; die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung hängt jedoch entscheidend davon ab, welche Informationen vorliegen bzw. öffentlich bekannt sind oder welche Prognosen bereits vor der Aufstellung des Jahresabschlusses zur Ertragslage vom Unternehmen abgegeben und aufgrund dessen bereits vom Markt erwartet worden sind“. Die auch von der BaFin angerkannte Indizwirkung „tatsächlich eingetretener erheblicher Veränderungen des Kurses“ (Rz. 88) kommt in diesem Schema nicht vor, ist in diesem auch nicht unterzubringen und ist neben diesem zu prüfen331. bb) Zukunftsbezogene Information und mehrstufige Entscheidungsvorgänge Zur Ermittlung der Kurserheblichkeit von Informationen über zukünftige Umstände oder Ereignisse i.S.v. 90 Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ist auf frühere Ausführungen hierzu in Rz. 46 und Rz. 80 zu verweisen. Für mehrstufige Entscheidungsvorgänge im Allgemeinen und Zwischenschritte in einem zeitlich gestreckten Vorgang im Besonderen s. die Ausführungen Rz. 58. cc) Kurserheblichkeit in Bezug auf verschiedene Finanzinstrumente eines Emittenten sowie auf unterschiedliche Gattungen von Finanzinstrumenten Die Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information hat „jeweils im Einzelfall und in Bezug auf das in 91 Rede stehende Finanzinstrument“ zu erfolgen und kann daher „auch unterschiedlich ausfallen“332. Das ist namentlich für den Fall zu berücksichtigen, dass ein Emittent unterschiedliche Finanzinstrumente begeben hat. Hier kann dann eine Information zwar in Bezug etwa auf die Aktien eines Emittenten als erheblich kursbeeinflussend anzusehen sein, „nicht jedoch in Bezug auf von ihm begebene Anleihen, weil die betreffende In325 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 122. 326 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12; Kraack, ZIP 2020, 1389, 1392; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 108; Mennicke/Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 132; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.189; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 13 WpHG Rz. 50 ff. 327 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12. 328 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.114; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 2002, Rz. 8.37. 329 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 455; Pananis, S. 110 ff.; Mennicke/ Jakovou in Fuchs, § 13 WpHG Rz. 132. 330 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12. 331 Kritisch zur Behandlung dieses Aufgreiftatbestands im Emittentenleitfaden Modul C der BaFin Kraack, ZIP 2020, 1989, 1392. 332 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 183.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 91 | Insiderinformation formation die Bonität des Emittenten nicht betrifft“333. Unter anderen Umständen kann die Information zwar keine erhebliche Veränderung des Aktienkurses erwarten lassen, wohl aber eine erhebliche Reaktion bei einzelnen Derivaten, die auf diesen Aktienwert bezogen sind. Stets ist hier „für jedes Finanzinstrument ... die Auswirkung der Information unter Berücksichtigung der jeweiligen üblichen Schwankungsbreite zu beurteilen“334. 92 Bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass unter-
schiedlichen Gattungen von Finanzinstrumenten ein unterschiedliches Preisbeeinflussungspotenzial zugeordnet werden kann. Dabei ist das Preisbeeinflussungspotenzial einer Gattung von Finanzinstrumenten umso höher, je mehr die mit der Anlage verbundenen Gewinnchancen des Anlegers von – in Bezug auf den Emittenten – inneren und äußeren Faktoren im Allgemeinen und dem Unternehmenserfolg des Emittenten im Besonderen abhängen. So kann davon ausgegangen werden, dass festverzinsliche Wertpapiere wie die klassischen Schuldverschreibungen („Rentenpapiere“) ein erheblich geringeres Preisbeeinflussungspotenzial aufweisen als Dividendenpapiere (namentlich Aktien)335, weil das Anlegerrisiko im ersteren Fall auf die Fähigkeit des Emittenten zur Zahlung des fixen Zinsbetrags beschränkt ist, während Dividenden der Höhe nach unbestimmt sind und vom Ausmaß des von zahlreichen Faktoren beeinflussbaren wirtschaftlichen Erfolgs des Emittenten abhängen. Das gilt in besonderem Maße, wenn der Emittent ausschließlich herkömmliche Schuldverschreibungen zum Börsenhandel zugelassen hat: Hier wird in der Regel die Kurserheblichkeit einer Information nur dann anzunehmen sein, „wenn die Erfüllung der mit dem Finanzinstrument verbundenen Verpflichtungen des Emittenten (z.B. Rückzahlung, Zinszahlung) aufgrund der der Information zugrunde liegenden Umstände beeinträchtigt wäre“336. Entsprechend gering ist das allgemeine Preisbeeinflussungspotenzial hinsichtlich eines Genussscheins, wenn die Rendite desselben lediglich davon abhängt, dass der Emittent keinen Bilanzverlust erleidet337. In diesem Fall ist Kurserheblichkeit aber gegeben, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein Bilanzverlust eintritt338. Allgemein gilt aber auch für Genussscheine, dass bei diesen Kursbeeinflussungspotenzial von Umständen nicht auf „Aspekte beschränkt ist, die unmittelbaren Bezug zu einem Bilanzverlust haben. Vielmehr ist ausgehend von den jeweiligen Genussscheinbedingungen zu prüfen, ob die Rechte und Pflichten der Genussscheininhaber durch eine Information in (erheblich) bewertungsrelevanter Weise betroffen sind. Dies kann namentlich bereits der Fall sein, wenn die Erfüllung der mit dem Genussschein verbundenen Verpflichtungen des Emittenten im Hinblick auf die neue Tatsache selbst bzw. – bei einem zeitlich gestreckten Vorgang – ein unter Würdigung der verfügbaren Anknüpfungstatsachen tatsächlich zu erwartendes künftiges Ereignis ... beeinträchtigt oder eine solche Beeinträchtigung wieder beseitigt wäre“339.
93 Die Beantwortung der Frage, ob eine Insiderinformation geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekannt-
werdens den Börsen- oder Marktpreis eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, stellt vor Schwierigkeiten, wenn es um ein Insiderpapier geht, für das gem. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 nur ein Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem vorliegt. Sie soll sich häufig nur für den Einzelfall beantworten lassen340. Indes kann grundsätzlich festgehalten werden: Soweit sich für die fraglichen Finanzinstrumente bereits ein Markt und ein Marktpreis gebildet hat, kann die Kurserheblichkeit der Insiderinformation auf der Grundlage der diesbezüglichen Preisinformationen beurteilt werden341. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Finanzinstrumente bereits in einem anderen Handelssegment einbezogen sind oder ein Handel an einer außerbörslichen Handelsplattform stattfindet342. Sind keine solchen Preisinformationen verfügbar, ist auf den zu erwartenden Ausgabepreis oder die diesbezüglich zu erwartende Preisspanne abzustellen343. Wurde bereits ein sog. Basisprospekt veröffentlicht und im Rahmen der Zeichnungsfrist eine Preisspanne genannt, so kann sich die Kurserheblichkeit einer Information auch daraus ergeben, dass sie Umstände betrifft, deren Veränderung den Prospekt unrichtig macht, eine Nachtragspflicht auslöst und damit auch eine Änderung der Preisspanne erwarten lässt344. In gleicher Weise sollen selbst „Markteinschätzungen für die zu erwartende Preisspanne oder Bewertungen für das Unternehmen“ die Grundlage für „eine hypothetische Bewertung des erheblichen 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 12/13 und das nachfolgende Beispiel S. 13. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 13. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 54. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 54. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 54. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C. 1.2.2.5.14 S. 23. BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2314 Rz. 60. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.4 S. 34 und S. 35. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.4 S. 34. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.2.5 S. 25, I.3.2.2.4 S. 34. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.4 S. 34. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.2.5 S. 25, I.3.2.2.4 S. 34.
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Insiderinformation | Rz. 93b Art. 7 VO Nr. 596/2014
Preisbeeinflussungspotentials“ des fraglichen Papiers erlauben345, obwohl sich Markteinschätzungen nicht verlässlich ermitteln und zum Gegenstand einer Aussage über ihre Veränderung machen lassen. dd) Kurserheblichkeit spezieller Insiderinformationen (1) „Präzise“ Gerüchte Geht man, entgegen der an früherer Stelle (Rz. 35 f.) dargelegten Ansicht, davon aus, ein Gerücht könne, 93a etwa weil es einen Tatsachenkern enthalte, als Insiderinformation in Betracht kommen, so setzt dies die Kurserheblichkeit – das Kursbeeinflussungspotenzial – des Gerüchts voraus. Hierbei soll einzelfallbezogen zu klären sein, „ob der verständige Anleger auf Grundlage dieses Gerüchts handeln würde“346. Als maßgeblich dafür betrachtet die BaFin „die Quelle des Gerüchts, insbesondere, ob sie vertrauenswürdig erscheint, die dem Gerücht zugrunde liegenden nachprüfbaren Fakten, die wirtschaftliche Situation des betroffenen Unternehmens, das Segment des betroffenen Unternehmens im Besonderen und die Verfassung der Märkte im Allgemeinen“347. Auch die Marktgerücht-Entscheidung des EuGH vom 15.3.2022348 befasst sich mit der Präzision von Gerüchten, doch sind die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichts nicht auf die Frage der Qualifikation von Gerüchten als Insiderinformationen und die Kurserheblichkeit von „präzisen“ Gerüchten gerichtet, sondern auf diejenige, ob es sich bei dem in einem demnächst zu veröffentlichenden Presseartikel aufgegriffenen Gerücht um eine kursspezifische Informationen handelt (s. Rz. 36b). Auch wenn eine Information als kursspezifisch anzusehen, d.h. so präzise ist, dass sie einen Schluss auf die möglichen Auswirkungen der in ihr mitgeteilten eingetretenen oder zukünftigen Umständen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014), so ist sie allein damit doch nicht kurserheblich, d.h. geeignet, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Dessen ungeachtet kann eine nicht präzise Information aber niemals kurserheblich sein349. Deshalb sind die in der Entscheidung des EuGH angeführten Kriterien zur Bestimmung des „Grad(s) an Präzision [eines] Gerüchts“350 – d.h. die Identität und die Bekanntheit des Journalisten, der den Artikel unterzeichnet, das Presseorgan, das ihn veröffentlicht, sowie die Nennung einzelner, präziser und damit dem Beweis zugänglicher Tatsachen, wie etwa den Preis, der bei einem öffentlichen Kaufangebot für diese Wertpapiere gebotene werden soll, oder „andere Angaben“ zu den Umständen und zum Inhalt des Angebots351 – durchaus auch für die Bestimmung der Kurserheblichkeit eines Gerüchts heranzuziehen. (2) Prognosen Prognosen sind Insiderinformationen nur dann, wenn sie präzise Informationen darstellen (Rz. 28), spezi- 93b fisch genug (Rz. 60) sind, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Prognose auf den Kurs des entsprechenden Finanzinstruments zuzulassen, und als kurserheblich angesehen werden können352. Bei allgemein formulierten Erwartungen – wie etwa dem „Hinweis, für das laufende Geschäftsjahr werde eine positive Entwicklung erwartet“ – oder Ausführungen zu langfristigen Planungen ist eine Kurserheblichkeit in der Regel nicht gegeben353. Dagegen hat eine Prognose regelmäßig Kursbeeinflussungspotenzial, „wenn sie von der Markterwartung – oder bei Fehlen einer solchen – von den zurückliegenden Geschäftsergebnissen deutlich abweicht“354 (s. schon Rz. 29 f.). Wird eine Prognose trotz in der „Folgezeit [auftretender] bedeutende[r] Umstände und „abweichender Markterwartungen“ aufrechterhalten, stellt dies keine Insiderinformation dar355. Zur Anpassung oder Änderung (Korrektur) einer Prognose s. schon Rz. 30. 345 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.2.5 S. 25; I.3.2.2.4 S. 34. 346 Dies und das Folgende bei BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 14. 347 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 14, I.3.3.1.4 S. 39. Auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 380; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 122; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 166. 348 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398. Zu dieser schon Rz. 36b f. 349 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 401 Rz. 41. 350 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398,402 Rz. 47, 48. 351 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398,402 Rz. 50 f. S. auch Assmann, AG 2022, 390, 393 bzw. 394 Rz. 16 bzw. Rz. 20 und 21, zur Vergleichbarkeit dieser Kriterien mit denjenigen, die die BaFin (BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.4, S. 15) in Bezug auf die Kurserheblichkeit eines Gerüchts anführt. 352 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 15. 353 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 15. 354 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.4.2 S. 15; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 86, 111. 355 So implizit BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.1 S. 16, wenn sie eine „neue Insiderinformation“ nur für den Fall annimmt, dass ein Emittent bei der Prüfung, ob er eine Prognose aufrecht erhält, feststellt, seine neue
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 93c | Insiderinformation (3) Geschäftszahlen 93c In Geschäftszahlen spiegelt sich die Entwicklung eines Emittenten wider. Sowohl die Aufstellung oder ggf. die
Feststellung von Geschäftszahlen als auch die im Vorfeld dieser Ereignisse ermittelten (Kenn-)Zahlen können je für sich genommen Gegenstand von Insiderinformationen sein356. Informationen über noch nicht endgültige Zahlen kommen aber als Insiderinformationen erst dann in Betracht, wenn sie sich bereits „soweit konkretisiert haben, dass vernünftigerweise erwartet werden kann, dass [sich] die endgültigen Kennzahlen aus dem aufgestellten Jahresbericht (dem Halbjahresbericht, der Zwischenmitteilung) nicht mehr deutlich von denen, die sich aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung errechnen lassen“, unterscheiden357. Können Insiderinformationen im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss schon vor dessen Aufstellung oder Feststellung entstehen, so kommt dafür allerspätestens die Aufstellung durch den Vorstand in Betracht358. Dabei ist die Kurserheblichkeit von (Kenn-)Zahlen umso höher, je mehr sie von den zuletzt bekannt gewordenen Zahlen oder Benchmarks abweichen359. Als Benchmarks kommen für die BaFin in Betracht360: eigene veröffentlichte und hinreichend konkrete Prognose des Emittenten361; die „quantitativ nachvollziehbare Markterwartung“, für die etwa Analystenschätzungen einen Indikator darstellen können362; Geschäftszahlen des vergleichbaren Vorjahreszeitraums (im Falle des Auftragseingangs oder -bestands und für Cashflow-Kennzahlen auch vom Vorquartal) oder unterjährige Geschäftszahlen bzw. Zahlen in Halbjahresberichten und Zwischenmitteilungen über Quartale. Auch wenn die Abweichung von den Referenzzahlen und Benchmarks nicht deutlich ist, kann dennoch eine erhebliche Kursrelevanz der neuen Zahlen vorliegen, etwa wenn letztere deutlich von der bisherigen Geschäftsentwicklung (z.B. Turnaround nach mehreren Verlustquartalen; Umsatzeinbruch nach anhaltender Wachstumsphase über mehrere Quartale hinweg) abweichen“363.
(4) Dividenden 93d Da es „für den Kapitalmarkt ... von Bedeutung [ist], ob eine Gesellschaft ihren Bilanzgewinn in Form von
Dividenden an die Aktionäre ausschüttet oder im Unternehmen reinvestiert“, gehen Informationen über Dividendenausschüttungen in den Kurs von Aktien ein und sind damit kursrelevant364. Geeignet, die Kurse der Aktien von Emittenten erheblich zu beeinflussen, sind nach Auffassung der BaFin Informationen über Dividenden dann, „wenn die Änderung gegenüber der relevanten Vergleichsgröße hinreichend groß ist“365, wobei – bei sinngemäßer Anwendung der von der BaFin in Bezug auf die Kurserheblichkeit von Geschäftszahlen angegebenen „Benchmarks“ (Rz. 93c) – als Vergleichsgröße eine eigene Prognose, quantitativ nachvollziehbare Markterwartung zu Dividendenzahlungen des fraglichen Emittenten und anderer Unternehmen, die Dividende des Vorjahres und die vorausgegangene öffentliche Kundgabe einer Dividendenpolitik in Betracht kommen366. Informationen über Dividenden sind in Anbetracht dessen, dass die Dividende eines entspre-
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Prognose werde „wahrscheinlich deutlich von der ursprünglichen abweich[en] und sich hieraus – weil sie auch von der Markterwartung abweicht – ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial ableiten lässt. Explizit schon BaFin, Art. 17 MAR (FAQs), III.7. S. 12, s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 115. Ebenso Kiefner/Krämer/Happ, DB 2020, 1386, 1391; Kraack, ZIP 2020, 1389, 1394. Ausführlich Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 366 ff.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 127 ff. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 15, mit konkretisierenden Beispielen auch zu Konzernverhältnissen S. 15 f.; Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 367 (wenn das „Zahlenwerk stabil ist“). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 15 f. Auch Kraack, ZIP 2020, 1389, 1394 f. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 15 f.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 127f; Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 368 f. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 16. Kritisch Kraack, ZIP 2020, 1389, 1393 f., zur Anwendung derselben ebd. 1395. Kein Kursbeeinflussungspotential, wenn sich die Geschäftszahlen innerhalb der veröffentlichten Prognose bewegen: BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 15 f.; Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 369. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 16: „Die BaFin ermittelt die Markterwartung, indem sie den Mittelwert der zum Zeitpunkt der Entstehung der Insiderinformation aktuellen Analystenschätzungen (sog. Consensusschätzung) heranzieht“. Dazu Kiefner/Krämer/Happ, DB 2020, 1386, 1391. Zur Bedeutung von Markterwartungen für die Beurteilung der Kurserheblichkeit von Informationen in Bezug auf Finanzberichte, Dividenden und Geschäftszahlen und zu den zur Beurteilung von Abweichungen von diesen in Betracht kommenden Benchmarks auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 106. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.2 S. 17. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.3 S. 17. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.3 S. 17. Auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 37 (wesentliche Änderung der Dividende); Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 128b f., 128g f. Nach den Ausführungen der BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.3 S. 17, ist dies eine Besonderheit bei der Beurteilung des Kursbeeinflussungspotenzials bei Dividenden, fällt in der Sache aber schon unter die Ver-
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chenden Beschlusses der Hauptversammlung nach § 174 Abs. 1 AktG bedarf, Informationen über ein zukünftiges Ereignis, und sind schon deshalb präzise Informationen nur dann, wenn man vernünftigerweise erwarten kann, dass sie in Zukunft gegeben sein bzw. eintreten werden (dazu Rz. 42 ff.)367. Ebenso ist bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit der Dividendenankündigung und der Beantwortung der Frage, ob es sich lohnt, die öffentlich unbekannte Information zu Geschäften mit dem Insiderpapier zu verwenden (Rz. 82), davon auszugehen, dass der Anleger den Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des künftigen Ereignisses in Betracht zieht und den möglichen künftigen Verlauf abschätzt“368. Die Ausschüttung einer Sonderdividende „kann nur dann kursrelevant sein, wenn sie überraschend kommt, also vom Kapitalmarkt nicht erwartet werden konnte und es sich dabei um einen wesentlichen Aufschlag auf die ‚reguläre‘ Dividende handelt“369.
(5) Mergers & Acquisitions (Übernahmevorgänge) Allgemein zu ersten und weiteren Schritten auf dem Weg zu einer Unternehmensübernahme als Insider- 93e information s. Rz. 51 ff. In ihrem Emittentenleitfaden370 führt die BaFin die bei einem M&A-Vorgang regelmäßig als Insiderinformation in Betracht kommenden „Umstände“ an. Generell gilt, dass die Qualifikation eines Zwischenschritts als Insiderinformation „im Rahmen einer Gesamtschau“ der Schritte zu erfolgen hat, die „auf dem Weg zum Endereignis bereits verwirklicht worden sind“, wobei die Eignung eines Zwischenschritts zur erheblichen Kursbeeinflussung umso größer ist, je weiter der Übernahmeprozess vorangeschritten ist371 (Rz. 53 a.E.). Im Besonderen ist hervorzuheben: Ohne das Hinzutreten besonderer Umstände fehlt es bei einer lediglich unternehmensinternen Entscheidung eines Bieters, mit einer potenziellen Zielgesellschaft Vorgespräche aufzunehmen, regelmäßig an einem erheblichen Kursbeeinflussungspotenzial, und dies sowohl hinsichtlich dieses Zwischenschrittes als auch des Abschlusses des M&A-Prozesses als zukünftiges Ereignis372. Das gilt auch „für rein interne organisatorische Maßnahmen wie Prüf- und Vorbereitungshandlungen, die erstmalige Beauftragung von Beratern (Rechtsanwälte, Banken, Unternehmensberater) oder eine erstmalige Kontaktaufnahme mit der Zielgesellschaft“. Mit dem Bekenntnis, dass die Qualifikation einzelner Zwischenschritte bis zur Abgabe eines Übernahme- 93f angebots als Insiderinformationen „nicht von etwaigen Terminologien“ – z.B. der „Übersendung von ‚Term Sheets‘„, dem Abschluss von „Vertraulichkeitsvereinbarungen“ oder der „Übermittlung eines Zeitplans und [der] Vorgaben für das weitere Verfahren (‚Process Letter‘)“ – abhängig sein kann und nur nach einer Gesamtschau erfolgen kann, kommt die BaFin denn auch über die Benennung von „Umstände[n], die Anlass zur insiderrechtlichen Prüfung geben“, nicht hinaus373. Als solche Umstände, die Anlass geben zu prüfen, ob eine Insiderinformation in Form eines insiderrechtlich relevanten Zwischenschrittes eingetreten sein könnte, benennt die BaFin374: – „Bilaterale Treffen mit konkretem Hintergrund jedenfalls dann, wenn bereits Vorbereitungshandlungen vorgenommen wurden und wesentliche Eckpunkte besprochen werden – Abschluss eines Letter of Intent, sofern er beispielsweise Vereinbarungen über Eckpunkte des künftigen Vertrags, eine Preisspanne oder eine andere Vereinbarung enthält, in der sich der ernsthafte Einigungswille der Verhandlungspartner manifestiert,
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gleichsgröße „quantitativ nachvollziehbare Markterwartung“. Zum Kursbeeinflussungspotential, das sich aus unterschiedlichen Divergenzen zwischen einer „kundgegebenen Dividendenpolitik“ und einer Information über die tatsächlich beabsichtige Dividende ergibt, s. ebd. S. 17 rechte Spalte. S. auch Brellochs in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 86, 110. I.E. ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 110. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 29 unter Berufung auf EuGH 2. Kammer v. 28.6.2012 – C19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555, 557 Rz. 55. S. Rz. 82. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.3 S. 17. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 19. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 19. Ebd. auch: „Hierbei ist zu berücksichtigen, dass – je näher sich ein Zwischenschritt am Endereignis befindet –, es ggf. gleichzeitig zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Endereignisses kommen kann, etwa beim Abschluss von konkreten Vereinbarungen“. BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 379. So und zum Folgenden BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 18. Auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 129e in Bezug auf die Einwilligung der Zielgesellschaft in eine Due Diligence-Prüfung durch den Bieter, die „in der Regel nicht ausreichen [soll], um eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der öffentlichen Ankündigung eines Angebots zu bejahen“. So zu Recht kritisch Kraack, ZIP 2020, 1389, 1396. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 19. Bei jedem Zwischenschritt sei zu berücksichtigen, dass, je näher sich ein solcher am Endereignis befinde, es gegebenenfalls gleichzeitig zu einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Endereignisses kommen könne, etwa beim Abschluss von konkreten Vereinbarungen.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 93f | Insiderinformation – Einsetzen von gegenseitigen Arbeitsgruppen zur Umsetzbarkeit einer Fusion, – Übersendung von „Term Sheets“, – grundsätzliche Einigung durch wesentliche Entscheidungsträger über zentrale Punkte (auch vor Gremienbefassungen)375, – Ausräumen wesentlicher Hindernisse, – Durchführung einer Due Diligence“. (6) Gesetzes- und Rechtsverstöße (Compliance-Verstöße), Rechtsverfolgung sowie Ermittlungs-, Verwaltungs- und Gerichtsverfahren 93g Sowohl zum Verdacht auf Gesetzes- oder Rechtsverstöße (Compliance-Verstöße) als auch zu rechtsmittel-
fähigen oder rechtskräftig festgestellten Verstößen gegen Gesetz oder Recht – zu deren Qualifikation als präzise Information s. Rz. 37 ff. – gilt, dass sie kurserheblich nur dann sind, wenn sie erhebliche finanzielle Auswirkungen für den Emittenten (und damit mittelbar auch für die von ihm ausgegebenen Finanzinstrumente) haben. Informationen über den Verdacht oder die Feststellung von Rechtsverstößen durch Organmitglieder, leitende Angestellte und Mitarbeiter mögen als solche schon die Reputation eines Emittenten schädigen oder bereits eingetretene Reputationsschäden vertiefen, sind kursrelevant aber nur dann, wenn sie darüber hinaus auch zu einem erheblichen finanziellen Schaden des Emittenten führen. Bei Informationen des Verdachts auf Rechtsverstöße oder bei nicht rechtskräftigen Entscheidung über Gesetzesverstöße – beides sind zukunftsbezogene Informationen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 – können diese ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial allerdings nur dann haben, wenn vernünftigerweise erwartet werden darf, dass sie in Zukunft, mit welchen Sanktionen (wie Bußgeld, Strafe oder Schadensersatz) auch immer verbunden, bestandskräftig festgestellt, oder zum Gegenstand von Vergleichen werde.
93h Informationen über die Einleitung von internen oder externen Untersuchungen (Internal oder External
Investigations) zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen bei einem Emittenten stellen, wie auch solche über die späteren Untersuchungen, präzise Informationen über Tatsachen dar (Rz. 40) und sind Insiderinformationen, wenn sie nicht öffentlich bekannt sind und erhebliche finanzielle Auswirkungen auf den Emittenten und/oder auf die von ihm ausgegeben Finanzinstrumente haben. Die Kurserheblichkeit von Informationen über die Absicht der Rechtsverfolgung oder eingeleitete Rechtsverfolgungsmaßnahmen, namentlich wegen Verletzung von Sorgfalts- und Treupflichten durch Organe (zur Frage, unter welchen Voraussetzungen es sich bei diesen um präzise Informationen handelt, s. Rz. 47a), kann „entweder auf dem durch das in Rede stehende Verhalten geschaffenen Ergebnis beruhen oder auf der aus ihm abgeleiteten Einschätzung von der Qualität des Managements“376. In letzterer Hinsicht und im Hinblick auf zwischenzeitlich ausgeschiedene Vorstandsmitglieder ist allerdings darzulegen, inwieweit die Qualität derselben für den Kurs der Genussscheine überhaupt noch Bedeutung hatte. Allein daraus, dass sich die Rechtsverfolgung gegen ehemalige oder im Amt befindliche Mitglieder des Vorstands richten soll oder richtet, lässt sich ohne weitere anknüpfende Umstände und Erwägungen die Kursrelevanz nicht ableiten.
93i Ermittlungs-, Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, an denen der Emittent unmittelbar oder mittelbar betei-
ligt ist, können, über die ihnen gegebenenfalls zugrunde liegenden Umstände hinaus, auch als solche – etwa im Hinblick auf den möglichen oder tatsächlichen Ausgang des Verfahrens und die damit verbundenen finanziellen Konsequenzen – kurserheblich sein. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens einer Insiderinformation „kommt es nicht ausschließlich darauf an, ab wann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einem erheblich kursbeeinflussenden Ausgang des Verfahrens ausgegangen werden muss (Insiderinformation als Endereignis)“, vielmehr kann „auch ein bestimmter erreichter Verfahrensstand ... für sich betrachtet bereits eine Insiderinformation in Form eines Zwischenschrittes darstellen“377. Zu insiderrechtlichen Beurteilung von Zwischenschritten s. Rz. 49 ff. Soweit nicht besondere Umstände hinzutreten, ist allein der bloße Umstand der Aufnahme von strafrechtlichen Ermittlungen oder verwaltungsrechtlichen Untersuchungen nicht als kurserheblich zu betrachten378. Bei der Beurteilung des Kursbeeinflussungspotenzials von Ermittlungs-, Verwaltungs- und Gerichtsverfahren „spielt eine wesentliche Rolle, welche rechtlichen und finanziellen Konsequenzen“ sich aus dem Ausgang der Verfahrens für den Emittenten ergeben können379. Diesbezüglich sind bei straf- und verwaltungsrechtlichen Verfahren neben den die möglichen Sanktionen in Gestalt von Untersagun375 376 377 378
Dazu Kraack, ZIP 2020, 1389, 1396 „wenig sachgerecht“. So und zum Folgenden BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2314 Rz. 65. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.8 S. 20. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.8 S. 20. Auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 123. 379 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.8 S. 20.
182 | Assmann
2023-04-14, 08:15, GroKO klein
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Insiderinformation | Rz. 95 Art. 7 VO Nr. 596/2014
gen, (zu erwartenden) Geldstrafen oder eines (zu erwartenden) Bußgelds, sondern auch ein damit verbundener – und nicht nur möglicher, sondern spürbarer (Rz. 93e) – Reputationsschaden zu berücksichtigen. Speziell zur Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen der BaFin oder der EZB in Bezug auf die Bankaufsicht (einschließlich Aufsichtsorganisation, Sanierungsplanung und bankaufsichtliche Maßnahmen) sowie die Abwicklung von Instituten als Insiderinformationen in Betracht kommen, s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 253a ff.
ee) Kurserheblichkeit sonstiger Unternehmensereignisse Unter dem Stichwort „Kursbeeinflussungspotential“, erörtert der Emittentenleitfaden der BaFin in einer Ge- 94 samtschau (unter Einbeziehung auch anderer Begriffsmerkmale einer Insiderinformation), unter welchen Umständen spezielle Ereignisse im Unternehmen Insiderinformationen sein können. Hierzu gehören etwa die Voraussetzungen zur Qualifizierung nachfolgender Ereignisse als Insiderinformation380: – Kapitalmaßnahmen (etwa Kapitalerhöhungen mittels Ausgabe von Aktien mit und ohne Bezugsrecht, Aufnahme von Fremdkapital, Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen und Aktienrückkäufe). – Erhebliche außerordentliche Erträge und Aufwendungen (etwa Gewinne/Verluste aus der Veräußerung von wesentlichen Betriebsteilen oder Betrieben oder von bedeutenden Beteiligungen; außerplanmäßige Abschreibungen; außergewöhnliche Schadensfälle wie Schäden aus Unterschlagungen). – Personalentscheidungen (etwa die überraschende Berufung oder Abberufung von Organmitgliedern in Schlüsselpositionen)381; s. dazu auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 228 ff. – Insolvenzen (und Ereignisse im Vorfeld von Insolvenzen wie eine Zahlungsstockung oder ein Liquiditätsengpass)382. – Aufschiebende und auflösende Bedingungen bei Verträgen und Geschäften. – Interne Gremienvorbehalte, namentlich das Erfordernis der Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten (namentlich des Aufsichtsrats, dazu Rz. 48 und Rz. 49). – Verknüpfte Insiderinformationen (Konstellationen, die mehrere potenzielle Insiderinformationen umfassen, die aber im Hinblick auf ihre jeweilige Qualifikation als Insiderinformationen miteinander verknüpft sind, etwa weil die eine nicht ohne die andere entstanden wäre, aber dann ggf. auch ohne die erste fortbesteht). – Besonderheiten bei Insiderinformationen in Bezug auf Nichtdividendenwerte des Emittenten (etwa Schuldverschreibungen, Anleihen, Genussscheine383). – Besonderheiten bei Insiderinformationen in Bezug auf Kredit- und Finanzinstitute, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder deren Finanzinstrumente in den Handel an einem MTF oder OTF einbezogen sind. – Besonderheiten bei Insiderinformationen in Bezug auf Investmentvermögen (OGAW), deren Anteile zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind oder an einem MTF oder OTF gehandelt werden. Weiter zählt der Emittentenleitfaden der BaFin, über die in diesem Abschnitt erörterten Sachverhalte hinaus- 95 gehende Fallkonstellationen auf, die regelmäßig ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential aufweisen384: – „Umstrukturierungen des Geschäftsmodells durch z.B. die Aufgabe oder Aufnahme von alten/neuen Kerngeschäftsfeldern, – bedeutende organisatorische Umstrukturierungen wie z.B. Verschmelzungen, Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen innerhalb eines Konzerns oder unter Beteiligung anderer Unternehmen, – wesentliche Änderungen in der Aktionärsstruktur, – Squeeze-Out, 380 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.4 f. S. 17 f. und 1.2.1.5.7 ff. S. 19 ff. 381 Ausführlich BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.7 S. 19 f., s. auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 228 ff. im Hinblick auf Ad-hoc-Mitteilungspflichten. Informativ zur Meldepraxis börsennotierter Unternehmen Seibt/Danwerth, NZG 2019, 121, 122. 382 Ausführlich BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.9 S. 20, s. auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 238 im Hinblick auf Ad-hoc-Mitteilungspflichten. 383 S. dazu auch den Beschluss des BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2313 f. Rz. 60 ff., der zur Haftung eines Emittenten von Genussscheinen wegen angeblich unterlassener Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 37b WpHG a.F. erging und die zur Beurteilung der Kurserheblichkeit von Informationen in Bezug auf die Prüfung der Pflichtwidrigkeit von Geschäften des Vorstands und Verfolgungsmaßnahmen des Aufsichtsrats auf den Emittentenleitfaden 2013 der BaFin Bezug nimmt. 384 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.13 S. 22 (Anmerkungen weggelassen).
Assmann | 183
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 95 | Insiderinformation – Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge bzw. Verlustübernahmezusagen, – Abschluss, Änderung oder Kündigung besonders bedeutender Vertragsverhältnisse wie z.B. der Erhalt/ Verlust eines Großauftrags, Kauf/Verkauf eines bedeutenden Vermögenswerts (z.B. Immobilie, Tochtergesellschaft), Abschluss bedeutender Lizenzvereinbarungen, – Abschluss bedeutender Finanzierungsverträge, Kündigung wichtiger Kredite bzw. deren Prolongation zu neuen, deutlich von den alten abweichenden Konditionen (insb. Zinssatz), – bedeutende Kapitalmaßnahmen wie beispielsweise Kapitalerhöhungen, Kapitalschnitte, Aktienrückkauf, Begebung von Wandelschuldverschreibungen, – Bilanzierungssachverhalte wie Verdacht auf Bilanzmanipulation, Ankündigung der Verweigerung des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer, überraschender Wechsel des Wirtschaftsprüfers, – Ausfall wesentlicher Schuldner, – wesentliche Änderungen eines Ratings in Bezug auf den Emittenten oder die von ihm begebenen Finanzinstrumente, bedeutende Erfindungen, Erteilung bedeutender Patente und Gewährung wichtiger (aktiver/passiver) Lizenzen, – maßgebliche Produkthaftungs- oder Umweltschadensfälle, – überraschende Rohstoffentwicklungen, – Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung385, – Antrag des Emittenten auf Widerruf der Zulassung zum Handel am organisierten Markt, MTF oder OTF, wenn nicht noch an einem anderen inländischen Handelsplatz eine Zulassung bzw. Einbeziehung mit Zustimmung des Emittenten aufrechterhalten wird.“
III. Insiderinformationen in Bezug auf spezielle Finanzinstrumente und Kundenaufträge (Art. 7 Abs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014) 1. Insiderinformationen in Bezug auf Warenderivate (Art. 7 Abs. 1 lit. b, Abs. 2, 3 und 4 Unterabs. 1 sowie Abs. 5 VO Nr. 596/2014) 96 Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 enthält eine Warenderivate betreffende Sonderregelung386 zur Grund-
definition von Insiderinformationen nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, die weitgehend der Regelung entspricht, wie sie sich aus dem Zusammenwirken von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) und Art. 4 lit. b der RL 2004/72/EG387 ergab und in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG a.F. umgesetzt wurde. Dabei greift die Bestimmung sämtliche Begriffselemente einer Insiderinformation nach der Grunddefinition auf, schränkt aber den Kreis der als Insiderinformationen in Betracht kommenden Informationen ein. Sie kann deshalb nicht bloß als Regelbeispiel einer bereits nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 als Insiderinformation zu qualifizierenden Information zu Warenderivaten oder als sich auf diese Vorschrift beziehende, der Rechtssicherheit dienende Klarstellung verstanden werden, in letzterer Hinsicht dergestalt, dass präzise Informationen nicht nur solche sein können, die sich direkt oder indirekt auf Warenderivate beziehen, sondern auch solche, die direkt damit Warenderivaten verbundene Waren-SpotKontrakte betreffen. Das bedeutet, dass in Bezug auf Warenderivate nur die in Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 bezeichneten Informationen Insiderinformationen sein können und es nicht zulässig ist, Informationen, die nach dieser Bestimmung keine Insiderinformationen sind, über die Grunddefinition des Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 als Insiderinformationen zu qualifizieren388.
97 Die Sonderregelung trägt nach Erwägungsgrund 20 Satz 1 VO Nr. 596/2014 dem Umstand Rechnung, dass
Spotmärkte – d.h. nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 16 VO Nr. 596/2014 Warenmärkte, an dem Waren auf der Grundlage von Waren-Spot-Kontrakten (Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014) gegen bar verkauft und bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert werden, sowie andere Märkte, die keine Finanzmärkte sind,
385 BGH v. 10.7.2018 – II ZB 24/14, ZIP 2018, 2307, 2313 Rz. 53. Zu solchen gerichtlichen Auseinandersetzungen schon Rz. 93g. 386 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 357; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 183; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 234. 387 Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen [...], ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 388 Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 234.
184 | Assmann
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Insiderinformation | Rz. 100 Art. 7 VO Nr. 596/2014
beispielsweise Warenterminmärkte – und die dazugehörigen Derivatemärkte in hohem Maße vernetzt sind. So können, wie es in Erwägungsgrund 20 VO Nr. 596/2014 weiter heißt, „Insiderinformationen von einem Spotmarkt einer Person nützlich sein, die an einem Finanzmarkt handelt“. Deshalb, so wird dort weiter ausgeführt, sollten die Bestimmung des Begriffs Insiderinformationen „in Bezug auf ein Warenderivat ... besagen, dass es sich dabei um Informationen handelt, die sowohl der allgemeinen Bestimmung des Begriffs ‚Insiderinformationen‘ in Bezug auf die Finanzmärkte entsprechen und die im Einklang mit Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, Handelsregeln, Verträgen oder Regeln auf dem betreffenden Warenderivat- oder Spotmarkt offengelegt werden müssen“. Das ist in Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/ 2014 geschehen, indem erstens nicht öffentlich bekannte präzise Informationen, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Warenderivate oder direkt damit verbundene Waren-Spot-Kontrakte betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Derivate oder damit verbundener WarenSpot-Kontrakte erheblich zu beeinflussen, Insiderinformationen sein können, vorausgesetzt zweitens, es handelt sich um Informationen, die nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, Handelsregeln, Verträgen, Praktiken oder Regeln auf dem betreffenden Warenderivate- oder Spotmarkt offengelegt werden müssen bzw. deren Offenlegung nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann. Als „wichtige Beispiele für solche Regeln“ nennt Erwägungsgrund 20 „die Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 98 für den Energiemarkt und die Datenbank der Gemeinsamen Initiative: Daten aus dem Mineralölsektor (Joint Organisations Database Initiative – JODI) für Erdöl“. Für Derivate, die Energiegroßhandelsprodukte sind389, sollen nach Erwägungsgrund 18 Satz 2 VO Nr. 596/2014 insbesondere Informationen, die gemäß der VO Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates offengelegt werden müssen, als Insiderinformationen betrachtet werden. Dessen ungeachtet gibt die ESMA nach Art. 7 Abs. 5 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 und nach Maßgabe von dessen Satz 2 Leitlinien für die Erstellung einer „nicht erschöpfenden indikativen Liste von Informationen gem. Abs. 1 Buchstabe b heraus, deren Offenlegung nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann oder die nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Unionsrechts oder des nationalen Rechts, Handelsregeln, Verträgen, Praktiken oder Regeln auf den in Abs. 1 Buchstabe b genannten betreffenden Warenderivate- oder Spotmärkten offengelegt werden müssen“. Auch für Informationen in Bezug auf Warenderivate ist im Hinblick auf die Definition dessen, was eine prä- 99 zise Information darstellt, die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 und im Hinblick darauf, wann eine Information kurserheblich, d.h. geeignet ist, den Kurs von Warenderivaten und damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten spürbar zu beeinflussen, die Vorschrift des Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 anzuwenden.
2. Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate (Art. 7 Abs. 1 lit. c und Abs. 2, 3 und 4 VO Nr. 596/2014) Den Finanzinstrumenten als Bezugspunkt von Insiderinformationen wurden mit der Marktmissbrauchsver- 100 ordnung Emissionszertifikate hinzugefügt (Rz. 2; Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 21). Bei diesen handelt es sich um ein Zertifikat, das aus Anteilen besteht, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der RL 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft anerkannt ist (Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014; Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 28). In Bezug auf Emissionszertifikate und darauf beruhende Auktionsobjekte stellen nach Art. 7 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 solche nicht öffentlich bekannten präzisen Informationen Insiderinformationen dar, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Finanzinstrumente dieser Art betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Abgesehen davon, dass nach der Vorschrift auch Informationen in Bezug auf Auktionsobjekte in vorstehendem Sinne Insiderinformationen sein können, stellt sie im Wesentlichen keine Sonderregelung, sondern lediglich eine Klarstellung zu Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 dar. Für die Bestimmung der Kurserheblichkeit von Informationen in Bezug auf Emissionszertifikate oder auf diesen beruhende Auktionsobjekte ist die Sonderregelung in Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 2 VO 596/2014 Nr. 596/2014 zu beachten, der zufolge im Fall von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate mit aggregierten Emissionen oder einer thermischen Nennleistung in Höhe oder unterhalb des gem. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 596/2014 Nr. 596/2014 festgelegten Schwellenwerts von den Informationen über die physischen Aktivitäten dieser Teilnehmer angenommen wird, dass sie keine erheblichen Auswirkungen auf die Preise der Emis-
389 Das sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 22 i.V.m. Art. 2 Nr. 4 Unterabs. 1 lit. b und d VO Nr. 1227/2011 Derivate, die Strom oder Erdgas betreffen, das/der in der Union erzeugt, gehandelt oder geliefert wurde, bzw. Derivate, die sich auf den Transport von Strom oder Erdgas in der Union beziehen; s. dazu Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 ff.
Assmann | 185
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 100 | Insiderinformation sionszertifikate und der auf diesen beruhenden Auktionsobjekte oder auf damit verbundene Finanzinstrumente haben. Darüber hinaus kann der konzerneingebundene Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate erhebliche Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit von ihn betreffenden Ereignissen oder Maßnahmen haben. Diese können sich deshalb einstellen, weil der Adressat der Mitteilungspflicht der einzelne Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ist, die Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 2 VO 596/2014 Nr. 596/2014 sich inhaltlich aber auf Luftverkehr und Anlagen erstreckt, „die der betreffende Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen besitzt oder kontrolliert und für dessen betriebliche Angelegenheiten der Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen vollständig oder teilweise verantwortlich ist“. Vor diesem Hintergrund ist der einzelne Teilnehmer daher unter Umständen „nicht in der Lage, abschließend zu bestimmen, ob das ihn betreffende Ereignis bezogen auf den Gesamtkonzern überhaupt eine Kursrelevanz besitzt“. Die BaFin verlangt deshalb, dass „innerhalb eines Konzerns Strukturen geschaffen werden, die eine zügige Weiterleitung und Weiterverarbeitung der Information gewährleisten“390. 101 Von den vorstehenden Besonderheiten abgesehen, ist auch für Informationen in Bezug auf Emissionszertifi-
kate im Hinblick auf die Definition dessen, was eine präzise Information ist, die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 VO 596/2014 Nr. 596/2014 (Rz. 8 ff.) und im Hinblick darauf, wann eine Information kurserheblich, d.h. geeignet ist, den Kurs von auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten spürbar zu beeinflussen, die Vorschrift des Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 anzuwenden (Rz. 78 ff.). Insbesondere ist auch hier eine Ex-ante-Prognose der Kurserheblichkeit vorzunehmen und die spätere Kursentwicklung allenfalls als Indiz für dieselbe heranzuziehen (Rz. 88). Als Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate kommen zum einen vor allem Informationen über Maßnahmen oder Ereignisse in Betracht, die sich auf den Betrieb einer Anlage oder auf die Luftverkehrstätigkeit eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate beziehen391. Im Hinblick auf den Anlagenbetrieb kann dies „der (ungeplante) Ausfall, die teilweise Stilllegung oder endgültige Betriebsstilllegung von Anlagen, Investitionsentscheidungen im Hinblick auf die Errichtung neuer Anlagen, Änderungen in der Energieeffizienz von großen Anlagen etwa durch Entscheidung zur Modernisierung zur effizienteren Nutzung von Energie oder der Wechsel von Brennstoffen innerhalb einer Anlage“ sein. Im Hinblick auf die Luftverkehrstätigkeit können Insiderinformationen Informationen über den gesamten oder teilweisen Ausfall oder die Aufstockung einer Flotte betreffend bestimmte Flugzeugtypen oder bestimmte Strecken sowie über Flottenänderungen etwa durch neue Flugzeuge mit stark verringertem CO2-Ausstoß sein. Zum anderen kann es sich aber auch um Informationen über von außen kommende Ereignisse handeln, wie Maßnahmen von Regulierungsbehörden, etwa solche über die allgemeine Zulässigkeit verwendeter Brennstoffe, die kostenlose Zuteilungsquote392, andere strukturelle Reformen des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) oder Flugverbote für bestimmte Flugzeugtypen. In Frage kommen aber auf konkrete Pläne Dritter für den Handel von Emissionszertifikaten, darauf beruhenden Auktionsobjekten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten Auch hier sind entsprechende Informationen Insiderinformationen nur dann, wenn sie öffentlich unbekannt sind und für den Fall, dass sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs der Emissionszertifikate oder darauf beruhende Auktionsobjekte erheblich zu beeinflussen (Rz. 100).
3. Insiderinformationen im Zusammenhang mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente (Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014) 102 Für Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragt sind, sind
Insiderinformationen auch die ihnen von einem Kunden mitgeteilt wurden und sich auf die noch nicht ausgeführten Aufträge des Kunden in Bezug auf Finanzinstrumente beziehen, vorausgesetzt die Informationen erfüllen im Übrigen die Voraussetzungen einer Insiderinformation, d.h. sie sind – wie in Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 aufgeführt – präzise, betreffen direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente und wären, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet, den Kurs
390 Dieses Zitat und die vorstehenden Zitate sind entnommen BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 3 f. 391 Dies und das Folgende in BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.2.2 S. 24. 392 Dazu führt die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.2.2 S. 24, als Beispiel an: „Ein Händler A eines Unternehmens erfährt, dass die kostenlose Zuteilungsquote für Emissionszertifikate gesenkt werden soll. A weiß, dass dies nicht öffentlich bekannt ist und erkennt, dass dadurch die Nachfrage von Emissionszertifikaten und entsprechend deren Preis steigen wird. A kann sein Insiderwissen gewinnbringend verwenden, indem er vor Bekanntwerden der geplanten Reduzierung Emissionszertifikate kauft und zu einem späteren Zeitpunkt nach Bekanntwerden der Information verkauft“.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Insiderinformation | Rz. 104a Art. 7 VO Nr. 596/2014
dieser Finanzinstrumente, damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder zugehöriger derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Dabei handelt es sich in der Sache lediglich um eine Klarstellung, da die in Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 umschriebenen Informationen bereits nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 Insiderinformationen darstellen. Die Bestimmung erfasst Informationen, die als Insiderinformationen die Grundlage des sog. Frontrunning bilden, d.h. die Verwendung von Informationen über einen Kundenauftrag, um vor der Ausführung des nicht öffentlich bekannten kurserheblichen Auftrags selbst Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, auf die sich der Auftrag bezieht393. Die Vorschrift entspricht nahezu wortgetreu Art. 1 Nr. 1 Unterabs. 3 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2), 103 wie sie in dem § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG a.F. umgesetzt wurde. Letzterer wurde seinerseits als „Regelbeispiel“ zur Grundregel des § 13 Abs. 1 Sätze 1–3 WpHG a.F. verstanden394. Deshalb war es schon seinerzeit unschädlich, dass die Umsetzung von Art. 1 Nr. 1 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG a.F. möglicherweise einen weiteren Anwendungsbereich aufwies als die umzusetzende Vorschrift395: Während die Auftragsinformationen nach der Formulierung des § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG a.F. für jede Person, die von diesen Kenntnis erlangten396, ließ sich Art. 1 Nr. 1 Unterabs. 3 RL 2003/ 6/EG und lässt sich Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 so deuten, dass die Kundeninformationen nur für die beauftragte Person – die Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach nur „für Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragt sind“ – und nicht einmal für die mit der Ausführung des Auftrags betraute Mitarbeiter Insiderinformation sind. Wäre dem so, wäre dies mit der Zielsetzung des Insiderrechts (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29 f.) nicht vereinbar397, da solche Informationen auch für andere Personen als den Beauftragten einen Wissensvorsprung darstellen, der sich zur Erzielung ungerechtfertigter Sondervorteile nutzen ließe. Ob Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 deshalb dahingehend auszulegen ist, dass diese Bestimmung auch solche Personen erfasst, die von der nicht öffentlich bekannten kursrelevanten Kundeninformation Kenntnis haben, kann aber dahinstehen, da diese Informationen bereits nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 Insiderinformationen darstellen398. Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die auftragsgemäße Ausführung des eine Insiderinfor- 104 mation darstellenden Auftrags nicht als Verwendung der Insiderinformation durch den Beauftragten anzusehen ist. Dazu heißt es im Erwägungsgrund 30 VO Nr. 596/2014 im Zusammenhang mit legitimen Handlungen im Hinblick auf das Marktmanipulationsverbot von Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014: Beschränken sich die „zur Ausführung von Aufträgen für Rechnung Dritter, die über Insiderinformationen verfügen, befugte Personen auf die pflichtgemäße Ausführung der Stornierung oder Änderung eines Auftrags, so sollte dies nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten. Der in dieser Verordnung vorgesehene Schutz ... für Personen, die befugt sind, im Namen Dritter, die über Insiderinformationen verfügen, Aufträge auszuführen“, erstreckt sich jedoch „nicht auf Tätigkeiten, die gemäß dieser Verordnung eindeutig verboten sind, so u.a. die gemeinhin als ‚Frontrunning‘ bekannte Praxis (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen).“ Der am 7.12.2022 von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer 104a Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) – sieht u.a. eine Neufassung des Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 vor (s. Einl. Rz. 51 und hier Rz. 4a). Mit dieser würde sowohl der Kreis potenzieller Insider als auch den der dadurch erlangten potenziellen Insiderinformationen im Zusammenhang mit dem Erhalt und der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente erweitert werden. Sind Insiderinformationen nach der geltenden Regelung des Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 nur solche Informationen, welche „Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragt sind, ... von einem Kunden mitgeteilt wurden und sich auf die noch nicht ausgeführten Aufträge des Kunden in Bezug auf Finanzinstrumente beziehen“, so erfasst der vogeschlagene und den Anwendungsbereich der Frontrunning-Bestimmung erweiternde neue Art. 7 -Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 auch Informationen in Bezug auf noch nicht ausgeführte Aufträge des Kunden betreffend Finanzinstrumente, die von einem Kunden oder einer im Namen des Kunden handelnden Personen mitgeteilt oder die aufgrund der Verwaltung eines Eigenhandelskontos („management of a proprietary account“) oder eines Fonds („managed fund“) erlangt 393 Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 71. Für Art. 7 und 8 VO Nr. 596/2014 ebenso Grundmann in Staub, Bd. 11/ 1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 352; Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 306; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 193; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 251; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.206. 394 Schon zu § 13 WpHG a.F. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 69. 395 Hierzu Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 72, wo die Umsetzung als nicht zu weit geraten angesehen wurde. 396 Schon zu § 13 WpHG a.F. Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 70 f. 397 So schon Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 72. Auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 7 MAR Rz. 252. 398 Ohne nähere Begründung ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 305.
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Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 104a | Insiderinformation werden399. Die vorgeschlagene Neudefinition einer Insiderinformation in Bezug auf Frontrunning (Rz. 102) erfasst damit nicht mehr nur Personen, die mit der Ausführung von Aufträgen betreffend Finanzinstrumente beauftragt sind, sondern auch bestimmte Personengruppen, die auf andere Weise Kenntnis von einem noch auszuführenden Auftrag haben400.
IV. Leitlinien für Informationen in Bezug auf Warenderivate nach Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 (Art. 7 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) 105 Art. 7 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 bestimmt, dass in Bezug auf Warenderivate (zum Begriff s. Art. 3 Abs. 1
Nr. 24 VO Nr. 596/2014 und die Erläuterungen dazu in Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 35 ff.) nur solche nicht öffentlich bekannten präzisen Informationen als Insiderinformationen zu betrachten sind, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Derivate dieser Art oder direkt damit verbundene Waren-Spot-Kontrakte (zum Begriff s. Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014 und die Erläuterungen dazu in Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 24) betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Derivate oder damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte erheblich zu beeinflussen, und bei denen es sich darüber hinaus um solche Informationen handelt, die nach Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, Handelsregeln, Verträgen, Praktiken oder Regeln auf dem betreffenden Warenderivateoder Spotmarkt offengelegt werden müssen bzw. deren Offenlegung nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann (Rz. 96 ff.). Nach Art. 7 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 hat die BaFin – nicht zuletzt im Hinblick auf den Schutz potenzieller Anleger (Erwägungsgrund 36 VO Nr. 596/2014) und kleinerer und mittlerer Unternehmen als Emittenten (Erwägungsgrund 55 VO Nr. 596/2014) – Leitlinien zu einer nicht erschöpfenden indikativen Liste von Informationen herauszugeben, die diese Zusatzanforderung erfüllen.
106 Solche Leitlinien hat die ESMA am 17.1.2017 vorgelegt401. Mit Schreiben vom 7.3.2017402 (dazu schon Vor
Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 32) gab die BaFin bekannt, sie habe ESMA – entsprechend ihrer Pflicht nach Ziff. 4.2 der Leitlinien – mitgeteilt, diesen Leitlinien nachzukommen; sie ziehe „daher nunmehr im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis diese Leitlinien zur Konkretisierung der Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b der MAR heran“.
Art. 8 VO Nr. 596/2014 Insidergeschäfte (1) Für die Zwecke dieser Verordnung liegt ein Insidergeschäft vor, wenn eine Person über Insiderinformationen verfügt und unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert. Die Nutzung von Insiderinformationen in Form der Stornierung oder Änderung eines Auftrags in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich die Informationen beziehen, gilt auch als Insidergeschäft, 399 Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 lautet, die neuen Regelungen hier kursiv hervorgehoben: „(d) information conveyed by a client or by other persons acting on the client’s behalf or information known by virtue of management of a proprietary account or of a managed fund and relating to pending orders in financial instruments, which is of a precise nature, relating, directly or indirectly, to one or more issuers or to one or more financial instruments, and which, if it were made public, would be likely to have a significant effect on the prices of those financial instruments, the price of related spot commodity contracts, or on the price of related derivative financial instruments.“ 400 Verordnungsvorschlag (Rz. 4a), S. 25. Ebd. S. 40 heißt es in Bezug auf die bisherige Frontrunning-Regelung des Art. 17 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014: „That definition is, however, too limited in that it only applies to persons charged with the execution of orders, whereas also other persons may be aware of a forthcoming order or transaction. That definition should therefore be expanded to also cover cases where information is passed by virtue of management of a proprietary account or of a managed fund, and in particular to cover all categories of persons that may be aware of a future order.“ 401 ESMA, MAR-Leitlinien Informationen über Warenderivatmärkte oder verbundene Spotmärkte im Hinblick auf die Definition von Insiderinformationen über Warenderivate vom 17.1.2017, ESMA/2016/1480, deutsche Sprachfassung: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma-2016-1480_de.pdf. Zum Anwendungsbereich dieser Leitlinien führt die ESMA S. 3 aus, diese Leitlinien hätten Geltung „für zuständige Behörden und Anleger, Finanzintermediäre, Betreiber von Handelsplätzen und Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte mit Warenderivaten vermitteln oder ausführen (gemeinsam bezeichnet als ‚Marktteilnehmer‘)“. 402 GZ: WA 27-Wp 2001–2017/0010, https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Anlage/170307_MAR _Leitlinien_Warenderivatemaerkte_Spotmaerkte.html.
188 | Assmann
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Insidergeschäfte | Art. 8 VO Nr. 596/2014
wenn der Auftrag vor Erlangen der Insiderinformationen erteilt wurde. In Bezug auf Versteigerungen von Emissionszertifikaten oder anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 gehalten werden, schließt die Nutzung von Insiderinformationen auch die Übermittlung, Änderung oder Zurücknahme eines Gebots durch eine Person für eigene Rechnung oder für Rechnung eines Dritten ein. (2) Für die Zwecke dieser Verordnung liegt eine Empfehlung zum Tätigen von Insidergeschäften oder die Verleitung Dritter hierzu vor, wenn eine Person über Insiderinformationen verfügt und a) auf der Grundlage dieser Informationen Dritten empfiehlt, Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, zu erwerben oder zu veräußern, oder sie dazu verleitet, einen solchen Erwerb oder eine solche Veräußerung vorzunehmen, oder b) auf der Grundlage dieser Informationen Dritten empfiehlt, einen Auftrag, der ein Finanzinstrument betrifft, auf das sich die Informationen beziehen, zu stornieren oder zu ändern, oder sie dazu verleitet, eine solche Stornierung oder Änderung vorzunehmen. (3) Die Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen gemäß Absatz 2 erfüllt den Tatbestand des Insidergeschäfts im Sinne dieses Artikels, wenn die Person, die die Empfehlung nutzt oder der Verleitung folgt, weiß oder wissen sollte, dass diese auf Insiderinformationen beruht. (4) Dieser Artikel gilt für jede Person, die über Insiderinformationen verfügt, weil sie a) dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate angehört; b) am Kapital des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate beteiligt ist; c) aufgrund der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder der Erfüllung von Aufgaben Zugang zu den betreffenden Informationen hat oder d) an kriminellen Handlungen beteiligt ist. Dieser Artikel gilt auch für jede Person, die Insiderinformationen unter anderen Umständen als nach Unterabsatz 1 besitzt und weiß oder wissen müsste, dass es sich dabei um Insiderinformationen handelt. (5) Handelt es sich bei der in diesem Artikel genannten Person um eine juristische Person, so gilt dieser Artikel nach Maßgabe des nationalen Rechts auch für die natürlichen Personen, die an dem Beschluss, den Erwerb, die Veräußerung, die Stornierung oder Änderung eines Auftrags für Rechnung der betreffenden juristischen Person zu tätigen, beteiligt sind oder diesen beeinflussen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320). Schrifttum: S. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung II. Insidergeschäfte (Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerb und Veräußerung von Finanzinstrumenten sowie Stornierung oder Änderung von Aufträgen zu deren Erwerb oder Veräußerung (Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . a) Insider und Verfügen über Insiderinformationen (Art. 8 Abs. 1, 4 und 5 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Primärinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gruppen von Primärinsidern und Ursächlichkeit der Wissenserlangung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kenntniserlangung wegen Organzugehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kenntniserlangung aufgrund einer Kapitalbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . (4) Arbeits-, berufs- oder aufgabenbedingte Kenntniserlangung . . . . . . (5) Kenntniserlangung wegen der Beteiligung an kriminellen Handlungen . cc) Sekundärinsider . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 5
6 7 7 14a 14a 14b 14g 14h 14j 14l
b) Tathandlung: Erwerb – Veräußerung – Stornierung (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . aa) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erwerb und Veräußerung . . . . . . . . . . (1) Vornahme eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts . . . . . . . . . (2) Für eigene oder fremde Rechnung . (3) Direkt oder indirekt . . . . . . . . . . . (4) Unterlassen eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts . . . . . . . . . cc) Stornierung und Auftragsänderung . . . c) Nutzung (Art. 8 Abs. 1 Sätze 1–3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Frontrunning . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nicht veranlasste, normale Geschäfte – insbesondere von Marktintermediären . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Umsetzung von unternehmerischen Plänen und Entscheidungen . . . . . (4) Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen . .
15 15 17 17 24 26 27 28 30 30 42 43 45 47 49
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Insidergeschäfte
2. 3. III.
1.
(5) Kursstabilisierung . . . . . . . . . . . . . . (6) Sukzessiver Auf- oder Ausbau einer Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) Scalping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Kreditinstitute im Wertpapiergeschäft mit Kunden . . . . . . . . . . . . (9) Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschäfte aufgrund Empfehlung oder Verleitung (Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfehlung von und Verleitung zu Insidergeschäften (Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) sowie die Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen (Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) Übersicht – Normentwicklung . . . . . . . . . . . .
56 59 62 65 68 74 75
76 76
2. Empfehlung und Verleitung (Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Adressat und Ratio des Verbots . . . . . . . . . 80 b) Gegenstand der Empfehlung oder Verleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Empfehlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Verleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3. Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4. Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen (Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . 97 IV. Sanktionen und Rechtsfolgen von Verstößen gegen Art. 14 lit. a und b i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
I. Regelungsgegenstand und Normentwicklung 1 Nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 ist es verboten a) Insidergeschäfte (1) zu tätigen oder (2) zu versuchen, b) Drit-
ten zu empfehlen oder Dritte anzustiften, Insidergeschäfte zu tätigen, oder c) Insiderinformationen unrechtmäßig offenzulegen. Unter welchen Voraussetzungen die Offenlegung von Insiderinformationen unrechtmäßig ist, ist Art. 10 VO Nr. 596/2014 zu entnehmen. Welche Geschäfte als Insidergeschäfte anzusehen sind und wann eine Empfehlung zum Tätigen von Insidergeschäften oder die Verleitung Dritter hierzu vorliegt, ist Gegenstand der Vorschriften von Art. 8 VO Nr. 596/2014. Zusammengenommen entspricht die Regelung in Art. 14 lit. a bzw. b und Art. 8 VO Nr. 596/2014 dem früheren Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. bzw. dem Empfehlungs- und Verleitungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. Das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. ist dagegen durch das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 ersetzt worden, doch geht das Verbot der ungerechtfertigten Weitergabe in der Sache weitgehend in dem der unbefugten Offenlegung auf.
2 Vor allem in Bezug auf das Erwerbs- und Veräußerungsverbot und das Empfehlungsverbots hat die Markt-
missbrauchsverordnung gegenüber der bisherigen Regelung dieser Verbote in Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 und 3 WpHG a.F. und der diesen zugrunde liegenden Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.20031 sowie der Richtlinie 2003/124/EG zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG2 nur wenige – im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu Art. 8 VO Nr. 596/2014 anzuführende – Veränderungen mit sich gebracht. Zahlreiche Bestimmung von Art. 8 VO Nr. 596/2014 bauen auf solchen der RL 2003/6/EG auf3: Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, Abs. 4 Unterabs. 2 und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 entsprechen Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1, Art. 3 lit. b, Art. 4 bzw. Art. 2 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG; Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 entspricht Art. 2 Abs. 1 lit. a–d RL 2003/6/EG. Deshalb kann, soweit nicht durch Art. 8 VO Nr. 596/2014 oder Rechtsprechung im Einzelnen überholt, auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, wie sie sich zur bisherigen Regelung entwickelt haben.
3 Zur Entwicklung und Zweck des Insiderrechts im Allgemeinen und des Erwerbs- und Veräußerungsverbots
und des Empfehlungsverbots im Besonderen sowie zur Stellung des Art. 8 VO Nr. 596/2014 im Gefüge der insiderrechtlichen Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung s. die Erläuterungen Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 18 ff. und 29a.
4 Die ursprünglich im ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1, 25 f., veröffentlichte Fassung von Abs. 1, 2 und 3 ist in
ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320, 321, zur heutigen Fassung dieser Vorschriften berichtigt worden. Dabei sind vor allem die in Abs. 2 und Abs. 3 ursprünglich verwandten Begriffe „Anstiftung“ und „anstiften“ durch die Begriffe „Verleitung“ und „verleiten“ ersetzt worden4. Das erklärt, weshalb verschiedene Werke bei der Erläuterung von Abs. 2 und Abs. 3 noch die Begrifflichkeit der alten, berichtigten Verordnungsfassung verwenden. 1 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 2 Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70. 3 S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003. 4 Damit verband sich keine inhaltliche Änderung. Etwa Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 74 2. Abs. m.w.N.
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Insidergeschäfte | Rz. 8 Art. 8 VO Nr. 596/2014
II. Insidergeschäfte (Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) Insidergeschäfte sind „für die Zwecke dieser Verordnung“ und vor allem für das Insiderhandelsverbot nach 5 Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 die in Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 beschriebenen Geschäfte in Gestalt der Nutzung von Insiderinformationen für den Erwerb oder die Veräußerung oder die Stornierung oder Änderungen von Aufträgen über Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen (Insiderpapiere). Wohl des Zusammenhangs mit den Bestimmungen über Empfehlungen und Verleitungen auf der Grundlage von Insiderinformation in Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht in Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 über Insidergeschäfte aufgenommen, ist ein Insidergeschäft, das nach Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 darin besteht, dass eine Person, die eine Empfehlung nutzt oder einer Verleitung folgt, weiß oder wissen sollte, dass diese auf Insiderinformationen beruht.
1. Erwerb und Veräußerung von Finanzinstrumenten sowie Stornierung oder Änderung von Aufträgen zu deren Erwerb oder Veräußerung (Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) Um als Insidergeschäft qualifiziert werden zu können, müssen für ein Geschäft nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 6 und Satz 2 VO Nr. 596/2014 die folgenden Voraussetzungen vorliegen: (1) Insider und Insiderwissen: Die das Geschäft führende Person muss Insider sein, d.h. über Insiderinformationen verfügen. (2) Erwerb und Veräußerung von Finanzinstrumenten: Das Geschäfts muss a) entweder darin bestehen, dass die Person für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen (Insiderpapiere, Rz. 5), erwirbt oder veräußert (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014), b) oder die Stornierung oder Änderung eines Auftrags über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zum Gegenstand haben, falls diese aufgrund von nach der Auftragserteilung erlangtem Insiderwissen erfolgen (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014). (3) Nutzung des Insiderwissens: Die Person muss diese Insiderinformationen für das Geschäft nutzen. a) Insider und Verfügen über Insiderinformationen (Art. 8 Abs. 1, 4 und 5 VO Nr. 596/2014) aa) Übersicht Adressaten des Verbots von Insidergeschäften sind Insider, d.h. Personen, die über Insiderinformationen 7 verfügen. Als solche kommen natürliche Personen und, was Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 („Handelt es sich bei der in diesem Artikel genannten Person um eine juristische Person ...“) und Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 („... wird aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine juristische Person im Besitz von Insiderinformationen ist oder war ...“) bestätigen, juristische Personen in Betracht5. Hinsichtlich der Personen, die über Insiderinformationen verfügen, unterscheidet Art. 8 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 zwischen sog. Primärund Sekundärinsidern. Primärinsider sind die Personen, die über Insiderinformationen verfügen, die sie aufgrund der in Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 aufgeführten Umstände erlangt haben6. Sekundärinsider sind nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 Personen, die über Insiderinformationen verfügen, die sie unter anderen Umständen als den in Art. 8 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten – d.h. unter welchen Umständen auch immer7 – erlangt haben, und die wissen oder wissen müssen, dass es sich dabei um Insiderinformationen handelt. In beiden Fällen ist es unerheblich, von wem die jeweilige Person die Insiderinformationen erlangt hat8. Eine solche Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsider fand sich schon im Insiderrecht des 8 WpHG a.F. Ihre Bedeutung beschränkte sich zuletzt allerdings lediglich darauf, Insidergeschäfte von Primär5 Ebenso Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.223 ff.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 133. 6 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 139 ff.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 382 ff.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 12 ff.; Zetzsche in Gebauer/ Teichmann, § 7 C. Rz. 126 ff. 7 Ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 236; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 376; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 132; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 15; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 21. 8 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 146; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 388 f.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 30 ff.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 | Insidergeschäfte insidern und solche von Sekundärinsidern mit unterschiedlichen Sanktionen zu ahnden (§ 38 Abs. 1, § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG a.F.). Im Insiderrecht der Marktmissbrauchsverordnung und den auf dieses bezogenen Sanktionsbestimmungen des WpHG findet sich dergleichen nicht mehr. Hier besteht die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider aufgrund des Zusammenspiels von Art. 8 Abs. 1 und Abs. 4 VO Nr. 596/2014 vielmehr allein darin, dass ein Insidergeschäft oder die Empfehlung eines Primärinsiders in Bezug auf das erforderliche Insiderwissen – solange es nicht um die Strafbarkeit seines Verhaltens geht (dazu Rz. 9) – lediglich voraussetzt, dass dieser rein tatsächlich über eine Insiderinformation verfügt9, während Insiderwissen bei einem Sekundärinsider nur dann gegeben ist, wenn dieser weiß oder wissen musste, über eine Insiderinformation zu verfügen (dazu Rz. 10). Die Unterscheidung von Primär- und Sekundärinsidern ist darüber hinaus noch im Hinblick auf die Strafbarkeit der Weitergabe von Insiderinformationen beim Handel mit Treibhauszertifikaten von Belang. Das diesbezügliche Verbot nach § 119 Abs. 2 Nr. 2 lit. a WpHG richtet sich nur an die in Art. 38 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 VO (EU) Nr. 1031/201010 genannten Personen, die mit den in Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 aufgeführten Personen – d.h. Primärinsidern – identisch sind11. 9 Der deutsche Gesetzgeber hat Verstöße gegen die Verbote von Insidergeschäften sowie Empfehlungen von
und das Verleiten zu Insidergeschäften nach Art. 14 lit. a und b VO Nr. 596/2014 mit § 119 Abs. 3 und 4 WpHG bzw. § 120 Abs. 14 WpHG ausschließlich mit strafrechtlichen bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlich Sanktionen belegt12 und dabei – wie schon in Rz. 8 ausgeführt – keine geschäfts- und handlungsbezogene Differenzierung zwischen Primärinsidern und Sekundärinsidern vorgenommen (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/ 2014 Rz. 27)13. Strafbar ist lediglich vorsätzliches Handeln. Dazu ist es erforderlich, dass sich der Vorsatz – d.h. das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands – auf alle Merkmale des gesetzlichen objektiven Tatbestands bezieht. Im Hinblick auf das Erwerbs- und Veräußerungsverbot nach Art. 14 lit. a, 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ist vorsätzliches Handeln mithin nur dann gegeben, wenn die handelnde Person (1) Kenntnis davon hat, dass es sich bei dem angestrebten Geschäft um eine Transaktion handelt, die Insiderpapiere betrifft, (2) weiß, hierfür eine Insiderinformation zu verwenden, und sie (3) den Veräußerungs- bzw. Erwerbsakt will14. Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt15. Dass das Wissen des Handelnden, über eine Insiderinformation zu verfügen, ein Merkmal des objektiven Tatbestands des Insiderhandelsverbots nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 darstellt und damit vom Vorsatz umfasst sein muss, wird teilweise mit Hinweis auf die Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsider in Art. 8 Abs. 4 VO Nr. 596/ 2014 verneint16. Entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung muss der Täter aber im Hinblick auf die strafrechtliche Sanktion seines Verhaltens – die nur eine der nach Art. 30 VO Nr. 596/2014 möglichen Sanktionen des Verstoßes gegen die Insiderhandelsverbote des Art. 14 VO 596/2014 darstellt – die Eigenschaft einer Information als Insiderinformation kennen (§ 119 WpHG Rz. 103). Das kommt auch im Emittentenleitfaden der BaFin17 zum Ausdruck, in dem es heißt, der Vorsatz setze auch Kenntnis der von ihm genutz9 Abweichend von 7. Aufl. Rz. 9 und 10. Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 96: „Die Voraussetzung der Kenntnis ist rein tatsächlich zu verstehen. Es kommt also auf die Kenntnis der Information an, nicht auf die rechtliche Wertung, dass es sich dabei um eine Insiderinformation handelt (arg ex Art. 8 Abs. 4 UAbs. 2)“; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 11. 10 ABl. EU Nr. L 302 v. 18.11.2010, S. 1. 11 Zu der speziellen strafrechtlichen Sanktionierung beim Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten nach § 119 Abs. 1 und 2 WpHG, als leges speciales zu § 119 Abs. 3 WpHG, s. § 119 WpHG Rz. 136 ff.; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.1.2 S. 65 f. 12 Zu sehr mittelbaren „verwaltungsrechtliche Folgen“ eines Verstoßes gegen die Insiderhandelsverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 s. Szesny, DB 2016, 1420, 1425. 13 RegE 1. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/7482 v. 8.2.2016, 1, 64: Damit wird im „Bereich des Insiderhandels ... im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 2014/57/EU nunmehr vorsätzliches Handeln in sämtlichen Tatbegehungsvarianten unterschiedslos für Primär- und Sekundärinsider unter Strafe gestellt.“ Dazu Brellochs in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 229; Poelzig, NZG 2016, 528, 537; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.28; Szesny, DB 2016, 1420, 1421; Theile in Esser/ Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 97. 14 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.1.1 S. 64 („Der Täter handelt vorsätzlich, wenn er erkennt, dass es sich bei der in Rede stehenden Transaktion um ein Geschäft mit Finanzinstrumenten handelt, er eine Insiderinformation verwendet und es ihm auf den Erwerb oder die Veräußerung der Finanzinstrumente bzw. auf die Stornierung der Order ankommt“); Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 172. 15 Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 122. 16 Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 50, 58; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 11. 17 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.1.1 S. 64. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.305; Pananis in MünchKomm. StGB, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG), 3. Aufl. 2019, § 119 WpHG Rz. 248; Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 110.
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Insidergeschäfte | Rz. 11 Art. 8 VO Nr. 596/2014
ten Information als Insiderinformation voraus und müsse damit auch „die Tatsache umfassen, dass die Information noch nicht öffentlich bekannt ist“, und er habe darüber hinaus „in der Vorstellung [zu] handeln, dass diese Information bei ihrem Bekanntwerden geeignet wäre, den Preis des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen“. Dabei reiche es aus, dass der Täter die Umstände erkannt habe, die die Insiderinformation ausmachten und er ein Preisbeeinflussungspotenzial ernsthaft für möglich halte. In letzterer Hinsicht komme es nicht darauf an, dass er das Preisbeeinflussungspotenzial präzise einschätzen könne. Diese die Verwaltungspraxis der BaFin, nicht aber die Gerichte bindende Ansicht, ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die BaFin die Sachverhalte, die Hinweise auf Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen geben, untersucht und gem. § 11 Satz 1 WpHG bei Vorliegen eines Verdachts auf vorsätzliche Insidergeschäfte und/oder unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen bei der zuständigen Staatsanwaltschaft anzeigt. Ordnungswidrig handelt nach § 120 Abs. 14 WpHG nur, „wer eine in § 119 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 bezeichnete Handlung leichtfertig begeht“, d.h. leichtfertig gegen eines der Insiderhandelsverbote nach Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 verstößt. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt und damit außer Acht lässt, dass sich die Tatbestandsverwirklichung geradezu aufdrängt18 (näher hierzu § 120 WpHG Rz. 337 f.). Die ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktion hat „Auffangfunktion: Lässt sich nicht abschließend feststellen, ob vorsätzlich oder nur leichtfertig gehandelt wurde, kann die Tat“ immerhin als Ordnungswidrigkeit geahndet werden19. Mit den in § 120 Abs. 5 WpHG aufgeführten Tatbeständen wird das Verbot von Insidergeschäften durch besondere Ordnungswidrigkeitstatbestände bei Insiderdelikten im Bereich des Handels mit Treibhausgasemissionszertifikaten ergänzt20. Ein Insidergeschäft liegt nach Art. 8 Abs. 1 Satz VO Nr. 596/2014 nur vor, wenn eine Person (i.S.v. Art. 8 10 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) „über Insiderinformationen verfügt“. Bei einem Insidergeschäft durch einen Primärinsider ist es – außer im strafrechtlichen Kontext (Rz. 9) – nicht erforderlich, diesem nachzuweisen, eine Information als Insiderinformation erkannt und diese bei dem Geschäft genutzt zu haben (schon Rz. 8 und Rz. 9). Im Hinblick auf eventuelle zivilrechtliche Ansprüche gegen den Primärinsider und gegen diesen gerichtete verwaltungsrechtliche Verfahren – nicht aber in straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfahren – wird die Kenntnis der Insiderinformation unwiderleglich vermutet21. Dagegen liegt für einen Sekundärinsider ein Insidergeschäft nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 nur vor, wenn er, was ihm nachzuweisen ist, „weiß oder wissen müsste, dass es sich [bei den fraglichen Informationen] um Insiderinformationen handelt“22. Das Verbot von Insidergeschäften nach Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 kann der Insider sowohl selbst oder 11 durch einen anderen (§ 25 Abs. 1 StGB) oder gemeinschaftlich mit anderen (§ 25 Abs. 2 StGB) verletzen. Ob es deshalb der Regelung des Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 bedurfte23, der für den Fall von Insidergeschäften juristischer Personen das Verbot von Insidergeschäften i.S.v. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf natürliche Personen erstreckt, die an dem Beschluss, den Erwerb, die Veräußerung, die Stornierung oder Änderung eines Auftrags für Rechnung der betreffenden juristischen Person zu tätigen, beteiligt sind oder diesen beeinflussen, kann dahinstehen. Denn ungeachtet der Frage, ob den natürlichen Personen, die an einem solchen Beschluss beteiligt waren oder diesen beeinflusst haben, generell oder unter besonderen Umständen mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft mit der juristischen Person vorgehalten werden kann, gilt Art. 8 gem. Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 – nach Maßgabe des nationalen Rechts – auch für diese Personen. Dabei braucht es keiner Prüfung eines gemeinschaftlichen Handelns der beteiligten natürlichen Personen untereinander und mit der juristischen Person, vielmehr ist es nach dem insoweit klaren Wortlaut der Bestimmung ausreichend,
18 Schon – in Bezug auf § 38 Abs. 4 WpHG a.F. – BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 43 mit Beispiel; Vogel in 6. Aufl., § 38 WpHG Rz. 46; Mennicke und Waßmer in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 357 bzw. § 38 WpHG Rz. 72. In Bezug auf die Insiderhandelsverbote nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 gilt nichts anderes: BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.2 S. 65 „Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falls und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch der Tatbestand verwirklicht wird“); Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 229; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 202, 225; von Buttlar/Hammermaier, ZBB 2017, 1 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 57 ff., 59; Rönnau/ Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 98; Szesny, DB 2016, 1420, 1421. 19 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.2 S. 65. 20 S. § 120 WpHG Rz. 150 f.; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.2 S. 65. 21 Bachmann, Insiderhandelsverbot, S. 32; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 121; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 11, 12. 22 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 146; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 121; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 11. 23 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 378: „überwiegend klarstellender Natur“.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 11 | Insidergeschäfte dass die als Täter eines Insidergeschäfts in Betracht kommende natürliche Person an der Beschlussfassung der juristischen Person über die Tätigung eines Insidergeschäfts beteiligt ist oder diese beeinflusst. 12 Nach Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 sind die natürlichen Personen, die an einem Beschluss im Sinne dieser
Vorschrift beteiligt sind oder diesen beeinflussen, Täter eines Insidergeschäfts, wenn in Ausführung des Beschlusses ein Insidergeschäft – der Erwerb oder die Veräußerung oder die Stornierung oder Änderung eines Auftrags über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren – für Rechnung der fraglichen juristischen Person getätigt wurde. Das setzt allerdings voraus, dass die natürliche Person, die an dem Beschluss mitwirkte oder ihn beeinflusste, ihrerseits über die für das Geschäft maßgebliche Insiderinformation verfügte und die übrigen Voraussetzungen eines Insidergeschäfts nach Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 gegeben sind. Dazu gehört insbesondere, dass es tatsächlich zur Durchführung des Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts oder der Stornierung oder Änderung eines Auftrags über ein solches Geschäft für Rechnung der betreffenden juristischen Person gekommen ist. Anders wäre dies nur, wenn man in Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 die Begründung eines abstrakten Gefährdungsdelikts sehen wollte, wogegen aber Sinn und Zweck dieser Bestimmung sprechen, die Verantwortlichkeiten im Falle von Insidergeschäften für Rechnung von juristischen Personen auch auf die Personen auszudehnen, die an dem Erwerbs-, Veräußerungs- oder Stornierungsvorgängen nicht mitwirkten, jedoch durch ihre Beteiligung an einem Beschluss über entsprechende Geschäfte bzw. Handlungen oder die Beeinflussung eines solchen Beschlusses die Grundlage für diese gelegt haben24.
13 Die Erweiterung der nach Art. 14 lit. a, Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 verbotenen Insidergeschäfte infolge
der Regelung in Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 steht unter dem Vorbehalt, diese erfolge nur „nach Maßgabe des nationalen Rechts“. Für das deutsche Recht gilt insoweit, dass es sich bei Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften von juristischen Personen über Insiderpapiere bzw. bei der Stornierung derselben um Geschäftsführungsmaßnahmen handelt, über die sowohl in der AG und SE (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. Art. 53 SEVO i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG) als auch in der GmbH (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG analog) die zur Geschäftsführung befugten Personen gemeinschaftlich zu entscheiden haben. Die Beschlussfassung über solche Geschäfte oder Vorgänge setzt damit regelmäßig Einstimmigkeit voraus. Aber auch in diesem Falle kommen als Täter i.S.d. Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 nur solche Beschlussbeteiligten in Betracht, die Kenntnis von der Insiderinformation hatten. Sind, abweichend von der Regel, Mehrheitsentscheidungen zulässig, so können Täter i.S.d. Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 nur Personen sein, die dem Beschluss zugestimmt haben. Personen, die zwar gegen den Beschlussvorschlag stimmten, aber nichts unternommen haben, um das verbotene Geschäft zu unterbinden, mögen darin pflichtwidrig gehandelt haben, erfüllen aber nicht die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014. Entsprechendes gilt für den Fall, dass in einer – als juristische Person zu qualifizierenden, hinsichtlich der Geschäftsführung aber § 278 Abs. 2 AktG, §§ 164, 161 Abs. 2 HGB i.V.m. §§ 114–118 HGB unterliegenden25 – KGaA ein Beschluss über den Erwerb oder die Veräußerung oder die Stornierung oder Änderung eines Auftrags über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren gefasst wird. Geschäftsführungsmaßnahmen für juristische Personen können nach deutschem Recht delegiert werden, doch greift Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 seinem diesbezüglich klaren Wortlaut nur ein, wenn die delegierten Geschäfte bzw. Entschließungen einen Beschluss voraussetzen.
14 Eine an einem Beschluss beteiligte natürliche Person ist jede Person, die über den das Insidergeschäft be-
treffenden Beschlussvorschlag abgestimmt hat. Ob sie dazu befugt war oder ob es eines solchen Beschlusses bedurft hätte, ist insiderrechtlich unerheblich, solange nur der Beschluss die Grundlage für das nachfolgende Insidergeschäft bildet. Eine natürliche Person hat einen solchen Beschluss beeinflusst, wenn sie auf die Vornahme eines entsprechenden Beschlusses eingewirkt hat. Wie bei der Verleitung zu einem Insidergeschäft (Rz. 91) kommt es auch hier nicht darauf an, mit welchen Mitteln die Beeinflussung erfolgt. Ebenso wenig ist es beachtlich, ob es ohne die Beeinflussung zu dem fraglichen Beschluss gekommen wäre; vielmehr ist es ausreichend, wenn die Einwirkung den Beschluss mit beeinflusst hat. Der Wortlaut des Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 gibt nichts dafür her, durch die Vorschrift auch solche natürlichen Personen als erfasst anzusehen, die nicht am Beschluss über das fragliche Geschäft, sondern lediglich am Geschäft selbst – d.h. seine Durchführung – für Rechnung der juristischen Person beteiligt waren26. 24 Das kommt deutlich in Erwägungsgrund 40 VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf die Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 vergleichbare Bestimmung in Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 zum Ausdruck, in dem es heißt, mit der Regelung solle „sowohl die juristische Person als auch jede natürliche Person, die an der Beschlussfassung der juristischen Person beteiligt ist, haftbar gemacht werden“ können. Zu Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 s. Art. 12 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 287, 42 ff. 25 Assmann/Sethe in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2001, § 278 AktG Rz. 9 bzw. 103 ff. 26 So aber wohl Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 134, dessen Deutung von Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 mit erheblichen Folgeproblemen belastet sind, die ihn zu dem Urteil veranlassen, die Bedeutung der Vorschrift bleibe „im Dunkeln bzw. ruf(e) erhebliche Anwendungsprobleme hervor“.
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Insidergeschäfte | Rz. 14b Art. 8 VO Nr. 596/2014
bb) Primärinsider (1) Gruppen von Primärinsidern und Ursächlichkeit der Wissenserlangung Primärinsider sind Personen, die über Insiderinformationen verfügen, „weil“ sie zu einer der in Art. 8 Abs. 4 14a Unterabs. 1 lit. a bis d VO Nr. 596/2014 angeführten Gruppen gehören. Die Erlangung der Kenntnis der Insiderinformationen muss danach ursächlich27 oder zumindest mitursächlich28 darauf zurückzuführen sein, dass die Person die Qualifikationsvoraussetzungen einer dieser Gruppen erfüllt, nämlich a) dem Verwaltungs, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate angehört oder b) am Kapital des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate beteiligt ist oder c) aufgrund der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder der Erfüllung von Aufgaben Zugang zu den betreffenden Informationen hat oder d) an kriminellen Handlungen beteiligt ist. Dagegen ist es unerheblich, ob die erlangte Insiderinformation als solche erkannt wurde oder nicht (Rz. 8 ff.). Des Weiteren muss sich die Insiderinformation, die eine Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem Organ des Emittenten oder aufgrund ihrer Beteiligung am Kapital desselben erlangt hat, nicht auf diesen Emittenten selbst beziehen29. So können etwa das Mitglied des Organs einer Zielgesellschaft den Bieter betreffende Insiderinformationen erlangen oder ein Mitglied des Organs einer Tochtergesellschaft Insiderinformationen über die Muttergesellschaft erhalten und beide so zu Primärinsidern werden. Wer eine der in Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a bis d VO Nr. 596/2014 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt, die Insiderinformation aber im privaten Rahmen erlangt hat, ist kein Primärinsider30, kommt aufgrund dessen aber als Sekundärinsider in Betracht. Aber auch die Kenntniserlangung im Privatbereich kann ursächlich auf eine der im Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a bis d VO Nr. 596/2014 beschriebenen Rollen zurückzuführen sein, weil die betreffende Person gerade wegen ihrer Organzugehörigkeit oder ihrer Eigenschaft als Großaktionär zur einer privaten Veranstaltung eingeladen wurde.
(2) Kenntniserlangung wegen Organzugehörigkeit Nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 kann eine Person zum Primärinsider werden, wenn 14b sie unmittelbar (dazu Rz. 14f) dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten angehört. Legt man die Definition des Emittenten in Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 als „eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zugrunde“, scheinen als Organe des Emittenten nur solche eines Emittenten in Betracht zu kommen, der als juristische Person organisiert ist. Das verwundert schon deswegen, weil die Definition des Emittenten nicht in erster Linie auf die Organisationsform, sondern darauf abstellt, ob das als Emittent in Betracht kommende Rechtssubjekt „Finanzinstrumente [zum Begriff s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2] emittiert oder deren Emission vorschlägt“, was fraglos auch Personengesellschaften können. Und angesichts dessen alles andere als verwunderlich, lässt sich unter Rückgriff auf die englische Fassung von Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 feststellen, dass die Extension des dort verwandten Begriffs „legal entity“ weiter geht als der etwa in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 verwandte und in der deutschen Fassung ebenfalls (und hier in Abgrenzung zu Personengesellschaften korrekt) als „juristische Person“ übersetzte Begriff „legal person“31. Als Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten kommen deshalb sowohl solche von juristischen Personen wie AG, SE, KGaA und GmbH als auch von Finanzinstrumente emittierenden oder deren Emission vorschlagenden Personengesellschaften in Betracht32. Dementsprechend können auch persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft Primärinsider sein33. Auf die wirksame Wahl und/oder Bestellung einer Person in ein Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan kommt es nicht an, solange sie als „faktisches Organ“ tätig und von außen als Organ angesehen wird34: Das Insiderrecht verfolgt weder rechtsgeschäftsbezogene noch verbandsrechtliche Regelungsanliegen. Vielmehr geht es bei der Abhebung von Primärinsidern von Sekundärinsidern im Hinblick auf die Sanktio27 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 139; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 382; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 121; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 21, 27; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 13. 28 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 13. 29 Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 21; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 13. 30 Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 21; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 13. 31 Ausführlich Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 17. 32 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 17. I.E. auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 382. 33 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 382; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 381; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 22 ff.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 17; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 17. 34 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 230; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 122; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 20; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 17. A.A. Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 17; Waßmer in Fuchs, § 38 WpHG Rz. 31.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 14b | Insidergeschäfte nierung verbotswidrigen Verhaltens allein um die Nähe zu typischen Quellen von Insiderinformationen und die gesteigerte Wahrscheinlichkeit, mit Insiderinformationen in Berührung zu kommen. 14c Aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Verwaltungs- oder Leitungsorgan des Emittenten kommen bei AG
und dualistischen SE nicht nur die Vorstände, sondern auch die stellvertretenden Vorstände in Betracht35, denn sie sind, ungeachtet ihrer Bezeichnung, „echte Vorstandsmitglieder“36. Gleiches gilt für Arbeitsdirektoren, soweit sie nach dem Gesetz (s. etwa § 76 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 33 Abs. 1 MitbestG) zu bestellen sind37. Bei der KGaA sind die Komplementäre Verwaltungs-/Leitungsorgan. Bei der GmbH sind Verwaltungs-/Leitungsorgan die Geschäftsführer38. Zwar ist die Gesamtheit der Gesellschafter ein Organ der Gesellschaft mit allumfassender Zuständigkeit39, das über die (nur ihm zustehende) Befugnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG, der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen, Einfluss auf die Geschäftsführungen nehmen kann, doch reicht allein der Umstand, Gesellschafter zu sein, nicht aus, um diesen zum Mitglied des Geschäftsführungsorgans der GmbH zu machen. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Gesellschafter Alleingesellschafter ist oder, unabhängig von den übrigen Gesellschaftern oder ggf. über seinen Einfluss auf die weisungsbefugte Gesamtheit der Gesellschafter, tatsächlich über Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung verfügt40. Bei der monistisch verfassten SE sind Verwaltungs-/Leitungsorgan die Mitglieder des Verwaltungsrats (Art. 43 SEVO) und die geschäftsführenden Direktoren (§ 40 SEEG). Auch fakultative Gremien der GmbH oder der KGaA – bei letzterer auch die Gesamtheit der Kommanditaktionäre, der durch atypische Gestaltung Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt werden41 – können Verwaltungs-/Leitungsorgan sein, wenn ihnen „strategische Aufgaben der Geschäftsführung übertragen wurden“42 oder sie tatsächlich auf die Geschäftsführung Einfluss haben43 und sie damit „Organqualität“44 erlangen. Haben sie lediglich Beratungsaufgaben, sind sie weder Verwaltungs-/Leitungsorgan noch Aufsichtsorgan45.
14d Primärinsider können des Weiteren Personen sein, die dem Aufsichtsorgan des Emittenten oder des Teil-
nehmers am Markt angehören. Bei der AG und der KGaA sind die Mitglieder des Aufsichtsrats, bei der dualistisch verfassten SE die Mitglieder des Aufsichtsorgans (Art. 40 SE-VO). Während nach dem Gesetz (s. etwa § 101 Abs. 3 Satz 1 AktG) stellvertretende Aufsichtsratsmitglieder nicht bestellt werden können, kann grundsätzlich für jedes Aufsichtsratsmitglied ein Ersatzmitglied bestellt werden. Anders als stellvertretende Vorstandsmitglieder (Rz. 14c) sind Ersatzmitglieder Organmitglieder aber erst dann, wenn das Aufsichtsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt (§ 101 Abs. 3 Satz 2 AktG). Bei der GmbH sind deren Gesellschafter (oder deren Alleingesellschafter) regelmäßig als Mitglieder von deren Aufsichtsorgan anzusehen46, es sei denn, sie sind ausnahmsweise (Rz. 14c) bereits dem Leitungsorgan zuzurechnen. Fakultative Organe sind Aufsichtsorgane, wenn sie kraft Gesetzes für den Fall ihrer Einsetzung oder aufgrund satzungsmäßiger Gestaltung mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sind.
14e Als Primärinsider können nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 unter den in Rz. 14a ange-
führten Voraussetzungen auch Personen in Frage kommen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan eines als Gesellschaft organisierten Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate angehören. Ein solcher ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014 eine Person, die Geschäfte einschließlich der Erteilung von Handelsaufträgen, mit Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten oder Derivaten betreibt, und die nicht unter die Ausnahme von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 fällt (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 29; Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 256 und Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 22). 35 S. Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 25; Kumpan, AG 2016, 446, 448; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 14. Für die SE s. Art. 39 SE-VO Nr. 596/2014 und Art. 40 Abs. 9 SEEG; Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 25. 36 Unstr., etwa Koch, § 94 AktG Rz. 1; Sailer-Coceani in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 94 AktG Rz. 1. 37 S. Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 25. Für der Mitbestimmung unterliegende Unternehmen bestimmt etwa § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG (auf der Grundlage von § 76 Abs. 2 Satz 3 AktG): „Als gleichberechtigtes Mitglied des zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organs wird ein Arbeitsdirektor bestellt.“ Dies gilt allerdings nach § 33 Abs. 1 Satz 2 MitbestG nicht für Kommanditgesellschaften auf Aktien. 38 S. Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 26. 39 Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2021, § 45 GmbHG Rz. 5. 40 S. Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 26. 41 Koch, § 278 AktG Rz. 19 m.w.N. 42 So im Hinblick Art. 19 VO Nr. 596/2014 Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 26 m.w.N. Dem nach Maßgabe von § 52 GmbHG gebildeten Aufsichtsrat kann zwar nicht die Geschäftsführung im Ganzen zugewiesen, doch können ihm Einzelmaßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden. S. Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, § 52 GmbHG Rz. 13; Uwe H. Schneider/Seyfarth in Scholz, § 52 GmbHG Rz. 307. 43 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 18. 44 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 229. 45 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 18. 46 In Bezug auf Art. 19 VO Nr. 596/2014, aber hier nicht anders, Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 26.
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Insidergeschäfte | Rz. 14h Art. 8 VO Nr. 596/2014
Organmitglieder nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 können nur Personen sein, die un- 14f mittelbar dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate angehören (Rz. 14b). Organmitglieder von Mutter- oder Tochtergesellschaften des Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate oder mit diesen konzerneingebundenen Gesellschaften kommen damit nicht als Primärinsider kraft Organmitgliedschaft nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 in Betracht47. (3) Kenntniserlangung aufgrund einer Kapitalbeteiligung Primärinsider können des Weiteren Personen sein, die über Insiderinformationen verfügen, „weil“ sie am 14g Kapital des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate beteiligt sind (Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014). Das sind die Anteilseigner des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate, d.h. – das Erfordernis der Kapitalbeteiligung ernst nehmend – Aktionäre und Gesellschafter von Kapitalgesellschaften48. Unstreitig ist nicht die Höhe der Beteiligung entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Person ihre Insiderinformation allein wegen ihrer Kapitalbeteiligung erlangt hat. Da Primärinsider dementsprechend nur sein kann, wer seine Insiderinformation gerade aufgrund seiner Kapitalbeteiligung erhalten hat und dies bei Kleinanlegern regelmäßig nicht der Fall ist, ist dieser i.d.R. auch nicht Primärinsider, sondern Sekundärinsider (Rz. 14l f.)49. Gleichwohl können auch Kleinanleger Insiderinformationen wegen ihrer Beteiligung erhalten haben, namentlich wenn einflussreiche und potenziell oppositionelle Kleinaktionäre – nicht zuletzt informationell – besondere Beachtung erfahren. Auch wenn Großaktionäre über Insiderinformationen verfügen, müssen diese nicht zwingend aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung erlangt worden sein. Primärinsider kraft Kapitalbeteiligung sind sie vielmehr nur dann, wenn ein darüber hinaus bestehender Grund ihrer Kenntnis einer Insiderinformation erkennbar ist, wie etwa Vorabgespräche vor einer Hauptversammlung, seien sie individuell mit einzelnen Anteilseignern oder etwa mit einem Aktionärs- oder Familienpool50 geführt worden. (4) Arbeits-, berufs- oder aufgabenbedingte Kenntniserlangung Nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 wird zum Primärinsider, wer aufgrund der Ausübung 14h einer Arbeit oder eines Berufs oder der Erfüllung von Aufgaben Zugang zu Informationen wie der fraglichen Insiderinformation hat. Dazu ist nicht erforderlich, dass der Person die Insiderinformation für die vorgenannten Tätigkeiten weitergegeben wurde. Vielmehr genügt es, wenn sich die Information unter denen befindet, welche dieser Person in Bezug auf ihre Arbeit, ihren Beruf oder ihrer Aufgabe zugänglich wurden. Einer Beziehung der Person, die arbeits-, berufs- oder aufgabenbedingt eine Insiderinformation erlangt hat, zum Emittenten, auf den sich die Insiderinformation bezieht, bedarf es nicht51. Bezogen auf frühere Fassungen des WpHG, zunächst in § 13 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. und dann in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG a.F., hat Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 damit das Erfordernis der Ursächlichkeit von Beruf, Tätigkeit oder Aufgabe einer Person der Erlangung der Kenntnis einer Insiderinformation beibehalten. Weggefallen ist dagegen die Bestimmung, nach der „aufgrund seines Berufs oder seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe“ Priminsider nur sein konnte, wer die Insiderinformation „bestimmungsgemäß“ erhalten hatte52. Das hat den Kreis derer, die arbeits-, berufs- oder aufgabenbedingt Primärinsider werden können, erheblich ausgeweitet, so dass auch die durch die Altauflagen von Kommentaren geisternde Reinigungskraft, die auf dem Schreibtisch liegen gelassene Papiere liest, oder der ein Telefonat mithörende (Taxi-)Fahrer, für die die (auf)gelesene bzw. aufgeschnappte Information fraglos nicht bestimmt war, nunmehr Primärinsider sein
47 S. In Bezug auf Art. 19 VO Nr. 596/2014 Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 32; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 230; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 122; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 20; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 19; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 17. 48 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 123; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 22; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 20. 49 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 383; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 23; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 20; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 18. 50 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 20. 51 Jedenfalls die Erforderlichkeit „vertraglicher Beziehungen“ ausschließend Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 233; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 373; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 127; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 26. 52 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 234; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 20. Anders Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 142; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 384.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 14h | Insidergeschäfte können. Dies in einer Rückausnahme korrigieren zu wollen53, weil man in Fällen wie den vorgenannten nicht davon ausgehen könne, dass die Insiderinformation erkannt werde und so die Behandlung der fraglichen Personen als Sekundärinsider naheliege, würde Regeln verlangen, die der Wiedereinführung des Bestimmtheitserfordernisses zumindest sehr nahekämen. Sie sind darüber hinaus auch nicht geboten: Wenn die Reinigungsperson ihre Entdeckung zum Anlass nahm, ein Wertpapiergeschäft zu tätigen, eine Empfehlung abzugeben oder die Information weiterzugeben, muss sie die Information als Insiderinformation erkannt haben. Ist das nicht der Fall, braucht man, da nur vorsätzliches Handeln sanktioniert wird (Rz. 9 f.), nicht weiter zu räsonieren, ob die Person die Information als Insiderinformation hätte erkennen müssen. Mit dem Ursächlichkeitserfordernis „soll jeder Zugang zur Quelle der Insiderinformation erfasst werden, der nicht rein privater Natur ist“. Die Ursächlichkeit bestimmt sich unter Anwendung des Conditio-sinequa-non-Tests54. Unter Anwendung desselben im vorliegenden Kontext ist eine Person nur dann Primärinsider nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014, wenn ihr arbeits-, berufs- oder aufgabenbedingtes Tätigwerden nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt, d.h. die Erlangung der Kenntnis einer Insiderinformation, entfiele. 14i Beruf ist eine auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.
Demgegenüber wird mit den Begriffen Arbeit und Aufgabe eine nicht auf Dauer angelegte und nicht zwingend auf Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage gerichtete Tätigkeit erfasst. Dabei ist der unter Arbeit erfasste Bereich von Tätigkeiten der weitere und erfasst jede nicht dem privaten Bereich55 einer Person zuzuordnende Verrichtung. Auf die Art der Arbeit kommt es nicht an, weshalb als solche auch Hilfsarbeiten, Aushilfstätigkeiten oder Abordnungen in Betracht kommen. Anders als eine Arbeit verlangt die Erfüllung einer Aufgabe mehr oder weniger abstrakt vorgegebene Handlungen in einem bestimmten Handlungsfeld. Unter aufgabenbedingte Primärinsider fallen damit all diejenigen, die einem mit speziellen Aufgaben versehenen Gremium eines Unternehmens angehören, dem keine Organfunktion zukommt. Andere für ein Unternehmen in- oder außerhalb desselben tätig werdende Personen kommen dagegen als arbeitsbedingte Primärinsider in Betracht. Die rechtliche Grundlage, auf der eine Arbeit erbracht oder eine Aufgabe erfüllt wird, ist ebenso unerheblich, wie deren Entgeltlichkeit, solange Arbeit und Aufgabe nur ursächlich für die Erlangung einer Insiderinformation sind. Ebenso unerheblich ist es für die Anwendung der VO Nr. 596/2014, ob die tätig werdende Person arbeits- bzw. dienstrechtlich als Arbeiter oder Angestellter bzw. als Beamter zu qualifizieren ist. Auch auf die Zuordnung der Ausübung eines Berufs oder einer Arbeit oder der Erfüllung einer Aufgabe zu dem Emittenten, auf den sich die Insiderinformation bezieht, kommt es nicht an. Schließlich gibt die Vorschrift – anders als zuletzt noch § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. mit dem Merkmal der bestimmungsgemäßen Kenntniserlangung (Rz. 14f) – keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, der Ursachenzusammenhang zwischen Arbeit, Beruf oder Aufgabe und der Erlangung einer Insiderinformationen verlange, dass diese es ihrer Anlage nach Anlage nach vorhersehbar oder regelmäßig mit sich brächten, Insiderinformationen der fraglichen Art mitgeteilt zu bekommen56. (5) Kenntniserlangung wegen der Beteiligung an kriminellen Handlungen
14j Dem Kreis von Primärinsidern wurden bereits zur Umsetzung von Art. 2 Unterabs. 2 lit. d der Marktmiss-
brauchsrichtlinie57 in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG a.F. Personen hinzugefügt, „die auf Grund der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat“ Insiderinformationen erlangt haben. Nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 gehören in die entsprechende Gruppe von Primärinsidern, wer über Insiderinformationen verfügt und „an kriminellen Handlungen beteiligt ist“. Als Hintergrund der Richtlinienregelung und des diese umsetzenden § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG a.F., der sich den Erwägungsgründen 14 und 17 der Markt53 Dafür Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 234. Dagegen lässt sich nicht anführen, die BaFin habe – was zutrifft – in ihrem Emittentenleitfaden, Modul C, V.3.1 S. 89, festgestellt, die in eine Insiderliste aufzunehmende Person dürfe „nicht nur zufällig oder bei Gelegenheit Kenntnis von der Information erlangt haben“, macht die BaFin (ebd.) doch sehr deutlich, dass dies allein „aus dem Telos der Insiderliste“ folge und damit nicht unmittelbar etwas mit der Bestimmung von Primärinsidern zu tun hat. 54 Etwa Eisele in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, Vor § 13 ff. StGB Rz. 73a m.w.N.: „Nach der herrschenden, von der Gleichwertigkeit aller Bedingungen eines Erfolgs ausgehenden Bedingungs- oder Äquivalenztheorie liegt Kausalität vor, wenn die Handlung des Täters nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele: Ursächlich ist also jede „conditio sine qua non“. 55 Schon in der 6. Aufl. wurde zu § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. in Rz. 21 darauf hingewiesen, dass mit dem in dieser Gruppe von Primärinsidern „jeder Zugang zur Quelle der Insiderinformation erfasst werden [soll], der nicht rein privater Natur ist“. 56 Zu solchen und noch weitergehenden Eingrenzungsansätzen s. 6. Aufl. § 38 WpHG Rz. 21 a.E. 57 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16.
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Insidergeschäfte | Rz. 14m Art. 8 VO Nr. 596/2014
missbrauchsrichtlinie nur andeutungsweise entnehmen lässt, führt Vogel in der 6. Aufl. dieses Kommentars zu § 38a WpHG in Rz. 33 an, dem Richtliniengeber hätten „Berichte vor Augen [gestanden], wonach die an den Anschlägen in den Vereinigten Staaten vom 11.9.2001 Beteiligten Dritte von den bevorstehenden Anschlägen informiert haben ... und daraufhin die Dritten Geschäfte getätigt haben sollen, die sich infolge der durch die Anschläge ausgelösten Kurseinbrüche als gewinnbringend erwiesen haben sollen; die Gewinne sollen dann wieder in die Terrorismusfinanzierung zurückgeflossen sein“. In diesem Falle war mithin die erlangte Insiderinformation das Wissen um die Straftat selbst58, weshalb gerügt wurde, der deutsche Gesetzgeber habe in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG a.F. weniger diesen Fall als denjenigen geregelt, dass die „Vorbereitung oder Begehung einer Straftat“ die Ursache – „das Mittel“ – für die Erlangung einer (sich nicht auf die Straftat selbst beziehenden) Insiderinformation sei. Die heutige Regelung in Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 ist so gefasst, dass er sowohl den 14k Fall der Erlangung von Wissen über eine geplante kriminelle Handlung als selbst geschaffene Insiderinformation (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 und 20, 21) erfasst als auch denjenigen, dass durch eine kriminelle Handlung – etwa den Diebstahl eines Dokuments oder eines Datenträgers, dem Insiderinformationen entnommen werden können – Insiderinformationen erlangt wurden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die kriminelle Handlung auf die Verschaffung solcher Informationen gerichtet war oder die Erlangung der Insiderinformation nur ein Nebenprodukt der Straftat ist. Als kriminelle Handlung kommt jede strafbare Handlung und strafbare Vorbereitung einer Straftat (wie etwa § 263a Abs. 3 StGB, der bestimmte Formen der Vorbereitung einer Computerstraftat nach § 263a Abs. 1 StGB unter Strafe stellt) in Betracht, gleich ob sie in Täterschaft oder Teilnahme erfolgten. Das Merkmal kriminelle Handlungen ist verordnungsautonom auszulegen, was zur Folge hat, dass es nicht nur Straftaten als mit Strafe sanktioniertem Verhalten, sondern auch Ordnungswidrigkeiten umfasst59. Schon Art. 2 Unterabs. 2 lit. d der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG (Rz. 2) verlangte nicht die Erfassung von Straftätern als Primärinsider, sondern vielmehr diejenige von Personen, die eine Insiderinformation „aufgrund ihrer kriminellen Aktivitäten“ erlangten. Dass der deutsche Gesetzeber diese Vorgabe in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpHG a.F. mit der Formulierung „auf Grund der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat“ umzusetzen versuchte, mag darauf zurückgeführt werden können, dass in Erwägungsgrund 17 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG (Rz. 2) – eher beispielhaft, denn als Definition – die Vorbereitung oder Ausführung einer Straftat als Gegenstand einer Insiderinformation anführte. Gerade weil das Europarecht – ausweislich etwa Art. 83 AEUV – durchaus den Begriff der Straftat als mit Strafe bewehrte Handlung kennt, spricht die Verwendung des Begriffs „kriminelle Handlung“ statt desjenigen der „Straftat“ dafür, dass damit nicht zwingend ausschließlich mit Strafe bewehrte Handlungen gemeint sind. Vielmehr spricht schon der Zweck des Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 auch Personen als Primärinsider zu erfassen, die von dem Vorhaben ihrer kriminellen Handlungen als selbstgeschaffene Insiderinformation verfügen, dafür, auch ein geplantes Tun oder Unterlassen, das als Ordnungswidrigkeit sanktioniert ist, zu erfassen, wenn das Wissen hierüber nur kurserheblich ist. Gleichzeitig ist es nicht die Art und die Schwere der Sanktionierung „kriminellen“ Handelns, sondern das verbotswidrige und hoheitlich sanktionierte Handeln selbst, das dem Handelnden die Kenntnis von einer Insiderinformation verschafft.
cc) Sekundärinsider Als Personen, die Parteien eines Insidergeschäfts nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sein können, 14l kommen neben Primärinsidern auch sog. Sekundärinsider in Betracht. Letzteres sind nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 Personen, die Insiderinformationen unter anderen Umständen als nach Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 besitzen – also keine Primärinsider sind – und wissen oder wissen müssen, dass es sich dabei um Insiderinformationen handelt. Ist dies nicht der Fall, so können sie nicht Täter der nach § 119 Abs. 3 WpHG nur bei Vorsatz strafbaren Verstöße gegen in Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 aufgeführten Insiderverbote sein. In diesem Fall handeln sie aber nach § 120 Abs. 4 WpHG ordnungswidrig, wenn sie leichtfertig eine der in § 119 Abs. 3 Nr. 1–3 VO Nr. 596/2014 bezeichnete Handlungen begehen, d.h. leichtfertig gegen eines der in Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 aufgeführten Insiderverbote verstoßen. Anders als bei Primärinsidern ist die Art und Weise, in der Sekundärinsider Kenntnis der Insiderinformation 14m erlangten, unerheblich60. Gleiches gilt für die Quelle der Insiderinformation, insbesondere die Person, von 58 Genau darum und um Kursveränderungen nach einer Tat ging es bei dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund vom 11.4.2017: Am Vormittag des Anschlagstags hat der Täter Verkaufsoptionsscheine (Puts) auf die Aktie der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA (BVB) gekauft. Mit dem Anschlag wollte er einen Kurssturz der BVB-Aktie und eine Wertsteigerung seiner Verkaufsoptionsscheine herbeiführen. 59 I.E. auch Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 29; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 29. 60 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 388; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 31.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 14m | Insidergeschäfte der der Sekundärinsider die Insiderinformation erlangt hat61. Eine Person weiß, dass sie über eine Insiderinformation verfügt, wenn sie Kenntnis davon hat, dass die Information nicht öffentlich bekannt und kurserheblich ist. Dabei ist auf die „Parallelwertung“62 eines durchschnittlich verständigen Anlegers abzustellen. Eine Person muss wissen, dass sie über eine Insiderinformation verfügt, wenn sie – § 276 BGB für die Verantwortlichkeit eines Schuldners entsprechend – unter Betrachtung der konkreten Umstände (einfach) fahrlässig63 und unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen, hier mit der von einem durchschnittlich verständigen Anleger zu erwartenden Sorgfalt nicht weiß, dass die erlangte Information eine Insiderinformation darstellt. Wissenmüssen ist damit nicht mit dem strengeren Maßstab der Leichtfertigkeit (s. Rz. 9) identisch.
b) Tathandlung: Erwerb – Veräußerung – Stornierung (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, Abs. 5 VO Nr. 596/2014) aa) Übersicht 15 Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 kennt zwei Arten von Insidergeschäften: Zum einen Geschäfte, in denen
eine Person direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen (Insiderpapiere), erwirbt oder veräußert (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014) und zum anderen solche, in denen ein Auftrag über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren aufgrund von Insiderinformationen storniert oder geändert wird, die nach der Auftragserteilung erlangt wurden (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014). Insidergeschäfte als Geschäfte über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu definieren, entspricht § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. Die Behandlung der durch die Erlangung von Insiderinformationen vorgenommene Stornierung oder Änderung des Auftrags über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren dagegen war vor der Regelung von Insidergeschäften durch die Marktmissbrauchsverordnung unbekannt.
16 Kommt es für Rechnung einer juristischen Person zu einem Insidergeschäft in vorstehendem Sinne und
beruht dieses auf einem entsprechenden Beschluss der Geschäftsführung derselben, so ist dies nach Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 nicht nur das Insidergeschäft der juristischen Person, sondern auch ein solches derer, die an diesem Beschluss mitgewirkt oder diesen dahingehend beeinflusst haben (Rz. 11 ff.). bb) Erwerb und Veräußerung (1) Vornahme eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts
17 Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 erfasst nur die Nutzung von Insiderinformationen für den Erwerb
oder die Veräußerung von Insiderpapieren. Andere Fälle der Verwendung von Insiderwissen als durch ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft in Bezug auf Insiderpapiere – wie das Unterlassen der Belieferung eines Käufers aufgrund der Insiderinformation von dessen Insolvenz – fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Unerheblich ist, mit wem, wo und wie das Geschäft zustande kam, namentlich ob es börslich oder außerbörslich geschlossen wurde64 – zu den sog. Face-to-face-Geschäften s. Rz. 40 – oder für eigene oder fremde Rechnung erfolgte (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014)65. Wie bisher66 werden nur entgeltliche Geschäfte erfasst67, weshalb schon von daher Vererbung oder Schenkung nicht als Erwerbsgeschäfte
61 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 388; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 31. 62 Hinsichtlich des Beurteilungssubjekts anders Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 238 („Laiensphäre“); Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 31, die hinsichtlich der verlangten „Parallelwertung in der Laiensphäre“ und unter Berufung auf Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 31, eine „laienhafte Einschätzung“ genügen lassen. 63 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 238; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 34; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 22. 64 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 63; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/701, 7/703. 65 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54: „Für den Erwerb oder die Veräußerung ist es wie auch nach den alten Regelungen des WpHG irrelevant, ob der Insider die Papiere für sich selbst oder für einen anderen im fremden Namen für fremde Rechnung oder im eigenen Namen für fremde Rechnung (also als unmittelbarer oder mittelbarer Stellvertreter oder Kommissionär) erwirbt oder veräußert“. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 69; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 41; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 33; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 137. 66 Etwa BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 36; Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 18. 67 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 122; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 57; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 76 (Gegenleistung erforderlich). A.A. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 65 unter Berufung auf den englischen Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 40.
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Insidergeschäfte | Rz. 18 Art. 8 VO Nr. 596/2014
erfasst werden (dazu Rz. 22). Darüber hinaus spielen Art und Höhe der durch den Erwerber zu erbringenden Gegenleistung keine Rolle. Aber auch diejenigen, die die Entgeltlichkeit des Erwerbsgeschäfts nicht für erforderlich halten, gehen davon aus, dass Vererbung und Schenkung mangels des Zutuns („Entschlusses“) des Erben oder Beschenkten am Erwerb nicht in den Einzugsbereich des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 fallen68. Sie gelangen dann aber für den Fall zur Annahme eines Erwerbsgeschäfts, dass der Beschenkte darauf hinwirkt, ihm die Insiderpapiere zu schenken69. Dass hierin ein durch das Insiderrecht zu verhindernder und gegebenenfalls zu sanktionierender Sondervorteil des Beschenkten liegen könnte, den er zulasten der über dieses Wissen nicht verfügenden Marktteilnehmer realisiert, ist jedoch nicht erkennbar70. Schon unter der RL 2003/6/EG (Rz. 2), deren Art. 2 Abs. 1 Satz 1 durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. umge- 18 setzt wurde, war fraglich, was unter Erwerb und Veräußerung zu verstehen ist. Da die Richtlinie für sämtliche Mitgliedstaaten der EU galt und die meisten Mitgliedstaaten kein Abstraktionsprinzip kennen, war vor allem zweifelhaft, ob Erwerb und Veräußerung im rechtstechnischen Sinne des deutschen Rechts zu verstehen sind und – über den Abschluss des obligatorischen Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts hinaus – auch eine Änderung der dinglichen Rechtslage voraussetzen. Eine richtlinienkonforme, den Zweck des Insiderrechts berücksichtigende Auslegung hatte dem Umstand Rechnung, dass Erwerb und Veräußerung als Akte zu sehen sind, mit denen sich der Insider einen ungerechtfertigten Sondervorteil gegenüber Dritten verschafft, die nicht über die Insiderinformation verfügen (dazu Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29). Dementsprechend wurde es von der seinerzeitigen herrschenden Meinung als erforderlich, aber auch als ausreichend angesehen, wenn infolge der Vertragsgestaltung sichergestellt war, dass der Insider den erwarteten Gewinn realisieren kann (näher dazu Rz. 21), was nicht voraussetzte, dass es tatsächlich zu dem erstrebten Gewinn kam71. Der herrschenden Meinung zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. entsprechend72, ist auch unter Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts ausreichend73, d.h. es muss durch die Transaktion in Finanzinstrumente nicht zu einer Verschiebung der Verfügungsmacht gekommen sein, da andernfalls erhebliche Strafbarkeitslücken entstehen würden74. Erforderlich ist nach wie vor lediglich, dass eine gesicherte Erwerbs- oder Veräußerungsposition zur Realisierung des erwarteten Gewinns75 68 69 70 71
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Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 65. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 65. Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 57. Assmann, AG 1994, 237, 246; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 63, 71; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 44; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.227; Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 16; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.39; Sethe, ZBB 2006, 243, 248; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 79. OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 (513 „gesicherte Erwerbs- bzw. Veräußerungsposition“) mit ausführlicher Darstellung und Auseinandersetzung mit der Gegenansicht; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 37 (vertragliche Absicherung des möglichen Gewinns). Aus dem Schrifttum Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769 (1774); implizit auch Fürhoff, AG 1998, 83 (84 zu Fn. 16); Krauel, S. 279 ff.; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 66; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2017, § 15 Rz. 53; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 44; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/703; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.522; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 10. Kritisch Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 12; Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 109. Nach a.A. – Casper, WM 1999, 363, 364 mit Fn. 10, 365 zu Fn. 16; J. Hartmann, S. 231 f. – ist zumindest eine Verschiebung der Verfügungsmacht erforderlich oder es wird (so Soesters, S. 151) der bloße Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags generell als nicht ausreichend zur Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Erwerbs oder der Veräußerung angesehen. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 23 verlangt „Änderung der rechtlichen Zuordnung“ und will den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags, bei dem die Erfüllung ausbleibe, nicht ausreichen lassen. In Bezug auf Schadensersatzforderungen nach §§ 37b, 37c WpHG a.F. (jetzt §§ 97 f. WpHG) wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen Florstedt, AG 2017, 557 ff. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Becker, ZGR 2020, 999, 1004 f.; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 121; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 395 f.; BuckHeeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 150; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 381; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 63; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 52, 58; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.227; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 36; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 15; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 27 f. Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.227. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 121; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 396; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer,
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 18 | Insidergeschäfte oder zur Begrenzung eines Verlusts geschaffen wurde, was etwa bei der Ausführung einer Order der Fall ist76 (s. auch Rz. 21). Als Erwerb kommt auch ein Erwerb auf der Grundlage eines gesetzlichen Erwerbstatbestands in Betracht, allerdings nur wenn der Erwerber die Verwirklichung des Erwerbstatbestands durch sein Handeln unter Nutzung einer Insiderinformation herbeigeführt hat, um durch den indirekten Erwerb einen Gewinn aus seinem Wissensvorsprung erzielen zu können (dazu Rz. 26, 31 ff.). 19 Ein – indirekter – Erwerb liegt auch dann vor, wenn durch das Handeln einer Person Umstände eintreten,
aufgrund derer ein gesetzlicher Erwerb77 von Finanzinstrumenten stattfindet. Allerdings stellt sich in solchen Fällen immer die Frage, ob das Handeln und der gesetzliche Erwerb, wie etwa durch Schaffung der Voraussetzungen des gesetzlichen Erwerbs, ursächlich auf die Nutzung einer Insiderinformation zum Zwecke der Erzielung eines Sondervorteils aus dem Wissensvorsprung des Insiders hervorgeht78 (dazu Rz. 31 ff.).
20 Erst recht muss das Erwerbs- bzw. Veräußerungsgeschäft nicht zu einem Vollerwerb auf der jeweils einen
Vertragsseite und einem entsprechenden Rechtsverlust auf der jeweils anderen Seite geführt haben79. Der Verbotstatbestand erfasst daher neben Pensionsgeschäften (d.h. den Verkauf von Wertpapieren unter gleichzeitiger Vereinbarung ihres Rückkaufs zu einem bestimmten Zeitpunkt)80 auch die Wertpapierleihe (d.h. die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren für einen bestimmten Zeitraum gegen Vergütung), ohne dass es dabei auf deren zivilrechtliche Einordnung als Leihe, Darlehen oder Kauf mit Rückkaufverpflichtung81 ankommt82. Entscheidend ist auch hier, dass derjenige, der über Pensions- oder Wertpapierleihgeschäfte Insiderpapiere erlangt, uneingeschränkt über diese verfügen kann und seine Verpflichtungen gegenüber dem Verkäufer bzw. Entleiher durch die Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art und Güte zu genügen vermag. Auch die Ausübung einer Option zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Insiderpapiers oder eines Wandlungsrechts83 aus einer Wertpapierleihe stellt ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft dar. Anders verhält es sich bei der bloßen Zeichnung84, die – auch wenn sie vom Emittenten ange-
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Art. 8 MAR Rz. 37; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.227; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.28. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 58; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 36; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.227; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 75 m.w.N. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 64, Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 54; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 38; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.39. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 123 m.w.N. Vgl. Assmann, AG 1994, 237, 246; Claussen, ZBB 1992, 267, 281; i.E. auch Hopt, ZGR 1991, 17, 42; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 41. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 122; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 151; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 60; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 41; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 27; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.40. Dazu etwa Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 37 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 13.6 ff. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 122; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 151; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 66; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 101; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 60; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 41; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.228; i.E. auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 27; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 13. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 32; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.228. Für Optionen und den Fall von Aktienoptionsprogrammen Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 32 („Erfolgt die Aktienzuteilung automatisch und erlangt der Insider danach eine Insiderinformation, nutzt er sie beim Erwerb nicht. Anders ist es zu beurteilen, wenn der Insider eine Option wahrnimmt ...“). Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 121; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 67; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 65; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 37; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 22. A.A. Becker, ZGR 2020, 999, 1009, aufgrund der unzutreffenden Annahme, die Zeichnung junger Aktien begründe – wie Bezugsrechte – einen gesicherten Anspruch auf deren Erwerb; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.40. Für die Zwecke des Schadensersatzes wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen oder wegen der Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen nach §§ 37b und 37c WpHG a.F., anwendbar auch auf Ansprüche nach §§ 97, 98 WpHG, hat der BGH – BGH v. 17.12.2020 – II ZB 31/14, ZIP 2021, 346, 365 f. Rz. 321 ff. – entschieden, ein Erwerb von Finanzinstrumenten liege auch bei der Zeichnung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung vor, doch sind die hierzu angestellten, auf die Ermittlung der zum Schadensersatz nach
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Insidergeschäfte | Rz. 22 Art. 8 VO Nr. 596/2014
nommen wurde – dem Zeichner keinen Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft auf Durchführung der Kapitalerhöhung und damit auf die Verschaffung der erstrebten Mitgliedschaft eröffnet85, sowie bei der Verpfändung86 von Wertpapieren, denn Letztere gewährt dem Sicherungsnehmer als solche noch kein Verfügungsrecht über die fraglichen Papiere. Setzt ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft den Abschluss eines Erwerbs- bzw. Veräußerungsvorgangs in 21 dem Umfang voraus, dass der Insider den potenziellen Gewinn vertraglich abgesichert hat (Rz. 18), so ist zwar ein Pensionsgeschäft oder eine Wertpapierleihe ausreichend, nicht hingegen die nur bedingte Übertragung (§ 158 BGB) von Wertpapieren, bei der der Eintritt oder das Ausbleiben der Bedingung noch an eine Willenserklärung des Vertragspartners geknüpft ist87. Anders als die Ausübung einer Option (Rz. 20) ist der Verkauf einer hinsichtlich der Ausübung des Optionsrechts vom Willen des Erwerbers abhängigen Option auf den Erwerb oder den Verkauf von Insiderpapieren damit jedoch kein Veräußerungsgeschäft. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob im Einzelfall eine aufschiebende oder eine auflösende Bedingung vereinbart worden ist. Hier ist zwar zivilrechtlich nach der konkreten Ausgestaltung des Geschäfts zu differenzieren, strafrechtlich vermag diese Unterscheidung jedoch keinen Wertungsunterschied zu begründen, da beide Formen der Bedingung bei wirtschaftlicher Betrachtung auf das gleiche Ziel hinauslaufen. Weiter ist ein Erwerb oder eine Veräußerung von Insiderpapieren bereits mit der Ausführung einer erteilten Order zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers anzunehmen, da mit dieser ein möglicher Gewinn bereits vertraglich abgesichert ist (Rz. 18). Die Order als solche erfüllt den Tatbestand des Erwerbs oder der Veräußerung fraglos nicht88. Kein Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang im insiderrechtlichen Sinne stellt die Vererbung oder die Schen- 22 kung von Wertpapieren dar89. Das gilt fraglos für den über Insiderinformationen verfügenden Erblasser
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einer Pflichtverletzung berechtigten angestellten Überlegungen, nicht auf die Bestimmung des Erwerbsbegriffs des Art. 8 VO Nr. 596/2014 übertragbar, welcher alle Vorgänge erfasst, mit denen jeweils eine gesicherte Erwerbsoder Veräußerungsposition zur Realisierung des erwarteten Gewinns aus einem Insidergeschäft geschaffen wird (Rz. 18). Das aber ist bei der Zeichnung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung nicht der Fall, denn Aktionär wird der Zeichner weder mit der Zeichnungserklärung (verkörpert im Zeichnungsschein) noch mit dem Abschluss des Zeichnungsvertrags, sondern erst mit Zuteilung. Das beruht darauf, das nicht einmal der Zeichnungsvertrag, der aufgrund einer der Zeichnung korrespondierenden Annahmeerklärung des Emittenten zustande kommt, diesen gegenüber dem Zeichner zur Durchführung der Kapitalerhöhung verpflichtet; entsprechend entsteht mit dem Zeichnungsvertrag nicht einmal ein Anwartschaftsrecht. Statt Vieler Apfelbacher/Metzger in Hölters/Weber, 4. Aufl. 2022, § 185 AktG Rz. 3 ff., 7; Schürnbrand/Verse in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2021, § 185 AktG Rz. 9 ff., 46. Schürnbrand/Verse in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2021, § 185 AktG Rz. 46 m.w.N. (Hervorhebung im Original): Der Zeichnungsvertrag „verschafft dem Zeichner ... nach ständiger Rspr. und ganz herrschender Lehre keinen Erfüllungsanspruch gegen die Gesellschaft auf Durchführung der Kapitalerhöhung und damit auf Verschaffung der erstrebten Mitgliedschaft“. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 124; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 153; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 45. Grundsätzlich auch Gehrmann, S. 120; Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 67; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 59; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 43; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 31. I.E. ebenso auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 26; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.231; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 9. Für eine Ausnahme für den Fall, dass die Beteiligten von vornherein eine Umgehungsabsicht hatten und die Verpfändung mit der Absicht erfolgt, die gesicherte Forderung nicht zu erfüllen; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 13; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 76. OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 (513); BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Becker, ZGR 2020, 999, 1005; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 125; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 67; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 61, 64; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 67; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 43; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 69. I.E. auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 24, 166; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.229; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 32; Widder/ Kocher, AG 2009, 654, 655. A.A. Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 77. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 121; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 22, mit Hinweis darauf, dass bei Nichtausführung der Order ein Versuchsfall (§ 38 Abs. 3 WpHG a.F.) vorliegen könne; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.39. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 122; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 153 f.; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 67; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 43; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137;
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 22 | Insidergeschäfte oder Schenker, denn weder Erblasser noch Schenker, die über entsprechende Insiderinformationen verfügen, erwerben oder veräußern mit der Vererbung oder der Schenkung Finanzinstrumente. Ebenso wenig liegt ein Erwerbsgeschäft vor, wenn der Beschenkte bzw. der Erbe im Zeitpunkt der Schenkung bzw. der Erbeinsetzung über Insiderinformationen verfügen, weil es hierbei an einem Insiderwissen nutzenden Zutun des Beschenkten bzw. Erben an der Vererbung bzw. Schenkung fehlt. Ist die Gewährleistung informationeller Chancengleichheit der Zweck des Insiderrechts und ist dementsprechend „ein ungerechtfertigter Vorteil, der mittels Insiderinformationen zum Nachteil Dritter erzielt wird, die diese Informationen nicht kennen“, das „wesentliche Merkmal von Insidergeschäften“90 (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29), so handelt es sich bei Rechtsgeschäften, bei denen es an der Realisierung eines Sondervorteils aus Insiderwissen zulasten der übrigen Marktteilnehmer fehlt, auch dann nicht um insiderrechtliche Erwerbsgeschäfte, wenn der Beschenkte auf die Schenkung hinwirkte (Rz. 17). Die Erlangung von Insiderpapieren von Todes wegen i.S.v. § 1922 BGB wird teilweise schon deshalb ausgeschlossen, weil es an einer Entscheidung des Erwerbers fehle, die dem Erwerb i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vorausgehen müsse91. Das ist im Ergebnis zutreffend, doch wird dabei ein Merkmal verwandt, das nicht den Erwerb betrifft, sondern das Erfordernis der Nutzung einer Insiderinformation92. 23 Die Veräußerung oder der Erwerb muss für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen erfolgen
(s. schon Rz. 17). Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 erfasst folglich zunächst sämtliche Wertpapiertransaktionen, die der Insider für sich selbst (im eigenen Namen und für eigene Rechnung) tätigt. Unter die Vorschrift fallen darüber hinaus aber auch Transaktionen zugunsten des Unternehmens, dem der Insider angehört, sowie alle Wertpapiergeschäfte, die der Insider in unmittelbarer offener (für andere, d.h. im fremden Namen und für fremde Rechnung) oder mittelbarer verdeckter (im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung) Stellvertretung für Dritte ausführt93. Unerheblich ist, in welcher Weise dem offen oder verdeckt Vertretenen das Eigentum an den fraglichen Wertpapieren verschafft oder vermittelt wird94. Vermögensverwalter etwa handeln nach dem in Deutschland vorherrschenden Vertretermodell in offener Stellvertretung des Kunden. Die Veräußerung oder der Erwerb von Insiderpapieren für ihre Kunden stellt damit ein Handeln „für einen anderen“ dar und kann als solches gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen95. Ebenso verhält es sich in den Fällen, in denen eine Person kraft einer Konto- oder Depotvollmacht mit Insiderwissen für einen anderen tätig wird96. Für einen anderen handeln darüber hinaus die Organe einer Gesellschaft, die für diese Insiderpapiere erwerben oder veräußern97.
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Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2017, § 15 Rz. 52; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 29, 33; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 17 für die Schenkung); Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/703. Differenzierend für die Erbschaft: Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.231 (allenfalls bei gewillkürter Erbfolge kommt eine gesicherte Rechtsposition in Betracht); Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 17 („grundsätzlich nicht erfasst, soweit sie nicht auf dem Willen des Insiders beruht“). A.A. Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 29 mit der Begründung, vorausgesetzt sei lediglich, „dass dem Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten eine entsprechende Entscheidung der Person“ vorausgehe, die erwerbe bzw. veräußerte. Sollte ein solcher Entschluss vorliegen, kann auch eine Schenkung vom Verbot erfasst sein. Das beantwortet aber nicht die Frage, ob eine Vererbung oder eine Schenkung als Erwerb oder Veräußerung anzusehen ist. Das soll auch für Fälle des gesetzlichen Erwerbs gelten (ebd. Rz. 30); zusätzlich wird (ebd.) auf den „Wortlaut der Verbotsnorm“ verwiesen, nach dem „eine Gegenleistung aber nicht erforderlich“ sei. Nach der Schaffung der Zuwendungsform und der durch diese jeweils gesicherten Position für den Begünstigten differenzierend Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.231. Erwägungsgrund 23 Satz 1 VO Nr. 596/2014. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54. Auch Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 38; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 30. Sehr missverständlich allerdings Erwägungsgrund 31 VO Nr. 596/2014, wo es heißt, dem „Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten [müsse] erforderlicherweise eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen ..., die erwirbt bzw. veräußert“, um dann aber zu schließen, „die bloße Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung [solle] als solche nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten“ (Hervorhebung hinzugefügt). BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 36/37; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 41; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.528; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark/ Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 12. Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 66 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 40. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11. Etwa Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 42, Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 12.
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Insidergeschäfte | Rz. 27 Art. 8 VO Nr. 596/2014
(2) Für eigene oder fremde Rechnung Der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren unter Nutzung einer Insiderinformation muss nach 24 Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 für eigene oder fremde Rechnung erfolgen (schon Rz. 17, 23). Die Vorschrift erfasst damit, nicht anders als schon § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F., sämtliche Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte, die der Insider für sich selbst (im eigenen Namen und für eigene Rechnung) in Bezug auf Insiderpapiere tätigt (Eigengeschäfte). Unter die Vorschrift fallen darüber hinaus aber auch insiderpapierbezogene Erwerbs- oder Veräußerungs- 25 geschäfte, die der Insider in unmittelbarer offener (für andere, d.h. im fremden Namen und für fremde Rechnung) oder mittelbarer verdeckter (im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung) Stellvertretung für Dritte ausführt98, namentlich solche zugunsten des Unternehmens, dem der Insider angehört. Unerheblich ist, in welcher Weise dem offen oder verdeckt Vertretenen das Eigentum an den fraglichen Wertpapieren verschafft oder vermittelt wird99. Vermögensverwalter etwa handeln nach dem in Deutschland vorherrschenden Vertretermodell in offener Stellvertretung des Kunden. Die Veräußerung oder der Erwerb von Insiderpapieren für ihre Kunden stellt damit ein Handeln „für einen anderen“ dar und kann als solches gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen100. Ebenso verhält es sich in den Fällen, in denen eine Person kraft einer Konto- oder Depotvollmacht mit Insiderwissen für einen anderen tätig wird101. Für einen anderen handeln darüber hinaus die Organe einer Gesellschaft, die für diese Insiderpapiere erwerben oder veräußern102. (3) Direkt oder indirekt Das für eigene oder fremde Rechnung getätigte Geschäft kann sich direkt auf die Finanzinstrumente bezie- 26 hen, die Gegenstand der Insiderinformationen sind. Erfasst werden von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 aber auch die Fälle, bei denen solche Finanzinstrumente auf indirekte Weise erworben werden, etwa indem der Insider Bezugsrechte103 auf die Finanzinstrumente erwirbt. Ein indirekter Erwerb liegt auch dann vor, wenn durch das Handeln einer Person Umstände eintreten, aufgrund derer ein gesetzlicher Erwerb104 von Finanzinstrumenten stattfindet. Allerdings stellt sich in solchen Fällen immer die Frage, ob das Handeln und der gesetzliche Erwerb ursächlich auf die Nutzung einer Insiderinformation zum Zwecke der Erzielung eines Sondervorteils aus dem Wissensvorsprung des Insiders zurückgeht (dazu Rz. 31 ff.). Ein wirtschaftliches Interesse an der Transaktion eines Dritten oder ein daraus wie auch immer gezogener Profit ersetzen nicht das Erfordernis des Erwerbs durch den Insider105. Deshalb ist es verfehlt, „alle Varianten von Veranlassung und Einflussnahme auf Dritte, von denen der Begünstigte profitiert“, als indirekten Erwerb zu qualifizieren106.
(4) Unterlassen eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts Das durch eine Insiderinformation verursachte Unterlassen eines – wie fest auch immer beabsichtigten – 27 Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts in Bezug auf Insiderpapiere wird von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/ 98 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.1 S. 54; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 68; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 41; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.528; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 12. 99 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 165; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 68; schon Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 66 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 40. 100 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43. 101 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11. 102 Etwa Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 42, Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 12. 103 Becker, ZGR 2020, 999, 1009. 104 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 126; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 166; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 71; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 17; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 30 („Wenn dem Erwerb oder der Veräußerung eines Finanzinstruments kraft Gesetzes eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgeht“). Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 64, sehen dagegen – im Ergebnis dann aber gleich – gesetzliche Erwerbstatbestände generell als Erwerb i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 an. 105 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 126; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 72 ff. 106 So Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 137; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 381. Ablehnend wie hier Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 166; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 73.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 27 | Insidergeschäfte 2014 nicht erfasst107. Schon die RL 2003/6/EG (Rz. 2) und der diese umsetzende § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. verlangten einen rechtsgeschäftlichen Vorgang in Gestalt des Erwerbs- oder der Veräußerung von Insiderpapieren, an dem es aber fehlt, wenn jemand aufgrund einer Insiderinformation vom Erwerb oder der Veräußerung von Insiderpapieren absieht108. Das mag man rechtspolitisch für wenig glücklich halten, da auch in diesem Fall Insiderinformationen zum eigenen Vorteil verwendet wird, doch wäre es rechtspolitisch nicht weniger bedenklich, Verhaltensweisen zu sanktionieren, die sich – wie die in der Regel nicht nach außen tretende Änderung eines in der Regel nicht nach außen tretenden Willens – nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen nachweisen ließe. Dessen ungeachtet setzt der Wortlaut einer Auslegung der Vorschrift dahingehend, sie erfasse auch das Unterlassen von Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäften, eine deutliche Grenze. cc) Stornierung und Auftragsänderung 28 Unter der RL 2003/6/EG (Rz. 2) und dem diese umsetzenden § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. wurden auch
andere Vorgänge, bei denen Insiderinformationen genutzt wurden, die aber nicht zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren führten, dem Unterlassen von Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften gleichgestellt. Dazu gehörten insbesondere die Rücknahme einer bereits erteilten, aber noch nicht durchgeführten Kauf- oder Verkaufsorder und die Nichtausübung einer Kauf- oder Verkaufsoption109. Nicht erfasst wurde damit etwa auch der Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied auf einer Sitzung Kenntnis von einem geplanten Übernahmeangebot erlangt und daraufhin unverzüglich seine Verkaufsorder für Aktien des Zielunternehmens storniert. Da es hier nicht zu einer Veränderung der Verfügungsgewalt über die Insiderpapiere kam, konnte die Rücknahme der Order nicht als Veräußerung i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. angesehen werden110. Das wäre unter der Marktmissbrauchsverordnung nicht anders, sähe Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 nicht ausdrücklich vor, dass „die Nutzung von Insiderinformationen in Form der Stornierung oder Änderung eines Auftrags in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich die Informationen beziehen“, als Insidergeschäft gilt, wenn der Auftrag vor Erlangen der Insiderinformationen erteilt wurde. An einem Insidergeschäft fehlt es allerdings, wenn eine Person eine Order erteilt und erst danach eine Insiderinformation erlangt, wobei es nicht darauf kommt, ob die Order schon ausgeführt wurde111. Auch hier geht die Ordererteilung nicht ursächlich auf die Kenntnis einer Insiderinformation zurück112, und das Unterlassen der Stornierung oder Änderung des Auftrags stellt als solches, mangels diesbezüglicher Rechtspflicht, kein Insidergeschäft dar. Vielmehr käme, umgekehrt, ein Insidergeschäft in Betracht, wenn die Order in Kenntnis der Insiderinformation storniert oder geändert würde. Gleiches gilt, wenn jemand eine Dauerorder erteilt und erst danach Kenntnis einer Insiderinformation erlangt113. Allgemein kann deshalb als Regel formuliert werden: Vom Insiderhandelsverbot ausgenommen sind „Geschäfte, zu denen sich jemand vor Kenntnis der Insiderinformation verpflichtet hat, auch wenn diese Geschäfte erst später ausgeführt werden“114. Als Stornierung eines Auftrags ist, unabhängig von ihrem rechtlichen Grund, jede rechtlich zulässi107 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 61; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 125; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 161; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 382; Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 67; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 66; Kumpan/Schmidt in Schwark/ Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 44; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.232; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8– 14 MAR Rz. 16; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.40; Veil in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 35. 108 Assmann, AG 1994, 237, 246 f.; Assmann, ZGR 1994, 494, 519; Becker, S. 50; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 66; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.139; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 34; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/705; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.527; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 14, 19; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 11; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 80. A.A. Claussen, ZBB 1992, 267, 281; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38 f.: teleologische Ausweitung; Soesters, S. 153 f.; Weber, BB 1995, 158, 166. Eine Regelungslücke konstatiert Hartmann, S. 232 f. Für Art. 8 VO Nr. 596/2014 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 382. 109 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 67. 110 Schröder, NJW 1994, 2879, 2880. 111 Art. 9 Abs. 3 lit. a VO Nr. 596/2014 führt dies unter den „legitimen Handlungen“ auf. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.4 S. 55; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 186; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 71. 112 Zur Geltung des Ursächlichkeitserfordernisses bei Stornierungen Rz. 37. 113 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.4 S. 55; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 186; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 71; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 20. 114 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.4 S. 55.
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Insidergeschäfte | Rz. 29 Art. 8 VO Nr. 596/2014
ge Maßnahme (in Betracht kommen – je nach vertraglicher Regelung – Widerruf, Rücktritt oder Anfechtung) des Auftraggebers zu sehen, die dazu führt, dass ein Wertpapiererwerbsauftrag (Order) nicht ausgeführt wird115. Die Änderung eines Auftrags umfasst jede inhaltliche Abwandlung des erteilten Auftrags116, doch ist der „Tatbestand ... erst vollendet, wenn es zur Ausführung der geänderten Order gekommen ist117. Die Bedeutung dieser neuen Vorschrift wurde im Schrifttum vor allem am Beispiel des sog. Stake Building 29 erörtert, d.h. des Erwerbs von Aktien der Zielgesellschaft vor Abgabe eines Übernahmeangebots in Bezug auf dieselben. Hat der potenzielle Bieter einer Bank oder einem Dritten einen Auftrag zum Erwerb dieser Aktien – namentlich zum Erwerb eines Aktienpakets – erteilt und erlangt er im Rahmen der Prüfung der Zielgesellschaft (der sog. Due Diligence) oder von Gesprächen mit dem Vorstand derselben Insiderinformationen, die ihn zur Stornierung oder zur Änderung des Auftrags veranlassen, so wird dies als ein Fall des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 und damit als verbotenes Insidergeschäft betrachtet118. Das wird man bei der Stornierung oder der Änderung des Auftrags unter Weiterverfolgung des Vorhabens der Abgabe eines Übernahmeangebots so sehen können119, weil hier die Gefahr der Erzielung von ungerechtfertigten Sondervorteilen aus dem erlangten Insiderwissen besteht und nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 die in Unterabs. 1 statuierte Ausnahme vom Verbot von Insidergeschäften nicht für den Beteiligungsaufbau gilt (s. dazu Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 21), ist aber beim Abbruch des Plans der Abgabe eines Übernahmeangebots alles andere als überzeugend120. Bei wortgetreuer Anwendung des Art. 9 Abs. 4 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 würde ein Bieter in diesem Falle sein Insiderwissen wie jedes andere erlangte Wissen nutzen dürfen, um das Vorhaben zum Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft, d.h. von Insiderpapieren, abzubrechen (Rz. 27), wäre aber gleichwohl gezwungen, den als Teil des abgebrochenen Vorhabens in Auftrag gegebenen Erwerb solcher Papiere weiterlaufen zu lassen; und dies, obwohl er, hätte er den Voraberwerb von Aktien der Zielgesellschaft selbst organisiert, ohne weiteres vom weiteren Erwerb hätte absehen dürfen, ohne damit ein verbotenes Insidergeschäft zu tätigen. Hinzu kommt, dass in diesem Fall der Stornierung des Auftrags die Erzielung eines aus Informationsvorsprüngen gegenüber anderen Marktteilnehmern hervorgehenden Sondervorteils aus dem erlangten Insiderwissen nicht recht erkennbar ist. Das Beispiel gibt deshalb Anlass für die Annahme, das „Stornierungs- und Änderungsverbot“ des Art. 9 Abs. 4 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. mit Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 solle sich nur auf Fälle beziehen, in denen Aufträge für isolierte Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte von Insiderpapieren storniert oder geändert werden sollen. Ungeachtet dessen sollte aber jedenfalls die Stornierung eines Auftrags zum Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft im Wege der teleologischen Auslegung (in Gestalt der teleologischen Reduktion) der Vorschrift aus dem Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 4 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 herausgenommen werden, um es dem Bieter so zu ersparen, weiter solche Papiere erwerben zu müssen, bis die Zielgesellschaft – gegebenenfalls unter Nutzung eines Rechts zum Aufschub der Veröffentlichung – die Insiderinformation publiziert121. Zur entsprechenden Problematik beim Abbruch eines Rückkaufprogramms durch Änderung oder Stornie115 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.2 S. 54 („Stornierung ist ... die vollständige Streichung einer Order“); Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 127; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 163 Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 78 („vollständige Streichen der Order“; auf „welchem zivilrechtlichen Weg dies geschieht, ist unerheblich“; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 46. 116 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.2 S. 54 („Änderung [ist] jede andere [d.h. keine Stornierung darstellende] Modifizierung der Order“); Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 127; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 78 („Modifizierung des Inhalts der Order“); Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 47. 117 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.2 S. 54: „Vorher kommt jedoch ein strafbarer Versuch in Betracht“. 118 Graßl, DB 2015, 2066, 2067; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 800; Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2373; Klöhn, AG 2016, 423, 432; Krause, CCZ 2014, 248, 251; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 597. 119 Zur Änderung des Paketerwerbsplans und zur Angebotsänderung beim Unternehmenskauf und bei Kontrollerwerb i.S.v. § 29 Abs. 2 WpÜG nach einer Due Diligence-Prüfung s. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 38 (III.2.2.1.4.2 a.E.) bzw. S. 38/39. 120 Unter § 14 Abs. 1 lit. a WpHG a.F. wurde es nicht als Nutzung einer Insiderinformation angesehen, wenn der Erwerbsinteressent nach Erlangung derselben im Rahmen der Due Diligence-Prüfung vom Erwerb absah. Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 45; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1091; Hölters in Hölters, 3. Aufl. 2017, § 93 AktG Rz. 182. Für Art. 8, 14 VO Nr. 596/2014 Hölters/Hölters in Hölters/Weber, 4. Aufl. 2022, § 93 AktG Rz. 164 m.w.N. I.E. zustimmend Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 128. Kein verbotenes Insidergeschäft bei Abbruch/Stornierung eines geplanten Übernahmeangebots nach Erlangung von Insiderinformationen bei der Due Diligence auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.238. 121 Für diese Einschränkung auch Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 164 Fn. 252 („zu Recht einschränkend“). Wünschenswert, aber „fraglich ..., ob die MAR das hergibt“ Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 531/532.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 | Insidergeschäfte rung erteilter Aufträge einschließlich Rückkauforder aufgrund der Erlangung von Insiderinformationen s. Rz. 54 und zum Abbruch des Plans zum sukzessiven Erwerb von Beteiligungen im Allgemeinen Rz. 60. c) Nutzung (Art. 8 Abs. 1 Sätze 1–3 VO Nr. 596/2014) aa) Grundsätze 30 Ein Insidergeschäft liegt nur vor, wenn das Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft „unter Nutzung“ einer In-
siderinformation erfolgt. Während Art. 2 Abs. 1 der Insiderrichtlinie von 1989122 von den Mitgliedstaaten noch verlangte, Insidern den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren „unter Ausnutzung“ einer Insiderinformation zu untersagen, waren nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) nur solche Transaktionen zu untersagen, die „unter Nutzung“ einer Insiderinformation vorgenommen werden123. Entsprechend wurde der Wortlaut des § 14 Nr. 1 WpHG a.F. angepasst. Wenn dabei statt auf den Begriff der „Nutzung“ denjenigen der „Verwendung“ zurückgegriffen wurde, so geschah dies im synonymen Gebrauch dieser Begriffe, was aus der Erläuterung im Regierungsentwurf AnSVG hervorgeht, mit dem Begriff der „Verwendung“ solle deutlich werden, dass ein subjektiv ausgerichtetes Handeln des Insiders, anders als bisher und wie nunmehr von der RL 2003/6/EG vorgegeben, nicht mehr verlangt werde124. Deshalb kann, obwohl Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 den Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 RL 2003/6/EG übernommen hat, auf die nachfolgend ausgeführten und erläuterten Grundsätze zurückgegriffen werden, die sich zur Auslegung des Begriffs „Verwendung“ in § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. herausgebildet haben125. Diese zusammenführend, lässt sich als Regel formulieren: Eine Person nutzt Insiderinformationen, wenn sie in Kenntnis der Information handelt und dabei die Information in ihr Handeln mit einfließen lässt126. Ist die Person im Besitz von Insiderinformationen und erwirbt oder veräußert sie Finanzinstrumente, auf die sich diese Informationen beziehen, wird widerleglich127 vermutet, dass sie diese Informationen genutzt hat (Rz. 37)128.
31 Zu diesen gehört – neben dem Grundsatz, dass die Nutzung einer Insiderinformation kein zweckgerichtetes
Handeln des Insiders voraussetzt129 – auch derjenige, dass die Nutzung einer Insiderinformation durch den Insider nur gegeben ist, wenn diese für dessen Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte ursächlich oder zumindest mitursächlich war130. Daran fehlt es fraglos, wenn eine Person im Zeitpunkt ihres Handelns über kei122 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 123 Vgl. EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74, 75 Rz. 34: Das Verb „ausnutzen“ habe durch das Verb „nutzen“ ersetzt werden sollen, „um in der Definition der Insidergeschäfte kein Element der Finalität oder Vorsätzlichkeit zu belassen“. Auch der RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 31, 34 wies darauf hin, der Begriff „Ausnutzen“ habe in der Vergangenheit zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Beweisführung geführt, weil er ein zweckgerichtetes Handeln voraussetze. 124 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 1, 31, 34. 125 Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 16; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 399; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 69; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 56; Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 112 (Absicht der Erzielung eines Sondervorteils nicht erforderlich). 126 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2 S. 55. Unstr., etwa Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 121; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 59; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 36, 40 f. 127 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5 S. 55. So schon die für die Vermutung grundlegende Entscheidung EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74 Ls. 1, 76 Rz. 44, 77 Rz. 54; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 69; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 121, 126; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 59 f.; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.236 f.; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.29; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 41; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 143. Kritisch Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 400 m.w.N. 128 Erwägungsgrund 24 Sätze 1 und 2 VO Nr. 596/2014; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5 S. 55. S. im Übrigen das in der vorausgehenden Fußnote angeführte Schrifttum. 129 Rz. 30; schon Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 23 f.; ebenso Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 62. 130 Schon in RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 1, 34 re. Sp., hieß es, um ursächlich für den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu sein, müsse die Insiderinformation in das Handeln des Täters mit einfließen; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 37; Assmann, ZHR 172 (2008), 635, 657; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 643; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 138; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 168; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 400; Bürgers, BKR 2004, 424, 425; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 8; Cascante/Topf, AG 2009, 53, 55 f.; von Dryander/Schröder, WM 2007, 534, 538; Eichner, S. 72 ff., 76; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2426 f.; Fürsich, S. 180 f.; Gehrmann, S. 112; Hammen, WM 2004, 1753, 1760; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1091 f.; He-
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Insidergeschäfte | Rz. 32 Art. 8 VO Nr. 596/2014
ne Insiderinformation verfügte. Maßgeblicher Zeitpunkt des Handelns ist regelmäßig die Ordererteilung131, wobei es auf den Zeitpunkt der letzten Entscheidung ankommt, die zum Erwerb bzw. zur Veräußerung führt132, kann aber vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit von direkten und indirekten Erwerbsund Veräußerungsgeschäften auch der Zeitpunkt der Abgabe einer Willenserklärung zum Abschluss eines Vertrags sein, mit welchem der Insider den Vorteil aus seinem Insiderwissen zu realisieren vermag (Rz. 18 und Rz. 21). Dementsprechend ist der durch eine Person in Auftrag gegebene Erwerb (Order) von Finanzinstrumenten selbst dann kein Insidergeschäft, wenn diese noch vor der Durchführung des Auftrags Kenntnis von Insiderinformationen zu denselben erlangt (Rz. 28). Nicht anders verhält es sich bei einer Dauerorder zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten, die eine Person erteilte, bevor sie Insiderinformationen zu den Finanzinstrumenten erlangte (Rz. 28). Ebenfalls unbedenklich ist es für die beteiligten Parteien, wenn der Vermögensverwalter ohne jegliche Einflussnahme seines Kunden Insiderpapiere erwirbt, über die oder deren Emittenten der Kunde Insiderinformationen hatte oder später erlangte. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Person (Organ, leitender Angestellter oder Mitarbeiter) erst nach ihrer Entscheidung, sich an einem Mitarbeiter- oder Aktien(options)programm zu beteiligen, Insiderinformationen erhält und über diese im Zeitpunkt der Einbuchung der Finanzinstrumente oder der Gewinne aus diesen in ihr Depot noch verfügt133. Dagegen ist die Nutzung einer Insiderinformation anzunehmen, wenn ein Mitarbeiter im Zeitpunkt der Abgabe der Teilnahmeerklärung zum Mitarbeiterprogramm Kenntnis einer Insiderinformation hat und diese zumindest Teil seiner Motivation ist, an dem Programm teilzunehmen134. Den vorstehenden Ausführungen Entsprechendes gilt schließlich dann, wenn Leerverkäufe vorgenommen werden135, d.h. ein Marktteilnehmer eine bestimmte Menge etwa von Wertpapieren, die zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu liefern sind, zu einem bestimmten Preis veräußert, ohne im Zeitpunkt des Verkaufs über die veräußerten Papiere zu verfügen: Solange nicht der Veräußerer oder der Käufer im Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts über Insiderinformationen über die fraglichen Papiere verfügten, ist jede spätere Erlangung solcher Informationen insiderrechtlich ohne Belang136. An der Nutzung einer Insiderinformation fehlt es des Weiteren auch dann, wenn eine Person bei Abschluss 32 eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts zwar über einschlägige Insiderinformationen verfügt, das in Frage stehende Geschäft aber auch dann zu demselben Zeitpunkt, in demselben Umfang und zu denselben
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meling, ZHR 169 (2005), 274, 285; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 69; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 61; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 67; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.141 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 52; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.237; Nikoleyczik/Gubitz, GWR 2010, 159; Poelzig in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 21; Ransiek in FS Harro Otto, S. 723, 725; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/706 a.E.; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 7; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 354; Schwintek, S. 25; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451; Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 112; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 36 (das Ursächlichkeitserfordernis wird hier als Erfordernis der „Kenntnis“ der Insiderinformation gefasst), 40; Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 110, 114; Vogel, [Anm. zu BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09] JZ 2010, 370, 371; Widder, BB 2010, 515, 516; Ziemons, NZG 2004, 539 f. In der Sache auch EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU: C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542 Ls. und Rz. 36 ff. Ebenso zu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 383; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.46. A.A. Bachmann, Insiderhandelsverbot, S. 44 f., 50 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 119 f.: Zwar spreche „[v]iel ... dafür, stets dann von einer Nutzung auszugehen, wenn die Insiderinformation kausal für den Entschluss des Insiders zum Abschluss des Insidergeschäfts (bzw. zur Änderung oder Stornierung des Auftrags) geworden ist“ (Rz. 119), doch sei die „Prüfung des Merkmals ‚Nutzung‘ nicht mittels einfach-begrifflicher Subsumtion zu meistern“, sondern erfordere „eine umfassende Wertung ..., ob das konkrete Geschäft nach dem Sinn und Zweck des Insiderrechts verboten sein sollte oder nicht“ (Rz. 120). Zum Ursächlichkeitserfordernis bei der Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 etwa Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 119; Kumpan/Schmidt in Schwark/ Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 55, 61; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 40 f. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.4 S. 55; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 71; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 97. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 71. Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 186; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 177; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 730. So allgemein für Mitarbeiterprogramme Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 43. Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58. Auch Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 95. Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 151. Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.4 S. 55. S. auch Rz. 28. Schon Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 96; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 44. Offen haltend Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 96 a.E.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 32 | Insidergeschäfte Konditionen137 zustande gekommen wäre, wenn der Insider keine Kenntnis der Insiderinformation erlangt hätte138. Das ist etwa dann der Fall, wenn eine Person über Insiderinformationen zu Finanzinstrumenten verfügt, das diese betreffende Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft aber lediglich ein sog. Ausführungsgeschäft darstellt, d.h. der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung dient, die bereits vor der Erlangung von Insiderinformationen entstanden ist139. Entsprechendes gilt für Handlungen, mit denen aus vorausgegangenen Transaktionen begründete und sich zwangsläufig aus diesen ergebende Rechte wahrgenommen oder Pflichten erfüllt werden, wie dies regelmäßig etwa bei der Verwertung von Sicherheiten im Sicherungsfall anzunehmen ist: So verwendet der Darlehensgeber keine Insiderinformation, wenn er sich zur Befriedigung seiner Forderungen aus einem notleidend gewordenen Kredit der zur Besicherung des Darlehens übereigneten Wertpapiere des Darlehensgebers bedient140. 33 Hierher gehören nicht zuletzt auch die Fälle, in denen eine Person ihren – ohne Verwendung einer Insider-
information zustande gekommenen – Entschluss („Masterplan“, „Gesamtplan“), eine bestimmte Transaktion in Insiderpapieren durchzuführen, verwirklicht141: „Weicht der Insider von dem vorher getroffenen Entschluss nicht ab, so handelt er zwar in Kenntnis einer Insiderinformation, nutzt diese jedoch nicht. Entscheidend ist dabei, dass der zuvor aufgestellte Masterplan/Gesamtplan dem Investor keinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Essentialia der durchzuführenden Geschäfte belässt“142. Da das durch eine Insiderinformation verursachte Unterlassen eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts in Bezug auf Finanzinstrumente von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 nicht erfasst wird (Rz. 27), liegt darin keine Nutzung einer Insiderinformation vor, wenn eine Person, nachdem sie den Entschluss gefasst hat, ein Geschäft in Finanzinstrumenten zu tätigen, Kenntnis einer Insiderinformation erlangt und daraufhin das Geschäft unterlässt143. Pläne und Entschlüsse werden, anders als Informationen, in Handlungen umgesetzt und nicht verwandt. Das kam unter der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) in deren Erwägungsgrund 30 zum Ausdruck und findet sich heute – nahezu wortgleich – in Erwägungsgrund 31 VO Nr. 596/2014: „Da dem Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten erforderlicherweise eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen muss, die erwirbt bzw. veräußert, sollte die bloße Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung als solche nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten. Handlungen auf der Grundlage eigener Pläne und Handelsstrategien des Marktteilnehmers sollten nicht als Nutzung von Insiderinformationen 137 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 60 („In diesem Fall schlägt sich die Insiderinformation nicht in der auf das Geschäft folgenden Kursbewegung nieder, so dass die Integrität des Kapitalmarkts nicht beeinträchtigt wird“) mit Beispielen. 138 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 34; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 60; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 168; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 400; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 63. Zum alten Recht schon 3. Aufl. des Kommentars Rz. 27; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.170 (fehlende Kausalität); Langenbucher in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 551, 560, 563/564; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.141; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 64; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 5, 7; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 16, 20. Ähnlich Hopt in FS Heinsius, S. 289, 290, mit Hinweis auf das Beweisproblem („Tatfrage“). 139 So heute auch das Beispiel einer „legitimen Handlung“ in Art. 9 Abs. 3 lit. a und b VO Nr. 596/2014, s. auch Rz. 39. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 186. Davor schon – auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/2014 entsprechenden Art. 2 Abs. 3 RL 2003/6/EG (Rz. 2) – Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 30; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 73; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.32. 140 Beispiel bei BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 38; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 185; BuckHeeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 186; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 163; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 83; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.266. 141 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 60. Schon RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47. I.E. auch EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74, 78 Rz. 60. S. ferner Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 644; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 9; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.142; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 65, 73; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 38; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.33. Grundsätzlich ebenso (Kausalität „kann“ fehlen) Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 179 ff. 142 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 60 mit der Empfehlung: „Um Beweisschwierigkeiten in einem etwaigen nachfolgenden Straf- oder Verwaltungsverfahren zu vermeiden, empfiehlt es sich, sowohl den Masterplan als auch die diesem Plan entsprechende Umsetzung möglichst genau zu dokumentieren.“ Relevant werden soll diese sog. Masterplan-Theorie zum Beispiel beim Stakebuilding werden, d.h. dem sukzessivem Auf- oder Abbau einer Beteiligung, welches ausdrücklich nicht von Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 erfasst werde (vgl. Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 a.E.). 143 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 61.
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Insidergeschäfte | Rz. 36 Art. 8 VO Nr. 596/2014
gelten“ (Hervorhebung hinzugefügt). Wäre es anders, führt der EuGH in seiner Spector Photo Group-Entscheidung vom 23.12.2009 im Hinblick auf Erwägungsgrund 30 der RL 2003/6/EG aus, „könnte Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie insbesondere dazu führen, dass einer Person, die sich für die Abgabe eines öffentlichen Kaufangebots entschieden hat, die Ausführung dieser Entscheidung verboten wäre, da diese eine Insider-Information ist. Ein solches Ergebnis ginge jedoch nicht nur über das hinaus, was als zur Erreichung der Zwecke der Richtlinie angemessen und erforderlich anzusehen ist, sondern könnte durch die Verhinderung öffentlicher Kaufangebote sogar das gute Funktionieren der Finanzmärkte beeinträchtigen.“144 Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass der Entschluss einer Person, bestimmte Finanzinstrumente zu er- 34 werben oder zu verkaufen, ebenso wie ein darauf gerichteter Plan oder ein diesbezügliches Vorhaben, für Dritte eine Insiderinformation sein kann (s. dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20). Darüber hinaus kommt für die Person, die einen Erwerbsentschluss gefasst hat, ein Verstoß gegen das Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen bzw. das Empfehlungsverbot nach Art. 14 lit. c bzw. b VO Nr. 596/2014 in Betracht, wenn sie, ohne dass dies für die Umsetzung ihres Erwerbs- oder Veräußerungsentschlusses erforderlich wäre, ihren Entschluss – oder ihr Vorhaben oder ihren Plan – Dritten mitteilt oder auf der Grundlage ihres Entschlusses, Plans oder Vorhabens Dritten gegenüber eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren abgibt145. Umgekehrt scheidet die Ursächlichkeit einer Insiderinformation für ein Erwerbs- oder Veräußerungs- 35 geschäft nicht bereits deshalb aus, weil der Insider die Information, die für das von ihm getätigte Geschäft (mit)entscheidend war, nicht als Insiderinformation erkannte. Gleichwohl scheidet die Ahndung eines solchen Geschäfts als verbotenes Insidergeschäft unter diesen Rahmenbedingungen aus: Zum einen findet Art. 8 VO Nr. 596/2014 über Insidergeschäfte gem. Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 keine Anwendung auf Sekundärinsider (Rz. 7), die nicht wussten und nicht hätten wissen müssen, dass es sich bei einer ihnen bekannten Information um eine Insiderinformation handelt. Und zum anderen wird ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 allein straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktioniert, wobei § 119 Abs. 3 und 4 WpHG bzw. § 120 Abs. 14 WpHG, ohne zwischen Primär- und Sekundärinsider zu unterscheiden, nur vorsätzliches bzw. leichtfertiges Handeln in sämtlichen Tatbegehungsvarianten unter Strafe stellen bzw. mit Bußgeld ahnden (Rz. 9). Das Kausalitätserfordernis gilt im Übrigen nicht nur in Bezug auf Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014, sondern auch im Hinblick auf die Stornierung oder Abänderung eines Auftrags i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014146. Unter Berufung auf die Zielsetzung der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) einerseits und dem Fehlen sub- 36 jektiver Merkmale im Tatbestand des Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie hat der EuGH im Spector Photo GroupUrteil eine als Kausalitätsvermutung oder als Nutzungsvermutung zu bezeichnende Vermutung aufgestellt, indem er entschied, „dass die Tatsache, dass eine unter Unterabs. 2 dieser Bestimmung fallende Person [d.h. ein sog. Primärinsider, d. Verf.], die über eine Insider-Information verfügt, für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, erwirbt oder veräußert oder dies versucht, vorbehaltlich der Wahrung der Verteidigungsrechte und insbesondere des Rechts, diese Vermutung widerlegen zu können, eine ‚Nutzung [dieser Information]‘ im Sinne dieser Bestimmung durch die genannte Person impliziert“147. Da die der Entscheidung zugrunde liegenden Vorschriften der RL 2003/6/ EG vom 28.1.2003 samt deren Zielsetzung in die Marktmissbrauchsverordnung übernommen wurde, bestanden zu keiner Zeit Zweifel, dass die Auslegung Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie auch für diejenige von Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 maßgeblich ist148. Bestätigt149 wird dies in Erwägungsgrund 24 Satz 1 VO Nr. 596/2014, in dem es heißt: „Wenn eine juristische oder natürliche Personen im Besitz von Insiderinformationen für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter, sei es unmittelbar oder mittelbar, Finanzinstrumente, auf die sich diese Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert bzw. zu erwerben oder zu ver-
144 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74, 78 Rz. 60. 145 Cahn, Der Konzern 2005, 5, 9 m.w.N. in Fn. 38; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 53; Ziemons, NZG 2004, 537, 539. Im Ausgangspunkt auch Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 353, die allerdings (S. 354) davon ausgehen, dass der Entschluss erst durch die Äußerung der Absicht einen „Drittbezug“ erlange und damit wohl auch seine Eigenschaft, für den sich Entschließenden Insiderinformation zu sein, ablehnen. Nach der Georgakis-Entscheidung des EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272, AG 2007, 542, dürfte dies nicht mehr zu bestreiten sein. 146 Erwägungsgrund 25 VO Nr. 596/2014; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.4. Art. 14 MAR Rz. 31. Ebenso Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 61. 147 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74 Ls. 1, 76 f. Rz. 37 ff. 148 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 69; auch Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 126 f. 149 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.1 S. 55.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 36 | Insidergeschäfte äußern versucht, sollte unterstellt werden, dass diese Person diese Informationen genutzt hat. Diese Annahme lässt die Verteidigungsrechte unberührt.“ Und schließlich baut Art. 9 VO Nr. 596/2014 erkennbar auf der Spector-Nutzungsvermutung auf, wenn in den in Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Fällen – „für die Zwecke der Artikel 8 und 14“ – aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person im Besitz von Insiderinformationen ist, nicht angenommen wird, dass sie diese Informationen genutzt hat. 37 Die Kausalitäts- oder Nutzungsvermutung gilt nicht nur in Bezug auf Erwerbs- und Veräußerungsgeschäf-
te i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014, sondern auch im Hinblick auf die Stornierung oder die Abänderung eines Auftrags i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014, wobei die Vermutung unter den in Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 angeführten Fällen (dazu Rz. 39 Spiegelstrich 4) nicht greift. Von dieser Bestimmung allerdings nicht erfasst ist die Stornierung oder Änderung eines Geschäfts nach Erhalt von Insiderinformationen. Hier wird – widerleglich – vermutet, dass die Stornierung oder Änderung aufgrund der Insiderinformationen erfolgte150. Das gilt auch dann, wenn ein Kunde die Weisung ausgegeben hat, Geschäfte in Finanzinstrumenten, unbedingt und ausnahmslos sofort zu stornieren, nachdem Insiderinformationen erlangt wurden, die sich auf diese Instrumente beziehen („blanket order cancellation policy“), so dass ihm unter diesen Umständen nur die Widerlegung der Vermutung bleibt151. Nach den Vorstellungen der ESMA muss diese einzelfallbezogen erfolgen, so dass es dem Kunden nicht möglich ist, sich auf die Politik der ausnahmslosen Stornierung und ihre effektive Implementierung zu berufen152.
38 Aus dem vorstehend (Rz. 36) angeführten Erwägungsgrund 24 Satz 1 VO Nr. 596/2014 geht zugleich hervor,
dass die in dem Spector Photo Group-Urteil festgestellte Kausalitäts- oder Nutzungsvermutung – neben dem wie vorstehend beschriebenen getätigten oder versuchten Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft – nicht mehr voraussetzt als dass eine Person im Besitz einer Insiderinformation ist153 und es unerheblich ist, ob es sich bei dieser um einen Primär- oder Sekundärinsider handelt154. Auch wenn das Spector Photo GroupUrteil die Kausalitätsvermutung noch auf den Besitz von Insiderinformationen durch Primärinsider bezog, ist dies doch schon damit gerechtfertigt, dass auch Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und Art. 14 VO Nr. 596/2014 keine subjektiven Tatbestandsmerkmale kennt und Primärinsider und Sekundärinsider im Hinblick auf die Ahndung von Insidergeschäften in § 119 Abs. 3 und 4 WpHG und § 120 Abs. 14 WpHG gleichbehandelt werden (Rz. 9). Die Kausalitätsvermutung ist widerleglich (Rz. 30), etwa durch den Nachweis, dass es an der Ursächlichkeit der Insiderinformation für den Abschluss eines Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts über Insiderpapiere gefehlt hat.
39 Die Kausalitäts- oder Nutzungsvermutung, wie sie in Erwägungsgrund 24 Satz 1 VO Nr. 596/2014 fest-
gehalten ist (Rz. 36), hat in Art. 9 VO Nr. 596/2014 – „Legitime Handlungen“ – verschiedene Einschränkungen erfahren155. Nach dieser Vorschrift wird aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person im Besitz von Insiderinformationen ist oder war, nicht angenommen, dass sie diese Informationen genutzt hat, (1) wenn es um Insiderinformationen geht, die „im Besitz“ einer juristischen Person sind, vorausgesetzt die in lit. a dieser Vorschrift angeführten Vorkehrungen wurden getroffen und b) es liegt keinerlei Beeinflussung der für die juristische Person handelnden natürlichen Person(en) vor (Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 6 ff.); (2) wenn die Person entweder ein Market-Maker für die Finanzinstrumente ist, auf die sich diese Informationen beziehen, oder als Gegenpartei für die Finanzinstrumente zugelassen ist, auf die sich die Insiderinformationen beziehen, rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung ihrer Funktion als Market-Maker oder Gegenpartei für das betreffende Finanzinstrument handeln (Art. 9 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 f.); (3) wenn die Person zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassen ist und der Auftrag zum Erwerb oder zur Veräußerung der Finanzinstrumente, auf die sich die Insiderinformationen beziehen, recht150 Erwägungsgrund 25 Sätze 2 und 3 VO Nr. 596/2014; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.4. Art. 14 MAR Rz. 31; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 49. 151 ESMA, Questions and Answers, Q4.1 und A4.1, S. 10. 152 ESMA, Questions and Answers, A4.1, S. 10. 153 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74, 77 Rz. 53. Auch Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 143. 154 Das kommt implizit auch in dem Auftragsänderungen betreffenden Erwägungsgrund 25 Satz 3 VO Nr. 596/2014 zum Ausdruck. Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 69; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 60; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 135; Langenbucher in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 551, 560. A.A. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 140. 155 Ausführlich BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2 S. 55 und I.4.2.5.2.1.1 ff. S. 56 ff. und in den Erläuterungen zu Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 5 ff.
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Insidergeschäfte | Rz. 39a Art. 8 VO Nr. 596/2014
mäßig im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung des Berufs oder der Aufgaben dieser Person ausgeführt wird (Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 14); (4) wenn es um Geschäfte der Person zur Erfüllung fällig gewordener Verpflichtungen geht und die betreffende Verpflichtung auf der Erteilung eines Auftrags oder dem Abschluss einer Vereinbarung beruht, welche jeweils vor dem Erhalt der Insiderinformationen erteilt bzw, getroffen wurden (Art. 9 Abs. 3 lit. a VO Nr. 596/2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 16); gleiches gilt, wenn die Geschäfte der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder einer Regulierungsauflage dienen, die vor dem Erhalt der Insiderinformationen entstanden sind (Art. 9 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 16 ff.); (5) wenn die Person, die – außer im Falle des Beteiligungsaufbaus (Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/ 2014) – im Zuge der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmenszusammenschlusses auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots Insiderinformationen erlangt hat, diese Insiderinformationen ausschließlich nutzt, um den Unternehmenszusammenschluss oder die Übernahme auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots weiterzuführen, vorausgesetzt die Insiderinformationen werden zum Zeitpunkt der Genehmigung des Unternehmenszusammenschlusses oder der Annahme des Angebotes durch die Anteilseigner des betreffenden Unternehmens öffentlich gemacht oder verlieren auf andere Weise ihren Charakter als Insiderinformationen (Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 19 ff.); (6) wenn die Person ihr Wissen darüber, dass sie beschlossen hat, Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, beim Erwerb oder der Veräußerung dieser Finanzinstrumente nutzt, oder m.a.W. ihren Entschluss zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten ausführt (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 23). Vorstehende Bestimmungen greifen allerdings nicht, wenn „die zuständige Behörde feststellt, dass sich hinter den betreffenden Handelsaufträgen, Geschäften oder Handlungen ein rechtswidriger Grund verbirgt“ (Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014; zu Einzelheiten s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 24 f.). Der in Art. 9 VO Nr. 596/2014 enthaltene und vorstehend aufgeführte Katalog von Umständen, unter denen 39a die Vermutung widerlegt ist, dass eine Person, die über Insiderinformationen verfügt und Insidergeschäfte tätigte, dies unter Nutzung der Insiderinformationen tat, ist nicht abschließend (Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 3). Vielmehr kann die Nutzung einer Insiderinformation nach den in der Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH vom 23.12.2009 (Rz. 33) entwickelten Grundsätzen auch dann entfallen, wenn die in Art. 9 VO Nr. 596/2014 geregelten Fälle nicht einschlägig sind156. Die BaFin führt hierzu zwei von ihr anerkannte Fallgruppen an: Zum einen diejenige mangelnder Ursächlichkeit einer Insiderinformation auf den Entschluss einer Person, Insiderpapiere zu erwerben oder zu veräußern, d.h. die Fälle, in denen ein Geschäft auch ohne die Kenntnis der Insiderinformation durchgeführt worden wäre (dazu schon Rz. 33)157, und zum anderen diejenige, dass eine „Insiderinformation zwar kausal für den Entschluss war, das Geschäft durchzuführen, diese aber letztlich keine Auswirkungen auf den Preis hatte“ und damit die „Integrität des Kapitalmarkts“ nicht beeinträchtigt158. Das ist etwa dann der Fall, wenn in gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungsfällen eine „staatliche Preiskontrolle“ stattfindet, bei der die Feststellung einer „angemessenen Abfindung die Einbeziehung der Insiderinformation in diese verlangt“ und damit ausschließt, dass der Insider einen Sondervorteil erlangen kann159, wie bspw. in den Fällen der (1) Ausgleichszahlung an außenstehende Aktionäre bei einem Gewinnabführungsvertrag nach § 305 AktG, (2) der Abfindung ausgeschiedener Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft nach § 320b AktG, (3) der Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots im Verschmelzungsvertrag nach § 29 UmwG oder (4) der Abfindung, die der formwechselnde Rechtsträger nach § 207 UmwG jedem Anteilsinhaber im Austausch gegen dessen umgewandelte Anteile oder Mitgliedschaften anbieten muss. Entsprechendes gilt nach einem weiteren Beispiel der BaFin, wenn ein Hauptaktionär, der über eine Insiderinformation verfügt, aufgrund dieser einen Squeeze Out durchführt. Darin liege kein Nutzung einer Insiderinformation und damit auch kein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot, weil er im Rahmen des Squeeze Out eine angemessene Abfindung schulde, die in einem gerichtlichen Spruchverfahren überprüft werden könne und üblicherweise auch überprüft werde, und das Erfordernis einer angemessenen Abfindung die Erlangung von Sondervorteilen durch den Insider ausschließende Einbeziehung der Insiderinformation in die Höhe der Abfindung verlange160. 156 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2 S. 60. Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.30. 157 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.1 S. 60. 158 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.2 S. 60 ff. (Hervorhebung hinzugefügt). 159 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.2 S. 61. 160 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.2 a.E. S. 61.
Assmann | 213
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 40 | Insidergeschäfte 40 Ungeachtet der verschiedenen europäischen Rechtsakte zum Insiderrecht und ihrer jeweiligen Umsetzung in
§ 14 Abs. 1 WpHG a.F. war es stets einhellige Ansicht, es liege keine Ausnutzung oder Verwendung – heute Nutzung – einer Insiderinformationen vor, wenn, etwa bei einer außerbörslichen Transaktion in Gestalt eines Paketerwerbs von Finanzinstrumenten – in sog. Face-to-face-Geschäften – beide Parteien über einen gleichen Wissensstand verfügen161. Das wurde teils mit einer teleologischen Reduktion des Erwerbs- und Veräußerungsverbots zu erreichen versucht, die auf das Argument gegründet wurde, eine Schädigung des Kapitalmarkts und der Kapitalmarktteilnehmer sei in solchen Fällen ausgeschlossen162. Teils wurde aber auch argumentiert, bei gleichem Insiderwissen könne nicht von der Verwendung einer Insiderinformation ausgegangen werden163, was mit der Überlegung gerechtfertigt wurde, die Verwendung einer Insiderinformation liege bei teleologischer Auslegung nur dann vor, wenn der Wissensvorsprung eines Insiders in ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft einfließe und ihm so objektiv die Möglichkeit der Erzielung eines Sondervorteils eröffne164. So oder so begründet war daran auch im Hinblick auf Art. 8 VO Nr. 596/2014 festzuhalten165. Die BaFin begründet den Ausschluss eines Insidergeschäfts bei beiderseitigem Insiderwissen mit der Erwägung, weil hier beide Parteien im Besitz der Insiderinformation seien, sei das Prinzip der informationellen Chancengleichheit unter den Beteiligten nicht verletzt und der Sondervorteil der Insiderinformation könne sich in diesem Fall nicht einseitig auf die Konditionen des Geschäfts auswirken166. Anders verhält es sich auch unter der Marktmissbrauchsverordnung allerdings dann, wenn den Parteien oder einer der Parteien unbekannt war, dass die andere Partei über das gleiche Wissen verfügte, da hier der Versuch einer Insidertat in Betracht kommt167.
41 In Bezug auf Versteigerungen von Emissionszertifikaten oder anderen darauf beruhenden Auktionsobjek-
ten, die gemäß der VO Nr. 1031/2010168 gehalten werden, schließt die Nutzung von Insiderinformationen nach Art. 8 Abs. 1 Satz 3 VO Nr. 596/2014 auch die Übermittlung, Änderung oder Zurücknahme eines Gebots durch eine Person für eigene Rechnung oder für Rechnung eines Dritten ein169.
bb) Einzelfälle 42 Nachfolgend werden einige spezielle Sachverhalte im Hinblick auf die Frage untersucht, inwieweit die Betei-
ligten i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 Insiderinformationen nutzen.
161 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.3 S. 61. Schon Assmann, AG 1997, 50, 55; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 187; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 7 f.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2427; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1088; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 190 f.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 89; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 11, 59, 72; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.263; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 38; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 8; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.10 und 14.46a; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.38; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809. Erhebliche Bedenken gegen die „Face-to-Face Ausnahme“ bei Kapitalerhöhungen im Hinblick auf Bezugsrechte, gleich ob diese gewahrt oder ausgeschlossen sind, macht Becker, ZGR 2020, 999, 1022 ff., geltend. 162 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 628; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 10 f.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931; von Dryander/Schröder, WM 2007, 534, 537; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2427; Grothaus, ZBB 2005, 62, 64; Kemnitz, S. 92; Koch, DB 2005, 267, 269; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 68; Schwintek, S. 26. 163 So auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 645. 164 Vor allem hierauf abstellend Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 9. Auch BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 38; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 17 (Verwenden setzt „das Gebrauchen eines Wissensvorsprungs zum Nachteil anderer Anleger“ voraus), 18, 25; Widder/Kocher, AG 2009, 654, 658. Offenlassend, ob das Ergebnis durch eine teleologische Restriktion oder durch Ursächlichkeitserwägungen zu begründen ist, Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 61. A.A. Grothaus, ZBB 2005, 62, 63. 165 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 383; Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 533; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 171 ff.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 90; Veil in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 45. 166 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2.3 S. 61. 167 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 173; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 91. 168 Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission vom 12.10.2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. EU Nr. L 302 v. 18.11.2010, S. 1. 169 Auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 63; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 35.
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Insidergeschäfte | Rz. 46 Art. 8 VO Nr. 596/2014
(1) Frontrunning Informationen, die eine mit der Ausführung von Aufträgen in Bezug auf Finanzinstrumente beauftragte 43 Person vom Kunden mitgeteilt werden und sich auf noch nicht ausgeführten Aufträge des Kunden in Bezug auf Finanzinstrumente beziehen, sind für diese nach Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 Insiderinformationen, vorausgesetzt sie sind im Übrigen präzise, betreffen direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente und wären, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet, den Kurs dieser Finanzinstrumente, damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder zugehöriger derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Macht sich die Person diese Informationen zu eigen, um vor der Ausführung des Auftrags selbst Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, auf die sich der Auftrag bezieht, so liegt in diesem als Frontrunning oder als Vor-, Mit- oder Gegenlaufen bezeichneten und nicht von der Bereichsausnahme des Art. 9 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 erfassten Verhalten170 eine Nutzung dieser Insiderinformation und ein Verstoß gegen Art. 14 lit. a und Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 (s. dazu die Erläuterungen zu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 102 f.)171. Die in Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Kundeninformationen, die die weiteren Voraussetzungen 44 einer Insiderinformation erfüllen, sind aber nicht nur für die beauftragte Person, sondern auch für diejenigen, die – etwa als Mitarbeiter dieser Person – von diesen Informationen Kenntnis erlangen, Insiderinformationen, weshalb auch sie diese Informationen nutzen, wenn sie vor Ausführung des Auftrags die Finanzinstrumente erwerben, auf die sich der Auftrag bezieht. Ob dies bereits aus einer teleologischen Auslegung von Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 dahingehend folgt, dass diese Bestimmung auch solche Personen erfasst, die von der nicht öffentlich bekannten kursrelevanten Kundeninformation Kenntnis haben, kann aber dahinstehen, da diese Informationen bereits nach Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 Insiderinformationen darstellen (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 103). Nach der bis zum Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung geltenden Regelung folgte dies bereits aus §§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 103)172. Auch der BGH hat unter diesen Bestimmungen das Frontrunning in einem obiter dictum als Verwendung einer Insiderinformation eingeordnet173. (2) Nicht veranlasste, normale Geschäfte – insbesondere von Marktintermediären Werden Geschäfte in Finanzinstrumenten getätigt, die auch ohne Kenntnis der sich auf diese beziehende 45 Insiderinformation vorgenommen worden wären, so liegt darin, wie an früherer Stelle (Rz. 32) dargelegt, keine Nutzung der vorhandenen Insiderinformationen. Das gilt für die Geschäfte von Market-Makern und Personen, die als Gegenpartei für die die in Frage stehenden Finanzinstrumente zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassen sind, schon kraft der Bestimmungen des Art. 9 Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/ 2014, wenn der Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich ihre Informationen beziehen, jeweils rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung ihrer Funktion als Market-Maker oder Gegenpartei für das betreffende Finanzinstrument erfolgt (s. dazu auch schon Rz. 39). Nicht anders verhält es sich bei Anwendung allgemeiner Grundsätze aber auch bei Maklern (Kursmakler oder Freimakler) und im Rahmen ihrer beruflichen Aufgaben oder Geschäfte arbeitenden Analysten, deren Portfolioanalyse ohne Rücksicht auf eine Insidertatsache das Geschäft oder eine Empfehlung trägt174. Ähnlich kann dies liegen bei zu Sicherungszwecken gegen Preisschwankungen vorgenommenen Hedge- 46 geschäften einer Bank175, weil hier gerade nicht die Insidertatsache zu einem Vorteil umgemünzt, sondern der möglichen Kursbeeinflussung entgegengewirkt werden soll. Nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln ist der Fall, dass ein Organ oder ein Mitarbeiter eines Emittenten Aktien des Unternehmens besitzt und mit diesen verbundene Bezugsrechte auf junge Aktien ausübt, obwohl er von Insidertatsachen erfahren 170 Erwägungsgrund 30 Satz 2 VO Nr. 596/2014: „Der in dieser Verordnung vorgesehene Schutz für Market-Maker ... erstreckt sich nicht auf Tätigkeiten, die gemäß dieser Verordnung eindeutig verboten sind, so unter anderem die gemeinhin als ‚Frontrunning‘ bekannte Praxis (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen“. Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.264. 171 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.2 S. 57; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 93. 172 Assmann in 6. Aufl., § 13 WpHG Rz. 70 f. und § 14 WpHG Rz. 33. 173 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, AG 2004, 144, 145. 174 Vgl. Hopt in FS Heinsius, S. 289, 290; Becker, S. 53; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 21; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 99. 175 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.175; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 22; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 99.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 46 | Insidergeschäfte hat, die das Unternehmen im konkreten Fall (gem. Art. 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014) berechtigterweise nicht zu veröffentlichen braucht176. (3) Umsetzung von unternehmerischen Plänen und Entscheidungen 47 Erlangen die Personen, die mit der Umsetzung unternehmerischer und nicht durch Insiderwissen veranlass-
ter Pläne oder Entscheidungen befasst sind, später Insiderinformationen, so fehlt es auch hier regelmäßig schon am Einfluss derselben auf das Handeln der betreffenden Personen und damit an der Verwendung von Insiderinformationen. Eine solche liegt indes vor, wenn die Betreffenden den Erhalt von Insiderinformationen zum Anlass nehmen, abweichend von den umzusetzenden Plänen und Entscheidungen Geschäfte zu tätigen. Darüber hinaus kann aber auch in der Durchführung unternehmerischer Pläne und Entscheidungen oder von Entschlüssen zur Vornahme bestimmter Effektengeschäfte als solcher, selbst wenn sie für Dritte Insiderinformationen darstellen, keine Verwendung einer Insiderinformation gesehen werden177.
48 Das gilt auch für den Fall, dass der Betreffende einen Gesamtplan (auch „Masterplan“) verfolgt, der in meh-
reren Stufen realisiert werden soll178. Dabei ist es unerheblich, ob der Plan einen Änderungs- oder Anpassungsvorbehalt enthält oder im Verlaufe seiner Durchführung plangemäß durchgeführt oder abgewandelt wurde. So handelt etwa der Vermögensverwalter, der für einzelne der von ihm verwalteten Depots einen größeren Posten eines bestimmten Papiers zu erwerben beabsichtigt, auch dann nicht unter Verwendung von Insiderwissen, wenn er, um Preissprünge zu vermeiden und die Kosten des Erwerbs gering zu halten, einen zeitlich gestaffelten Aufkauf der Papiere vornimmt und die Zahl der zu erwerbenden Papiere im Zuge der Durchführung seines Plans noch erweitert. Nicht anders verhält es sich, wenn ein Investor den sukzessiven Auf- oder Ausbau einer Beteiligung plant und realisiert. Nimmt der Vermögensverwalter seinen Entschluss, für einzelne oder mehrere Depots bestimmte Wertpapiergeschäfte zu tätigen, zum Anlass, komplementäre Wertpapiergeschäfte für andere Depots durchzuführen, so liegt auch hierin ein Gesamtplan, dessen Durchführung zwar im Einzelfall gegen die Verhaltenspflichten des Verwalters nach § 63 WpHG, nicht aber gegen das insiderrechtliche Erwerbs- und Veräußerungsverbot unter Verwendung einer Insiderinformation verstoßen kann. Als allgemeine Regel kann für den Vermögensverwalter festgehalten werden, dass ihm bei der Verwaltung von Kundendepots insiderrechtlich „genau das erlaubt ist, was er auch bei der Verwaltung eines eigenen Depots tun dürfte“179.
(4) Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen 49 Schon nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F. war der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkauf-
programmen von dem Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG a.F. ausgenommen, wenn er nach Maßgabe der Vorschriften der VO Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003180 erfolgte181. Mit der Erwägung, der „Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Kursstabilisierung von Wertpapieren oder der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen“ könnten „aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt sein und sollten daher unter bestimmten Umständen vom Verbot des Marktmissbrauch befreit sein, sofern die Maßnahmen hinreichend transparent durchgeführt werden, das heißt, dass relevante Informationen zu der Kursstabilisierungsmaßnahme oder zu dem Rückkaufprogramm offengelegt werden“ (Erwägungsgrund 12 VO Nr. 596/2014), findet sich eine gegen über § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F. erheblich differenziertere Regelung, die Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 betreffend Insidergeschäfte und Markmanipulation 176 Es bedarf hier deshalb nicht der für diese Sachverhaltskonstellation von Schröder, NJW 1994, 2879, 2880, vorgeschlagenen teleologischen Reduktion; wie hier Dickersbach, S. 184 (mangelnde Kausalität). Wie hier Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 188. 177 Erwägungsgrund 31 Satz 2 VO Nr. 596/2014: „Handlungen auf der Grundlage eigener Pläne und Handelsstrategien des Marktteilnehmers sollten nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten“; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.4 S. 85; Schon RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47; Assmann, ZGR 1994, 494, 518; Assmann, AG 1994, 237, 246; Cahn, ZHR 126 (1998), 18 f.; Caspari, ZGR 1994, 530, 542; Hopt in FS Lutter, S. 1361, 1395; F. Immenga, ZBB 1995, 197, 204; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 23. 178 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 189; Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.265; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.33. 179 Cramer, AG 1997, 59, 62. 180 Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. L 336 v. 22.12.2003, S. 33. 181 Näher hierzu Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 36 ff., 212 f. und 214 ff.
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Insidergeschäfte | Rz. 52 Art. 8 VO Nr. 596/2014
ausnimmt, auch in Art. 5 Abs. 1–3 und Abs. 6 VO Nr. 596/2014. Auf die diesbezüglichen Erläuterungen ist zu verweisen. Zur entsprechenden Regelung in Art. 5 Abs. 4–6 VO Nr. 596/2014 betreffend Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten s. Rz. 56. Plant ein Emittent zu einem anderen der in § 71 Abs. 1 Nr. 1–8 AktG angeführten, aber Art. 5 Abs. 2 VO 50 Nr. 596/2014 nicht erfassten Zwecke den Rückkauf eigener Aktien – Entsprechendes gilt für den Verkauf von zuvor zurückgekauften eigenen Aktien – oder fällt das Rückkaufprogramm aus anderen Gründen nicht der Ausnahme nach Art. 5 VO Nr. 596/2014, so unterliegt er dem Verbot von Insidergeschäften nach Art. 14, 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014182. Davon betroffen ist nach wie vor namentlich der Rückkauf eigener Aktien, um diese später als Akquisitionswährung für den Kauf eines Unternehmens oder den Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen zu verwenden183. Schon Informationen über die Beschlüsse und Maßnahmen, die der Vorbereitung des Rückkaufs eigener 51 Aktien in Gestalt der Ermächtigung des Vorstands zur Durchführung eines Rückkaufsprogramms dienen, sind präzise Informationen, die, wenn sie kurserheblich und nicht öffentlich bekannt sind, Insiderinformationen darstellen (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20)184. Das gilt auch für den Fall, dass Beschlüsse noch der Zustimmung von Organen der Gesellschaft bedürfen (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 ff.; Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 225). Ebenso verhält es sich mit dem Beschluss des Vorstands, von der Rückkaufermächtigung Gebrauch zu machen, vorausgesetzt, die diesbezügliche Information ist in Anbetracht der konkreten Umstände – etwa wegen seines Volumens, der Marktenge und/oder seiner Konzentration auf einen bestimmten Zeitpunkt – als kurserheblich anzusehen185 (s. auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 226). Daran kann es mangeln, wenn der Rückerwerbsplan zeitlich und hinsichtlich seines Umfangs unbestimmt ist und dem Vorstand einen weitreichenden Handlungsspielraum einräumt. Der Umstand, dass die getroffenen Beschlüsse durch entsprechende Aufträge und Geschäfte umgesetzt wer- 52 den, stellt keine Nutzung einer Insiderinformation dar186 (s. schon Rz. 47). Erlangt das Unternehmen nach einem Beschluss über ein Rückkaufprogramm, aber noch vor der Erteilung entsprechender Aufträge oder Order oder der Durchführung von Geschäften zum Rückkauf Insiderinformationen, so liegt – mangels Ursächlichkeit der Insiderinformationen für die nachfolgenden Maßnahmen (Rz. 31) – auch in der plangemäßen Erteilung bzw. Durchführung derselben keine Nutzung von Insiderinformationen. Dagegen würde ein Unternehmen auch bei der Umsetzung des Aktienrückkaufs in Kenntnis der erlangten Insiderinformationen und unter Nutzung derselben handeln, „wenn der grundsätzliche Beschluss, Aktien zurückzukaufen, zwar bereits gefallen ist, das Unternehmen aber im Zeitpunkt der konkreten Ordererteilung über anderweitige Insiderinformationen verfügt, die geeignet sind, den Kurs erheblich positiv zu beeinflussen“187. Zur Umsetzung von Aktienrückkaufprogrammen rät die BaFin daher: „Bei der Umsetzung des Aktienrückkaufprogramms empfiehlt sich daher, vor Ausführung der Transaktionen gegenüber der mit dem Rückkaufprogramm beauftragten Bank oder einem unabhängigen Dritten eine bindende rechtliche Verpflichtung zum Erwerb einer im Voraus festgelegten Menge Aktien über einen bestimmten Zeitraum auszusprechen. Übernimmt das beauftragte Institut oder der Dritte dann den Rückkauf in eigener Regie und kann diese Person insbesondere selbständig über den Zeitpunkt der Ordererteilung bestimmen, ist es unschädlich, wenn das Unternehmen vor der Ausführung z.B. der dritten oder vierten Order Kenntnis von Insiderinformationen erhält. Denn die rechtliche Verpflichtung zum Erwerb der Aktien lag hier bereits vor Kenntnis der Insiderinformationen. Die gesetzliche Vermutung des Nutzens von Insiderinformationen wäre dadurch widerlegt. Dies gilt aber nur, wenn die für die Ausführung der einzelnen Order verantwortlich zeichnende Person selbst über keine relevanten Insiderinformationen über die zu erwerbenden Aktien verfügt und die Verpflichtung des Unternehmens zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wurde, zu dem das Unternehmen über keine Insiderinformationen verfügte“188. 182 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.4 S. 85; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 105 ff. Für den Geltungszeitraum von Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG a.F. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 40; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 106, 395; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 26. Für Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.4 und IV.5 S. 85; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.36. 183 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.4 S. 85; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 97; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 106. 184 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85. 185 So schon unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 40. 186 Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014; Erwägungsgrund 31 Satz 2 VO Nr. 596/2014; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 108; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 26. 187 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85 (Hervorhebung hinzugefügt). 188 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 | Insidergeschäfte 53 Wird der Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien vom Wissen der Vorstände um eine den Emittenten be-
treffende Insiderinformation bestimmt wird, so liegt die Nutzung von Insiderwissen vor, so dass ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften in Betracht kommt189. Dementsprechend ist die Nutzung einer Insiderinformation gegeben, wenn zwar der Beschluss, Aktien zurückzukaufen, gefallen ist, nicht aber eine Entscheidung über den Zeitpunkt, wann dies geschehen soll, und Insiderwissen in die Ordererteilung des für das Unternehmen Handelnden eingeflossen ist (s. schon vorstehend Rz. 52).
54 Der auf die Erlangung von Insiderinformationen zurückgehende Abbruch eines Rückkaufprogramms war
nach dem bis zum Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung geltenden Insiderrecht nicht als verbotenes Insidergeschäft anzusehen, weil dieses nur den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren, nicht aber das Unterlassen von Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäften erfasste190. Daran hat sich unter der Marktmissbrauchsverordnung nichts geändert, solange der Abbruch vor der Erteilung von Aufträgen einschließlich entsprechender Rückkauforder erfolgt191. Dagegen ist bei wortgetreuer Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 der Abbruch eines Rückkaufprogramms durch Stornierung solcher Aufträge als verbotenes Insidergeschäft zu betrachten (Rz. 28)192. Wie bereits an früherer Stelle am Beispiel des sog. Stake Building ausgeführt (Rz. 29), sollte das Stornierungsverbot des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 aber nach seinem Sinn und Zweck so ausgelegt und teleologisch reduziert werden, dass es sich nur auf Fälle bezieht, in denen Aufträge für isolierte Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte von Insiderpapieren storniert oder geändert werden sollen.
55 Um nicht durch die spätere Erlangung von Insiderwissen an der Durchführung zuvor getroffener Erwerbs-
pläne oder anderweitiger unternehmerischer Entscheidungen gehindert zu sein, ist in der Praxis auf die Dokumentation entsprechender Entschlüsse, Beschlüsse, Vorhaben, Maßnahmen etc. im Hinblick auf Rückkaufprogramme zu achten193. Zur Vermeidung jeglicher insiderrechtlicher Komplikationen für den Emittenten kann es sich als Vorsichtsmaßnahme empfehlen, einen unabhängigen Dritten (i.d.R. ein Kreditinstitut) mit der Durchführung des Rückkaufprogramms zu beauftragen und diesem diesbezüglich bindende Instruktionen zu erteilen. S. dazu schon die in Rz. 52 a.E. wiedergegebene Empfehlung der BaFin. (5) Kursstabilisierung
56 Wie der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen (Rz. 49) waren nach § 14 Abs. 2
Satz 1 WpHG a.F. auch Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten von dem Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG a.F. ausgenommen, wenn er nach Maßgabe der Vorschriften der VO Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 (Rz. 49) erfolgte. In gleicher Weise nehmen auch Art. 5 Abs. 4–6 VO Nr. 596/2014 den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 betreffend Insidergeschäfte und Markmanipulation aus. Zu den in Art. 5 Abs. 4 lit. a–d und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Voraussetzungen, unter denen dies der Fall ist, s. die Erläuterungen zu Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 90 ff.
57 Obwohl der Anwendungsbereich des von Art. 5 Abs. 4–6 VO Nr. 596/2014 geschaffenen safe harbour für
den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren weiter ist als der von § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F.194, ist er doch „wesentlich enger und technischer gezogen als es dem üblichen Verständnis von Kursstabilisierung, Kursstützung, aber auch Kursdämpfung oder Kurspflege entspricht“ (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 78). Deshalb fallen viele der Maßnahmen, die nach diesem Verständnis zur Kursstabilisierung gehören und deren Ziel es etwa ist Marktverzerrungen zu vermeiden oder abzufedern, Preiskontinuität herzustellen, Transaktionen kursschonend durchzuführen oder bestimmte Kursziele – etwa im Zusammenhang Übernahmen, mit Bewertungsstichtagen oder einer möglichen Gewährung von kursabhängigen Boni – zu erreichen, nicht unter die Ausnahme des Art. 5 Abs. 4–6 VO Nr. 596/2014. Soweit diese nicht greift, unterliegen sie den allgemeinen Bestimmungen 189 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 99; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 108. 190 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 40; Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 39 a.E. 191 Zur Nichterfassung des Unterlassens des Erwerbs oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten als Nutzung von Insiderinformationen s. Rz. 27. Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 206; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 99. 192 So BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 86: „Das würde für den ... Fall einer vorgelagerten Auftragserteilung bedeuten, dass wenn im Nachhinein Insiderinformationen erlangt werden, ein vorzeitiges Beenden des Rückkaufprogramms und damit einhergehend eine Stornierung oder Änderung dieses Auftrags ein verbotenes Insidergeschäft darstellen kann“. 193 Auch Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.33. 194 Zu diesem Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 50, 222 ff.
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Insidergeschäfte | Rz. 59 Art. 8 VO Nr. 596/2014
über das Verbots von Insidergeschäften. Selbst in den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 4–6 VO Nr. 596/2014 fallende Geschäfte mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren stellen aber einen Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften dar, wenn die Kurspflegemaßnahmen ihrerseits durch Insiderinformationen veranlasst wurden195. Sofern Kurspflegemaßnahmen durch die Abweichung des Markt- oder Börsenpreises von Wertpapieren 58 von einem bestimmten Preis oder Preiskorridor veranlasst sind und auf der Ausführung einer diesbezüglichen unternehmerischen Entscheidung des Emittenten beruhen, stellen sie – gleich ob sie vom Emittenten selbst oder von einem mit dieser Aufgabe betrauten Dritten durchgeführt werden – auch nach den allgemeinen Bestimmungen über Insidergeschäfte keine Nutzung einer Insiderinformation dar196. Nach anderer Begründung fehlt es hier bereits an einer Insiderinformation197. An diesem Befund ändert sich – entgegen mancher im Schrifttum zum Insiderrecht vor Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung geäußerten198 und auch unter Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unbegründeter Zweifel – auch dann nichts, wenn die Maßnahmen nicht nur der Kursglättung, sondern der Kurspflege „gegen den Markttrend“ dienen: Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Begriffs des „Markttrends“199, sind die einschlägigen Maßnahmen nach wie vor von der eigenen Entscheidung bestimmt, Abweichungen der Kursentwicklung von festgelegten Zielgrößen auszugleichen200. Das schließt Bedenken gegen die Zulässigkeit von Kurspflegemaßnahmen, namentlich solcher „gegen den Markttrend“, unter gesellschafts- und börsen(straf)rechtlichen Gesichtspunkten201 nicht aus. Auch Änderungen in der Kurspflegepolitik, die nicht durch Insiderinformationen veranlasst sind, kann der Emittent – unabhängig davon, dass diesbezügliche Informationen für Dritte eine Insiderinformation darstellen können (s. dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20) – ohne Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäft durchführen (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014). (6) Sukzessiver Auf- oder Ausbau einer Beteiligung Der einem entsprechenden Gesamtplan oder Beschluss folgende sukzessive Auf- oder Ausbau einer Betei- 59 ligung in Gestalt des Erwerbs der dafür erforderlichen Finanzinstrumente stellt für den Anteilseigner kein Insidergeschäft dar202 (s. schon Rz. 47, 52). Schon die nicht öffentlich bekannte und kurserhebliche Information um das Vorhaben und erst recht dasjenige um den Beginn und die Durchführung desselben stellt aber für Dritte eine Insiderinformation dar, die diese zum Erwerb oder Veräußerung der betroffenen Finanzinstrumente nutzen können (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20)203. Da beim Abschluss von Geschäften über 195 Dazu schon Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 52; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 100. 196 Ebenso RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47 und Erwägungsgrund 12 der EG-Insiderrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2); Assmann, AG 1994, 237, 246; Assmann, ZGR 1994, 494, 518; Assmann, WM 1996, 1337, 1344 f.; Bingel, S. 210 ff.; Claussen, DB 1994, 27, 31; Hartmann, S. 236; Heldmann, ZgKW 1992, 480, 483; Hopt, ZGR 1991, 17, 46; Hopt in FS Heinsius, S. 289, 290 f.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 100; Meißner, S. 155 ff., 157; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 27; Schäfer, WM 1999, 1345, 1350; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 104; Soesters, S. 157 f., 174 f. 197 So in Bezug auf den Begriff der Insidertatsache in § 14 Abs. 1, 2 WpHG a.F. Weber, NZG 2000, 113, 122. 198 Caspari, ZGR 1994, 530, 544; Hess/Krämer in FS Döser, S. 171, 190; zur Megede in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 14 Rz. 48. 199 Dazu näher Bruchner/Pospischil in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.56 ff. 200 Ebenso Bingel, S. 215 (keine Verwendung einer Insiderinformation); Bruchner/Pospischil in Lutter/Scheffler/ Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.59; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 100; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 118; Schäfer, WM 1999, 1345, 1350; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 69. 201 Hinweis bei Bruchner/Pospischil in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.60, im Hinblick auf § 88 BörsG a.F.; Caspari, ZGR 1994, 530, 544; Grundmann in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, § 112 Rz. 33; Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92; Koch, § 71 AktG Rz. 10. 202 Zu Geschäften in Umsetzung eines Gesamtplans bereits Rz. 48. Zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, 47. Zu den unterschiedlichen Begründungen dieses Ergebnisses unter dem durch die Marktmissbrauchsverordnung abgelösten Recht – namentlich der von dem Argument mangelnder Veranlassung abweichenden Argumentation von Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 629, die Bestimmungen der §§ 21 ff. WpHG über die Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister verdrängten das Insiderrecht (ablehnend Assmann, ZHR 172 (2008), 615, 658) – s. Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 45. Im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 Satz 1 und 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 Krause, CCZ 2014, 248, 252/253; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 84; Schäfer in Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.81. 203 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 84; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.81.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 59 | Insidergeschäfte Insiderpapiere, die auch ohne Kenntnis der Insiderinformation vorgenommen worden wären, kein Insiderwissen verwandt wird (Rz. 31), ist es auch unschädlich, wenn der Investor im Rahmen eines beabsichtigten Beteiligungserwerbs eine Kontrolle der Zielgesellschaft in Gestalt einer Due Diligence-Prüfung vornimmt und hierbei von Insidertatsachen erfährt, die ihn in seinem Plan lediglich bestärken und zu keinen Änderungen desselben führen204. 60 Wird nach der Erlangung der Insiderinformation vom geplanten Beteiligungserwerb Abstand genommen,
so stellt auch dies keine Nutzung einer Insiderinformation dar205. Dagegen liegt in der Änderung des Plans nach Erhalt von Insiderinformationen, etwa in Gestalt einer Reduzierung oder einer Ausweitung des Plans, und der daraufhin vorgenommenen Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte eine Nutzung von Insiderinformationen206, wobei die Fortsetzung des Plans unter Änderung erteilter Aufträge nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 ein Insidergeschäft darstellt (Rz. 29). Auch die Stornierung bereits erteilter Aufträge soll von Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 erfasst sein207, doch spricht viel für eine den Anwendungsbereich dieser Vorschrift einengende Auslegung derselben (Rz. 29).
61 Stellt der sukzessive Aufbau einer Beteiligung an einem Unternehmen in Ausführung eines Beteiligungsent-
schlusses kein Insidergeschäft dar (Rz. 59), so wurde dies unter § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. im Schrifttum aber teilweise für den Fall anders gesehen, dass ein Aktionär eine im Zuge des Beteiligungsaufbaus eintretende Meldepflicht nicht erfüllt, wobei insbesondere Meldepflichten nach § 33 WpHG in Betracht kommen. Dies gestatte ihm, sich unter Fortführung seiner unternehmerischen Planung und unter Missachtung der Chancengleichheit der übrigen Anleger einen zu missbilligenden Vorteil zu verschaffen, der darin begründet sei, dass er durch die unterlassene Meldung einen Kursanstieg vermeide, der aller Voraussicht nach eingetreten wäre, hätte er sich rechtstreu verhalten208. Dem ist auch unter dem Insiderrecht der Marktmissbrauchsverordnung, die keine hier in Betracht zu ziehende Änderungen erkennen lässt und Abweichungen verlangen würde, im Ergebnis zuzustimmen, allerdings weiter mit der Maßgabe, dass hier nicht der sukzessive Aufbau einer Beteiligung als solcher, sondern das Überschreiten einer meldepflichtigen Beteiligungsschwelle, sofern diese im Einzelfall als kurserheblich anzusehen ist, die Insiderinformation darstellt, die ausgenutzt wird209.
204 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47. Auch EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 Rz. 59 f.; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 190; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 10; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2425, 2426 f.; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1091; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 284 f.; Hölters/Hölters in Hölters/Weber, § 93 AktG Rz. 164; Hopt/ Kumpan, ZGR 2017, 765, 799; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 59; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 75, 77; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 24; Schwintek, S. 26; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 380 f. Nur i.E. ebenso Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 931, die allerdings von der nicht zutreffenden Prämisse ausgehen, „der Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft nach zuvor durchgeführter Due Diligence-Prüfung“ und der Erlangung von Insiderinformationen sei nach dem neuen Recht unzulässig, weshalb im Anschluss an Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie eine teleologische Reduktion zumindest „im Vorfeld öffentlicher Übernahmeangebote“ geboten, aber auch für den außerbörslichen Erwerb von Insiderpapieren „wünschenswert“ sei; der darin zum Ausdruck kommenden Deutung von Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie ist allerdings nicht zu folgen, denn diese deckt nicht die Verwendung von Insiderinformationen für Wertpapiertransaktionen (vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 39). A.A. als hier wohl Ziemons, NZG 2004, 537, 539 f., die unzutreffend jede Transaktion in Insiderpapieren unter Verwendung von Insiderinformationen als von § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. erfasst sieht. 205 S. Rz. 27 sowie für das Stake Building Rz. 29 und für den Abbruch von Rückkaufprogrammen Rz. 54. Ebenso Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 84. 206 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 38. Zum Insiderrecht nach dem AnSVG etwa Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 646; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 190; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 11; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1092; Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 535; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 800; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 84; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.142; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 77; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346, 354; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.87; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 24; Schwintek, S. 26. 207 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 162; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 397; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 84; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 34. 208 Caspari, ZGR 1994, 530, 542 f. 209 Hopt, ZGR 2002, 333, 351; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 81; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 24. I.E. auch Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 191 ff.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 86.
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Insidergeschäfte | Rz. 64 Art. 8 VO Nr. 596/2014
(7) Scalping Umstritten war lange Zeit, ob der als Scalping bekannte Fall eines Vorlaufens den Tatbestand des Ausnutzens 62 einer Insidertatsache erfüllt. Der zu beurteilende Vorgang ist dadurch gekennzeichnet, dass an die Stelle der die Möglichkeit des Vorlaufens eröffnenden Kenntnis von der Ordererteilung („Frontrunning“, Rz. 43) der Erwerb von Wertpapieren in der Absicht tritt, sie anschließend einem anderen zum Erwerb zu empfehlen, um sie dann bei infolge der Empfehlung steigendem Kurs wieder zu verkaufen210. Da der Erwerb der fraglichen Wertpapiere unter Berücksichtigung der bevorstehenden Empfehlung lediglich als Umsetzung des diesbezüglichen Entschlusses des Handelnden betrachtet wurde, war zunächst die Meinung vorherrschend, der fragliche Vorgang unterfalle nicht dem Erwerbs- und Veräußerungsverbot (nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in dessen Fassung vor seiner Änderung durch das AnSVG)211. Gegen diese Ansicht wurde sodann eingewandt, sie übersehe, dass zwischen dem Entschluss, die Papiere zu kaufen, und dem Entschluss, sie nach deren Ankauf später zu empfehlen, zu unterscheiden sei: In Frage stehe nicht etwa ein in einzelnen Stufen zu verwirklichender Gesamtplan, wie der Aufbau einer bestimmten Beteiligung. Vielmehr mache sich beim Scalping der Handelnde als Wertpapierkäufer und -verkäufer (d.h. als aktiver Marktteilnehmer) ein Wissen um ein Vorhaben zunutze, zu dem er sich zuvor in der hiervon zu trennenden Rolle eines Empfehlenden (d.h. in der Rolle eines bloßen Marktintermediärs) geschaffen habe. Scalping sei deshalb als Verstoß gegen das Verbot des Insiderhandels anzusehen212. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist dieser Auffassung weitgehend gefolgt213 und hat sich damit zugleich gegen die nach wie vor beachtliche Zahl an Stimmen gewandt, die Scalping nicht als Insiderstraftat betrachten wollten, weil mit diesem Verhalten keine Insiderinformation ausgenutzt wird214.
In seinem Urteil vom 6.11.2003 hat der BGH sodann entschieden, Scalping sei „kein Insidergeschäft, son- 63 dern eine Kurs- und Marktpreismanipulation im Sinne von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG“ a.F.215 Zur Begründung führt der BGH aus, die Annahme, beim Scalping sei „das Wissen des Täters, dass er die selbst erworbenen Aktien anschließend empfehle, eine Insidertatsache“, trage dem europarechtlichen Hintergrund der Insidervorschriften des WpHG nicht hinreichend Rechnung. Der Wortlaut der Insiderrichtlinie von 1989, der nicht von einer „Insidertatsache“, sondern von „Insiderinformation“ spreche, und darunter nur „präzise Informationen“ fasse, lasse es nicht zu, selbst geschaffene innere Tatsachen als Information zu betrachten, „weil eine ‚Information‘ regelmäßig einen Drittbezug aufweise“ und es schon der Sprachgebrauch ausschließe, dass eine Person sich über einen von ihr selbst gefassten Gedanken informiere216. Die in dieser Argumentation implizit zum Ausdruck kommende Annahme, die herrschende Meinung und bisherige Rechtsprechung beruhe auf mangelnder richtlinienkonformer Auslegung des Begriffs der Insidertatsache, musste ebenso überraschen wie das im Wege der petitio principii herbei gezauberte Ergebnis, von einer Information könne man nur dann reden, wenn sie einen „Drittbezug“ aufweise. Immerhin führte die insiderrechtliche Beurteilung des Scalping nicht zur Sanktionsfreiheit dieses das Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte zerstörenden Verhaltens, sondern wurde vom BGH als Kurs- und Marktpreismanipulation (i.S.v. § 20a WpHG a.F.) qualifiziert. 2007 hat der EuGH mit der Georgakis-Entscheidung217 eine neuerliche Richtungsänderung herbeigeführt 64 und die Ansicht bestätigt, von einer Person selbst geschaffene „innere Tatsachen“ könnten auch für diese 210 So die Umschreibung in BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, AG 2004, 144 = NJW 2004, 302 Ls. 1, 303. 211 1. Aufl. des Kommentars Rz. 34; Hopt in FS Heinsius, S. 289, 295, noch auf der Grundlage der EG-Insiderrichtlinie und unter Hinweis auf deren Erwägungsgrund 11; Becker, S. 53 f. 212 Assmann, WM 1996, 1337, 1345 f.; Cahn, ZHR 162 (1998), 20 f.; Hartmann, S. 237 f.; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, 1. Aufl. 2002, Rz. 10.51; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 160 f.; Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381 ff.; Ziouvas, Anm. zu LG Stuttgart v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00, EWiR 2/2003, 85 = § 13 WpHG 1/03; i.E. auch schon Siebold, S. 120 f. 213 LG Frankfurt v. 9.11.1999 – 5/2 KLs 92 Js 23140.2/98 (P 2/98), NJW 2000, 301 = AG 2000, 187; LG Stuttgart v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00, ZIP 2003, 259. 214 Eichelberger, WM 2003, 2121, 2122 ff.; Lenenbach, ZIP 2003, 243; Petersen, wistra 1999, 328, 329 ff.; Schäfer in Schäfer, § 14 WpHG Rz. 76 (vgl. auch Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 19, 22); Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 33; Soesters, S. 180 ff., 184 (kein Insiderverstoß, solange der Transaktionsentschluss des Betroffenen allein auf der Absicht beruht, die entsprechenden Wertpapiere später zu empfehlen); Volk, BB 1999, 66; Volk, ZIP 1999, 788 f.; Weber, NZG 2000, 113, 124 f.; Weber, NJW 2000, 562. 215 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 Ls. 1, 303 f. = AG 2004, 144. 216 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302, 303 = AG 2004, 144. Des Weiteren führt der BGH (ebd. S. 303 f.) systematische Überlegungen an, die allerdings nicht zwingend gegen eine Behandlung des „Scalping“ (auch) als Insidertat sprechen. Der Entscheidung zustimmend etwa Ekkenga, ZIP 2004, 781, 782; Schmitz, JZ 2004, 522, 526; Vogel, NStZ 2004, 252, 254; auch Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rz. 16, § 14 WpHG Rz. 33. 217 EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 64 | Insidergeschäfte Insiderinformationen darstellen. Das gelte umso mehr, wenn die fragliche Person an einer gemeinschaftlichen Entscheidung beteiligt war218. Können Personen damit in Bezug auf ihr Vorhaben über Insiderwissen verfügen, so sind sie dadurch allerdings nicht gehindert, ihren Plan wie vorgesehen auszuführen, denn nach nahezu einhelliger Ansicht stellt die Ausführung eines Vorhabens keine Verwertung einer Insiderinformation dar, weil es an der Ursächlichkeit der Insiderinformation für das Handeln des Betreffenden fehlt (Rz. 31 ff.). (8) Kreditinstitute im Wertpapiergeschäft mit Kunden 65 Kreditinstitute sind durch das Verbot der Verwendung von Insiderinformation nicht gehindert, Kunden-
aufträge im Wertpapiergeschäft durchzuführen, solange sie dabei entsprechend dem üblichen Geschäftsgang verfahren und nicht eventuell bei ihnen vorhandenes Insiderwissen in die Auftragsausführung einfließen lassen219. Diesen – wie auch allen anderen Unternehmen oder Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Insiderinformationen erlangen – ist eine sorgfältige Dokumentation der rechtskonformen Berufsausübung anzuraten. Namentlich Kreditinstitute und deren Angestellte, die über Insiderinformationen verfügen, verwenden diese nicht, wenn sie weisungsgemäß eine eingehende und von ihnen nicht beeinflusste Kundenorder in Bezug auf die von ihrem Insiderwissen betroffenen Papiere durchführen220.
66 Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Kunde eine Order so erteilt, dass dem Kreditinstitut ein Hand-
lungsspielraum eröffnet wird. Das ist etwa dann gegeben, wenn die Order „interessewahrend“ ergeht und der Händler in Gefahr gerät, sein Insiderwissen bei der Erfüllung des Auftrags zur Anwendung zu bringen. Der Händler ist hierbei nicht darauf verwiesen, den Auftrag abzulehnen, sondern kann ihn zur Erfüllung an einen Nichtinsider weiterleiten221. Nimmt er den Auftrag an und fließt Insiderwissen in dessen Durchführung ein, so liegt darin die Verwendung einer Insiderinformation222, welche nicht etwa dadurch ausgeschlossen wird, dass das Vorgehen im Interesse und zum Nutzen des Kunden erfolgt. Das ist auch unter der in Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 begründeten Ausnahme vom Verbot von Insidergeschäften nicht anders223. Rät der Mitarbeiter dem Kunden auf der Grundlage von Insiderwissen von der Durchführung der Order ab, ohne ihm die Insidertatsache mitzuteilen, und wird der Auftrag daraufhin zurückgezogen, so verstoßen die Beteiligten weder gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot nach Art. 14 lit. a und Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 noch gegen die Insiderhandelsverbote aus Art. 14 lit. b und c VO Nr. 596/2014: Weder kommt es, was für einen Verstoß gegen das Empfehlungsverbot Art. 14 lit. b und Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 unerlässlich wäre, zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Wertpapiers, noch basiert das Verhalten des Kunden, was immer er aus dem Rat des Mitarbeiters schließen und worauf auch immer er seinen Entschluss letztlich gründen mag, auf seiner Kenntnis einer präzisen Information, welche ihm vom Mitarbeiter mitgeteilt worden wäre224. Verfehlt ist es auch, (zumindest) dann von einem Verstoß gegen das Weitergabeverbot und der Nutzung einer Insiderinformation auszugehen, wenn der Kunde nach den Gründen für das
218 EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542 Rz. 33, 35. I.E. auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 346. 219 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47. Auch EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 Rz. 58; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 193; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 149; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.539; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 105 f. 220 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47; Assmann, AG 1994, 237, 246; Assmann, WM 1996, 1337, 1346; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 199; Caspari, ZGR 1994, 530, 543; Cramer, AG 1997, 59, 60; F. Immenga, ZBB 1995, 197, 204; Krauel, S. 285; Lücker, S. 161; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 145; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 21. S. auch Erwägungsgrund 12 der Insiderrichtlinie von 1989 und dazu Hopt, ZGR 1991, 17, 46. Schon Nr. 1 Ziff. 2 lit. a IHR (s. Assmann in 6. Aufl., Vor § 12 WpHG Rz. 5) sah für diesen Fall eine ausdrückliche Freistellung vor. Ebenso Erwägungsgrund 18 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2). Zu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 392. 221 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47; Assmann, AG 1994, 237, 246; Assmann, WM 1996, 1337, 1346; Caspari, ZGR 1994, 530, 543; Cramer, AG 1997, 59, 60; Krauel, S. 285; Lücker, S. 161; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 147; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 54; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 21. Zu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 394. 222 Assmann, AG 1994, 237, 246; Assmann, WM 1996, 1337, 1346; Caspari, ZGR 1994, 530, 543; Cramer, AG 1997, 59, 60; Krauel, S. 285; Lücker, S. 161; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 146; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 21. 223 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 85. 224 Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.540; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 19; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 148.
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Insidergeschäfte | Rz. 70 Art. 8 VO Nr. 596/2014
Abraten fragt und ihm solche „nicht erklärt werden können“225. Jedenfalls „ein in Wertpapiergeschäften erfahrener Kunde“, so wird argumentiert, würde unter diesen Umständen wissen oder billigend in Kauf nehmen, dass hier Insiderwissen nicht preisgegeben werden könne, was wiederum eine „neue Insiderinformation“ darstelle226. Mit der Weitergabe dieser neuen Insiderinformation würde darüber hinaus noch die Gefahr geschaffen, „dass der Kunde nicht nur von der Verkaufsorder Abstand“ nehme, sondern „eine Option auf steigende Kurse“ erwerbe. Bei der angeblich „neuen Information“ – ein Anlageberater rät vom Erwerb ab, kann oder will dafür aber auf Nachfrage keine Gründe angeben – handelt es sich jedoch weder um eine präzise noch um eine spezifische Information, sondern um spekulative Schlussfolgerungen aus einem auch in vielerlei andere Richtungen deutbaren Verhalten eines Anlegerberaters. Unzweifelhaft kann dem Mitarbeiter eines Kreditinstituts, der weder über eine einschlägige Insiderinformati- 67 on verfügt noch von dem Umstand weiß, dass die von ihm durchgeführte Kundenorder auf der Grundlage von Insiderinformationen erteilt wurde, nicht vorgeworfen werden, bei der Ausführung der Order eine Insiderinformation genutzt zu haben. Nicht anders verhält es sich im Hinblick auf einen Bankangestellten, der eine Kundenorder in Kenntnis des Umstands ausführt, dass diese auf Insiderwissen des Ordererteilenden beruht227, doch kommt in diesem Falle Beihilfe (§ 27 StGB) an einer fremden Insidertat in Betracht228. Weder das Kreditinstitut noch dessen im Wertpapiergeschäft tätige Mitarbeiter sind verpflichtet, Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Kunde über Insiderwissen verfügt, das in seine Order eingeflossen ist229.
(9) Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte Unter den zahlreichen Möglichkeiten einer unternehmenserfolgsbezogenen Gestaltung der Vergütung von 68 Führungskräften kommt der Auflage von Aktienoptionsprogrammen (Stock Option Plans) eine besondere Bedeutung zu. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die leitenden Mitarbeiter des Emittenten statt Aktien, Genussscheinen oder Personalobligationen Optionsrechte auf Aktien der Gesellschaft erhalten. Mit der Verabschiedung des KonTraG vom 27.4.1998230 und den mit diesem verbundenen Änderungen des AktG sind die Möglichkeiten zur Begründung und Bedienung von Aktienoptionsprogrammen nicht unwesentlich erleichtert worden. Als Gestaltungsmodelle kommen die Begründung eigener Optionen (namentlich im Wege von Wandel- oder Optionsanleihen, § 221 AktG) durch das betreffende Unternehmen sowie der Erwerb von Dritten geschaffener Optionen auf Aktien der fraglichen Gesellschaft in Betracht231. Im ersteren Falle werden die Optionen mit Aktien unterlegt, die entweder im Wege der Kapitalerhöhung (etwa über die bedingte Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) geschaffen oder durch den Kauf eigener Aktien (nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG) beschafft werden können. Nach der Entscheidung des BGH vom 16.2.2004, Aktienoptionsprogramme zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern seien bei Unterlegung mit zurückgekauften eigenen Aktien der Gesellschaft (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 AktG) ebenso unzulässig wie bei der Unterlegung mit bedingtem Kapital gem. § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG232, beschränken sich die insidergeschäftlichen Fragen von Optionsprogrammen für Führungskräfte weitgehend auf solche für Vorstände und leitende Angestellte. Insiderrechtlich irrelevant ist die Einrichtung des Optionsprogramms233. Selbst wenn hierbei Beteiligte über 69 Insiderinformationen verfügen, liegt in der Gestaltung und Verwirklichung des Programms doch kein insiderrechtlich relevanter Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang. Da es sich bei den Begünstigten von Aktienoptionsprogrammen um Personen handelt, die kraft ihrer Or- 70 ganfunktion oder als leitende Angestellte Insiderkenntnisse erlangen, kann es im Zusammenhang mit der Auflage und der Durchführung der fraglichen Programme zu Konflikten mit den Insiderhandelsverboten des 225 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 197 ff., Überlegungen von Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 107 (Strafbarkeit des Mitarbeiters) aufgreifend. 226 So und auch zum folgenden Argument Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 197. 227 Assmann, WM 1996, 1337, 1346; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 149. 228 Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 188 ff. 229 Assmann, WM 1996, 1337, 1347; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 150. 230 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998, BGBl. I 1998, 786. 231 Optionen können als Finanzinstrumente i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 und Anhang I Abschnitt C Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349, Gegenstand von Insiderinformationen und damit Insiderpapiere sein; s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2. 232 BGH v. 16.2.2004 – II ZR 316/02, AG 2004, 265 f., 265 Ls. 233 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 43; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.72.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 70 | Insidergeschäfte Art. 14 lit. a und b i.V.m. Art. 8 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014 kommen. Die typischerweise als Wandel- oder Optionsanleihen aufgelegten Aktienoptionen sind bis zur Zuteilung an die Führungskräfte regelmäßig noch nicht zum Handel an einem der in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 multilateralen Systeme (Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 7 und 9) – in den Hauptfällen einer Börse oder einen Freiverkehr – zugelassen bzw. eingeführt und stellen deshalb keine Insiderpapiere dar234. Anders verhält es sich, wenn die Optionsrechte ausnahmsweise aus bereits zugelassenen/eingeführten Wandel- oder Optionsanleihen stammen und die jungen Aktien bereits mit der jeweiligen Anleihe zugelassen/eingeführt wurden235. Handelt es sich bei den fraglichen Papieren nicht um Insiderpapiere, sind folglich bei der Bereitstellung und Zuteilung der Aktienoptionen Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot ausgeschlossen236. Dementsprechend können auch die vor diesem Ereignis liegenden Vorgänge des Abschlusses oder der Änderung des Anstellungsvertrags der begünstigten Führungskräfte als insiderrechtlich irrelevant angesehen werden237. Da zwischen der Ausgabe der Optionen und dem Zeitpunkt, zu dem sie erstmalig ausgeübt werden können, typischerweise eine längere (i.d.R. mehrjährige) Wartefrist liegt und die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG höchstens 18 Monate betragen darf, sind bis zum Zuteilungszeitpunkt Insidergeschäfte im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien zur Bedienung von Aktienoptionen unwahrscheinlich238. Verfügt eine Führungskraft im Zeitpunkt der Abgabe der Teilnahmeerklärung über eine Insiderinformation, kann dies ein Insidergeschäft darstellen. Die Nutzung einer Insiderinformation kann allerdings nicht schon darin gesehen werden, dass die Insiderinformation „zumindest Teil seiner Motivation, an dem Programm teilzunehmen“, gewesen ist239. Vom Erwerb oder der Veräußerung eines Finanzinstruments kann auch in diesen Fällen nur ausgegangen werden, wenn der Insider mit der Teilnahmeerklärung bereits einen Gewinn realisieren kann (Rz. 18 und Rz. 21), was bei der Ausübung einer Option der Fall sein mag (Rz. 20), nicht aber bei der Teilnahme an einem Optionsprogramm, bei dem zwischen der Teilnahmeerklärung einerseits und dem Zeitpunkt der Ausübung der Option oder der Übertragung der optionsgegenständlichen Finanzinstrumente andererseits ein Zeitraum liegt, in dem die Information – wegen des Verlusts ihrer Kurserheblichkeit oder ihres öffentlichen Bekanntwerdens – ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren haben kann. 71 Werden zur Durchführung eines Aktienoptionsplans nicht eigene Optionen geschaffen, sondern fremde
Optionen auf Aktien des betreffenden Unternehmens beschafft und sodann den zu begünstigenden Führungskräften zugeteilt, so steht außer Frage, dass der Erwerb der Optionen, bei denen es sich regelmäßig um Insiderpapiere handeln wird, dem Insiderhandelsverbot nach Art. 14, 8 VO Nr. 596/2014 unterliegt240. Dennoch sind Insiderverstöße in diesem Zusammenhang eher unwahrscheinlich, weil das Unternehmen mit dem Erwerb typischerweise einem im Voraus festgelegten Plan folgt und Insiderwissen allenfalls dann relevant werden dürfte, wenn der Plan hinsichtlich des Zeitpunkts des Erwerbs der Optionen keine Datierung enthält und diesen, wie etwa auch bei der Fixierung bloßer Zeitfenster, der Entscheidung der Verantwortlichen überlässt. Die Zuteilung der fremden (wie auch der eigenen) Optionen erfolgt üblicherweise in Erfüllung eines dem Aktienoptionsplan entsprechenden Erwerbsgeschäfts zwischen dem Emittenten und den Begünstigten. Der Zuteilungszeitpunkt kann deshalb nur dann selbständiger Anknüpfungspunkt eines Insidergeschäfts sein, wenn dem Begünstigten bis zum geplanten Termin das Recht zusteht, das Angebot zur Teilnahme am Aktienoptionsprogramm (und damit das der Zuteilung zugrunde liegende obligatorische Erwerbsgeschäft) anzunehmen oder abzulehnen241. Verfügt der Begünstigte bei der Ausübung dieses Wahlrechts zugunsten des Optionsprogramms über Insiderwissen, so wird aber auch in diesem Falle kein Ausnutzen einer Insiderinformation vorliegen, wenn die Option erst nach einer Wartezeit ausgeübt werden kann, zu der die fraglichen Insiderinformationen – für den Betreffenden vorhersehbar – längst öffentlich bekannt sind oder ihr Potenzial zur Herbeiführung erheblicher Kursänderungen verloren haben242. 234 Casper, WM 1999, 363, 364; Feddersen, ZHR 161 (1997), 269, 288 f.; Fürhoff, AG 1998, 83, 84; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1775. 235 Fürhoff, AG 1998, 83, 85 Fn. 20, unter Hinweis auf Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, 1992, S. 76; Casper, WM 1999, 363, 364. 236 Assmann, AG 1997, 50, 58. I.E. ebenso Casper, WM 1999, 363, 364; Feddersen, ZHR 161 (1997), 269, 288 ff.; Fürhoff, AG 1998, 83, 84. 237 Assmann, AG 1997, 50, 58, unter Ablehnung entsprechender Überlegungen bei Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1774 f.; Casper, WM 1999, 363, 364. 238 Auch Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 110, 113; Widder/Kocher, AG 2009, 654, 657 f.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 29. 239 So aber unbegründet BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 37 (Hervorhebung hinzugefügt). Kritisch dazu auch Klasen, AG 2006, 24, 28 f. 240 Fürhoff, AG 1998, 83, 84. 241 Casper, WM 1999, 363, 365; i.E. auch Fürhoff, AG 1998, 83, 85; Klasen, AG 2006, 24, 29; Lotze, S. 57 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 133; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.72. 242 Vgl. auch von Dryander/Schröder, WM 2007, 537; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.147 f.
224 | Assmann
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Insidergeschäfte | Rz. 75 Art. 8 VO Nr. 596/2014
Auch in der Ausübung der Option ist erst dann ein insiderrechtlich relevanter Akt zu sehen, wenn die zur 72 Bedienung derselben zu liefernden Aktien Insiderpapiere (Rz. 5) darstellen, d.h. bereits an einem der in Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 angeführten multilateralen Systeme (vorstehend Rz. 69) zum Handel zugelassen bzw. eingeführt oder entsprechende Anträge gestellt sind243. Selbst wenn dies der Fall ist, kommt für mögliche Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot nur der Zeitpunkt in Frage, von dem ab die Option „im Geld“ und die Ausübung derselben überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist244. Der Optionsausübung vor diesem Zeitpunkt kann deshalb eine Absicht auf Erzielung eines Sondervorteils aus vorhandenem Insiderwissen abgesprochen werden, denn jede andere Handlungsweise wäre wirtschaftlich vorzugswürdiger. Kommt dagegen das Unterlassen der Ausübung einer nicht „im Geld“ befindlichen Option durch einen mit Insiderwissen ausgestatteten Begünstigten in Betracht, so fehlt es (mangels eines Erwerbs- oder Veräußerungsvorgangs) nicht nur an einer insiderrechtlich relevanten Handlungsweise, sondern (weil ein solches Verhalten zur Wahrnehmung der eigenen Interessen wirtschaftlich geboten ist) auch an einem durch Insiderkenntnisse veranlassten Akt. Ist die Option „im Geld“, so mangelt es bei jedem durch positive Insiderkenntnisse veranlassten Hinaus- 73 zögern der Optionsausübung wiederum an einem Erwerbstatbestand245. Kommt es dann nach dem öffentlichen Bekanntwerden der Insiderinformation zur Ausübung der Option, so wird keine öffentlich unbekannte Information verwendet246. Wird dem aus einer „im Geld“ befindlichen Option Begünstigten eine negative Insiderinformation bekannt und übt er daraufhin seine Option aus, so kann darin keine Verhaltensweise gesehen werden, die objektiv geeignet ist, dem Betreffenden einen Sondervorteil zu verschaffen, denn er wird mit den erworbenen Aktien, wie jeder andere Aktionär auch, am voraussichtlichen Kursverfall derselben partizipieren, es sei denn, er veräußert die Papiere aufgrund seines Insiderwissens noch vor der Veröffentlichung der fraglichen Information247. Es ist mithin nicht die Ausübung der Option selbst, sondern die Disposition über die aus jener erlangten Papiere, auf die insiderrechtlich abzustellen ist248. Zur Veräußerung von Aktien, die aufgrund der Ausübung der Option erlangt wurden, gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln für Wertpapiergeschäfte unter Verwendung einer Insiderinformation (Rz. 15, 17 ff.).
2. Geschäfte aufgrund Empfehlung oder Verleitung (Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) Eine Person, die einer nach Art. 14 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verbotenen Empfehlung eines 74 Insiders zu Geschäften in Insiderpapieren folgt oder sich zu solchen verleiten lassen, verwirklicht nach Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 den „Tatbestand des Insidergeschäfts“ i.S.v. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, wenn sie „weiß oder wissen sollte, dass diese auf Insiderinformationen beruht“. In Verbindung mit dem Insiderhandelsverbot in Art. 14 lit. a WpHG a.F. wird damit erstmals nicht nur das Handeln des Empfehlende oder Verleitenden als Insidertat geahndet, sondern auch dasjenige der Empfehlungsempfänger, der Empfehlungen oder Verleitungen im Wissen darüber folgt, dass diese auf der Grundlage von Insiderinformation vorgenommen wurden, oder zumindest hätte wissen sollen, dass dies der Fall ist. Die Vorschrift steht erkennbar im Zusammenhang mit den Bestimmungen über Empfehlungen und Verleitungen nach Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und knüpft an diese an. Sie wird aus diesem Grund entsprechend ihrer Stellung in Art. 8 VO Nr. 596/2014 im Anschluss an die Erläuterungen zu Abs. 2 (Rz. 97 ff.) behandelt. Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014 gilt nicht für die Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen nach Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014.
3. Versuch Hat eine Person nach ihrer Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands des Verbots von 75 Insidergeschäften unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB), fehlt es aber an der Vollendung, weil ein Teil des objektiven Tatbestands nicht erfüllt ist, kommt die Ahndung der Tat als Versuch nach Art. 14 lit. a VO Nr. 596/ 2014 i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 1 und § 119 Abs. 4 WpHG in Betracht. Ein Versuch kommt insbesondere dann
243 Ebenso Casper, WM 1999, 363, 365; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.150. 244 Ebenso von Dryander/Schröder, WM 2007, 534, 537; Feddersen, ZHR 161 (1997), 269, 291 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 136; Widder, WM 2010, 1884, 1887; Widder/Kocher, AG 2009, 654, 657. 245 Ebenso Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 91; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.73. 246 I.E. ebenso Fürhoff, AG 1998, 83, 85. 247 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 137; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 31; Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 110, 115; Widder/Kocher, AG 2009, 654, 657. 248 Assmann, AG 1997, 50, 58; i.E. ebenso Fürhoff, AG 1998, 83, 85; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 137; Süßmann, AG 1997, 63; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1775; auch Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 69.
Assmann | 225
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 75 | Insidergeschäfte in Frage, wenn eine Person davon ausgeht, die Information, aufgrund deren sie Insidergeschäfte nutzt, sei noch nicht öffentlich bekannt und stelle infolgedessen eine Insiderinformation dar. Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, „wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt“. Dieses Stadium ist erreicht, wenn der eine Täter „eine Handlung vornimmt, die im Falle eines ungestörten Geschehensablaufs nach seiner Vorstellung ohne wesentliche Zwischenschritte in die Tatbestandsverwirklichung münden wird“249. Nach den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden250 kann im Falle von Insidergeschäften das unmittelbare Ansetzen jedenfalls in der Platzierung der Order bzw. der Stornierung gesehen werden. Hinsichtlich des Offenlegungs- sowie des Empfehlungs- und Verleitungsverbots sei dagegen auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Täter die Information auf den Weg zum Adressaten bringe und dabei den weiteren Geschehensablauf aus der Hand gebe.
III. Empfehlung von und Verleitung zu Insidergeschäften (Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014) sowie die Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen (Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) 1. Übersicht – Normentwicklung 76 Nach Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014 ist es verboten, Dritten zu empfehlen Insidergeschäfte zu tätigen, oder
Dritte zu verleiten, Insidergeschäfte zu tätigen. Die Vorschrift ersetzt § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F., der seinerseits der Umsetzung von Art. 3 lit. b RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 2) diente251. Die ursprüngliche Fassung von Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014, in der statt – wie in der aktuellen Fassung – von „Dritte dazu zu verleiten“ von „Dritte anzustiften“ die Rede war, wurde nachträglich berichtigt252 (Rz. 4).
77 Im Gegensatz zu § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F., der das Empfehlungs- und Verleitungsverbot abschließend
formulierte, erschließt sich der Anwendungsbereich des Empfehlungs- und Verleitungsverbots des Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014 aber erst aus Art. 8 Abs. 2 und 3 VO Nr. 596/2014: Aus Art. 8 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 wird deutlich, dass der Adressat des Verbots nur eine Person ist, die über Insiderinformationen verfügt (näher Rz. 80) und auf der Grundlage dieser Informationen den Erwerb oder zu Veräußerung von Finanzinstrumenten empfiehlt, auf die sich die Insiderinformationen beziehen, oder zu Geschäften mit solchen Finanzinstrumenten verleitet (näher Rz. 82 ff. bzw. Rz. 91 ff.). Eine Differenzierung zwischen Primärund Sekundärinsidern nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 enthält die Vorschrift nicht253. Aus Art. 8 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 folgt, der Erweiterung des Verbots von Insidergeschäften auf die Stornierung und Änderung von Aufträgen gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 gerecht werdend, dass das Empfehlungs- und Verleitungsverbot auch die Empfehlung und die Verleitung zur Stornierung oder Änderung eines Auftrags für Finanzinstrumente erfasst, die Gegenstand der Insiderinformationen sind.
78 Auch weiterhin254 setzt ein Verstoß gegen das Empfehlungs- und Verleitungsverbot nicht voraus, dass eine
Person – „Dritter“ – einer Empfehlung zu Geschäften in Insiderpapieren oder zur Stornierung oder Änderung von Aufträgen über Insiderpapieren folgt oder sich zu solchen Geschäften verleiten lässt (Rz. 85). Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 lässt sich eine anderweitige Regelung nicht entnehmen. Vielmehr bestimmt die Vorschrift, dass die Person, die einer Empfehlung zu den vorgenannten Geschäften i.S.v. Art. 8 Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/2014 folgt oder zu solchen Geschäften verleitet wurde, damit nur dann ein verbotenes Insidergeschäft nach Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 begeht, wenn sie „weiß oder wissen sollte“, dass die Empfehlung oder die Verleitung auf Insiderinformationen beruht. Dies vorausgesetzt, stellt sich die von Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 so bezeichnete „Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen“ als die Nutzung einer Insiderinformation i.S.d. Erwerbs- und Veräußerungsverbots des Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 und damit als Insidergeschäft dar. Näher hierzu Rz. 97 ff.
249 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.1.1 S. 64. 250 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.5.1.1 S. 64. 251 Zur Entwicklung des europäischen und angeglichenen deutschen Empfehlungs- und Verleitungsverbots s. Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 117. 252 ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320, 322. 253 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 223; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 14 MAR Rz. 24 („jedermann, der Kenntnis von der entsprechenden Insiderinformation hat“), 29; zu § 14 WpHG a.F. Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 18, 363. A.A. (zu § 14 WpHG a.F.) Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.47. 254 Zu § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. s. Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 120 m.w.N.; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 146.
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Insidergeschäfte | Rz. 82 Art. 8 VO Nr. 596/2014
Das Empfehlungs- und Verleitungsverbot nach Art. 14 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ist da- 79 nach weiterhin als ein abstraktes Gefährdungsdelikt zu qualifizieren255. Bei dem Empfehlungs- bzw. Verleitungsverbot handelt es sich im Übrigen, nicht anders als das Verbot der unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 14, 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, um einen sog. Vorfeldtatbestand256, d.h. um Vorbereitungshandlungen zu Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäften mit Insiderpapieren als Transaktionen, durch deren Vornahme Insiderwissen überhaupt erst verwertet werden kann und das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Integrität der Kapitalmärkte verletzt wird (s. auch nachfolgend Rz. 80 a.E. und Vor Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 29a).
2. Empfehlung und Verleitung (Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) a) Adressat und Ratio des Verbots Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verlangt Empfehlungen oder Verleitungen „auf der Grundlage“ einer Insider- 80 information. Das Empfehlungs- und Verleitungsverbots nach Art. 14 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 richtet sich damit nur an Personen, die über Insiderinformationen verfügen und erfasst sowohl Primär- und Sekundärinsider (Rz. 77). Da nach § 119 Abs. 3 und 4 WpHG bzw. § 120 Abs. 14 WpHG nur ein vorsätzlicher bzw. leichtfertiger Verstoß gegen dieses Verbot geahndet wird (Rz. 9), setzt dies voraus, dass der Insider wusste bzw. leichtfertig nicht wusste, dass es sich bei der Information um eine Insiderinformation handelte. Adressaten des Verbots sind im Übrigen sowohl natürliche als auch juristischen Personen. Diese können das Verbot selbst oder durch einen anderen (§ 25 Abs. 1 StGB) oder gemeinschaftlich mit anderen Insidern (§ 25 Abs. 1 StGB) verletzten. Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014, der für den Fall, der im Falle der Täterschaft von juristischen Personen die Regelungen des Art. 8 VO Nr. 596/2014 über Insidergeschäfte auf natürliche Personen erstreckt, die an dem Beschluss, den Erwerb, die Veräußerung, die Stornierung oder Änderung eines Auftrags für Rechnung der betreffenden juristischen Person zu tätigen, beteiligt sind oder diesen beeinflussen, gilt nicht für das Empfehlungs- und Verleitungsverbot. Das Empfehlungs- und Verleitungsverbot bezieht sich nach eingängiger Umschreibung durch die BaFin „auf die Konstellation, in der der Insider, ohne selbst zu handeln oder die Insiderinformation offenzulegen, so auf einen Dritten einwirkt, dass dieser Handlungen begeht, die als Insiderdelikt zu qualifizieren wären, wenn sie vom Insider selbst ausgeführt würden“257. Damit werde insbesondere die Situation erfasst, in der der Dritte nicht wisse, dass die Empfehlung oder Verleitung auf der Grundlage einer Insiderinformation vorgenommen würde oder wurde. Das Empfehlungs- und Verleitungsverbot könne damit die Umgehung des Insiderhandelsverbots verhindern und stelle damit einen Vorfeldtatbestand (Rz. 79) zu verbotenen Insidergeschäften i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 dar. b) Gegenstand der Empfehlung oder Verleitung Die nach Art. 14 lit. b i.V.m. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verbotenen Empfehlungen und Verleitungen 81 können nach Art. 8 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 und im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 den Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten zum Gegenstand haben, auf die sich die Informationen beziehen; sie können nach Art. 8 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 aber auch die Stornierung oder Änderung eines Auftrags über solche Finanzinstrumente i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 betreffen.
c) Tathandlung aa) Empfehlung Da die Marktmissbrauchsverordnung bei der Formulierung des Tatbestands des Empfehlungsverbots weit- 82 gehend mit derjenigen der Marktmissbrauchsrichtlinie übereinstimmt, kann zur Auslegung des Empfehlungsverbots und des Merkmals der Empfehlung auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, wie sie sich in Bezug auf das Empfehlungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F., der die Vorgaben der RL 2003/6/ EG (Rz. 2) umsetzte, herausgebildet hatten. Dementsprechend ist als Empfehlung jede einseitige, rechtlich unverbindliche Erklärung zu betrachten, durch die jemand in der Absicht, den Willen des Adressaten zu 255 S. § 119 WpHG Rz. 88; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 216; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 74 (der der Empfänger die Empfehlung oder Verleitung erhält); Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 476; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 214; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.271. 256 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3 S. 61; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 1. 257 Dies und das Folgende BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3 S. 61.
Assmann | 227
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 82 | Insidergeschäfte beeinflussen, ein Verhalten als für den Adressaten vorteilhaft bezeichnet und die Verwirklichung dieses Verhaltens anrät258. Darunter fällt vor allem das, was im insiderrechtlichen Sprachgebrauch als „Tipp“ bezeichnet wird259. Gemeinhin wird, ohne dass man dem folgen müsste und dies praktische Konsequenzen hätte, die Empfehlung als Unterfall des Verleitens260 angesehen (s. auch Rz. 91). Ob eine Aussage tatsächlich Empfehlung im vorstehenden Sinne ist oder es sich bei ihr lediglich um eine allgemeine positive Aussage über ein Unternehmen handelt, ist durch Auslegung zu ermitteln261: Eine Empfehlung liegt danach vor, „wenn die objektive Auslegung ergibt, dass der Insider den Empfänger zu einem Handeln oder Unterlassen in Bezug auf ein Finanzinstrument bewegen wollte“262; die Bezeichnung als Empfehlung ist nicht erforderlich263. 83 Die Empfehlung muss ursächlich auf die Kenntnis einer Insiderinformation zurückgehen264. Deshalb unter-
liegt eine Empfehlung, die auch ohne das Insiderwissen abgegeben worden wäre, nicht dem insiderrechtlichen Empfehlungsverbot. Allerdings sprechen die Gründe für eine Kausalitätsvermutung, wie sie das Spector Photo Group-Urteil des EuGH265 für die Nutzung von Insiderinformationen für Insidergeschäfte für Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte aufgestellt hat (Rz. 36 ff.) für eine Übertragung derselben auf die Nutzung von Insiderinformationen als Grundlage einer Empfehlung oder Verleitung266.
84 Weder ist erforderlich, dass die Empfehlung die Insiderinformation preisgibt, d.h. weitergibt, und der
Empfänger zum Insider wird267, noch muss erkennbar geworden sein, dass der Empfehlung eine Insider-
258 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.2 S. 62 (ohne Absichtselement); Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 144 (ohne Absichtselement); Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 211 („dadurch den Willen des Adressaten beeinflussen will“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 75; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 225; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 69 (ohne Absichtselement). Zu § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. Becker, S. 56; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 12; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 489; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.170; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366; Meyer in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.273 („zielgerichtetes Verhalten eines Insiders“); Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/733; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 34; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 71; Soesters, S. 197. Wie hier, das Erfordernis der Absicht – der „Finalität des Empfehlungs- bzw. Verleitungshandelns“ (so der Titel vor ebd. Rz. 16) – sogar in den Vordergrund stellend, Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 15, 28. 259 Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.274; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 40. 260 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.2 S. 62; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 144; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 219; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 75; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 361, 379; Schwintek, S. 27. 261 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.2 S. 62; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 14; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 226; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 69. 262 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.2 S. 62; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 75; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 69. 263 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.2 S. 62; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 69. 264 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2 S. 61 (Täter muss selbst „in Kenntnis einer Insiderinformation agieren“); Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 143; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 212; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 500 f.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 71; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375; i.E. auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.282; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 35 f.; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/733; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 144. Für Art. 8 VO Nr. 596/2014 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/ Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 211; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 11. A.A., aber ohne triftige Einwände, Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 237 ff. (Kausalitätserfordernis lässt sich für Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 „nur modifiziert aufrechthalten“). 265 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74 Ls. 1, 76 f. Rz. 37 ff. 266 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3 S. 61; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 212; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 237 ff. I.E. auch Brellochs in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 143; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 42; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 11 ff. (Rz. 13: keine Vermutung, sondern Erfahrungssatz). 267 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2 S. 61; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 145; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 214; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.277; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 43; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 10.
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Insidergeschäfte | Rz. 86 Art. 8 VO Nr. 596/2014
information zugrunde liegt268. Bleibt es bei der bloßen Empfehlung, wird der Empfänger derselben jedenfalls nicht bereits deshalb zum Insider, weil die Empfehlung auf Insiderwissen des Empfehlenden beruht. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Empfehlende dem Kunden „Insiderwissen“ als Grund der Empfehlung nennt269. Allerdings erfüllt nach Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 die Nutzung einer Empfehlung den Tatbestand des Insidergeschäfts i.S.v. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, wenn die Person, die die Empfehlung nutzt oder der Verleitung folgt, weiß oder wissen sollte, dass diese auf Insiderinformationen beruht (Rz. 97 ff.)270. Des Weiteren setzt die Verletzung des Empfehlungsverbots nicht die Vornahme der empfohlenen Geschäf- 85 te voraus271. Das Verbot ist vielmehr mit der Mitteilung – dem Zugang oder der Zugänglichmachung – der Empfehlung bei dessen Adressaten verletzt272. Die Erklärung muss hierfür so in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch diesen besteht273. Ebenso wenig wie das Empfehlungsverbot die Mitteilung einer Insiderinformation verlangt, muss in der Empfehlung zum Ausdruck kommen, erkennbar sein oder erkannt werden, dass sie auf der Grundlage der Kenntnis einer Insiderinformation erfolgt274, denn nicht die Befolgung der Empfehlung, sondern die Abgabe einer solchen aufgrund von Insiderwissen soll unterbunden werden. Keine Rolle spielt schließlich, ob der Empfehlende für die Empfehlung eine Gegenleistung erhält oder erwartet oder an dem mit der Durchführung der Empfehlung realisierten Gewinn partizipiert oder partizipieren soll275. Die Empfehlung ist gegenüber „einem Dritten“276 abzugeben. Dritter ist jede andere Person i.S.d. Art. 3 86 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 als der Empfehlende selbst277. Zurechnungsfragen spielen hierbei keine Rolle, weshalb eine Empfehlung gegenüber einem anderen auch dann vorliegt, wenn, wie etwa in betrieblichen Zusammenhängen, sowohl das Handeln des Empfehlenden sowie dasjenige des Empfehlungsempfängers derselben natürlichen oder juristischen Person zuzurechnen sein sollte. Dritter ist auch jedes rechtlich selbständige Konzernunternehmen278. Ist eines der Konzernunternehmen gehindert, sein Insiderwissen auszunutzen oder weiterzugeben, so würden diese Verbote leerlaufen, wäre das gleiche Ziel, zumindest wirtschaftlich, durch eine entsprechende Empfehlung an ein anderes Konzernunternehmen zu erreichen279. Dass die Empfehlung auf Insiderwissen beruht, muss weder erkennbar sein, noch muss der Empfehlungsempfänger dies erkannt haben (Rz. 85).
268 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 75; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.277. A.A. wohl Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 43. 269 Assmann, WM 1996, 1337, 1353; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.278; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 71. 270 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.1 S. 62. Was hier für das Verleiten ausgeführt wird, gilt auch für die Empfehlung: „Davon zu trennen ist die Frage, ob der Verleitete durch die Befolgung des „Rats“ selbst Insiderhandel begeht. Hier kommt es darauf an, ob er durch den Insider auch eine Insiderinformation erhalten hat und sich ihrer Qualität als Insiderinformation bewusst war“. 271 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2 S. 61; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 74. Zu § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F.; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 492; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 228; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366, 380; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.274; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 70. 272 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2 S. 61; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 216 („Abgabe der Empfehlung“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, § 86 Rz. 74; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 491; Lücker, S. 115; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 370; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 195. 273 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2 S. 61. 274 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.573; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 145. 275 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 216; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 75; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 376; Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.275. 276 So in der Sache auch § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F., in dem von Empfehlung gegenüber „einem anderen“ die Rede war. 277 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 364; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.273; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 39; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 8. 278 Assmann in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 12.34; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.273; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 8; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 12 Rz. 118. 279 Assmann in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, 1998, Rz. 12.34.
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 87 | Insidergeschäfte 87 Die Empfehlung, den Erwerb oder der Veräußerung eines Insiderpapiers oder einen Auftrag, eine Änderung
desselben oder eine Stornierung des Auftrags zu unterlassen, ist aufgrund des klaren Wortlauts der Bestimmung, die nur eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Insiderpapiers erfasst, nicht von Art. 8 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 erfasst280. Warnt etwa ein Kreditinstitut einen Kunden vor dem Verkauf oder dem Erwerb von Insiderpapieren, so liegt darin weder ein Verstoß gegen das Empfehlungsverbot281 noch ein solcher gegen die anderen Verbotstatbestände des Art. 14 VO Nr. 596/2014. Auch hier ist es unschädlich, wenn der Empfehlende dem Kunden eröffnet, seine Empfehlung, von der geplanten Transaktion Abstand zu nehmen, beruhe auf Insiderinformationen (Rz. 84). Des Weiteren ist es unbedenklich, wenn der Empfehlende aufgrund seines Insiderwissens von der geplanten Transaktion abrät, indem er gleichzeitig den Erwerb oder die Veräußerung eines anderen Insiderpapiers empfiehlt, zu dem er über keine Insiderinformationen verfügt282.
88 Anders als im Schrifttum zu § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. teilweise vertreten283, kann in dem Abraten von
einer Veräußerung von Insiderpapieren nicht notwendigerweise die Empfehlung zum Zuerwerb gesehen werden284. Wer bspw. die Empfehlung erhält „Ich würde die Dings-Papiere im Moment nicht abstoßen“, wird dies, wenn nicht weitere Informationen nachgeschoben werden, vernünftigerweise nur so deuten, dass der Empfehlende den Zeitpunkt einer Veräußerung der Dings-Papiere für nachteilig hält, nicht aber, dass es ratsam sei, sich noch weiter mit Papieren einzudecken, die man zwar besser nicht hätte, aber im Moment auch nicht verkauft. Dagegen ist allerdings nicht zu bestreiten, dass, zusammen mit weiteren vom Empfehlenden eingesetzten Mitteln, auch die Empfehlung, bestimmte Insiderpapiere nicht zu veräußern, den Tatbestand des Verleitens erfüllen kann285. Darüber hinaus wurde gegen die vorstehend abgelehnte Ansicht aber vor allem eingewandt, ihr stehe die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen286.
89 Art. 8 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 verlangt die Empfehlung Finanzinstrumente, auf die sich die Informa-
tionen beziehen, zu erwerben oder zu veräußern. Auch wenn dies in der Vorschrift nicht ausdrücklich angeführt wird, erfasst sie doch alle Formen des Erwerbs und der Veräußerung, die in Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 genannt werden, d.h. die Empfehlung kann den Erwerb oder die Veräußerung für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt zum Gegenstand haben287. Auch der Unrechtsgehalt einer auf Insiderwissen beruhenden Empfehlung oder Verleitung hängt nicht davon ab, ob diese dem Adressaten derselben selbst mittelbar oder unmittelbar oder über dessen Geschäft einem Dritten zugutekommen sollen.
90 Von einer Empfehlung ist auch für den Fall auszugehen, dass eine Person auf der Grundlage eines Vor-
habens oder eines von ihr gefassten Entschlusses Dritten gegenüber eine Empfehlung abgibt. Wenn schon die von einer Person selbst geschaffene „innere Tatsache“ für diese selbst eine Insiderinformation darstellt (Rz. 64), so erst recht, wenn sie noch der früheren Gegenansicht verlangten „Drittbezug“ (Rz. 63) erhält, indem sie die Grundlage einer Empfehlung gegenüber Dritten erhält. 280 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3 S. 61. Ganz h.M., etwa, jeweils m.w.N.: Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 143; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 494; Lücker, S. 115 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 372; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.278; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/733; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 36; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 14; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 71, 73; Sethe in Assmann/ Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 147. 281 Assmann, WM 1996, 1337, 1352; Becker, S. 56; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 218; Cramer, AG 1997, 59, 62; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.170; Lücker, S. 115 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 372; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.278; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 36, 45; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 71. 282 Assmann, WM 1996, 1337, 1353; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 373. 283 Cahn, Der Konzern 2005, 5, 12; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 44. 284 Ganz h.M., etwa Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 493; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.280; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 86. 285 Insbes., jeweils m.w.N., Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 493, 494; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 147. 286 Assmann, WM 1996, 1337, 1351 f.; Becker, S. 56; Cramer, AG 1997, 59, 62; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 85. 287 Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 225; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.281. So schon zu allen Fassungen des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. Becker, S. 56; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 374; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 71; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 146.
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Insidergeschäfte | Rz. 92 Art. 8 VO Nr. 596/2014
bb) Verleitung Mit dem Begriff des Verleitens sollen alle Einwirkungen auf den Willen eines Dritten zur Vornahme von Ge- 91 schäften oder zur Stornierung oder Änderung von Aufträgen i.S.v. Art. 8 Abs. 2 lit. a bzw. b VO Nr. 596/2014 erfasst werden, die sich nicht als Empfehlung im Sinne dieser Vorschriften darstellen288. Das wurde unter § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. schon aus deren Wortlaut „oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten“ hergeleitet: Die Formulierung belege, dass der Begriff des Verleitens nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in Umsetzung von Art. 3 lit. b RL 2003/6/EG (Rz. 2) den Oberbegriff zu demjenigen der Empfehlung abgeben solle, oder – mit anderen Worten – die Empfehlung als ein „spezieller Unterfall des Verleitens als Mittel der Willensbeeinflussung“ zu verstehen sei (s. Rz. 82). Auch wenn Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 eine entsprechende Formulierung fehlt, ist der vorstehende Befund doch auch für diese Vorschrift zutreffend289. Dementsprechend werden Dritte dazu verleitet, einen Erwerb oder eine Veräußerung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 vorzunehmen oder einen Auftrag i.S.v. Art. 8 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 zu stornieren oder zu ändern, wenn ihr Wille mit dem Ziel beeinflusst wird, sie zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren oder zur Stornierung oder Änderung von Aufträgen über solche Geschäfte zu bewegen290. Dabei genügt es, wenn der Insider einem Dritten den Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments indirekt nahelegt, wobei ein „kommunikativer Kontakt mit dem Verleiteten ... nicht erforderlich“ sein soll291. Das bedeutet, dass es nicht darauf ankommt, welches Mittel für die Beeinflussung verwendet wird292. Und daraus folgt weiter, dass es auch in diesem Zusammenhang – wie bei der Empfehlung (Rz. 84) – nicht darauf ankommt, dass dem Dritten die Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht wird. Ist dies geschehen, begeht der Verleitete mit dem von ihm getätigten Geschäft selbst ein Insidergeschäft293 (s. schon Rz. 84 für ein Insidergeschäft des Empfehlungsempfängers).
Wie bei einer Empfehlung (Rz. 85) setzt die Verleitung eines Dritten nicht voraus, dass dieser tatsächlich 92 Insiderpapiere erworben oder veräußert hat294. Nicht erforderlich ist, dass die Verleitung beim Dritten, auf dessen Willen eingewirkt wird, auch tatsächlich – i.S. eines objektiven Tatbestandsmerkmals – einen Kaufoder Verkaufsentschluss hervorgerufen hat295. Schon aufgrund des Umstands, dass die Empfehlung ein Unterfall des Verleitens darstellt (Rz. 92) und ein Verstoß gegen das Empfehlungsverbot nicht voraussetzt, dass der Empfehlungsempfänger die Empfehlung folgte (Rz. 85), wäre es verfehlt, beim Hauptfall – dem Verleiten – etwas zu verlangen, was hinsichtlich des Unterfalls – der Empfehlung – entbehrlich sein soll296. Dagegen ist, auch hier dem Empfehlungsverbot entsprechend (Rz. 83), zu verlangen, dass das Verleiten ursächlich auf die Kenntnis einer Insiderinformation zurückgeht297. Wie schon im Hinblick auf Empfehlungen gilt für das Verleiten Dritter, welches im Übrigen die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllt, die Vermutung, dass dieses auf der Grundlage der Insiderinformationen erfolgte (Rz. 83). 288 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.1 S. 61/62 („Zum Erwerb oder zur Veräußerung verleitet, wer den Willen des anderen durch beliebige Mittel mit dem Ziel beeinflusst, diesen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten bzw. zur Änderung oder Stornierung eines diesbezüglichen Auftrags zu bewegen“). 289 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 220 f.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 75. 290 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.1 S. 61/62; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 221; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 74; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 220. Zu § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 34; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 379; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.283; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 32; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 15, 19. Unberechtigte Zweifel daran bei Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.47. 291 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.1 S. 62. 292 Unstr, etwa Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 143; Hopt/ Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 74; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 222; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 68. 293 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.1 S. 62. 294 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 74; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 487; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 223; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366, 380; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/733; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.566; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 70; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 148. 295 Für Art. 8 VO Nr. 596/2014 Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 23 ff. 296 So schon die ganz h.M. zum früheren Recht, etwa Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 127 (kein Tätigwerden des Verleiteten am Markt erforderlich); Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 487; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 380; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 148 (kein Tätigwerden des Verleiteten am Markt erforderlich). 297 Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 222; auch Renz/ Rippel in BuB, Rz. 7/733; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 11. A.A., aber ohne triftige Einwände, Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 237 ff. (Kausalitätserfordernis lässt sich für Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 „nur modifiziert aufrechthalten“).
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Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 | Insidergeschäfte 93 Ebenso wenig wie die Empfehlung, vom Erwerb oder der Veräußerung eines Insiderpapiers abzusehen, das
Empfehlungsverbot verletzt (Rz. 88), verstößt eine Person gegen das Verleitungsverbot, wenn sie einen Dritten dazu verleitet, den Erwerb oder die Veräußerung eines Insiderpapiers zu unterlassen298. Allerdings kann in einer Empfehlung, von der geplanten Veräußerung bestimmter Wertpapiere abzusehen, eine Verleitung zum Zuerwerb dieser Papiere gesehen werden, wenn es zum Einsatz weiterer Mittel kommt, um den Betreffenden hierzu zu veranlassen (Rz. 88).
94 Des Weiteren untersagt auch das Verleitungsverbot, nicht anders als das Empfehlungsverbot (Rz. 90), den
Dritten zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren für sich oder andere einen Dritten zu verleiten. Die Person, die – ohne dass ihr Insiderinformationen mitgeteilt werden – zu solchen Geschäften verleitet wird, wird dadurch nicht selbst zum Insider (entsprechend zur Empfehlung in Rz. 83) und unterliegt damit auch nicht den Insiderverboten des Art. 14 VO Nr. 596/2014299. Allerdings erfüllt nach Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 auch die Nutzung einer Verleitung den Tatbestand des Insidergeschäfts i.S.v. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, wenn die Person, die die Empfehlung nutzt oder der Verleitung folgt, weiß oder wissen sollte, dass diese auf Insiderinformationen beruht (Rz. 97 ff.).
95 Von einer Verleitung ist auch für den Fall auszugehen, dass eine Person auf der Grundlage eines von ihr
gefassten Entschlusses oder eines Vorhabens Dritten gegenüber eine Empfehlung abgibt und so einen anderen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren verleitet (Rz. 90).
3. Versuch 96 Hat eine Person nach ihrer Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands des Empfehlungs-
oder Verleitungsverbots unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB), fehlt es aber an der Vollendung, weil ein Teil des objektiven Tatbestands nicht erfüllt ist, kommt die Ahndung der Tat als Versuch nach Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 WpHG in Betracht.
4. Nutzung von Empfehlungen oder Verleitungen (Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) 97 Nutzt eine Person eine Empfehlung oder folgt sie einer Verleitung i.S.v. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014, so
erfüllt dies nach Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 den Tatbestand eines Insidergeschäfts i.S.v. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, wenn sie – ohne Kenntnis der Insiderinformation selbst gehabt haben zu müssen300 – weiß oder wissen sollte, dass die Empfehlung oder die Verleitung auf Insiderinformationen beruht. Dies vorausgesetzt, stellt die Nutzung einer Empfehlung oder die Verleitung mithin ein Insidergeschäft im weiteren Sinn dar, ohne dass dafür die Kenntnis einer Insiderinformation erforderlich ist. So gesehen wird Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 damit ein „neuer Tatbestand“ eines Insidergeschäfts301 hinzugefügt: Setzen Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 VO Nr. 596/2014 das Handeln einer Person voraus, die über Insiderinformationen verfügt und diese für Geschäfte in Insiderpapiere oder die Änderung oder Stornierung von Aufträgen nutzt oder zur Grundlage einer Empfehlung oder Verleitung macht, so verlangt Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 grundsätzlich nicht, dass die handelnde Person über die Insiderinformationen verfügt, auf deren Grundlage die Empfehlung oder die Verleitung erfolgte, der sie gefolgt ist. Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 lässt es vielmehr genügen, dass der Handelnde in Kenntnis der Empfehlung oder der Verleitung handelt302 und weiß oder wissen sollte, dass die Empfehlung oder Verleitung auf der Grundlage einer Insiderinformation erfolgte. Die Nutzung einer Empfehlung oder Verleitung liegt mithin darin, dass deren Adressat Finanzinstrumente erwirbt oder veräußert oder einen Auftrag über Finanzinstrumente ändert oder storniert303. Anders als bei Insidergeschäften von Personen, die Kenntnis einer Insiderinformation haben, kann die Nutzung der Empfehlung oder der Verleitung indes nicht aufgrund der Kenntnis der Empfehlung oder Verleitung vermutet werden. Eine Nutzung der Empfehlung oder Verleitung setzt deshalb voraus, dass das aufgrund derselben getätigte Geschäft „kausal auf die Empfehlung oder Verleitung zurückgeführt werden kann“304. 298 Ebenso Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 488; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 8 MAR Rz. 69; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 381; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 32; Schelm in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 9 Rz. 14. A.A. Cahn, Der Konzern 2005, 5, 12; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 44. 299 Zu § 14 Abs. 1 Nr. 13 WpHG a.F. unstreitig, etwa BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 41. 300 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.3 S. 62. 301 Krause, CCZ 2014, 248, 251. 302 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.3 S. 62; Klöhn in Klöhn, Art. 8 MAR Rz. 251. 303 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.3 S. 62. 304 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.3.3 S. 62.
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Legitime Handlungen | Art. 9 VO Nr. 596/2014
Dessen ungeachtet ist der Anwendungsbereich des neuen Tatbestands eines Insidergeschäfts allerdings im 98 Wesentlichen dadurch bestimmt, dass Verstöße gegen Art. 14 lit. a i.V.m. Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 – wie auch die anderen Insiderhandelsverbote (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27; hier Rz. 9) nur strafrechtlich und ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktioniert sind und eine vorsätzliches bzw. leichtfertiges Handeln voraussetzen. Dabei setzt ein strafbares vorsätzliches Handeln das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands voraus (Rz. 9), d.h. vorliegend das Wissen des Handelnden, dass die Empfehlung oder Verleitung auf der Grundlage einer Insiderinformation erfolgte. Leichtfertig und damit lediglich ordnungswidrig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt, d.h. aufgrund dieser Verletzung nicht weiß, dass die Empfehlung oder Verleitung auf der Grundlage einer Insiderinformation erfolgte. Anders verhielte es sich, wollte man es als objektive Bedingung der Strafbarkeit des Handelns aufgrund 99 einer Empfehlung oder Verleitung qualifizieren, dass die handelnde Person, wie Art. 8 Abs. 3 VO Nr. 596/ 2014 es verlangt, „weiß oder wissen sollte, dass [die Empfehlung oder Verleitung] auf Insiderinformationen beruht“. Das ist indes abzulehnen. Objektive Bedingungen der Strafbarkeit können nur solche Umstände sein, die keine Merkmale des Unrechtstatbestandes sind305 und auf die sich der – hier von § 119 Abs. 3 und Abs. 4 WpHG verlangte – Vorsatz dementsprechend nicht zu erstrecken braucht306. Der Tatbestand, dass eine Person einer Empfehlung oder Verleitung folgte, die auf einer Insiderinformation beruht, von dieser Grundlage aber nichts weiß, kann nicht als Unrechtstatbestand angesehen werden, dessen Strafbarkeit lediglich von der weiteren „Bedingung“ des Wissens oder Wissensollens abhängen soll. Vielmehr wird dieser Tatbestand gerade erst dadurch zum Unrechtstatbestand, dass die Person weiß oder wissen sollte (bzw. leichtfertig nicht wusste), dass sie mit der Empfehlung oder Verleitung Vorteile aus einer Insiderinformation zieht.
IV. Sanktionen und Rechtsfolgen von Verstößen gegen Art. 14 lit. a und b i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Zu den straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen von Verstößen gegen Art. 14 lit. a und b 100 i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/2014: Rz. 9 ff. und Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 5 ff. Zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 14 lit. a und b i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/ 101 2014 s. Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 ff. Bei Verstößen gegen Art. 14 lit. a und b i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/2014 stehen der BaFin Befugnisse nach 102 Maßgabe von § 6 Abs. 6 bis Abs. 10 WpHG zu. Zu den möglichen aufsichtsrechtlichen Folgen solcher Verstöße s. § 6 WpHG Rz. 146 ff. (befristetes Verbot und dauerhafte Untersagung bestimmter Handlungen und Verhaltensweisen), § 6 WpHG Rz. 156 ff. (Verbot von Geschäften natürlicher Personen), § 6 WpHG Rz. 162 ff. (Verbot beruflicher Tätigkeit), § 6 WpHG Rz. 178 ff. (öffentliche Bekanntgabe von Verstößen) und § 6 WpHG Rz. 188 ff. (Verbot der Teilnahme am Handel an einem Handelsplatz).
Art. 9 VO Nr. 596/2014 Legitime Handlungen (1) Für die Zwecke der Artikel 8 und 14 wird aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine juristische Person im Besitz von Insiderinformationen ist oder war, nicht angenommen, dass sie diese Informationen genutzt und daher auf der Grundlage eines Erwerbs oder einer Veräußerung Insidergeschäfte getätigt hat, wenn diese juristische Person a) zuvor angemessene und wirksame interne Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten hat, durch die wirksam sichergestellt wird, dass weder die natürliche Person, die in ihrem Auftrag den Beschluss gefasst hat, Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, auf die sich die Informationen beziehen, noch irgendeine andere natürliche Person, die diesen Beschluss in irgendeiner Weise beeinflusst haben könnte, im Besitz der Insiderinformationen gewesen ist, und b) die natürliche Person, die im Auftrag der juristischen Person Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, erworben oder veräußert hat, nicht auf[ge]fordert [Rz. 6 a.E.], ihr keine Empfehlungen gegeben, sie nicht angestiftet [richtig: verleitet] oder anderweitig beeinflusst hat. 305 Etwa Eisele in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 13 ff. StGB Rz. 125. 306 Etwa Eisele in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 13 ff. StGB Rz. 126.
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 | Legitime Handlungen (2) Für die Zwecke der Artikel 8 und 14 wird aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person im Besitz von Insiderinformationen ist, nicht angenommen, dass sie diese Informationen genutzt und daher auf der Grundlage eines Erwerbs oder einer Veräußerung Insidergeschäfte getätigt hat, wenn diese Person a) ein Market-Maker für die Finanzinstrumente ist, auf die sich diese Informationen beziehen, oder eine Person, die als Gegenpartei für die Finanzinstrumente zugelassen ist, auf die sich diese Informationen beziehen, und wenn der Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich diese Informationen beziehen, rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung ihrer Funktion als Market-Maker oder Gegenpartei für das betreffende Finanzinstrument erfolgt, oder b) wenn diese Person zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassen ist und der Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich der Auftrag bezieht, dazu dient, einen solchen Auftrag rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung des Berufs oder der Aufgaben dieser Person auszuführen. (3) Für die Zwecke der Artikel 8 und 14 wird aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person im Besitz von Insiderinformationen ist, nicht angenommen, dass sie diese Informationen genutzt und daher auf der Grundlage eines Erwerbs oder einer Veräußerung Insidergeschäfte getätigt hat, wenn diese Person ein Geschäft zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten tätigt, das, in gutem Glauben und nicht zur Umgehung des Verbots von Insidergeschäften, durchgeführt wird, um einer fällig gewordenen Verpflichtung nachzukommen, und wenn a) die betreffende Verpflichtung auf der Erteilung eines Auftrags oder dem Abschluss einer Vereinbarung aus der Zeit vor dem Erhalt der Insiderinformationen beruht oder b) das Geschäft der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder Regulierungsauflage dient, die vor dem Erhalt der Insiderinformationen entstanden ist. (4) Für die Zwecke des Artikels 8 und 14 wird aufgrund der bloßen Tatsache, dass eine Person Insiderinformationen besitzt, nicht angenommen, dass sie diese Informationen genutzt und daher Insidergeschäfte getätigt hat, wenn sie diese Insiderinformation im Zuge der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmenszusammenschlusses auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots erworben hat und diese Insiderinformationen ausschließlich nutzt, um den Unternehmenszusammenschluss oder die Übernahme auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots weiterzuführen, unter der Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung des Unternehmenszusammenschlusses oder der Annahme des Angebotes durch die Anteilseigner des betreffenden Unternehmens sämtliche Insiderinformationen öffentlich gemacht worden sind oder auf andere Weise ihren Charakter als Insiderinformationen verloren haben. Dieser Absatz gilt nicht für den Beteiligungsaufbau. (5) Für die Zwecke der Artikel 8 und 14 stellt die bloße Tatsache, dass eine Person ihr Wissen darüber, dass sie beschlossen hat, Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, beim Erwerb oder der Veräußerung dieser Finanzinstrumente nutzt, an sich noch keine Nutzung von Insiderinformationen dar. (6) Unbeschadet der Absätze 1 bis 5 des vorliegenden Artikels kann es als Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften gemäß Artikel 14 betrachtet werden, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass sich hinter den betreffenden Handelsaufträgen, Geschäften oder Handlungen ein rechtswidriger Grund verbirgt. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Schrifttum: S. Art. 1 VO Nr. 596/2014, Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmen von der Nutzungsvermutung und vom Verbot von Insidergeschäften (Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . 1. Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte von juristischen Personen mit Insiderwissen (Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . 2. Geschäfte bestimmter Marktintermediäre in normaler Ausübung ihrer Funktion (Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . .
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3. Erfüllung fällig gewordener Verpflichtungen (Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . 4. Geschäfte im Zuge von Unternehmensübernahmen oder diesen nachfolgenden Zusammenschlüssen (Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . 5. Umsetzung eines Entschlusses (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rückausnahme: Geschäfte oder Handlungen mit rechtswidrigem Grund (Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Legitime Handlungen | Rz. 2 Art. 9 VO Nr. 596/2014
I. Regelungsgehalt Ein nach Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 (MAR) verbotenes Insidergeschäft setzt nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 1 VO Nr. 596/2014 voraus, dass eine Person, die über eine Insiderinformation verfügt, diese nutzt, um für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, zu erwerben oder zu veräußern. In dem für die Auslegung dieser Vorschrift maßgeblichen Spector Photo Group-Urteil1 (dazu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 36) hat der EuGH entschieden, „dass die Tatsache, dass eine ... Person, die über eine Insider-Information verfügt, für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, erwirbt oder veräußert oder dies versucht, vorbehaltlich der Wahrung der Verteidigungsrechte und insbesondere des Rechts, diese Vermutung widerlegen zu können, eine ‚Nutzung [dieser Information]‘ im Sinne dieser Bestimmung durch die genannte Person impliziert“. Entsprechendes findet sich in Erwägungsgrund 24 Sätze 1 und 2 VO Nr. 596/2014: „Wenn eine juristische oder natürliche Personen im Besitz von Insiderinformationen für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter, sei es unmittelbar oder mittelbar, Finanzinstrumente, auf die sich diese Informationen beziehen, erwirbt oder veräußert bzw. zu erwerben oder zu veräußern versucht, sollte unterstellt werden, dass diese Person diese Informationen genutzt hat. Diese Annahme lässt die Verteidigungsrechte unberührt.“ Das heißt im Klartext, dass eine widerlegliche Vermutung dafürspricht, dass eine Person, die über Insiderinformationen verfügt und Insiderpapiere erworben oder veräußert hat, dies unter Nutzung der Insiderinformation tat. Diese Nutzungsvermutung ist die Grundlage der Regelung in Art. 9 VO Nr. 596/20142, die – ausweislich 2 der gleichlautenden Formulierung in Art. 9 Abs. 1–4 VO Nr. 596/2014: „wird ... nicht angenommen, dass ...“ – bestimmt, dass die Vermutung unter den in Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 angeführten Voraussetzungen nicht eingreift. Die Formulierung in Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 ist indes nicht so zu verstehen, dass in den in diesen Vorschriften aufgeführten Fällen die Nutzung einer Insiderinformation zwar nicht vermutet, aber gleichwohl nachgewiesen werden kann. Vielmehr führen Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 legitime Handlungen auf, die nicht als Insidergeschäfte gelten und damit – vorbehaltlich der Feststellung eines rechtwidrigen Grundes der fraglichen Geschäfte nach Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 durch die BaFin – als Ausnahmen vom Verbot von Insidergeschäften angesehen werden können3. Dafür spricht auch der Umstand, dass in Art. 9 VO Nr. 596/2014 Fälle aufgegriffen werden, die schon in Erwägungsgründen 18 und 30 der RL 2003/6/EG vom 28.1.20034, lang vor der Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH, als „legitime Geschäfte“ und nicht im Einzelfall in Frage zu stellende Ausnahmen vom Insiderhandelsverbot betrachtet wurden. Und auch in den Erwägungsgründen 29, 30 und 42 VO Nr. 596/2014 kommt im Zusammenhang mit Marktmissbrauch und Marktmanipulation zum Ausdruck, dass „legitime Handlungen“ rechtlich anzuerkennende Handlungen sind, die von den entsprechenden Verboten nicht erfasst werden. Eine Rückausnahme formuliert Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014, demzufolge, auch wenn einer der in Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 geregelten Fälle gegeben ist, ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften gem. Art. 14 VO Nr. 596/2014 betrachtet werden, wenn die zuständige Behörde feststellt, dass sich hinter den betreffenden Handelsaufträgen, Geschäften oder Handlungen ein rechtswidriger Grund verbirgt. 1 EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector Photo Group, AG 2010, 74 Ls. 1, 76 f. Rz. 37 ff. 2 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.1 S. 55 und I.4.2.5.2 S. 55. 3 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2 S. 55, mit dem Hinweis auf den „tatbestandsausschließenden Charakter“ von Art. 9 VO Nr. 596/2014, mitunter ist auch von „Bereichsausnahme[n]“ die Rede (etwa ebd. I.4.2.5.2.1.2 S. 55). Ebenso („Ausnahmen“) Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 146; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 172. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 78, sprechen von Ausnahmen, aber auch von der Widerlegung der Vermutung; ebd. Rz. 88 Fn. 1 und Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 785: keine „generelle Bereichsausnahme“, sondern nur „eine spezielle Regelung“; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 400, nimmt teils „Ausnahmen oder Klarstellungen“, teils „gerechtfertigte Handlungen“ an, behandelt diese aber in der Sache als Ausnahmen vom Verbot von Insidergeschäften; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 1 spricht von einer „gesetzlich fixierte[n] Ausnahmen zu der Spector-Regel“: Seien „die Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 1 erfüllt, [entfalle] ... der Tatbestand von Art. 8 Abs. 1 [VO Nr. 596/2014]“; Poelzig in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 23 („Art. 9 hat tatbestandsausschließende Wirkung“). Ähnlich auch Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 48 („Die in Art. 9 MAR geregelten legitimen Handlungen haben eine tatbestandsausschließende Wirkung, weil unter den genannten Voraussetzungen keine Nutzung einer Insiderinformation vorliegt und damit der objektive Verbotstatbestand nicht erfüllt ist“); Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.240. 4 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16.
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Legitime Handlungen 3 Die in Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Ausnahmen vom Verbot von Insidergeschäften bezie-
hen sich sämtliche nur auf Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/ 2014 und erfassen damit weder Empfehlungen oder Verleitungen zu Insidergeschäften noch die Weitergabe von Insiderinformationen5. Dagegen fallen die Stornierung oder die Änderung von Aufträgen betreffend Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte, da es sich bei ihnen um Modifikationen solcher Insidergeschäfte handelt, in den Anwendungsbereich des Art. 9 VO Nr. 596/20146. Gerade wenn man Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 zwar als auf der der Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH basierende, aber als Ausnahme vom Verbot von Insidergeschäften ausgestaltete Vorschrift sieht, versteht es sich von selbst, dass Art. 9 VO Nr. 596/2014 keine abschließende Regelung der Verteidigungsmöglichkeiten gegen die in dieser Entscheidung begründete Nutzungsvermutung darstellt7.
4 Einzelne Bestimmungen von Art. 9 VO Nr. 596/2014 bauen auf solchen der RL 2003/6/EG (Rz. 2) auf8: Art. 9
Abs. 3 lit. a und b VO Nr. 596/2014 entsprechen Art. 2 Abs. 3 RL 2003/6/EG. Es steht außer Frage, dass – zusätzlich zu den in Art. 9 VO Nr. 596/2014 gesetzlich fixierten Ausnahmen – auch andere, in dieser Vorschrift nicht benannte Fälle, eine legitime, tatbestandsausschließende Handlung darstellen können9. Zu solchen s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 39a.
II. Ausnahmen von der Nutzungsvermutung und vom Verbot von Insidergeschäften (Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014) 5 Bei den in Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 behandelten Fällen handelt es sich um „legitime Handlungen“
in dem Sinne, dass diese unter den in diesen Vorschriften jeweils angeführten Voraussetzungen kein gegen Art. 14 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 verstoßendes Insidergeschäft darstellen (Rz. 2).
1. Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte von juristischen Personen mit Insiderwissen (Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) 6 Nach Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 wird für die Zwecke der Art. 8 und 14 VO Nr. 596/2014 aufgrund der
bloßen Tatsache, dass eine juristische Person im Besitz von Insiderinformationen ist oder war, nicht angenommen, dass sie diese Informationen genutzt und daher auf der Grundlage eines Erwerbs oder einer Veräußerung Insidergeschäfte getätigt hat, wenn diese juristische Person die in lit. a und b der Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Die Formulierung der Ausnahme für Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte von juristischen Personen mit Insiderwissen, das sich auf die erworbenen Finanzinstrumente bezieht, ist – namentlich was die in lit. a und b genannten Voraussetzungen angeht – nicht nur sachlich und sprachlich misslungen, sondern ist auch hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des deutschen Strafprozessrechts Zweifeln10 ausgesetzt. Zu ihren sachlichen und sprachlichen Mängeln: Zum einen verwendet die Vorschrift in der in Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 formulierten Voraussetzung für das Eingreifen der Ausnahme Begriffe, die sich auf Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 beziehen, nach dem das Insidergeschäft einer juristischen auch ein solches der natürlichen Personen darstellt, die an dem Beschluss, den Erwerb, die Veräußerung, die Stornierung oder Änderung eines Auftrags für Rechnung der betreffenden ju5 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 400, 402; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 4. 6 Im Grundsatz anders 7. Aufl. Rz. 3. In der Sache sind Stornierungen oder Änderungen von Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften nichts anderes als neue Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte, die nicht anders zu behandeln sind als die modifizierten. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 400, 402; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 4. 7 I.E. ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 146; BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 401; Bühren, NZG 2017, 1172, 1175; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 78; Klöhn, AG 2016, 423, 433; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 3; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 10; Poelzig, NZG 2016, 528, 533; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.30; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 595, 597; Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 120; Veil, ZBB 2014, 85, 91; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 50, 87. 8 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/ EG vom 28.1.2003. 9 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2 S. 55. 10 Szesny, DB 2016, 1420, 1421; Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, 7. Kapitel, § 38 WpHG Rz. 120.
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Legitime Handlungen | Rz. 8 Art. 9 VO Nr. 596/2014
ristischen Person zu tätigen, beteiligt sind oder diesen beeinflussen. Anders als dort nimmt Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, wenn er von Beschlussfassung und Beschlussbeeinflussung spricht, aber nicht auf diese natürlichen Personen und ihren Beschluss Bezug, sondern spricht vom einem Beschluss, den eine natürliche Person im Auftrag der juristischen Person gefasst hat. Eine natürliche Person, die für eine juristische Person Finanzinstrumente erwirbt oder veräußert, tut dies aber – jedenfalls nach deutschem Recht – nicht aufgrund eines von ihr gefassten Beschlusses und schon gar nicht aufgrund eines von ihr im Auftrag der juristischen Person gefassten Beschlusses. Entsprechend unklar ist, was unter der Beeinflussung eines solchen Beschlusses durch einen Dritten zu verstehen ist. Zum anderen ist trotz der zweifachen Berichtigung von Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung und namentlich der Berichtigung von Art. 8 Abs. 2 und 3 VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf den Austausch der Begriffe „Anstiftung“ und „anstiften“ durch die Begriffe „Verleitung“ und „verleiten“ (dazu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 4) in Art. 9 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 nach wie vor von „angestiftet“ statt von „verleitet“ die Rede. Darüber hinaus muss es in Art. 9 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 richtigerweis auch „aufgefordert“ statt „auffordert“ heißen. Mit den letztgenannten Mängeln, d.h. diejenigen der Formulierung des Art. 9 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014, 7 ist problemlos im vorstehenden Sinne umzugehen. Im Hinblick auf die Formulierungsmängel des Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ist dagegen erforderlich, was im Kollisionsrecht, das zur Anwendung einer ausländischen Norm durch inländische Gerichte führen kann, als Anpassung bezeichnet wird: Die EU-Verordnung (im kollisionsrechtlichen Bild der Anpassung, ein trotz seiner unmittelbaren Geltung in den Mitgliedstaaten „fremder“ Normkomplex) verwendet Begriffe und bezieht sich auf Vorgänge, die dem auf juristische Personen und das Recht der Geschäfte und Handlungen für juristische Personen anwendbaren deutschen Recht so nicht bekannt sind, was eine Anpassung der Begrifflichkeit der Verordnung an die Verhältnisse des deutschen Rechts unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der fraglichen Vorschrift verlangt. In letzterer Hinsicht ist davon auszugehen, dass Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht, wie Art. 8 Abs. 5 VO Nr. 596/2014, die an einem Beschluss beteiligten Personen erfasst, sondern jede natürliche Person, die – so lässt sich die Formulierung deuten, dass die natürliche Person ihren „Beschluss“ im „Auftrag“ der juristischen Person gefasst haben muss – kraft der ihr zukommenden oder zugewiesenen Befugnisse den Entschluss gefasst hat, für Rechnung der juristischen Person Finanzinstrumente zu erwerben oder zu veräußern, auf die sich die Insiderinformationen der juristischen Person – das sind die ihr zurechenbaren Insiderinformationen natürlicher Personen wie insbesondere der Mitglieder ihrer Organe – beziehen oder die dieses Tätigwerden in irgendeiner Weise beeinflusst hat11. Dafür spricht, dass Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 die von Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 formulierte Ausnahme nur gewährt, wenn durch entsprechende Organisationsmaßnahmen sichergestellt ist, dass Insiderwissen über dem Insiderhandelsverbot unterliegende Finanzinstrumente, welches der juristischen Person zugerechnet wird und damit bei dieser vorhanden ist, nicht denjenigen natürlichen Personen zufließt oder zugänglich wird, die mit dem Erwerb und der Veräußerung solcher Finanzinstrumente betraut sind oder berechtigterweise solche Geschäfte vornehmen können12. Eine solche natürliche Person kann auch ein Organmitglied, wie etwa der Finanzvorstand, sein, wenn angemessene und wirksame interne Regelungen und Verfahren eingeführt wurden, dass diese Person mit Informationen der fraglichen Art nicht in Berührung kommt. Tatsächlich wird der Hauptanwendungsbereich der Ausnahme aber bei solchen juristischen Personen liegen, die über eigene Abteilungen verfügen, die „im Auftrag“ des Unternehmens Finanzmittel desselben in Finanzinstrumente investieren, was wiederum überwiegend bei im Finanzsektor tätigen Unternehmen, namentlich Kreditinstituten mit ausgeprägtem Eigenhandel, der Fall sein wird. Die vorstehende Auslegung – „Anpassung“ – von Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist dahingehend zusam- 8 menzufassen, dass der Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten durch eine juristische Person, welche über Insiderinformationen über die fraglichen Instrumente verfügt, dann kein Insidergeschäft der juristischen Person darstellt, wenn – erstens (Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) – angemessene und wirksame interne Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrechterhalten wurden, durch die wirksam sichergestellt war, dass die natürliche Person, welche berechtigterweise den Erwerb oder die Veräußerung der fraglichen Finanzinstrumente veranlasste oder hierauf auf irgendeine Weise Einfluss ausübte, 11 Erwägungsgrund 30 VO Nr. 596/2014 spricht von bei „ihnen [d.h. juristischen Personen] beschäftigte natürliche Personen“). Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 80 („die für den Handel von Finanzinstrumenten zuständigen Personen“; „die für sie [d.h. die juristische Person, d. Verf.] handelnden natürlichen Personen“); Klöhn in Klöhn, Art. 8 Rz. 93; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 19 („Aufgaben der juristischen Person in deren Auftrag ... und in deren Namen ... ausführen, dh mit ausreichendem Bezug zur juristischen Person“ handelnd); Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 150 („die für sie [die juristische Person, d. Verf.] handelnde natürliche Person“). 12 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 80; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.242.
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 | Legitime Handlungen nicht über die fraglichen Insiderinformationen verfügte, und darüber hinaus – zweitens (Art. 9 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014) die juristische Person die natürliche Person, die den Erwerb oder die Veräußerung der Finanzinstrumente veranlasste, weder dazu aufgefordert hat noch ihr diesbezüglich Empfehlungen gab und sie diesbezüglich auch nicht verleitet oder anderweitig beeinflusst hat. 9 Adressat der Ausnahme des Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist eine juristische Person. Juristische Personen
i.S. dieser Bestimmung sind nicht nur die nach deutschem Recht als juristische Personen geltenden GmbH, AG, SE, KGaA, eingetragene Vereine und Genossenschaften sowie die diesen entsprechende ausländischen Rechtsformen, sondern in verordnungsautonomer teleologischer Auslegung alle rechtlich verselbständigten Personenvereinigungen (namentlich OHG, KG, PartG und Außen-GbR) sowie Körperschaften des Privatrechts und öffentlichen Rechts, die selbstständige Träger von Rechten und Pflichten sein können13 (Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 22). Juristische Personen des öffentlichen Rechts (namentlich Gebiets- und sonstige Körperschaften, Anstalten sowie Stiftungen des öffentlichen Rechts) sind allerdings nur insoweit erfasst, als sie nicht in einem der durch Art. 6 VO Nr. 596/2014 von der Anwendung der Verordnung ausgenommenen Tätigkeitsbereiche der Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung oder Klimapolitik tätig werden14. Natürliche Person i.S.d. in Art. 9 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 aufgeführten Voraussetzung ist jeder Mensch (Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 22), in dessen Person die Voraussetzung dieser Bestimmung gegeben ist15. Darüber hinaus können als „natürliche Person, die in ihrem [d.h. der juristischen Person, Anm. d. Verf.] Auftrag den Beschluss gefasst hat“ auch mehrere natürliche Personen in Betracht kommen16, deren gemeinschaftliches Handeln, etwa durch Beschluss, das Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfts veranlasst hat. Eine juristische Person ist, wie es eingangs von Art. 9 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 verlangt wird, „im Besitz von Insiderinformationen“, wenn sie, aufgrund der für sie jeweils geltenden Zurechnung des Wissens natürlicher Personen, „Kenntnis der Insiderinformation“17 hat.
9a Ob angemessene und wirksame internen Regelungen und Verfahren eingeführt, umgesetzt und aufrecht-
erhalten wurden, um die Weitergabe von Insiderinformationen zu und zwischen einzelnen Handlungsbereichen des Unternehmens zu verhindern, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls18 wie die, ob – wie es Art. 9 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 verlangt – die Vorkehrungen dergestalt waren, dass sie im konkreten Fall sicherstellten, dass die für die juristische Person handelnde(n) natürliche(n) Person(en) nicht „im Besitz der der Insiderinformationen gewesen ist“. Welche Vorkehrungen im Einzelfall angemessen und wirksam sind, hängt u.a. von dem Gegenstand (etwa Produktion, Handel, oder Finanzdienstleistungen), der Größe und der internen Organisation der juristischen Person ab19. Für die Beurteilung der Angemessenheit und der Wirksamkeit der Vorkehrungen kommt es darüber hinaus „auf eine Abwägung zwischen der Gefahr bzw. dem drohenden Ausmaß von Insiderdelikten und den zur Abwehr erforderlichen Maßnahmen an“20. Vorgenannte Faktoren sind auch bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, wer die Einrichtung und Überwachung der Maßnahmen zur Kontrolle von Kommunikationswegen und Informationsflüssen – oder, mit anderen Worten, die Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen und Informationsbarrieren (Chinese Walls21)
13 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.1 S. 56; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 147; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 17; Veil in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 52. 14 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56. 15 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56. 16 Auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 80. 17 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56. 18 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56: „Art. 9 Abs. 1 MAR gibt lediglich das Ziel angemessener und wirksamer Regelungen und Verfahren vor, überlässt die konkrete Ausgestaltung des Systems jedoch der einzelnen juristischen Person“. So schon Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 404; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 26; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 24. 19 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56 (zu berücksichtigen sind u.a. „der Tätigkeitsbereich bzw. die Größe und Komplexität des Unternehmens“). Ebenso schon 7. Aufl. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 9; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 176; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 37 f.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 25; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.244. 20 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56 („Je umfassender das Unternehmen beispielsweise mit dem Handel von Finanzinstrumenten befasst ist und je größer und komplexer seine Struktur ist, desto höher ist auch die abstrakte Gefahr von Insiderhandel, so dass entsprechend höherer Aufwand zu betreiben ist, um den Anforderungen von Art. 9 Abs. 1 MAR zu genügen“). 21 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56. Schon 7. Aufl. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 9; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 80; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.242; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 56.
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Legitime Handlungen | Rz. 11 Art. 9 VO Nr. 596/2014
– zu verantworten hat, um als angemessen und wirksam gelten zu können22, wobei mit der Größe und arbeitsteiligen Differenzierung eines Unternehmens die Notwendigkeit der Delegation dieser Aufgabe vom Leitungsorgan auf sog. Compliance-Abteilungen und -Officer wächst. Als weitere Maßnahmen kommen tatsächliche räumliche Zutritts- und Kommunikationsbeschränkungen – namentlich Beschränkungen des Zugriffs auf Daten, Gesprächsaufzeichnungen23, sowie „Watch Lists und Restricted Lists“ – in Betracht24. Ob mit der Erteilung von „Handelsverboten für die Personen, die trotz aller Maßnahmen von Insiderinformationen erfahren“25, mehr gewonnen ist als die Unterstreichung der ohnehin bestehenden gesetzlichen Handelsverbote, mag man bezweifeln. Als Teil der Unterrichtung (Schulung) von Mitarbeitern im Hinblick auf ihre insiderrechtlichen Compliancepflichten können dagegen auch in deren Zusammenhang erteilte Handelsverbote sinnvoll sein. Welche Vorkehrungen im Einzelfall auch immer zu ergreifen sind, müssen sie stets aus Regelungen, d.h. unternehmensintern verbindlichen Anordnungen, und – kumulativ – Verfahren im Sinne etablierter Abläufe zur Umsetzung der Regelungen bestehen26. Nicht ausreichend ist es, wenn nur die einen (Regelungen) oder die anderen (Verfahren) vorzufinden sind. Im Hinblick auf die Erfordernisse von Art. 9 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 liegt eine Aufforderung der 10 natürlichen Person vor, wenn von diese ersucht oder von ihr verlangt wird, bestimmte Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte in Bezug auf Finanzinstrumente, zu denen der juristischen Person Insiderinformationen vorliegen, zu tätigen. Zur Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass die juristische Person keine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren gegeben hat, kann auf die Erläuterungen in Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 82 verwiesen werden. Gleiches gilt für die Auslegung des Begriffs der Verleitung („Anstiftung“, s. Rz. 6) zu Geschäften mit Finanzinstrumenten: Da als Verleitung jedwede Einwirkungen auf den Willen eines Dritten zur Vornahme solcher Geschäfte erfasst wird, die sich nicht als Empfehlung im Sinne dieser Vorschriften darstellt (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 91), kommt dem Begriff der anderweitigen Beeinflussung keine eigenständige Bedeutung zu.
2. Geschäfte bestimmter Marktintermediäre in normaler Ausübung ihrer Funktion (Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) In Erwägungsgrund 29 VO Nr. 596/2014 heißt es, damit legitime Formen von Finanzaktivitäten nicht unge- 11 wollt verboten würden, insbesondere nicht solche, in denen kein Marktmissbrauch vorliege, sei es erforderlich, bestimmte legitime Handlungen anzuerkennen. Dazu gehöre etwa die Anerkennung der Rolle der Market-Maker, wenn sie in ihrer legitimen Eigenschaft als Bereitsteller von Marktliquidität tätig würden. Konkretisiert wird dies in Erwägungsgrund 30 VO Nr. 596/2014: „Beschränken sich Market-Maker oder Personen, die als Gegenparteien fungieren dürfen, auf die Ausübung ihrer legitimen Geschäftstätigkeit in Form des Erwerbs oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten oder beschränken sich zur Ausführung von Aufträgen für Rechnung Dritter, die über Insiderinformationen verfügen, befugte Personen auf die pflichtgemäße Ausführung der Stornierung oder Änderung eines Auftrags, so sollte dies nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten. Der in dieser Verordnung vorgesehene Schutz für Market-Maker, für Stellen, die befugt sind, als Gegenpartei aufzutreten, und für Personen, die befugt sind, im Namen Dritter, die über Insiderinformationen verfügen, Aufträge auszuführen, erstreckt sich nicht auf Tätigkeiten, die gemäß dieser Verordnung eindeutig verboten sind, so unter anderem die gemeinhin als ‚Frontrunning‘ bekannte Praxis (Eigengeschäfte in Kenntnis von Kundenaufträgen).“27
22 Auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 404. 23 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56 („Das kann zum Beispiel durch räumliche Trennung, Zugangsbegrenzungen oder eine entsprechende Organisation der Kommunikation erfolgen. Möglich sind etwa die Untersagung der Kontaktaufnahme mit verschiedenen Mitarbeitern, die Aufzeichnung von Telefongesprächen sowie die Archivierung von E-Mails. Zudem ist darauf zu achten, dass es nicht durch einen Abteilungswechsel von Mitarbeitern zu einer Weitergabe von Insiderinformationen kommt“); Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 56. 24 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56 („Auf einer Beobachtungsliste können die potenziellen Insiderinformationen gesammelt werden, auf den Sperrlisten können Finanzinstrumente aufgeführt werden, durch deren Handel gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen werden kann“); Buck-Heeb in Assmann/Schütze/BuckHeeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 176; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 32, 33; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.242; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 56. 25 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1 S. 56. 26 I.E. ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 28 bzw. 30; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 23. 27 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.2 a.E. S. 57. Zum Frontrunning s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 43 f.
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 | Legitime Handlungen 12 Market-Maker i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m.
Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 RL 2014/65/EU (MiFID II)28 eine Person, die an den Finanzmärkten auf kontinuierlicher Basis ihre Bereitschaft anzeigt, durch den An- und Verkauf von Finanzinstrumenten unter Einsatz des eigenen Kapitals Handel für eigene Rechnung zu von ihr gestellten Kursen zu betreiben. Verfügt sie über Insiderinformationen, so ist der Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich diese Informationen beziehen, vom Verbot von Insidergeschäften ausgeschlossen, wenn dieser rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung ihrer Funktion als Market-Maker oder Gegenpartei für das betreffende Finanzinstrument erfolgt. Rechtmäßig und unter die Ausnahme des Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 fallend sind Hedginggeschäfte, weil hier gerade nicht die Insidertatsache zu einem Vorteil umgemünzt, sondern der möglichen Kursbeeinflussung entgegengewirkt werden soll29. Unrechtmäßig und nicht zu seinen normalen Geschäften gehörig sind dagegen namentlich solche Geschäfte, die der Market-Maker in Kenntnis der Insiderinformationen für sich persönlich tätigt. Nicht rechtmäßig ist es auch, wenn der Market-Maker aufgrund seiner Kenntnis einem Kunden ein Geschäft mit den Insiderpapieren empfiehlt oder ihn dazu verleitet.
13 Entsprechendes gilt nach Art. 9 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 für eine Person, die als Gegenpartei für die
Finanzinstrumente zugelassen. Da die Ausnahme des Art. 9 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 darauf zielt, eine rechtmäßig oder kraft rechtlicher Verpflichtung Liquidität schaffende Person im Rahmen ihrer diesbezüglichen funktionsbedingten und üblichen Geschäfte vom Verbot von Insidergeschäften auszunehmen und diese Person die einzige „Gegenpartei“ ist, die einer Zulassung bedarf, kommt als zugelassene Gegenpartei nur die zentrale Gegenpartei („central counterparty“ – „CCP“) i.S.v. Art. 2 Ziff. 1 VO Nr. 648/201230 (EMIR) in Betracht, die nach Maßgabe von Art. 14–21 VO Nr. 648/2012 von der ESMA die Zulassung zum Clearing einer over the counter handelbaren (OTC-)Derivateklasse erhalten hat oder als eine in einem Drittstaat ansässige CCP nach Art. 25 VO Nr. 648/2012 anerkannt wurde und gem. Art. 6 Abs. 2 lit. b VO Nr. 648/2012 im öffentlichen Register der ESMA aufgeführt ist31. Zentrale Gegenpartei ist nach Art. 2 Nr. 1 VO Nr. 648/ 2012 „eine juristische Person, die zwischen die Gegenparteien der auf einem oder mehreren Märkten gehandelten Kontrakte tritt und somit als Käufer für jeden Verkäufer bzw. als Verkäufer für jeden Käufer fungiert“. Da die zentrale Gegenpartei hierbei über keinen geschäftlichen Gestaltungsspielraum verfügt, „können Insiderinformationen für die durch sie getätigten Geschäfte nicht kausal werden“32.
13a Wenn die Bereichsausnahme33 nach Art. 9 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 verlangt, dass der Erwerb oder die
Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich die Insiderinformationen beziehen, rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung der Funktion des Market-Maker oder der Gegenpartei für das betreffende Finanzinstrument erfolgt, so hängt die Beurteilung der Frage, ob dies der Fall war, vor allem von der Börsenordnung und den weiteren Regelungen des jeweiligen Handelsplatzes ab34. Von diesen unabhängig, sind jedenfalls solche Geschäfte nicht mehr von der Ausnahme gedeckt, „in denen der Market-Maker aufgrund einer Insiderinformation außergewöhnlich aktiv geworden ist und sein eigenes Gewinninteresse seine Rolle zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Märkte übersteigt“, was „im Einzelfall insbesondere am Handelsvolumen zu beurteilen“ ist35.
14 Vorstehende Grundsätze gelten darüber hinaus für den in Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 aufgeführten
Erwerb oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten, die eine zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassene Person in Kenntnis von Insiderinformationen über diese Instrumente tätigt, wenn das fragliche Geschäft dazu dient, einen solchen Auftrag rechtmäßig im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung des Berufs oder der Aufgaben dieser Person auszuführen. Zur Ausführung von Aufträgen für Dritte zugelassene Personen sind einerseits Wertpapierfirmen i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU (Rz. 12) und ande28 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349. 29 So schon, wegen fehlender Ursächlichkeit der Insiderinformation für das Geschäft, Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 22; Sethe in Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 8 Rz. 99. In Bezug auf Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 596/2014; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 149; BuckHeeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 178; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 81. 30 Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, ABl. EU Nr. L 201 v. 27.7.2012, S. 1. 31 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2 S. 57. So auch schon i.E. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 409; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 83; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 46; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.247; Zetzsche in Gebauer/ Teichmann, § 7 C. Rz. 151 Fn. 1302 („Gemeint ist wohl die zentrale Gegenpartei“). 32 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.2 S. 57. 33 Auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 149. 34 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.2 S. 57. 35 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.2 S. 57.
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Legitime Handlungen | Rz. 17 Art. 9 VO Nr. 596/2014
rerseits, nach dem diese Bestimmung umsetzenden § 2 Abs. 10 WpHG, Wertpapierdienstleistungsunternehmen, d.h. der Zulassung nach § 32 KWG unterliegende Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG) und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG) sowie Repräsentanten von Instituten, die befugt sind, in ihren Herkunftsstaat Bankgeschäfte zu betreiben oder Finanzdienstleistungen zu erbringen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 KWG). Die Ausnahme bezieht sich auf die rechtmäßige, in der normalen Ausübung der Beschäftigung des Berufs oder der Aufgaben dieser Person liegende Ausführung von Aufträgen zum Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten. Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 nimmt damit die ordnungsgemäße – „normale“ – Ausführung einer 15 Kundenorder vom Verbot von Insidergeschäften aus. Eine normale Ausführung liegt vor, „wenn sich das Insiderwissen nicht auf die Ausführung des Auftrags niedergeschlagen hat, das Geschäft also auch dann in dieser Form zustande gekommen wäre, wenn der Person keine Insiderinformationen zur Verfügung gestanden hätten“36. Der Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 ist damit deckungsgleich mit den Fällen, in denen das Insiderwissen einer Person i.S.v. Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 für die Ausführung einer Kundenorder nicht ursächlich geworden ist (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 31). Dementsprechend begründet Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 keine Ausnahme von dem Verbot, eine „interessewahrend“ erteilte Order unter der Verwendung von Insiderinformationen durchzuführen (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 66)37. Gleichwohl dürfen im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 – anders als im Zusammenhang mit einzelfallbezogenen Ursächlichkeit von Insiderinformationen für Geschäfte in Insiderpapiere – als normale Ausführung eines Auftrags über den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren nicht nur alle Geschäfte zur Ausführung einer Kundenorder angesehen werden, die auch ohne Kenntnis der Insiderinformation so ausgeführt worden wären wie geschehen. Vielmehr ist, Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen in Art. 9 VO Nr. 596/2014 als Ausnahmeregelung entsprechend, darauf abzustellen, ob das Ausführungsgeschäft im Allgemeinen und in Anbetracht des jeweiligen Kundenauftrags im Besonderen als Normales zu betrachten ist. Wie sich aus dem in Rz. 11 wiedergegebenen Erwägungsgrund 30 VO Nr. 596/2014 ergibt, umfasst die Ausnahme des Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 auch die „pflichtgemäße Ausführung der Stornierung oder Änderung eines Auftrags“38.
3. Erfüllung fällig gewordener Verpflichtungen (Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) Ein Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften nach Art. 14 i.V.m. Art. 8 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 16 scheidet des Weiteren aus, wenn es um Geschäfte einer Person geht, „die zur Erfüllung einer fällig gewordenen vorgelagerten Verpflichtung durchgeführt werden“ (Erwägungsgrund 30 Satz 4 VO Nr. 596/2014), sei es nach Art. 9 Abs. 3 lit. a VO Nr. 596/2014, dass die betreffende Verpflichtung auf der Erteilung eines Auftrags oder dem Abschluss einer Vereinbarung beruht, welche jeweils vor dem Erhalt der Insiderinformationen erteilt bzw. getroffen wurden, oder sei es nach Art. 9 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/2014, dass sie auf eine rechtliche Verpflichtung oder einer Regulierungsauflage zurückgeht, die vor dem Erhalt der Insiderinformationen entstanden ist (Art. 9 VO Nr. 596/2014). In beiden der in Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 erfassten Fällen handelt es sich um Geschäfte von Personen, die nicht von Insiderinformationen veranlasst wurden39. Durchweg muss es sich bei den Geschäften um Erfüllungsgeschäfte handeln, d.h. um Geschäfte, die der 17 Erfüllung einer rechtlich begründeten Verbindlichkeit dienen und nicht nur durch bloße Gefälligkeit oder einer sittlichen Verpflichtung beruhen40. Des Weiteren musss die zu erfüllende Verpflichtung im Erwerb oder der Veräußerung eines Finanzinstruments bestehen41. Daran fehlt es etwa, wenn eine Person sich zwecks Erfüllung von Geldschulden die notwendigen Mittel durch die Veräußerung von Insiderpapieren zu verschaffen sucht. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Verbindlichkeit tatsächlich besteht und fällig ist und es sich um die Verbindlichkeit gerade der Person handelt, die in Kenntnis von Insiderinformationen 36 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.3 S. 57. 37 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.3 S. 57: Die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 ist nur dann gegeben, „wenn dem Finanzmarktakteur kein Ermessen zukommt, weil der Kunde die Konditionen bereits mit der Auftragserteilung bestimmt hat“; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 150; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 51; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.249. 38 Ebenso Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 48; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.51. 39 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 411; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 98; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 67. 40 Ebenso Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 53. 41 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58.
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 | Legitime Handlungen ein Geschäft zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten tätigt oder veranlasst, wobei sich die Fälligkeit der Verbindlichkeit nach den Regeln der Rechtsordnung beurteilt, die dem Rechtsgeschäft zugrunde liegt42. Insidergeschäfte zur Erfüllung fremder Verbindlichkeiten ohne entsprechende rechtliche Verpflichtung hierzu werden von Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 nicht ausgenommen43. Gleiches gilt für Finanzgeschäfte, die über das Maß hinausgehen, wie sie zur Erfüllung der rechtlichen Verbindlichkeit erforderlich sind. Nach Sinn und Zweck der in Art. 9 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/2014 beschriebenen legitimen Handlung kommt als Verbindlichkeit nur eine solche zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten in Betracht44. Die Voraussetzung, dass die Forderung fällig sein muss, soll verhindern, dass ein Schuldner Insiderinformationen nutzt, um unter dem Vorwand der Tilgung von Schulden einen Sondervorteil zu ziehen, wohingegen bei fälligen rechtlichen Verpflichtungen die Ursächlichkeit der Insiderinformationen für das Erfüllungsgeschäft als nicht gegeben angesehen wird. Geschäfte vor Fälligkeit der Verbindlichkeit sind, auch wenn diese kurz bevorsteht, von Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 nicht vom Verbot von Insidergeschäften ausgenommen. Dagegen ist es unschädlich, wenn zur Erfüllung einer fälligen Verpflichtung der Erwerb eines Finanzinstruments als Deckungsgeschäft einer anschließenden Übertragung des erlangten Finanzinstruments als einem Erfüllungsgeschäft vorangeht45. Die Person, die zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus einer (etwa zum Erwerb von Wertpapieren verpflichtenden) Dauerorder oder aus einem Mitarbeiterprogramm Wertpapiere bezieht, obwohl sie nach der Ordererteilung oder nach der Erklärung der Teilnahme an dem Mitarbeiter Kenntnis von Insiderinformationen erlangt hat, nutzt hierbei keine Insiderinformationen und kann sich, dessen ungeachtet, auch auf die Ausnahme des Art. 9 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/2014 berufen46. 18 Schließlich muss das Erfüllungsgeschäft in gutem Glauben und nicht zur Umgehung des Verbots von In-
sidergeschäften durchgeführt werden. Daran fehlt es bereits dann, wenn für das fragliche Geschäft auch andere Beweggründe als die Erfüllung einer Verbindlichkeit maßgeblich waren47. Gleiches gilt, wenn die Insidergeschäfte bereits getätigt wurden, bevor der Betreffende von der Fälligkeit einer i.S.v. Art. 9 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 maßgeblichen Verbindlichkeit erfuhr. Eine Umgehung des Verbots von Insidergeschäften kommt des Weiteren in Betracht, wenn die Finanzinstrumente erwerbende oder veräußernde Person in Kenntnis der Insiderinformationen eine Verbindlichkeit oder die Fälligkeit einer Verbindlichkeit (mit) herbeigeführt hat48. Keine Umgehung liegt vor, „wenn der Erwerb eines Finanzinstruments als Deckungsgeschäft einer anschließenden Übertragung des Finanzinstruments als einem Erfüllungsgeschäft vorangeht“, wohingegen die „Erfüllung mittelbarer Verpflichtungen, wie die Begleichung einer Geldschuld“, nicht von der Ausnahme erfasst ist49.
4. Geschäfte im Zuge von Unternehmensübernahmen oder diesen nachfolgenden Zusammenschlüssen (Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) 19 Im Hinblick auf die Regelung in Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 heißt es in Erwägungsgrund 30 Satz 5 VO
Nr. 596/2014, der „Zugang zu Insiderinformationen über ein anderes Unternehmen und die Nutzung dieser Informationen bei einem öffentlichen Übernahmeangebot mit dem Ziel, die Kontrolle über dieses Unternehmen zu gewinnen oder einen Zusammenschluss mit ihm vorzuschlagen, sollten als solche nicht als Insidergeschäft gelten“. Dementsprechend bestimmt Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, dass eine Person, die „im Zuge der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmenszusammenschlusses auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots“ Insiderinformationen erlangt hat und diese Insiderinformationen ausschließlich nutzt, um den Unternehmenszusammenschluss oder die Übernahme auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots weiterzuführen, kein verbotenes Insidergeschäft tätigt, vorausgesetzt die Insiderinformationen werden zum Zeitpunkt der Genehmigung des Unternehmenszusammenschlusses oder der Annahme des Angebotes durch die Anteilseigner des betreffenden Unternehmens öffentlich gemacht oder verlieren auf andere Weise ihren Charakter als Insiderinformationen. Diese Ausnahme des Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 gilt nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 nicht für den einem öffentlichen Übernahmeangebot
42 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58. 43 Ebenso Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 53. 44 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 411; Klöhn, ZBB 2017, 261 268; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 67; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 154. 45 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58. 46 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58. 47 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58. 48 I.E. auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 86; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/ Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.250. 49 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.4 S. 58.
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Legitime Handlungen | Rz. 20 Art. 9 VO Nr. 596/2014
vorausgehenden Beteiligungsaufbau eines Unternehmens, d.h. nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 596/2014 „den Erwerb von Anteilen an einem Unternehmen, durch den keine rechtliche oder regulatorische Verpflichtung entsteht, in Bezug auf das Unternehmen ein öffentliches Übernahmeangebot abzugeben“. In diesem Fall gelten die allgemeinen, in Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 59 dargestellten Grundsätze zur Beurteilung eines Insidergeschäfts50. Die Ausnahme greift nach dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nur ein, wenn die 20 Insiderinformation „im Zuge der Übernahme eines Unternehmens oder eines Unternehmenszusammenschlusses auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots erworben“ – d.h., synonym, erlangt51 – wurde. Als Übernahmeangebot kommen dabei sowohl freiwillige Übernahmeangebote als auch Pflichtangebote nach § 35 Abs. 2 WpÜG in Betracht. Wenn Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 darauf abstellt, dass eine Insiderinformation im Zuge der Unternehmensübernahme oder des Unternehmenszusammenschlusses erlangt wurde, liegt keine legitime Handlung im Sinne dieser Bestimmung vor, wenn der Plan zur Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots oder der Aufbau einer Beteiligung am Zielunternehmen auf Insiderinformationen beruht. Letzteres folgt schon aus der diesbezüglich ausdrücklichen Regelung von Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014, der zufolge die in Abs. 1 dieser Bestimmung eröffnete Ausnahme nicht für den Beteiligungsaufbau gilt. Dessen ungeachtet ist aber fraglich, ab welchem Zeitpunkt die Ausnahme des Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 4 VO Nr. 596/2014 tatsächlich greift. Der nicht nur sprachlich52, sondern auch sachlich missratene Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 gibt dafür nur Anhaltspunkte. Daraus, dass Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 den Beteiligungsaufbau auch im Hinblick auf ein mögliches Übernahmeangebot von der in Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 statuierten Ausnahme ausnimmt und erst im Zuge konkreter Erwägungen und Maßnahmen zur Abgabe eines Übernahmeangebots – etwa im Zuge von Due-Diligence-Prüfungen beim Zielunternehmen oder im Rahmen von Gesprächen mit dem Vorstand der Zielgesellschaft – die Wahrscheinlichkeit der Erlangung von Insiderinformationen in Bezug auf die Zielgesellschaft wächst, wird man jede Erlangung von Insiderinformationen als von Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 erfasst anzusehen haben, die nach einem – von der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots i.S.v. § 10 WpÜG zu unterscheidenden – Entschluss des Bieters gefallen ist, die Möglichkeit eines Übernahmeangebots auf eine Zielgesellschaft zu prüfen und zu sondieren53. Ein solcher Entschluss ist regelmäßig der Ausgangspunkt, potenzielle Adressaten des Angebots anzusprechen, etwa um mit ihnen sog. Irrevocables54 zu vereinbaren, und vor allem mit der Zielgesellschaft in Kontakt zu treten. Dabei ist die Erlangung von Insiderinformationen nicht auszuschließen, die – ohne die hier eingreifende Ausnahme des Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/201455 – den Bieter bei der Fortführung seines Vorhabens nicht unerheblich behindern könnten. Dass Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 bereits diese Phase der Überprüfung eines möglichen Übernahmeangebots nach entsprechendem Entschluss des Bieters vor Augen hat, folgt auch daraus, dass die Vorschrift nur die Nutzung der Insiderinformationen zur Weiterführung des Unternehmenszusammenschlusses oder der Übernahme auf der Grundlage eines öffentlichen Angebots zum Gegenstand hat. Nach der Veröffentlichung der Absicht zur Abgabe eines Übernahmeangebots steht aber zumindest die Weiterführung eines Übernahmeangebots oder dessen Abbruch aufgrund von Insiderinformationen rechtlich nicht zur Disposition des Bieters. Darüber hinaus ist die Erlangung von Insiderinformationen nach Abgabe eines Übernahmeangebots die Ausnahme. Nicht der Weiterführung des Unternehmenszusammenschluss oder Übernahmeangebots i.S.d. Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 dienen neben Käufen zum Aufbau einer Be50 51 52 53
Ebenso Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.53. Etwa Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 75. Krause, CCZ 2014, 248, 252. A.A. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 412, der nur die Erlangung von Insiderinformationen „auf der Grundlage eines bereits abgegebenen öffentlichen Übernahmeangebots“ als erfasst sieht. Wie hier, für eine davorliegende Grenze, aber v.a. Krause, CCZ 2014, 248, 252, der auf Kenntniserlangung „bei der Transaktionsvorbereitung (etwa im Rahmen der Due Diligence bei der Zielgesellschaft“) abstellt. Ebenso Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 75: „Die Ausnahmevorschrift ist folglich auch dann anwendbar, wenn der Bieter eine Due Diligence durchführt, von einer Insiderinformation erfährt und im Anschluss ein Angebot abgibt“. Zu undifferenziert dann allerdings der Zusatz (ebd.) „privilegiert [seien] folglich Aktienerwerbe unter Nutzung einer Insiderinformation, die der Bieter vor und nach der Abgabe des Übernahmeangebots erlangt“ habe. Ähnlich wie hier Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 88: Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 154. 54 Dabei handelt es sich um Vereinbarungen des potenziellen Bieters mit einzelnen Aktionären der Zielgesellschaft, in denen sich die Letzteren verbindlich und unwiderruflich zur Annahme des künftig vom Vertragspartner unterbreiteten öffentlichen Übernahmeangebots verpflichten. 55 Dabei handelt es sich um Vereinbarungen des potenziellen Bieters mit einzelnen Aktionären der Zielgesellschaft, in denen sich die Letzteren verbindlich und unwiderruflich zur Annahme des künftig vom Vertragspartner unterbreiteten öffentlichen Übernahmeangebots verpflichten.
Assmann | 243
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 | Legitime Handlungen teiligung parallel zur Prüfung der Möglichkeit eines Übernahmeangebots auf eine Zielgesellschaft auch Käufe, die nach der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots als sog. alongside purchases getätigt werden56. Das entspricht auch der im Emittentenleitfaden der BaFin dargelegten Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde: Nach dieser ist es „irrelevant“, ob „die Insiderinformation vor oder nach dem Übernahmeangebot erlangt wurde“, solange nur „die Insiderinformation ‚im Zuge‘ der Transaktion erworben wurde, wobei es genüg[e], wenn der Erwerb der Insiderinformation zeitlich nach dem Beginn der Vorbereitung der Transaktion“ lag57. 21 Damit unterfällt vor allem eine der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots voraus-
gehende Due Diligence und die Weiterführung des Vorhabens zur Abgabe eines Übernahmeangebots und eines möglichen Unternehmenszusammenschlusses nach erfolgreichem Übernahmeangebot der Ausnahme nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/201458. Anders verhält es sich aufgrund von Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 lediglich in dem Fall, dass der potenzielle Bieter die erlangten Insiderinformationen beim Auf- oder Ausbau seiner Beteiligung am Zielunternehmen nutzt, sei es durch börsliche oder sei es durch außerbörsliche Geschäfte59. Zur insiderrechtlichen Behandlung der Erlangung von Insiderinformationen im Rahmen einer Due Diligence beim (nach Art. 9 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 von der Ausnahme ausgeschlossenen) Beteiligungsaufbau s. auch Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 und 59 ff.
22 Die Ausnahme des Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 für „im Zuge der Übernahme eines Unternehmens oder
eines Unternehmenszusammenschlusses“, namentlich im Rahmen einer vorausgehenden Due DiligencePrüfung (Rz. 21), erlangte Insiderinformationen greift nur, wenn später tatsächlich ein öffentliches Übernahmeangebot erfolgte, erfasst also nicht Geschäfte in die Insiderpapiere (etwa Paketerwerbe) aufgrund der bei der Due Diligence erlangten Insiderinformationen60. Hier bedarf es dann des Nachweises, dass diese Informationen nicht ursächlich für den Erwerb waren und auch ohne diese vorgenommen worden wären (dazu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 32). Die Ausnahme des Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 steht des Weiteren unter der Voraussetzung, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung des Unternehmenszusammenschlusses bzw. der Annahme des Angebotes jeweils durch die Anteilseigner des betreffenden Unternehmens sämtliche Insiderinformationen öffentlich gemacht worden sind oder auf andere Weise ihren Charakter als Insiderinformationen verloren haben61. Die Erfüllung dieser Voraussetzung kann dem Bieter Schwierigkeiten bereiten, da er zur Veröffentlichung einer ihm bekannt gewordenen Insiderinformation nicht berechtigt ist. Ihm bleibt in diesem Fall nur die Möglichkeit, auf die Veröffentlichung der Insiderinformation durch den Emittenten nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 hinzuwirken, ohne dass dieser zur Veröffentlichung verpflichtet wäre.
5. Umsetzung eines Entschlusses (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) 23 Nach der Georgakis-Entscheidung62 kann eine von einer Person selbst geschaffene „innere Tatsache“ – na-
mentlich der Entschluss, ein Geschäft zu tätigen oder ein bestimmtes Vorhaben zu verfolgen – auch für diese eine Insiderinformation darstellen (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 64). Dabei hat die von diesem Urteil bestätigte Ansicht die Umsetzung des Entschlusses zu einem Geschäft oder Vorhaben durch diese Person selbst nicht als Nutzung einer Insiderinformation gesehen, weil es an der Ursächlichkeit des Entschlusses als
56 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.5 S. 59; Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 532; Klöhn, ZBB 2017, 261, 269; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 71; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/ Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.258; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 75. 57 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 72. 58 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 88; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 121 f.; Krause, CCZ 2014, 248, 252; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 70 (erfasst sind „nur Due-Diligence-Prüfungen im Hinblick auf Übernahmen“); Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.254. 59 Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 800; Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2374; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 122, 128; Krause, CCZ 2014, 248, 252. 60 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 89, 92; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 785. 61 Dieses, ohne entsprechende Vorgaben im Spector Photo Group-Urteil des EuGH (Rz. 1) in Art. 9 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 aufgenommene neue Erfordernis entspricht der – in BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 38 f. mitgeteilten – Auslegungspraxis der BaFin, wonach der Bieter eine im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung erlangte Insiderinformation nicht verwendet, wenn er danach sein Angebot nicht ändert (S. 38/39), wohingegen „die Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots, in welchem der Bieter eine Insiderinformation ... verwendet, erst möglich [ist], nachdem der Emittent eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG veröffentlicht hat“. Vgl. dazu Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 77. 62 EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542 Rz. 33, 35.
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Legitime Handlungen | Rz. 25 Art. 9 VO Nr. 596/2014
Insiderinformation für das Handeln des Betreffenden fehlt63. Das stellt Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 nunmehr in einer Ausnahme vom Verbot von Insidergeschäften klar. Zu dieser heißt es in Erwägungsgrund 31 Sätze 1 und 2 VO Nr. 596/2014: „Da dem Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten erforderlicherweise eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen muss, die erwirbt bzw. veräußert, sollte die bloße Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung als solche nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten. Handlungen auf der Grundlage eigener Pläne und Handelsstrategien des Marktteilnehmers sollten nicht als Nutzung von Insiderinformationen gelten.“ Die Ausnahme des Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/ 2014 gilt gleichermaßen für eine Person, die ein Geschäft, zu dem sie sich entschlossen hat, selbst ausführt, wie für eine Person, die Geschäfte für einen anderen ausführt, im Hinblick sowohl auf die Umsetzung des Entschlusses des jeweils anderen als auch der Umsetzung ihres eigenen Entschlusses zur Ausführung des Geschäfts für den anderen64. Die Ausnahme gilt aber nicht für Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte, die von einer Person aufgrund des ihr bekannt gewordenen Entschlusses eines Dritten ausgeführt werden65. Von Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 erfasst (si. Rz. 3) ist auch der Entschluss, den Erwerb oder die Veräußerung eines Finanzinstruments zu stornieren. Da sich Art. 9 VO Nr. 596/2014 nur auf Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte bezieht (Rz. 3), werden „sämtliche anderen selbst geschaffenen inneren Tatsachen, wie beispielsweise der Entschluss, anderen Handelsteilnehmern bestimmte Finanzinstrumente zum Kauf zu empfehlen“ von der Vorschrift nicht erfasst66. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Ausführung des Entschlusses, eine Empfehlung abzugeben, ein Insidergeschäft darstellt, ist deshalb auf die allgemeinen Regeln betreffend die Ursächlichkeit von Insiderinformationen auf Insiderhandlungen67 zurückzugreifen, wodurch auch in diesem Fall regelmäßig eine Empfehlung unter Verstoß gegen das Empfehlungsverbot des Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ausscheidet. Die Suche eines potenziellen Bieters nach einem potenziellen Mitbieter und dessen Information über das eigene Vorhaben, ein Wertpapiererwerbs- oder Übernahmeangebot abgeben zu wollen, ist – falls es sich bei dieser Information um eine Insiderinformation handelt – unter dem Gesichtspunkt der (un)gerechtfertigten Offenlegung einer Insiderinformation nach Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu behandeln und stellt keinen Fall für eine analoge oder direkte Anwendung von Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 dar (s. dazu Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 56b).
III. Rückausnahme: Geschäfte oder Handlungen mit rechtswidrigem Grund (Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) Auch wenn die Voraussetzung einer der Ausnahmen nach Art. 9 Abs. 1–5 VO Nr. 596/2014 gegeben sind, 24 greift die betreffende Ausnahme nicht ein, wenn – gemäß der Rückausnahme des Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/ 2014 – die zuständige Behörde feststellt, dass sich hinter den betreffenden Handelsaufträgen, Geschäften oder Handlungen ein rechtswidriger Grund verbirgt68. Zuständige Behörde ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 12 die gem. Art. 22 VO Nr. 596/2014 benannte zuständige 25 Behörde. In Deutschland ist dies nach § 6 Abs. 5 WpHG die BaFin. Ein rechtswidriger Grund im Sinne der Vorschrift, für den es weder in dieser noch sonst in der Verordnung eine Definition gibt, ist nur dann gegeben, wenn die Handelsaufträge, Geschäfte oder Handlungen gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen69. 63 Das entspricht nahezu einhelliger Ansicht. S. dazu bereits Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 32 in der ersten Fußnote zu dieser Randziffer. 64 Auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.6 S. 60 (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 analog); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 94; Klöhn in Klöhn, Art. 9 MAR Rz. 134; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz.12.260; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 82 ff. 65 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.6 S. 59. 66 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.6 S. 59. 67 Zur Ursächlichkeit von Insiderinformationen für Empfehlungen s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 83. Zur Frage, ob die Ausführung einer als Insiderinformation zu behandelnden selbst geschaffenen „inneren Tatsache“ – hier der Entschluss zur Abgabe einer Empfehlung – gegen ein Insiderverbot verstößt, gilt die Regel der Georgakis-Entscheidung (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 ff., 64): Können Personen in Bezug auf ihr Vorhaben über Insiderwissen verfügen, so sind sie dadurch allerdings nicht gehindert, ihren Plan wie vorgesehen auszuführen. 68 Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 82: „Es ist zwar rechtspolitisch nachvollziehbar, dass der europäische Gesetzgeber eine Umgehung der Insiderverbote verhindern wollte. Es vermag aber nicht zu überzeugen, wie dieses Anliegen in Art. 9 Abs. 6 MAR umgesetzt ist. Die Norm ist konzeptionell und tatbestandlich misslungen. Außerdem beeinträchtigt sie die durch Art. 9 Abs. 1 bis 5 MAR verwirklichte Rechtssicherheit“. Kritisch auch Klöhn, ZBB 2017, 261, 270: „fast skandalös schlechte Qualität“. 69 Im Ausgangspunkt ebenso, jedoch im Detail differenzierter: Klöhn, ZBB 2017, 261, 271: „wenn das Geschäft trotz Einhaltung der Voraussetzungen ... gegen den Grundsatz des gleichberechtigten Informationszugangs verstößt, so
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Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 25 | Legitime Handlungen Das kann ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation oder gegen die Verbote von Geldwäschegeschäften sein, kann aber auch darin bestehen, dass dem Betreffenden nachgewiesen werden kann, die Insiderinformationen tatsächlich für die fraglichen Geschäfte genutzt zu haben. Für Letzteres spricht namentlich Erwägungsgrund 31 Satz 4 VO Nr. 596/2014, in dem es heißt, es sei von einer Rechtsverletzung auszugehen, wenn sich hinter den betreffenden Geschäften, Handelsaufträgen oder Handlungen ein rechtswidriger Grund verberge oder „die Person Insiderinformation verwendet“ habe. Für die vorstehende Auslegung insgesamt spricht Erwägungsgrund 31 Satz 3 VO Nr. 596/2014, in dem ausgeführt wird, keine „der betreffenden juristischen oder natürlichen Personen [solle] aufgrund ihrer beruflichen Funktion geschützt werden, sondern nur dann, wenn sie in geeigneter und angemessener Weise handeln und sowohl die von ihnen zu erwartenden beruflichen Standards als auch die durch diese Verordnung festgelegten Normen, insbesondere zu Marktintegrität und Anlegerschutz, einhalten“. Wollte man die Bestimmung so deuten, dass jedes „rechtlich missbilligte Motiv“, darunter „dem Zweck der Ausnahme zuwiderlaufende Motive“, das von der zuständigen Behörde festgestellt wurde, die Voraussetzungen der Rückausnahme nach Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/ 2014 erfüllt70, wäre die Vorschrift im Hinblick auf die bußgeldrechtlichen Sanktionen eines solchermaßen als verbotenes Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft zu qualifizierenden Geschäfts rechtlichen Bedenken ausgesetzt71. Den vorstehenden Überlegungen folgt auch die BaFin, wenn sie in ihrem Emittentenleitfaden ausführt, aus dem Telos der Vorschrift folge, dass ein rechtwidriger Grund gegeben sei, „wenn die betreffende Person mit dem Geschäft einen Sondervorteil gegenüber dem Anlegerpublikum aufgrund eines privilegierten Informationszugangs realisiert [habe] und das Geschäft somit gegen die den Insidervorschriften zugrundeliegende Wertung“ verstoße, was zumindest dann der Fall sei, wenn ein Insidergeschäft planmäßig und willentlich unter den genannten Ausnahmen verdeckt werde72.
Art. 10 VO Nr. 596/2014 Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (1) Für die Zwecke dieser Verordnung liegt eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen vor, wenn eine Person, die über Insiderinformationen verfügt und diese Informationen gegenüber einer anderen Person offenlegt, es sei denn, die Offenlegung geschieht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben. Dieser Absatz gilt für alle natürlichen oder juristischen Personen in den Situationen oder unter den Umständen gemäß Artikel 8 Absatz 4. (2) Für die Zwecke dieser Verordnung gilt die Weitergabe von Empfehlungen oder das Verleiten anderer, nachdem man selbst verleitet wurde, gemäß Artikel 8 Absatz 2 als unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen gemäß diesem Artikel, wenn die Person, die die Empfehlung weitergibt oder andere verleitet, nachdem sie selbst verleitet wurde, weiß oder wissen sollte, dass die Empfehlung bzw. Verleitung auf Insiderinformationen beruht. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320). Schrifttum: S. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis.
dass ... keine Ausnahme vom Insiderverbot geboten ist“; Sieder, ZFR 2017, 171, 175, nach dem es auf die Normzwecke der verletzten Norm ankommt; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 84: Ein „rechtswidriger Grund [liegt vor], wenn der Insider mit einem Geschäft oder einer Handlung hauptsächlich das Ziel verfolgt, einen ihm nicht zustehenden Vermögensvorteil zu erzielen“. Diffus Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 415: In Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 werde „mehr klarstellend als eigenständig regelnd“ darauf hingewiesen, dass die „Ausnahmebereiche bzw. Rechtfertigungsgründe“ des Art. 9 VO Nr. 596/ 2014 „Notwendigkeiten eines funktionierenden Kapitalmarktsystems“ aufgriffen; würden „bei dieser Gelegenheit Handlungen getätigt, die nicht dieser Funktionalität dien[t]en, sondern den eigenen oder fremden Sondervorteilen, so [seien] eigentlich schon die jeweiligen Ausnahmebereiche bzw. Rechtfertigungsgründe nicht eröffnet bzw. tatbestandlich erfüllt“. 70 So Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 156. 71 Ebenso Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 156. Auch Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 9 MAR Rz. 90. 72 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.2.5.2.1.7 S. 60.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 2 Art. 10 VO Nr. 596/2014 I. Regelungsgehalt – Normentwicklung . . . . . . . II. Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht – Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adressaten des Verbots (Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Objektiver Tatbestand (Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Offenlegung einer Insiderinformation gegenüber einem anderen . . . . . . . . . . . . . . aa) Insiderinformation . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . cc) Offenlegung gegenüber einem anderen . b) Unrechtmäßige Offenlegung (Weitergabe und Zugänglichmachung) . . . . . . . . . . . . . . aa) Unrechtmäßigkeit als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 5 5 8 9 9 9 11 12 13 15 17 17
bb) Kriterien zur Bestimmung unrechtmäßiger Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . cc) Offenlegung aufgrund von gesetzlichen Geboten und Obliegenheiten . . . . . . . . dd) Innerbetrieblicher Informationsfluss, Information von Anteilseignern und konzerninterne Informationsweitergabe ee) Informationsweitergabe an Unternehmensexterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Weitergabe von Insiderinformationen im Verlauf einer Marktsondierung . . . . gg) Offenlegung von Insiderinformationen im Rahmen möglicher Interessenkonflikte im Finanzwesen tätiger Unternehmen
19 24 37 45 57 58
III. Weitergabe von Empfehlungen oder Verleitung durch Verleitete (Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Sanktionen und Rechtsfolgen von Verstößen gegen Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 VO Nr. 596/ 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
I. Regelungsgehalt – Normentwicklung Die Vorschrift hat die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen zum Gegenstand. Das sich aus 1 Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 ergebende Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen entspricht nicht nur funktional, sondern auch seinem Regelungsgehalt nach demjenigen, das unter der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.20031 – Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 entspricht Art. 3 lit. a RL 2003/6/EG – und dem diese umsetzenden § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. als Weitergabeverbot geregelt und bezeichnet wurde2. Zwar unterscheiden sich Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. in der Formulierung des Offenlegungs- bzw. Weitergabeverbots, doch übernimmt Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 in seinen wesentlichen Teilen lediglich die Formulierung von Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/592/EWG von 19893 und Art. 3 lit. a RL 2003/6/EG von 20034, die § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. stets mit der in dieser Norm gewählten Formulierung umzusetzen gedachte. Soweit die weiteren Regelungen des Art. 10 VO Nr. 596/2014 und der übrigen Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung zum Insiderrecht in Art. 7–9 und 11 VO Nr. 596/ 2014 dem nicht entgegenstehen, kann deshalb weitgehend auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, wie sie sich zur Bestimmung des Weitergabeverbots nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. herausgebildet haben5. Das gilt auch für die Auslegung des Weitergabeverbots nach Art. 3 lit. a RL 2003/6/EG des EuGH in der Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.20056 (dazu näher Rz. 20 f.). Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erweitert das Offenlegungsverbot, wie es auch unter der RL 2003/6/EG und § 14 2 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. als Weitergabeverbot bestand, jedoch um einen weiteren Tatbestand: Die Bestim1 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 2 Diese Bezeichnung hatte sich durchgesetzt, obwohl es nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. verboten war, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen und deshalb auch von einem Mitteilungsverbot hätte gesprochen werden können. Auch die Aufsichtsbehörde sprach in ihren Leitfäden von Anfang an vom Weitergabeverbot; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 40. Im Emittentenleitfaden, Modul C, wird der Begriff nicht mehr verwandt. An seine Stelle ist, der Überschrift und dem Wortlaut von Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 folgend, der Begriff des Offenlegungsverbots getreten. Nicht anders verhält es sich mit dem Begriff der Weitergabe von Insiderinformationen, der sich im Emittentenleitfaden nur noch gelegentlich findet und weitgehend durch denjenigen der Offenlegung von Insiderinformationen ersetzt wurde. 3 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 4 Art. 3 lit. a dieser Richtlinie lautet, weitgehend wortgleich mit Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/592/EWG: „Die Mitgliedstaaten untersagen den Personen, die dem Verbot nach Artikel 2 unterliegen, a) Insider-Informationen an Dritte weiterzugeben, soweit dies nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oderihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben geschieht ...“). 5 Auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 179; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 4; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 2; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 1, 4. 6 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen mung hat die Weitergabe von Empfehlungen oder das Verleiten anderer durch eine Person zum Gegenstand, die ihrerseits i.S.v. Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 Adressat einer Empfehlung war oder selbst verleitet wurde, was nach Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 als Offenlegung von Insiderinformationen gilt und verboten ist, wenn die Person weiß oder wissen sollte, dass die Empfehlung bzw. Verleitung auf Insiderinformationen beruht. Die ursprünglich im ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1, 27, veröffentlichte Fassung von Abs. 2 ist in ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320, 321 f., zur heutigen Fassung dieser Vorschriften berichtigt worden. Dabei sind die in Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ursprünglich verwandten Begriffe „Anstiftung“ und „anstiften“ durch die Begriffe „Verleitung“ und „verleiten“ ersetzt worden. 3 Eine Sonderregelung für die Veröffentlichung von Insiderinformationen und Empfehlungen in den Me-
dien enthält Art. 21 VO Nr. 596/2014 (sog. Journalistenprivileg): Werden für journalistische Zwecke oder andere Ausdrucksformen in den Medien Informationen offengelegt oder verbreitet oder Empfehlungen gegeben oder verbreitet, sind bei der Beurteilung dieser Offenlegung und Verbreitung von Informationen für den Zweck u.a. von Art. 10 VO Nr. 596/2014 die Regeln der Pressefreiheit und der Freiheit der Meinungsäußerung in anderen Medien sowie der journalistischen Berufs- und Standesregeln nach Maßgabe von Art. 21 lit. a und b VO Nr. 596/2014 zu berücksichtigen. Zur Reichweite des „Journalistenprivilegs“ des Art. 21 VO Nr. 596/2014 und zu seinem Verhältnis zum Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 10 VO Nr. 596/2014 s. die Marktgerücht-Entscheidung des EuGH vom 15.3.20227 und Art. 21 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff. In ersterer Hinsicht führt der EuGH aus, die Wendung „für journalistische Zwecke“ sei weit auszulegen, erfasse nicht nur die Offenlegungen von Informationen, die der journalistischen Tätigkeit dienten, und sei damit nicht unbedingt nur auf die Offenlegungen von Informationen, die in der Veröffentlichung von Informationen als solchen bestehen, gerichtet, sondern auch auf solche, die Teil des Prozesses seien, der zu einer solchen Veröffentlichung führe8. In zweiter Hinsicht legt der EuGH dar, Art. 10 und 21 VO Nr. 596/2014 seien derart auszulegen, dass eine Offenlegung einer Insiderinformation durch einen Journalisten rechtmäßig sei, wenn sie für die Ausübung seines Berufs erforderlich sei und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde9.
4 Ein Verstoß gegen das Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen hat ausschließlich
strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Folgen. Der vorsätzliche Verstoß (s. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27) ist nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG strafbewehrt, wobei auch der Versuch nach § 119 Abs. 4 WpHG strafbar ist. Vorsätzliches Handeln setzt Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands voraus, muss sich demnach auf alle Merkmale des gesetzlichen objektiven Tatbestands beziehen (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9). Eine Verletzung Offenlegungsverbots durch eine leichtfertige Handlung wird nach § 120 Abs. 14 WpHG als Ordnungswidrigkeit geahndet. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9).
II. Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014) 1. Übersicht – Allgemeines 5 Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 verbietet die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen. Diese
besteht nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 im Tatbestand darin, dass eine Person ihr Insiderwissen einer anderen Person offenlegt, ohne dass dies im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben erfolgt. Obwohl sich die Formulierung des Verbots unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 VO Nr. 596/ 2014 damit von derjenigen in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. unterscheidet (dazu Rz. 1), hat dies nichts daran geändert, dass verboten nur die unrechtsmäßige Offenlegung bzw. Weitergabe von Insiderinformationen ist, die im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. unter Rückgriff auf Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/ 592/EWG und Art. 3 lit. a RL 2003/6/EG einhellig dahingehend bestimmt wurde, dass unrechtmäßig – bzw., wie es in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. hieß, „unbefugt“ – nur eine Weitergabe ist, die nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oderihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben erfolgt.
6 Wenn Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ohne sachliche Differenz zu vorstehender Definition jede
Offenlegung einer Insiderinformation gegenüber einer anderen Person als unrechtmäßig bezeichnet, es sei 7 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 403 Rz. 58 ff. Dazu Assmann, AG 2022, 390, 395 Rz. 24 ff. 8 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 403 Rz. 66 bzw. 64. 9 EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 404 f. Rz. 72 ff., 81, 89.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 8 Art. 10 VO Nr. 596/2014
denn sie geschieht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben, so gilt nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 die Offenlegung von Insiderinformationen im Verlauf einer Marktsondierung i.S.v. Art. 11 VO Nr. 596/2014 als im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs oder der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person vorgenommen, soweit der offenlegende Marktteilnehmer die Verpflichtungen gem. Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt.
Wie bei dem Empfehlungs- und Verleitungsverbot nach Art. 14 lit. b VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 7 VO Nr. 596/2014 (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 79) handelt es sich bei dem Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen um einen sog. Vorfeldtatbestand, d.h. um einen Tatbestand, der Vorbereitungshandlungen zu Transaktionen mit Insiderpapieren zum Gegenstand hat, durch deren Vornahme Insiderwissen überhaupt erst verwertet werden kann und das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Integrität der Kapitalmärkte verletzt wird10. Dabei ist das Weitergabeverbot mitsamt seiner Strafbewehrung unter rechtspolitischen Gesichtspunkten kritisiert worden11. Dabei wird übersehen, dass es zum einen der ungerechtfertigten Erweiterung des Kreises derjenigen entgegenwirkt, die Kenntnis einer Insiderinformation haben12, darüber hinaus dem gleichberechtigten Informationszugang der Anleger und des Marktpublikums dient und zum anderen die Umgehung des Erwerbs- und Veräußerungsverbots13 verhindert. Letzteres ist der Fall, weil ein Erwerbs- und Veräußerungsgeschäft unter Verwendung einer Insiderinformation umso schwerer zu ermitteln ist, je weiter die Person, die es vornimmt, von der Quelle der Information und den Primärinsidern entfernt ist. Schließlich handelt es sich bei dem Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen entgegen verbreiteter Ansicht nicht um ein abstraktes14, sondern – ohne dass mit der Qualifizierung größere Folgen verbunden wären – um ein konkretes Gefährdungsdelikt15: Die Gefährdung liegt nicht darin, dass der Adressat die Möglichkeit der Kenntnisnahme einer Insiderinformation erhält, sondern darin, dass ihm diese offengelegt wird, d.h. er tatsächlich Kenntnis von dieser erlangt (Rz. 12). Darüber hinaus ist es allerdings nicht erforderlich, dass die Weitergabe oder die Zugänglichmachung der Insiderinformation zu einem Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft nutzt, zur Grundlage einer Empfehlung oder Verleitung macht oder seinerseits unrechtmäßig weitergibt (Rz. 14).
2. Adressaten des Verbots (Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) Adressaten des Verbots unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen sind nach Art. 10 Abs. 1 8 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 „alle natürlichen oder juristischen Personen in den Situationen oder unter den Umständen gemäß Artikel 8 Absatz 4 [VO Nr. 596/2014]“, d.h. alle Primär- und Sekundärinsider16. Wie schon im Hinblick auf das Erwerbs- und Veräußerungsverbot sowie das Empfehlungs- und Verleitungsverbot nach Art. 14 lit. a bzw. b i.V.m. Art. 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 VO Nr. 596/2014 (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 bzw. Rz. 80) kommt der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsider auch beim Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen keine Bedeutung zu17. Der deutsche Gesetzgeber hat Verstöße gegen die Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 in § 119 Abs. 3 und 4 bzw. § 120 Abs. 14 WpHG ausschließlich strafrechtlich bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktioniert und dabei keine Differenzierung zwischen Geschäften von Primärinsidern und Sekundärinsidern vorgenommen (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/ 2014 Rz. 27; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9). Adressaten des Verbots unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen sind deshalb alle natürlichen und – kraft Wissenszurechnung – juristischen Personen, die über Insiderinformationen verfügen18. 10 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4. S. 62; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 13; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 5. 11 Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 39. 12 So und zum folgenden Argument auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4. S. 62. 13 Sethe, ZBB 2006, 243, 244 ff. 14 So aber etwa (Spoerr) § 119 WpHG Rz. 88; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 175; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 101; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 16, 234; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 6. Zu § 14 WpHG a.F. Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 16; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 166; Sethe, ZBB 2006, 243, 248; Vogel in 6. Aufl., § 38 WpHG Rz. 2. 15 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 239. 16 Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 10; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 4; Meyer in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 6; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.48. 17 Ähnlich Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 6: „keine nennenswerte Bedeutung“. 18 Im Gegensatz zu dem durch das das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (s. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/ 2014 Rz. 11) geänderte WpHG traf auch das durch Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. alle Insider und
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen
3. Objektiver Tatbestand (Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) a) Offenlegung einer Insiderinformation gegenüber einem anderen aa) Insiderinformation 9 Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 setzt die Offenlegung einer Insiderinformation gegenüber einer
anderen Person voraus. Ob es sich bei der offengelegten Information um eine Insiderinformation handelt, beurteilt sich nach Art. 7 VO Nr. 596/2014. Das gilt namentlich für die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Information als öffentlich bekannt anzusehen ist (dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 63 ff.) und damit – auch wenn sie der Person, der die Information mitgeteilt wird, unbekannt ist – nicht mehr „offengelegt“ werden kann. Gleiches gilt aber auch für den Fall, dass eine Information nicht öffentlich bekannt ist, der Empfänger der Insiderinformation aber bereits Kenntnis von derselben hat (Rz. 14).
10 Darüber hinaus sind hier lediglich einige Konsequenzen des Umstands hervorzuheben, dass als präzise In-
formationen und damit als Insiderinformationen nach der Georgakis-Entscheidung des EuGH19 auch selbst geschaffene „innere Tatsachen“ ohne einen „Drittbezug“ in Betracht kommen (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 17; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 64). Danach ist von der Offenlegung einer Insiderinformation auch dann auszugehen, wenn eine Person Dritten einen von ihr gefassten Entschluss oder ein Vorhaben mitteilt, welche sie selbst ohne Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften nach Art. 14 lit. a i.V.m. 8 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014, d.h. ohne Verwendung einer Insiderinformation, in die Tat umsetzen dürfte20. Deshalb ist es – die Kurserheblichkeit des Erwerbsplans vorausgesetzt – als Offenlegung einer Insiderinformation zu betrachten, wenn eine Person einen Dritten darüber informiert, sie werde zu einem bestimmten Zeitpunkt ein größeres Paket Aktien einer börsennotierten Gesellschaft erwerben, auch wenn die Umsetzung dieses Plans kein Insidergeschäft darstellt (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014; s. auch Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 33). Nicht anders verhält es sich, wenn der Bieter seinen Entschluss, ein Übernahmeangebot abzugeben, einem Dritten kundgibt, vorausgesetzt, die Umsetzung des Entschlusses ist hinreichend wahrscheinlich und das Wissen um diesen Entschluss ist kurserheblich. bb) Offenlegung
11 Der Begriff der Offenlegung ist als Oberbegriff für die Mitteilung und die Zugänglichmachung zu verste-
hen, wie sie unter der Geltung der RL 2003/6/EG (Rz. 1) und § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. zum Umschreibung des Weitergabeverbots verwandt und ausgelegt wurden21. Auch wenn sich diese Unterscheidung im Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht wiederfindet, ist sie doch für dessen Auslegung sachangemessen und hilfreich22. Die Mitteilung ist jede Weitergabe einer Information auf der Grundlage aktiven Handelns (Rz. 12). Zugänglichmachung ist die Verschaffung der Möglichkeit, Kenntnis von einer Insiderinformation zu erlangen (Rz. 13). Der Adressatenkreis des Offenlegungsverbots nach Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 entspricht, was schon aus dem Verweis in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 auf Art. 8 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 folgt, demjenigen der Verbote in Art. 8 Abs. 1 bis 3 VO Nr. 596/2014, und erfasst damit Primär- und Sekundärinsider23.
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nicht nur Primärinsider. Differenzierungen zwischen Primär- und Sekundärinsider waren seinerzeit allerdings im Hinblick auf die straf- bzw. bußgeldrechtlichen Sanktionen eines Verstoßes gegen die Verbote des § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG nach Maßgabe der Blanketttatbestände der § 38 Abs. 1, § 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG a.F. erforderlich. EuGH v. 10.5.2007 – C-391/04, ECLI:EU:C:2007:272 – Georgakis, AG 2007, 542. Zu Art. 10 VO Nr. 596/2014 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 237; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 102; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 19; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.289 Fn. 3. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 232; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 103. Zu § 14 WpHG a.F. schon Mennicke in Fuchs, § 14 Rz. 188; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 275, 278; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.289; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 4; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 Rz. 41. Dementsprechend fasst Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 26 f., Weitergabe und Zugänglichmachung in der Definition der Offenlegung zusammen, indem er es für diese als ausreichend ansieht, wenn der Empfänger in die Lage versetzt wird, sich „ohne wesentliche Schwierigkeiten Kenntnis von der Insiderinformation zu verschaffen“ (ebd., Rz. 26, 28). Auch die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul I.4.4.1 S. 62, bleibt bei dieser Unterscheidung, indem sie zwischen „unmittelbare[r] Weitergabe“ und „Ermöglichen der Kenntnisnahme von der Insiderinformation“ unterscheidet. Und auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 10 ff., folgen dem in der Sache, indem sie – obwohl auch dies im Wortlaut der Vorschrift nicht angelegt ist – zwischen unmittelbarer Offenlegung (i.S. einer Kenntnisverschaffung) und mittelbarer Offenlegung (i.S. des Zugänglichmachens) differenzieren. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 12 Art. 10 VO Nr. 596/2014
(1) Mitteilung Die Mitteilung einer Insiderinformation ist die unmittelbare oder mittelbare Weitergabe der Information 12 durch aktives Tun, auf welchem Wege auch immer24. Unerheblich ist, ob die mitgeteilten Insiderinformationen zum Zwecke ihrer Veröffentlichung weitergegeben wurden25. Ist die Information bei Weitergabe bereits öffentlich bekannt26 oder wird sie aufgrund des Mediums der Weitergabe und dessen Adressatenkreises (Rz. 15 f.) öffentlich bekannt27, fehlt es an einer Insiderinformation und damit auch an einer unrechtmäßigen Offenlegung i.S.v. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. Dass die BaFin unter „Mitteilung“ die „unmittelbare Weitergabe“ verstand und auch weiter versteht28, sollte und soll der Abgrenzung vom „Zugänglichmachen“ dienen, ist aber insoweit missverständlich, als diese Umschreibung suggeriert, die Weitergabe müsse unmittelbar vom Absender zum Adressaten gelangen. Das ist indes nicht der Fall. Vielmehr ist es ausreichend, wenn die Information mittelbar (etwa über eine andere Person), aber ohne Zutun des Adressaten, an einen anderen gelangt, sofern dies seitens des Informierenden intendiert ist29. Von der Weitergabe einer Insiderinformation kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn der andere tatsächlich Kenntnis von der Insiderinformation erlangt30. Dazu reicht es – anders als bei der Beurteilung des Zugangs einer im Geschäftsverkehr abgegebenen Willenserklärung – nicht aus, dass sie in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist und nach dem normalen Verlauf der Dinge damit zu rechnen war, dass sie zur Kenntnis genommen werde31. Wenn die BaFin im Emittentenleitfaden ausführt, die Insiderinformation sei „offengelegt, wenn der Empfänger in die Lage versetzt wird, sich ohne wesentliche Schwierigkeiten Kenntnis von der Insiderinformation zu verschaffen“32, so ist dem für die „mittelbare Offenlegung“ i.S. der Zugänglichmachung zuzustimmen, kann aber nicht für die die „unmittelbare Offenlegung“ i.S. der Weitergabe der Information gelten. Auch der weiteren Annahme, die Insiderinformation müsse dabei durch den Empfänger aber nicht tatsächlich wahrgenommen bzw. als solche erkannt“ worden sein33, kann im Hinblick auf die Mitteilung einer Insiderinformation nur in dem Punkt gefolgt werden, dass der Empfänger die Information nicht als Insiderinformation erkannt haben muss. Die Weitergabe einer dem Empfänger bereits bekannten Insiderinformation stellt jedenfalls auch für diejenigen keine Offenlegung34 dar, die es (wie vorstehend in dieser Rz. ausgeführt) aus24 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 233; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 103; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 278; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 17; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.290; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 225; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/720. 25 Implizit auch Zetzsche, NZG 2015, 817, 818 (Veröffentlichung als befugte Weitergabe einer Insiderinformation i.S.v. Art. 17 VO Nr. 596/2014). A.A. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 102; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 20, 23. 26 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 235; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 18. 27 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 21. A.A. Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 235 f. 28 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 41; jetzt BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62. Ähnlich Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 63 („direkter Informationstransfer“). 29 Wie hier Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.549; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 8 Rz. 118; Sethe, ZBB 2006, 243, 247. A.A. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 15. 30 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 239; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 413; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 11. Etwa Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 21. A.A., alle mit der verfehlten Annahme, bereits die Gefahr oder die Möglichkeit einer Kenntnisnahme des Dritten erfülle den Tatbestand, Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 179; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 27; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 193; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 23; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 225. 31 Ebenso Hopt, Bankrechtstag 1995, S. 3, 19; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 276; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.154; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 21; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 53; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.551; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 42. A.A. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 418 (Zugang ausreichend); Lücker, S. 105 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 189, 193; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 122; Sethe, ZBB 2006, 243, 248 f. 32 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62. So auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 12, 15. 33 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62. 34 Ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 175, 179; BuckHeeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 240, 287; Klöhn in KölnKomm.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen reichen lassen wollen, wenn die Gefahr oder Möglichkeit einer Kenntnisnahme durch den Adressaten bestand, weil der Kreis der Insider in diesem Falle nicht erweitert werde. In diesem Fall kommt lediglich eine versuchte unbefugte Weitergabe nach Art. 14 lit. c, Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 WpHG in Betracht (s. auch Rz. 14). 12a Bei der Weitergabe der Insiderinformation an einen bestimmten Kreis Dritter genügt die Kenntnisnahme
durch eine Person aus diesem Kreis, bei einem unbestimmten Kreis die Kenntnisnahme einer der Personen aus dem Kreis derer, welche die Mitteilung vorhersehbar erreicht35. Allerdings ist zu beachten, dass die Mitteilung an einen unbestimmten Kreis bewirken kann, dass die Insiderinformation öffentlich bekannt wird und es damit an der Weitergabe einer Insiderinformationen an einen anderen mangelt36. Das ist namentlich dann der Fall, wenn eine Person, die nicht Emittent ist, eine Insiderinformation so veröffentlicht, dass sie als öffentlich bekannt gelten muss. Die öffentliche Bekanntgabe (Veröffentlichung) einer Insiderinformation selbst (auch „Bekanntgabe an die Allgemeinheit“) – genauer: die Herstellung der öffentlichen Bekanntheit einer Insiderinformation durch eine Bekanntmachung und nicht die Weitergabe zur Bekanntgabe – ist, gleich ob sie rechtmäßig oder unrechtmäßig erfolgt (Rz. 50), keine Offenlegung (Mitteilung) i.S.v. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, da diese nach ihrem Sinn und Zweck die Offenlegung einer auch danach Insiderinformation bleibenden Information voraussetzt37 und die öffentliche Bekanntgabe einer nicht öffentlich bekannten Information dieser die Eigenschaft einer Insiderinformationen nimmt38, so dass der Kreis der Insider damit nicht erweitert wird39. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob die Weitergabe der Insiderinformation zur Veröffentlichung außerhalb der dafür nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. §§ 3a ff., §§ 4 ff. WpAV vorgesehenen Weise unrechtmäßig ist; dazu Rz. 50.
12b Eine No-comment-Antwort auf eine Frage stellt unter keinen Umständen die Mitteilung einer Insiderinfor-
mation dar, und zwar auch dann nicht, wenn die Umstände auf eine bestimmte Information als Insiderinformation schließen lassen40. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass eine solche Antwort bei bestimmten Gegebenheiten ihrerseits eine Insiderinformation darstellt. Hat der andere von der Insiderinformation, die ihm übermittelt werden soll, keine Kenntnis erhalten, fehlt es an der Vollendung des Tatbestands des Weitergabeverbots, so dass das Handeln des Informanden lediglich als Versuch nach Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 WpHG geahndet werden kann. Als konkretes Gefährdungsdelikt (Rz. 7) erfasst Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht die potenzielle, sondern allein die verwirklichte Erweiterung des Insiderkreises. Aus diesem Grund ist der Tatbestand der Vorschrift auch dann nicht vollendet, „wenn die Insiderinformation dem Empfänger bereits bekannt war“41.
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WpHG, § 14 WpHG Rz. 277, 284; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 22, 29; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 5; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 225; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 14 WpHG Rz. 44. A.A., weil i.E. darauf abstellend, dass es auf den Erfolg und insbesondere die Kenntnisnahme der Information durch den Dritten nicht ankomme: Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.154; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 195; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 22; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 124; Sethe, ZBB 2006, 243, 249; Szesny, Rz. 109. Auch Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.551. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 274. Diese am Zweck des Offenlegungsverbots anknüpfende Überlegung sollte Vorrang vor dem (begriffs)logisch folgerichtigen Argument von Buck-Heeb (in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 235) haben, dass der öffentlichen Bekanntmachung die Weitergabe einer Insiderinformation vorausgeht und diese erst frühestens mit der Veröffentlichung öffentlich bekannt wird. Im Ansatz wie Buck-Heeb auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.289, aber – ähnlich der hier vertretenen Argumentation – eine teleologische Reduktion befürwortet. Mit letzterem Argument auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62: „Durch die öffentliche Bekanntgabe wird der Kreis der Insider nicht erweitert, sondern auf null reduziert, sodass das Prinzip des gleichberechtigten Informationszugangs, welches auch dem Offenlegungsverbot zu Grunde liegt, nicht verletzt wird“. Ähnlich Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 177 („das Prinzip des gleichberechtigten Informationszugangs wird nicht verletzt“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 29. I.E. ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 179; Hopt/ Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 103 („nicht als Offenlegung zu werten“); Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 279 („grundsätzlich nicht als Mitteilung ... zu bewerten“). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62 (Hervorhebung hinzugefügt): „Auch hier der Kreis der Insider nicht erweitert und die Gefahr verbotenen Insiderhandels somit nicht erhöht wird. In Betracht kommt in diesem Fall aber ggf. ein strafbarer Versuch“. Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 26; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.291; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 5; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 5.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 13 Art. 10 VO Nr. 596/2014
Auf Seiten der Person, die einem anderen eine Insiderinformation mitteilt, ist im Hinblick auf die Sanktion 12c des Handelns nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG bzw. § 120 Abs. 14 WpHG Vorsatz oder Leichtfertigkeit erforderlich (hierzu und zum Folgenden: Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9, hier Rz. 4). Dabei handelt vorsätzlich, wer weiß und will, dass er den objektiven Tatbestand des Weitergabeverbots erfüllt, wobei die Unrechtmäßigkeit der Mitteilung tatbestandsbeschränkendes Merkmal (Rz. 18) vom Vorsatz mitumfasst sein muss. Leichtfertig handelt, wer einem anderen eine Insiderinformation unrechtmäßig mitteilt, indem er die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Absender einer E-Mail mit Insiderinformationen versehentlich (auch) andere als die Adressaten einsetzt, für die die Nachricht bestimmt ist. (2) Zugänglichmachung Die Insiderinformation wird einem anderen zugänglich gemacht, wenn der Insider, statt die Insiderinfor- 13 mation als solche an einen anderen weiterzugeben, lediglich die Voraussetzungen schafft, die es einem anderen ermöglichen, sich ohne wesentliche Schwierigkeiten Kenntnis von der Insiderinformation zu verschaffen42. Das kann durch Tun oder Unterlassen43 geschehen. Ersteres ist etwa der Fall, wenn der Insider einem anderen ein Kennwort oder Passwort mitteilt, aufgrund dessen sich dieser Zugang zu elektronisch gespeicherten Informationen verschafft44, oder wenn er einem anderen ein Schriftstück zuleitet, das u.a. auch die Insiderinformation enthält. Durch ein Unterlassen kann einem Dritten eine Insiderinformation etwa zugänglich gemacht werden, wenn vertrauliche Dokumente unverschlossen weitergeleitet werden. Die Zugänglichmachung von Insiderinformationen durch Unterlassen setzt keine Garantenpflicht voraus, „da es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt handelt“45. Nicht anders als bei einer Mitteilung einer Insiderinformation wird man auch den Tatbestand der Zugänglichmachung erst dann als verwirklicht ansehen, wenn die Information dem anderen tatsächlich zur Kenntnis gelangte46, ist die Gefahr der Generierung von Insidergeschäften durch die unberechtigte Offenlegung von Insiderinformation doch bei der Weitergabe der Information wesentlich höher als bei der bloßen Eröffnung einer Zugangsmöglichkeit zu einer Insiderinformation47. Käme es nicht auf die Kenntnisnahme an, wäre jeder „nicht ordnungsgemäße Umgang mit Informationen, der Dritten die Kenntnisnahme ermöglicht“48, und damit etwa die fehlende Sperrung von Computern, Nichtsicherung von Dateien, die unverschlossene Verwahrung von Insiderinformationen an einem allgemein zugänglichen Ort oder ein nicht abgeschlossenes Büro ein vollendete unberechtigte Offenlegung. Immerhin soll keine Zugänglichmachung vorliegen, wenn sich Unbefugte Zugang zum (verschlossenen) Büro des Insiders verschaffen“49. Weiter kommt es auch hier, wie bei der Weitergabe einer Insiderinformation (Rz. 12), nicht darauf an, ob die Person die ihr zugänglich gemachte Information als Insiderinforma42 Unstreitig, schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 41; jetzt BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62. Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 238; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 12, 13. 43 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 12; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 30; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.291; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 4. 44 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 48; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 238. 45 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 26; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.291. A.A. Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII.) § 119 WpHG Rz. 226; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 5. 46 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 239. A.A. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 179; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 27; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.91. Nicht zu folgen ist auch hier, wie im Hinblick auf das Weitergabeverbot (Rz. 12), der Ansicht der BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62, die Insiderinformation müsse durch den Empfänger „nicht tatsächlich wahrgenommen“ werden. 47 Zu Art. 10, 14 VO Nr. 596/2014 Hilgendorf in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 7.4. Art. 14 MAR Rz. 70. Zur entsprechenden Fragestellung bei § 14 WpHG a.F. Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 103; Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 2 Rz. 82; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.551; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 21; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 42. A.A. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 418; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 282; Klöhn in Köhn, Art. 10 MAR Rz. 24; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 193; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 5; Sethe, ZBB 2006, 243, 249. 48 Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.291; dort auch die nachfolgenden Beispiele. 49 Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.291 m.w.N.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen tion erkannte50. Zur Kenntniserlangung bei Eröffnung einer Zugangsmöglichkeit gelten die Ausführungen zu derjenigen bei einer Mitteilung (Rz. 12) entsprechend. Auf Seiten desjenigen, der einem anderen eine Insiderinformation zugänglich macht, ist im Hinblick auf die Sanktion des Handelns nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 bzw. § 120 Abs. 14 WpHG Vorsatz oder Leichtfertigkeit erforderlich (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9, hier Rz. 4): In ersterer Hinsicht muss der Insider deshalb entweder wissen, dass der andere sich die Insiderinformation verschaffen wird, oder er muss mit diesem Ablauf rechnen und ihn in Kauf nehmen51. In letzterer Hinsicht ist erforderlich, dass der Insider, als er die Voraussetzungen schuf, die dem anderen die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffneten, die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzte. 14 Weder die Weiterleitung noch die Zugänglichmachung einer Insiderinformation setzt voraus, dass der ande-
re von der weitergegebenen oder zugänglich gemachte Insiderinformation Gebrauch macht, indem es sie zu einem Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft nutzt, zur Grundlage einer Empfehlung oder Verleitung macht oder seinerseits unrechtmäßig weitergibt52. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der andere erkennt, dass es sich bei der von ihm zur Kenntnis genommenen oder ihm zugänglich gemachten Information um eine Insiderinformation handelt53. Eine Weitergabe liegt daher auch dann vor, wenn der andere annimmt, die Information sei öffentlich bekannt. Ein Zusammenwirken zwischen den Beteiligten ist nicht erforderlich54. Ist dem Adressaten der Information die ihm weitergegebene oder zugänglich gemachte Information schon bekannt, also nicht neu, so fehlt es am Tatbestand der Offenlegung und es kommt lediglich eine versuchte unbefugte Weitergabe in Betracht (Rz. 12). Für den Dritten muss die Insiderinformation folglich etwas Neues, ihm Unbekanntes beinhalten. Doch kommt auch in dem Fall, in dem dies nicht gegeben ist, ein strafbarer Versuch in Betracht (Rz. 12 a.E.). cc) Offenlegung gegenüber einem anderen
15 Wenn die Vorschrift die Offenlegung von Insiderinformationen „gegenüber einem anderen“ verbietet, so
ist damit jede andere natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengemeinschaft als der Offenlegende gemeint55. Dementsprechend ist auch die Weitergabe einer Insiderinformation zwischen Konzernunternehmen die Offenlegung derselben an einen anderen. Gleiches gilt für die unternehmensinterne Informationsweitergabe. Die andere Person muss nicht eine bestimmte Person, sondern können auch mehrere bestimmte Personen sein56. Ob darunter aber auch ein unbestimmter Kreis von Personen fällt, wurde teilweise unter Berufung auf den Wortlaut „einem anderen“ bestritten57. Dabei konnte sich diese Auffassung auf Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/592/EWG (Rz. 1) berufen, welche es den Mitgliedstaaten auferlegte, die Weitergabe von Insiderinformationen „an einen Dritten“ zu untersagen. Schon die RL 2003/6/EG (Rz. 1), nach deren Art. 3 lit. a die Mitgliedstaaten die Weitergabe von Insiderinformationen „an Dritte“ verbieten
50 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 239; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 26; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.291; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 5, 7; Poelzig in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 48. 51 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 286; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 26. 52 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 20. 53 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 179; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 239; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 418; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 103; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 16; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 5; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 158. Schon Lösler in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 53; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/720; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 23; Sethe, ZBB 2006, 243, 249; Süßmann, AG 1999, 162, 163. 54 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 16; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 192; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.551. 55 Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 21; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 20; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.289; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 7. 56 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 234; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 23; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 21; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 65; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.289. 57 Schäfer in Schäfer, § 14 WpHG Rz. 16 und in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 19. Eher in diese Richtung auch Schwark in Schwark, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 28. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 274, gibt dagegen lediglich zu bedenken, dass in diesem Fall die Insiderinformationen mit der Offenlegung öffentlich bekannt werden könnte. In Bezug auf § 8 VO Nr. 596/2014 auch Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 23.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 18 Art. 10 VO Nr. 596/2014
müssen, gab solchen Überlegungen keine Stütze mehr58. Deshalb verlangte die richtlinienkonforme Auslegung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. und des Begriffs „einem anderen“, hierunter auch eine unbegrenzte Anzahl Dritter zu verstehen, deren Identität und Zahl der Absender nicht zu bestimmen vermag59. Daran ist auch im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs „einem anderen“ in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 festzuhalten. Denkbar ist allerdings, dass die Mitteilung an einen unbestimmten Kreis dazu führt, dass sie mit der Offenlegung öffentlich bekannt wird und keine Insiderinformation mehr darstellt (Rz. 12)60. Die Veröffentlichung einer Insiderinformation stellt die Mitteilung an einen unbestimmten Kreis von Per- 16 sonen und damit die Weitergabe derselben an Dritte dar. Erfolgt die Veröffentlichung durch den Emittenten zur Erfüllung seiner Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, so handelt es sich um eine berechtigte Offenlegung der Insiderinformation: sei es, weil man die Veröffentlichung als eine gesetzlich für Emittenten begründete Aufgabe i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 qualifiziert und in der Vornahme der Veröffentlichung – entsprechend der Regelung in Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 für die Marktsondierung (Rz. 6) – die normale Erfüllung dieser Aufgabe sieht, oder sei es, weil man in der gesetzlichen Veröffentlichungspflicht einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund für die Weitergabe sieht. b) Unrechtmäßige Offenlegung (Weitergabe und Zugänglichmachung) aa) Unrechtmäßigkeit als Tatbestandsmerkmal Die Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber einer anderen Person ist grundsätzlich unrechtmäßig, 17 es sei denn, die Offenlegung geschieht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben. Trotz der unterschiedlichen Strukturierung und Formulierung dieses Tatbestandsmerkmal des Verbots unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen, die auf Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/592/EWG und Art. 3 lit. a RL 2003/6/EG (beide Rz. 5) basiert, entspricht es der Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F., die ihrerseits auf den vorstehend angeführten Richtlinienbestimmungen beruhte und diese in nationales Recht umsetzte. Nach dieser durch Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 abgelösten Regelung war es verboten, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen, wobei als unbefugt nur die Weitergabe oder Zugänglichmachung von Insiderinformation bestimmt wurde, die nicht im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oderihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben erfolgte61. Das entspricht der Regelung, wie sie sich jetzt in Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 wiederfindet, nach dem jede Offenlegung als unrechtmäßig gilt, die nicht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben geschieht. Deshalb kann auch zu diesem Tatbestandsmerkmal auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die sie sich zu dem Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ und zur Befugnis der Weitergabe und Zugänglichmachung von Insiderinformationen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. herausgebildet hatten62. Anders als etwa in den vergleichbaren Straftatbeständen des § 203 Abs. 1 StGB oder des § 404 Abs. 1 AktG, 18 welche die Verletzung einer Geheimnispflicht zum Gegenstand haben, war das Merkmal „unbefugt“ und ist das Merkmal „ungerechtfertigt“ im Hinblick auf die Sanktion des Verstoßes gegen Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 58 Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 28; i.E. auch Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 120; Sethe, ZBB 2006, 243, 247. 59 Ebenso Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2017, § 15 Rz. 65. 60 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 234 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 21. 61 Rz. 5 und schon Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 73. 62 Etwa Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 180; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.295; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 8. Nach BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2 S. 63, kann die Frage der Unrechtmäßigkeit der Offenlegung wegen ihrer nur generalklauselartigen Regelung in Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 „nur unter Rückgriff auf das nationale Recht beurteilt werden“. Immerhin kann sich die BaFin dazu auf die Entscheidung des EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 40, berufen, in der es heißt, ob die Weitergabe einer Insiderinformation berufsbedingt unerlässlich sei und ob etwas in einem normalen Rahmen in Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder in Erfüllung einer Aufgabe geschehe, bestimme sich, in Ermangelung einer Harmonisierung in diesem Bereich, weitestgehend nach den Vorschriften, die diese Fragen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen regelten. Ob die Auffassung der BaFin – angesichts verschiedener Kautelen des Gerichts (Rz. 20) – dennoch in dieser Pauschalität zutrifft, kann dahinstehen, sind die zur Auslegung des Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ und zur Befugnis der Weitergabe und Zugänglichmachung von Insiderinformationen des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. herausgebildeten und hier heranzuziehenden Grundsätze doch in richtlinienkonformer (die vorerwähnten Kautel des Gerichts berücksichtigender) Auslegung des einschlägigen nationalen Rechts entwickelt worden.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 18 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 als Straftat nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG nicht als allgemeines Verbrechensmerkmal, sondern als tatbestandsbeschränkendes Merkmal63 und damit jedenfalls als Teil des Tatbestands64 zu betrachten. Das heißt zum einen: Die Offenlegung von Insiderinformationen, die im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben geschieht ist, ist rechtmäßig und erfüllt damit nicht den Tatbestand der unrechtmäßigen Offenlegung nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014. Und das heißt zum anderen, im Hinblick auf die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen das Offenlegungsverbot nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG, welche Vorsatz verlangt: Weil es sich bei der Unrechtmäßigkeit der Offenlegung um ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal handelt, muss sich der Vorsatz auch hierauf erstrecken65. Geht der Handelnde „aufgrund einer unzutreffenden Einschätzung irrig“ davon aus, eine Weitergabe der Information sei aus beschäftigungs-, berufs- oder aufgabenspezifischen Gründen unerlässlich, so kommt ein Tatbestandsirrtum in Betracht. Für den Fall, dass die Rechtmäßigkeit der Offenlegung einer Insiderinformation gegenüber einem Dritten durch einen Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder eine in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Person im Zuge der normalen Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder der normalen Erfüllung ihrer Aufgaben gem. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu beurteilen ist, ist Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 zu beachten.
bb) Kriterien zur Bestimmung unrechtmäßiger Offenlegung 19 Die Frage, unter welchen Voraussetzungen von einer normalen beschäftigungs-, berufs- oder aufgabenbe-
dingten Offenlegung von Insiderinformation ausgegangen werden kann, wurde im Hinblick auf die normale aufgaben-, tätigkeits- oder berufsbedingte Weitergabe oder Zugänglichmachung von Insiderinformationen i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. durch eine Beschränkung der Befugnis der Weitergabe und der Zugänglichmachung Insiderinformation auf Fälle beantwortet, in denen die Weitergabe bzw. Zugänglichmachung als zwingend erforderlich erschien66. Diese Ansicht konnte sich indes nicht behaupten67, vor allem, weil sie auch Fälle erfasste, in denen die Mitteilung oder Zugänglichmachung der Information an einen Dritten zur Wahrnehmung einer Aufgabe, einer Tätigkeit oder eines Berufs – namentlich an einen externen Berater eines Emittenten – zwar nicht unverzichtbar, wohl aber durch vernünftige Gründe sachlich gerechtfertigt und in Abwägung gegenüber dem mit der Ausweitung des Insiderkreises verbundenen erhöhten Gefahr von Insidergeschäften hinnehmbar erschien. Deshalb hatte sich die Meinung durchgesetzt, eine betriebsinterne Informationsweitergabe müsse lediglich „erforderlich“ sein, um als befugte Weitergabe zu gelten68, 63 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 242; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 25; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 125. 64 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 104; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 7, 22; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.292; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 227, 249. In Bezug auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. ausführlich Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 72; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 363; Caspari, ZGR 1994, 530, 545; Gehrmann, S. 135; Götz, DB 1995, 1949; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 289; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.155; Liekefett, S. 169; Lücker, S. 108 ff.; Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 6 Rz. 296; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 197; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 8 („negatives Tatbestandsmerkmal“); Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 49; i.E. auch Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 25; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1810; Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255, 1261; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 588; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.552; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 45; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 125; Sethe, ZBB 2006, 243, 249; Singhof, ZGR 2001, 146, 152; Süßmann, AG 1999, 162, 163. 65 § 119 WpHG Rz. 117, 125 f.; Hilgendorf/Kusche in Park, Kap. 7.4. Art. 14 Rz. 91; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 249: „Es handelt sich um ein normatives Tatbestandmerkmal, dessen unrechtstypisierenden Charakter sich der Täter durch einen Akt geistigen Verstehens verdeutlicht und damit Bedeutungskenntnis erlangt haben muss (Parallelwertung in der Laiensphäre)“; Hervorhebung im Original. 66 So noch Assmann, AG 1994, 237, 247. Ähnlich auch Hartmann, S. 239 („Insidertatsachen dürfen ... nur auf einer strengen Need-to-know-Basis weitergegeben werden“); Lücker, S. 111 ff., 113 („notwendig, das heißt einem dem Insiderrecht vorrangigem Rechtsgut dienlich“). 67 Assmann, AG 1997, 50, 55; Götz, DB 1995, 1949, 1950; Krauel, S. 294; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1810; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 33; Soesters, S. 190. 68 Marsch-Barner in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1, 2001, § 7 Rz. 123; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 27; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 47; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 126 f. („vernünftige Gründe“); Szesny, Rz. 112. In BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41, 67, ist von „benötigen“ die Rede. Ähnlich Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 206 („angewiesen“ oder „benötigen“ sind „nicht streng objektiv“ zu verstehen).
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 20 Art. 10 VO Nr. 596/2014
wobei die Erforderlichkeit nach der normalen Aufgabe, Tätigkeit oder Beruf im Rahmen der Betriebsorganisation bestimmt wurde. Gleichzeitig wurde aber darauf hingewiesen, dass das Kriterium einer „normalen“ tätigkeitsbedingten Weitergabe oder Zugänglichmachung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht im Sinne von „üblich“ zu verstehen sei69, weil eine Verhaltensweise auch gegen die Anforderungen des Gesetzes zur Übung geworden sein könne. Die vorstehende Deutung von „normal“ im Sinne von „erforderlich“ erschien dem EuGH aber ganz offen- 20 sichtlich als zu weit, um noch „der Tatsache Rechnung zu tragen, dass jede zusätzliche Weitergabe die Gefahr vergrößern kann, dass diese Informationen mit einem der Richtlinie 89/592/EWG [Insiderrichtlinie, Rz. 1] zuwiderlaufenden Ziel ausgenutzt werden“70. In gewollt enger und denkbar engster Auslegung hat das Gericht in seiner Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.2005 die Weitergabe einer Insiderinformation nur dann als gerechtfertigt erklärt, wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder für die Erfüllung einer Aufgabe „unerlässlich“ sei – in der englischen Fassung der Entscheidung „strictly necessary“ und in der Sprache des vorlegenden dänischen Gerichts „strengt nødvendig“ – und den „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ beachte71. Dabei lassen sich diese Kriterien dahingehend deuten, dass die Weitergabe der Insiderinformation nur dann unerlässlich ist, wenn die in Frage stehende berufliche oder aufgabenbedingte Tätigkeit ohne sie nicht erledigt werden kann, und die jeweils in Frage stehende Offenlegung darüber hinaus im Lichte einer Abwägung zwischen dem Zweck des Weitergabeverbots und dem Grund der Tätigkeit gerechtfertigt, d.h. verhältnismäßig ist72. Ob die Weitergabe einer Insiderinformation berufsbedingt unerlässlich sei und ob etwas in einem normalen Rahmen in Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder in Erfüllung einer Aufgabe geschehe, bestimme sich, so das Gericht, im Übrigen „in Ermangelung einer Harmonisierung in diesem Bereich ... weitestgehend nach den Vorschriften ... die diese Fragen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen“ regelten73, doch müssten die Gerichte dabei Folgendem Rechnung tragen: erstens „dem Umstand, dass diese Ausnahme vom Verbot der Weitergabe von Insider-Informationen eng auszulegen“ sei; zweitens „dem Umstand, dass jede zusätzliche Weitergabe die Gefahr vergrößern“ (könne), dass diese Informationen mit einem der Richtlinie 89/592 [Insiderrichtlinie, Rz. 1] zuwiderlaufenden Ziel ausgenutzt“ würden; und drittens „der Sensibilität“ der jeweiligen Insiderinformation74. Auf eine handhabbare Formel gebracht, wird man die Weitergabe einer Insiderinformation dann als unerlässlich und verhältnismäßig ansehen können, wenn ohne sie eine Arbeit oder ein Beruf oder die Erfüllung einer Aufgabe – in der Formulierung von Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014: einer Beschäftigung, eines Berufs oder einer Aufgabe – nicht möglich ist75 und dies die mit der Weitergabe der Insiderinformation verbundene Erhöhung der Gefahr von Insidergeschäften rechtfertigt. Nur in der Formulierung, nicht aber in der Sache anders fällt die Formel der BaFin im Emittentenleitfaden aus, nach der die Offenlegung einer Insiderinformation rechtmäßig ist, wenn die Kenntnis anderer Personen von der Insiderinformation zur Erreichung eines legitimen (d.h. rechtlich zulässigen) Zwecks erforderlich ist, d.h. dieser Zweck nicht durch eine mildere, die Gefahr des Insiderhandels nicht erhöhende Maßnahme erreicht werden kann, und die Offenlegung da69 Assmann, AG 1997, 50, 55; Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255, 1262 f.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 47. 70 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 36. Gegen die Ansicht, der EuGH habe in dieser Entscheidung einen gegenüber dem Erforderlichkeitsmaßstab strengeren Maßstab angelegt, aber mit spekulativer Argumentation und nicht überzeugend, Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 325 ff. 71 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 34. 72 Das Kriterium der Verhältnismäßigkeit nimmt auch bei der grundsätzlichen Bestimmung der Rechtmäßigkeit der Offenlegung einer Insiderinformation i.S.v. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 durch die BaFin eine herausgehobene Stellung ein. So heißt es in BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.1 S. 63: „Im Grundsatz ist die Rechtmäßigkeit der Offenlegung durch eine Abwägung des Offenlegungsinteresses des Insiders mit dem Interesse des Marktes auf Eindämmung von Insiderinformationen zu ermitteln, welche anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erfolgen hat“. 73 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 40 (Hervorhebung hinzugefügt). Dagegen Zetzsche, NZG 2015, 817, 819. 74 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133 Ls. 1 Satz 2 und ausführlich 134 Rz. 32 ff. 75 I.E. auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.160 f. („Unerlässlich meint ... eine Insiderinformationsweitergabe, die für die Erfüllung der Aufgabe desjenigen, der die Information weitergibt, notwendig ist“). Auch Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 66 („nicht nur dienlich“); Szesny, Rz. 112. Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 73 f., hält die Ansicht, der EuGH habe mit der Grøngaard und Bang-Entscheidung den bis dahin für maßgeblich erachteten Erforderlichkeitsmaßstab verschärft, für unzutreffend. Seine Argumente – zu denen auch dasjenige gehört, es sei schon fraglich, ob sich der EuGH „mit Anfügen des Attributs ‚streng‘ überhaupt etwas gedacht“ habe (ebd. Rz. 74) – sind indes nicht dergestalt, dass man dazu raten möchte, ihnen in der Rechtsanwendung und vor allem der Rechtsberatung zu folgen.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen rüber hinaus in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs bzw. mit der Erfüllung der Aufgabe steht und hierfür erforderlich ist76. 20a Außer Frage steht danach jedenfalls, dass die Offenlegung auf diejenige Anzahl an Personen beschränkt
sein muss, „deren Kenntnis erforderlich ist, um den mit der Offenlegung verfolgten Zweck zu erreichen (sog. Need-to-know-Prinzip)“ und dass im „Rahmen der Angemessenheit ... das Offenlegungsinteresse das Interesse des Marktes, die Verbreitung von Insiderinformationen einzudämmen, schließlich [zu] überwiegen“ hat77. In diese Abwägung ist – mit den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden78 – „das konkrete Risiko des verbotenen Insiderhandels bzw. der verbotenen Empfehlung oder Verleitung aufgrund der Offenlegung der Insiderinformation einzustellen“, und es sind, darüber hinaus, die Kursrelevanz der Insiderinformation sowie die Verlässlichkeit des Empfängers derselben zu berücksichtigen“, wobei es sich zu Gunsten einer rechtmäßigen Offenlegung etwa auswirken kann, „wenn Maßnahmen zur Eindämmung des Informationsflusses, wie etwa Verschwiegenheitsvereinbarungen, ergriffen werden“. Darüber hinaus soll berücksichtigungsfähig sein, „ob die Weitergabe der Informationen unter ausdrücklichem Hinweis auf deren Charakter als Insiderinformation und damit einhergehende rechtliche Konsequenzen erfolgte“.
21 Dessen ungeachtet lässt sich über die Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.2005 trefflich streiten79.
Das gilt nicht nur im Hinblick auf Deutung der einschlägigen Bestimmungen der Insiderrichtlinie durch den EuGH, sondern auch im Hinblick auf die Auslegung der Schlüsselbegriffe der Entscheidung selbst80. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die Entwicklung des europäischen Insiderrechts hin zur Marktmissbrauchsverordnung sowie die Regelung desselben in Art. 7–10 und 14 VO Nr. 596/2014 der Entscheidung den Boden entzogen hätte81, weshalb von der der Fortgeltung der sog. Grøngaard und Bang-Kriterien auszugehen ist82: Darauf, dass Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 die fast wortgleiche Formulierung enthält wie seinerzeit Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie (Rz. 1), welcher dem Urteil des EuGH zugrunde lag, wurde bereits an früherer Stelle (Rz. 1 und Rz. 5) hingewiesen. Was die strengst mögliche Verwirklichung des Ziels einer Norm und die Ausblendung der Folgen einer Entscheidung auf die Funktionsfähigkeit des von dieser betroffenen institutionellen Umfelds angeht, hat der EuGH seine Effet-utile-Methode der Auslegung europarechtlicher Normen in keiner Weise modifiziert (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29 f.). Deshalb wird hier von der Fortführung des Versuchs abgesehen, die Regel der Entscheidung teleologisch dahingehend zu modifizieren, dass die Weitergabe einer Insiderinformation an Unternehmensexterne im strengen Wortsinn unerlässlich sein müsse, während die unternehmensinterne Weitergabe schon dann rechtmäßig sei, wenn sie vorgenommen wurde, „um eine aus betriebsorganisatorischer Sicht sinnvolle Aufgabe oder Tätigkeit beruflicher oder sonstiger Art sachgerecht wahrnehmen zu können“83. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das däni76 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62. 77 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62 (Hervorhebung hinzugefügt); Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/ Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.297. 78 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.1 S. 62. 79 Zustimmend Bachmann, ZHR 172 (2008), 624. Kritisch Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 74b; Assmann, WuB I G 7. – 3.06 (WuB 2008, 553, 554); Gehrmann, S. 155 ff. Näher Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.160 („gänzlich praxisfremd“). 80 Dazu Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 74b. 81 Zweifelnd und eher ablehnend Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 163. Nicht überzeugend ist dessen Argument, die Wiederholung von Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 in Erwägungsgrund 35 VO Nr. 596/2014 sei „als Ablehnung des Unerlässlichkeitskriteriums zu lesen, weil diese in auffälligem Gegensatz zur ansonsten praktizierten Kodifizierung des EuGH-Rechtsprechung“ stehe. Ähnlich schon Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 128 a.E. Wäre eine Abweichung oder eine Zustimmung von der Entscheidung gewollt gewesen, hätte in Erwägungsgrund 35 VO Nr. 596/2014 – was in vielen anderen Fällen geschehen ist – der Wortlaut nicht nur wiederholt, sondern konkretisiert werden können: sei es durch den Hinweis, „normal“ sei die „erforderliche“ Weitergabe oder sei es durch den Hinweis, „normal“ sei die „unerlässliche“ Offenlegung einer Insiderinformation. Bestenfalls können die Ausführungen in Erwägungsgrund 35 VO Nr. 596/2014 deshalb dahingehend gedeutet werden, dass die Auslegung von „normal“ offen ist. Bis zu einer anderen Auslegung dieses Begriffs durch den EuGH ist der Praxis jedoch anzuraten, sich an die Kriterien der Grøngaard und Bang-Entscheidung zu halten. 82 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 181; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 244; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 105; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 324; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 72; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 24; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3. Aufl. 2014, S. 725 f.; Poelzig, NZG 2016, 528, 534, 535; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 50 f.; noch zum Kommissionsentwurf der Marktmissbrauchsverordnung Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2373. 83 Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 74b. Ebenso Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 268, 318 ff.; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 128. Für eine streng wortlautorientierte Auslegung von „unerlässlich“ Zetzsche, NZG 2015, 817 ff.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 23 Art. 10 VO Nr. 596/2014
sche Gericht, das dem EuGH die Auslegung des Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie 89/592/EWG (Rz. 1) zur Entscheidung vorgelegt hatte, das Merkmal „unerlässlich“ – so wie hier ehedem vertreten84 – weit und abmildernd, im Sinne von lediglich „erforderlich“, auslegte85. Entgegen vereinzelten Stimmen aus dem Schrifttum zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. kam und kommt es für 22 die Beantwortung der Frage, ob die Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation berechtigt ist, nicht darauf an, ob der Informationsempfänger einer besonderen gesetzlichen (z.B. § 203 StGB, § 404 AktG) oder aufgrund einer Vertraulichkeitsvereinbarung einer vertraglich begründeten Verschwiegenheitspflicht unterliegt86. Das ist deshalb nicht geboten, weil in den Fällen, in denen die Weitergabe oder Zugänglichmachung der Information im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben erfolgt, auch der Empfänger der Information zum Insider wird und damit Verboten des Art. 14 VO Nr. 596/2014 – wie zuvor denjenigen des § 14 Abs. 1 Nr. 1–3 WpHG a.F.87 – unterliegt. Damit ist sichergestellt, dass auch der Informationsempfänger die Insiderinformation nicht für Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte verwenden, weitergeben, zugänglich machen oder als Grundlage für Empfehlungen verwenden darf und mithin vertraulich zu behandeln hat. Setzt eine rechtmäßige Weitergabe von oder die Eröffnung der Zugangsmöglichkeit zu Insiderinformationen keine Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Empfänger der Information voraus, so wird – umgekehrt – die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen auch nicht dadurch rechtmäßig, dass mit dem Empfänger eine Vertraulichkeitsvereinbarung vereinbart wird88. Rechtmäßig ist die Offenlegung von Insiderinformationen nur, wenn sie zur normalen Ausübung einer Be- 23 schäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben unerlässlich (Rz. 20) ist. Dabei kommen sowohl die Beschäftigung, der Beruf oder die Aufgabe derjenigen Person Betracht, der die Insiderinformation weitergegeben oder zugänglich gemacht wird, d.h. des Offenlegenden, als auch derjenigen, der gegenüber die Insiderinformationen offengelegt werden, d.h. des Informationsempfängers. Soweit zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Offenlegung auf die Beschäftigung, den Beruf oder die Aufgabe des Empfängers von Insiderinformationen abgestellt wird, kommt diese allerdings nur für den Fall als rechtmäßig in Betracht, wenn die Beschäftigung, der Beruf oder die Aufgabe auch für oder im Interesse des Mitteilenden oder Zugänglichmachenden89 ausgeübt bzw. erledigt wird90. Die Begriffe Beschäftigung, Beruf und Aufgabe
84 Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 74. 85 Højesteret v. 14.5.2009 – 219/2008, ZIP 2009, 1526. 86 Ebenso schon Assmann, AG 1997, 50, 55; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 184 (grds. wie hier, aber sinnvoll, weil bei der Interessenabwägung eine Rolle spielend); Claussen/Florian, AG 2005, 745, 752; v. Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225, 226 f.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 95 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 26; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 211 f.; Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.555; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 28; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809, 1810; Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, 2002, S. 1255, 1261 ff.; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 588; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 126; Sethe, ZBB 2006, 243, 250; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 380; Veil, ZHR 172 (2008), 239, 257. A.A. Götz, DB 1995, 1949, 1950; Liekefett, S. 184 f.; Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249, 2252, die fehlerhaft davon ausgehen, nach dem neuen Recht bedürfe zwar die Weitergabe von Insiderinformationen an „Berufsträger“ keiner Vertraulichkeitsvereinbarung, wohl aber diejenige „an Dritte“. Zum Versuch, aufgrund der Regelungen der seinerzeit neu in das Gesetz gelangten § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. und in dem von dieser Bestimmung umgesetzten Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) herzuleiten, nur diejenige Weitergabe von Insiderinformationen und Eröffnung eines Zugangs zu solchen Informationen sei befugt, die mit dem Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung einhergehe, ausführlich und ablehnend Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 76. 87 Dazu etwa Hopt in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 40; Pananis, S. 139. 88 Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 26; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.298. 89 Darin wie Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 299 f., der damit allerdings insinuiert, in Bezug auf die normale Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder die normale Erfüllung von Aufgaben kämen nur die entsprechenden Tätigkeiten des Offenlegenden in Betracht. 90 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 41 („... im üblichen Rahmen bei Ausübung der Arbeit oder des Berufs oder in Erfüllung von Aufgaben des Insiders für den Emittenten“, Hervorhebung hinzugefügt). Dies gilt auch dann, wenn die Information innerhalb des Unternehmens oder an externe Personen weitergegeben wird.“ Dass die Offenlegung von Insiderinformationen an Dritte rechtmäßig sein kann, weil diese die Informationen für die Ausübung bzw. Erledigung ihrer Beschäftigung, ihres Berufes oder ihrer Aufgabe benötigen, wird – vor allem wenn es um die Befugnis zur Weitergabe an Unternehmensexterne geht – nahezu einhellig (mit Ausnahme wohl nur von Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 300) angenommen, wenngleich vielfach nur implizit unterstellt. Explizit etwa Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 199, 206. Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 49, hält generell „ein Offenlegungsinteresse des
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 23 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen decken ein denkbar weites Feld legaler Tätigkeiten von Personen ab, die nicht der rein privaten Wahrnehmung von Eigeninteressen dieser Personen zuzuordnen sind91 und im Einzelfall nur dann ordnungsgemäß ausgeführt werden können, wenn die Personen dazu die erforderlichen Informationen und im Einzelfall auch die hierfür unerlässlichen Insiderinformationen weitergeben oder erlangen. Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 19) ausgeführt, ist die Offenlegung von Insiderinformationen nicht bereits deshalb normal, weil sie für die beteiligten Personen in den betroffenen Verhältnissen und Tätigkeiten üblich („Praxis“) ist. cc) Offenlegung aufgrund von gesetzlichen Geboten und Obliegenheiten 24 Erfolgt die Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation in Erfüllung einer gesetzlichen
Informationspflicht und ergibt die Auslegung der die Informationspflicht begründenden Norm, dass sie nach ihrem Sinn und Zweck und in Abwägung zu den Zielen des Offenlegungsverbots – Verhinderung der mit jeder zusätzlichen Weitergabe einer Insiderinformation verbundenen Gefahr, dass diese Informationen für Insidergeschäfte genutzt werden92 – auch die Weitergabe oder Zugänglichmachung von Insiderinformationen mitumfassen soll93, so erfolgt die Offenlegung nicht unberechtigt94. Da jede gesetzliche begründete Informationspflicht an eine Beschäftigung, eine berufliche Stellung oder zumindest eine bestimmte Aufgabe (zu weiten Anwendungsbereich dieser Begriffe Rz. 23) anknüpft, ist eine sich gegenüber dem Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen durchsetzende gesetzliche Informationspflicht – dem Regelungsmuster von Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 folgend95 – als rechtmäßig i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 anzusehen, weil sie im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben erfolgt.
25 Nicht zu den gesetzlich begründeten Informationspflichten gehören vertraglich begründete Informations-
pflichten96, da andernfalls die rechtmäßige Weitergabe von Insiderinformationen zur Disposition Privater gestellt würde. Dagegen kommen gesetzlich begründete zivilrechtliche Informationspflichten, wie insbesondere vorvertraglich begründete Aufklärungspflichten, durchaus als Grundlage einer rechtmäßigen Weitergabe in Betracht, denn auch von denen, die dies ablehnen97, wird nicht bestritten, dass stets zu fragen ist, ob die pflichtenbegründende Norm im Allgemeinen und im Besonderen „wirklich die Weitergabe der Insiderinformation verlangt ... und Vorrang gegenüber dem insiderrechtlichen Weitergabeverbot genießt“98. Ebenso wird man die Weitergabe einer Insiderinformation in dem als eher selten anzusehenden Fall für rechtmäßig halten, dass diese durch eine Person erfolgt, die nur so und zur Erfüllung einer nicht klagbaren Nebenpflicht ihre rechtsgeschäftlich begründete, aber nicht auf die Informationsweitergabe als Haupt- oder Nebenleistung oder die Vermögenssorge für andere gerichtete Verpflichtung (dazu Rz. 60) erfüllen kann99.
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Insiders“ für maßgeblich, sieht als ein solches aber (wie hier) auch dessen Interesse an der Erfüllung von Aufgaben des Empfängers der Insiderinformation an. Wie hier (Offenlegung zu rein privaten Zwecken ist unzulässig) Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 9. Wegen vermeintlicher „Abgrenzungsfragen [welche?] ... zweifelhaft“, Abwägung der Weitergabeinteressen des Offenlegenden und des „Interesse[s] an der Eindämmung der Verbreitung von Insiderinformationen“ des Marktes ist geboten: Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 182. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 54 ff. EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 36. S. Rz. 20. Schon Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 80. Zu weitgehend Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 129, der davon ausgeht, eine befugte Weitergabe liege „stets dann vor, wenn sie aufgrund gesetzlicher Mitteilungs- oder Informationspflichten“ (Hervorhebung hinzugefügt) erfolge. Wie hier Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 348. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 98; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 15. Für die Zwecke von Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 eine Offenlegung von Insiderinformationen, die im Verlauf einer Marktsondierung vorgenommen wird, so zu betrachten, dass sie im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs oder der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person vorgenommen wird (und im Übrigen die Voraussetzungen von Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/ 2014 erfüllt sind). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.2 S. 63; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 189; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 248; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 349; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 47. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 351 („Richtigerweise genügen zivilrechtliche Aufklärungspflichten nie, um eine Befugnis zur Weitergabe ... zu begründen“); Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 101; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 47. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 348. Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 364, als Beispiel ein Geschäftsbesorgungsverhältnis i.S.v. § 675 BGB anführend.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 27 Art. 10 VO Nr. 596/2014
Auch die Wahrnehmung gesetzlich begründeter Obliegenheiten kann, vergleichbar der Erfüllung gesetzlicher Pflichten, zu einer rechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen führen100, wenn ihre Auslegung – insbesondere unter Berücksichtigung der mit der Nichtbefolgung der jeweiligen Obliegenheit verbundenen Nachteile101 – ergibt, dass sie, entsprechend dem vorstehend angeführten Kriterium und im konkreten Fall, Vorrang gegenüber dem Verbot der Offenlegung von Insiderinformationen haben102. Die Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber Behörden durch den betroffenen Marktteilnehmer wird von der BaFin als „regelmäßig rechtmäßig“ gem. Art. 10 Abs. 1 Halbs. 2 VO Nr. 596/2014 angesehen, „wenn es sich bei der Offenlegung um eine Obliegenheit im Rahmen eines Genehmigungs- oder sonstigen behördlichen Entscheidungsverfahrens handelt, in dem der offenlegende Marktteilnehmer Beteiligter ist“103. Näher hierzu Rz. 32. Ob sich eine gesetzliche Informationspflicht oder eine gesetzlich begründete Obliegenheit gegenüber dem 26 Verbot der Offenlegung von Insiderinformationen durchsetzt, bestimmt sich nach den Ausführungen des EuGH in der Grøngaard und Bang-Entscheidung „in Ermangelung einer Harmonisierung in diesem Bereich ... weitestgehend nach den Vorschriften, die diese Fragen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen“ regeln104, doch müssten – worauf schon in Rz. 20 hingewiesen wurde – die Gerichte dabei die „Sensibilität“ der jeweiligen Insiderinformation berücksichtigen und dem Umstand Rechnung tragen, dass diese Ausnahme vom Verbot der Weitergabe von Insider-Informationen eng auszulegen sei und jede zusätzliche Weitergabe die Gefahr von Insidergeschäften vergrößere105. Nach diesen Grundsätzen ist – nicht zuletzt wegen der grundsätzlichen Gesamtgeschäftsführung und der 27 nicht einschränkbaren Gesamtverantwortung des Vorstands als Leitungsorgan eines Emittenten sowie der daraus folgenden Pflichten zur gegenseitigen Kontrolle und organinternen Information über die wesentlichen Vorgänge innerhalb der einzelnen Aufgabenbereiche der Vorstände106 – von der Zulässigkeit der Weitergabe bzw. Zugänglichmachung von Insiderinformationen innerhalb des Vorstands auszugehen107. Gleiches gilt aufgrund der Leitungsverantwortung des Vorstands im Hinblick auf die innerbetriebliche – einschließlich der vom Aufsichtsrat ausgehenden – Weitergabe von Insiderinformationen, die das Unternehmen betreffen, an den Vorstand108 oder – der Ressortverteilung folgend – an einzelne Vorstände, unabhängig davon, ob sie innerbetrieblich109 oder außerbetrieblich entstanden sind. Vorstehende und nachfolgende Ausführungen in Rz. 28 und Rz. 29 gelten entsprechend für den Informationsfluss in einer KGaA im Hinblick auf die Information der persönlich haftenden Komplementäre der Gesellschaft und die Geschäftsführung110 sowie des Aufsichtsrats. 100 Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 83; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 228. 101 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 187; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 27. So auch noch Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 352 (mit dem Hinweis, der drohende Nachteil, der dem Insider bei Nichterfüllung einer Obliegenheit folge, könne ein konkretes Weitergabeinteresse begründen, „so dass die allgemeinen Grundsätze Anwendung“ fänden, ohne allerdings näheren Aufschluss zu geben, welche allgemeinen Grundsätze dieses Ergebnis rechtfertigen könnten), jetzt generell ablehnend Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 102. 102 So i.E. auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.2 S. 63: Obliegenheiten seien zwar „für sich genommen nicht ausreichend, die Weitergabe von Insiderinformationen zu legitimieren, da sie keine Pflicht zur Informationsweitergabe“ enthielten, doch könne die Offenlegung „aufgrund einer Abwägung nach den oben erläuterten Maßstäben rechtmäßig sein“. 103 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.3 S. 64. 104 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 40 (Hervorhebung hinzugefügt). 105 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133 Ls. 1 Satz 2 und ausführlich 134, Rz. 32 ff. 106 Etwa Spindler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 77 AktG Rz. 58. 107 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 190; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106, 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 355; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 25, 50; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.164; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 20; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 225, 232; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 591 f.; Soesters, S. 191; Süßmann, AG 1999, 162, 164. 108 Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 354, 357; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 232; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 20. 109 Hierfür jedenfalls ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 354; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 232; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 20. 110 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107 Fn. 557; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 354; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 232.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 28 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen 28 Ebenso ist es rechtmäßig, wenn der Vorstand dem Aufsichtsrat im Rahmen seiner Informationspflichten
nach §§ 90, 170 f. und 337 AktG Insiderinformationen zur Kenntnis bringt111 oder dem Aufsichtsorgan bzw. einzelnen hierzu beauftragten Mitgliedern desselben im Hinblick auf deren Einsichts- und Prüfungsrechte nach § 111 Abs. 2 AktG Dokumente zugänglich macht, die Insiderinformationen enthalten112 (zur Weitergabe der Insiderinformation an Dritte, deren Hilfe oder Rat sich der Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, Rz. 46 f.). Da nur kurserhebliche Informationen Insiderinformationen sein können, ist als Regelfall davon auszugehen, dass es sich bei solchen Informationen in beiden der vorgenannten Fälle auch um solche handelt, die für die Erfüllung seiner Aufgaben wesentlich und unerlässlich sind. Umgekehrt ist es unbeachtlich, wenn der Aufsichtsrat sich – etwa in seiner Geschäftsordnung – gegen den Erhalt von Insiderinformationen verwahrt. Auch die Aufgaben des Aufsichtsrats nach § 111 AktG sind von diesem als Organ und damit vom Gesamtaufsichtsrat wahrzunehmen. Rechtmäßig ist deshalb auch die Weitergabe von Insiderinformationen unter den Mitgliedern des Aufsichtsrats, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Aufsichtsrats geboten ist113.
29 Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für die Weitergabe von Insiderinformationen bei der Erfüllung der
gesetzlichen Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat114 nach §§ 80 Abs. 2, 90, 92 und 111 BetrVG, es sei denn die Weitergabe der konkreten Insiderinformation kann im Einzelfall die Erfüllung von dessen Aufgaben als unerheblich angesehen werden.
30 Nicht anders verhält es sich auch im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche, kapitalmarktrechtliche oder
kartellrechtliche Informationspflichten, bspw. in Gestalt von Meldepflichten bei Veränderungen von Stimmrechtsanteilen nach § 33 WpHG gegenüber dem Emittenten, von Melde-, Mitteilungs- und Anzeigepflichten gegenüber der BaFin (etwa nach §§ 22, 23, 26 oder 33 WpHG oder gem. Art. 26 VO Nr. 600/2014 [MiFIR115])116, Meldepflichten gegenüber (den Geschäftsführungen von) Handelsplätzen (v.a. Börsen) nach § 15 Abs. 1 WpHG, Anmelde- und Anzeigepflichten gegenüber dem BKartA (etwa nach § 39 GWB) oder den Auskunftspflichten gegenüber Abschluss- oder Sonderprüfern117 (nach § 320 Abs. 2 HGB, § 145 Abs. 2 AktG). Sind zur Erfüllung dieser Pflichten Insiderinformationen weiterzugeben, so ist dies insiderrechtlich unerlässlich. In den Fällen, in denen das Gesetz (wie etwa in §§ 106 Abs. 2, 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) im Hinblick auf die Information des Wirtschaftsausschusses (§ 106 Abs. 2 BetrVG) bzw. der Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsversammlung (§ 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) keine vorbehaltlose Mitteilungspflicht anordnet (etwa indem es Informationsbeschränkungen zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen erlaubt), kommt der Offenlegungspflicht nach Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 generell Vorrang zu118, doch kann – weil der Weitergabevorbehalt in den vorstehend angeführten Fällen nur „Betriebs- und Ge111 S. dazu auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 190; Götz, DB 1995, 1949, 1951; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 249; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 356; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 25, 50; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 67; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.164; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 6 Rz. 296; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 225; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 20; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 14 WpHG Rz. 49; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 592; Soesters, S. 191. 112 Ebenso Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 234; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 48. Enger Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 593: Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit ist nicht ausreichend, vielmehr muss die Informationsweitergabe auch tatsächlich in einem sachlichen Zusammenhang mit der Aufsichts- und Überwachungsfunktion stehen. 113 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 190; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 249; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106, 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 358; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl. 2020, § 6 Rz. 296; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 235. 114 Bruder, S. 47; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 62; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 191; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106, 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 366; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 25, 56; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 238; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 23 ff. („Weitergabe an die Organe der Arbeitnehmervertretung“); Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 50; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 129. 115 Verordnung (EU) Nr. 600/2014 vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU Nr. L 173/84 v. 12.6.2014, S. 84. 116 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 67. S. auch Rz. 32. 117 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 369; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 67; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 224. 118 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.2 S. 63. Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 24 (Offenlegung gegenüber Betriebsversammlung generell nicht gerechtfertigt).
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 33 Art. 10 VO Nr. 596/2014
schäftsgeheimnisse des Unternehmens“ und damit des zur Information Verpflichteten betrifft – auch hier die Weitergabe im Einzelfall rechtmäßig sein, wenn sie unerlässlich ist. Investor Relations-Maßnahmen gehören nicht zu den gesetzlichen Aufgaben oder Obliegenheiten des Emit- 31 tenten bzw. seiner Organe und geben von daher keine Befugnis zur Mitteilung von Insiderinformationen. Aber auch der Umstand, dass es sich bei Investor-Relations-Maßnahmen um für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts willkommene Aktivitäten handelt, vermag die (zudem den Vorgaben zur Veröffentlichung von ad-hoc-publizitätspflichtigen Tatsachen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 entgegenlaufende) Kommunikation von Insiderinformationen nicht zu rechtfertigen119. Auch ohne ein spezielles gesetzliches Gebot kann die Weitergabe von Insiderinformationen aufgrund ander- 32 weitiger gesetzlicher Regelungen unerlässlich und verhältnismäßig sein, z.B. um bestimmte rechtlich vorgesehene Vorteile erlangen zu können. Dazu zählt etwa die Weitergabe von Insiderinformationen im Zusammenhang mit einem Genehmigungsverfahren (Rz. 25) bspw. einem Verfahren zur Genehmigung eines Zusammenschlussvorhabens (§§ 39 ff. GWB). Hier besteht, nicht anders als in vergleichbaren Verfahren, zwar kein gesetzliches Gebot, wohl aber eine Obliegenheit zur Offenbarung dieser Tatsache gegenüber der Genehmigungsbehörde. Deshalb scheidet auch hier ein tatbestandsmäßiges Verhalten aus. Bedenken gegen die Nachrangigkeit des Insiderrechts in diesen Fällen bestehen schon deshalb nicht, weil die Mitarbeiter der Behörden, denen aufgrund der fraglichen Informationspflichten Insiderinformationen mitgeteilt werden, rechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet sind sowie darüber hinaus zu Insidern werden und den Insiderhandelsverboten nach Art. 14, 8 VO Nr. 596/2014 unterliegen. Werden außerhalb eines Genehmigungs- oder sonstigen behördlichen Entscheidungsverfahrens Behörden Insiderinformationen offengelegt, so ist auch dies regelmäßig rechtmäßig gem. Art. 10 Abs. 1 Halbs. 2 VO Nr. 596/2014, wenn ein „aufsichtsrechtliches Verhältnis vorliegt und die Offenlegung gegenüber der Behörde zur ordnungsgemäßen Beaufsichtigung des die Insiderinformation betreffenden Unternehmens erforderlich erscheint“120. Dementsprechend ist auch die Offenlegung sowohl zur Erfüllung von Obliegenheiten in Genehmigungsverfahren als auch im Hinblick auf die Beaufsichtigung des Marktteilnehmers gegenüber „übergeordneten Instanzen der Behörde“ rechtmäßig, gleich ob sie durch den Marktteilnehmer oder die beaufsichtigte an die übergeordnete Behörde erfolgt121.
Einem Aktionär steht ein individuelles Auskunftsrecht außerhalb der Hauptversammlung (§ 131 Abs. 1 33 AktG) nicht zu122. Das gilt auch dann, wenn er sich unter Berufung auf „informationelle Gleichbehandlung“ mit dem Begehren an den Emittenten wendet, die gleichen Informationen zu erhalten, die auch einzelnen anderen Aktionären gewährt worden seien123. Deshalb gibt es jedenfalls außerhalb der Hauptversammlung grundsätzlich keinen Anspruch eines Aktionärs auf die Mitteilung von Insiderinformationen, so dass die Weitergabe von Insiderinformationen an Aktionäre ohne weitere Rechtfertigungsgründe unrechtmäßig ist124. Umgekehrt kann die Mitteilung einer Insiderinformation nicht allein mit einem entsprechenden Auskunftsersuchen legitimiert werden125, sondern bedarf besonderer Rechtfertigungsgründe. So wurde etwa die Mitteilung an einen Aktionär mit einer wesentlichen Beteiligung (auch „Ankeraktionär“)126 in Ausnah119 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 197; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 19187 ff.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 70. Ebenso zu § 14 WpHG a.F. Ekkenga, NZG 2001, 1, 4 f. 120 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.3 S. 64 (Hervorhebung hinzugefügt). 121 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.3 S. 64. 122 Etwa Koch, § 131 AktG Rz. 76; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 52. Zu § 14 WpHG a.F. etwa Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 285. 123 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 251; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 285; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 598 ff. 124 Fleischer ZGR 2009, 505. 524 ff.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 363; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 112, 115; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 274, 276, 285; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 598 ff.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 51. Differenzierend Brellochs in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 194 („... generalisierende Sichtweise zu eng“). 125 Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 131. 126 Das waren nach Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, 1998, S. 585, 600 ff., Aktionäre, die zur Offenlegung nach § 21 WpHG a.F. – seinerzeit mindestens 5 %, nach dem heutigen § 33 WpHG mindestens 3 %) verpflichtet sind. Auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 293; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 43 (Weiterleitung von Insiderinformationen kann „ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie erforderlich erscheint, sich Gewissheit über die Akzeptanz wesentlicher strategischer Entscheidungen zu verschaffen“); Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 14 WpHG Rz. 53; Sven H. Schneider, S. 63 ff.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 51; Sethe, ZBB 2006, 243, 251. Nach Beschlussgegenstand und Umständen differenzierend Veil, ZHR 172 (2008), 265 f. Folgt man diesem Ansatz, ist entsprechend dem heutigen § 33 WpHG eine Beteiligung von mindestens 3 % erforderlich und ausreichend.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 33 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen mefällen als befugt angesehen, wie bspw. dann, wenn eine Kapitalerhöhung geplant ist, der die Hauptversammlung zustimmen muss. In einem solchen Fall wurde es vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (Rz. 20) als regelmäßig im Interesse des Unternehmens liegend betrachtet, wenn sich dessen Verantwortliche schon vor der Hauptversammlung ein Bild über die Zustimmungsfähigkeit der geplanten Maßnahme verschaffen wollten127, doch reichen nach dem Urteil des EuGH bloße Zweckmäßigkeitserwägungen nicht mehr aus128. Vielmehr muss die Vorabinformation des Aktionärs unerlässlich sein, was in der Sache voraussetzt, dass es gute Gründe für die Annahme gibt, ohne diese sei die Zustimmung des Aktionärs nicht zu erreichen oder ernsthaft gefährdet129. Zu weiteren Fällen der Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre oder Aktionärsgruppen s. Rz. 41. Stets ist aber zu beachten, dass die Weitergabe von Insiderinformationen nur in dem Umfang als befugt und normal zu betrachten ist, als sie erforderlich ist, um dem Empfänger die sachgerechte Wahrnehmung seiner Aufgabe, seiner Tätigkeit oder seines Berufs zu ermöglichen. Ist beispielsweise ein Anwalt mit der Vertretung in einem Patentrechtsstreit beauftragt, so sind ihm grundsätzlich nur Tatsachen mitzuteilen, deren Kenntnis es zur interessengerechten Prozessführung tatsächlich bedarf; in einem solchen Falle wäre es daher unzulässig, den Anwalt über eine geplante Unternehmensübernahme zu unterrichten. Bei Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung wird es demjenigen, der – etwa als Vorstand eines Emittenten – anwaltlichen Rat sucht, mitunter allerdings nicht möglich sein zu beurteilen, inwieweit die Weitergabe einer Insiderinformation für die Beratung unerlässlich ist. Seine fehlerhafte Beurteilung der Unerlässlichkeit der Weitergabe der Insiderinformation, deren es für die Beratung nicht bedurft hätte, ist als Irrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB über einen Umstand anzusehen, der zum gesetzlichen Tatbestand des Insiderhandelsverbots nach Art. 14 lit. c und Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 gehört (Rz. 18), das in der nur vorsätzliches Handeln ahndenden Blankettnorm des § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG in Bezug genommen wird. 34 Auch nach der im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 131 AktG zu berücksichtigenden Aktio-
närsrechterichtlinie 2007/36/EG130, ihrer Änderung durch die Richtlinie131 und dem Beschluss des BGH vom 5.11.2013 zur Erforderlichkeit des Auskunftsverlangens des Aktionärs nach § 131 Abs. 1 AktG und zum Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands nach § 131 Abs. 3 AktG132 wird die schon unter § 14 WpHG a.F. strittige Frage, ob der Vorstand eines Emittenten verpflichtet ist, dem auf der Hauptversammlung vorgetragenen Auskunftsbegehren eines Aktionärs nach § 131 Abs. 1 AktG nachzukommen, wenn er dabei eine Insiderinformation offenbaren müsste, unterschiedlich beantwortet werden. Auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. wurde sie von einer Ansicht mit dem Argument bejaht, das nicht zuletzt auch den Schutz der Aktionäre bezweckende Insiderrecht dürfe nicht dazu führen, den der Stimmrechtsausübung dienenden Auskunftsanspruch zu beschneiden, indem es die Grundlage für ein Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstandes schaffe133 und den Aktionär in ein Auskunftserzwingungsverfahren treibe. Nach der seinerzeit herrschenden und hier schon zu § 14 WpHG a.F.134 als vorzugswürdig betrachteten Ansicht galt das Auskunftsersuchen eines Aktionärs nach § 131 Abs. 1 AktG nicht als ein Umstand, der die Weitergabe einer Insiderinformation als erforderlich oder gar als unerlässlich hätte rechtfertigen können, weshalb dem Vorstand ein diesbezügliches Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AktG zuge-
127
128 129 130 131 132 133
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Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 53, verlangen noch unter Berufung auf Uwe H. Schneider/ Singhof (a.a.O.) die – s. eingangs dieser Fn. – überholten 5 %. Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 252; Hopt in Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 44; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 117; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 600 ff., 603 f.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 35. I.E. ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Schäfer in Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.69. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 117. Ebenso Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 131. Auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 293, 297. Richtlinie 2007/36/EG vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. EU Nr. L 184 v. 14.7.2007, S. 17. Richtlinie 2017/828 vom 17.5.2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre, ABl. EU Nr. L 132 v. 20.5.2017, S. 1. BGH v. 5.11.2013 – II ZB 28/12, AG 2014, 87. Benner-Heinacher, DB 1995, 765, 766. Im Ansatz auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 143, den Konflikt allerdings durch Einräumung einer Ausnahme behebend: Ist die Veröffentlichung vor Auskunftserteilung „im konkreten Fall ganz ausnahmsweise – auch aus der Hauptversammlung heraus – nicht möglich, muss die Weitergabe unterbleiben, dh dass im Falle des Auskunftsbegehrens eines Aktionärs in der Hauptversammlung der Vorstand dann – aber nur äußerstenfalls – ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG hat“. Differenzierend Sven H. Schneider, S. 62 ff. Dazu Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 87.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 36 Art. 10 VO Nr. 596/2014
billigt wurde135. Eine dritte Auffassung suchte die Vermeidung des Konflikts zwischen insiderrechtlichem Weitergabeverbot und aktienrechtlicher Auskunftspflicht und plädierte für ein Auskunftsrecht nach der im Verlauf der Hauptversammlung vorgenommenen Herstellung der Bereichsöffentlichkeit136. Dass eine Auskunftserteilung nach vorhergehender Herstellung der Bereichsöffentlichkeit gemäß der 35 letztgenannten Ansicht zulässig war, stand dabei ebenso außer Frage wie der Umstand, dass mit dem vorgeschlagenen Verfahren eine systematische Benachteiligung der in der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre in Kauf genommen wird, weil Versammlungsteilnehmer von der Insiderinformation zwangsläufig erst mit zeitlicher Verzögerung gegenüber der Bereichsöffentlichkeit erfahren, zu deren potenziellen Mitgliedern sie ansonsten gehören. Auch wenn man das hinzunehmen bereit war, blieb aber noch immer die Frage offen, wie sich ein Vorstand zu verhalten habe, dem die zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit erforderlichen Fazilitäten, aus welchem Grund auch immer, nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die hierauf zu gebende Antwort hatte davon auszugehen, dass die in Erfüllung des Individualanspruchs eines Aktionärs auf Auskunftserteilung in einer Hauptversammlung vorgenommene Mitteilung einer Insiderinformation nur einen Teil der Bereichsöffentlichkeit erreichen und damit das Recht aller Aktionäre und des Marktpublikums auf informationelle Chancengleichheit, wie es auch in der Regelung des Verfahrens zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 2 DurchfVO 2016/1055137, § 3a WpAV und § 26 Abs. 1 WpHG (Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 176 ff.) zum Ausdruck kommt, verletzen würde. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass § 131 Abs. 1 AktG dem Aktionär keinen Anspruch auf unbeschränkte Rechenschaft über die Verwaltung des von ihm investierten Kapitals gewährt138. Deshalb wurde es als vorzugwürdig angesehen, der in Rz. 34 angeführten herrschenden Meinung zu folgen, welche die Mitteilung der Insiderinformation in der Hauptversammlung als Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. betrachtet und vom Vorstand die Verweigerung der Auskunft aufgrund des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG zugesteht139. Ganz abgesehen davon, dass die Ansicht, eine Information sei bereits mit der Herstellung der Bereichsöffentlichkeit öffentlich bekannt, nicht unumstritten ist (dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 64 ff.) und die Konfliktlage sich im Übrigen nicht geändert hat, ist an dieser Ansicht auch im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 festzuhalten140.
Soweit für die Erfüllung einer verfahrensrechtlichen Wahrheitspflicht die Mitteilung von Insiderinforma- 36 tionen geboten ist und kein Zeugnisverweigerungsrecht141 in Anspruch genommen werden kann, ist die Mitteilung von Insiderinformationen in gerichtlichen Verfahren und behördlichen Untersuchungen als rechtmäßig zu betrachten142. Das gilt namentlich für die Wahrheitspflicht der Parteien eines Zivilprozesses nach § 138 ZPO einschließlich der Ausnahmen von derselben v.a. für den Fall, dass sich eine Partei damit einer
135 Assmann, AG 1997, 50, 57; Hartmann, S. 240 f.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 157; Joussen, DB 1994, 2485 ff.; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 359; Kümpel, WM 1994, 2137, 2138; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.185; Krauel, S. 297; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.165; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 279; Meyer in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 41; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 54; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 83; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 52; Soesters, S. 194; Süßmann, AG 1999, 162; Waldhausen, S. 54; Ziemons, AG 1999, 492, 498. 136 Götz, DB 1995, 1949, 1951; Hirte, S. 57; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 157; Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 596 ff.; i.E. auch Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 43. 137 ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47. 138 Uwe H. Schneider/Singhof in FS Kraft, S. 585, 595 m.w.N. 139 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 192; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 51; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.46. A.A. Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 253; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 132; Sethe, ZBB 2006, 243, 251 mit dem Argument „gesellschaftsinterne Befugnisse“ genössen „hier Vorrang“. 140 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 254; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 110; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 51; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 41. I.E. auch Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.71. 141 §§ 53 f. StPO, §§ 383 f. i.V.m. § 495 ZPO. 142 Für den Vorrang der prozessualen Wahrheits- und Zeugenpflicht Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 469; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 229; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 15; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 64.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 36 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen Straftat bezichtigen müsste143, sowie die nach §§ 153, 154 und ggf. § 263 StGB strafbewehrte Pflicht von Zeugen zur wahrheitsgemäßen Aussage und deren Recht zur Zeugnisverweigerung nach §§ 383 f. ZPO i.V.m. § 495 ZPO. Das Offenlegungsverbot nach Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 jedenfalls begründet kein Zeugnisverweigerungsrecht144. dd) Innerbetrieblicher Informationsfluss, Information von Anteilseignern und konzerninterne Informationsweitergabe 37 Im Hinblick auf den innerbetrieblichen Informationsfluss kommt des Weiteren auch diejenige Weitergabe
von Insiderinformationen als zulässig in Betracht, die zwar nicht speziellen gesetzlichen Anforderungen, sondern der Organisation von betrieblichen Abläufen im Rahmen der gesetzlichen und rechtlichen Vorgaben zur ordnungsgemäßen Unternehmensorganisation geschuldet ist145. Das gilt namentlich für die Weitergabe von Insiderinformationen an die Compliance-Abteilung eines Unternehmens, die – in Delegation entsprechender Pflichten des Vorstands – für die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen im Umgang mit Insiderinformationen zuständig sind und für die Einrichtung und Überwachung organisatorischer Vorkehrungen zur Verhinderung von Pflichtverletzungen von Unternehmensangehörigen bei gleichzeitig sorgfältiger Festlegung der diesbezüglichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu sorgen haben146. Allerdings ist auch innerhalb der im Zuge der Unternehmensorganisationspflichten der Geschäftsleitung geschaffenen innerbetrieblichen Organisation nur die Weitergabe von Insiderinformationen als rechtmäßig anzusehen, die die Wahrnehmung der jeweiligen Tätigkeit unerlässlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet (Rz. 32). Das hat zur Folge, dass die Weitergabe einer Insiderinformation nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass die Information, wäre sie keine Insiderinformation gewesen, ohne weiteres – im Rahmen der üblichen organisatorischen Abläufe und des üblichen Informationsflusses (dazu schon Rz. 19) – an die fragliche Stelle weitergereicht worden wäre und hätte weitergereicht werden dürfen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob es zur Erfüllung der fraglichen Tätigkeit im Unternehmen der Weiterleitung der Insiderinformationen tatsächlich bedarf147 und die Weiterleitung der Insiderinformationen, in Abwägung mit der mit der Weiterleitung verbundenen Gefahr von direkt getätigten oder veranlassten Insidergeschäften, verhältnismäßig148 ist.
38 Die Beantwortung der weitergehenden Frage, ob es betriebliche Organisationspflichten zur Vermeidung von
Insiderverstößen von Organen und Mitarbeitern gibt, wie etwa in Gestalt einer Pflicht der Schaffung von „Vertraulichkeitsbereichen“149 – bspw. durch sog. Chinese Walls, deren Verletzung schadensersatzbewehrt ist und ohne die die innerbetriebliche Weitergabe von Insiderinformationen unrechtmäßig sein kann, oder durch „Handelsverbote in bestimmten, typischerweise kritischen Zeitfenstern“150 – ist, ungeachtet einiger einschlägi143 BVerfG v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, NJW 1981, 1431 („Der Schutz gegen Selbstbezichtigungen beschränkt sich nicht auf strafrechtliche und vergleichbare Verfahren. Auch für den Zivilprozeß und entsprechende Verfahren ist anerkannt, daß die Wahrheitspflicht der Partei dort ihre Grenzen findet, wo sie gezwungen wäre, eine ihr zur Unehre gereichende Tatsache oder eine von ihr begangene strafbare Handlung zu offenbaren“); Fritsche in MünchKomm. ZPO, 6. Aufl. 2020, § 138 ZPO Rz. 14. 144 Für den Vorrang der prozessualen Wahrheits- und Zeugenpflicht Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 469; Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 99; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 15. 145 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106, 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 370, 372; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 25, 55, 90; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.166; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 244; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 48; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 133. In einem der Vorläufer des Emittentenleitfadens der BaFin zu den Insiderhandelsverboten und zur Ad hoc-Publizität – BAWe/Deutsche Börse, S. 21 – hieß es darüber hinaus: „Der Umfang der betrieblichen Gründe ist weit auszulegen“. 146 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 256; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 55; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 21. 147 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 255; Sethe, ZBB 2006, 243, 252: allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen vermögen die innerbetriebliche Weitergabe einer Insiderinformation nicht mehr zu rechtfertigen. Auch Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 48 („erforderlich ist“). 148 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 255; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 23 ff. 149 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 248 ff.; Buck-Heeb in FS Hopt, S. 1647, 1648 ff.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 55; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz.239: „Derartige Organisationspflichten lassen sich jedoch nicht aus dem insiderrechtlichen Offenlegungsverbot ableiten“. 150 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 253 ff.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 39 Art. 10 VO Nr. 596/2014
ger Arbeiten zu dem Thema151, ein noch immer offenes Feld. Das mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass namentlich das Recht der die Einhaltung von kapitalmarktrechtlichen Pflichten betreffenden Organisationspflichten „law in action“ ist, dessen Entwicklung nicht nur von den Entwicklungen des Gesellschaftsrechts und des Kapitalmarktrechts abhängt, sondern auch und vor allem von deren wechselseitiger Beeinflussung und damit einhergehenden Grenzverschiebungen. Auch wenn sich das Thema im Rahmen der Behandlung der Insiderverbote nicht vertiefen lässt, wird in der Sache doch zu differenzieren sein: Dabei darf nach wie vor davon ausgegangen werden, dass Unternehmen grundsätzlich – gemäß dem Grundsatz, dass Unternehmensträger und Unternehmensverantwortliche nicht verpflichtet sind, Straftaten Dritter zu verhindern – keinen auf die Einhaltung der Insiderhandelsverbote durch ihre Organe und Mitarbeiter gerichteten Organisationspflichten unterliegen, sofern nicht besondere pflichtenbegründende Umstände hinzutreten152. Welcher Art diese sein können, ist jedoch umstritten. Unumstritten ist allein, dass dies für Wertpapierdienstleistungsunternehmen anders aussieht. Sie haben nämlich nach § 80 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation zu verfügen, die die Einhaltung der vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet, zu denen auch die Einhaltung der Insiderhandelsverbote gehört.
Gleichwohl ist über diese Grundlagen hinaus zu unternehmerischen Organisationspflichten zur Verhin- 39 derung von Insiderverstößen, die das einschlägige Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Finanzmarktaufsichtsrecht, das Gesellschaftsrecht und das zivilrechtliche Deliktsrecht zu beachten haben, wenig Verlässliches auszumachen153. Das beginnt bereits bei der Frage, ob für die Emittenten von Insiderpapieren eine besondere Pflichtenlage besteht, aus der besondere Organisationspflichten zur Verhinderung von Insiderverstößen erwachsen können: Dass das WpHG und die Marktmissbrauchsverordnung sie im Hinblick auf die Veröffentlichung von Eigengeschäften von Führungskräften (§ 15a WpHG a.F., heute Art. 18 VO Nr. 596/ 2014) und die Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG a.F., heute Art. 18 VO Nr. 596/2014) in die Pflicht nimmt, erlaubt diesbezüglich keine eindeutigen Schlüsse: Man kann dies als Beleg dafür nehmen, dass Emittenten eine gesetzlich anerkannte besondere Verantwortung zur Verhinderung von Insiderverstößen haben154, man kann dies aber auch so deuten, dass sich die besondere Verantwortung der Unternehmen in der Erfüllung dieser Pflichten erschöpft und gerade nicht auf allgemeine Organisationspflichten, wie sie Wertpapierdienstleistungsunternehmen auferlegt wurden, erstreckt. Bejaht man besondere Organisationspflichten von Emittenten zur Verhinderung von Insiderverstößen, ist man auch leicht geneigt, einen Verstoß der Organe des Unternehmens gegen § 130 OWiG zu bejahen, wenn es zu Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot durch Mitarbeiter des Unternehmens aus der Sphäre des Unternehmens kommt, die durch entsprechende Aufsichtsmaßnahmen hätten verhindert werden können. Doch kann man auch solchen Überlegungen Grundsätzliches entgegenhalten: Der Verstoß eines Mitarbeiters gegen ein Insiderhandelsverbot ist stets ein solcher gegen ein jedermann treffendes Verbot und nicht etwa eine Zuwiderhandlung gegen Pflichten, die „den Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens“ treffen, wie § 130 OWiG dies verlangt. Unabhängig davon, ob man als Inhaberpflichten auch solche aus Allgemeindelikten (wie es das Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen darstellt) oder nur solche aus unternehmensleitungsbezogenen „Sonderdelikten“ erfasst, verletzt der gegen die Insiderverbote verstoßende Mitarbeiter doch niemals ein den Inhaber, sondern ein ihn treffendes Verbot. An alledem ändert sich auch dann nichts, wenn in dem Unternehmen aufgrund seines Unternehmensgegenstands in besonderem Maße Insiderinformationen entstehen oder anfallen155. Weiter können sich aus anderweitigen gesetzlichen Bestimmungen Organisationspflichten zur Wahrung der Vertraulichkeit von Informationen ergeben, die durch die 151 Namentlich Sethe, ZBB 2006, 243, 253 ff.; monografisch Sven H. Schneider, S. 225 ff. Partiell auch Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645, 648 f. (Einrichtung von Compliance-Organisationen) und Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 222 (unter Konzentration auf die aufsichtsrechtlich veranlassten Organisationspflichten und auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen). Zu Organisationspflichten zur Verhinderung von Insiderverstößen s. insbesondere Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 240 ff. 152 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106, 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 21 ff., der ebenfalls nur von sich mittelbar ergebenden Organisationspflichten ausgeht; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 84 ff. und Sethe, ZBB 2006, 243, 253 f., jeweils m.w.N. und berechtigter Kritik an Sven H. Schneider, S. 306 ff., der im Wege einer Gesamtanalogie zu den anerkannten zivilrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechtlich-aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten eine Organisationspflicht zur Verhinderung von Insiderverstößen herleiten will; i.E. auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 249. 153 Zu den mögliche Ansätzen Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 84 ff.; Sethe, ZBB 2006, 243, 254 ff. 154 Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 89; Sethe, ZBB 2006, 243, 256. 155 Anders Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 88; Sethe, ZBB 2006, 243, 255.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 39 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen Weitergabe von Insiderinformationen verletzt werden, wie etwa aus § 10 Abs. 1 Satz 3 WpÜG, der die Voraussetzungen regelt, unter denen die BaFin den Bieter von der Veröffentlichung seiner Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots befreien kann. Zu diesen gehört vor allem, dass der Bieter durch geeignete Vorkehrungen sicherstellt, dass durch die Verzögerung der Veröffentlichung keine Marktverzerrungen, wie etwa aufgrund von Insidergeschäften, zu befürchten sind156. 40 Ein Emittent ist zur Weitergabe von Insiderinformationen an einen Wirtschaftsausschuss regelmäßig schon
deshalb nicht verpflichtet, weil er diesen nach § 106 Abs. 2 BetrVG nur insoweit zu unterrichten hat, als dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden. Gleichwohl wurde dies vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (Rz. 20) nicht als Hinderungsgrund angesehen, dem Ausschuss gegebenenfalls auch Insiderinformationen mitzuteilen. Das Interesse beider Seiten an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einer damit verbundenen vorbehaltlosen, offenen Unterrichtungspolitik einerseits und die Verschwiegenheitspflichten der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses andererseits, so wurde argumentiert, seien geeignet, die Erweiterung des Kreises von Insidern und die damit verbundene Erhöhung der Gefahr von Insidergeschäften als hinnehmbar und die Weitergabe von Insiderinformationen als berechtigt erscheinen zu lassen157. Nachdem die vorstehend angeführte Entscheidung des EuGH nur noch die unerlässliche und verhältnismäßige Weitergabe von Insiderinformationen gestattet (Rz. 20 f.), lässt sich auch die Weitergabe von Insiderinformationen an den Wirtschaftsausschuss nicht mehr lediglich mit dem Argument rechtfertigen, dies sei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Ausschuss dienlich.
41 Die Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre ist, wie bereits in Rz. 33 dargelegt, in der
Regel unzulässig. Nur so lässt sich der Gefahr begegnen, dass einzelne Aktionäre, unter Verletzung der informationellen Chancengleichheit, Sondervorteile auf Kosten anderer Aktionäre oder beitrittswilliger Anleger erzielen. Das schließt es indes nicht aus, dass unter außergewöhnlichen Umständen die Mitteilung von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre – wie etwa an Großaktionäre, Hauptaktionäre, Mehrheitsaktionäre oder Aktionärspools – im Interesse des Unternehmens nicht nur geboten, sondern im Unternehmensinteresse unerlässlich und in Abwägung mit der damit einhergehenden Gefahr der Veranlassung von Insidergeschäften zulässig sein kann158. Eine regelmäßige Vorabinformation von Mehrheitsgesellschaftern, Gesellschaftern mit einer wesentlichen Beteiligung, der einem bestimmten Familienstamm zugehörigen Aktionäre oder von Aktienpools würde diesen indes dauerhaft Sondervorteile gegenüber anderen Aktionären einräumen und kann deshalb nicht pauschal im Hinblick auf Unternehmensinteressen als unerlässlich und verhältnismäßig gerechtfertigt werden159. Aus diesem Grund wurde die vor der Kodifizierung des Insiderrechts verbreitete Gepflogenheit, Gesellschafter von Familiengesellschaften (Familienpools) generell vorab – vor der Information der übrigen Aktionäre und des Publikums – auch mit Insiderwissen zu versehen, schon mit der Einführung des WpHG als Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. angesehen160.
42 Im Hinblick auf die Steigerung der Gefahr von Insidergeschäften unverhältnismäßig und damit unrecht-
mäßig ist die innerbetriebliche Weitergabe von Insiderinformationen auch dann, wenn Mitarbeiter eines Unternehmens, das in unterschiedlichen Geschäftssparten unter Einschluss von Geschäften mit Finanzinstrumenten tätig wird, die in einem Geschäftsbereich bekannt gewordenen Insiderinformationen an die mit Geschäften mit Finanzinstrumenten befasste Abteilung weitergeben161. Das gilt namentlich für Kreditinstitute im Hinblick auf die Weitergabe etwa der im Kreditgeschäft erlangten Insiderkenntnisse an die mit dem Wertpapierhandel (für das Unternehmen oder Dritte) befassten Stellen. Eine solche Weitergabe darf als „nicht normal“ gelten: zum einen, weil eine solche Weitergabe die Gefahr von Interessenkonflikten sowohl zwischen Bank und Kunden als auch zwischen den Kunden selbst (etwa den Kunden aus dem Kreditgeschäft 156 Näher hierzu Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 33 ff., 37. 157 Götz, DB 1995, 1949, 1950; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 43; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 50. 158 Schon Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 84; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 43, 61; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 51. 159 Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 43. 160 Mit ausführlicher Begründung und Hinweisen auch zu verbandsrechtlichen Bedenken Assmann, AG 1997, 56 f. Auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 290; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 43; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 41; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.70; Schlaus, S. 37; besondere Rechtfertigungsgründe verlangen auch Uwe H. Schneider/ Singhof in FS Kraft, S. 585, 603 f.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 53. A.A. Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 146: zulässig, wenn „zur einheitlichen Willensbildung zunächst im Pool und dann über diesen in der Familien-AG angezeigt“. 161 Ebenso Rothenhöfer in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 3.559.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 44 Art. 10 VO Nr. 596/2014
und denjenigen aus dem Wertpapiergeschäft) mit sich bringt (vgl. § 63 Abs. 1–3 WpHG); zum anderen, weil die zur Vermeidung des Interessenkonflikts erforderlichen organisatorischen Maßnahmen (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG), insbesondere in Gestalt der Schaffung von Vertraulichkeitsbereichen (etwa durch die Etablierung von Chinese Walls)162 zwischen den einzelnen unterschiedlichen Geschäftsbereichen, heute weit verbreitet ist, wenn nicht bereits einen nicht mehr dispositiven Teil der Unternehmensorganisationspflicht des Vorstands darstellt (Rz. 38). Auch wenn davon unabhängig Vertraulichkeitsbereiche eingerichtet wurden, ist die Weiterleitung von Insiderinformationen unter Außerachtlassung derselben unrechtmäßig163. Auch wenn es sich bei Konzernunternehmen um rechtlich selbständige Unternehmen handelt und die kon- 43 zerninterne Weitergabe von Insiderinformationen im rechtlichen Sinne nicht als innerbetriebliche Informationsweitergabe zu betrachten ist, sind die für diese maßgeblichen Grundsätze auch auf die Kommunikation unter den Konzerngesellschaften zu übertragen164. Um ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten im Konzern gerecht werden zu können, muss es den Beteiligten grundsätzlich auch gestattet sein, die dazu gebotenen Kommunikationsstrukturen auszubilden sowie die für die Verfolgung der Unternehmens- und Konzerninteressen erforderlichen Informationen weiterzugeben. Insbesondere ist es nicht Sache des Insiderrechts, Informationsweitergaben in unterschiedlichen Konzernierungsformen zu privilegieren oder zu benachteiligen und auf diese Weise Aufgaben des Konzernrechts zu übernehmen. Unabhängig von den Konzernformen, Beteiligungsstrukturen und Beteilungsgrößenordnungen kommt es deshalb auch hier für die Rechtmäßigkeit der Weitergabe einer Insiderinformation entscheidend darauf an, ob ein Konzernunternehmen zur Erfüllung seiner Aufgaben auf die Insiderinformation angewiesen und die Weitergabe gegenüber der Gefahr dadurch veranlasster Insidergeschäfte verhältnismäßig ist. Dabei ist es grundsätzlich auch unerheblich, ob die Informationsweitergabe den unmittelbaren Beteiligungsverhältnissen folgt oder sich direkt an die dem informierenden Unternehmen nur mittelbar konzernverbundenen Gesellschaften sowie ihre Organe oder Mitarbeiter richtet. In der überwiegenden Zahl der Fälle dürfte es um die Weitergabe von Insiderinformationen an Unternehmen gehen, denen die Konzernsteuerung obliegt und dazu auf entsprechende Informationen aus den Konzernunternehmen angewiesen sind. Ist dies auch im Hinblick auf eine Insiderinformation der Fall, so ist die Weitergabe derselben regelmäßig als verhältnismäßig und rechtmäßig anzusehen165. Wie bei der innerbetrieblichen Informationsweitergabe (Rz. 42) ist auch die konzerninterne Weitergabe von Insiderinformationen unrechtmäßig, wenn die Konzernunternehmen in unterschiedlichen Geschäftssparten unter Einschluss von Geschäften mit Finanzinstrumenten tätig sind und die bei einem Konzernunternehmen in einem Geschäftsbereich bekannt gewordenen Insiderinformationen an die mit Geschäften mit Finanzinstrumenten befasste Abteilung weitergeben werden. Im Einzelnen lassen sich unterschiedliche Zwecke anführen, deren Verfolgung eine konzerninterne Infor- 44 mationsweitergabe unter Einschluss von Insiderinformationen als unerlässlich und rechtmäßig erscheinen lässt: die Weitergabe zur Wahrnehmung der Konzernleitung, zur Sicherstellung der Konzernüberwachung, zur Ermöglichung der konzerninternen Arbeitsteilung und zur Schaffung der Voraussetzungen zur Ausübung konzernspezifischer Mitgliedschaftsrechte166. Die anderen Zwecken dienende Weitergabe von Insiderinformationen – wie etwa die Weitergabe von Informationen, die nur dem Ziel dient, der Konzernmutter lukrative Kapitalanlagen zu ermöglichen – ist dagegen unrechtmäßig167. Darüber hinaus ist bei jeder konzerninternen Weitergabe von Insiderinformationen zu prüfen, ob es dieser im Einzelfall tatsächlich bedarf, 162 Etwa Eisele, WM 1993, 1022, 1024 f.; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 421; Hoffmann, S. 148 ff.; Hopt in FS Beusch, S. 404 ff.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 246 f., 251; Scharrenberg in Claussen/Schwark, S. 114 ff.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 49; Schweizer, S. 176 ff.; Tippach, S. 231 ff. Schon Rz. 38. 163 Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 239. 164 Assmann in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.25, 12.27 ff.; BAWe/Deutsche Börse, S. 21 in Bezug auf faktischen Konzern; implizit auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 196 a.E.; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 259; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 25; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 252; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 26; ausführlich Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255 ff., insb. S. 1263 ff.; Sethe, ZBB 2006, 243, 252; Singhof, ZGR 2001, 146 ff.; Ziemons, AG 1999, 492. 499. Zur Weitergabe von Insiderinformationen im Aktienkonzern s. die Arbeit von Figiel. 165 I.E. ebenso Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.67, 14.69. 166 So Uwe H. Schneider in FS Wiedemann, S. 1255, 1265 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 255; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 54. Ähnlich und ausführlich, sowohl zum Informationsfluss „von unten nach oben“, „von oben nach unten“ und „horizontal“ (d.h. unter Schwestergesellschaften), auch Singhof, ZGR 2001, 146 ff. 167 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 64; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 255; Singhof, ZGR 2001, 146, 163.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 44 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen um einer anderen Stelle im Konzern die Erfüllung ihrer konzernbezogenen Aufgaben zu ermöglichen168. Eine ganz andere Frage ist der Umgang mit den erlangten Informationen, der seinerseits an den Verbotstatbeständen von Art. 14 i.V.m. Art. 8 und 10 VO Nr. 596/2014 zu messen ist: So liegt etwa ein Verstoß gegen Art. 14 lit. a, 8 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 vor, wenn der Vorstand des herrschenden Unternehmens Insiderinformationen verwendet, welche ein Tochterunternehmen betreffen, um seine Beteiligung an der Tochter auszuweiten oder zurückzuführen169. ee) Informationsweitergabe an Unternehmensexterne 45 Auch die Offenlegung – die Weitergabe oder das Zugänglichmachen (Rz. 17) – von Insiderinformationen an
Unternehmensexterne ist nur dann nicht unrechtmäßig, wenn sie im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben erfolgt, d.h. dafür unerlässlich und verhältnismäßig ist (Rz. 20). Rechtmäßig ist damit nur die Offenlegung von Insiderinformationen, ohne die eine sachgemäße Wahrnehmung der jeweiligen Arbeit oder Tätigkeit oder des jeweiligen Berufs nicht möglich wäre und in dem Sinne verhältnismäßig ist, dass sie die mit der Offenlegung verbundene Vergrößerung der Gefahr von Insidergeschäften rechtfertigt. Auch hier kann sich die Rechtmäßigkeit der Offenlegung sowohl aufgrund der Beschäftigung, des Berufs oder Aufgabe des Offenlegenden als auch desjenigen ergeben, dem eine Insiderinformation offengelegt wird. Dessen ungeachtet betrifft die ganz überwiegende Zahl der Fälle, in denen es um die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen geht, solche, bei denen es um die Frage geht, ob die Beschäftigung, der Berufs oder die Aufgabe des Informationsempfängers die Weitergabe von Insiderinformationen verlangt. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Offenlegung von Insiderinformationen im Rahmen der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder bei der normalen Erfüllung von Aufgaben stattgefunden hat, ist auch zu berücksichtigen, dass die diesbezügliche „Offenlegung auf diejenige Anzahl an Personen zu beschränken [ist], deren Kenntnis erforderlich ist, um den mit der Offenlegung verfolgten Zweck zu erreichen (sog. Need-to-know-Prinzip)“ (s. schon Rz. 20a).
46 Ob die Ausübung einer Beschäftigung, eines Berufs oder einer Aufgabe des Informationsempfängers ohne
die Mitteilung der Insiderinformation nicht möglich wäre und damit für diese unerlässlich ist, ist für den Offenlegenden insbesondere dann schwer zu beurteilen, wenn er sich des Dritten gerade als Berater oder Sachverständiger in einer von ihm, dem Informanten, nicht zu überblickenden Materie oder gar zur Beurteilung des Bestehens einer Offenlegungspflicht bedient. Gerade in den Fällen, in denen es sachangemessen und verhältnismäßig ist, externe Berater wie etwa Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Kreditinstitute sowie Dienstleister und Geschäftsbesorger heranzuziehen, muss die Weitergabe einer Insiderinformation an diese schon dann als unerlässlich betrachtet werden, wenn der Informant bei Weitergabe der Information davon ausgehen darf, dass der Informationsempfänger die Information benötigt, um seine Tätigkeit, Aufgabe oder seinen Beruf erfüllen zu können170. Das ist regelmäßig der Fall, wenn es um die Beurteilung der Frage geht, wie mit einer Insiderinformation im Hinblick auf die Erfüllung der Rechtspflichten nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 umzugehen ist und ob der Informant einer Pflicht zur Veröffentlichung derselben unterliegt171. Entsprechendes gilt auch für die Weitergabe der erlangten Insiderinformation durch die Berater an deren Mitarbeiter: Auch diese ist nur zulässig, soweit sie zur Erfüllung des übernommenen Mandats unerlässlich ist172. Dabei wird es den mit der Insiderinformation versehenen Sachkundigen und Experten leichter fallen zu beurteilen, inwieweit die Weitergabe der Information notwendig ist, um Mitarbeitern die Erfüllung einer Tätigkeit oder einer Aufgabe zu erlauben, so dass an die Weitergabe der Information in diesem Falle strengere Anforderungen zu stellen sind als etwa bei der Information eines
168 Ähnlich Sethe, ZBB 2006, 243, 252. 169 Singhof, ZGR 2001, 146, 171 f. 170 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.1.4.4.2.1 S. 63; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 199; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 260; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 386, 388; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 141; Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 78; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 259 f., 262; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 13; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 29; Sethe, ZBB 2006, 243, 252. Ähnlich schon für die Zeit vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung (Rz. 20) BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1094. 171 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 68. 172 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 261; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 199; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 261; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 63; Sethe, ZBB 2006, 243, 252. Vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH (Rz. 20) durfte man dies großzügiger sehen: vgl. Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1094; v. Falkenhausen/Widder, BB 2004, 165, 166 ff.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 50 Art. 10 VO Nr. 596/2014
Experten durch den Ratsuchenden. Die fehlerhafte Beurteilung der Unerlässlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Weitergabe der Insiderinformation, deren es für die Beratung oder Geschäftsbesorgung nicht bedurft hätte, ist als Irrtum i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB über einen Umstand anzusehen, der zum gesetzlichen Tatbestand des Insiderhandelsverbots nach Art. 14 lit. c und 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 gehört (Rz. 18), das in der nur vorsätzliches Handeln ahndenden Blankettnorm des § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG in Bezug genommen wird. Auch ein Aufsichtsrat, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Hilfe oder des Rats Dritter bedient, darf 47 an die hierfür herangezogenen Personen Insiderinformationen weitergeben173, sofern sie für die Erfüllung dieser Aufgabe unerlässlich sind (Rz. 20), d.h. der Aufsichtsrat davon ausgehen darf, dass der Informationsempfänger die Information benötigt, um seine Tätigkeit, Aufgabe oder seinen Beruf erfüllen zu können. Dies gilt allerdings nur in dem Umfange, als es dem einzelnen Aufsichtsrat überhaupt aktienrechtlich gestattet ist, sich bei der Erfüllung seiner Pflichten Dritter zu bedienen174, denn nur in diesen Grenzen bewegt sich die Informationsweitergabe noch im Rahmen der vom Mandatsträger übernommenen Aufgabe175. Unbefugt ist dagegen jede nicht der Ausübung des Mandats geschuldete Weitergabe von Insiderkenntnissen an Dritte, insbesondere an Organmitglieder und Mitarbeiter des Unternehmens, dem der Aufsichtsrat als Mitarbeiter angehört176. Entsprechendes gilt für die Weitergabe von Insiderinformationen an Sachverständige, vor allem Rechts- 48 anwälte oder Wirtschaftsprüfer, die der Aufsichtsrat als Organ im Rahmen seiner Pflicht zur Selbstorganisation und zur sachgemäßen Ausübung seiner Aufsichtspflichten mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben betraut hat177. Vor allem im Rahmen von Compliance-Untersuchungen des Aufsichtsrats, i.d.R. im Zusammenwirken mit dem Vorstand, ist die Heranziehung externer rechtlicher Berater zur sachgemäßen Ausübung die Aufgabe geboten178. In diesem Zusammenhang ist die Erlangung von Insiderinformationen durch die Sachverständige nahezu unvermeidlich und die Weitergabe von Insiderinformationen an dieselben – sei es durch den Aufsichtsrat oder den Vorstand des beauftragenden Unternehmens oder sei es durch Dritte, mit denen der Sachverständige bei der Erfüllung seiner Aufgabe in Berührung kommt – in der Regel auch unerlässlich und verhältnismäßig. In gleicher Weise wie externe Berater können auch andere Dienstleister und Geschäftsbesorger zur Erfül- 49 lung der von ihnen übernommenen Aufgaben oder Tätigkeiten auf die Mitteilungen von Insiderinformationen angewiesen sein179. Das gilt vor allem für die in die zur Erfüllung der Pflichten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 3a Abs. 4 WpAV eingeschalteten externen Dienstleistungsunternehmen und deren hiermit befassten Mitarbeiter (s. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 186 und Rz. 196). Jede vom Emittenten veranlasste Offenlegung einer Insiderinformation gegenüber der Presse zum Zwe- 50 cke ihrer Veröffentlichung ist angesichts des für die Veröffentlichung von Insiderinformationen (in Art. 17 VO Nr. 596/2014, Art. 2 DurchfVO 2016/1055 i.V.m. §§ 3a–3c, 4 ff. WpAV) vorgeschriebenen formalisierten Verfahrens unrechtmäßig180, auch wenn die Veröffentlichung selbst nicht als unrechtmäßige Offenlegung 173 So vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH (Rz. 20) Assmann, WM 1996, 1349; Assmann, AG 1997, 57; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 65; Götz, DB 1995, 1949, 1952; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 40; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 82 f.; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 47; Schlaus, S. 38 f.; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, KapitalmarktrechtsKommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 33, 46. 174 Ebenso Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 236. Zu den verbandsrechtlichen Grenzen s. etwa Koch, § 111 AktG Rz. 36. 175 Schon Assmann, WM 1996, 1337, 1349; Assmann, AG 1997, 50, 57; i.E. ebenso Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 65 a.E. 176 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, WM 2006, 612. Assmann, WM 1996, 1349; Assmann, AG 1997, 57; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.67. I.E. ebenso Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.163; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 48; Schwark/ Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 63. 177 Hierzu, namentlich zur Zulässigkeit der Heranziehung externer Berater und Sachverständige, etwa – jeweils m.w.N. – Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 AktG Rz. 86 ff.; Koch, § 111 AktG Rz. 3; Spindler in BeckOGK AktG, Stand: 1.2.2022, § 111 AktG Rz. 56. 178 Dazu namentlich Arnold, Verantwortung und Zusammenwirken des Vorstands und Aufsichtsrats bei Compliance-Untersuchungen, ZGR 2014, 76, 95 f., 105. 179 Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 60; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 134; Sethe, ZBB 2006, 243, 252. 180 Ausführlich zur Entwicklung der insiderrechtlichen Beurteilung dieser Offenlegung Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 100. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 50 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen i.S.d. Art. 10 VO Nr. 596/2014 anzusehen sein sollte (Rz. 12a). Daran ändert auch Art. 21 VO Nr. 596/2014 nichts, der allein die Offenlegung oder Verbreitung von Informationen in und durch Medien für journalistische Zwecke betrifft, nicht aber die Weitergabe von Informationen an Medien. In gleicher Weise ist regelmäßig (und von Art. 21 VO Nr. 596/2014 ebenso wenig erfasst) auch jede andere Weitergabe einer Insiderinformation durch den Emittenten an die Medien – insbesondere die Tages- und Wirtschaftspresse (einschließlich sog. Börsendienste), den Rundfunk, das Fernsehen, Journalisten, Redakteure und sonstigen Mitarbeiter der angeführten Medien – als unrechtmäßige Offenlegung anzusehen181. Das gilt auch für den Fall, dass die Insiderinformation zum Zwecke einer sachlichen Berichterstattung über das Unternehmen mit der Maßgabe weitergegeben wird182, die Information dürfe in den entsprechenden Publikationen nicht bekannt gemacht werden. Hier dominiert das Interesse an der Insiderprävention und der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer das Interesse des Unternehmens an seiner Darstellung in der Öffentlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt erst recht unrechtmäßig ist die Mitteilung einer Insiderinformation an den Redakteur eines Börsenblatts, um diesen zur Empfehlung der Aktie des Emittenten zu veranlassen. Nichts anderes kann auch für den Fall gelten, dass die fragliche Mitteilung mit einem Sperrvermerk oder einem sachlichen oder zeitlichen Verwertungsvorbehalt versehen wird183. 51 Eine andere Frage ist es, ob es dem seitens eines Insiders (namentlich des Emittenten, eines seiner Mitarbei-
ter oder gar eines dissentierenden Mitglieds eines seiner Organe) unrechtmäßig informierten Presseorgan oder einem unbefugt informierten Journalisten oder Redakteur gestattet ist, das erlangte Insiderwissen zu publizieren. Das wurde im Schrifttum zu § 14 WpHG a.F. in insiderrechtlicher Hinsicht jedenfalls für den Fall nicht ausgeschlossen, dass die Publikation durch Herstellung der Bereichsöffentlichkeit und dafür geeigneter Instrumente erfolgt, da jede andere Veröffentlichung die Gefahr mit sich brächte, einem begrenzten Adressatenkreis einen informationellen Sondervorteil zu verschaffen184. Wenngleich die Vertreter der Presse in solchen Fällen gern (von Abwägungserfordernissen) freie Hand im Umgang mit der erlangten Insiderinformation hätten185 und das im Schrifttum mit dem „umfassenden Vorrang“ der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG) untermauert wird186, sprechen doch gewichtige Gründe dafür, unter den angeführten Umständen die Veröffentlichung einer Insiderinformation ausschließlich dem durch Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 2 DurchfVO 2016/1055187, § 3a WpAV und § 26 Abs. 1 WpHG vorgeschriebenen Verfahren (Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 176 ff.) zu unterwerfen188, was als genereller Vorrang dieses Ver-
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185 186 187 188
Rz. 262; Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1112 f.; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 424; implizit auch Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 47; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 51; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 60. Differenzierend Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 197 (nicht generell unzulässig). A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 201; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 87; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 266. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 281; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 204; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 47; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/723; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 51. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 281; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 204; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 47. Assmann, WM 1996, 1337, 1351. Zweifelnd an der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens schon Hopt, ZGR 1991, 17, 47; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 62. Nach nicht überzeugender Ansicht von Götz, DB 1995, 1949, 1951, soll es auf die „konkreten Umstände des Einzelfalls“ ankommen. Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 53, unter zutreffender Zurückweisung der Ansicht von Eichele, WM 1997, 501, 509, wegen Art. 5 GG müsse auch die Veröffentlichung etwa in einem Regionalblatt als befugt zu betrachten sein. Ohne die Einschränkung einer den Anforderungen des § 15 WpHG entsprechenden Veröffentlichung Lücker, S. 174 f., der darüber hinaus die schwerlich vertretbare Auffassung vertritt, bei einer „verabredungswidrigen Veröffentlichung“ der Insidertatsache fehle es an einer Weitergabe. So auch jetzt für Art. 10 VO Nr. 596/2014 Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 55 ff. Jahn, Das Insiderrecht bringt die Pressefreiheit in Gefahr, FAZ v. 4.6.2008, Nr. 128, S. 21. Schröder, NJW 2009, 465, 466 f., 469; Schröder in Schröder/Sethe, S. 79 ff., 94. Auch Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1114; Eichele, WM 1997, 501, 509; Gehrmann, S. 163 ff.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 87. ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47. Zu §§ 8 bzw. 14 WpHG a.F. Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 112 ff., 134; Sethe, ZBB 2006, 243, 252 f. I.E. auch Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1109, 1102. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 124 ff.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 92 („wenn dadurch die breite Kapitalmarktöffentlichkeit hergestellt wird“), Art. 17 MAR Rz. 24 (Widersprüchlich. Einerseits: „... schreibt die MAR ausdrücklich vor, dass Insiderinformationen ausschließlich mittels Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlicht werden dürfen“. Anderseits, wenige Sätze später: „Da die MAR keine Beschränkung der Art und Weise der Veröffentlichung enthält, lässt sich daraus schließen, dass Insiderinformationen auch anders als mittels Ad-hoc-Mittei-
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 52 Art. 10 VO Nr. 596/2014
öffentlichungsverfahrens zu begreifen und nicht als Verpflichtung der Betroffenen zur Vornahme einer allein dem Emittenten vorbehaltenen Ad-hoc-Veröffentlichung misszuverstehen ist189. Dafür ist vor allem der Umstand anzuführen, dass allein das normierte Veröffentlichungsverfahren die Wahrung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer bei der Publikation von Insiderinformationen zu gewährleisten vermag. Darüber hinaus lässt sich nur auf diese Weise das Recht des Emittenten zum Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformationen unter den Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 (zuvor § 15 Abs. 3 WpHG a.F.) wahren. Und schließlich werden die unrechtmäßig informierten und Insiderinformationen veröffentlichende Presseorgane, Mitarbeiter desselben und Journalisten dadurch auch vor möglichen rechtlichen (insbesondere schadensersatzrechtlichen) Folgen ihres Handelns bewahrt190. Daran hat sich auch durch den – expressis verbis u.a. bei der Anwendung von Art. 10 VO Nr. 596/2014 zu berücksichtigenden – Art. 21 VO Nr. 596/2014 nichts geändert, da die reine Publikation von Insiderinformationen durch die Presse und andere Medien schwerlich, wie von dieser Vorschrift – im Interesse der Gewährleistung der Pressefreiheit und freien Meinungsäußerung und darauf beschränkt – verlangt191, als für „journalistische Zwecke oder andere Ausdrucksformen“ vorgenommen betrachtet werden kann192: Auch wenn der EuGH in seiner Marktgerücht-Entscheidung vom 15.3.2022 eine „weite Auslegung“ der Wendung „für journalistische Zwecke“ in Art. 21 VO Nr. 596/2014 für geboten hält193, ist dazu doch mehr erforderlich als der bloße Abdruck von Insiderinformationen ohne erkennbare journalistische Absicht. Diese ist auf der Grundlage der Marktgerücht-Entscheidung aber als gegeben anzusehen, wenn es beispielsweise um die Offenlegung von Insiderinformationen über Compliance-Verstöße durch Journalisten und die Presse geht194. Dementsprechend und von Art. 21 VO Nr. 596/2014 nicht erfasst ist auch das Vorgehen einer nicht der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 unterliegenden Person als unrechtmäßig zu betrachten, die befugt oder zumindest auf eine nicht gegen das Weitergabeverbot von Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verstoßende Weise in den Besitz einer Insiderinformation gelangte und diese in Kenntnis dieser Eigenschaft an die Presse zum Zwecke der Veröffentlichung weitergibt. Auch unter solchen Umständen ist die Presse nicht das geeignete Organ zur Veröffentlichung von Insiderinformationen. Vermag der Insider in solchen Fällen die Presse zu informieren, ist ihm auch zumutbar, die Aufsichtsbehörde entsprechend in Kenntnis zu setzen, damit diese die Veröffentlichung der Information veranlassen kann. Bei der Veröffentlichung der Insiderinformation durch den Informierten fehlt es nach hier vertretener 52 Ansicht (Rz. 12a) bereits an einer Offenlegung (Mitteilung) i.S.v. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, da diese nach ihrem Sinn und Zweck die Offenlegung einer auch nach derselben noch als Insiderinformation zu qualifizierenden Information voraussetzt. Sieht man dagegen in der Offenlegung der Insiderinformation durch den Informierten dagegen eine Offenlegung i.S.d. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, so ist diese jedenfalls
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lungen veröffentlicht werden können, solange nur die Öffentlichkeit hergestellt wird“); Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 53; Sven H. Schneider, NZG 2005, 702, 703 ff. Für eine Information des Emittenten durch den Journalisten, dem eine Insiderinformation weitergegeben wurde, Bergmann/Löffler in Schröder/Sethe, S. 104 ff. So aber noch Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 61. Diesen Hinweis empfinden Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 61, mit sachfremden Erwägungen als sachfremd. Dessen ungeachtet: Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch einen Dritten die Rechte des Emittenten verletzt, den sie unmittelbar betrifft, ist bislang nicht näher untersucht worden. Zu denken wäre etwa an die Verletzung eines nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts, wie etwa eines Eigentumsrechts des Emittenten an der veröffentlichten Information (und damit auch an der Entscheidung über deren Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung) oder an einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Emittenten (namentlich, aber nicht nur für den Fall, dass die Insiderinformation aufgrund von Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht ad hoc publiziert werden muss, wie etwa der Eintritt eines durch Kreditverhandlungen mit einer Bank zu beseitigenden Finanzierungsengpasses des Emittenten, wenn aufgrund der Veröffentlichung dieses Umstands durch einen Dritten die Kreditverhandlungen scheiterten). Erwägungsgrund 77 VO Nr. 596/2014: „Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden „Charta“) anerkannt wurden. Diese Verordnung sollte daher im Einklang mit diesen Rechten und Grundsätzen ausgelegt und angewandt werden. Insbesondere, wenn sich diese Verordnung auf Vorschriften, durch die die Pressefreiheit und die freie Meinungsäußerung in anderen Medien geregelt werden, und auf die Vorschriften oder Regeln bezieht, die für den Journalistenberuf gelten, sollten diese Freiheiten so berücksichtigt werden, wie sie in der Union und in den Mitgliedstaaten garantiert sind und wie sie in Art. 11 der Charta und in anderen einschlägigen Bestimmungen anerkannt werden.“ Anders, unter Berufung auf Art. 21 VO Nr. 596/2014, Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 422 f., jedenfalls für den Fall einer „breite[n] Veröffentlichung“. Assmann, AG 2022, 390, 396 Rz. 31. EuGH v. 15.3.2022 – C-302/20, AG 2022, 398, 403 Rz. 66. Assmann, AG 2022, 390, 396 Rz. 29 f.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 52 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen dann als rechtmäßig zu betrachten, wenn besondere Umstände deren Veröffentlichung durch die Presse (Presseorgane, Mitarbeiter oder Journalisten) als Teil von deren Aufgabe und als verhältnismäßig erscheinen lassen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn es um die Berichterstattung über nicht öffentlich bekannte und kurserhebliche kriminelle Vorgänge in einem Unternehmen in Gestalt bspw. von Korruptionsfällen oder illegalen Abfallbeseitigungsmaßnahmen geht, die nicht nur für das Anlagepublikum von Bedeutung sind, sondern auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit auslösen, hinter denen die Interessen an einem geordneten Kapitalmarktinformationsverfahren zurückstehen müssen195. Das gilt erst recht, wenn Grund für die Annahme besteht, das Unternehmen werde die fraglichen Vorgänge geheim zu halten versuchen. Art. 21 VO Nr. 596/2014 und die vorstehend (Rz. 51 letzte Fn.) widergegebenen Erwägungen in Erwägungsgrund 77 VO Nr. 596/2014 verlangen indes, darüber hinaus zu gehen und bei der Beurteilung der Frage, ob die Weitergabe von Insiderinformationen durch die Presse rechtmäßig ist, schon die die Presseund Meinungsfreiheit der Medienschaffenden und nicht erst das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Deshalb wird zwar nicht die journalistisch unverarbeitete und an die Stelle einer Offenlegung nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 tretende Veröffentlichung einer der Presse zugegangenen Insiderinformation, wohl aber jede gem. Art. 21 VO Nr. 596/2014 für „journalistische Zwecke oder andere Ausdrucksformen“ vorgenommene Offenlegung von Insiderinformationen, die nicht unter die Rückausnahmen von Art. 21 lit. a oder b VO Nr. 596/2014 fällt, als rechtmäßig zu betrachten sein. Das gilt für alle Insiderinformationen, gleich auf welchem Wege sie zu den Medienschaffenden i.S.v. Art. 21 VO Nr. 596/2014 gelangt sind, und erst recht für solche, die diese im Wege des investigativen Journalismus selbst ermittelt haben. 53 Unrechtmäßig und von Art. 21 VO Nr. 596/2014 nicht erfasst196 ist des Weiteren und weiterhin die Weiter-
gabe von Insiderinformationen an Journalisten und Redakteure von Börsendiensten, Presse, Rundfunk und Fernsehen im Rahmen von Interviews, Betriebsbesichtigungen, sog. Vor-Ort-Gesprächen und dergleichen197. Dies gilt selbst dann, wenn die Einladung nicht auf einen bestimmten Teilnehmerkreis beschränkt ist oder „an alle Interessenten“ gerichtet wurde198. So oder so werden hier nicht die Medien oder die Presse, sondern nur einzelne Vertreter derselben informiert. Auch hier erhöht sich durch die Ausdehnung des Kreises von Insidern die Gefahr von Insidergeschäften, ohne dass dem eine berechtigte Erwartung auf eine ordnungsgemäße Information des Publikums gegenüberstünde. Entsprechendes gilt für freiwillig („Hintergrundgespräche“) oder zur Erfüllung entsprechender Emittentenpflichten (etwa nach § 52 der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse) durchgeführte Analystengespräche199. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen durch Finanzanalysten und Börsendiensten wird es bei diesen möglicherweise nicht an der Verarbeitung der Informationen „für journalistische Zwecke oder andere Ausdrucksformen“ i.S.v. Art. 21 VO Nr. 596/2014 fehlen, doch dürfte bei ihnen regelmäßig die Rückausnahme von Art. 21 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllt sein, der zufolge die Rechtmäßigkeit entfällt, wenn „den betreffenden Personen oder mit diesen Personen in enger Beziehung stehenden Personen ... unmittelbar oder mittelbar ein Vorteil oder Gewinn aus der Offenlegung oder Verbreitung der betreffenden Information“ erwächst.
54 Ob die Weitergabe von Insiderinformationen durch Emittenten an Ratingagenturen rechtmäßig ist, wird
unterschiedlich beurteilt200. Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass sie eine Aufgabe wahrnehmen, deren
195 Assmann, AG 2022, 390, 396 Rz. 29 f. 196 Auch Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 59. 197 Assmann, AG 1997, 50, 57; BAWe/Deutsche Börse, S. 22; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 424 (für Journalisten, Presse; Analysten); Fleischer ZGR 2009, 505, 512; Hartmann, S. 241 ff.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 434 ff.; Mennicke in Fuchs, § 14 Rz. 263; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 47; Schlaus, S. 38; Soesters, S. 194. 198 Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 80. 199 Assmann, AG 1997, 50, 57; Götz, DB 1995, 1949, 1951; Hopt, Bankrechtstag 1995, S. 19; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 263; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 42 f.; Soesters, S. 194; Süßmann, AG 1997, 63, 65; Süßmann, AG 1999, 162, 165. I.E. auch Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 191 f.; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 45. 200 Für die Rechtmäßigkeit der Weitergabe Eisen, S. 140; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 14 WpHG Rz. 442; Klöhn, WM 2010, 1869, 1876; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 196; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, § 86 Rz. 106, 107; Stemper, WM 2011, 1740, 1741 f. Auch BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 41, allerdings mit dem Hinweis, das sei nur der Fall, wenn die Information tatsächlich für die Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt werde. Unter Umständen rechtmäßig Sven H. Schneider, NZG 2005, 702, 706. A.A., die Rechtmäßigkeit ablehnend, Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 263, 265. Differenzierend Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 45: Weitergabe zulässig, wenn „der Emittent Analysten und Ratingagenturen (nur) für eigene, interne Zwecke beauftragt“; unzulässig für den Fall, dass beabsichtigt ist, „einen Researchbericht oder ein Rating zu veröffentlichen“.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 56 Art. 10 VO Nr. 596/2014
Erfüllung – gleich, ob und wie die Ratings im Einzelfall publiziert werden – sowohl im Interesse des Anlegerpublikums als auch der Emittenten liegt201 und die auch in die europäische und mitgliedstaatliche Regulierung der Finanzindustrie eingebaut ist202. Gleichzeitig unterliegen die Ratingagenturen, ihre Produkte sowie deren Verwendung heute gesetzlichen Verhaltensregeln und einer umfassenden Rechtsaufsicht durch europäische und nationale Aufsichtsbehörden203. Des Weiteren ist nicht zu bestreiten, dass gerade kurserhebliche Informationen Daten enthalten, die für das Rating eines Unternehmens von besonderer Bedeutung sind. Und schließlich ist zu beachten, dass die Insiderinformationen – das jedenfalls stellt eine unabdingbare Voraussetzung für die rechtmäßige Weitergabe von Insiderinformationen an Ratingagenturen dar – mit einem Rating nicht veröffentlicht204 oder mit einem nicht veröffentlichten weitergegeben werden und damit nicht oder doch jedenfalls in geringem Umfang als etwa bei anlegernahen Finanzanalysten zur Grundlage der Erzielung von Sondervorteilen werden können. Zusammen genommen sollte dies ausreichen, um die Weitergabe von Insiderinformationen durch den Emittenten an Ratingagenturen grundsätzlich als rechtmäßig und verhältnismäßig zu betrachten205, und zwar unabhängig davon, ob die Gesellschaft die Ratingagentur mit einem Rating beauftragt hat oder nicht206. Sind bei einer nicht börsennotierten und damit auch nicht der Pflicht zur Veröffentlichung von Insider- 55 informationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 unterliegenden Tochtergesellschaft Umstände eingetreten, die eine von dem Mutterunternehmen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 zu publizierende Insiderinformation darstellen, so sind auch die Vorstände der Tochtergesellschaft Insider und unterliegen dementsprechend dem Verbot der Weitergabe der Insiderinformation. Entsprechend den Grundsätzen, wie sie im Hinblick auf die Mitteilung von Insiderinformationen auf der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft (Rz. 35 f.) und der Weitergabe von Insiderinformationen an Finanzanalysten und Journalisten (Rz. 53) ausgeführt wurden, ist die Bekanntgabe der fraglichen Umstände auf der Hauptversammlung oder einer Pressekonferenz der Tochtergesellschaft oder gegenüber einzelnen Finanzanalysten oder Journalisten erst nach deren öffentlichem Bekanntwerden als rechtmäßig zu betrachten207: Auch wenn die Tochtergesellschaft in diesem Falle nicht selbst zur Veröffentlichung der Insiderinformation nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 verpflichtet ist, handelt es sich – im Hinblick auf die Muttergesellschaft – doch gleichwohl um eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation, deren Weitergabe ohne vorhergehende Veröffentlichung nach Maßgabe von Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 2 DurchfVO 2016/1055208, § 3a WpAV und § 26 Abs. 1 WpHG vorgeschriebenen Verfahren (Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 176 ff.) unzulässig ist209. Werden dem Interessenten am Erwerb eines Aktienpakets oder dem potenziellen Bieter eines Wertpapier- 56 erwerbsangebots im Zuge einer aktienrechtlich (d.h. vor allem im Unternehmensinteresse) zulässigerwei201 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 265, sieht dagegen offenbar gegenläufige Interessen von Emittenten einerseits und Anlegerpublikum und Kapitalmarkt, wenn er demgegenüber zu dem Schluss kommt, „die Interessen des Unternehmens [hätten] hinter denjenigen des Anlegerpublikums und des Kapitalmarkts zurückzutreten“. 202 Der regulatorische Einsatz externer Ratings und Ratingagenturen ist allerdings rückläufig. Das gilt namentlich für die Verwendung externer Ratings bei Kreditrisikobewertungen, wie sie noch in der früheren Fassung (insbesondere §§ 41 ff., 52 f., 235) der 2013 geänderten Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV) zu finden war. Dies berücksichtigend auch Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 198. 203 Zuletzt Verordnung (EU) Nr. 462/2013 vom 21.5.2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU Nr. L 146 v. 31.5.2013, S. 1; § 17 WpHG i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vom 16.9.2009 über Ratingagenturen, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 204 Nicht nachvollziehbar ist, weshalb gerade die fehlende Veröffentlichung – so Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 265 a.E. – der Insiderinformationen gegen die Rechtmäßigkeit von deren Weitergabe sprechen soll. 205 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106, 107. I.E. ebenso, allerdings auf diffuse Weise die rechtmäßige Weitergabe in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Insiderinformation bringend, Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 69. Einschränkend Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 198 (jedenfalls zulässig bei Rating im Auftrag des Emittenten, auch bei beabsichtigter Offenlegung des Ergebnisses); Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 56 („rechtmäßig, sofern die Agentur im Auftrag des Emittenten tätig wird oder die Information zur Erstellung eines Ratings, das später auch nach den Vorgaben des Art. 10 Ratingverordnung veröffentlicht werden soll, notwendig ist“). 206 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 106 Fn. 548. 207 Dazu ausführlich Götz, DB 1995, 1949, 1952. 208 ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47. 209 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 65. I.E. auch Götz, DB 1995, 1949, 1952, der darüber hinaus eine Befugnis der Tochtergesellschaft zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit in Bezug auf die fragliche Tatsache nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. analog annimmt; für eine solche Befugnis auch noch BAWe/Deutsche Börse, S. 22.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 56 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen se210 eingeräumten Due Diligence-Prüfung Insiderinformationen mitgeteilt oder zugänglich gemacht, so stellt dies keine unrechtmäßige Weitergabe oder Zugänglichmachung dar211. Zwar ist das eine Due Diligence-Prüfung gewährende Unternehmen regelmäßig nicht der Verkäufer des in Frage stehenden Aktienpakets oder der Adressat eines Übernahmeangebots und unterliegt damit keinen zwingenden vertraglichen oder vorvertraglichen bzw. übernahmerechtlichen Informationspflichten (dazu Rz. 25), doch ist es im Hinblick auf mit Paketerwerben regelmäßig verbundene bedeutende Wechsel in der Beteiligungsstruktur eines Unternehmens, der nicht selten auch die Erlangung der Unternehmenskontrolle oder ein Wechsel in derselben darstellt, als rechtmäßig zu betrachten, wenn das betroffene Unternehmen dem Erwerbsinteressenten keine Informationen verschweigt, deren spätere Kenntnis zu erheblichen Komplikationen in Bezug auf die noch bevorstehende oder abgeschlossene Transaktion führen können. Für das betroffene Unternehmen ist es deshalb gleichermaßen geboten und rechtmäßig, dem Erwerbsinteressenten eine Due Diligence-Prüfung zu gewähren wie es unerlässlich und verhältnismäßig ist, dem Erwerbsinteressenten in diesem Zuge Insiderinformationen offenzulegen212. Im Hinblick auf eine im Zuge eines (später tatsächlich abgegebenen) Übernahmeangebots durchgeführte Due Diligence-Prüfung lässt sich schon Art. 10 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 die Zulässigkeit derselben und der Verwendung der hierbei erlangten Insiderinformationen und damit auch der Offenlegung derselben entnehmen, die regelmäßig in einem Stadium erfolgt, in dem die Abgabe eines Übernahmeangebots noch nicht sicher ist (Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 21). Bei alledem ist in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Informationsweitergabe auch zu berücksichtigen, dass der Erwerbsinteressent, der auf diese Weise Insiderinformationen erlangt, aus diesen keine Sondervorteile ziehen darf, die darüber hinausgehen, dass er an seinem Entschluss festhält (dazu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 59 ff.) oder – nach hier vertretener Ansicht (dazu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 59 ff.) – diesen aufgibt. Entsprechendes gilt für die Gewährung einer Due Diligence gegenüber Bietern konkurrierender Angebote (i.S.v. § 22 WpÜG) und die Weitergabe von Insiderinformationen an Bieter und Bieter konkurrierender Angebote, vor allem aber an Bieter, die als white knight zur Abwehr eines bestimmten Bieters gewonnen wurden oder werden sollen213. In letzterem Falle ist die Weitergabe allerdings nur als rechtmäßig zu betrachten, wenn die Abgabe eines Übernahmeangebots durch den als white knight zu gewinnenden Bieter im Zeitpunkt der Weitergabe – und sei es auch gerade der wegen Weitergabe der Insiderinformation – als überwiegend wahrscheinlich erscheint214. 56a So wie die Mitteilung von Insiderinformationen durch die Zielgesellschaft an einen potenziellen Bieter kann
auch diejenige eines Bieters an die potenzielle Zielgesellschaft rechtmäßig sein. Das ist namentlich bei der Information der Zielgesellschaft über ein beabsichtigtes Übernahmeangebot durch den Bieter der Fall215, bei der es sich regelmäßig um eine Insiderinformation handelt. Entsprechend darf die Zielgesellschaft diese Information an die Personen weitergeben, die sie im Hinblick auf den Umgang mit der Information und das zu erwartende Übernahmeangebot beraten216.
56b Vom Informationsfluss zwischen Bieter(n) und Zielgesellschaft zu unterscheiden ist die Frage, ob ein poten-
zieller Bieter bei der Suche nach einem oder mehreren potenziellen Mitbietern sein Vorhaben offenlegen darf. Das ist unbedenklich möglich, wenn das Vorhaben selbst – bei Anwendung der allgemeinen Regeln zur Beurteilung eines Vorhabens als Insiderinformation (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 18, 20 ff., 49 ff.) – keine Insiderinformation darstellt, etwa weil der Informant selbst nur dann für ein Angebot bereit ist, wenn er
210 Für die aktienrechtliche Zulässigkeit der Einräumung einer Due Diligence-Prüfung etwa, jeweils m.w.N., Fleischer in BeckOGK, Stand: 1.2.2022, § 93 AktG Rz. 212 f.; Spindler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 93 AktG Rz. 154 ff. 211 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 59; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 189, 202; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 802; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 72; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 304 ff., 308, 319; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 38; Sethe in Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 8 Rz. 137 („unerlässlich, um den Kaufgegenstand in Augenschein zu nehmen“); Sethe, ZBB 2006, 243, 252; Widder/Kocher, AG 2009, 654, 658. Davor Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 647; Cahn, Der Konzern 2005, 5, 8; Hasselbach, NZG 2004, 1087, 1088; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 283; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.86; Schroeder, DB 1997, 2161, 2165. Nach Liekefett, S. 178 ff., 180, 185, nur, wenn (entsprechend dem Maßstab in § 29 Abs. 2 WpÜG) eine Beteiligungshöhe von mehr als 30 % angestrebt wird. A.A. Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 624 ff.; Sven H. Schneider, S. 67 ff. 212 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 74. 213 Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 804 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 75. 214 Zur Abwägung unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten auch Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 166; Kumpan/ Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 75. 215 Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 160; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 80. Zu § 14 WpHG a.F. schon 6. Aufl. 2012, § 14 WpHG Rz. 154; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 321; Schäfer in Schäfer/ Hamann, § 14 WpHG Rz. 93. 216 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 80.
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 59 Art. 10 VO Nr. 596/2014
Mitbieter findet. Problematisch ist deshalb allein der Fall, dass es sich bei dem Vorhaben des potenziellen Bieters um eine Insiderinformation handelt, etwa weil das geplante Angebot nicht zwingend von der erfolgreichen Suche nach einem oder mehreren Mietbietern abhängt. Dass die Suche nach Mietbietern zum Zwecke der Abgabe eines Angebots durch gemeinsam handelnde Personen i.S.d. § 2 Abs. 5 WpÜG davon abhängen soll, dass das Vorhaben des nach Mietbietern Suchenden eine Insiderinformation darstellt, ist schon aus institutionellen Gründen – d.h. zur Gewährung der Funktionsfähigkeit eines Instituts wie Wertpapiererwerbsund Übernahmeangebote – oder nicht, schwer einzusehen, sieht doch das einschlägige Europasekundärrecht und das WpÜG217 unzweifelhaft Angebote mit gemeinsam handelnden Personen vor218. Der Versuch, diese Frage, zusammen mit der weiteren nach der Umsetzung des Vorhabens gemeinsamen Handelns, in einem zu beantworten und die insiderrechtliche Unbedenklichkeit dieser Vorgänge durch die teleologisch direkte oder zumindest analoge Anwendung von Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 betreffend die legitime Handlung der Umsetzung eines Entschlusses (s. Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 23) gleichsam in einem zu begründen219, vermag nicht zu überzeugen, ist doch nicht die Umsetzung eines Entschlusses gemeinsam Handelnder, die nach Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 fraglos als unbedenklich betrachtet werden kann, das Problem als vielmehr die Offenlegung einer Insiderinformation bei der Suche nach Mietbietern. Diese erfüllt weder einen Tatbestand einer Marktsondierung nach Art. 11 VO Nr. 596/2014 noch stellt sie eine andere der in Art. 9 VO Nr. 596/2014 beschriebenen legitimen Handlungen dar und ist deshalb nach den für Art. 10 VO Nr. 596/ 2014 geltenden Grundsätzen der Rechtmäßigkeit der Offenlegung einer Insiderinformation zu beurteilen. Dabei ist das (geplante) Auftreten einer (natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft) als Bieter (§ 2 Abs. 4 WpÜG) in einem durch das WpÜG geregelten Transaktionsverfahren eine institutionell anerkannte Tätigkeit, die Aufgabe i.S.d. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist und deren Erfüllung die Weitergabe von Insiderinformationen rechtfertigt, sofern sie Offenlegung im Zuge der normalen Erfüllung der Tätigkeit/ Aufgabe erfolgt (Rz. 17 ff.). Will der potenzielle Bieter dabei gemeinsam mit anderen handeln, so ist auch dies eine institutionell anerkannte Handlungsmöglichkeit, die vorzubereiten und wahrzunehmen nicht ohne die Information potenzieller Mitbieter über das eigene Vorhaben möglich und insoweit unerlässlich (Rz. 20) ist. ff) Weitergabe von Insiderinformationen im Verlauf einer Marktsondierung Die Offenlegung von Insiderinformationen im Verlauf einer Marktsondierung i.S.v. Art. 11 Abs. 1 oder 2 VO 57 Nr. 596/2014 muss, um rechtmäßig zu sein, nicht den Unerlässlichkeits- und Verhältnismäßigkeitstest (Rz. 20) bestehen, sondern allein die Erfordernisse des Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllen (Rz. 6).
gg) Offenlegung von Insiderinformationen im Rahmen möglicher Interessenkonflikte im Finanzwesen tätiger Unternehmen Die Beantwortung Frage, wie Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG), Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a 58 KWG), Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KWG), Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 2 Abs. 10 WpHG) und andere in der Anlagevermittlung und -beratung tätige Unternehmen sowie deren jeweilige Mitarbeiter im Rahmen ihres Kundengeschäfts – namentlich bei ihrer Vermittlungs- und Beratungstätigkeit – mit Insiderinformationen umzugehen haben, verlangt eine differenzierende Betrachtung von deren diesbezüglicher Tätigkeit, in deren Mittelpunkt mögliche Interessenkonflikte dieser Unternehmen zu stellen sind: Konflikte zwischen deren auf die Erfüllung von Kundeninteressen gerichteten Aufgabe einerseits und dem Allgemeininteresse an der Vermeidung ungerechtfertigter Sondervorteile aus Insiderwissen andererseits. Wurde noch vor der Kodifikation des Insiderrechts in Deutschland die Auffassung vertreten, Kreditinstitute 59 und andere in der Anlageberatung tätige Unternehmen seien nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet, ihr Insiderwissen in die Anlageberatung ihrer Kunden oder Geschäftsbesorgungen für ihre Kunden eingehen zu lassen220, so war diese Ansicht mit der Einführung des WpHG und der Regelung der Verbote von Insidergeschäften in § 14 WpHG (a.F.) nicht mehr vereinbar221. Unter diesem bildete sich 217 Zum Ersteren s. Art. 2 Abs. 1 lit. d und f, Art. 5 Abs. 1 und 4 f., Art. 6 Abs. 3 lit. g und m Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. Zum WpÜG etwa § 2 Abs. 4 und 5, §§ 11, 18, 20, 23, 26, 30 f., §§ 33d und 59 WpÜG. 218 Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. 1 S. 527, 530. 219 Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. 1 S. 527, 530. 220 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 448 ff.; Schwark, DB 1971, 1605, 1607. Auch Dingeldey, DB 1982, 685 ff.; Hopt in FS Heinsius, S. 289, 300; Tippach, 1995, S. 266 ff., 272 ff. 221 Assmann, AG 1994, 237, 253 ff.; Assmann, WM 1996, 1337, 1351 ff.; Assmann, AG 1997, 50, 57 f.; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 78; Krauel, S. 246; Lücker, S. 158; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 336; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/725 f.; Schäfer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 23 Rz. 47; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 45; Soesters, S. 200 ff., 205.
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 59 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen vielmehr die Regel heraus, keinem Marktteilnehmer sollten Sondervorteile aus Insiderinformationen zufließen, nur weil er mehr oder weniger zufällig Kunde eines mit Insiderwissen ausgestatteten Kreditinstituts oder eines anderen über Insiderinformationen verfügenden Unternehmens ist222. Sie hat auch unter Art. 8 und Art. 10 VO Nr. 596/2014 Bestand223. 60 Für den Umgang der zur Vermögenssorge für Dritte verpflichteten Unternehmen mit Insiderinformationen
lässt sich deshalb der Grundsatz aufstellen, dass das Ziel des Insiderhandelsverbots, die informationelle Chancengleichheit der Anleger zu gewährleisten und Sondervorteile aus der Verwertung von Insiderwissen auszuschließen (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29), es verbietet, einzelnen Marktteilnehmern solche Sondervorteile nur deshalb zu gewähren, weil er die Wahrung seiner Vermögensinteressen einem Unternehmen anvertraut hat, die mehr oder weniger zufällig über Insiderwissen verfügt. Ist es ausgeschlossen, die Weitergabe von Insiderinformationen durch ein solches Unternehmen unter dem Gesichtspunkt als rechtmäßig anzusehen, dass sich dieser zur Weitergabe vertraglich verpflichtet hat (Rz. 25), so kann es auch nicht angehen, eine solche Verpflichtung über den Umweg diesbezüglicher Nebenleistungs- oder Nebenpflichten aus einem allgemeinen Bankvertrag, einem Wertpapierkommissionsgeschäft, einem Beratungsvertrag oder einem Vermögensverwaltungsvertrag im Besonderen oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag im Allgemeinen zu begründen. Vielmehr wirkt sich das Regelungsanliegen des Insiderrechts beschränkend auf die Ansprüche eines Kunden gegenüber einem Kreditinstitut oder anderen zur Vermögenssorge für Dritte verpflichteten Unternehmen aus. Es gibt mithin keinen Individualanspruch eines Kunden auf Erlangung von Insiderinformationen, der sich gegenüber dem Anspruch aller Marktteilnehmer auf die Wahrung ihrer informationellen Chancengleichheit in Bezug auf Insiderinformationen durchsetzen könnte224. Umgekehrt folgt daraus das Recht eines Vermögenssorgers, namentlich eines Kreditinstituts, gegenüber Kunden Rat, Aufklärung Warnung verweigern zu dürfen225. Anders ist der eher seltene Fall zu beurteilen, dass ein Vertragspartner seine nicht auf die Informationsweitergabe als Haupt- oder Nebenleistung gerichtete Verpflichtung aufgrund einer nicht klagbaren Nebenpflicht nur in der Weise erfüllen kann, dass er eine Insiderinformation offenlegt (dazu Rz. 25).
61 Auch im Falle einer Pflichtenkollision beim Aufeinandertreffen sich widersprechender insiderrechtlicher Ver-
haltenspflichten aus Art. 14 VO Nr. 596/2014 einerseits und Verantwortlichkeiten von Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen für die Wahrung der Vermögensinteressen ihrer Kunden andererseits ist der daraus resultierende Interessenkonflikt zu Lasten des einzelnen Kunden und zugunsten der die Interessen des Marktpublikums schützenden Erwerbs- und Veräußerungs-, Weitergabe- und Empfehlungsverbote zu entscheiden226. Ungeachtet der Interessenwahrungspflichten des jeweiligen Unternehmens darf deshalb die Kenntnis von Insiderinformationen nicht in der Weise genutzt werden, dass etwa Vermögensverwalter Wertpapiererwerbsund -verkaufsgeschäfte zugunsten ihrer Kunden tätigen, Kreditinstitute ihr Insiderwissen an einzelne Anleger weitergeben, um diesen entsprechende Dispositionen zu ermöglichen, oder Anlageberater den von ihnen betreuten Investoren auf Insiderinformationen beruhende Empfehlungen erteilen. Dementsprechend wird auch die anfänglich zu § 14 WpHG (a.F.) geäußerte Ansicht, um Kunden nicht sehenden Auges ins Verderben rennen zu lassen, sei den von der Pflichtenkollision betroffenen Unternehmen zumindest ein die Weitergabe einer Insiderinformation rechtfertigendes Nothilferecht zu gewähren227, heute nicht mehr vertreten. 222 Näher Assmann, WM 1996, 1337, 1352. 223 Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 189; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 263 ff.; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 421; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 222; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 52. 224 Assmann, AG 1994, 237, 254; Assmann, WM 1996, 1337, 1352; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.300; Tippach, S. 272 ff., 284. So auch vor Erlass des WpHG schon Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1893 („Verzerrung der Chancengleichheit am Wertpapiermarkt“ ist zu verhindern), Dingeldey, DB 1982, 685, 687, und Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 194. 225 Assmann, AG 1994, 237, 255; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 421; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 188; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 336, 339; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 89; Siebold, S. 150. 226 Assmann, AG 1994, 237, 254; Dickersbach, S. 188 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 96; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 52; Tippach, S. 272 ff. Schon vor Erlass des WpHG in diesem Sinne Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1893, Dingeldey, DB 1982, 685, 687 und Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 194. Eine Treuepflicht wird durch Art. 10 VO Nr. 596/2014 (§ 14 WpHG a.F.) begrenzt. A.A. Hopt in FS Heinsius, S. 289, 303. 227 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1894; Heinsius, ZHR 145 (1981), 177, 194. Ablehnend Assmann, WM 1996, 1337, 1352 f.; Benicke, S. 744 f.; Cramer, AG 1997, 59, 62; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 96; Lücker, S. 159 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 337; Renz/Rippel in BuB, Rz. 7/725; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 45; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 135; Tippach, S. 278. Ausführlich dazu noch Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 110.
278 | Assmann
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Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen | Rz. 65 Art. 10 VO Nr. 596/2014
Entsprechendes gilt auch für die Kollision insiderrechtlicher Verhaltensgebote, namentlich das Offenlegungs- 62 verbot, mit anderweitigen, aus einer Geschäftsbesorgung für Dritte folgenden Pflichten. Soweit mit der Geschäftsbesorgung auch gesetzliche oder rechtliche Pflichten verbunden sind, die nicht nur der Wahrnehmung der Interessen der anderen Vertragspartei zu dienen bestimmt sind (Rz. 24 ff.), ist eine spezielle Interessenabwägung vorzunehmen und nach Verhaltensregeln zu suchen, die eine optimale Erfüllung der mit den jeweiligen Pflichten verfolgten Ziele erlauben. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein Kreditinstitut, das – etwa im Zuge der Mitwirkung an der Erstellung des Prospekts – Kenntnisse von einer Insiderinformation hat, Mitverantwortung für einen Emissionsprospekt oder Verkaufsprospekt trägt, so dass insiderrechtliche und prospekthaftungsrechtliche Verhaltensanforderungen, bei denen es sich gleichermaßen um marktbezogene Pflichten handelt, kollidieren. Die Veröffentlichung der Insiderinformation in einem Emissionsprospekt hätte zur Konsequenz, dass sie nur von einem Teil des Publikums zur Kenntnis genommen werden könnte und so den Anspruch des anderen Teils desselben auf informationelle Chancengleichheit verletzen würde228. Die mit den jeweiligen Pflichten verfolgten Ziele lassen sich jedoch dann miteinander in Einklang bringen, wenn man das Kreditinstitut verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Prospekt, im Lichte der Insiderinformation, keine falschen Angaben enthält und keinen unzutreffenden Gesamteindruck229 vermittelt230. Entsprechendes gilt für den Fall, dass ein über Insiderinformationen verfügendes Konzernunternehmen im Rahmen eines Emissionsvorgangs die (Mit-)Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Emissionsprospekts trägt231.
Verfügt ein in der Anlageberatung tätiges Unternehmen über negative Insiderinformationen über bestimmte 63 Emittenten, so stellt es keinen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot dar, wenn es die Informationen zum Anlass nimmt, seine Mitarbeiter anzuhalten, Wertpapiere des betreffenden Emittenten zukünftig nicht mehr zu empfehlen: In diesem Verhalten liegt weder die Nutzung der Insiderinformation für eigene oder fremde Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte noch die Offenlegung der Information noch die an einen anderen gerichtete Empfehlung oder Verleitung, Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern232.
III. Weitergabe von Empfehlungen oder Verleitung durch Verleitete (Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erweitert das Offenlegungsverbot des Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 auf 64 Personen, die zwar über keine Insiderinformationen verfügen, die sie weitergeben könnten, wohl aber Adressaten einer Empfehlung (im Folgenden auch: Erstempfehlung) und Verleitung (im Folgenden auch: Erstverleitung) waren. Ihnen ist es nach Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verboten, die an sie gerichteten Empfehlung (als Zweitempfehlung) weiterzugeben oder als Verleitete andere (im Wege einer Zweitverleitung) zu verleiten, wenn sie wissen oder wissen sollten, dass die Erst-Empfehlung bzw. Erst-Verleitung auf Insiderinformationen beruht. Ein solches Handeln stellte bisher mangels Kenntnis dieser Personen von Insiderinformation keine Insidertat dar233 und wird zu einer solchen auch jetzt nur dadurch, dass Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 die in diesem beschriebene Handlung einer Offenlegung gleichstellt. Die heutige Formulierung der Vorschrift beruht auf einer Berichtigung der ursprünglichen Fassung derselben (Rz. 2).
Adressaten des Verbots sind mithin Personen, die nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 eine 65 auf einer Insiderinformation beruhende Empfehlung erhalten haben oder aufgrund einer Insiderinformation verleitet wurden. Ob sie aufgrund dessen oder auf andere Weise als Primär- oder Sekundärinsider anzusehen sind, ist – ganz unabhängig von der Bedeutung, die dieser Unterscheidung im deutschen Insiderrecht zukommt (s. dazu Rz. 8 und Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 bzw. Rz. 80) – unerheblich234. Dabei kann sich die Empfehlung und die Verleitung nach Art. 8 lit. a VO Nr. 596/2014 auf Erwerbs- und Veräußerungs228 Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 50. 229 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 = AG 1982, 278. 230 Assmann, AG 1994, 237, 254; Assmann, WM 1996, 1337, 1354. Ebenso Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 344; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 79; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 89a. Unklar, aber in diesem Sinne wohl auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 421, wenn er formuliert, das Institut dürfe Insiderwissen in den Prospekt „einfließen“ lassen. 231 Assmann in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.32. 232 Vgl. Cramer, AG 1997, 59, 62; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 97; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 339; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 135. 233 Auch die von Szesny, DB 2016, 1420, 1421 angesprochene Möglichkeit einer Teilnahmestraftat des Anstiftenden unter dem bisherigen Recht und der „Hochstufung“ dieser Form der Anstiftung (Verleitung) zur „Haupttat“ (ebd. 1421) kam nur unter außergewöhnlichen Bedingungen in Betracht. 234 Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 11. A.A. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil 377 (nur Primärinsider).
Assmann | 279
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Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 65 | Unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen geschäfte in Bezug auf von der Insiderinformation betroffene Finanzinstrumente oder nach Art. 8 lit. b VO Nr. 596/2014 auf die Stornierung oder Änderung solcher Geschäfte beziehen. Nicht erforderlich ist es, dass Personen, die eine Empfehlung erhalten haben oder verleitet wurden, die Empfehlung oder Verleitung nutzten und dadurch gegen Art. 14 lit. a, 8 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 verstießen. Ebenso wenig muss der Weitergebende (s. Rz. 66) selbst über Insiderinformationen verfügen235. 66 Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verlangt des Weiteren, dass die erhaltene Empfehlung weitergegeben oder
der Verleitete seinerseits andere verleitet. Von einer Weitergabe ist hier unter den gleichen Voraussetzungen auszugehen wie bei einer solchen nach Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 12)236. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Erstempfehlung in der Zweitempfehlung exakt so weitergegeben wurde, wie der Betreffende sie erhalten hat. Entscheidend ist allein, dass die erhaltene Empfehlung die weitergegebene Empfehlung deckt oder nach Art und Umfang rechtfertigt237. Dementsprechend muss auch die Zweitverleitung nicht exakt auf das gerichtet sein, was Gegenstand der Erstverleitung war. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der Zweitverleitende die gleichen Verleitungsmittel anwendet238.
67 Die Zweitempfehlung oder Zweitverleitung kann nur dann einer unrechtmäßigen Offenlegung von Insider-
informationen gleichgestellt werden, wenn der Zweitempfehlende oder Zweitverleitende weiß oder wissen sollte, dass die Erstempfehlung bzw. Erstverleitung auf Insiderinformationen. Auch das Verbot der Zweitempfehlung oder Zweitverleitung durch Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 wird allerdings als Straftat nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG nur bei vorsätzlicher und als Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 14 WpHG nur bei leichtfertiger Tatbegehung geahndet (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27; auch hier Rz. 4 und Rz. 8)239, weshalb der Täter wissen musste, dass die Erst-Empfehlung bzw. Erst-Verleitung aufgrund von Insiderinformationen erfolgte, bzw. das Nichtwissen des Täters hierüber auf einer Verletzung der gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße beruhte. Erfolgen die Zweit-Empfehlung bzw. Zweit-Verleitung zu einem Zeitpunkt, in dem die Insiderinformationen, die diesen zugrunde lagen, öffentlich bekannt sind und keine Insiderinformationen mehr darstellen, so kommt nur eine Strafbarkeit wegen Versuchs nach § 119 Abs. 4 WpHG in Betracht.
68 Fraglich ist, ob Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 auch eine Zweitempfehlung bzw. Zweitverleitung nachfol-
genden Weiterempfehlungen und Weiterverleitungen – etwa eine Dritt-Empfehlung oder Dritt-Verleitung – erfasst. Das ist indes abzulehnen, weil die Vorschrift – welche Folgeempfehlungen und Folgeverleitungen wie die Offenlegung einer Insiderinformation behandelt – verlangt, dass der jeweilige Empfehlungsempfänger oder Verleitete wissen muss, dass die ihn erreichende Empfehlung oder Verleitung und nicht irgendeine frühere Empfehlung oder Verleitung in einer Kette von Empfehlungen oder Verleitungen auf Insiderinformationen beruht240. Wollte man den Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 dagegen auf eine Endloskette von Folgeempfehlungen oder Folgeverleitungen ausdehnen, dürfte das erforderliche Wissen des potenziellen Täters darüber, dass die Erstempfehlung oder Erstverleitung auf Insiderinformationen beruht, kaum mehr nachweisbar sein.
IV. Sanktionen und Rechtsfolgen von Verstößen gegen Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 VO Nr. 596/2014 69 Der deutsche Gesetzgeber hat Verstöße gegen die Verbote des Art. 14 lit. a-c VO Nr. 596/2014 in § 119 Abs. 3
und 4 bzw. § 120 Abs. 14 WpHG ausschließlich strafrechtlich bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktioniert und dabei keine Differenzierung zwischen Geschäften von Primärinsidern und Sekundärinsidern vorgenommen (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9, hier Rz. 8). Nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG wird bestraft, wer entgegen Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 eine Insiderinformation offenlegt. Der Versuch ist strafbar (§ 119 Abs. 4 WpHG). Nach § 120 Abs. 14 WpHG handelt ordnungswidrig, wer die in § 119 Abs. 3 Nr. 3 WpHG bezeichnete Handlung – die Offenlegung einer Insiderinformation entgegen Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 – leichtfertig begeht. Zu den straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen von Verstößen gegen Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 VO Nr. 596/2014 s. im Übrigen Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 5 ff. 235 236 237 238 239
Auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.4 S. 64. Auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.4.4.2.4 S. 64. Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 103. Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 104. Szesny, DB 2016, 1420, spricht (S. 1421) zurückhaltend von einer „Diskrepanz zwischen dem Verbotsverstoß und der Strafnorm“. 240 A.A. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 10 MAR Rz. 101.
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Marktsondierungen | Art. 11 VO Nr. 596/2014
Zu den zivilrechtlichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 VO Nr. 596/2014 s. 70 Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 ff. Bei Verstößen gegen Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/2014 stehen der BaFin Befugnisse nach Maßgabe 71 von § 6 Abs. 6–10 WpHG zu. Zu den möglichen aufsichtsrechtlichen Folgen solcher Verstöße s. § 6 WpHG Rz. 146 ff. (befristetes Verbot und dauerhafte Untersagung bestimmter Handlungen und Verhaltensweisen), § 6 WpHG Rz. 156 ff. (Verbot von Geschäften natürlicher Personen), § 6 WpHG Rz. 162 ff. (Verbot beruflicher Tätigkeit), § 6 WpHG Rz. 178 ff. (öffentliche Bekanntgabe von Verstößen) und § 6 WpHG Rz. 188 ff. (Verbot der Teilnahme am Handel an einem Handelsplatz).
Art. 11 VO Nr. 596/2014 Marktsondierungen (1) Eine Marktsondierung besteht in der Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts an einen oder mehrere potenzielle Anleger, um das Interesse von potenziellen Anlegern an einem möglichen Geschäft und dessen Bedingungen wie seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung abzuschätzen durch a) den Emittenten; b) einen Zweitanbieter eines Finanzinstruments, der das betreffende Finanzinstrument in einer Menge oder mit einem Wert anbietet, aufgrund derer bzw. dessen sich das Geschäft vom üblichen Handel unterscheidet, wobei es außerdem auf einer Verkaufsmethode beruht, die auf der Vorabbewertung des potenziellen Interesses möglicher Anleger beruht; c) einen Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder d) einen Dritten, der im Auftrag oder für Rechnung einer der unter Buchstabe a, b oder c genannten Personen agiert. (1a) Richtet sich ein Wertpapierangebot ausschließlich an qualifizierte Anleger im Sinne von Artikel 2 Buchstabe e der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates, so ist es nicht als Marktsondierung zu betrachten, wenn ein Emittent, dessen Finanzinstrumente zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind, oder jede Person, die im Auftrag oder für Rechnung dieses Emittenten handelt, diesen qualifizierten Anlegern zwecks Aushandlung der vertraglichen Bedingungen ihrer Beteiligung an einer Anleiheemission Informationen übermittelt. Diese Übermittlung von Informationen gilt als im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs oder der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person gemäß Artikel 10 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung vorgenommen und ist deshalb nicht als unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen zu betrachten. Dieser Emittent, oder alle in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handelnden Personen, stellen sicher, dass die qualifizierten Anleger, die diese Informationen erhalten, die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften erwachsenden Pflichten kennen und diese schriftlich anerkennen und die Sanktionen kennen, die für Insidergeschäfte und die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen gelten. (2) Unbeschadet des Artikels 23 Absatz 3 stellt auch die Offenlegung von Insiderinformationen durch eine Person, die beabsichtigt, ein Übernahmeangebot für die Anteile eines Unternehmens oder für einen Unternehmenszusammenschluss an Dritte zu richten, die Anspruch auf die Anteile des Unternehmens haben, einem [richtig: eine] Marktsondierung dar, wenn a) die Informationen erforderlich sind, um den Dritten, die Anspruch auf die Unternehmensanteile haben, zu ermöglichen, sich über ihre Bereitschaft, ihre Unternehmensanteile anzubieten, eine Meinung zu bilden, und b) die Bereitschaft der Dritten, die Anspruch auf die Unternehmensanteile haben, ihre Unternehmensanteile anzubieten, nach vernünftigem Ermessen für den Beschluss, das Angebot für die Übernahme oder den Unternehmenszusammenschluss abzugeben, erforderlich ist. (3) Ein offenlegender Marktteilnehmer berücksichtigt vor der Durchführung einer Marktsondierung insbesondere, ob die Marktsondierung die Offenlegung von Insiderinformationen umfasst. Der offenlegende Marktteilnehmer führt schriftliche Aufzeichnungen über seine Schlussfolgerung und über ihre Gründe. Er legt diese schriftlichen Aufzeichnungen der zuständigen Behörde auf deren Ersuchen hin vor. Dieser [richtig: Diese] Verpflichtung gilt für jede Offenlegung von Informationen im Verlauf der Marktsondierung. Der offenlegende Marktteilnehmer aktualisiert die schriftlichen Aufzeichnungen gemäß diesem Absatz entsprechend. Assmann | 281
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 | Marktsondierungen (4) Für die Zwecke des Artikels 10 Absatz 1 wird eine Offenlegung von Insiderinformationen, die im Verlauf einer Marktsondierung vorgenommen wurde, so betrachtet, dass sie im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs oder der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person vorgenommen wurde, wenn der offenlegende Marktteilnehmer die Verpflichtungen gemäß den Absätzen 3 und 5 dieses Artikels erfüllt. (5) Für die Zwecke des Absatzes 4 muss der offenlegende Marktteilnehmer vor der Offenlegung: a) die Zustimmung der Person einholen, die die Marktsondierung erhält, dass sie Insiderinformationen erhält; b) die Person, die die Marktsondierung erhält, davon in Kenntnis setzen, dass ihr die Nutzung und der Versuch der Nutzung dieser Informationen in Form des Erwerbs oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich diese Informationen beziehen, ob direkt oder indirekt, für eigene Rechnung oder für die Rechnung Dritter, untersagt sind; c) die Person, die die Marktsondierung erhält, davon in Kenntnis setzen, dass ihr die Nutzung und der Versuch der Nutzung in Form der Stornierung oder Änderung eines bereits erteilten Auftrags in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich diese Informationen beziehen, untersagt sind, und d) die Person, die die Marktsondierung erhält, davon in Kenntnis setzten, dass sie sich mit der Zustimmung, die Informationen zu erhalten, auch verpflichtet ist [„ist“ muss entfallen], die Vertraulichkeit der Informationen zu wahren. Der offenlegende Marktteilnehmer muss Aufzeichnungen über sämtliche Informationen erstellen und führen, die der Person, die die Marktsondierung erhält, übermittelt wurden, einschließlich der Informationen, die gemäß Unterabsatz 1 Buchstabe a bis d übermittelt wurden, sowie über die Identität der potenziellen Anleger, gegenüber denen die Informationen offengelegt wurden, einschließlich unter anderem der juristischen und natürlichen Personen, die im Auftrag des potenziellen Anleger handeln, und des Datums und der Uhrzeit einer jeden Offenlegung. Der offenlegende Marktteilnehmer muss der zuständigen Behörde diese Aufzeichnungen auf deren Ersuchen zur Verfügung stellen. (6) Wenn im Zuge einer Marktsondierung Informationen offengelegt wurden und nach Einschätzung des offenlegenden Marktteilnehmers ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verlieren, setzt dieser den Empfänger unverzüglich davon in Kenntnis. Der offenlegende Marktteilnehmer führt Aufzeichnungen über die Informationen, die er im Einklang mit diesem Absatz übermittelt hat, und stellt diese Aufzeichnungen der zuständigen Behörde auf deren Ersuchen zur Verfügung. (7) Unbeschadet der Bestimmungen dieses Artikels nimmt die Person, die die Marktsondierung erhält, selbst die Einschätzung vor, ob sie im Besitz von Insiderinformationen ist und wenn sie nicht mehr im Besitz von Insiderinformationen ist. (8) Die Aufzeichnungen gemäß diesem Artikel werden von dem offenlegenden Marktteilnehmer mindestens fünf Jahre lang aufbewahrt. (9) Um die durchgehende Harmonisierung dieses Artikels sicherzustellen, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um angemessene Regelungen, Verfahren und Aufzeichnungsanforderungen festzulegen, mittels derer Personen die Anforderungen der Absätze 4, 5, 6 und 8 einhalten können. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (10) Um die durchgehende Harmonisierung dieses Artikels sicherzustellen, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, in denen festgelegt wird, welche Systeme und Mitteilungsmuster zur Einhaltung der Vorschriften der Absätze 4, 5, 6 und 8 zu nutzen sind, insbesondere das genaue Format der Aufzeichnungen nach den Absätzen 4 bis 8 und die technischen Mittel für eine angemessene Übermittlung der Informationen gemäß Absatz 6 an die Person, die die Marktsondierung erhält. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Durchführungsstandards bis zum 3. Juli 2015 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. 282 | Assmann
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Marktsondierungen | Art. 11 VO Nr. 596/2014
(11) Die ESMA gibt für die Personen, die die Marktsondierung erhalten, gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 Leitlinien zu Folgendem heraus: a) den Faktoren, die diese Personen berücksichtigen müssen, wenn ihnen gegenüber als Bestandteil der Marktsondierung Informationen offengelegt werden, damit sie beurteilen können, ob diese Informationen Insiderinformationen sind; b) den Schritten, die diese Personen unternehmen müssen, wenn ihnen gegenüber Insiderinformationen offengelegt wurden, um die Artikel 8 und 10 dieser Verordnung einzuhalten, und c) den Aufzeichnungen, die diese Personen führen sollten, um nachzuweisen, dass sie die Artikel 8 und 10 dieser Verordnung eingehalten haben. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/ 2115 vom 27.11.2019 (ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1). Delegierte Verordnung (EU) 2016/960 der Kommission vom 17. Mai 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für offenlegende Marktteilnehmer bei der Durchführung von Marktsondierungen Art. 1 Allgemeine Anforderungen Die offenlegenden Marktteilnehmer stellen sicher, dass die von ihnen eingeführten Regelungen und Verfahren zur Einhaltung von Artikel 11 Absätze 4, 5, 6 und 8 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 regelmäßig überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Art. 2 Verfahren für die Zwecke der Durchführung von Marktsondierungen (1) Offenlegende Marktteilnehmer richten Verfahren ein, mit denen die Modalitäten der Durchführung der Marktsondierungen genau bestimmt werden. Offenlegende Marktteilnehmer können Informationen für die Zwecke der Marktsondierung den Personen, die die Marktsondierung erhalten, mündlich, bei persönlichen Zusammenkünften, durch Telefongespräche oder Videotelefongespräche oder durch Schreiben, E-Mail, Fax oder elektronische Mitteilung übermitteln. (2) Offenlegende Marktteilnehmer richten Verfahren für die telefonische Durchführung von Marktsondierungen ein und gewährleisten, dass Telefonanschlüsse mit Aufzeichnungsfunktion genutzt werden, wenn der offenlegende Marktteilnehmer Zugang zu solchen Anschlüssen hat, und dass die Personen, die die Marktsondierung erhalten, ihre Zustimmung zur Aufzeichnung des Gesprächs gegeben haben. (3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Verfahren gewährleisten, dass Personen, die mit einem Arbeitsvertrag oder anderweitig für einen offenlegenden Marktteilnehmer tätig sind, bei ausgehenden und eingehenden Telefonaten und elektronischen Mitteilungen für die Zwecke der Marktsondierung nur Geräte verwenden, die vom offenlegenden Marktteilnehmer bereitgestellt werden. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Art. 3 Standardsatz von Informationen für die Mitteilungen an Personen, die die Marktsondierung erhalten (1) Offenlegende Marktteilnehmer verfügen über Verfahren, auf deren Grundlage während der Marktsondierungen mit den Personen, die die Marktsondierung erhalten, ein Standardsatz von Informationen ausgetauscht wird, wobei die Reihenfolge im Voraus festgelegt ist. (2) Der Standardsatz von Informationen nach Absatz 1 wird vom offenlegenden Marktteilnehmer für jede Marktsondierung vor deren Durchführung festgelegt. Der offenlegende Marktteilnehmer wendet diesen Standardsatz von Informationen in Bezug auf alle Personen an, die die entsprechende Marktsondierung erhalten. (3) Wenn offenlegende Marktteilnehmer der Auffassung sind, dass die Marktsondierung die Offenlegung von Insiderinformationen beinhalten wird, umfasst der Standardsatz von Informationen nach Absatz 1 lediglich Folgendes, und zwar in der angegebenen Reihenfolge: a) eine Erklärung, aus der hervorgeht, dass die Kommunikation für die Zwecke einer Marktsondierung stattfindet; b) bei Durchführung der Marktsondierung über Telefonanschlüsse mit Aufzeichnungsfunktion oder Verwendung von Audio- oder Videoaufzeichnungen eine Erklärung, dass das Gespräch aufgezeichnet wird, sowie die Zustimmung der Person, die die Marktsondierung erhält, zu dieser Aufzeichnung; c) ein an die kontaktierte Person gerichtetes Ersuchen sowie die Bestätigung dieser Person, dass der offenlegende Marktteilnehmer mit derjenigen Person kommuniziert, die vom potenziellen Anleger mit dem Empfang der Marktsondierung betraut wurde, und die Antwort auf dieses Ersuchen; d) eine Erklärung, aus der hervorgeht, dass die kontaktierte Person bei Zustimmung zum Erhalt der Marktsondierung Informationen erhalten wird, die der offenlegende Marktteilnehmer als Insiderinformationen betrachtet, und ein Verweis auf die in Artikel 11 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 festgelegte Verpflichtung; e) nach Möglichkeit eine Einschätzung dazu, wann Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verlieren, die Faktoren, die möglicherweise diese Einschätzung verändern, und in jedem Fall Informationen zur Art und Weise, in der die Person, die die Marktsondierung erhält, über Veränderungen bei der Einschätzung in Kenntnis gesetzt wird;
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 | Marktsondierungen f) eine Erklärung zur Unterrichtung der Person, die die Marktsondierung erhält, über die Pflichten gemäß Artikel 11 Absatz 5 Unterabs. 1 Buchstaben b, c und d der Verordnung (EU) Nr. 596/2014; g) ein Ersuchen um Zustimmung der Person, die die Marktsondierung erhält, dass sie Insiderinformationen erhält, wie in Artikel 11 Absatz 5 Unterabs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 festgelegt, und die Antwort auf dieses Ersuchen; h) im Falle der Erteilung der nach Buchstabe g erbetenen Zustimmung die Informationen, die für die Zwecke der Marktsondierung offengelegt werden, unter Verweis darauf, welche Informationen vom offenlegenden Marktteilnehmer als Insiderinformationen betrachtet werden. (4) Ist der offenlegende Marktteilnehmer der Auffassung, dass die Marktsondierung nicht mit der Offenlegung von Insiderinformationen einhergehen wird, umfasst der in Absatz 1 beschriebene Standardsatz von Informationen lediglich Folgendes, und zwar in der angegebenen Reihenfolge: a) eine Erklärung, aus der hervorgeht, dass die Kommunikation für die Zwecke einer Marktsondierung stattfindet; b) bei Durchführung der Marktsondierung über Telefonanschlüsse mit Aufzeichnungsfunktion oder Verwendung von Audio- oder Videoaufzeichnungen eine Erklärung, dass das Gespräch aufgezeichnet wird, und die Zustimmung der Person, die die Marktsondierung erhält, zu dieser Aufzeichnung; c) ein an die kontaktierte Person gerichtetes Ersuchen sowie die Bestätigung dieser Person, dass der offenlegende Marktteilnehmer mit derjenigen Person kommuniziert, die vom potenziellen Anleger mit dem Empfang der Marktsondierung betraut wurde, und die Antwort auf dieses Ersuchen; d) eine Erklärung, aus der hervorgeht, dass die kontaktierte Person bei Zustimmung zum Erhalt der Marktsondierung Informationen erhalten wird, die der offenlegende Marktteilnehmer nicht als Insiderinformationen betrachtet, und ein Verweis auf die in Artikel 11 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 festgelegte Verpflichtung; e) ein Ersuchen um Zustimmung der Person, die die Marktsondierung erhält, dass die Marktsondierung fortgesetzt wird, und die Antwort auf dieses Ersuchen; f) im Falle der Erteilung der unter Buchstabe e geforderten Zustimmung die Informationen, die für die Zwecke der Marktsondierung offengelegt werden. (5) Der offenlegende Marktteilnehmer stellt sicher, dass in Bezug auf ein und dieselbe Marktsondierung allen Personen, die die Marktsondierung erhalten, Informationen gleichen Umfangs zugehen. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Art. 4 Angaben zu den Personen, die die Marktsondierung erhalten (1) Für jede durchgeführte Marktsondierung erstellt der offenlegende Marktteilnehmer eine Liste mit den folgenden Angaben: a) Namen aller natürlichen und juristischen Personen, gegenüber denen im Verlauf der Marktsondierung Informationen offengelegt wurden; b) Datum und Uhrzeit einer jeden Informationsübermittlung, die im Verlauf oder nach der Marktsondierung stattgefunden hat; c) die für die Zwecke der Marktsondierung verwendeten Kontaktangaben der Personen, die die Marktsondierung erhalten. (2) Offenlegende Marktteilnehmer erstellen eine Liste aller potenziellen Anleger, die ihnen mitgeteilt haben, dass sie entweder in Bezug auf alle potenziellen Geschäfte oder nur für bestimmte Arten von Geschäften keine Marktsondierungen erhalten möchten. Der offenlegende Marktteilnehmer sieht davon ab, solchen potenziellen Anlegern Informationen für die Zwecke von Marktsondierungen zu übermitteln. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Art. 5 Verfahren für die Mitteilung, dass Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben Wenn offenlegende Marktteilnehmer gemäß Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 einschätzen, dass die im Zuge einer Marktsondierung offengelegten Insiderinformationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben, übermitteln sie der Person, die die Marktsondierung erhalten hat, die folgenden Angaben: a) die Identität des offenlegenden Marktteilnehmers; b) Angaben zum Geschäft, das Gegenstand der Marktsondierung ist; c) Datum und Uhrzeit der Marktsondierung; d) die Tatsache, dass die offengelegten Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben; e) das Datum, an dem die Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Art. 6 Aufzeichnungsanforderungen (1) Offenlegende Marktteilnehmer stellen sicher, dass zu den nachfolgenden Punkten Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger geführt werden, so dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit während der Vorhaltezeit gemäß Artikel 11 Absatz 8 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 gewährleistet sind: a) die Verfahren gemäß Artikel 1 und 2; b) der Standardsatz von Informationen, der gemäß Artikel 3 für jede Marktsondierung festgelegt wird; c) die gemäß Artikel 4 erforderlichen Angaben zu den Personen, die die Marktsondierung erhalten;
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Marktsondierungen | Art. 11 VO Nr. 596/2014 d) alle für die Zwecke der Marktsondierung vorgenommenen Informationsübermittlungen zwischen dem offenlegenden Marktteilnehmer und allen Personen, die die Marktsondierung erhalten haben, einschließlich aller Unterlagen, die der offenlegende Marktteilnehmer den Personen, die die Marktsondierung erhalten, bereitgestellt hat; e) die Informationen, die zu der Einschätzung geführt haben, dass die während der Marktsondierung übermittelten Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben, und die entsprechenden Mitteilungen nach Artikel 5. (2) Für die Zwecke von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe d bewahrt der offenlegende Marktteilnehmer Folgendes auf: a) bei telefonischer Übermittlung der Informationen über Anschlüsse mit Aufzeichnungsfunktion die Aufzeichnungen der Telefongespräche, sofern die Personen, denen die Informationen übermittelt werden, ihre Zustimmung zu einer solchen Aufzeichnung gegeben haben; b) bei schriftlicher Übermittlung der Informationen eine Kopie des Schriftverkehrs; c) bei Übermittlung der Informationen im Rahmen video- oder audioaufgezeichneter Zusammenkünfte die Aufzeichnungen dieser Zusammenkünfte, sofern die Personen, denen die Informationen übermittelt werden, ihre Zustimmung zu einer solchen Aufzeichnung gegeben haben; d) bei Übermittlung der Informationen im Rahmen nicht aufgezeichneter Zusammenkünfte oder Telefongespräche die schriftlichen Protokolle oder Vermerke zu diesen Zusammenkünften oder Telefongesprächen. (3) Die schriftlichen Protokolle oder Vermerke nach Absatz 2 Buchstabe d werden vom offenlegenden Marktteilnehmer erstellt und sowohl vom offenlegenden Marktteilnehmer als auch von der Person, die die Marktsondierung erhält, ordnungsgemäß unterzeichnet. Sie beinhalten: a) Datum und Uhrzeit der Zusammenkunft oder des Telefongesprächs und die Identität der Teilnehmer; b) die Einzelheiten der Informationen in Bezug auf die Marktsondierung, die im Verlauf der Marktsondierung zwischen dem offenlegenden Marktteilnehmer und der Person, die die Marktsondierung erhält, ausgetauscht wurden, einschließlich der Informationen, die der Person, die die Marktsondierung erhält, auf Grundlage des in Artikel 3 angeführten Standardsatzes von Informationen bereitgestellt und bei ihr abgefragt wurden; c) alle Unterlagen und Materialien, die der Person, die die Marktsondierung erhält, vom offenlegenden Marktteilnehmer im Verlauf der Marktsondierung bereitgestellt wurden. Wenn sich der offenlegende Marktteilnehmer und die Person, die die Marktsondierung erhält, nicht innerhalb von fünf Arbeitstagen nach der Marktsondierung auf den Inhalt der schriftlichen Protokolle oder Vermerke geeinigt haben, nimmt der offenlegende Marktteilnehmer sowohl eine von ihm unterzeichnete Fassung der schriftlichen Protokolle oder Vermerke als auch eine von der Person, die die Marktsondierung erhalten hat, unterzeichnete Fassung zu den Aufzeichnungen. Wenn die Person, die die Marktsondierung erhalten hat, dem offenlegenden Marktteilnehmer nicht innerhalb von fünf Arbeitstagen nach der Marktsondierung eine unterzeichnete Fassung der schriftlichen Protokolle oder Vermerke zur Verfügung gestellt hat, bewahrt der offenlegende Marktteilnehmer eine Kopie der von ihm unterzeichneten schriftlichen Fassung der Protokolle oder Vermerke auf. (4) Die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Aufzeichnungen sind der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Art. 7 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung [veröffentlicht am 17.6.2016] im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29). Durchführungsverordnung (EU) 2016/959 der Kommission vom 17. Mai 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Marktsondierungen in Bezug auf die von offenlegenden Marktteilnehmern zu nutzenden Systeme und Mitteilungsmuster und das Format der Aufzeichnungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates Art. 1 Elektronisches Format für die Aufzeichnungen Sämtliche Aufzeichnungen nach Artikel 6 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/960 der Kommission sind in einem elektronischen Format zu führen. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23). Art. 2 Format für die Aufzeichnung der schriftlichen Protokolle oder Vermerke Offenlegende Marktteilnehmer erstellen die in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d der Delegierten Verordnung (EU) 2016/ 960 genannten schriftlichen Protokolle oder Vermerke in einem elektronischen Format und verwenden dabei a) das Muster in Anhang I, wenn die Marktsondierung ihrer Auffassung nach die Offenlegung von Insiderinformationen einschließt; b) das Muster in Anhang II, wenn die Marktsondierung ihrer Auffassung nach keine Offenlegung von Insiderinformationen einschließt. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23).
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 | Marktsondierungen Art. 3 Format für die Aufzeichnung von Daten zu potenziellen Anlegern (1) Offenlegende Marktteilnehmer zeichnen die in Artikel 4 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/960 genannten Informationen für jede Marktsondierung in einer separaten Liste auf. (2) Offenlegende Marktteilnehmer zeichnen die in Artikel 4 Absatz 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/960 genannten Informationen in einer einzigen Liste auf. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23). Art. 4 Format für die Mitteilung und Aufzeichnung, dass die offengelegten Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben (1) Offenlegende Marktteilnehmer setzen die Personen, die die Marktsondierungen erhalten haben, schriftlich darüber in Kenntnis, dass die im Verlauf der Marktsondierung offengelegten Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben. (2) Offenlegende Marktteilnehmer zeichnen die nach Absatz 1 übermittelten Informationen entsprechend dem Muster in Anhang III auf. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23). Art. 5 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung [veröffentlicht am 17.6.2016] im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 17.5.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23). Anhang I–III (nicht abgedruckt) Schrifttum: Fuhrmann, Kapitalmarktrechtliche Anforderungen an Marktsondierungen vor Kapitalmaßnahmen und öffentlichen Übernahmen, WM 2018, 593 (I.), 645 (II.); Köhler, Praktische Aspekte der Marktsondierung im Rahmen von Anleiheemissionen, in FS Schwintowski, 2017, S. 314; Singhof, „Market Sounding“ nach der Marktmissbrauchsverordnung, ZBB/JBB 2017, 193; Tissen, die Investorensuche im Lichte der EU-Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2015, 1254; Zetzsche, Die Marktsondierung nach Art. 11 MAR, AG 2016, 610. Im Übrigen s. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand, Regelungssystematik und Normentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Die Anforderungen an eine rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung (Art. 11 Abs. 1, 2 und 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Marktsondierung und offenlegende Marktteilnehmer (Art. 11 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Marktsondierung in Bezug auf Finanzinstrumente (Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . 10 aa) Der erfasste Vorgang . . . . . . . . . . . . . . . 10 bb) Offenlegende Marktteilnehmer . . . . . . . 16 cc) Offenlegung von Insiderinformationen . 23 c) Keine Marktsondierung im Falle der Informationsübermittlung zur Aushandlung privater Anleiheplatzierungen (Art. 11 Abs. 1a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23a d) Marktsondierung des potenziellen Bieters in einem Übernahmeangebot (Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 e) Konkretisierungen – Beispiele . . . . . . . . . . . 31 2. Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung (Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . 34 a) Überblick und allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 aa) Marktsondierung in Bezug auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten i.S.v. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . 34
bb) Marktsondierung bei beabsichtigtem Übernahmeangebot i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . c) Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . d) Ergänzung bzw. Konkretisierung der Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 durch die DelVO 2016/960 und die DurchfVO 2016/959 . . . . aa) Einrichtung, Überprüfung und Aktualisierung von Verfahren für die Zwecke der Durchführung von Marktsondierungen bb) Pflichten in Bezug auf Personen, die erklärt haben, keine Marktsondierung erhalten zu wollen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Liste zu den Personen, die Marktsondierung erhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vorbereitung und Durchführung der Informationsübermittlung . . . . . . . . . . (1) Verfahren zum Austausch eines Standardsatzes von Informationen (2) Übermittlung von Informationen – Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . III. Weitere Anforderungen an eine Marktsondierung (Art. 11 Abs. 6–8 VO Nr. 596/2014) 1. Informationspflicht bei Wegfall einer übermittelten Insiderinformation (Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Marktsondierungen | Rz. 3 Art. 11 VO Nr. 596/2014 2. Eigenverantwortlichkeit des Empfängers einer Marktsondierung bei der Beurteilung einer Information als Insiderinformation (Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . 3. Aufbewahrungsfrist (Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Ermächtigungen (Art. 11 Abs. 9 und 10 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. ESMA-Leitlinien für Personen, die Marktsondierung erhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Regelungsgegenstand, Regelungssystematik und Normentwicklung Nach Art. 10 Abs. 1 Satz VO Nr. 596/2014 liegt eine gem. Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 verbotene unrecht- 1 mäßige Offenlegung von Insiderinformationen vor, wenn eine über Insiderinformationen verfügende Person diese Informationen gegenüber einer anderen Person offenlegt, es sei denn, die Offenlegung geschieht im Zuge der normalen Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder der normalen Erfüllung von Aufgaben. Letzteres ist unter anderem nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 dann der Fall, wenn die Offenlegung von Insiderinformationen im Verlauf einer Marktsondierung vorgenommen wird, der offenlegende Marktteilnehmer (Rz. 9) das für die Marktsondierung festgelegte Verfahren einhält und dieser die Verpflichtungen gem. Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt. Eine Marktsondierung besteht nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 in der Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts an potenzielle Anleger, um deren Interesse an einer möglichen Transaktion, deren Bedingungen und Umfang sowie deren preisliche Gestaltung in Erfahrung zu bringen. Art. 11 VO Nr. 596/2014 enthält damit – unter den von dieser Bestimmung formulierten Voraussetzungen – eine Ausnahme vom Offenlegungsverbot der Art. 14 lit. c, Art. 10 Abs. 1 Satz VO Nr. 596/20141. Darüber hinaus kann die Vornahme einer den Vorschriften des Art. 11 VO Nr. 596/2014 genügenden Marktsondierung den Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen, namentlich durch den offenlegenden Marktteilnehmer als Emittenten, nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 rechtfertigen2. Nicht nur Begriff und Vorgang, sondern auch eine Regelung zur Marktsondierung (Market Sounding, ver- 2 breitet auch Pilot Fishing) war dem deutschen Insiderrecht und den EU-Richtlinien zum europäischen Insiderrecht bis zum Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung unbekannt3. In das Gemeinschaftsrecht hat sie aufgrund der Initiativen Frankreichs und Großbritanniens Eingang gefunden. Erwägungsgrund 32 Satz 3 VO Nr. 596/2014 (nachfolgende Hervorhebung hinzugefügt) bezeichnet die Marktsondierung – ungeachtet ihrer offenbar geringen Praxis4 in den Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Vorgenannten – als „ein ausgesprochen wertvolles Instrument zur Beurteilung der Meinung potenzieller Anleger, zur Intensivierung des Dialogs mit den Anteilseignern, zur Sicherstellung des reibungslosen Ablaufs der Geschäfte und zur Abstimmung der Ansichten von Emittenten, vorhandenen Anteilseignern und potenziellen neuen Anlegern. Marktsondierungen können insbesondere dann nützlich sein, wenn das Vertrauen in die Märkte geschwächt ist, wenn relevante Marktreferenzwerte fehlen oder wenn die Märkte Schwankungen unterworfen sind“, und umschreibt damit zugleich ihren Zweck. Indem die Fähigkeit, Marktsondierungen durchzuführen, darüber hinaus als „wichtig für das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte“ beurteilt wird, soll sie nicht nur eine Ausnahme vom Offenlegungsverbot und der Gewährleistung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer als Regelungsgegenstand des Insiderrechts (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29 f.) rechtfertigen, sondern darüber hinaus auch keinen Marktmissbrauch durch die Weitergabe von Insiderinformationen darstellen (Erwägungsgrund 32 Satz 4 VO Nr. 596/2014). Als eine solchermaßen durch Ausnahmeregelung vom Offenlegungsverbot (Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 Satz VO 3 Nr. 596/2014) und dem Verbot der Marktmanipulation (Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014) zu privilegierendes Instrument der Markterkundung gilt nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 die – von der Übermittlung entsprechender Informationen getragene – Ermittlung des Interesses von potenziellen Anlegern an einem 1 Zur Deutung der Regelung als Ausnahme vom Offenlegungsverbot Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 111; Zetzsche, AG 2016, 610, 611, 619; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 235. Ohne nähere Begründung zweifelnd zur Frage, ob Art. 11 VO Nr. 596/2014 als „Safe Harbour“ zu werten sei, Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 164. 2 Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 23; Zetzsche, AG 2016, 610, 613. 3 Etwa Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 425; Tissen, NZG 2015, 1254; Zetzsche, AG 2016, 610, 611. Gleichwohl wird von einer entsprechenden Marktpraxis auch für Deutschland berichtet. Dazu Seibt/ Wollenschläger, AG 2014, 593, 599. Zugleich zur insiderrechtlichen Beurteilung von Marktsondierungspraktiken unter dem durch Marktmissbrauchsverordnung abgelösten Insiderrecht s. Meyer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 8.58a; Schäfer/Ernst in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 7 Rz. 17 f., § 14 Rz. 10 f.; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 396. 4 Zur praktischen Bedeutung von Marktsondierung s. Fuhrmann, WM 2018, 593, 594.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Marktsondierungen möglichen Geschäft und dessen Bedingungen, namentlich seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung, die vor der Ankündigung eines solche Geschäfts erfolgt. Dabei ist jedoch nur die Marktsondierung erfasst, die von Marktteilnehmern in Person von Emittenten, Zweitanbietern eines in bestimmter Größe und nach einer bestimmten Verkaufsmethode anzubietenden Finanzinstruments, eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate oder einem Dritten, der im Auftrag oder für Rechnung eines der Vorgenannten agiert. In der hochabstrakten Definition von Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist Marktsondierung die durch die in Art. 11 Abs. 1 lit. a-d VO Nr. 596/2014 bezeichneten Personen durchgeführte „Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts an einen oder mehrere potenzielle Anleger, um das Interesse von potenziellen Anlegern an einem möglichen Geschäft und dessen Bedingungen wie seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung abzuschätzen“. Dem wird in Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 die Erkundung der Erfolgschancen eines beabsichtigten Übernahmeangebots bzw. eines auf einem Übernahmeangebot beruhenden Unternehmenszusammenschlusses durch den potenziellen Anbieter bei Adressaten des potenziellen Angebots gleichgestellt, deren Bereitschaft zur Annahme desselben für den Erfolg des Übernahmeangebots von besonderer (in Art. 11 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 näher beschriebener) Bedeutung ist. 4 Nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 ist eine im Zuge der Marktsondierung und Informationsübermittlung nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 dem Empfänger der Informationen offengelegte Insiderinformationen vom Weitergabeverbot des Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Satz VO Nr. 596/2014 unabhängig davon ausgenommen, ob die Offenlegung der Insiderinformationen zur Erreichung des Zwecks der Marktsondierung erforderlich war oder nicht5, vorausgesetzt der offenlegende Marktteilnehmer erfüllt die Verpflichtungen nach Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014. Das gilt für eine Marktsondierung im Hinblick auf ein beabsichtigtes Übernahmeangebot i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 allerdings nur mit der Maßgabe, dass diese nur dann einer Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 gleichgestellt ist, wenn die weitergegebenen Informationen (und darunter v.a. die Insiderinformationen) für die Ermittlung des Erfolgs des Übernahmeangebots in der in Art. 11 Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/2014 dargelegten Weise „erforderlich“ sind. Bei den in Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 aufgestellten Verpflichtungen des offenlegenden Marktteilnehmers handelt es um Verhaltenspflichten des Offenlegenden im Hinblick auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Marktsondierung und die mit der Marktsondierung verbundene mögliche Weitergabe von Insiderinformationen. Die Erfüllung der dem offenlegenden Marktteilnehmer darüber hinaus in Art. 11 Abs. 6 und 8 VO Nr. 596/2014 auferlegten Verhaltenspflichten sind bei der Beurteilung der Frage, ob die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/ 2014 vom Offenlegungsverbot ausgenommen sind, ohne Bedeutung. 5 Der Umstand, dass im Zusammenhang mit einer Marktsondierung Insiderinformationen rechtmäßig offen gelegt werden dürfen, hat im Interesse der größtmöglichen Wahrung der informationellen Chancengleichheit der nicht in diese eingeschalteten Marktteilnehmer und zur Verhinderung der mit der Weitergabe von Insiderinformationen verbundenen Gefahr der Generierung von Insidergeschäften nicht allein zu Verhaltenspflichten des offenlegenden Marktteilnehmers geführt, sondern auch – in Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/ 2014 geregelte – Verhaltenspflichten der Informationsempfänger, d.h. derer nach sich gezogen, die Marktsondierung und Insiderinformationen erhalten. Das ist deshalb unbedenklich, weil die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nur rechtmäßig ist, wenn die Person, die die Marktsondierung erhält, gem. Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ihre Zustimmung für den Erhalt von Insiderinformationen erteilt hat und vom offenlegenden Marktteilnehmer die nach Art. 11 Abs. 5 lit. b–d VO Nr. 596/2014 erforderlichen Instruktionen erhalten hat. 6 Um angemessene Regelungen, Verfahren und Aufzeichnungsanforderungen festzulegen, mittels derer Personen die Anforderungen von Art. 11 Abs. 4, 5, 6 und 8 VO Nr. 596/2014 einhalten können, hat die Kommission, auf der Grundlage der Ermächtigung in Art. 11 Abs. 9 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 und gem. Art. 10–14 VO Nr. 1095/20106, die Delegierte Verordnung (EU) 2016/9607 mit technischen Regulierungs5 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 113; Singhof, ZBB 2017, 193, 202; Zetzsche, AG 2016, 610, 613 f. A.A. Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 87; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 76 im Anschluss an eine fragwürdige Deutung der ESMA-Empfehlung (ESMA, Final Report, Annex IV, S. 143 Rz. 87) zur Prüfung der Frage, welche Informationen im Verlauf der Marktsondierung offengelegt werden sollten; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.316. 6 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. 331 v. 15.12.2010, S. 84. 7 Delegierte Verordnung (EU) 2016/960 der Kommission vom 17.5.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für offenlegende Marktteilnehmer bei der Durchführung von Marktsondierungen, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29.
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Marktsondierungen | Rz. 7 Art. 11 VO Nr. 596/2014
standards erlassen. Der Text der Verordnung ist oben nach demjenigen von Art. 11 VO Nr. 596/2014 wiedergegeben; Vorschriften dieser Verordnung werden, ohne weitere Angabe von deren Fundstelle, unter Nennung der Verordnungsnummer zitiert. Darüber hinaus und gestützt auf die Ermächtigung in Art. 11 Abs. 10 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 hat die Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) 2016/9598 Durchführungsstandards nach Art. 15 VO Nr. 1095/2010 erlassen, in denen festgelegt wird, welche Systeme und Mitteilungsmuster zur Einhaltung der Vorschriften von Art. 11 Abs. 4, 5, 6 und 8 VO Nr. 596/2014 zu nutzen sind, insbesondere das genaue Format der Aufzeichnungen nach Art. 11 Abs. 4–8 VO Nr. 596/2014 und die technischen Mittel für eine angemessene Übermittlung der Informationen gem. Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 an die Person, die die Marktsondierung erhält. Der Text der Verordnung ist hier nach demjenigen von Art. 11 VO Nr. 596/2014 und dem Text der Delegierten Verordnung (EU) 2016/960 wiedergegeben. Auch die Vorschriften dieser Verordnung werden im Folgenden, ohne weitere Angabe von deren Fundstelle, unter Nennung der Verordnungsnummer zitiert. Die Vorschrift ist eine Safe Harbour-Regelung für die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer 7 Marktsondierung9, d.h. eine „Bereichsausnahme im Sinne eines Tatbestandsausschlusses“10, stellt aber keine abschließende Regelung rechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen im Zusammenhang mit Vorgängen im Vorfeld möglicher Geschäfte11 dar: Sind die Voraussetzungen nach Art. 11 Abs. 1, 2 und 4 VO Nr. 596/2014 sowie diejenigen von Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014, auf die Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 verweist, erfüllt, so ist die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung rechtmäßig (Rz. 38). Weder die Marktsondierung selbst noch die in ihrem Rahmen erfolgender Offenlegung von Insiderinformationen müssen, über die sich aus Art. 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/ 2014 ergebenden Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen hinaus, dem Erfordernis ihrer Unerlässlichkeit genügen (Rz. 4), wie es die Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.200512 für die Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Insiderinformationen aufgestellt hat (dazu Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 20)13. Soweit in Art. 11
8 Durchführungsverordnung (EU) 2016/959 der Kommission vom 17.5.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Marktsondierungen in Bezug auf die von offenlegenden Marktteilnehmern zu nutzenden Systeme und Mitteilungsmuster und das Format der Aufzeichnungen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 23. 9 S. zu Art. 11 VO Nr. 596/2014 als Ausnahmeregelung zum Offenlegungsverbot nach Art. 14 lit. c, Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 schon Rz. 1. ESMA, Final Report, S. 12 Rz. 9 („safe-harbour-principle“); Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 2, 15, 75; Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 220; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 420; Fuhrmann, WM 2018, 645, 646; Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 535/536; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 12 f., 130; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, (Nebenstrafrecht II. XII. WpHG) § 119 WpHG Rz. 246; Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 203; Zetzsche, AG 2016, 610, 614. Ohne nähere Begründung zweifelnd zur Frage, ob Art. 11 VO Nr. 596/2014 als „Safe Harbour“ zu werten sei, Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 164. A.A. Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 88 f., demzufolge (ebd. Rz. 88) „die Regelungen über Marktsondierungen lediglich die Konkretisierung eines Tatbestandsmerkmals im Wege einer gesetzlichen Vermutung“ darstellen. Die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, VI. S. 93, vermeidet den von der ESMA (s. vorstehend) gebrauchten und dem deutschen Recht als Rechtsbegriff unbekannten Begriff „safe harbour“ und bezeichnet stattdessen die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung unter Einhaltung der Verpflichtungen aus Art. 11 VO Nr. 596/2014 als „legitime Handlung“, die eine „Privilegierung“ (s. dazu schon Rz. 3) darstelle. Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.315, sieht darin eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens des Art. 9 VO Nr. 596/2014, welche in entsprechender Anwendung von Art. 9 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 dazu führe, in einer Marktsondierung einen „Verstoß gegen das Verbot von Insidergeschäften gemäß Artikel 14 [VO 596/2014 sehen zu müssen], wenn die zuständige Behörde feststellt, dass sich hinter den betreffenden Handelsaufträgen, Geschäften oder Handlungen ein rechtswidriger Grund verbirgt“. 10 Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 203 m.w.N. Die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, spricht (VI. S. 93) von der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer alle diesbezüglichen Anforderungen erfüllenden Marktsondierung von einer „legitimen Handlung“ (s. auch vorige Fn.), führt dann aber in Überschrift und Text (V.1 S. 93) aus, die Marktsondierung nach Art. 11 VO Nr. 596/2014 statuiere eine „Ausnahme vom Verbot unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 14 Buchst. c) MAR“ (Hervorhebung hinzugefügt). 11 Erwägungsgrund 35 Satz 4 VO Nr. 596/2014: „Von Marktteilnehmern, die bei der Durchführung einer Marktsondierung diese Verordnung nicht einhalten, sollte nicht angenommen werden, dass sie Insiderinformationen unrechtmäßig offenlegt haben, sie können jedoch nicht in den Genuss der Ausnahme kommen, die denjenigen gewährt wird, die diese Bestimmungen eingehalten habe“. 12 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133. 13 Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 17; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 113; Krause, CCZ 2014, 248, 254; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Marktmissbrauchsverordnung (MAR), Art. 11 Rz. 1; Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 202; Tissen, NZG 2015, 1254, 1256; Zetzsche, AG 2016, 610, 613. S. auch Rz. 35. A.A. im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Insiderinformationen Veil, ZBB 2014, 87, 92; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.316; Poelzig, NZG 2016, 528, 535 „ein-
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 7 | Marktsondierungen Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf die Marktsondierung in Übernahmeangebotsfällen allerdings die Erforderlichkeit der Offenlegung von Insiderinformationen verlangt wird, kann das Kriterium der Erforderlichkeit schwerlich anders als im Sinne der Grøngaard und Bang-Entscheidung gedeutet werden (s. Rz. 38 bzw. 39). Sind die Voraussetzungen einer Marktsondierung oder die Anforderungen an das Marktsondierungsverfahren nicht erfüllt oder wird der an sich mögliche Weg in den Safe Harbor des Art. 11 VO Nr. 596/2014 nicht beschritten, ist es dem Offenlegenden dennoch nach den allgemeinen Regeln einer rechtmäßigen Weitergabe von Insiderinformationen unbenommen nachzuweisen, dass die Offenlegung unter den Umständen des Einzelfalls unerlässlich und auch im Übrigen nicht unrechtmäßig war14. Das ist schon deshalb von Bedeutung, weil die Regelung der Marktsondierung als Ausnahme vom Offenlegungsverbot des Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 Satz VO Nr. 596/2014 in Art. 11 VO Nr. 596/2014 und den zu diesen ergangenen Verordnungen (Rz. 6) zu einer komplizierten Regelung geraten ist und es leicht vorkommen kann, dass eine von deren Anforderungen an eine rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen nicht erfüllt ist. 8 Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 beruht auf einer Berichtigung, mit der die Worte „so rasch wie
möglich“ durch unverzüglich ersetzt wurden15. Auch nach den Berichtigungen der Marktmissbrauchsverordnung verbliebene textliche Mängel von Art. 11 VO Nr. 596/2014 wurden im wiedergegebenen Gesetzestext mit „[...]“ berichtigt. Durch Art. 1 Nr. 1 VO (EU) 2019/2115 vom 27.11.201916 wurde Art. 11 VO Nr. 596/ 2014 ein neuer Absatz 1a betreffend Informationen gegenüber „qualifizierten Anlegern“ im Hinblick auf deren potenzielle Beteiligung an einer Anleiheemission hinzugefügt.
8a Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer Verordnung
u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014)17 – vorgelegt (Einl. Rz. 51, Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 43). Dieser sieht in seinem Art. 2 Abs. 36 auch Änderungen des Art. 11 VO Nr. 596/2014 vor, die – wie etwa Änderungen in Bezug auf die Meldung von Eigengeschäften von Führungskräften oder die Führung von Insiderlisten – dazu dienen sollen, eine nicht angemessene Belastung von Emittenten und für den Fall der Verletzung der einschlägigen Vorschriften eine ebenso wenig angemessene Sanktionierung derselben zu beseitigen, ohne dabei den Anlegerschutz und die Marktintegrität zu beeinträchtigen18. Die Änderungsvorschläge sollen deutlich machen, dass die Einhaltung der einen Safe Harbour für die Offenlegung von Insiderinformationen (Rz. 7) darstellenden Vorschriften der Marktsondierung nur eine Option darstellt, um als offenlegender Marktteilnehmer nicht gegen das Verbot der Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 10 VO Nr. 596/2014 zu verstoßen19. Auf Einzelheiten der Vorschläge zur Änderung von Art. 11 VO Nr. 596/ 2014 wird im Zusammenhang mit betroffenen Bestimmungen der Vorschrift eingegangen.
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schränkende Auslegung“; Veil, ZBB/JBB 2014, 85, 92 mit der – das bei Weitem nicht einzige, aber naheliegendste Argument gegen sein Plädoyer für eine „einschränkend[e]“ Auslegung, nämlich den Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 vs. Abs. 2 VO Nr. 596/2014 übergehend – Begründung, es sei „nicht ersichtlich, warum bei Marktsondierungen die vom EuGH angestellten Erwägungen nicht gültig sein sollten“. Erwägungsgrund 35 Sätze 4 und 5 VO Nr. 596/2014; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, VI.4 S. 94; Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 2; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 138; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.316a; Zetzsche, AG 2016, 610. S. schon die Ausführungen und Nachweise eingangs Rz. 7. Berichtigungen, ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83. Verordnung (EU) 2019/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten, ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, Brussels, 7.12.2022, COM(2022) 762 final, 2022/0411 (COD), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b213de69-770d11ed-9887-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_1&format=PDF. Verordnungsvorschlag (Rz. 8a), S. 6 („A few additional reporting and disclosure requirements under MAR place a disproportionately high burden on issuers, such as the provisions on managers’ transactions, insider lists, and market sounding. Current MAR rules also create a disproportionate sanctioning regime for disclosure-related infringements, in particular for SMEs, which may potentially be sanctioned at the same level as large companies“) und S. 8 („The proposal also aims at alleviating the regulatory hurdles resulting from the application of the managers’ transactions, insider list and market sounding regimes while ensuring that these alleviations do not impair investor protection and market integrity“). Verordnungsvorschlag (Rz. 8a), S. 23 („The proposal amends Article 11 to clarify that the market sounding regime and the relevant requirements are only an option for disclosing market participants (DMPs) to benefit from the protection against the allegation of unlawful disclosure of inside information (‘safe-harbour’)“.
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Marktsondierungen | Rz. 11 Art. 11 VO Nr. 596/2014
II. Die Anforderungen an eine rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung (Art. 11 Abs. 1, 2 und 4 VO Nr. 596/2014) 1. Marktsondierung und offenlegende Marktteilnehmer (Art. 11 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) a) Anwendungsbereich Art. 11 VO Nr. 596/2014 privilegiert nur eine Marktsondierung im förmlichen Sinne von Art. 11 Abs. 1 9 und Abs. 2 VO Nr. 596/2014 durch die in diesen Bestimmungen genannten Personen. Der personelle Anwendungsbereich der Vorschrift ist dadurch eingeschränkt, dass eine Marktsondierung i.S.v. Art. 11 VO Nr. 596/2014 nur die in Art. 11 Abs. 1 lit. a–d und Abs. 2 VO Nr. 596/2014 angeführten Personen durchführen können, die in den in den nachfolgenden Absätzen der Vorschrift auch als offenlegende Marktteilnehmer20 (zum Begriff Rz. 41) bezeichnet werden. Zu Einzelheiten s. Rz. 16 ff. und Rz. 25. Eine Marktsondierung i.S.v. Art. 11 VO Nr. 596/2014 muss, das kommt in diesen Bestimmungen implizite zum Ausdruck und bestimmt den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift, (auch) auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten (dazu Rz. 15) bezogen sein, für die – was sich schon aus der Beschreibung des Anwendungsbereichs der Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf Finanzinstrumente in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ergibt – ein Markt vorhanden ist21. Finanzinstrumente in diesem Sinne sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 Finanzinstrumente gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 RL 2014/65/EU (MiFID II)22, und umfassen u.a. übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, Optionen, Terminkontrakte (Futures) und Termingeschäfte (Forwards) sowie Emissionszertifikate (näher zum Kanon der Finanzinstrumente s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.). b) Marktsondierung in Bezug auf Finanzinstrumente (Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) aa) Der erfasste Vorgang Eine Marktsondierung, auf die sich die Ausnahme vom Offenlegungsverbot des Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 VO 10 Nr. 596/2014 in Art. 11 VO Nr. 596/2014 beziehen kann, besteht nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 in der Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts an einen oder mehrere potenzielle Anleger, um das Interesse von potenziellen Anlegern an einem möglichen Geschäft und dessen Bedingungen wie seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung abzuschätzen. In der Sache sollen damit „Interaktionen zwischen einem Verkäufer von Finanzinstrumenten und einem oder mehreren potenziellen Anlegern“ erfasst werden, „die vor der Ankündigung eines Geschäfts erfolgen, um das Interesse potenzieller Anleger an einem möglichen Geschäft, seiner preislichen Gestaltung, seinem Umfang und seiner Struktur abzuschätzen“ (Erwägungsgrund 32 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Keine Marktsondierung liegt mithin vor, wenn sich ein Interessent an einem Geschäft in Insiderpapieren mit einem konkreten Angebot an eine oder mehrere Personen wendet, um mit diesen Vertragsverhandlungen über den Erwerb der Finanzinstrumente zu führen23, wobei es unerheblich ist, ob dieses Angebot verhandlungsfähig sein soll oder nicht. In diesem Falle unterliegt die Weitergabe von Insiderinformationen den allgemeinen Regeln über die Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber potenziellen Vertragspartnern (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 25). Zu den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 34 ff. Die Übermittlung der Information ist die Weitergabe, d.h. die Mitteilung oder Zugänglichmachung (s. Art. 8 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 11 ff.) der Information zur möglichen Kenntnisnahme durch den Informationsempfänger. 20 Im Hinblick auf diese Vorschriften definiert Art. 3 Abs. 1 Nr. 32 VO Nr. 596/2014 einen offenlegenden Marktteilnehmer als „eine natürliche oder juristische Person, die zu einer der Kategorien gemäß Artikel 11 Absatz 1 Buchstaben a bis d sowie Artikel 11 Absatz 2 gehört und im Zuge einer Marktsondierung Informationen offenlegt“. 21 Erwägungsgrund 34 Satz 2 VO Nr. 596/2014. Letzteres wird in diesem damit begründet, dass „die Möglichkeit, finanziell vom Handel auf der Grundlage von Insiderinformationen, die im Rahmen einer Marktsondierung weitergegeben wurden, zu profitieren, nur dann gegeben, wenn ein Markt für das Finanzinstrument, das Gegenstand der Marktsondierung ist, oder für ein verbundenes Finanzinstrument vorhanden ist“. S. auch ESMA, Questions and Answers, S. 26 f. (Q9.1/A.9.1). Aus dem Schrifttum Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 29; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 27. 22 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349. 23 Das heißt, dass für die Abgrenzung zwischen Marktsondierung (Abschätzung des Interesses von potenziellen Anlegern) und Vertragsverhandlung (Herbeiführung eines Vertrags) über die „subjektive Zwecksetzung durch den offenlegenden Marktteilnehmer“ (Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 40) hinaus, auch dieses objektive Kriterium heranzuziehen ist.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 11 | Marktsondierungen Die Art und Weise der Übermittlung ist unerheblich und kann etwa mündlich, fernmündlich, schriftlich, per FAX, mittels elektronischer Medien oder Zusendung von Datenträgern erfolgen24. Die Übermittlung muss vor der Ankündigung des Geschäfts erfolgen, denn nur unter diesem Umstand erscheint es sinnvoll, das Interesse potenzieller Anleger an einem Geschäft und dessen mögliches Format – vor allem Zeitpunkt, Umfang und Konditionen – zu erkunden. Das zu sondierende Geschäft muss demnach nur der Art nach feststehen, um Einzelheiten mit dem Gegenüber der Marktsondierung auszuloten25, kann aber auch bereits detaillierte Kautelen aufweisen, um deren Akzeptanz und Durchsetzbarkeit in der Sondierung zu testen. Die Ankündigung des Geschäfts kann auf jede denkbare Weise geschehen und muss nicht zwingend marktöffentlich sein26. Entscheidend ist, dass nach einer Marktsondierung gegenüber den potenziellen Vertragspartnern kundgegeben wird, ein bestimmtes Geschäft (s. dazu Rz. 15) abschließen zu wollen27. Als potenzielle Vertragspartner kommen dabei auch Personen in Betracht, die die Marktsondierung als einzige erhalten haben, darüber hinaus aber auch Personen einer bestimmten Anlegergruppe (etwa institutionelle Investoren) oder alle Anleger, unabhängig davon, mit wem die Marktsondierung vorgenommen wurde. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass diese Ankündigung nur diejenige eines als invitatio ad offerendum zu qualifizierenden Geschäfts ist. Nach Art. 2 Abs. 36 lit. a des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 8a) würde das Erfordernis der Übermittlung von Informationen vor der Ankündigung des Geschäfts entfallen28 und der Anwendungsbereich der Safe Harbour-Regelung des Art. 11 VO Nr. 596/2014 damit deutlich erweitert. 12 Anders als Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf die Absicht der Abgabe eines Übernahmeange-
bots (Rz. 29) ist in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht von der Absicht zum Abschluss eines Geschäfts vor Ankündigung desselben als Auslöser der Marktsondierung die Rede, doch wird man bei zweckbezogener Auslegung des Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 eine solche als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal anzusehen haben und zumindest verlangen, dass der offenlegende Marktteilnehmer bei Beginn der Marktsondierung den Abschluss eines Geschäfts, das Gegenstand der Marktsondierung ist, ernsthaft in Erwägung zieht29. Da jede mögliche Offenlegung von Insiderinformationen dem Zweck des Insiderrechts zuwiderläuft, die informationelle Chancengleichheit des Marktpublikums zu gewährleisten und die Gefahr von Insidergeschäften durch die Weitergabe so gering wie notwendig zu halten (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29 f.), wird man deshalb nicht jede, sondern nur eine in ernsthafter Erwägung eines Geschäfts eingeleitete Marktsondierung nach Maßgabe von Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 als vom Offenlegungsverbot der Art. 14 lit. c, 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ausgenommen betrachten. Kommt es zur Ankündigung des Geschäfts, ist dieses ungeschriebene Erfordernis ohne weiteres als erfüllt anzusehen.
13 Anknüpfungspunkt der Definition der Marktsondierung ist die „Übermittlung von Informationen“, was
dadurch zu erklären ist, dass sich die Vorschrift auf die Offenlegung von Informationen bezieht, die Insiderinformationen umfassen oder umfassen können. Es versteht sich von selbst, dass die Durchführung einer Marktsondierung im Hinblick auf das in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannte Ziel mehr verlangt, als demjenigen, mit dem die Marktsondierung erfolgt, Informationen zu übermitteln, doch bedarf es nicht der Aufnahme solcher Parameter in die Marktsondierungsdefinition einer Regelung, in deren Mittelpunkt die Weiterleitung von Insiderinformationen für Zwecke des Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) steht. Dementsprechend ist es für eine Marktsondierung unerheblich, wenn Informationen – einschließlich Insiderinformationen – übermittelt werden, die die andere Seite bereits kennt30. 24 ESMA, Final Report, S. 25 Rz. 89 f.; Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 32 („Erforderlich ist lediglich eine zielgerichtete Ansprache des Informationsempfängers“); Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.34. 25 Ebenso hinsichtlich der „Konkretisierung“ des zu sondierenden Geschäfts, Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 65. 26 A.A. Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 33; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 33; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.310. 27 Auch Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 70. 28 Diese Änderung würde durch die Einfügung der zwei Worte „if any“ in den im Übrigen unverändert bleibenden Wortlaut des Eingangssatzes von Art. 11 VO Nr. 596/2014 erfolgen, der nach der Änderung (Hervorhebung hinzugefügt) lauten würde: „A market sounding comprises the communication of information prior to the announcement of a transaction, if any, in order to gauge the interest …“. In Erwägungsgrund 55, S. 50, des Verordnungsvorschlags heißt es dazu (Hervorhebung hinzugefügt): „The definition of market sounding should be broad in order to cater for the different typologies of soundings and different practices across the Union. The definition of market sounding should therefore also cover the communications of information not followed by any specific announcement, as also in that case inside information may be disclosed to potential investors and issuers should be able to benefit from the protection afforded by Article 11 of Regulation (EU) No 596/2014.“ 29 Unklar, aber eher zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 49. 30 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 13; i.E. auch Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 40.
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Marktsondierungen | Rz. 17 Art. 11 VO Nr. 596/2014
Die Marktsondierung i.S.d. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 muss mit einem oder mehreren potenziellen 14 Anlegern als potenziellen Partnern des beabsichtigten Geschäfts erfolgen. Die Übermittlung von Insiderinformationen an andere Personen als potenzielle Anleger – d.h. potenzielle Erwerber von Finanzinstrumenten, auf die sich die Marktsondierung richtet31 (s. Rz. 15) – kann nicht als Marktsondierung gerechtfertigt werden. Wenn in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 von der Übermittlung von Informationen an einen oder mehrere potenzielle Anleger die Rede ist, so bedeutet das, dass mehreren Personen gleichzeitig Informationen im Hinblick auf eine Marktsondierung übermittelt werden können, sofern es sich bei ihnen um potenzielle Anleger handelt. Welche Anleger als potenzielle Anleger in Frage kommen, hängt von Art und Umfang des beabsichtigten Geschäfts ab, doch lässt sich der Kreis potenzieller Anleger nicht von vornherein auf „wenige ausgewählte institutionelle ‚Schlüsselinvestoren‘ (qualifizierte Anleger nach § 2 Nr. 6 WpPG)“32 beschränken. Jede einzelne Marktsondierung muss darüber hinaus zu dem Zweck erfolgen, das Interesse von potenziellen Anlegern an einem möglichen Geschäft und dessen Bedingungen wie seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung abzuschätzen. Die potenziellen Anleger, deren Interesse es zu erkunden gilt, können über den Kreis derer hinausgehen, bei denen die Marktsondierung erfolgt. Die Bestimmungen zu Adressat und Ziel der Marktsondierung in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 machen darüber hinaus deutlich, dass die Marktsondierung einem Geschäft mit Finanzinstrumenten (Rz. 15) mit dem offenlegenden Marktteilnehmer (Rz. 16 ff.) dienen muss. Der Zweck der Marktsondierung als Übermittlung von Informationen an potenzielle Anleger schließt es aus, dass die Informationsübermittlung zur Marktsondierung nur dann rechtmäßig ist, wenn die sondierten Geschäfte später auch tatsächlich mit denjenigen zustande kommt, denen die Informationen übermittelt wurden33. Mögliches Geschäft i.S.v. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 kann nur ein Geschäft sein, das (auch) Finanz- 15 instrumente zum Gegenstand hat (s. schon Rz. 9). Als solche kommen Geschäfte mit Finanzinstrumenten im Zusammenhang mit einem Börsengang, einer Zweitplatzierung, einer Verschmelzung (Fusion), dem Pakethandel, einer Kapitalerhöhung34 und v.a. auch einer Privatplatzierung in Betracht35. Das mögliche Geschäft muss nach Art und Gegenstand nur soweit konkretisiert sein, dass diejenigen, deren Interesse sondiert werden soll, in der Lage sind, ihr Interesse an dem möglichen Geschäft und dessen Bedingungen wie seinem Umfang und seiner preislichen Gestaltung abzuschätzen. Ausreichend dafür und einer Marktsondierung zugänglich ist es etwa, wenn ein Emittent, der eine reguläre Kapitalerhöhung plant und dies bereits per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht hat, nach möglichen Investoren sucht, die bereit sind, nicht platzierte Aktien aus der Kapitalerhöhung abzunehmen, wobei die Details noch Verhandlungssache sind (dazu näher Rz. 32).
bb) Offenlegende Marktteilnehmer Die Marktsondierung muss durch eine der in Art. 11 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 bezeichneten Per- 16 sonen als offenlegenden (sondierungsberechtigten) Marktteilnehmer (Art. 3 Abs. 1 Nr. 32 VO Nr. 596/2014) erfolgen. In Betracht kommt danach die Sondierung durch – den Emittenten des Finanzinstruments, das Gegenstand des zu sondierenden Geschäfts sein soll (lit. a), – einen Zweitanbieter eines Finanzinstruments, dies allerdings nur dann, wenn er das betreffende Finanzinstrument in einer Menge oder mit einem Wert anzubieten beabsichtig, aufgrund derer bzw. dessen sich das Geschäft vom üblichen Handel unterscheidet, wobei es außerdem auf einer Verkaufsmethode beruhen muss, die auf der Vorabbewertung des potenziellen Interesses möglicher Anleger beruht (lit. b), – einen Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (lit. c) oder – einen Dritten, der im Auftrag oder für Rechnung einer der unter Buchstabe a, b oder c genannten Personen agiert (lit. d). In den Fällen von Art. 11 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 sind die Personen, die ein Geschäft sondieren, 17 solche, die selbst beabsichtigen, das Geschäft durchzuführen oder gegebenenfalls auch zu unterlassen. Wie 31 32 33 34 35
Ebenso Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 36. So Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 201. Ebenso Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 37. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 29. S. Anhang III Punkt iv. DurchfVO 2016/959 vom 17.5.2016 (Rz. 6). Zum Pakethandel und zur Privatplatzierung s. auch ESMA, Final Report, S. 22 Rz. 69 ff. bzw. Rz. 71. S. auch Köhler in FS Schwintowski, 2017, S. 314, 323; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 80 ff. A.A. Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 29, weil diese – anders als hier vertreten, Rz. 12 – davon ausgehen, bei der „Marktsondierung ... vor der Ankündigung eines Geschäfts“ käme nur eine öffentliche Ankündigung in Betracht, die aber bei einer Privatplatzierung nicht erfolge.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 | Marktsondierungen sich aus Art. 11 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 ergibt, kommt als offenlegender Marktteilnehmer aber auch eine Person (Dritter) in Betracht, die „im Auftrag oder für Rechnung einer der unter Buchstabe a, b oder c genannten Personen agiert“ (Rz. 21). 18 Emittent i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 „eine
juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt, wobei der Emittent im Fall von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, der Emittent des repräsentierten Finanzinstruments ist“.
19 Ein Zweitanbieter eines Finanzinstruments ist der Anbieter eines signifikanten Zeichnungsangebots in
Bezug auf bereits emittierte Finanzinstrumente, wobei Art. 11 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 selbst definiert, was in diesem Sinne als signifikant anzusehen ist: das Angebot eines Finanzinstruments in einer Menge oder mit einem Wert, aufgrund derer bzw. dessen sich das Geschäft vom üblichen Handel unterscheidet (näher Rz. 33), wobei das Angebot darüber hinaus auf einer Verkaufsmethode beruhen muss, die auf der Vorabbewertung des potenziellen Interesses möglicher Anleger beruht. Dabei handelt es sich um eine Definition, die derjenigen eines signifikanten Angebots in Art. 3 Abs. 2 lit. d und Art. 5 VO 2016/ 1052 zur Ergänzung der Marktmissbrauchsverordnung36 entspricht. Zur Erläuterung der Definition s. Rz. 33. Weniger technisch ausgedrückt, ist Zweitanbieter der Inhaber einer wesentlichen Beteiligung, der diese außerbörslich zu veräußern sucht37. Zweitanbieter und nicht Emittent i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ist das Unternehmen, das beabsichtigt, eigene, bereits emittierte Anteile über den Sekundärmarkt zu platzieren38.
20 Ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014 eine
Person, die Geschäfte einschließlich der Erteilung von Handelsaufträgen, mit Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten oder Derivaten betreibt, und die nicht unter die Ausnahme von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 fällt.
21 Dritter ist jeder, der „im Auftrag oder für Rechnung einer der unter Art. 11 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/
2014 genannten Personen agiert“. Ein Dritter handelt im Auftrag einer dieser Personen, wenn er auf vertraglicher Grundlage39 und nach deren Weisung40 für diese tätig wird. Der Auftrag und die Verabredungen zwischen diesen Personen und dem Dritten können – formlos – mündlich oder schriftlich vorgenommen worden sein41, wohingegen das Tätigwerden des Dritten ohne einen solchen Auftrag – obschon möglicherweise im Interesse einer dieser Personen – nicht erfasst ist42. Im Auftrage einer der in Art. 11 Abs. lit. a–c VO Nr. 596/2014 bezeichneten Person agiert der Dritte i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. d Alt. 1 VO Nr. 596/2014 nicht nur dann, wenn daran gedacht ist, das zu sondierende Geschäft im Auftrag einer der Erstgenannten – etwa (im eigenen oder fremden Namen) für dessen Rechnung, wie es in Art. 11 Abs. 1 lit. d Alt. 2 VO Nr. 596/2014 heißt – abzuschließen, sondern auch dann, wenn er nur die Marktsondierung im „Auftrag“ einer der in Art. 11 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 genannten Personen durchführt43. Für Rechnung einer
36 Delegierte Verordnung (EU) 2016/1052 der Kommission vom 8.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen, ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34. 37 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 217, demzufolge hierunter Transaktionen ab 0,5 % des emittierten Kapitals fallen sollen, da ab solchen Größen Transaktionen über die Börse mit Liquiditätsabschlägen einhergingen. S. dazu auch Rz. 33. 38 Ebenso Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 45. 39 I.E. ebenso Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 47 („jedes vertragliche Dienstleistungs- oder Mandatsverhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Dritten“); Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 45 („jedes vertragliche Dienstleistungs- oder Mandatsverhältnis“); Zetzsche, AG 2016, 610 (612 „rechtliche Verknüpfung“); folgend Fuhrmann, WM 2018, 593, 597. 40 Nach ESMA, Final Report, S. 21 Rz. 66, handelt ein Dritter in Auftrag eines Marktsondierenden, wenn er auf Ersuchen des Letzteren tätig wird („acting at the request of the MSB“). Das wiederum soll Weisungen des Marktsondierenden gegenüber dem Dritten voraussetzen: „The third party is acting at the request of the MSB if it is taking part in the transaction under the MSB's mandate, including where the instructions are oral or written and where they are issued as part of discussions which the third party has initiated with the MSB or in connection with a request for proposal by the MSB“. 41 Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 77. 42 ESMA, Final Report, S. 21 Rz. 66; Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 47; Fuhrmann, WM 2018, 593, 597; Köhler in FS Schwintowski, 2017, S. 314, 321; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 49; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 77; Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 198. 43 ESMA, Final Report, S. 21 Rz. 66: „ESMA's view is that this should include situations where a third party, in order to prepare a transaction in which it is acting at the request of a MSB, sounds out potential investors with a view to determining the characteristics of the transaction.“
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Marktsondierungen | Rz. 23b Art. 11 VO Nr. 596/2014
der unter Art. 11 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 genannten Personen handelt der Dritte, wenn die Folgen seines Handelns nicht ihn, sondern diese Person treffen sollen44. Denkbar ist, dass mehrere Personen als Zweitanbieter, oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate 22 eine Marktsondierung gemeinsam durchführen. In diesem Falle hat jeder der gemeinschaftlich Handelnden45 die Anforderungen an eine rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen zu erfüllen46. Nicht ausgeschlossen ist es auch, dass sowohl eine der in Art. 11 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 genannte Person als auch ein von ihr beauftragter Dritter i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 Marktsondierende sind47.
cc) Offenlegung von Insiderinformationen Zur Frage, wann die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 1 23 VO Nr. 596/2014 rechtmäßig ist, s. die Ausführungen in Rz. 34 ff. Schon hier ist darauf hinzuweisen, dass Art. 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht verlangen, dass die Offenlegung erforderlich ist (näher Rz. 35).
c) Keine Marktsondierung im Falle der Informationsübermittlung zur Aushandlung privater Anleiheplatzierungen (Art. 11 Abs. 1a VO Nr. 596/2014) Mit dem neuen Absatz 1a von Art. 11 VO Nr. 596/2014, der dieser Vorschrift durch Art. 1 Nr. 1 VO (EU) 23a 2019/2115 vom 27.11.2019 hinzugefügt (Rz. 8) wurde, wird klargestellt48, dass Kontaktaufnahmen mit potenziellen Anlegern und Informationsübermittlungen zum Zwecke der Aushandlung der vertraglichen Bedingungen ihrer Beteiligung bei privaten Anleiheplatzierungen keine Marktsondierung darstellen. Darüber hinaus wird bestimmt, dass die zu diesem Zwecke erfolgende Übermittlung von Informationen als im Zuge der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person gem. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 vorgenommen wird und damit – vorausgesetzt, es besteht eine angemessene Vertraulichkeitsvereinbarung (Rz. 23c) – nicht als unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen zu betrachten ist. Für Informant und Informationsempfänger hat dies den Vorteil, dass sie nicht das Verfahren und die Pflichten einer Marktsondierung einhalten müssen und darüber hinaus tatbestandlich nicht dem Offenlegungsverbot unterfallen. Klarstellend ist diese Regelung insofern, als sich die in Art. 11 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 erfasste Informationsübermittlung von derjenigen im Zuge einer Marktsondierung unterscheidet, wie sie in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 definiert ist: Anders als die Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zielt die in Art. 11 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 beschriebene Informationsübermittlung nicht darauf ab, das Interesse potenzieller Anleger für ein bereits inhaltlich bestimmtes und zur Sondierung vorgelegtes Angebot zu erkunden. Sie dient vielmehr der „Strukturierung und vollständigen Durchführung einer privaten Anleiheplatzierung“49 wie sie von Art. 11 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 erfasst wird. Zweck von Art. 11 Abs. 1a VO Nr. 596/ 2014 ist es, die Attraktivität privater Anleiheplatzierungen zu erhöhen50. Die Regelung des Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 hat die Informationsübermittlung zum Zwecke der Aus- 23b handlung der vertraglichen Bedingungen zum Gegenstand, unter denen sich qualifizierte Anleger an einer Anleiheemission zu beteiligen bereit sind. Als Übermittelnder kommt sowohl ein Emittent, dessen Finanzinstrumente zum Handel an einem Handelsplatz zugelassen sind, in Frage, darüber hinaus aber auch jede Person, die im Auftrag oder für Rechnung dieses Emittenten handelt. Weiter ist Voraussetzung, dass es sich um einen Emittenten handelt, dessen Finanzinstrumente zum Handel an einem Handelsplatz zuge44 I.E. Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 47 (Handeln für Rechnung eines Dritten sollte „nicht nur in Treuhandsituationen“ anzunehmen sein, „sondern immer dann, wenn der offenlegende Marktteilnehmer im wirtschaftlichen Interesse des Begünstigten tätig wird“); Zetzsche, AG 2016, 610, 612 („wirtschaftliche Verknüpfung“, etwa durch Treuhand oder wesentliche Beteiligung); folgend Fuhrmann, WM 2018, 593, 597; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 45. 45 ESMA, Final Report, S. 23 Rz. 73 (Hervorhebung hinzugefügt): „There are circumstances in which more than one DMPs [disclosing market participants – offenlegende Marktteilnehmer] may conduct market soundings jointly ... However, irrespective of how in practice more than one DMPs may decide to arrange for a market sounding to be jointly conducted, every DMP will have to comply with the requirements set forth in Level 1 and present draft technical standards, as the issue of joint market soundings has not been considered within the mandate.“ Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 47; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 77. 46 Zur Verpflichtung aus Art. 11 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 im Falle eines Konsortiums Zetzsche, AG 2016, 610, 614. 47 ESMA, Final Report, S. 21 Rz. 64, S. 23 Rz. 73 („For example, an issuer and its financial advisor may both act in their capacity as DMPs [disclosing market participants – offenlegende Marktteilnehmer] for the purposes of Article 11 of MAR“). 48 Ebenso Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.308a. 49 Erwägungsgrund 6 Unterabs. 2 Satz 2 VO (EU) 2019/2115 (Rz. 8). 50 Erwägungsgrund 6 Unterabs. 2 Satz 3 VO (EU) 2019/2115 (Rz. 8).
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 23b | Marktsondierungen lassen sind. Das unter Verwendung der übermittelten Informationen auszuhandelnde Angebot muss auf eine Transaktion mit qualifizierten Anlegern i.S.v. Art. 2 lit. e der Verordnung (EU) 2017/112951 gerichtet sein. Nach dieser Vorschrift sind qualifizierte Anleger „Personen oder Einrichtungen, die in Anhang II Abschnitt I [Absatz 1] Nummern (1) bis (4) der Richtlinie 2014/65/EU genannt sind, sowie Personen oder Einrichtungen, die gemäß Abschnitt II jenes Anhangs auf Antrag als professionelle Kunden behandelt werden oder die gemäß Art. 30 der Richtlinie 2014/65/EU als geeignete Gegenparteien anerkannt werden, und nicht gemäß Abschnitt 1 Absatz 4 jenes Anhangs eine schriftliche Übereinkunft getroffen haben, als nichtprofessionelle Kunden behandelt zu werden“. „Geborene“ professionelle Anleger sind danach (1) „Rechtssubjekte, die zugelassen sein oder unter Aufsicht stehen müssen, um an den Finanzmärkten tätig werden zu können“52, (2) näher definierte große Unternehmen“53, (3) nationale „und regionale Regierungen, einschließlich Stellen der staatlichen Schuldenverwaltung auf nationaler oder regionaler Ebene, Zentralbanken, internationale und supranationale Einrichtungen wie die Weltbank, der IWF, die EZB, die EIB und andere vergleichbare internationale Organisationen“54 und (4) „andere institutionelle Anleger, deren Haupttätigkeit in der Anlage in Finanzinstrumenten besteht, einschließlich Einrichtungen, die die wertpapiermäßige Verbriefung von Verbindlichkeiten und andere Finanzierungsgeschäfte betreiben“55. Geeignete Gegenparteien sind – nach der redundanten Definition des Art. 30 Abs. 1 RL 2014/65/EU – Parteien, mit denen Wertpapierfirmen, die zur Ausführung von Aufträgen im Namen von Kunden und/oder zum Handel für eigene Rechnung und/ oder zur Entgegennahme und Weiterleitung von Aufträgen berechtigt sind, entsprechende Geschäfte anbahnen oder abschließen können. Nach Art. 30 Abs. 2 RL 2014/65/EU sind dies (zumindest und vorbehaltlich Art. 30 Abs. 3 und 4 RL 2014/65/EU) Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, OGAW und ihre Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, sonstige zugelassene oder nach dem Unionsrecht oder den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats einer Aufsicht unterliegende Finanzinstitute, nationale Regierungen und deren Einrichtungen, einschließlich öffentlicher Stellen der staatlichen Schuldenverwaltung auf nationaler Ebene, Zentralbanken und supranationale Organisationen. 23c Die Informationsübermittlung zur Vorbereitung und Durchführung privater Anleiheplatzierungen gilt nach
Art. 11 Abs. 1a Satz 3 VO Nr. 596/2014 nur dann als eine solche im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs oder der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person gem. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, wenn zwischen den Beteiligten eine Vertraulichkeitsvereinbarung besteht. Das bedeutet, dass seitens des Emittenten oder der in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handelnden Personen sichergestellt sein muss, dass die qualifizierten Anleger, die die fraglichen Informationen erhalten, die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften erwachsenden Pflichten kennen und diese schriftlich anerkennen und die Sanktionen kennen, die für Insidergeschäfte und die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen gelten. Das gelingt schwerlich anders als durch eine entsprechende Vereinbarung56. d) Marktsondierung des potenziellen Bieters in einem Übernahmeangebot (Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014)
24 Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 bestimmt, dass „für die Zwecke des Artikels 10 Absatz 1“ VO Nr. 596/2014
eine Offenlegung von Insiderinformationen, die im Verlauf einer Marktsondierung vorgenommen wurde, rechtmäßig ist, wenn der offenlegende Marktteilnehmer die Verpflichtungen nach Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt. Das gilt auch für die Offenlegung von Insiderinformationen von Insiderinformationen durch eine Person, die beabsichtigt, ein Übernahmeangebot für die Anteile eines Unternehmens oder für einen Unternehmenszusammenschluss an Dritte zu richten, im Zuge einer darauf gerichteten Marktsondie-
51 Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, ABl. EU Nr. L 168 v. 30.6.2017, S. 12. 52 Anhang II Abschnitt I Abs. 1 Nr. 1 lit. a–i Richtlinie 2014/65/EU, im Einzelnen: Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, sonstige zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute, Versicherungsgesellschaften, Organismen für gemeinsame Anlagen und ihre Verwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften, Warenhändler und Warenderivate-Händler, örtliche Anleger und sonstige institutionelle Anleger. 53 Nach Anhang II Abschnitt I Abs. 2 Nr. 2 Richtlinie 2014/65/EU sind das Unternehmen, die auf Unternehmensebene zwei der nachfolgenden Anforderungen erfüllen: Bilanzsumme: 20 Mio. Euro, Nettoumsatz: 40 Mio. Euro, Eigenmittel: 2 Mio. Euro. 54 Anhang II Abschnitt I Abs. 1 Nr. 3 Richtlinie 2014/65/EU. 55 Anhang II Abschnitt I Abs. 1 Nr. 4 Richtlinie 2014/65/EU. 56 Hier wird davon ausgegangen, dass dies der Inhalt der in Erwägungsgrund 6 Unterabs. 2 Satz 3 VO (EU) 2019/ 2115 (Rz. 8) angeführten „angemessene[n] Vertraulichkeitsvereinbarung“ ist. Dagegen sieht Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.308a, darin ein „im Verordnungstext selbst“ nicht verlangtes Erfordernis, dessen Befolgung aber „ratsam“ sei.
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Marktsondierungen | Rz. 27 Art. 11 VO Nr. 596/2014
rung nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014. Zwar wird Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 in Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nicht erwähnt, doch bestimmt Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich, dass auch die Offenlegung nach dieser Vorschrift eine Marktsondierung darstellt. Zu den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 34 ff. Im Text von Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 vor lit. a muss es – bislang nicht berichtigt – statt „einem Marktsondierung“ richtigerweise „eine Marktsondierung“ heißen. Die Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und die Offenlegung von Insiderinformationen 25 im Zuge derselben muss durch eine Person erfolgen, die beabsichtigt, ein Übernahmeangebot für die Anteile eines Unternehmens oder für einen Unternehmenszusammenschluss an Dritte zu richten, d.h. durch den Bieter des potenziellen Übernahmeangebots. Andere Personen kommen nicht in Betracht57, was sich daraus ergibt, dass Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 keine Art. 11 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 vergleichbare Regelung enthält, die es auch einem Dritten, der im Auftrag oder für Rechnung des Bieters auftritt, eine Marktsondierung durchzuführen. Das mag als nicht praktisch erscheinen, doch ist nicht erkennbar, dass darin eine planwidrige Lücke liegt und Art. 11 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 zur Schließung derselben analog anzuwenden sei58. Deshalb ist den Bietern bis auf Weiteres nicht anzuraten, Dritte mit der Marktsondierung i.S.d. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zu beauftragen und eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen in Kauf zu nehmen. Übernahmeangebot i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ist ein Übernahmeangebot i.S.d. RL 2004/25/EG59 26 betreffend Übernahmeangebote60. Wenn in gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakten von Übernahmeangeboten die Rede ist, dann sind auch solche gemeint, die im Gemeinschaftsrecht als Übernahmeangebote bezeichnet werden und in einer diesbezüglichen Richtlinie Gegenstand der Rechtsangleichung sind. Darüber hinaus entspricht dies auch der Zielsetzung der Vorschrift, über die in Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erfassten Erwerbsgeschäfte hinaus die spezielle Transaktionsform des Übernahmeangebots in einer deren Besonderheit angemessenen Weise zu privilegieren. Ein Übernahmeangebot ist nach Art. 2 Abs. 1 lit. a RL 2004/25/EG ein „an die Inhaber der Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtetes (und nicht von der Zielgesellschaft selbst abgegebenes) öffentliches Pflicht- oder freiwilliges Angebot zum Erwerb eines Teils oder aller dieser Wertpapiere, das sich an den Erwerb der Kontrolle der Zielgesellschaft im Sinne des einzelstaatlichen Rechts anschließt oder diesen Erwerb zum Ziel hat“. Nicht dieser Transaktionsform entsprechende Erwerbsgeschäfte – d.h. nicht auf den Kontrollerwerb gerichtete sog. einfache Erwerbsangebote – sind dagegen keine Übernahmeangebote i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/201461, unterfallen aber regelmäßig Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014.
Erfasst sind damit nach deutschem Recht auf den Erwerb der Kontrolle gerichtete Übernahmeangebote 27 i.S.d. § 29 Abs. 1 WpÜG. Kontrolle ist nach § 29 Abs. 2 Satz 1 WpÜG „das Halten von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft aus dem Bieter gehörenden Aktien der Zielgesellschaft oder dem Bieter nach § 30 zugerechneten Stimmrechten an der Zielgesellschaft“. Nicht auf die Erlangung einer Kontrollmehrheit gerichtete Wertpapiererwerbsangebote (i.S.v. §§ 10 ff. WpÜG) scheiden dagegen aus dem Anwendungsbereich des Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 aus (Rz. 26). Gleiches gilt für Pflichtangebote nach § 35 WpÜG62: Sie sind zum einen – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – unabhängig von 57 Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz.26. 58 Wie hier Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 112; Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 26 (statt dessen für „extensive Auslegung“). A.A., d.h. für eine analoge Anwendung von Art. 11 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 wegen planwidriger Lücke: Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 59; Fuhrmann, WM 2018, 593, 598; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.309; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 78; Zetzsche, AG 2016, 610, 612. 59 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. 60 Ebenso Fuhrmann, WM 2018, 593, 597; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 112; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Marktmissbrauchsverordnung (MAR), Art. 11 Rz. 3; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 78; Poelzig, NZG 2016, 528, 534. 61 Fuhrmann, WM 2018, 593, 597; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 112; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Marktmissbrauchsverordnung (MAR), Art. 11 Rz. 3; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 52, ausführlich zur Gegenansicht Rz. 53; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.307 mit Fn. 8; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 78; Poelzig, NZG 2016, 528, 534; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8-14 MAR Rz. 64. A.A. Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 66; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 219; Zetzsche, AG 2016, 610, 612. Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 537/538: „Interessenlage“, die bei einfachen Erwerbsangeboten der bei Übernahmeangeboten ähnlich ist, spricht für Erfassung der ersteren. 62 A.A. Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.307 mit Fn. 8; Kumpan/ Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 56; Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 69.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 27 | Marktsondierungen der Absicht des Bieters zur Abgabe eines Angebots i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 (Rz. 29) abzugeben. Zum anderen hat der Bieter ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nur für den Fall abzugeben, dass er bereits „unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle über eine Zielgesellschaft erlangt“ hat; für eine Marktsondierung zum Zwecke der Willensbildung des Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots ist unter diesen Umständen kein Raum. 28 Wenn Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ein Übernahmeangebot für die Anteile eines Unternehmens oder für
einen Unternehmenszusammenschluss verlangt, so ist damit nur ein Unternehmenszusammenschluss gemeint, der aufgrund und im Gefolge eines Übernahmeangebots erfolgen soll63. Nicht erfasst sind damit Verhandlungen über einen Unternehmenszusammenschluss mit einer Zielgesellschaft, der auf andere Weise als durch Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft im Wege eines Übernahmeangebots erfolgen soll64. Der Unternehmenszusammenschluss muss damit für die Zwecke von Art. 11 Abs. 2 und 4 VO Nr. 596/2014 ein über die Abgabe eines Übernahmeangebots hinausgehendes beabsichtigtes Ziel sein. Da die Absicht des Bieters für den Fall der Erlangung der Kontrollmehrheit Teil einer informierten Entscheidung der Adressaten eines Übernahmeangebots sind, ist es für diese gerade im Hinblick auf eine mögliche Ablehnung des Angebots von Bedeutung, in welcher Unternehmenskonstellation sie sich als Aktionäre der Zielgesellschaft zukünftig mit welchen Rechten befinden werden. Als Unternehmenszusammenschluss kommen deshalb alle Formen der Verbindung von Unternehmen zu einer Wirtschaftseinheit in Betracht65.
29 Im Hinblick auf den Umstand, dass die Marktsondierung einerseits zu Ergebnissen führen kann, die den
Abbruch des Vorhabens eines Übernahmeangebots für die Anteile eines Unternehmens oder für einen Unternehmenszusammenschluss nach sich ziehen, andererseits jede Weitergabe einer Insiderinformationen die Gefahr von Insidergeschäften steigert und dem Zweck des Insiderrechts zuwiderläuft, ist im Hinblick auf die von Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 expressis verbis verlangte Absicht des Bieters zu verlangen, dass der potenzielle Bieter eine Übernahmeangebot ernsthaft in Erwägung zieht. Das sollte entsprechend auch für das „Geschäft“ i.S.d. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erforderlich sein (dazu Rz. 15).
30 Das Übernahmeangebot muss sich nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 an „Dritte“ richten, die „Anspruch
auf die Unternehmensanteile“ haben. Damit sind nicht nur Anteilseigner gemeint, die – etwa aufgrund eines Bezugsrechts oder Umtauschrechts – Anspruch auf Anteile der Zielgesellschaft haben, auf die das Übernahmeangebots gerichtet sein soll, also noch keine Eigentümer dieser Anteile sind, sondern auch jene, die bereits über die entsprechenden Anteile verfügen. Wie sich aus Art. 11 Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/ 2014 ergibt, ist damit keineswegs eine Marktsondierung bei allen Adressaten des potenziellen Übernahmeangebots gemeint. Rechtmäßig ist vielmehr nur die Marktsondierung und Offenlegung von Insiderinformationen bei bzw. gegenüber solchen Dritten, deren Bereitschaft zur Annahme des Übernahmeangebots für den Erfolg und die damit Abgabe des Übernahmeangebots erforderlich ist (Art. 11 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/ 2014) und die sich deshalb eine Meinung über ihre diesbezügliche Bereitschaft bilden müssen, für die die Offenlegung der fraglichen Insiderinformationen erforderlich, d.h. unerlässlich ist66. Zu Einzelheiten betreffend die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge beabsichtigter Übernahmeangebote s. die Ausführungen zu Rz. 37 ff. e) Konkretisierungen – Beispiele
31 Eine Marktsondierung durch den Emittenten (Art. 11 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) ist etwa denkbar,
wenn der Emittent beabsichtigt, auf der Grundlage einer entsprechenden Ermächtigung der Hauptversammlung zur Ausgabe eigener Aktien gegen Barzahlung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, Aktien bei institutionellen Investoren zu platzieren. Als Beispiel für die Marktsondierung durch einen Emittenten führt Erwägungsgrund 33 Satz 2 VO Nr. 596/2014 den Fall an, dass ein Emittent beabsichtigt, die Begebung 63 Dafür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung, in der (die Gliederung findet sich nicht im Original) von einem „Übernahmeangebot [1] für die Anteile eines Unternehmens oder [2] für einen Unternehmenszusammenschluss“ die Rede ist. Entsprechend formuliert auch die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, VI.3.1 S. 94. Wie hier implizit auch Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 69. Unklar, aber wohl anders Meyer in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.309, 12.316. Weniger weitgehend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 56 („können nur solche Zusammenschlüsse erfasst sein, bei denen Anteilseigner ihre Anteile auch tatsächlich an den Erwerber veräußern müssen“). 64 Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.309. 65 Für einen solchen weiten Begriff des Unternehmenszusammenschlusses auch Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 68 f. In Rz. 68 heißt es: „... jede Form der Unternehmensverbindung ..., die aus zwei oder mehreren Unternehmen eine Wirtschaftseinheit macht, sei es durch eine Verschmelzung oder durch Einbringung der Aktien der Zielgesellschaft (zB im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung) oder im Rahmen eines Joint Ventures“). 66 Auch Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Marktmissbrauchsverordnung (MAR), Art. 11 Rz. 3.
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Marktsondierungen | Rz. 34 Art. 11 VO Nr. 596/2014
eines Schuldtitels oder eine zusätzliche Kapitalerhöhung anzukündigen, und sich davor an wichtige Investoren wendet und ihnen die vollständigen Geschäftsbedingungen mitteilt, um eine finanzielle Zusage für die Beteiligung an dem Geschäft zu erhalten; auch wenn hier bereits eine Zusage zu einem Geschäft angestrebt wird, geht es dabei darum, das Interesse eines potenziellen Anlegers an einem möglichen Geschäft i.S.v. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auszuloten. Einer Marktsondierung zugänglich ist es etwa, wenn ein Emittent, der eine reguläre Kapitalerhöhung plant 32 und dies mit den diesbezüglichen Eckdaten bereits per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht hat, nach möglichen Investoren sucht, die bereit sind, nicht platzierte Aktien aus der Kapitalerhöhung abzunehmen, wobei aufgrund früherer Geschäftsbeziehungen und seiner Marktkenntnisse für ihn als Geschäftspartner – einzeln oder zusammen mit anderen – allenfalls drei oder vier Unternehmen in Betracht kommen. Hier liegen mit einer beabsichtigen sog. Back-stop-Vereinbarung mit dem Emittenten nur der Gegenstand und die Zielrichtung eines möglichen Geschäfts vor, dessen Details sich erst – vergleichbar Vertragsverhandlungen – aus der Marktsondierung heraus ergeben werden. Gleichwohl ist im Hinblick auf dieses Geschäft eine Marktsondierung nach Art. 11 VO Nr. 596/2014 möglich67. Davon unabhängig ist keine Person, die als offenlegender Marktteilnehmer i.S.v. Art. 11 VO Nr. 596/2014 in Betracht kommt, verpflichtet, eine Marktsondierung durchzuführen. Scheidet etwa der Umstand, weshalb ein Emittent eine Marktsondierung in Erwägung zieht, als Insiderinformation aus, weil er – wie hier – bereits öffentlich bekannt ist, und sind keine weiteren vorhanden oder zu erwarten, so spricht viel dafür, dass sich der Emittent den Aufwand einer Marktsondierung erspart. Kommt der Emittent im Zuge der stattdessen vorgenommenen Vertragsverhandlungen mit den potenziellen Partnern einer Back-stop-Vereinbarung in den Besitz von Insiderinformationen und erweist es sich als für die Aufgabe des potenziellen Vertragspartners und die Festlegung des Vertragsinhalts, namentlich der Leistungskonditionen, als erforderlich, dies dem potenziellen Vertragspartner offenzulegen, bereitet dies Schwierigkeiten: Einerseits ist ein Quereinstieg in das Marktsondierungsverfahren oder ein Rückfall auf den Ausgangspunkt einer Marktsondierung hier nicht mehr möglich. Andererseits ist die Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Insiderinformationen im Zuge von Vertragsverhandlungen nicht rechtssicher geklärt und allenfalls dann zulässig, wenn sie zur Erfüllung der zivilrechtlichen Informationspflicht unerlässlich ist (s. Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 25). Auch derjenige, der etwa ein Paket von Aktien eines Emittenten hält, kann zur Veräußerung derselben, na- 33 mentlich zur Sondierung der Chancen und der Absetzbarkeit des Pakets, unter den Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 eine Marktsondierung mit Offenlegung von Insiderinformationen durchführen. Die Vorschrift erlaubt ihm die Offenlegung von Insiderinformationen in diesem Zusammenhang aber nur, wenn er das betreffende Finanzinstrument in einer Menge oder mit einem Wert anbietet, aufgrund derer bzw. dessen sich das Geschäft vom üblichen Handel unterscheidet, wobei es außerdem auf einer Verkaufsmethode beruht, die auf der Vorabbewertung des potenziellen Interesses möglicher Anleger beruht. Das zu veräußernde Aktienpaket muss mithin ein Volumen oder einen Wert haben, die sich vom üblichen Handel in- oder außerhalb der Börse, unterscheidet. Tatsächlich hat die ESMA hier Transaktionen vor Augen, die den „Zweitanbieter“ und das Zweitangebot in die Nähe einer Zweiplatzierung rücken. Dementsprechend sieht sie die in Art. 11 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 angeführten Voraussetzungen nur erfüllt, wenn das zu veräußernde Paket von Finanzinstrumenten ein Ausmaß hat, dass seine Größe – im Verhältnis zum durchschnittlichen Handelsvolumen oder dem Gesamtwert der angebotenen Anteile – der Veräußerung des Pakets innerhalb eines durchschnittlichen Handelstags entgegenstehen würde oder die Information über die Veräußerung des Pakets den Kurs der Finanzinstrumente wahrscheinlich erheblich beeinträchtigen würde68.
2. Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung (Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) a) Überblick und allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen aa) Marktsondierung in Bezug auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten i.S.v. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 Liegt eine Marktsondierung i.S.v. Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 vor, so ist nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/ 34 2014 die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge der Marktsondierung rechtmäßig, wenn der offen67 Erwägungsgrund 33 Satz 2 VO Nr. 596/2014; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.308; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 74. 68 ESMA, Final Report, S. 22 Rz. 69: „Such soundings ... will usually take place in cases where blocks are so significant that their size, in relation to the average trading volume or market capitalisation, would impede their execution within the average trading day or where the information about the block trade would be likely to have a significant effect on the price of the financial instrument“.
Assmann | 299
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 34 | Marktsondierungen legende Marktteilnehmer die Verpflichtungen nach Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/201469 und nach den diese ergänzenden und konkretisierenden Bestimmungen der DelVO 2016/960 und der DurchfVO 2016/959 (Rz. 6) erfüllt (schon Rz. 7). Zu diesen Verpflichtungen im Einzelnen nachfolgend in Rz. 40 ff. Bestimmte Erwägungsgründe zur Marktmissbrauchsverordnung70 und zur Delegierten Verordnung71 insinuieren, eine Offenlegung von Insiderinformationen, die im Verlauf einer Marktsondierung vorgenommen wurde, werde nur dann so betrachtet, dass sie im Zuge der normalen Ausübung der Beschäftigung oder des Berufs oder der normalen Erfüllung der Aufgaben einer Person vorgenommen worden sei, wenn der offenlegende Marktteilnehmer die Verpflichtungen gemäß allen Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung und der Delegierten Verordnung erfülle. Wäre dies tatsächlich so gemeint, wie vorstehend ausgeführt, wäre dies mit dem klaren Wortlaut von Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nicht vereinbar und widerspräche zudem dem Umstand, dass die über die Anforderungen von Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 hinausgehenden Vorschriften mit Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 nur nachlaufende Pflichten des Offenlegenden betreffen und Art. 11 Abs. 7 und 8 VO Nr. 596/2014 lediglich Pflichten des Empfängers der offengelegten Informationen zum Gegenstand haben72. Deshalb spricht viel dafür, dass mit den Formulierungen „diese Verordnung nicht einhalten“ und „sämtlicher einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung“ bzw. „alle in Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen einhält“ in den (in den vorstehenden Fußnoten wiedergegebenen) Erwägungsgründen 35 Sätze 4 und 5 VO Nr. 596/2014 bzw. Erwägungsgrund 5 Satz 2 DelVO 2016/960 nur die Anforderungen gemeint sind, die Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aufführt. 35 Nicht zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gehört es darüber hinaus nach dem eindeutigen Wortlaut
von Art. 11 Abs. 1 und Abs. 4 VO Nr. 596/2014 und im Gegensatz zu den diesbezüglichen Besonderheiten einer Marktsondierung i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf Übernahmeangebote, dass die Offenlegung der Insiderinformationen erforderlich, d.h. im Sinne der Auslegung dieses Merkmals durch die Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.200573 unerlässlich ist (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 20)74. Dabei ist es nicht einmal Voraussetzungen, dass sich die offengelegten Insiderinformationen auf die Finanzinstrumente beziehen, die Gegenstand des zu sondierenden Geschäfts sein sollen, doch wird man zur Verhinderung der zweckwidrigen Verwendung einer Marktsondierung verlangen, dass die offengelegten Insiderinformationen in einem Zusammenhang mit dem zu sondierenden Geschäft stehen oder, mit anderen Worten, für die jeweilige Marktsondierung nützlich oder zweckmäßig sind75.
36 Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 bestimmt, seine Vorschriften über die Marktsondierung im Zusammenhang
mit beabsichtigten Übernahmeangeboten seien „unbeschadet des Art. 23 Abs. 3“ anzuwenden. Das ist vor allem im Hinblick auf Art. 23 Abs. 3 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 von Bedeutung, in dem es heißt, die Marktmissbrauchsverordnung lasse „Gesetze sowie Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die in Bezug auf
69 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 428, 430; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 113, 114. 70 Erwägungsgrund 35 Sätze 4 und 5 VO Nr. 596/2014 (Hervorhebung hinzugefügt): „Von Marktteilnehmern, die bei der Durchführung einer Marktsondierung diese Verordnung nicht einhalten, sollte nicht angenommen werden, dass sie Insiderinformationen unrechtmäßig offenlegt haben, sie können jedoch nicht in den Genuss der Ausnahme kommen, die denjenigen gewährt wird, die diese Bestimmungen eingehalten haben. Ob sie gegen das Verbot einer unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen verstoßen haben, sollte unter Berücksichtigung sämtlicher einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung untersucht werden, und alle offenlegenden Marktteilnehmer sollten verpflichtet sein, vor der Durchführung einer Marktsondierung ihre Beurteilung schriftlich niederzulegen, ob diese Marktsondierung die Offenlegung von Insiderinformationen einschließt.“ 71 Erwägungsgrund 5 Satz 2 DelVO 2016/960 v. 17.5.2016, ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 29 (Hervorhebung hinzugefügt): „In diesem Zusammenhang sollte nur insoweit davon ausgegangen werden, dass der offenlegende Marktteilnehmer im Zuge der normalen Ausübung seiner Arbeit oder seines Berufes oder der normalen Erfüllung seiner Aufgaben handelt, wie er alle in Artikel 11 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen einhält, was auch die Führung schriftlicher Aufzeichnungen einschließt.“ 72 Ablehnend auch Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 144 ff.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 135; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 93 ff. 73 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 34. 74 S. schon Rz. 7. Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 113; Singhof, ZBB/ JBB 2017, 193, 202; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 168. I.E. auch Tissen, NZG 2015, 1254, 1256. 75 So i.E. auch Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 168; Zetzsche, NZG 2015, 817, 820. Ebenso Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 97; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 76 a,E. Entsprechend empfiehlt die ESMA (ESMA, Final Report, Annex IV, S. 143 Rz. 87): „In relation to determining which information to disclose, ESMA is of the view that DMPs should determine what information will be disclosed to potential investors in the course of a sounding taking into account what is necessary and appropriate to disclose in order to gauge potential investors’ interest in a possible transaction and its pricing, size and structuring“.
300 | Assmann
2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktsondierungen | Rz. 38 Art. 11 VO Nr. 596/2014
Übernahmeangebote, Zusammenschlüsse und andere Transaktionen erlassen werden, die die Eigentumsverhältnisse oder die Kontrolle von Unternehmen betreffen und die durch die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates benannten Aufsichtsbehörden reguliert werden und zusätzlich zu den Anforderungen dieser Verordnung weitere Anforderungen auferlegen, unberührt“. Allerdings sind derzeit keine Regelungen erkennbar, die mit derjenigen über die Marktsondierung im Zuge vom Übernahmeangeboten kollidieren könnten oder diesbezüglich über die Vorschriften in Art. 11 VO Nr. 596/2014 hinausgingen. Nach Art. 2 Abs. 36 lit. b des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Pro- 36a spektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 8a) würde der bisherige Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 entfallen und durch Bestimmungen ersetzt, die weitgehend der bisher in Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 enthaltenen, nunmehr aber modifizierten Regelung entspricht. Diesbezügliche Hinweise zum Verordnungsvorschlag finden sich deshalb bei den Erläuterungen zu Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 (Rz. 48a), der zukünftig entfiele. Als Grund für die Änderung führt der Verordnungsvorschlag an, dadurch solle eine – von Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 ausgehende – (Fehl-)Interpretation der Safe Harbour-Regelung des Art. 11 VO Nr. 596/ 2014 vermieden werden, nach der eine Offenlegung von Insiderinformationen bei Marktsondierung nur rechtmäßig sei, wenn alle Voraussetzungen des bisherigen Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt seien. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung werde deutlich, dass das Marktsondierungsregelung und die von ihr aufgestellten Voraussetzungen für die rechtmäßige Offenlegung von Informationen nur eine Möglichkeit für offenlegende Marktteilnehmer darstellt, um sicherzustellen, dass Informationen zum Zwecke der Marktsondierung ohne Verstoß gegen das Offenlegungsverbot des Art. 10 VO 596/2014 weitergegeben werden können76. bb) Marktsondierung bei beabsichtigtem Übernahmeangebot i.S.v. Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 Anders verhält es sich mit einer Marktsondierung bei beabsichtigtem Übernahmeangebot i.S.v. Art. 11 Abs. 2 37 VO Nr. 596/2014. Auch diese ist nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nur rechtmäßig, wenn der offenlegende Marktteilnehmer die Verpflichtungen nach Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt. Zwar wird Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 in Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nicht erwähnt, doch bestimmt Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich, dass auch die Offenlegung nach dieser Vorschrift eine Marktsondierung darstellt (Rz. 24). Darüber hinaus ist eine Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf beabsichtigte Übernahmeangebote jedoch nur rechtmäßig, wenn beide der in Art. 11 Abs. 2 lit. a und b VO Nr. 596/2014 aufgeführten Erforderlichkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Die erste diesbezügliche Voraussetzung – nach Art. 11 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 – für die Rechtmäßig- 38 keit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge von Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 besteht darin, dass die Offenlegung erforderlich sein muss, um es den potenziellen Adressaten des Übernahmeangebots – d.h. Personen, die bereits über Anteile der Zielgesellschaft verfügen oder Anspruch auf die im Rahmen des Übernahmeangebots anzudienenden Anteile haben – zu ermöglichen, sich über ihre Bereitschaft, ihre Unternehmensanteile anzubieten, eine Meinung zu bilden. Erforderlich ist eine Offenlegung zu diesem Zweck nach der Auslegung dieses Merkmals in der auch hier maßgeblichen (s. Rz. 7) Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.200577, wenn sie für die Meinungsbildung des Empfängers im vorstehenden Sinne unerlässlich ist78. Dabei sind als unerlässlich solche Informationen 76 Verordnungsvorschlag (Rz. 8a), Erwägungsgrund 56, S. 50: „In order to avoid an interpretation whereby disclosing market participants carrying out market sounding are obliged to comply with all the requirements set out in Article 11(5) of Regulation (EU) No 596/2014, it should be specified that the market sounding regime and the related requirements are a mere option for the disclosing market participants to benefit from the protection from the allegation of unlawful disclosure of inside information. At the same time, while there should be no presumption that disclosing market participants that do not comply with the requirements set out in Article 11 of Regulation (EU) No 596/2014 when conducting a market sounding have unlawfully disclosed inside information, those disclosing market participants should not be able to take advantage of the protection afforded to those that choose to comply with those requirements.“ 77 EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 34. Für die Maßgeblichkeit dieser Entscheidung auch Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 78. 78 Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 269; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 78; Poelzig, NZG 2016, 528, 535; Veil, ZBB/ JBB 2014, 85, 92. Die Übertragung des Maßstabs der Erforderlichkeit nach der Grøngaard und Bang-Entscheidung ablehnend: Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 71: „Erforderlichkeit im engeren Sinn (ohne die Information kann die Entscheidung nicht getroffen werden) kann damit nicht gemeint sein. Vielmehr muss es ausreichen, wenn die Information aus Ex-ante-Sichtweise des offenlegenden Marktteilnehmers die Entscheidungsfindung der
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 38 | Marktsondierungen anzusehen, die ein Anleger wie der mit der Marktsondierung Angesprochene – d.h. nicht der durchschnittliche, sondern gerade der Anleger, um dessen potenzielle Andienung von Anteilen und diesbezügliche Meinungsbildung es geht – eher als nicht bei seiner Meinungsbildung berücksichtigen wird, denn es geht um Unerlässlichkeit im Hinblick auf dessen Mitwirkung im potenziellen Übernahmeangebot. Nach der die Übernahme der Grøngaard und Bang-Rechtsprechung ablehnenden Ansicht79 soll Erforderlichkeit bedeuten, „dass die Offenlegung für die Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet sein muss und es gleichzeitig kein ebenso geeignetes, aber in seinen Folgen milderes Mittel für die Zweckerreichung geben darf“80. In der Sache mag das der sachangemessene Maßstab sein und entspricht der vom Verfasser vor der Grøngaard und BangEntscheidung vertretenen Ansicht81, doch wird dabei die Wahrscheinlichkeit unterschätzt, dass sich die Effet-utile-Auslegung europäischen Insiderrechts (Einl. Rz. 30 f.) im Interesse der größtmöglichen Geringhaltung von Insidern durch den EuGH auch auf das „privilegierende Instrument der Markterkundung“ (Rz. 3) erstrecken wird. Deshalb tut die Praxis gut daran, sich an den Grøngaard und Bang-Maßstab für die Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen einer Marktsondierung nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zu halten. Die Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber Personen, die nicht als Adressaten eines Übernahmeangebots in Frage kommen, sondern als Mitbieter gewonnen werden sollen, ist durch Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht erfasst82. Allerdings ist die Weitergabe der Insiderinformationen über ein geplantes Übernahmeangebot an solche Personen regelmäßig als rechtmäßig i.S.v. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 anzusehen83. Das gilt auch dann, wenn der Bieter ein Übernahmeangebot selbst für den Fall abzugeben erwägt oder entschlossen ist, dass ein Mitbieter nicht gefunden werden kann. Soweit der Bieter seinen Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots von der Beteiligung von Mitbietern abhängig macht, mag es bei der Weitergabe von Informationen über das geplante Übernahmeangebot schon an einer Insiderinformation mangeln. 39 Zusätzlich zum Erfordernis nach Art. 11 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 muss – nach Art. 11 Abs. 2 lit. b VO
Nr. 596/2014 – die Bereitschaft des Empfängers von Insiderinformationen (des „Dritten“) nach vernünftigem Ermessen erforderlich sein, damit der offenlegende Marktteilnehmer und Bieter das Angebot für die Übernahme oder den Unternehmenszusammenschluss abgibt. Die Erforderlichkeit ist auch hier im Sinne der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH zu bestimmen (s. Rz. 38; die in dieser zu findenden kritischen Anmerkungen gelten auch hier)84. Die Beantwortung der Frage, ob der potenzielle Bieter die Bereitschaft des Empfängers der Insiderinformationen nach vernünftigem Ermessen zur Voraussetzung für seine Entscheidung zur Abgabe des beabsichtigten Übernahmeangebots machen darf, ist eine objektiv zu beurteilende85. Dabei kommt es, unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls – darunter namentlich der Verhältnisse des potenziellen Bieters und seiner Bieterinteressen, der Anteilseignerstruktur der Zielgesellschaft sowie der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse – darauf an, ob es angesichts des Ermittelten wirtschaftlich vertretbar ist, die die Entscheidung zur Abgabe des beabsichtigten Übernahmeangebots von der Bereitschaft des Dritten zur Andienung seiner Anteile an der Zielgesellschaft abhängig zu machen. b) Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 596/2014
40 Die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung – gleich ob es sich um eine sol-
che nach Art. 11 Abs. 1 oder Abs. 2 VO Nr. 596/2014 handelt – ist nur rechtmäßig, wenn der offenlegende
79 80 81 82 83 84
85
Aktionäre der Zielgesellschaft unterstützen oder sonst befördern könnte“ (Hervorhebungen weggelassen); Köhler in FS Schwintowski, 2017, S. 314, 326; Krause, CCZ 2014, 248, 254; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 58 mit der mageren Begründung, für die Übernahme der Grøngaard und Bang-Rechtsprechung gebe es Anhaltspunkte weder im Wortlaut noch in den Erwägungsgründen; Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 202 f. Für eine differenzierte Übertragung der Grøngaard und Bang-Entscheidung auf die Marktmissbrauchsverordnung – Anwendbarkeit im Rahmen von Art. 10 VO Nr. 596/2014, jedoch nicht im Rahmen von Art. 11 VO Nr. 596/2014 – Fuhrmann, WM 2018, 645, 648. S. die Nachweise in der vorigen Fn. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 59. 4. Aufl. 2006, § 14 WpHG a.F. Rz. 74; 5. Aufl. 2009 – überrascht von der Grøngaard und Bang-Entscheidung, die als Rückschritt zu einer verfehlten und überwunden geglaubten alten Ansicht wahrgenommen wurde – § 14 WpHG a.F. Rz. 74. Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 788. Ausführlich Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 787 ff. A.A. zwangsläufig – s. Rz. 37 – Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 74 („Erforderlichkeit im engeren Sinn (der potenzielle Bieter kann seine Entscheidung nicht ohne Kenntnis der Position der Aktionäre der Zielgesellschaft treffen) ist auch hier nicht notwendig. Vielmehr sollte es auch ausreichen, wenn die Entscheidung des potenziellen Bieters durch die Kenntnis der Bereitschaft der Aktionäre der Zielgesellschaft, ihre Anteile anzubieten, unterstützt oder sonst befördert wird“ – Hervorhebungen weggelassen); Fuhrmann, WM 2018, 645, 648. Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 73; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 60.
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Marktsondierungen | Rz. 44 Art. 11 VO Nr. 596/2014
Marktteilnehmer (Rz. 9) u.a. die Verpflichtungen nach Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 und nach den diese konkretisierenden Bestimmungen der DelVO 2016/960 und der DurchfVO 2016/959 (Rz. 6) erfüllt. In Art. 11 Abs. 3 Satz 4 VO Nr. 596/2014 muss es – bislang nicht berichtigt – statt „Dieser Verpflichtung“ richtigerweise „Dieser Verpflichtung“ heißen. Nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 muss ein offenlegender Marktteilnehmer vor der Durchfüh- 41 rung einer Marktsondierung insbesondere berücksichtigen, ob die im Zuge der Marktsondierung zu übermittelnden Informationen die Offenlegung von Insiderinformationen umfassen (kurz: Berücksichtigungspflicht). Offenlegender Marktteilnehmer ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 32 VO Nr. 596/2014 eine natürliche oder juristische Person, die zu einer der Kategorien gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 sowie Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 gehört und im Zuge einer Marktsondierung Informationen offenlegt. Werden als offenlegende Marktteilnehmer mehrere Personen tätig, kann jede über unterschiedliche offenzulegende Insiderinformationen verfügen, weshalb – etwa bei einem Konsortium aus Banken als Zweitanbieter oder Dritte i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. b bzw. d VO Nr. 596/2014 – eine gemeinsame Beurteilung zur Erfüllung der Berücksichtigungspflicht erforderlich ist86. Sollte es hierbei zur wechselseitigen Offenlegung von Insiderinformationen kommen, so ist diese als gesetzlich geschuldet und damit unerlässlich anzusehen (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 24). Für den Fall, dass Zweifel über die Qualifizierung einer Information als Insiderinformation bestehen, ist mit der ESMA87 zu empfehlen, vom Vorliegen einer Insiderinformation auszugehen und davon auch im weiteren Verfahren und über dieses hinaus (bis zur öffentlichen Bekanntheit derselben) nicht abzuweichen. In der in Art. 11 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 formulierten Berücksichtigungspflicht wäre schwerlich ein 42 überprüfbares Rechtmäßigkeitserfordernis zu sehen, wäre der offenlegende Marktteilnehmer nach Art. 11 Abs. 3 Satz 2 VO Nr. 596/2014 nicht gleichzeitig verpflichtet, schriftliche Aufzeichnungen über seine Schlussfolgerung und über ihre Gründe anzufertigen (kurz: Aufzeichnungspflicht) und diese nach Art. 11 Abs. 3 Satz 3 VO Nr. 596/2014 der zuständigen Behörde auf deren Ersuchen hin vorzulegen (kurz: Vorlagepflicht nach Ersuchen der Aufsichtsbehörde). Auch wenn bei der Vorbereitung bis zum Beginn der Marktsondierung keine gegebenenfalls offenzulegenden Insiderinformationen vorliegen, empfiehlt es sich im Hinblick darauf, dass solche Insiderinformationen im Verlauf der Marktsondierung aufkommen können oder Informationen im Nachhinein als Insiderinformationen zu qualifizieren sind und damit die Inanspruchnahme der Marktsondierungsausnahme erforderlich werden kann, dies vor Beginn der Marktsondierung zu berücksichtigen und entsprechend aufzuzeichnen88. Die Berücksichtigungspflicht, die Aufzeichnungspflicht und die Vorlagepflicht nach Ersuchen der Aufsichts- 43 behörde im vorstehend (Rz. 41) dargelegten Sinne gilt nach Art. 11 Abs. 3 Satz 4 VO Nr. 596/2014 für jede nach Beginn der Marktsondierung erstmalige oder gegebenenfalls weitere, im Verlauf der Marktsondierung vorgenommene Offenlegung von Informationen (kurz: laufende Berücksichtigungs-, Aufzeichnungs- und die Vorlagepflicht). Art. 11 Abs. 3 Satz 5 VO Nr. 596/2014 verpflichtet den offenlegenden Marktteilnehmer (Rz. 41) darüber hinaus zur entsprechenden Aktualisierung seiner schriftlichen Aufzeichnungen (kurz: Aktualisierungspflicht). Diesem Erfordernis wird allerdings regelmäßig schon dadurch Genüge getan, dass der Verpflichtete im Falle jeder neueren Offenlegung auf den früheren Aufzeichnungen aufbaut und diese um die jeweils neu vorzunehmenden Aufzeichnungen, gegebenenfalls unter Bezugnahme auf die Früheren, ergänzt.
c) Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 Die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung – gleich ob 44 es sich um eine solche nach Art. 11 Abs. 1 oder Abs. 2 VO Nr. 596/2014 handelt – setzt des Weiteren voraus, dass der offenlegenden Marktteilnehmer (Rz. 9) vor der Offenlegung die Verpflichtungen nach Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 und nach den diese konkretisierenden Bestimmungen der DelVO 2016/960 und der DurchfVO 2016/959 (Rz. 6) erfüllt. Dabei handelt es sich zum einen um Verpflichtungen gegenüber der „Person ..., die die Marktsondierung erhält“ (Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014) und zum anderen um Aufzeichnungspflichten in Bezug auf die dieser Person übermittelten Informationen, einschließlich einer Pflicht, der zuständigen Behörde auf deren Ersuchen89 die Aufzeichnungen vorzulegen (Art. 11 86 Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 80; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 71; Singhof, ZBB/ JBB 2017, 193, 201; Zetzsche, AG 2016, 610, 614, „einheitliche Einschätzung“. Die Erfüllung der darauf aufbauenden Pflichten ist auf einen Konsortialführer delegierbar. 87 ESMA, Final Report, Annex IV, S. 142 Rz. 79 („... it should be prudent ... to classify the information as inside information and treat it as such“. 88 Auch Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 83. 89 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, VI.4.1 S. 95 (unter „Format und Dauer der Aufzeichnung“): „Eine unaufgeforderte Mitteilungspflicht besteht nicht“.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 44 | Marktsondierungen Abs. 5 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014). In Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 muss es – bislang nicht berichtigt – statt „auch verpflichtet ist“ richtigerweise „auch verpflichtet“ heißen. 45 Im Mittelpunkt der Verpflichtungen, die der offenlegenden Marktteilnehmer gegenüber der Person zu erfül-
len hat, die die Marktsondierung erhält, steht die sich aus Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/ 2014 ergebende Pflicht, deren Zustimmung zum Erhalt von Insiderinformationen. Das heißt, dass diese Person darüber zu informieren ist, dass es im Zuge der Marktsondierung dazu kommen kann, dass sie Insiderinformationen erhält und sie der Offenlegung solcher Informationen ihr gegenüber zustimmt. Mit dem Erhalt von Insiderinformationen steigen auch die Risiken des unrechtmäßigen Umgangs des Empfängers mit denselben, weshalb der rechtlich nicht zur Mitwirkung an einer Marktsondierung Verpflichtete nicht ohne seine Zustimmung in den Besitz von Insiderinformationen gelangen soll.
46 Die Weiteren der sich aus Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014 ergebenden Pflichten des
offenlegenden Marktteilnehmers sind Instruktionspflichten desselben gegenüber der Person, die die Marktsondierung erhält. Im Einzelnen muss er diese in Kenntnis setzen, dass – ihr die Nutzung und der Versuch der Nutzung der ihr mitgeteilten Insiderinformationen in Form des Erwerbs oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten, auf die sich diese Informationen beziehen, gleich ob direkt oder indirekt oder für eigene Rechnung oder für die Rechnung Dritter, untersagt sind (lit. b); – ihr die Nutzung und der Versuch der Nutzung in Form der Stornierung oder Änderung eines bereits erteilten Auftrags in Bezug auf ein Finanzinstrument, auf das sich diese Informationen beziehen, untersagt sind (lit. c), und – sie sich mit der Zustimmung, die Informationen zu erhalten, auch verpflichtet, die Vertraulichkeit der Informationen zu wahren (lit. d).
47 Schließlich unterliegt der offenlegenden Marktteilnehmer nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014
Pflichten zur Erstellung und Führung von Aufzeichnungen. Korrespondierend zu den auf der Berücksichtigungspflicht des Art. 11 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 41) aufbauenden Aufzeichnungspflichten nach Art. 11 Abs. 3 Sätze 1, 4 und 5 Art. 11 (Rz. 42 f.) muss der offenlegenden Marktteilnehmer Aufzeichnungen erstellen und führen zu – sämtlichen Informationen (d.h. nicht nur Insiderinformationen), die der Person, die die Marktsondierung erhält, übermittelt wurden (Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014), darunter – nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 auch die Informationen, die der Person, die die Marktsondierung erhält, gem. Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 übermittelt wurden, d.h. zur Information dieser Person, dass sie Insiderinformationen erhalten kann oder wird sowie deren Zustimmung hierzu nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 45) sowie die Informationen zur Instruktion dieser Personen nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014 (Rz. 46), und, – ebenfalls nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014, Informationen über die Identität der potenziellen Anleger, gegenüber denen die Informationen offengelegt wurden – das sind die die Marktsondierung erhaltenden Personen – einschließlich u.a. der juristischen und natürlichen Personen, die im Auftrag des potenziellen Anleger handeln, und des Datums und der Uhrzeit einer jeden Offenlegung.
48 Die vorgenannten Aufzeichnungen muss der offenlegende Marktteilnehmer nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 2
Satz 2 VO Nr. 596/2014 der zuständigen Behörde auf deren Ersuchen zur Verfügung stellen.
48a Wie bereits im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 in Rz. 36a aus-
geführt, sieht Art. 2 Abs. 36 lit. c des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EUProspektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 8a) vor, Art. 11 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 zu löschen und die bis dahin in dieser Bestimmung enthaltenen Regelungen – um weitere ergänzt – unter dem neuen Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 zu führen. Zur Begründung dieser Änderungen kann auf die Ausführungen in Rz. 36a verwiesen werden. Als neuen Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 sieht Art. 2 Abs. 36 lit. b des Verordnungsvorschlags (Rz. 8a) folgende Regelung vor: “4. A market participant may choose to comply with all of the following conditions: (a) having obtained the consent of the person receiving the market sounding to receive inside information; (b) having informed the person receiving the market sounding that he is prohibited from using that information, or attempting to use that information, by acquiring or disposing of, for his own account or for the account of a third party, directly or indirectly, financial instruments relating to that information;
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Marktsondierungen | Rz. 52 Art. 11 VO Nr. 596/2014
(c) having informed the person receiving the market sounding that he is prohibited from using that information, or attempting to use that information, by cancelling or amending an order which has already been placed concerning a financial instrument to which the information relates; (d) having informed the person receiving the market sounding that by agreeing to receive the information he is obliged to keep the information confidential; (e) having made and maintained a record of all information given to the person receiving the market sounding, including the information given in accordance with points (a) to (d), and the identity of the potential investors to whom the information has been disclosed, including but not limited to the legal and natural persons acting on behalf of the potential investor, and the date and time of each disclosure; (f) having provided that record to the competent authority upon request. In case of compliance with all those conditions, the market participant shall be deemed to have disclosed inside information made in the course of a market sounding in the normal exercise of a person’s employment, profession or duties for the purposes of Article 10 (1).” d) Ergänzung bzw. Konkretisierung der Rechtmäßigkeitsanforderungen nach Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 durch die DelVO 2016/960 und die DurchfVO 2016/959 In Ergänzung und Konkretisierung der vorstehend angeführten Pflichten eines offenlegenden Marktteilneh- 49 mers nach der Marktmissbrauchsverordnung, die erfüllt sein müssen, um die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung rechtmäßig zu machen, finden sich in der DelVO 2016/960 (Rz. 6) weitere zu den Rechtmäßigkeitserfordernissen zu rechnende Verhaltenspflichten, die ihrerseits wieder in der DurchfVO 2016/959 (Rz. 6) durch Festlegung technischer Durchführungsstandards konkretisiert werden. Die zahlreichen diesbezüglichen Anforderungen sind technisch und hinreichend präzis und verlangen weder eine Erläuterung im Einzelnen noch eine Wiederholung der nach dem Text von Art. 11 VO Nr. 596/2014 wiedergegebenen DelVO 2016/960 und DurchfVO 2016/95. Die nachfolgenden Erläuterungen beschränken sich deshalb weitgehend auf eine systematische und die vorstehend angeführten Verordnungen integrierte Auflistung der sich aus diesen ergebenden, Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 ergänzenden Verpflichtungen.
aa) Einrichtung, Überprüfung und Aktualisierung von Verfahren für die Zwecke der Durchführung von Marktsondierungen Die Rechtmäßigkeitserfordernisse nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 und namentlich Art. 11 Abs. 5 VO 50 Nr. 596/2014 werden durch die Vorschriften von Art. 1 und 2 DelVO 2016/960 über die Einrichtung, Überprüfung und Aktualisierung von Verfahren für die Zwecke der Durchführung von Marktsondierungen „zur Einhaltung von Artikel 11 Absätze 4, 5, 6 und 8“ VO Nr. 596/2014 – so Art. 1 DelVO 2016/960 – ergänzt. Von besonderer Bedeutung ist dabei die offenlegende Marktteilnehmer nach Art. 2 Abs. 1 bzw. Art. 1 DelVO 2016/960 treffende Pflicht, Verfahren einzurichten, mit denen die Modalitäten der Durchführung der Marktsondierungen genau bestimmt werden, und diese von ihnen eingeführten Regelungen und Verfahren regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/960 haben offenlegende Marktteilnehmer sicherzustellen, dass zu den 51 Verfahren nach Art. 1 und Art. 2 DelVO 2016/960 Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger so geführt werden, dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit während der Vorhaltezeit nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 gewährleistet sind. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sämtliche Aufzeichnungen sind nach Art. 1 DurchfVO 2016/959 in einem elektronischen Format zu führen. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sie sind nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 mindestens fünf Jahre aufzubewahren. bb) Pflichten in Bezug auf Personen, die erklärt haben, keine Marktsondierung erhalten zu wollen Die Aufzeichnungspflichten nach Art. 11 Abs. 3 Sätze 4 und 5 VO Nr. 596/2014 und nach Art. 11 Abs. 5 52 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 sowie die Pflicht nach Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zur Einholung der Bereitschaft einer jeden Person, die Marktsondierung erhält, Insiderinformationen übermittelt zu bekommen, ergänzend, verlangt – Art. 4 Abs. 2 Satz 1 DelVO 2016/960 die Erstellung einer Liste aller potenziellen Anleger, die ihnen mitgeteilt haben, dass sie entweder in Bezug auf alle potenziellen Geschäfte oder nur für bestimmte Arten von Geschäften keine Marktsondierungen erhalten möchten, und – Art. 4 Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/960, dass der offenlegende Marktteilnehmer bei den Personen, die den Erhalt von Insiderinformationen abgelehnt haben, solchen Personen für die Zwecke von Marktsondierungen auch keine Insiderinformationen übermittelt. Assmann | 305
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 52 | Marktsondierungen Die nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 DelVO 2016/960 verlangten Informationen sind nach Art. 3 Abs. 2 DurchfVO 2016/959 in einer einzigen Liste aufzuzeichnen. cc) Liste zu den Personen, die Marktsondierung erhalten 53 Die Aufzeichnungspflichten nach Art. 11 Abs. 3 Sätze 4 und 5 VO Nr. 596/2014 sowie namentlich nach
Art. 11 Abs. 5 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 ergänzend, verlangt Art. 4 Abs. 1 DelVO 2016/960 die Führung einer Liste zu den Personen, die die Marktsondierung erhalten. Sie muss Angaben enthalten erstens zu den Namen aller natürlichen und juristischen Personen, gegenüber denen im Verlauf der Marktsondierung Informationen offengelegt wurden, zweitens zum Datum und zur Uhrzeit einer jeden Informationsübermittlung, die im Verlauf oder nach der Marktsondierung stattgefunden hat, und drittens zu den für die Zwecke der Marktsondierung verwendeten Kontaktangaben der Personen, die die Marktsondierung erhalten. Nach Art. 3 Abs. 1 DurchfVO 2016/959 sind die nach Art. 4 Abs. 1 DelVO 2016/960 aufzuzeichnenden Informationen für jede Marktsondierung in einer separaten Liste aufzuzeichnen.
54 Nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/960 haben offenlegende Marktteilnehmer sicherzustellen, dass zu den
gem. Art. 4 DelVO 2016/960 erforderlichen Angaben zu Personen, die die Marktsondierung erhalten, Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger so geführt werden, dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit während der Vorhaltezeit nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 gewährleistet sind. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sämtliche Aufzeichnungen sind nach Art. 1 DurchfVO 2016/959 in einem elektronischen Format zu führen. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sie sind nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 mindestens fünf Jahre aufzubewahren. dd) Vorbereitung und Durchführung der Informationsübermittlung (1) Verfahren zum Austausch eines Standardsatzes von Informationen
55 Nach Art. 11 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist wesentliches Merkmal einer Marktsondierung die Übermittlung
von Informationen vor der Ankündigung eines Geschäfts. Werden in deren Zuge auch Insiderinformationen übermittelt, so ist dies nur dann rechtmäßig, wenn der offenlegende Marktteilnehmer vor deren Übermittlung die Pflichten aus Art. 11 Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt. Diese Pflichten zur Vorbereitung und Durchführung der Informationsübermittlung teils konkretisierend teils ergänzend, verlangen zum einen Art. 3 Abs. 1 DelVO 2016/960, dass offenlegende Marktteilnehmer über Verfahren verfügen, auf deren Grundlage während der Marktsondierungen mit den Personen, die die Marktsondierung erhalten, ein Standardsatz von Informationen ausgetauscht wird, wobei die Reihenfolge im Voraus festgelegt sein muss, und zum anderen Art. 3 Abs. 2 und 5 DelVO 2016/960, dass dieser Standardsatz für jede Marktsondierung vor deren Durchführung festgelegt und allen Personen, die Marktsondierung erhalten, gleichermaßen zur Verfügung gestellt wird. Wie dieser Standardsatz an Informationen auszusehen hat, regeln Art. 3 Abs. 3 und 4 DelVO 2016/960 und differenzieren hierbei danach, ob die die Marktsondierung nach Auffassung des offenlegenden Marktteilnehmers die Offenlegung von Insiderinformationen beinhalten wird (in diesem Fall richtet sich ihr Inhalt nach Art. 3 Abs. 3 lit. a–h DelVO 2016/960) oder nicht (in diesem Fall richtet sich ihr Inhalt nach Art. 3 Abs. 4 lit. a–f DelVO 2016/960).
56 Letzteres – d.h. die Erstellung eines Standardsatzes von Informationen nach Art. 3 Abs. 1 DelVO 2016/960
für den Fall, dass der offenlegenden Marktteilnehmer nicht mit der Offenlegung von Insiderinformationen rechnet – ist im Hinblick darauf von Bedeutung, dass der offenlegenden Marktteilnehmer im Zuge einer Marktsondierung Insiderinformationen erhalten kann, die er zum Zwecke des Erfolgs der Marktsondierung an denjenigen offenzulegen beabsichtigt, der die Marktsondierung erhält. Eine Weitergabe wäre in diesem Fall nur rechtmäßig, wenn zuvor die Vorschriften von Art. 11 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 und 5 VO Nr. 596/ 2014 und darüber hinaus auch diejenige von Art. 3 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 und insbesondere Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 eingehalten worden sind.
57 Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/960 haben offenlegende Marktteilnehmer sicherzustellen, dass zum
Standardsatz von Informationen, der gem. Art. 3 DelVO 2016/960 für jede Marktsondierung festgelegt wird, Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger so geführt werden, dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit während der Vorhaltezeit nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 gewährleistet sind. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sämtliche Aufzeichnungen sind nach Art. 1 DurchfVO 2016/959 in einem elektronischen Format zu führen. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sie sind nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 mindestens fünf Jahre aufzubewahren.
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Marktsondierungen | Rz. 63 Art. 11 VO Nr. 596/2014
(2) Übermittlung von Informationen – Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Im Hinblick auf die den Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insiderinformationen 58 im Zuge einer Marktsondierung zuzurechnenden Anforderungen an die Übermittlung von Insiderinformationen nach Art. 3 DelVO 2016/960 sind auch die Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 lit. d, Abs. 2–4 DelVO 2016/960 einerseits an die Aufzeichnung der für die Zwecke der Marktsondierung vorgenommenen Informationsübermittlungen zwischen dem offenlegenden Marktteilnehmer und allen Personen, die die Marktsondierung erhalten haben, und andererseits an die Aufbewahrung dieser Aufzeichnung zu stellenden Anforderungen zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Insiderinformationsweitergabe nach Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 zu zählen. Was hiernach aufzuzeichnen und aufzubewahren ist, ist Art. 6 Abs. 1 lit. e DelVO 2016/960 zu entnehmen. 59 Danach müssen offenlegende Marktteilnehmer sicherstellen, zu allen für die Zwecke der Marktsondierung vorgenommenen Informationsübermittlungen zwischen dem offenlegenden Marktteilnehmer und allen Personen, die die Marktsondierung erhalten haben, einschließlich aller Unterlagen, die der offenlegende Marktteilnehmer den Personen, die die Marktsondierung erhalten, bereitgestellt hat, Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger so geführt werden, dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit während der Vorhaltezeit gem. Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 gewährleistet sind. Die Aufbewahrungspflicht erstreckt Art. 6 Abs. 2 DelVO 2016/960 auf bestimmte, in lit. a–d der Vorschrift auf- 60 geführte Aufzeichnungs- und Mitteilungsmedien. Zu Einzelheiten ist auf die Vorschrift zu verweisen. Besondere Bestimmungen gelten dabei für den in Art. 6 Abs. 2 lit. e DelVO 2016/960 aufgeführten Fall der Übermittlung der für die Zwecke der Marktsondierung vorgenommenen Informationen im Rahmen nicht aufgezeichneter Zusammenkünfte oder Telefongespräche für die schriftlichen Protokolle oder Vermerke zu diesen Zusammenkünften oder Telefongesprächen. Im Zusammenhang mit Aufbewahrungspflichten werden in Abs. 6 Abs. 3 DelVO 2016/960 nähere inhaltlichen Anforderungen an diese Protokolle und Vermerke gestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten ist auch hier auf die Vorschrift zu verweisen. Nach Art. 2 DurchfVO 2016/959 erstellen offenlegende Marktteilnehmer erstellen die schriftlichen Protokolle oder Vermerke in einem elektronischen Format und verwenden dabei, wenn die Marktsondierung ihrer Auffassung nach die Offenlegung von Insiderinformationen einschließt, das Muster in Anhang I, oder, wenn die Marktsondierung ihrer Auffassung nach keine Offenlegung von Insiderinformationen einschließt, das Muster in Anhang II der DurchfVO 2016/959.
Sämtliche Aufzeichnungen sind nach Art. 1 DurchfVO 2016/959 in einem elektronischen Format zu füh- 61 ren. Die Aufzeichnungen sind gem. Art. 6 Abs. 4 DelVO 2016/960 der zuständigen Behörde auf Ersuchen vorzulegen. Sie sind nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 mindestens fünf Jahre aufzubewahren.
III. Weitere Anforderungen an eine Marktsondierung (Art. 11 Abs. 6–8 VO Nr. 596/2014) Art. 11 Abs. 6–8 VO Nr. 596/2014 sowie diese ergänzenden oder konkretisierenden Vorschriften der DelVO 62 2016/960 und der DurchfVO 2016/959 enthalten weitere Anforderungen an eine Marktsondierung. Diese sind jedoch mangels Erwähnung in Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nicht Bestandteil der Voraussetzungen, unter denen die Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung rechtmäßig ist (Rz. 38)90.
1. Informationspflicht bei Wegfall einer übermittelten Insiderinformation (Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) Wurden im Zuge einer Marktsondierung eine Insiderinformation offengelegt und verlieren diese „nach Ein- 63 schätzung des offenlegenden Marktteilnehmers ihre Eigenschaft als Insiderinformationen“, so hat dieser den Empfänger nach Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverzüglich darüber zu informieren (sog. Cleansing). Über solche Informationen hat der offenlegende Marktteilnehmer nach Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 und nach Art. 4 Abs. 2 DurchfVO 2016/959 entsprechend dem Muster in Anhang III zu dieser Verordnung Aufzeichnungen zu führen, die der zuständigen Behörde auf deren Ersuchen zur Verfügung zu stellen sind. Die Vorschrift ist nicht Teil der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Offenlegung von Insiderinformationen im Zuge einer Marktsondierung91 und unterliegt auch keiner verwaltungsrecht90 Ausdrücklich zu Art. 11 Abs. 6–8 VO Nr. 596/2014 auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 430. 91 Ebenso Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 430; Poelzig, NZG 2017, 528, 535; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 68; Singhof, ZBB/JBB 2017, 193, 204; Zetzsche, AG 2016, 610, 615; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 230.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 63 | Marktsondierungen lichen Sanktion92. Überwiegend dem Interesse desjenigen dienend, der die Marktsondierung erhält, ist ihr gleichwohl auch jede zivilrechtliche Bedeutung im Hinblick auf die Konkretisierung zivilrechtlicher Pflichten eines offenlegenden Marktteilnehmers abzusprechen93, da dem Verordnungsgeber sowie – für die Vorschriften in der DelVO 2016/960 und der DurchfVO 2016/959 – der Kommission hierfür jegliche Kompetenz fehlt. Derjenige, der die Marktsondierung erhält, ist an die „Einschätzung“ des offenlegenden Marktteilnehmers nicht gebunden, sondern muss nach Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 selbst die „Einschätzung“ vornehmen, ob sie im Besitz von Insiderinformationen ist und ob die Eigenschaft einer Information als Insiderinformation entfallen ist. 64 Da der offenlegende Marktteilnehmer nicht notwendigerweise der Emittent der Finanzinstrumente ist, die Ge-
genstand eines beabsichtigten Geschäfts und der Marktsondierung sind, trifft ihn eine eigenständige Pflicht, demjenigen, der Empfänger der Marktsondierung ist, mitzuteilen, dass ihm übermittelte Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben. Ob dies der Fall ist, überlässt Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 der „Einschätzung“ – ein insbesondere als Rechtsbegriff unbrauchbares Wort, das dem Gefasel der Journalisten von Nachrichtensendungen namentlich öffentlich-rechtlicher Sender hätte vorbehalten bleiben sollen und das im Recht nichts verloren hat – des offenlegenden Marktteilnehmers. An dessen diesbezügliches Urteil stellt die Vorschrift keine besonderen Anforderungen: Maßgeblich ist das Urteilsvermögen des jeweils betroffenen offenlegenden Marktteilnehmers. Weder ist Rechtsrat einzuholen noch sind Nachforschungen darüber anzustellen, ob übermittelte Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben94. Einer solchen „Einschätzung“ bedarf es nicht mehr, wenn die offengelegte Insiderinformation – und nicht nur ein Teil derselben – diese Eigenschaft durch Offenlegung im Wege der Veröffentlichung nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 verloren hat. In diesem Fall ist auch eine Mitteilung nach Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht erforderlich. Wird die Insiderinformation auf andere Weise öffentlich bekannt, besteht keine Gewähr, dass sie auch denjenigen erreicht, der die Marktsondierung erhält. Das könnte die ESMA vor Augen gehabt haben, wenn sie ausführt, die Informationspflicht des Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 entfalle nicht bereits deswegen, weil das (beabsichtigte) Geschäft, auf die sich die Marktsondierung bezog, öffentlich bekannt wurde95, wobei sie hierbei unausgesprochen vom beabsichtigten Geschäft als Insiderinformation ausgeht. Viel spricht dafür, dass die ESMA das auch für den Fall nicht anders sieht, dass das fragliche Geschäft durch Offenlegung nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 öffentlich bekannt wurde, weil kein Weg des öffentlichen Bekanntwerdens des sondierten Geschäfts – worauf die Behörde abstellt – eine Gewähr dafür geben kann96, dass nicht ein Teil des sondierten Geschäfts öffentlich unbekannt (geblieben) ist, und diese nur durch die Mitteilung des offenlegenden Marktteilnehmers zu erhalten ist. Das erscheint im Hinblick auf den Schutz der Interessen desjenigen, der die Marktsondierung erhält, allerdings paternalistischer als geboten.
65 Die Angaben, die der offenlegenden Marktteilnehmer nach Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu
übermitteln hat, sind in Art. 5 lit. a–e DelVO 2016/960 aufgeführt. Die Liste ist abschließend, d.h. die Mitteilung darf auch keine zusätzlichen Informationen enthalten. Eine Begründung dafür, weshalb eine Information die Eigenschaft als Insiderinformation verloren hat, ist nach dieser Liste nicht abzugeben und darf dementsprechend auch nicht abgegeben werden, was sich damit rechtfertigen lässt, dass eine solche Begründung leicht ihrerseits Insiderinformationen enthalten könnte97.
66 Die nach Art. 5 Delegierte Verordnung (EU) 2016/960 mitzuteilenden Angaben sowie die Informationen,
die zu der Einschätzung geführt haben, dass die während der Marktsondierung übermittelten Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben, sind nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DelVO 2016/960 aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen sind nach Art. 6 Abs. 1 (vor lit. a ff.) DelVO 2016/960 auf einem dauerhaften Datenträger so zu führen, so dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit während der Vorhaltezeit gem. Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 gewährleistet sind.
67 Nach Art. 4 Abs. 1 DurchfVO 2016/959 haben offenlegende Marktteilnehmer die Personen, die die Markt-
sondierungen erhalten haben, schriftlich darüber in Kenntnis zu setzen, dass die im Verlauf der Marktsondierung offengelegten Informationen ihre Eigenschaft als Insiderinformationen verloren haben. 92 93 94 95
Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 142. Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 144. Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 117. ESMA, Final Report, S. 28 f. Rz. 86 (Hervorhebung hinzugefügt]: „ESMA does not consider it appropriate to presume that the DMP [disclosing market participant – offenlegende Marktteilnehmer] has complied with its obligation under Article 11(6) of MAR only because the transaction the receivers were sounded about has been made public. Depending on the characteristic of the transaction and the information disclosed, the information disclosed during the market sounding may still be, at least partially, inside information.“ 96 S. den zweiten Satz der in der vorigen Fußnote widergegebenen Ausführungen der ESMA. 97 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 122.
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Marktsondierungen | Rz. 70a Art. 11 VO Nr. 596/2014
Im Zusammenhang mit den Änderungen, die der Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Ände- 67a rung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 8a) in Bezug auf Art. 11 Abs. 4 und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 vorsieht (s. Rz. 36a bzw. Rz. 48a), wird auch eine Änderung des Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 596/ 2014 vorgeschlagen. Über eine redaktionelle Anpassung hinaus wird die Vorschrift in Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nur durch den Hinweis im neuen Satz 2 ergänzt, dass der Empfänger der im Zuge einer Marktsondierung offengelegten Information nicht über den Wegfall von deren Eigenschaft, Insiderinformation zu sein, in Kenntnis gesetzt werden muss, wenn die Information anderweit öffentlich bekannt gegeben wurde98.
2. Eigenverantwortlichkeit des Empfängers einer Marktsondierung bei der Beurteilung einer Information als Insiderinformation (Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 3 Abs. 3 lit. h DelVO 2016/960 muss der offenlegende Marktteilnehmer der die Marktsondierung 68 erhaltenden Person offenlegen, welche Informationen von ihm als Insiderinformationen betrachtet werden, sofern er die nach Art. 3 Abs. 3 lit. g DelVO 2016/960 ersuchte Zustimmung dieser Person zum Erhalt von Insiderinformationen erlangt hat. Das ändert aber nichts daran, dass die Person, die die Marktsondierung erhält, nach Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 selbst die „Einschätzung“ vorzunehmen hat, „ob sie im Besitz von Insiderinformationen ist und wenn sie nicht mehr im Besitz von Insiderinformationen ist“. Auch wenn der offenlegende Marktteilnehmer ihr nach Art. 11 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 mitzuteilen hat, dass eine Information ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren hat, liegt die Verantwortung im Hinblick auf Verstöße gegen die in Art. 14 VO Nr. 596/2014 bezeichneten Insiderhandelsverbote bei demjenigen, der die Marktsondierung und die in deren Zuge weitergegebenen Insiderinformationen erhält99. Dabei ist in der Regel die Information, eine Marktsondierung zu einem bestimmten, noch nicht angekündigten Geschäft in Finanzinstrumenten zu erhalten, diejenige Information, die naheliegendste. Es ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls, ob diese Person der „Einschätzung“ des offenlegenden Markt- 69 teilnehmers folgen und sich bei einem objektiven Verstoß gegen eines der Insiderhandelsverbote auf fehlenden Vorsatz berufen kann. Das ist jedenfalls durch Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 nicht ausgeschlossen, zumal dieser von demjenigen, der die Marktsondierung erhält, nicht mehr als eine „Einschätzung“ verlangt, was allerdings seinerseits im Hinblick auf die an die Beurteilung der Tatbestandsmerkmale einer Insiderinformation keine Abkehr von den diesbezüglichen Anforderungen an den Anleger rechtfertigt. Ein gewisse Indizwirkung100 kommt der „Einschätzung des offenlegenden Marktteilnehmers“ in der Weise zu, als die Marktsondierung erhaltende Person sich nach der Prüfung der Plausibilität dieser „Einschätzung“ und mangels anderweitiger Anhaltspunkte rechtlicher oder informationeller Art auf diese verlassen kann. Dafür spricht, dass der Marktsondierende regelmäßig informationell am nächsten an der Beurteilung einer Information als Insiderinformation ist. Sollte die Person, die die Marktsondierung erhält, zu der vom offenlegenden Marktteilnehmer abweichenden Auffassung gelangen, dass es sich bei einer Information um eine Insiderinformation handelt oder nicht, so besteht keine Verpflichtung, dies dem offenlegenden Marktteilnehmer mitzuteilen101. Sie ist daran aber auch nicht gehindert, solange mit einer solchen Mitteilung nicht Insiderinformationen offengelegt werden, die ihrerseits dem offenlegenden Marktteilnehmer nicht bekannt waren102.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Offenlegung im Rahmen einer Marktsondierung ist die Vor- 70 schrift – wie sich aus Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 folgern lässt, in dem sie nicht als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung erwähnt ist – ohne Bedeutung. Im Zusammenhang mit den Änderungen, die der Kommissionsvorschlag einer Verordnung u.a. zur Ände- 70a rung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 8a) in Bezug auf Art. 11 Abs. 4–6 VO Nr. 596/2014 vorsieht (s. Rz. 36a, Rz. 48a und Rz. 67a), ist auch eine Änderung von Art. 11 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 vorgeschlagen. Aus dieser ergibt sich, dass eine Person, die die Marktsondierung erhält, ihrerseits nunmehr nur noch „einschätzen“ muss, ob sie im Besitz von Insiderinformationen ist.
98 Die gem. Art. 2 Abs. 26 lit. d des Verordnungsvorschlags (Rz. 8a) hinzugefügte Vorschrift lautet: „This obligation shall not apply in cases where the information has been announced publicly otherwise.“ 99 Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 137; Fuhrmann, WM 2018, 645, 650; Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 121; Tissen, NZG 2015, 1254, 1257. 100 Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 121; Zetzsche, AG 2016, 610, 618. 101 Auch Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 125; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 116. 102 Fuhrmann, WM 2018, 645, 650.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 71 | Marktsondierungen
3. Aufbewahrungsfrist (Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) 71 Nach Art. 11 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 sind die Aufzeichnungen „gemäß diesem Artikel“ von dem offenlegen-
den Marktteilnehmer mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren. Gemeint sind nur die Aufzeichnungen, die nach Art. 11 VO Nr. 596/2014 vorgenommen werden müssen. Zu den nach Aufzeichnungen „gemäß diesem Artikel“ gehören aber auch diejenigen, die nach den diesen Artikel ergänzenden und konkretisierenden Verordnungen, der DelVO 2016/960 und der DurchfVO 2016/959, vorzunehmen sind103.
IV. Ermächtigungen (Art. 11 Abs. 9 und 10 VO Nr. 596/2014) 72 Zu durchgehenden Harmonisierung von Art. 11 VO Nr. 596/2014 im Wege von dessen Ergänzung und Kon-
kretisierung enthalten Art. 11 Abs. 9 und 10 VO Nr. 596/2014 verschiedene Ermächtigungen der ESMA und der Kommission zum Tätigwerden auf den sog. Level 2 und Level 3 des Rechtssetzungsverfahrens in der Europäischen Union.
73 Aus der Ermächtigung in Art. 11 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 – d.h. einerseits der Ermächtigung der ESMA in
Art. 11 Abs. 9 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zur Ausarbeitung von Entwürfen technischer Regulierungsstandards zum Zwecke der Festlegung angemessener Regelungen, Verfahren und Aufzeichnungsanforderungen, mittels derer Personen die Anforderungen von Art. 11 Abs. 4, 5, 6 und 8 VO Nr. 596/2014 einhalten können, und andererseits der in Art. 11 Abs. 9 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Ermächtigung der Kommission, technischen Regulierungsstandards nach Maßgabe von Art. 10–14 der VO Nr. 1095/2010 (Rz. 6) zu erlassen – ist die DelVO 2016/960 hervorgegangen. Sie ist im Anschluss an den Text von Art. 11 VO Nr. 596/2014 wiedergegeben.
74 Entsprechende Ermächtigungen in Art. 11 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 – zur Ausarbeitung bzw. zum Erlass
technischer Durchführungsstandards, in denen festgelegt wird, welche Systeme und Mitteilungsmuster zur Einhaltung der Vorschriften von Art. 11 Abs. 4, 5, 6 und 8 VO Nr. 596/2014 zu nutzen sind, insbesondere das genaue Format der Aufzeichnungen nach Art. 11 Abs. 4–8 VO Nr. 596/2014 und die technischen Mittel für eine angemessene Übermittlung der Informationen gem. Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 an die Person, die die Marktsondierung erhält – haben zur DurchfVO 2016/959 geführt, die im Anschluss an den Text von Art. 11 VO Nr. 596/2014 und den Text der DelVO 2016/960 wiedergegeben ist.
V. ESMA-Leitlinien für Personen, die Marktsondierung erhalten 75 Art. 11 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 enthält eine Aufforderung und Ermächtigung der ESMA, für Personen,
die eine Marktsondierung erhalten, gem. Art. 16 VO Nr. 1095/2010 (Rz. 6) Leitlinien zu den in Art. 11 Abs. 11 lit. a-c VO Nr. 596/2014 genannten Themen herauszugeben. Diese hat die ESMA in Gestalt der „MAR-Leitlinien – Personen, die Marktsondierung erhalten“ am 10.11.2016104 vorgelegt. Mit Schreiben vom 8.12.2016105 hat die BaFin der ESMA – entsprechend ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nach Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 VO Nr. 1095/2010 (Rz. 6) – mitgeteilt, diesen Leitlinien nachzukommen. Das bedeutet, dass die BaFin im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis diese Leitlinien heranziehen wird, um zu beurteilen, ob die Insiderhandelsverbote, insbesondere das insiderrechtliche Weitergabeverbot, beachtet worden sind. Dritte, namentlich die Personen, die Marktsondierungen erhalten, sind nicht verpflichtet, mitzuteilen, ob sie diesen Leitlinien nachkommen106. Die Leitlinien sind, was ihre Einordnung in die Rechtsquellen angeht, auch dadurch nicht mehr als die Verwaltung bindende107, aber für die Gerichte unverbindliche Regeln108. 103 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 125. 104 ESMA, MAR-Leitlinien – Personen, die Marktsondierung erhalten“, 10.11.2016, ESMA/2016/1477 DE. 105 Dazu die Information der BaFin „Schreiben der BaFin zur Anwendung der ‚MAR Leitlinien Personen, die Marktsondierungen erhalten‘ von ESMA ... GZ: WA 27-Wp 2001-2016/0056“, abrufbar unter https://www.bafin.de/Sha redDocs/Veroeffentlichungen/DE/Anlage/161208_MAR_Leitlinien_Leitlinien_Personen_Marktsondierungen.html. 106 ESMA, MAR-Leitlinien – Personen, die Marktsondierung erhalten“, 10.11.2016, S. 5 Rz. 8. 107 Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 1095/2010 (Rz. 6) lautet: „Um innerhalb des ESFS kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken zu schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, gibt die Behörde Leitlinien und Empfehlungen für die zuständigen Behörden und die Finanzmarktteilnehmer heraus.“ 108 Klöhn in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 145; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bankund Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 70; Zetzsche, AG 2016, 610, 615. Näher zu Leitlinien als Rechtquelle Frank, Die Rechtswirkungen der Leitlinien und Empfehlungen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, 2012.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktsondierungen | Rz. 77 Art. 11 VO Nr. 596/2014
Die Leitlinien haben keine unmittelbare Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der Offenlegung von Insider- 76 informationen im Zuge von Marktsondierungen, sind aber geeignet, das Vertrauen und die Bereitschaft zur Mitwirkung einer Marktsondierung derer zu fördern, die Marktsondierungen erhalten. Ihre wesentliche Bedeutung dürfte vielmehr darin liegen, durch die Erfüllung behördlich aufgestellter Anforderungen an Compliance-Maßnahmen derjenigen, die Marktsondierung erhalten im Hinblick auf den Erhalt von Insiderinformationen und im Umgang mit erlangten Insiderinformationen, das Risiko der Vornahme eines verbotenen Insidergeschäfts oder einer verbotenen Offenlegung i.S.v. Art. 14 VO Nr. 596/2014 sowie einen damit verbundenen Vorwurf eines Verstoßes gegen das Verbot der Marktmanipulation nach Art. 15 und 12 VO Nr. 596/2014 zu mindern: Kommt es zu einem solchen, kann bei Einhaltung der Leitlinien der Kausalitäts-Vermutung entgegengewirkt werden, nach der die Person, die im Besitz von Insiderinformationen ist und für eigene Rechnung oder für Rechnung Dritter, sei es unmittelbar oder mittelbar, Geschäfte in Bezug auf Finanzinstrumente tätigt, auf die sich die Insiderinformationen beziehen, diese Information verbotswidrig genutzt hat (s. Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 33). Den Leitlinien lässt sich entnehmen, dass ihre Adressaten die Personen – natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengemeinschaften – sind, die als Anleger für Geschäfte i.S.v. Art. 11 Abs. 1 oder nach Art. 11 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 als Dritte, die Anspruch auf die Anteile des Unternehmens haben, in Betracht kommen und als solche Marktsondierungen erhalten. Mitarbeiter der Marktsondierungen erhaltenden Personen sind von diesen nur insoweit betroffen, als sie diese umzusetzen haben109. Die von der ESMA vorgelegten „MAR-Leitlinien – Personen, die Marktsondierung erhalten“ lauten in ih- 77 rem wesentlichen – inhaltlichen – Teil 5 wie folgt: „5 Leitlinien für Personen, die Marktsondierungen erhalten 1. Interne Verfahren und Schulung der Mitarbeiter 9. Personen, die Marktsondierungen erhalten (MSR), sollten interne Verfahren schaffen, umsetzen und unterhalten, die für den Umfang, die Größe und die Art ihrer Geschäftstätigkeit angemessen und verhältnismäßig sind, um: a. sicherzustellen, dass dem offenlegenden Marktteilnehmer die Person oder die Kontaktstelle, die die Marktsondierungen erhält, mitgeteilt wird, wenn die MSR eine diesbezügliche Person oder Kontaktstelle benennt; b. zu gewährleisten, dass die im Verlauf der Marktsondierung erhaltenen Informationen nur über zuvor festgelegte Berichtswege und strikt nach dem Prinzip der erforderlichen Kenntnisnahme intern kommuniziert werden; c. zu gewährleisten, dass die Person(en), die Funktion oder das Organ, die mit der Beurteilung betraut sind, ob die MSR infolge der Marktsondierung über Insiderinformationen verfügt, genau festgelegt sind und zu diesem Zweck ordnungsgemäß geschult wurden; d. den Fluss von Insiderinformationen, von denen die MSR und ihre Mitarbeiter infolge der Marktsondierung Kenntnis erlangen, zu verwalten und zu überwachen, damit die MSR und ihre Mitarbeiter den Anforderungen der Artikel 8 und 10 der MAR nachkommen. 10. Die MSR sollte sicherstellen, dass die Mitarbeiter, welche die im Verlauf der Marktsondierung übermittelten Informationen erhalten und bearbeiten, hinsichtlich der betreffenden internen Verfahren und der Verbote nach den Artikeln 8 und 10 der MAR, die sich aus dem Besitz von Insiderinformation ergeben, ordnungsgemäß geschult werden. Die Schulung sollte für den Umfang, die Größe und die Art der Geschäftstätigkeit der MSR angemessen und verhältnismäßig sein. 2. Mitteilung des Wunsches, keine Marktsondierungen zu erhalten 11. Wenn die MSR von einem offenlegenden Marktteilnehmer kontaktiert wird, sollte sie den Wunsch äußern können, ob sie in Bezug auf alle potenziellen Geschäfte oder für bestimmte Arten von potenziellen Geschäften zukünftig keine Marktsondierungen erhalten möchte. 3. Einschätzung der MSR, ob sie infolge der Marktsondierung im Besitz von Insiderinformationen ist und wenn sie nicht mehr im Besitz von Insiderinformationen ist 12. Personen, die Marktsondierungen erhalten, sollten eine unabhängige Einschätzung vornehmen, ob sie infolge der Marktsondierung im Besitz von Insiderinformationen sind. Hierbei sollten sie als relevante Faktoren die Beurteilung des offenlegenden Marktteilnehmers sowie alle Informationen berücksichtigen, die der oder den Person(en), der Funktion oder dem Organ zur Verfügung stehen, die im Umfeld der MSR mit dieser Einschätzung betraut sind, einschließlich Informationen, die von anderen 109 Meyer in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 8 Rz. 116. A.A. Zetzsche, NZG 2015, 817, 827.
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Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 77 | Marktsondierungen Quellen als dem offenlegenden Marktteilnehmer stammen. Bei dieser Einschätzung sollte von der oder den Person(en), der Funktion oder dem Organ kein Zugang zu Informationen hinter etwaigen von der MSR eingerichteten Informationsbarrieren verlangt werden. 13. Im Anschluss an die Mitteilung des offenlegenden Marktteilnehmers, dass die im Verlauf der Marktsondierung offengelegten Informationen keine Insiderinformationen mehr sind, sollten die Personen, die die Marktsondierung erhalten, eine unabhängige Einschätzung vornehmen, ob sie weiterhin im Besitz von Insiderinformationen sind. Hierbei sollten sie die Beurteilung des offenlegenden Marktteilnehmers sowie alle Informationen berücksichtigen, die der oder den Person(en), der Funktion oder dem Organ zur Verfügung stehen, die im Umfeld der MSR mit dieser Einschätzung betraut sind, einschließlich Informationen, die von anderen Quellen als dem offenlegenden Marktteilnehmer stammen. Bei dieser Einschätzung sollte von der oder den Person(en), der Funktion oder dem Organ kein Zugang zu Informationen hinter etwaigen von der MSR eingerichteten Informationsbarrieren verlangt werden. 4. Bewertung verbundener Finanzinstrumente 14. Wenn die Person, die die Marktsondierung erhält, zu der Einschätzung gelangt ist, dass sie infolge einer Marktsondierung über Insiderinformationen verfügt, sollte sie zur Einhaltung von Art. 8 der MAR alle Emittenten und Finanzinstrumente ermitteln, auf die sich die Insiderinformationen ihrer Meinung nach beziehen. 5. Schriftliche Protokolle oder Vermerke 15. Wenn der offenlegende Marktteilnehmer im Einklang mit Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe d der Technischen Regulierungsstandards für Marktsondierungen schriftliche Protokolle oder Vermerke zu nicht aufgezeichneten Zusammenkünften oder nicht aufgezeichneten Telefongesprächen erstellt hat, sollte die Person, die die Marktsondierung erhalten hat, binnen fünf Arbeitstagen nach Empfang: a. diese Protokolle oder Vermerke unterzeichnen, wenn sie mit deren Inhalt einverstanden ist, oder b. dem offenlegenden Marktteilnehmer eine eigene ordnungsgemäß unterzeichnete Fassung dieser Protokolle oder Vermerke bereitstellen, wenn sie mit deren Inhalt nicht einverstanden ist. 6. Aufzeichnungsanforderungen 16. Personen, die die Marktsondierung erhalten, sollten Aufzeichnungen auf einem dauerhaften Datenträger führen, so dass deren Zugänglichkeit und Lesbarkeit für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren gewährleistet sind. Dies gilt in Bezug auf: a. die internen Verfahren gemäß Absatz 1; b. die Mitteilungen gemäß Absatz 2; c. die Einschätzungen gemäß Absatz 3 und die Gründe dafür; d. die Bewertung der verbundenen Instrumente gemäß Absatz 4; e. die Personen, die für sie auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig Aufgaben wahrnehmen, durch die sie Zugang zu den im Verlauf der Marktsondierungen übermittelten Informationen haben, für jede Marktsondierung in chronologischer Reihenfolge aufgeführt.“
Vorbemerkungen zu Art. 12, 13, 15 und 16 VO Nr. 596/2014 Schrifttum: Vor 2014: Altenhain, Die Neuregelung der Marktpreismanipulation durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, BB 2002, 1874; Barnert, Deliktischer Schadensersatz bei Kursmanipulation de lege lata und de lege ferenda, WM 2002, 1473; Baums, Anlegerschutz und Neuer Markt, ZHR 166 (2002), 375; Benner, Konsequenzen der Zentralisierungsbestrebungen der Wertpapiermarktaufsicht, ZRP 2001, 450; Bernsmann, Kursmanipulation durch Unterlassen?, in FS Christian Richter II, 2006, S. 51; Bingel, Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen, 2007; Bisson/Kunz, Die Kurs- und Marktpreismanipulation nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.10.2003 und der Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation vom 1.3.2005, BKR 2005, 186; Bosch/Groß, Das Emissionsgeschäft, 1997; Bosch, Refreshing the Shoe, in FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 211; Bueren, Kopplung und Kursstabilisierung bei Neuemissionen zwischen Kapitalmarktund Kartellrecht, WM 2013, 585; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Claussen/Florian, Der Emittentenleitfaden, AG 2005, 745; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Dreyling, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Überregulierung oder Notwendigkeit?, Die Bank 2002, 16; Eichelberger, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigen Recht, WM 2002, 317; Eichelberger, Scalping – ein Insiderdelikt?, WM 2003, 2121; Eichelberger, Zur Verfassungsmäßigkeit von § 20a WpHG, ZBB 2004, 296; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a
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Vorbemerkungen | Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 WpHG), 2006; Ekkenga, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigen Recht, WM 2002, 317; Ekkenga, Fragen der deliktischen Haftungsbegründung bei Kursmanipulationen und Insidergeschäften, ZIP 2004, 781; Escher-Weingart/Kübler, Erwerb eigener Aktien, ZHR 162 (1998), 537; Fenchel, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – ein Überblick, DStR 2002, 1355; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten F für den 64. 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März 2005 und der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 2012; Lüthy/Schären, Neuerungen im Kapitalmarktstrafrecht, AJP 2012, 499; Maier-Reimer/Webering, Ad hoc-Publizität und Schadensersatzhaftung, WM 2002, 1857; Maile, Der Straftatbestand der Kurs- und Marktpreismanipulation nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2006; Meißner, Die Stabilisierung und Pflege von Aktienkursen im Kapitalmarkt- und Aktienrecht, 2004; Meyer, Neue Entwicklungen bei der Kursstabilisierung, AG 2004, 289; Möller, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Der Regierungsentwurf –, WM 2001, 2405; Möller, Die Neuregelung des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2002, 309; Möllers/Hailer, Systembrüche bei der Anwendung strafrechtlicher Grundprinzipien auf das kapitalmarktrechtliche Marktmanipulationsverbot, in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 831; Möllers/Leisch, Urteilsanmerkung zu OLG München, Urt. v. 1.10.2002 – Az. 30 U 855/ 01 – Haftung für falsche Ad-hoc-Mitteilung – Infomatec II, ZIP 2002, 1995; Moosmayer, Straf- und bußgeldrechtliche Regelungen im Entwurf eines Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, wistra 2002, 161; Nußbaum, Kursschnitt und Kursregulierung beim Selbsteintritt, JW 1914, 15; Oechsler, Das Verbot der Marktmanipulation durch Aktienrückkauf im Licht der neueren Kritik an der klassischen Kapitalmarkttheorie, in GS Manfred Wolf, 2011, S. 291; Otto, Strafrechtliche Aspekte der Anlageberatung, WM 1988, 729; Otto, Neue und erneut aktuelle Formen betrügerischer Anlageberatung und ihre strafrechtliche Ahndung, in FS Pfeiffer, 1988, S. 69; Otto, Die strafrechtliche Bekämpfung unseriöser Geschäftstätigkeit, 1990; Pabst, Rechtliche Risiken bei Konzeption und Vertrieb von Kapitalanlagen, 1988; Papachristou, Die strafrechtliche Behandlung von Börsen- und Marktpreismanipulationen, 2006; Park, Börsenstrafrechtliche Risiken für Vorstandsmitglieder von börsennotierten Aktiengesellschaften, BB 2001, 2069; Park, Kapitalmarktstrafrechtliche Neuerungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, BB 2003, 1513; Park, Einige verfassungsrechtliche Ge-
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Vorbemerkungen | Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 und Quote Matching – Verbotene Handelspraktiken nach der Marktmissbrauchsverordnung?, WM 2018, 1295; Becker/Rodde, Auswirkungen europäischer Rechtsakte auf das Kapitalmarktsanktionsrecht – Neuerungen durch das Finanzmarktnovellierungsgesetz, ZBB 2016, 11; Bergmann/Vogt, Lücken im Kapitalmarktstrafrecht – sind seit dem 1. FiMaNoG alle Altfälle straflos?, wistra 2016, 347; Bergdorsson, Symposium Discussion Report: Fourth Session Improving Market Effectiveness: Intermediaries, Infrastructures, and the Broader Legal Framework, ECFR 2017, 391; Berninger/Kiesel/Schiereck, Marktmanipulationen und Forensic Finance: Die Bedeutung von Faktormodellen für kurzfristige Bewertungshorizonte, BKR 2018, 408; Böse, Marktmanipulation durch Unterlassen – ein Auslaufmodell?, wistra 2018, 22; Borsig, Benchmark-Manipulation, 2018; Brand/Hotz, „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung“ – Einige Bemerkungen zur vermeintlichen Ahndungslücke im neuen Kapitalmarktstrafrecht, ZIP 2017, 1450; Brellochs, Leerverkaufsangriffe – Anmerkungen aus Sicht der Praxis, ZGR 2020, 319; Bromberg/Gilligan/Ramsay, Financial Market Manipulation and Insider Trading: An International Study of Enforcement Approaches, Working Paper 2017; Buck-Heeb, Gamestop, Neo-Broker und der Verbraucherschutz, VuR 2021, 81; Busch, MiFID II: regulating high frequency trading, other forms of algorithmic trading and direct electronic market access, Law and Financial Markets Review 10 (2016), 72; Bülte/Müller, Ahndungslücken im WpHG durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz und ihre Folgen, NZG 2017, 205; von Buttlar, Die Stärkung der Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse im EU-Kapitalmarktrecht: ein neues „field of dreams“ für Regulierer?, BB 2014, 451; von Buttlar, Stärkung der Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse im EUKapitalmarktrecht, EuZW 2020, 598; von Buttlar/Hammermeier, Non semper temeritas est felix: Was bedeutet Leichtfertigkeit im Kapitalmarktrecht?, ZBB 2017, 1; Cless, Unionsrechtliche Vorgaben für eine zivilrechtliche Haftung bei Marktmissbrauch, 2018; Commandeur, Short-Attacken aktivistischer Leerverkäufer, AG 2020, 575; Czubayko, Regulierung von Leerverkäufen und Short Seller-Aktivismus, BLJ 2020, 11; DAV, Stellungnahme zum Entwurf des Emittentenleitfadens Modul C – Regelungen aufgrund der Marktmissbrauchsverordnung (MAR), NZG 2019, 1138; Dinter/David, Das Recht hat man zu kennen – Zum Vorsatz bei bußgeldbewehrten Verstößen im Kapitalmarktrecht, ZIP 2017, 893, Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 38 WpHG; Eckner, Auswirkungen der MAR auf Kapitalverwaltungsgesellschaften, WM 2018, 1684; Eggers, Keine Strafbarkeitslücke bei Marktmanipulation und Insiderhandel, WiJ 2017, 49; Eggers, Marktmanipulation beim Einsatz von Algorithmen – am Beispiel eines Liquidity Providers, BKR 2019, 421; Fields, Common cause: institutional corruption's role in the Libor and the 4pm fix scandals, Law and Financial Markets Review 8 (2014), 8; Fisher/Clifford/Dinshaw/Werle, Criminal forms of high frequency trading on the financial markets, Law and Financial Markets Review 9 (2015), 113; Fletscher, Macroeconomic Consequences of Market Manipulation, Law and Contemporary Problems 83 (2020), 123; Fountoulakis, Irrtumsregeln im algorithmischen Hochfrequenzhandel, IWRZ 2021, 195; Gehrmann, Anmerkungen zum strafbewehrten Verbot der handelsgestützten Marktmanipulation, WM 2016, 542; Gehrmann, Das Bundesverfassungsgericht und die Reform des WpHG – Anmerkungen zu BVerfG wistra 2018, 336 –, wistra 2018, 366; Graßl, Die neue Marktmissbrauchsverordnung der EU, DB 2015, 2066; Graßl/Nikoleyczik, Shareholder Activism und Investor Activism, AG 2017, 49; Green/Torrens, The European market abuse regulation: MAR ado about everything, Journal of Investment Compliance 17 (2016), 1; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 1. Aufl. 2020, 6. Teil; Gullifer/Payne, Corporate Finance Law – Principles and Policy, 2nd ed. 2015; Gütte, Regulierung finanzieller Referenzwerte, 2020; Gurlit, Handlungsformen der Finanzmarktaufsicht, ZHR 177 (2013), 862; Häller/Roggemann, Publizitätspflichten beim Rückerwerb eigener Aktien zur Mitarbeitervergütung und Einziehung, NZG 2019, 1005; Hamburger, Crowding the Market: Is There Room for Antitrust in Market Manipulation Cases?, International Trade Law & Regulation 2015, 120; Hammen, Verfassungsrechtliche Fragen des Marktmissbrauchsstrafrechts, WM 2019, 341; Hansen, Market Abuse Case Law – Where Do We Stand With MAR?, ECFR 2017, 367; Hemeling, Europäische Finanz- und Kapitalmarktregulierung auf dem Prüfstand, ZHR 181 (2017), 595; Hitzer/Hauser, ESMA – Ein Statusbericht, BKR 2015, 52; Hoops, Die Regulierung von Index- und Referenzdaten, WM 2018, 2214; Kasiske, Marktmissbräuchliche Strategien im Hochfrequenzhandel, WM 2014, 1933; Kert, Vorschläge für neue EU-Instrumente zur (strafrechtlichen) Bekämpfung von Insiderhandel und Marktmanipulation, NZWiSt 2013, 252; Kiesewetter/Parmentier, Verschärfung des Marktmissbrauchsrechts – ein Überblick über die neue EU-Verordnung über Insidergeschäfte und Marktmanipulation, BB 2013, 2371; Klöhn, Marktbetrug (Fraud on the Market), ZHR 178 (2014), 671; Klöhn, Die private Durchsetzung des Marktmanipulationsverbots. Europarechtliche Vorgaben und rechtsökonomische Erkenntnisse, in Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2013, 2014, S. 299; Klöhn, Kapitalmarktrecht, in Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 4. Aufl. 2017, S. 332; Klöhn, Der Staat als Marktmanipulator und Insider – die Bereichsausnahme gem. Art. 6 MAR, ZBB 2020, 265; Klöhn/Bartmann, Kapitalmarktkommunikation über soziale Medien, AG 2014, 737; Klöhn/Büttner, Generalamnestie im Kapitalmarktrecht?, ZIP 2016, 1801; Klöhn/Büttner, Finanzjournalismus und neues Marktmissbrauchsrecht – Hintergrund, Inhalt und praktische Bedeutung von Art. 21 MAR –, WM 2016, 2241; Klöhn/Franke, GameStop, Reddit und Swarm Trading: David gegen Goliath am Kapitalmarkt, NZG 2021, 257; Klöhn/Parhofer, Bitcoins sind keine Rechnungseinheiten – ein Paukenschlag und seine Folgen, ZIP 2018, 2093; Knierbein, Freiwillige Kapitalmarktkommunikation und zivilrechtliche Haftung, 2020; Kollmann, Kursdifferenzschäden durch intelligente Wertpapierhandelssysteme, BKR 2020, 515; Kraack, Der neue Emittentenleitfaden zum Marktmissbrauchsrecht, ZIP 2020, 1389; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: Neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Missbrauchsverordnung, CCZ 2014, 248; Krimphove, Fragwürdige Europäisierung – Rechtsstaatliche Probleme des neuen deutschen Insider- und Marktmanipulationsstrafrechts, KritV 2018, 56; Köpferl/Wegner, Marktmissbrauch durch einen Sprengstoffanschlag? – Überlegungen zur Marktmanipulation und zum Insiderhandel am Beispiel des Anschlags auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund, WM 2017, 1924; Kudlich, MADness Takes Its Toll – Ein Zeitsprung im Europäischen Strafrecht?, AG 2016, 459; Kumpan/Misterek, Der verständige Anleger in der Marktmissbrauchsverordnung, ZHR 184 (2020), 180; Kumpan/Misterek, Das Verbot von Leerverkäufen in Finanzmarktkrisen – Ökonomische Erforderlichkeit und notwendige Reichweite von Short-Selling-Beschränkungen im Spiegel ihres Rechtsrahmens, WM 2021, 365 (Teil 1), WM 2021, 417 (Teil 2); Kuntz, Digitale Kommunikation mit Aktionären und Investoren – Chancen und Herausforderungen durch Blockchain,
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 | Vorbemerkungen Soziale Medien und „Bid Data“ –, ZHR 183 (2019), 190; Kuthe/Zipperle, Änderungen im Marktmissbrauchsrecht ab 1.1.2021, AG 2021, R39; Langenbucher, Kommunikation als Governance-Instrument in der börsennotierten Aktiengesellschaft, ZHR 185 (2021), 414; Langenbucher/Hau/Wentz, „Aktivistische Leerverkäufer“ – eine Überlegung zur Markteffizienz und deren Grenzen im Kapitalmarktrecht, ZBB 2019, 307; Langenbucher/Pelizzon, Short Selling – On Ethics, Politics, and Culture, ZBB 2021, 301; Langenbucher/Hasan, GameStop – A Case for Empowering Retail Investors? A Comparative Glance at the U.S. and the EU, in FS Singer, 2021, S. 399; Ledgerwood/Verlinda, The Intersection of Antitrust and Market Manipulation Law, 2017; Lin, The New Market Manipulation, Emory Law Journal 66 (2017), 1253; Lehmann/Schürger, Staatshaftung für Versäumnisse der BaFin im Fall Wirecard, WM 2021, 857 (Teil 1), WM 2021, 905 (Teil 2); Leyens, Ad-hoc-Informationen der Anleger: Zwischenschritte und Compliance-Vorfälle als Insiderinformationen, ZGR 2020, 256; Lorenz/Zierden, Kleine Ursache, große Wirkung – 1. FiMaNoG eliminiert Strafbarkeit nach WpHG, HRRS 2016, 443; Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, 2014; Markworth, Marktmissbrauchsverordnung und effet utile – Europarechtlich determinierte Zeitenwende im Kapitalmarktdeliktsrecht? –, ZHR 183 (2019), 46; Markworth/Bangen, Rechnungslegungsenforcement nach dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, BKR 2021, 417; Maurenbrecher in Watter/Bahar (Hrsg.), Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, 3. Aufl. 2018, Vor Art. 142 f. FinfraG; McVea, Supporting Market Integrity, in Moloney/Ferran/Payne (eds.), The Oxford Handbook of Financial Regulation, 2015, S. 631; Merkt, Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte als Marktmanipulation, ZBB 2021, 162; Merwald/Schauer, Marktmanipulation, Social Media und Noise Trader im Fall GameStop: Bewährungsprobe für den unionsrechtlichen Marktmanipulationstatbestand, BKR 2021, 280; Mock, Anforderung an das Verbot der Marktmanipulation in illiquiden Märkten, ZBB 2021, 243; Mock, Die verschobene Veröffentlichung von Finanzberichten im Marktmissbrauchsrecht, BKR 2021, 61; Möllers, Die juristische Aufarbeitung der Übernahmeschlacht VW-Porsche – ein Überblick, NZG 2014, 361; Möllers/Herz, Generalamnestie von Kursmanipulationen im Kapitalmarktrecht? Sanktionslücken durch das Redaktionsversehen des Gesetzgebers und der untaugliche Rettungsversuch des BGH, JZ 2017, 445; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3rd ed. 2014; Möllers, Die juristische Aufarbeitung der Übernahmeschlacht VW-Porsche – ein Überblick, NZG 2014, 361; Möllers, The takeover battle Volkswagen/Porsche: the Piëch-Porsche clan-family clan acquires a majority holding in Volkswagen, Capital Markets Law Journal 10 (2015), 410; Möllers, Marktmanipulationen durch Leerverkaufsattacken und irreführende Finanzanalysen, NZG 2018, S. 649; Möllers/Herz, Generalamnestie von Kursmanipulationen im Kapitalmarktrecht?, JZ 2017, 445; Möllers/Schauer, Twitternde Vorstandsmitglieder und die Fallstricke des Kapitalmarktrechts, NZG 2021, 1333; Mülbert, Rechtsschutzlücken bei Short Seller-Attacken – und wenn ja, welche?, ZHR 182 (2018), 105; Mülbert, Wirecard 4.0, ZHR 185 (2021), 2; Mülbert/ Sajnovits, Vertrauen und Finanzmarktrecht, ZfPW 2016, 1; Mülbert/Sajnovits, The Element of Trust in Financial Markets Law, German Law Journal 18 (2017), 1; Mülbert/Sajnovits, Der Aufschub von der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Internal Investigations, WM 2017, 2001 (Teil 1), WM 2017, 2041 (Teil 2); Mülbert/Sajnovits, Shortseller-Attacken 2.0: Der Fall Wirecard, BKR 2019, 313; Mülbert/Sajnovits, Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte – eine verbotene Marktmanipulation?, NJW 2022, 353; Neurath, Stichtagsbezogene Marktmanipulation durch Investmentfonds am Beispiel des Portfolio Pumpings, ZBB 2019, 379; Neurath, Beschleunigter Aktienrückkauf bald auch in Deutschland?, AG 2019, 634; Nietsch, Kapitalmarkttransparenz und Marktmanipulation – Überlegungen zur Tatbestandsverwirklichung des § 119 Abs. 1 WpHG durch Nichterfüllung kapitalmarktrechtlicher Transparenzpflichten –, WM 2020, 717; Nietsch, Zur Haftung für fehlerhafte Sekundärmarktinformation im Lichte der Hypo Real Estate-Entscheidung des BGH, ZBB 2021, 229; Ostermann, Die Grenzen zum steuerlichen Gestaltungsmissbrauch sowie zur Marktmanipulation bei der Verlustrealisierung durch gegenläufige Wertpapiergeschäfte, ZBB 2018, 377; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, § 38 WpHG; Park/Wagner, Strafbare Marktmanipulation durch unterlassene Ad-hoc-Meldung trotz Vorliegens der Selbstbefreiungsvoraussetzungen gem. § 15 Abs. 3 WpHG a.F. bzw. Art. 17 Abs. 4 S. 1 MAR?, wistra 2019, 306; Pauka/Link/Armenad, Eine vergebene Chance – Die strafrechtlichen Neuregelungen durch das 2. FiMaNoG, WM 2017, 2092; Poelzig, Durchsetzung und Sanktionierung des neuen Marktmissbrauchsrechts, NZG 2016, 492; Poelzig, Private enforcement im deutschen und europäischen Kapitalmarktrecht – Eine Untersuchung anhand des Marktmanipulationsverbots unter Berücksichtigung der Entwicklungen im europäischen Kartellrecht, ZGR 2015, 801; Poelzig, Durchsetzung und Sanktionierung des neuen Marktmissbrauchsrechts, NZG 2016, 492; Poelzig, Insider-und Marktmanipulationsverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, NZG 2016, 528; Poelzig, Shortseller-Attacken im Aufsichtsund Zivilrecht, ZHR 184 (2020), 697; Raschner, Das (neue) Marktmanipulationsrecht für Kryptowerte, BKR 2022, 217; Rau, Private Enforcement bei Referenzwertmanipulationen vor dem Hintergrund des neuen Marktmissbrauchsregimes, BKR 2017, 57; Redenius-Hövermann/Walter, Ad-hoc-Veröffentlichungspflichten bei verbandsinternen Untersuchungen, ZIP 2020, 1331; Reidt, Die zulässige Marktpraxis im Rahmen des Verbots der Marktmanipulation, 2022; Reinartz, Bußgeldrechtliche Sanktionierung juristischer Personen im neuen Marktmissbrauchsrecht, 2021; Richter, Sanktionslücken bei Insiderhandel und Marktmanipulation im Freiverkehr infolge des 1. FiMaNoG, NZG 2020, 210; Richter, Die Strafbarkeit der Marktmanipulation unter dem europäischen Marktmissbrauchsregime, 2022; Rider/Alexander/Bazley/Bryant, Abuse and Insider Dealing, 3. Aufl., West Sussex 2016; Rossi, Blankettstrafnormen als besondere Herausforderung an die Gesetzgebung – Amnestie als Folge des zu frühen Inkrafttretens des 1. FiMaNoG, ZIP 2016, 2437; Roth, Privatrechtliche Kartellrechtsdurchsetzung zwischen primärem und sekundärem Unionsrecht, ZHR 179 (2015), 668; Rothenfußer/Jäger, Generalamnestie im Kapitalmarktrecht durch das Erste Finanzmarktnovellierungsgesetz, NJW 2016, 2689; Rückert, Marktmanipulation durch Unterlassen und Bestimmtheitsprinzip, NStZ 2020, 391; Sajnovits, Ad-hoc-Publizität und Wissenszurechnung, WM 2016, 765; Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018; Sajnovits, Die Auswirkungen des Brexit auf die Verwendung des Libor und anderer UK-Benchmarks, WM 2018, 1247; Sajnovits, GameStop im Lichte der MAR – Meme-Trading, soziale Medien und Handelsbeschränkungen durch Broker –, ZGR 2021, 804; Sajnovits, Swarm Trading – Kapitalmarktregulierung im Zeitalter von Social Media und NeoBrokern, in Köhler/Korch (Hrsg.), Schwärme im Recht, 2022, S. 197; Sajnovits/Wagner, Marktmanipulation durch Unterlassen? – Untersuchung der Rechtslage unter MAR und FiMaNoG sowie deren Konsequenz für Alt-Taten, WM
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Vorbemerkungen | Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 2017, 1189; Saliger, Straflosigkeit unterlassener Ad-hoc-Veröffentlichungen nach dem 1. FiMaNoG?, WM 2017, 2329 (Teil I), WM 2017, 2365 (Teil II); de Schmidt, Neufassung des Verbots der Marktmanipulation durch MAR und CRIMMAD, RdF 2016, 4; Schmolke, Das Verbot der Marktmanipulation nach dem neuen Marktmissbrauchsregime, AG 2016, 434; Schmolke, Private Enforcement und institutionelle Balance, NZG 2016, 721; Schmolke, „Leerverkaufsattacken“ und Marktmissbrauch, ZGR 2020, 291; Schockenhoff/Culmann, Rechtsschutz gegen Leerverkäufer?, AG 2016, 517; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl. 2020; Schütt, Europäische Marktmissbrauchsverordnung und Individualschutz, 2019; Seibt, Europäische Finanzmarktregulierung zu Insiderrecht und Ad hoc-Publizität, ZHR 177 (2013), 388; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Seibt/Kraack, Praxisleitfaden zum BaFin-Emittentenleitfaden Modul C, BKR 2020, 313; Simons, Gesetzgebungskunst, AG 2016, 651; Söbbing, Der algorithmisch gesteuerte Wertpapierhandel und die gesetzlichen Schranken für künstliche Intelligenz im digitalen Banking, ZIP 2019, 1603; Saliger, Kommentierung zu §§ 119 Abs. 1, Abs. 4, 120 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 15 Nr. 2 WpHG (vormals: §§ 38 Abs. 1, Abs. 4, 39, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3c, 3d Nr. 2 WpHG) iVm Art. 15, 12 MAR Verbot der Marktmanipulation, in Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 5. Aufl. 2019, Kap. 6.1.; Spindler, Der Vorschlag einer EU-Verordnung zu Indizes bei Finanzinstrumenten (Benchmark-VO), ZBB 2015, 165; Steinhäuser, Die Manipulation von Referenzzinsen wie LIBOR und EURIBOR, 2019; Szesny, Das Sanktionsregime im neuen Marktmissbrauchsrecht, DB 2016, 1420; Teigelack, Insiderhandel und Marktmanipulation im Kommissionsentwurf einer Marktmissbrauchsverordnung, BB 2012, 1361; Teigelack, Marktmanipulation, in Veil (Hrsg.), Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2014, § 14; Teigelack/ Dolff, Kapitalmarktrechtliche Sanktionen nach dem Regierungsentwurf eines Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes – 1. FimanoG, BB 2016, 387; Thaler, Sanktionen bei Marktmissbrauch – Marktmanipulation, Insiderhandel und Adhoc-Publizität, Wien 2014; Theile in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 1. Aufl. 2017, § 38 WpHG; Thelen, Dark Pools, 2019; Thomale, Rechtsquellen des Kapitalmarktdeliktrechts – Eine Neuvermessung, NZG 2020, 328; Tountopoulos, Marking the Close nach Europäischem Kapitalmarktrecht, WM 2013, 351; Tountopoulos, Rückkaufprogramme und Safe-Harbor-Regelungen im Europäischen Kapitalmarktrecht, EWS 2012, 449; Tountopoulos, Market Abuse and Private Enforcement, ECFR 2014, 297; Trüg, Umfang und Grenzen des Scalping als strafbare Marktmanipulation, NStZ 2014, 558; Trüg in Leitner/Rosenau (Hrsg.), Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2017, § 38 WpHG; Trüg, Einziehung bei Marktmanipulation und Zugriff auf E-Mails beim Provider, JZ 2021, 560; Valiante, GameStop: A Tragedy Waiting to Happen, Oxford Business Law Blob v. 23.2.2021, abrufbar unter: https://www.law.ox. ac.uk/business-law-blog/blog/2021/02/gamestop-tragedy-waiting-happen; Vaupel/Oppenauer, Zur Strafbarkeit eines unterlassenen, verspäteten oder verfrühten Aufschubs von der Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht, AG 2019, 502; Veil, Europäisches Insiderrecht 2.0 – Konzeption und Grundsatzfragen der Reform durch MAR und CRIM-MAD, ZBB 2014, 85; Veil, Sanktionsrisiken für Emittenten und Geschäftsleiter im Kapitalmarktrecht, ZGR 2016, 305; Veil/Brüggemeier, Kapitalmarktrecht zwischen öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Normdurchsetzung in Deutschland, in Fleischer/Kalss/Vogt (Hrsg.), Enforcement im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht 2015, 2015, S. 277; Veil (Hrsg.), European Capital Markets Law, 2nd ed. 2017; Veil/Templer, GameStop, Reddit und die Hedgefonds – Betrachtungen aus der Perspektive des europäischen Kapitalmarktrechts, ZIP 2021, 981; Venturrozo, When Market Abuse Rules Violate Human Rights: Grande Stevens v. Italy and the Different Approaches to Double Jepardy in Europe and the US, EBOR 16 (2015), 145; Ventoruzzo/Mock (eds.), Market Abuse Regulation, 1st ed. 2017; Verstein, Benchmark Manipulation, Boston College Law Review 56 (2015), 215; Vogt, Die Europäisierung des Tatbestands der Marktmanipulation, 2022; Vollmerhausen, Beteiligungsbedingte Interessenkonflikte bei Finanzanalysen am Beispiel von Leerverkaufsattacken – Ein Beitrag zum Scalping, wistra 2020, 486; Vollmerhausen, Das Verbot der Marktmanipulation am Beispiel von aktivistischen Leerverkäufern, 2022; Voß, Lessons to be learned? Zur causa Wirecard und der aufsichtsrechtlichen Regulierung von FinTechs, RDi 2020, 11; Walla/Knierbein, „State of the Art“-Compliance für Emittenten im Zeitalter der MAR – Freiwillige Instrumente der Kapitalmarkt-Compliance und ihre Funktion –, WM 2018, 2349; Wegner, Das „GameStop“Phänomen nach deutschem Marktmissbrauchsrecht: Marktmanipulation oder legitimes Anlegerverhalten?, BKR 2021, 181; Weitzell, SPACs – Wo lauern die kapitalmarktstrafrechtlichen Risiken?, NZG 2021, 1145; Wentz, Shortseller-Attacken – ökonomische und juristische Bewertung eines ambivalenten Geschäftsmodells, WM 2019, 196; Wiedemann/ Wank, Begrenzte Rationalität – gestörte Willensbildung im Privatrecht, JZ 2013, 340; Wilken/Bertus, Professionelle Leerverkaufsattacken – rechtliche Grundlagen und Grenzen, BB 2019, 2754; Wundenberg, Perspektiven der privaten Rechtsdurchsetzung im europäischen Kapitalmarktrecht, ZGR 2015, 124; Zeder, Die neuen Strafbestimmungen gegen Marktmissbrauch: Europäische Vorgaben (MAR und MAD) und ihre Umsetzung im österreichischen Börsegesetz, NZWiSt 2017, 41; Zetzsche, Marktintegrität/Marktmissbrauchsrecht, in Gebauer/Teichmann (Hrsg.), Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, 2016, § 7 C; Zickert, Regulierung des Hochfrequenzhandels in US- und EU-Aktienmärkten, 2016. Ökonomisches Schrifttum: Allen/Gale, Stock-Price Manipulation, The Review of Financial Studies 5 (1992), 503; Allen/Gorton, Stock price manipulation, market microstructure and asymmetric information, European Economic Review 36 (1992), 624; Allen/Litov/Mei, Large Investors, Price Manipulation, and Limits to Arbitrage, Review of Finance 10 (2006), 645; Allen/Haas/Nowak/Tengulov, Market Efficiency and Limits to Arbitrage: Evidence from the Volkswagen Short Squeeze, Journal of Financial Economics (erscheint demnächst); Aggarwal/Wu, Stock Market Manipulations, Journal of Business 79 (2006), 1915; Arnoldi, Computer algorithms, market manipulation and the institutionalization of high frequency trading, Theory, Culture & Society 33 (2016), 29; Avgouleas, The Mechanism and Regulation of Market Abuse, 2005; Avery/Zemsky, Multidimensional Uncertainty and Herd Behavior in Financial Markets, American Economic Review 88 (1998), 724; Banerjee, A Simple Model of Herd Behavior Quarterly Journal of Economics 107 (1992), 797; Batten/Loncarski/Szilagyi, Financial Market Manipulation, Whistle-Blowing and the Common Good: Evidence from the LIBOR Scandal, Working Paper 2017; Bagnoli/Lipman, Stock Price Manipulation through Takeover Bids, Rand Journal of Economics 27 (1996), 124; Benabou/Laroque, Using Privileged Information to Manipulate Markets: Insiders, Gurus, and Credibility, Quarterly Journal of Economics 107 (1992), 921; Boemer/Jones/Wu/Zhang, What
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 | Vorbemerkungen Do Short Sellers Know?, Review of Finance 24 (2020), 1203; Bouraoui/Mehanaoui/Bahli, Stock Spams: Another Kind of Stock Price Manipulation, Journal of Applied Business Research 29 (2013), 79; Chakraborty/Yilmaz, Informed manipulation, Journal of Economic Theory 114 (2004), 132; Chakraborty/Yilmaz, Manipulation in Market Order Models, Journal of Financial Markets 7 (2014), 187; Chatterjea/Jarrow, Market manipulation, price bubbles, and a model of the US Treasury securities auction market, Journal of Financial and Quantitative Analysis 33 (1998), 255; Cherian/Jarrow, Market manipulation, Handbooks in Operations Research and Management Science 9 (1995), 611; Comerton-Forde/Putniņš, Measuring closing price manipulation, Journal of Financial Intermediation 20 (2011), 135; Comerton-Forde/Rydge, Call auction algorithm design and market manipulation, Journal of Multinational Financial Management 16 (2006), 184; Cumming/Johan, Global Market Surveillance, American Law and Economics Review 10 (2008), 454; Daske/Bassemir/Fischer, Manipulation des Börsenkurses durch gezielte Informationspolitik im Rahmen von Squeeze-Outs? – Eine empirische Untersuchung am deutschen Kapitalmarkt, ZfbF 62 (2010), 254; Dow/Gorton, Stock Market Efficiency and Economic Efficiency: Is There a Connection?, Journal of Finance 52 (1997), 1087; Dow/Rahi, Informed trading, investment and economic welfare, Journal of Business 76 (2003), 430; Easterbrook, Monopoly, manipulation and the regulation Business, Journal of Business 69 (1986), 103; Egginton/Van Ness/Van Ness, Quote Stuffing, Financial Management 2016, 583; Fischel/Ross, Should the Law Prohibit ‚Manipulation‘ in Financial Markets?, Harvard Law Review 105 (1991), 503; Gerard/Nanda, Trading and Manipulation Around Seasoned Equity Offerings, Journal of Finance 48 (1993), 213; Gerke/ Oerke, Marktbeeinflussung durch Analystenempfehlung, Zeitschrift für Betriebswirtschaft-Ergänzungsheft 2/1998, 1; Giannetti/Wang, Corporate Scandals and Household Stock Market Participation, Journal of Finance 71 (2016), 2591; Gomolka, Algorithmic Trading, 2011; Goldstein/Guembel, Manipulation and the allocational role of prices, The Review of Economic Studies 75 (2008), 133; Golmohammadi/Zaiane/Díaz, Detecting stock market manipulation using supervised learning algorithms, Data Science and Advanced Analytics 2014; Hanson/Oprea/Porter, Information aggregation and manipulation in an experimental market, Journal of Economic Behavior & Organization 60 (2006), 449; von Hayek, The Use of Knowledge in Society, American Economic Review 35 (1945), 519; Hillion/Suominen, The manipulation of closing prices, Journal of Financial Markets 7 (2004), 351; Hirshleifer/Subrahmanyam/Titman, Feedback and the Success of Irrational Investors, Journal of Financial Economics 81 (2006), 311; Jarrow, Market Manipulation, Bubbles, Corners, and Short Squeezes, Journal of Financial and Quantitive Analysis 27 (1992), 311; Jarrow/Li, Media Trading Groups and Short Selling Manipulation – Are Media Groups Efficiency Enhancing or Reducing?, SSRN Working Paper April 2021, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3804130; Jiang/Mahoney/Mei, Market manipulation: A comprehensive study of stock pools, Journal of Financial Economics 77 (2005), 147; Kose/Narayanan, Market manipulation and the role of insider trading regulations, The Journal of Business 70 (1997), 217; Khanna/Sonti, Value Creating Stock Manipulation: Feedback Effect of Stock Prices on Firm Value, Journal of Financial Markets 7 (2004), 237; Kyle, Continuous Auctions and Insider Trading, Econometrica 53 (1985), 1315; Kyle/Viswanathan, How to Define Illegal Price Manipulation, American Economic Reviews, Papers & Proceedings 98 (2008), 274; Leland, Insider Trading: Should it be Prohibited?, Journal of Political Economy 100 (1992), 859; Leuz/Meyer/Muhn/Soltes/Hackethal, Who Falls Prey to the Wolf of Wall Street? 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I. 1. 2. 3.
Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelstaatliche Regelungsregime . . . . . . . . . . . Mindestharmonisierung durch die MAD I . . . . (Weitgehende) Vollharmonisierung durch die MAR und Mindestharmonisierung durch die CRIM-MAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Regelungssystematik des europäischen Marktmanipulationsregimes . . . . . . . . . . . . . 1. Verordnungsebene (Level 1) . . . . . . . . . . . . . . . a) Definition der Marktmanipulation (Art. 12 und Anhang I VO Nr. 596/2014) . . b) Verbot der Marktmanipulation (Art. 15 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmetatbestände (Art. 5, 6, 13 und 21 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 8 16 21 22 23 26 28
2. 3. 4. III. 1.
d) Einbindung Privater durch Melde- und Überwachungspflichten (Art. 16 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Regelungen zur Rechtsdurchsetzung und Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgaben zur strafrechtlichen Ahndung auf Richtlinienebene (Level 1) . . . . . . . . . . . . . . . . Tertiärrechtsakte (Level 2) . . . . . . . . . . . . . . . . a) (Unabhängige) delegierte Rechtsakte . . . . . b) Technische Regulierungsstandards (RTS) . . Leitlinien und Empfehlungen der ESMA (Level 3) und sonstige aufsichtsbehördliche Verlautbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Methodenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwindender Einfluss der mitgliedstaatlichen Methodik und des mitgliedstaatlichen Rechts .
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33 36 38 40 41 42 43 45 45
Vorbemerkungen | Rz. 3 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 2. Marktmanipulationsverbot als aufsichtsrechtliche Vorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abkehr von der strafrechtsdogmatischen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbleibende Verfassungsrechtsfragen . . . . . . . IV. Ökonomischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematisierung der Marktmanipulationen . . . a) „Informationsgestützte“ Manipulationen . . .
50 52 54 56 56 57
b) „Handelsgestützte“ Manipulationen durch fiktive und effektive Geschäfte . . . . . . . . . . c) „Handlungsgestützte“ Manipulationen . . . . d) Weitere Systematisierungsvorschläge . . . . . 2. Ökonomische Analyse der Marktmanipulation und ihrer Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtspraxis und Rechtstatsächliches . . . . . .
61 66 67 68 71
I. Entstehungsgeschichte 1. Einzelstaatliche Regelungsregime Die Geschichte der Marktmanipulation ebenso wie die ihrer Regulierung reicht weit zurück und begann 1 zunächst auf den Gütermärkten. Im Römischen Reich wurde bereits 483 v. Chr. per Dekret versucht, Manipulationen auf Gütermärkten zu verbieten1. Die Ursprünge der Marktmanipulationsregulierung auf Finanzmärkten werden mit dem Fall The King v. De Berenger2 zumeist auf das Jahr 1814 in Großbritannien datiert3. Die in diesem Fall letztlich Verurteilten hatten durch falsche Gerüchte über den Tod Napoleons einen Kursanstieg britischer Staatsanleihen herbeigeführt und in der Folge durch den Verkauf ihrer Papiere entsprechende Profite erzielt4. Ein englisches Gericht beurteilte das Verbreiten falscher Gerüchte als Betrug gegenüber dem Markt, ohne dass es auf die Täuschung und Schädigung individueller Personen ankomme5. Die historischen Wurzeln des deutschen Rechts der Marktmanipulation reichen ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert zurück6. Der deutsche Gesetzgeber hatte 1884 in Reaktion auf seinerzeitige Börsenskandale den sog. Kursbetrug in Art. 249d Abs. 1 Nr. 2 ADHGB unter Strafe gestellt. Hiernach war strafbar, wer „in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Kurs von Aktien einzuwirken“7. Die Vorschrift wurde in verallgemeinerter Gestalt zum § 75 Abs. 1 BörsG 1896 und galt – mit verschiedenen Änderungen, zuletzt durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15.5.1986 – als § 88 BörsG a.F. fort, bis sie mit Wirkung vom 1.7.2002 aufgehoben und durch den früheren § 20a WpHG und die §§ 38, 39 WpHG a.F. „abgelöst“ (Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, 89) wurde.
§ 88 BörsG a.F. bzw. dessen Vorgängerbestimmungen hatten sich während ihrer langjährigen Geltung nach 2 überwiegender Auffassung in Theorie und Praxis nicht bewährt8. Der erkannte Reformbedarf führte zu vielfältigen Reformvorschlägen in der Literatur, die Fleischer9 für den 64. DJT 2002 in Berlin bündelte. Kurz zuvor hatte die Bundesregierung den Regierungsentwurf eines Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes (4. FFG) vorgelegt, in dem u.a. eine Neufassung und Konkretisierung der Vorschriften über das Verbot der Marktmanipulation vorgesehen war. Die Eckpunkte entsprachen dem bis zum 3.7.2016 geltenden Recht10: § 88 BörsG a.F. wurde durch die allgemeine Verbotsnorm des früheren § 20a WpHG ersetzt. Zur Effektuierung des Verbots wurden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Aufgabe seiner Überwachung und die hierzu erforderlichen Befugnisse eingeräumt. Der vormalige Abschnitt 4 des WpHG über die Überwachung des Verbots der Marktmanipulation (früher 3 Kurs- und Marktpreismanipulation) wurde mit Wirkung vom 1.7.2002 durch Art. 2 Nr. 13 4. FFG vom 1 S. Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 9 ff.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 35. 2 105 Eng. Rep. 536, 1378–1865. 3 Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 11 f.; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 18; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 37. 4 S. Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 9 ff. 5 Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 18 m.w.N. 6 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 38. Näher zur Schweizer Rechtsentwicklung Maurenbrecher in Watter/ Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 11 ff. 7 S. hierzu auch Altenhain in KölnKomm. WpHG, § 38 WpHG Rz. 14; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 13; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 44; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 1 Rz. 1; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 15. 8 Zusammenfassend Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 157 ff. m.N.; ferner Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 44 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 15 ff. 9 Fleischer, Gutachten F 142 f.; dazu Mülbert, JZ 2002, 826. 10 S. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, 27 ff., 89 ff., 98 ff.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Vorbemerkungen 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010) eingefügt. Die Regelung wurde als „Meilenstein“11 in der Reform des Kapitalmarktrechts bezeichnet. Mit ihr habe der Gesetzgeber die in Wissenschaft und Praxis seit langem erhobene Forderung nach einer effektiveren Kontrolle von Marktmanipulationen erfüllt, auf die tiefe Vertrauenskrise am Neuen Markt reagiert und es unternommen, die offenbar gewordenen Missstände zu bekämpfen sowie das verlorene Anlegervertrauen zurückzugewinnen. Konkretisiert und ergänzt wurde die gesetzliche Regelung zunächst durch die am 28.11.2003 in Kraft getretene Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV) vom 18.11.2003 (BGBl. I 2003, 2300). 4 Eine durch die RL 20036/EG (Rz. 8 ff.) veranlasste „Reform der Reform“ ließ nur wenig mehr als zwei Jahre
auf sich warten12. Art. 1 Nrn. 7, 8 Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnsVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) gestaltete die gesetzliche Regelung in Abschnitt 4 des WpHG mit Wirkung vom 30.10.2004 um. Einerseits wurde der § 20a WpHG umbenannt13, geändert und den damaligen europarechtlichen Vorgaben angepasst, zudem wurde das Marktmanipulationsverbot tendenziell ausgeweitet und verschärft. Andererseits fiel die Vorschrift des § 20b WpHG über die Überwachung des Verbots weg und ging in den allgemeinen Verfahrensvorschriften des WpHG auf14. Der Verordnungsgeber vollzog die Gesetzesänderung nach und ersetzte die KuMaKV (Rz. 3 a.E.) mit Wirkung vom 10.3.2005 durch die Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) vom 1.3.2005 (BGBl. I 2005, 515).
5 Von 2005 an blieb das Marktmanipulationsrecht als solches bis zum Außerkrafttreten des § 20a WpHG am
2.7.2016 im Wesentlichen unverändert. Mittelbar wirkte sich freilich die weitere Rechtsentwicklung, namentlich die Neuregelung der Struktur und Transparenz der Märkte für Finanzinstrumente durch die europäische Richtlinie über Märkte für Finanzdienstleistungen (MiFID I)15 und das deutsche Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)16, auch auf das Marktmanipulationsrecht aus17. Die Segmente des amtlichen und des geregelten Markts wurden zu einem einheitlichen regulierten Markt zusammengefasst (s. § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 WpHG i.d.F. des Art. 1 Nr. 14 FRUG); die Überwachung des außerbörslichen Handels wurde verschärft; und das Transparenz- und Informationsniveau betreffend Emittenten wurde erhöht, was Rückwirkungen z.B. auf die Frage des Vorliegens unvollständiger Angaben hatte.
6 Die letzte Fassung des früheren § 20a WpHG beruhte auf Art. 12 Gesetz zur Anpassung der Rechtsgrund-
lagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels (EHAnpG) vom 21.7.201118. Die Änderung wurde wegen einer Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) erforderlich, das bereits 2009 durch Art. 5 Nr. 3 Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze (EAEGuaÄndG) vom 25.6.200919 Emissionsberechtigungen i.S.v. § 3 Abs. 4 Satz 1 TEHG in den sachlichen Schutzbereich des Marktmanipulationsverbots einbezogen hatte. Zudem wirkten sich anderweitige Gesetzesänderungen mittelbar auf Reichweite und Inhalt des Marktmanipulationsverbots aus. Insbesondere war die Frage nach dem marktmanipulativen Charakter des sog. Anschleichens an eine börsennotierte Zielgesellschaft im Hinblick auf die mit Wirkung vom 1.2.2012 geänderten Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten der §§ 25, 25a WpHG i.d.F. des Art. 1 Nr. 2 und 3 Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuVG)20 vom 5.4.2011 neu zu beurteilen21. Zudem wurden auf nationaler und europäischer Ebene insbesondere im Gefolge der Finanzkrise weitere Rechtsakte erlassen, die unmittelbare
11 Fleischer, NJW 2002, 2977, 2978; kritisch Weber, NJW 2003, 18, 20. 12 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 60 ff.; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 1 Rz. 13; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 18. 13 Die amtliche Überschrift („Angabe“) des § 20a WpHG lautete danach: „Verbot der Marktmanipulation“. 14 In der amtlichen Überschrift („Angabe“) des Abschnitts 4 (i.d.F. des Art. 1 Nr. 13 FRUG, BGBl. I 2007, 1130) war allerdings weiterhin von der „Überwachung des Verbots der Marktmanipulation“ die Rede. 15 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente (...), ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1; s. weiterhin Richtlinie 2006/37/EG der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung (...), ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 und Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung (...), ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1; Richtlinien 2006/31/EG und 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.4.2006 und vom 5.9.2007 zur Änderung (...), ABl. EU Nr. L 114 v. 27.4.2006, S. 60 und Nr. L 247 v. 21.9.2007, S. 1. 16 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1130; s. hierzu Duve/Keller, BB 2006, 2425; Gomber/Hirschberger, AG 2006, 777. 17 Zutr. Sorgenfrei in Park, 3. Aufl. 2013, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 8 f. 18 BGBl. I 2011, 1475. 19 BGBl. I 2009, 1529. 20 BGBl. I 2011, 538. 21 S. dazu etwa Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697 ff.
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Vorbemerkungen | Rz. 9 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
oder als Marktverhaltensrecht jedenfalls mittelbare Verknüpfungen mit dem Marktmanipulationsrecht aufweisen. Zu nennen sind insoweit das deutsche Leerverkaufsgesetz von 200922, dessen Regelungsmaterie inzwischen vollständig durch die Leerverkaufs-VO (VO Nr. 236/2012) geregelt wird, das EMIR-Ausführungsgesetz23 und das Hochfrequenzhandelsgesetz von 201324. Die nicht unerheblichen Rechtsänderungen ab 2002 führten immer wieder zu Rückwirkungsfragen, die 7 sich in erster Linie für vor dem 1.7.2002 begangene „Alt“manipulationen, aber auch für vor dem 30.10.2004 begangene Marktmanipulationen stellten, da das auf dem AnSVG und der MaKonV beruhende Recht gegenüber dem auf dem 4. FFG beruhenden Recht (s. Rz. 3) an nicht wenigen Stellen sowohl kapitalmarkt- als auch straf- bzw. bußgeldrechtlich deutlich verschärft wurde25.
2. Mindestharmonisierung durch die MAD I Marktmanipulation zu verhindern ist seit geraumer Zeit ein wichtiges Anliegen der Europäischen Union. 8 Hatte auch die Insider-Richtlinie von 1989 noch keine Regelungen zur Marktmanipulation enthalten26, hob doch die Europäische Kommission schon in ihrer Mitteilung „Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“ (FSAP) vom 11.5.199927 hervor, dass eine Richtlinie zur Bekämpfung der Marktmanipulation erforderlich sei. Der Rat der EU setzte am 17.7.2000 einen Ausschuss der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte ein, dessen Schlussbericht (Lamfalussy-Bericht)28 u.a. Regulierungsmaßnahmen vorsah, die insbesondere auch das Marktmanipulationsrecht betrafen. Die Europäische Kommission wiederum setzte dann durch Beschlüsse vom 6.6.200129 einen Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (engl. Committee of European Securities Regulators – CESR, vormals Forum of European Securities Commissions – FESCO, nunmehr aufgegangen in der European Securities and Markets Authority – ESMA30) und einen Europäischen Wertpapierausschuss (European Securities Committee – ESC) ein. Im Rahmen der Vorbereitungen einer Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen durch die Europäische Kommission und die vor ihr eingesetzten Ausschüsse wurde deutlich, dass nicht alle Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften zur Ahndung von Marktmanipulationen insbesondere durch Verbreitung irreführender Informationen hatten und die vorhandenen Vorschriften äußerst unterschiedlich waren. Deshalb war die Marktmanipulation ein Schwerpunkt der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (MAD I, ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16)31 und der hierzu von der Europäischen Kommission im Komitologieverfahren erlassenen Durchführungsbestimmungen (Rz. 12). Die MAD I wurde in der Folge in den Jahren 2008 (Änderungsrichtlinie 2008/26/EG) und 2010 (Änderungsrichtlinie 2010/78/EU) geringfügig geändert32. In der Terminologie der MAD I war die Marktmanipulation neben den Insider-Geschäften die zweite Form 9 des Marktmissbrauchs. Art. 1 Nr. 2 RL 2003/6/EG definierte, was nach der MAD I als Marktmanipulation galt. Die Definition umfasste einerseits „informationsgestützte“ Marktmanipulationen (s. Rz. 57 ff.), nämlich die Verbreitung von Informationen, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wis22 Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010, BGBl. I 2010, 945; s. hierzu Mülbert in 6. Aufl., §§ 30h ff. WpHG. 23 Ausführungsgesetz zur Verordnung Nr. 648/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz), BGBl. I 2013, 174. 24 Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz) vom 7.5.2013, BGBl. I 2013, 1162, s. hierzu Löper, Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Hochfrequenzhandels in Deutschland, 2015. Zu den Reformschritten auch Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 294. 25 Dazu ausführlich Vogel in 6. Aufl., Vor § 20a WpHG Rz. 9 ff. 26 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 48; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 1 Rz. 8 ff. 27 KOM (1999) 232 endg. 28 Sog. Lamfalussy-Bericht vom 15.2.2001, im Internet zugänglich unter http://ec.europa.eu/internal_market/securi ties/docs/lamfalussy/wisemen/final-report-wise-men_de.pdf. S. hierzu Moloney, Common Market Law Review 40 (2003), 809 ff.; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 2 Rz. 1 ff.; Veil in Veil, European Capital Markets Law, § 1 Rz. 16 ff. 29 2001/527/EG und 2001/528/EG, ABl. EG Nr. L 191 v. 13.7.2001, S. 43 und 45. 30 S. Verordnung Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 31 ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 – Marktmissbrauchsrichtlinie. S. hierzu Dier/Fürhoff, AG 2002, 604 ff.; v. Ilberg/Neises, WM 2002, 635 ff.; Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90 ff. 32 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 54.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 | Vorbemerkungen sen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren (lit. c). Andererseits erfasste die RL 2003/6/EG „handelsgestützte“ Marktmanipulationen (Rz. 61 ff.), nämlich Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, bei denen falsche Tatsachen vorgespiegelt oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung verwendet werden (lit. b), und solche, die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten (lit. a erster Spiegelstrich) oder die den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird, es sei denn, die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe dafür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen (lit. a zweiter Spiegelstrich). 10 Eingeschränkt wurde der Marktmanipulationsbegriff durch die Festlegung von safe harbours, mithin von
Verhaltensweisen, die auf keinen Fall verbotene Marktmanipulationen darstellen. Hierzu zählte Art. 8 RL 2003/6/EG den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Kursstabilisierungsmaßnahmen für ein Finanzinstrument, wenn derartige Transaktionen im Einklang mit den Vorgaben von Durchführungsmaßnahmen erfolgten, die die Europäische Kommission im Komitologieverfahren (Rz. 8) mit Unterstützung durch ESC und CESR bzw. später ESMA erlassen hatte.
11 Die MAD I verpflichtete die Mitgliedstaaten nicht dazu, Verstöße gegen die zur Umsetzung der MAD I ge-
schaffenen Verbote zu kriminalisieren33. Vielmehr musste Marktmanipulation zwar jedermann untersagt werden (Art. 5 RL 2003/6/EG), dabei jedoch nur sichergestellt sein, dass gegen die für Verstöße verantwortlichen Personen „Verwaltungsmaßnahmen“ ergriffen oder „im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen“ verhängt werden konnten (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 RL 2003/6/EG). Diese Maßnahmen mussten freilich insgesamt „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 RL 2003/6/EG)34, und sie mussten öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies nicht die Finanzmärkte erheblich gefährden oder zu unverhältnismäßigem Schaden bei den Beteiligten führen würde (Art. 14 Abs. 4 RL 2003/6/EG). In diesem Zusammenhang legte die MAD I besonderen Wert darauf, dass die Mitgliedstaaten eine einzige Behörde schufen und benannten, die für die Überwachung der Anwendung der Marktmissbrauchsvorschriften zuständig war (Art. 11 RL 2003/6/EG). Diese war mit allen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen auszustatten, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlich waren, insbesondere mit Informationsrechten (Art. 12 RL 2003/6/EG).
12 Ergänzend zur MAD I waren die bereits erwähnten Durchführungsmaßnahmen der Kommission zu beach-
ten, die sie am 9.7.2003 vorgeschlagen und am 22.12.2003 beschlossen hatte35. Die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG der Kommission36 betraf u.a. die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation und umschrieb „Signale“, d.h. nicht schlechterdings zwingende Indizien für das Vorliegen einer Marktmanipulation, seien es falsche und irreführende Signale und Kurssicherungsmaßnahmen (Art. 4 RL 2003/124/EG) oder die Vorspiegelung falscher Tatsachen und sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung (Art. 5 RL 2003/124/ EG). Die weitere Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG der Kommission37 enthielt Regelungen zur sachgerechten Darbietung von Anlageempfehlungen und zur Offenlegung von Interessenkonflikten und verlangte insbesondere, dass Wertpapierdienstleister „alle Beziehungen um Umstände offen legen, bei denen damit gerechnet werden kann, dass sie die Objektivität der Empfehlung beeinträchtigen“ (Art. 5 Abs. 1 RL 2003/ 125/EG). Die in Art. 8 RL 2003/6/EG vorgesehenen safe harbours wurden in der Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission38 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen näher geregelt. Schließlich wurde am 29.4.2004 die Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG der Kommission39 erlassen, die in Art. 2 RL 2004/72/EG bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Marktpraktiken zu berücksichtigende „Faktoren“ angab. Die europäischen Harmonisierungsbestrebungen zur MAD I wurden auf Level 3 durch drei Auslegungsschreiben von CESR unterstützt40. CESR fasste darin im Wesentlichen die von den nationalen Aufsichtsbehörden geteilte Auslegungspraxis zu bestimmten 33 34 35 36 37 38 39 40
Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 18. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 18. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 55 ff. ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70. Vorschlagsfassung in Dokument ESC 22/2003, im Internet abrufbar über http://ec.europa.eu.internal_market/securities/abuse/index_de.htm. ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73. Vorschlagsfassung in Dokument ESC 23/2003, im Internet abrufbar über http://ec.europa.eu.internal_market/securities/abuse/index_de.htm. ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33. Vorschlagsfassung in Dokument ESC 24/2003, im Internet abrufbar über http://ec.europa.eu.internal_market/securities/abuse/index_de.htm.; s. zuvor das bedeutsame Grundlagendokument CESR/02–020b vom April 2002 „Stabilisation and Allotment: A European Supervisory Approach“. ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. Vorschlagsfassung in Dokument ESC 38/2003, im Internet abrufbar über http://ec.europa.eu.internal_market/securities/abuse/index_de.htm. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 58.
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Vorbemerkungen | Rz. 16 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
Vorgaben der MAD I und der Durchführungsrechtsakte zusammen41. Im ersten Auslegungsschreiben vom 11.5.200542 fanden sich Angaben zu zulässigen Marktpraktiken und Verhaltensweisen, die als Marktmanipulation in Betracht kamen. Das zweite Auslegungsschreiben vom 12.7.200743 befasste sich ausschließlich mit dem Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizitätspflicht. Das dritte Auslegungsschreiben vom 15.5.200944 enthielt Spezifizierungen zur Auslegungspraxis hinsichtlich Stabilisierungsmaßnahmen und Rückkaufprogrammen. Die MAD I war bis zum 12.10.2004 umzusetzen (Art. 18 Satz 1 RL 2003/6/EG). Zwar hatte der Gesetzgeber 13 das 4. FFG insbesondere im Bereich Marktmanipulation bereits mit Blick auf die (damals in Entwürfen vorliegende) Marktmissbrauchsrichtlinie formuliert45; jedoch verblieb auch im Hinblick auf die Durchführungsmaßnahmen ein nicht unerheblicher Umsetzungsbedarf, dem gerecht zu werden ein wichtiges Anliegen des AnSVG war (Begr. RegE, BT-Drucks. 15/3174, 26 f.). In der Sache ging der damalige deutsche Gesetzgeber über die europäischen Vorgaben in der MAD I sogar 14 noch hinaus („überschießende Richtlinienumsetzung“)46, insbesondere indem – auch Finanzinstrumente erfasst wurden, die in den regulierten Markt bzw. den Freiverkehr nur einbezogen waren (s. einerseits Art. 1 Nr. 3 neunter Spiegelstrich RL 2003/6/EG und andererseits § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG), – auch die Manipulation der Märkte für Waren und ausländische Zahlungsmittel erfasst wurde (s. einerseits Art. 1 Nr. 3 achter Spiegelstrich RL 2003/6/EG und andererseits § 20a Abs. 4 WpHG, nunmehr § 25 WpHG), – das Marktmanipulationsverbot bereits ab öffentlicher Ankündigung des Antrags auf Zulassung bzw. Einbeziehung galt (s. einerseits Art. 1 Nr. 3 RL 2003/6/EG und andererseits § 20a Abs. 1 Satz 3 WpHG), – für ein verbotenes Verhalten durchweg ausreichte, dass das Verhalten geeignet war, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (s. einerseits Art. 1 Nr. 2a zweiter Spiegelstrich RL 2003/6/EG und andererseits § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG), – auch bloße Unterlassungen gem. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG eine informationsgestützte Marktmanipulation darstellen konnten47. Diese autonomen Erweiterungen unterfielen als gold-plating nicht dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung, und deutsche Gerichte waren nicht zur Vorlage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV verpflichtet48. Bei der Anwendung des nationalen Marktmanipulationsrechts, das unmittelbar auf der MAD I bzw. den 15 hierzu ergangenen europäischen Durchführungsinstrumenten beruhte, waren diese im Wege der richtlinienkonformen Auslegung freilich zu berücksichtigen49. Bei Zweifelsfragen war an ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gem. Art. 267 AEUV zu denken; funktionell letztinstanzliche Gerichte mussten, andere Gerichte konnten solche Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen.
3. (Weitgehende) Vollharmonisierung durch die MAR und Mindestharmonisierung durch die CRIM-MAD Als Reaktion auf die Verwerfungen der Finanzkrise ab 2007 kam es in der Europäischen Union zu einem Regu- 16 lierungstsunami50, der auch eine Ausweitung und Intensivierung der Regulierung der Marktmanipulation mit sich brachte51. Bereits 2008 überprüfte die Europäische Kommission im Rahmen der ohnehin vorgesehenen 41 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 58. 42 CESR, Market Abuse Directive: Level 3 – first set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive, 11 May 2005, CESR/04-505b. 43 CESR, Market Abuse Directive: Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive, 12 July 2007, CESR/06-562b. 44 CESR, Market Abuse Directive: Level 3 – third set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive, 15 May 2009, CESR/09-219. 45 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, 89: „entsprechend der geplanten Richtlinie über den Marktmissbrauch“. 46 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 36; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 66. 47 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 67. 48 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 45. 49 Vgl. allgemein Assmann in 6. Aufl., Einl. Rz. 74 ff. 50 Mülbert, ZHR 176 (2012), 369 ff. 51 Schmolke, AG 2016, 434, 436; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 68 ff.; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 594; Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 1 Rz. 17 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 21.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 16 | Vorbemerkungen Überprüfung der FSAP-Umsetzung die Rechtsvorschriften gegen Marktmissbrauch52. Auf der G20 Konferenz in Pittsburgh 2009 wurde sodann eine internationale Reformagenda angestoßen, die neben anderen Aspekten, eine deutliche Ausweitung des Schutzes vor Marktmanipulation auf die OTC-Märkte einforderte53. In der Folge veröffentlichte die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) im Jahr 2010 Objectives and Principles of Securities Regulation, die eine Empfehlung für ein extensives Marktmanipulationsverbot enthielten54. Nach im Jahr 2009 durchgeführten öffentlichen Konsultationen zur Reform des Marktmissbrauchsrechts reagierte die Europäische Kommission im Jahr 2010 zunächst mit der Mitteilung „Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor“55 und im Folgejahr sodann mit zwei Legislativvorschlägen auf diese internationalen Regulierungsanstöße56: Die vorgeschlagene Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)57 sollte die Marktmissbrauchsrichtlinie ablösen und diese gestützt auf Art. 114 AEUV in unmittelbar geltendes Unionsverordnungsrecht überführen. Der weitere, auf Art. 83 Abs. 2 AEUV gestützte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation58 sah – anders als die MAD I (Rz. 9 ff.) – erstmals strafrechtliche Kriminalisierungspflichten für die Mitgliedstaaten vor59. Die beiden Vorschläge begleitete ein ausführliches Dokument zur Folgenabschätzung60. 17 Nach dem Bekanntwerden der LIBOR- und EURIBOR-Manipulationen ab 2011 überarbeitete die Europäi-
sche Kommission das sich zu diesem Zeitpunkt noch im Entwurfsstadium befindliche Marktmissbrauchsregimes und fügte in den Verordnungsvorschlag (Art. 12 Abs. 1 lit. d) ebenso wie in den Richtlinienvorschlag (Art. 8 Abs. 1 lit. b) Bestimmungen ein, die zu einer ausdrücklichen Erfassung der Manipulation von Financial-Benchmarks führten. Damit bezweckte die Europäische Kommission etwaige Regelungslücken des bestehenden Regimes bzw. der bisherigen Entwürfe zu schließen (näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 219 ff.)61. Die geänderten Vorschläge wurden am 26.7.2012 an den Rat der EU und das Europäische Parlament übermittelt62. Das Parlament billigte den geänderten Vorschlag zur Verordnung63 mit Änderungen am 10.9.201364. Den geänderten Vorschlag zur Richtlinie65 billigte es am 4.2.2014 ebenfalls mit Änderungen66. Die Annahme 52 EU Commission Conference on the Market Abuse Directive (MAD), Brussels, 12 November 2008, Summary of discussion, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/finance/securities/docs/abuse/summary_confernce_en.pdf. Dazu auch Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 68. 53 The G20 Pittsburgh Summit, Leaders Statement (2009), S. 7 f., abrufbar unter: https://www.oecd.org/g20/sum mits/pittsburgh/G20-Pittsburgh-Leaders-Declaration.pdf. 54 IOSCO, The Objectives and Principles of Securities Regulation (June 2010), Absätze 33–38 (S. 12), abrufbar unter: https://www.iosco.org/library/pubdocs/pdf/IOSCOPD323.pdf. 55 KOM [2010] 816 endgültig v. 8.12.2010. 56 Zugänglich über http://ec.europa.eu/internal_market/securities/abuse/index_de.htm. Dazu auch Alexander/Maly, Law and Financial Markets Review 2015, 243, 245; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 69; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 3. 57 KOM[2011] 651 endgültig v. 20.10.2011. 58 KOM[2011] 654 endgültig v. 20.10.2011. 59 Dazu Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1191. 60 European Commission, Commission Staff Working Paper – Impact Assessment, SEC (2011) 1217 final, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011SC1217&from=DE. 61 Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (vorgelegt gemäß Artikel 293 Absatz 2 AEUV)/* COM/2012/0421 final – 2011/0295 (COD) */; Geänderter Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (vorgelegt gemäß Artikel 293 Absatz 2 AEUV); Europäische Kommission, Pressemitteilung, Brüssel, 25.7.2012, Libor-Skandal: Kommission schlägt EU-weite Maßnahme zur Bekämpfung von Zinsmanipulationen vor, abrufbar unter: http:// europa.eu/rapid/press-release_IP-12-846_de.htm?locale=en. Dazu Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 75 f.; Alexander/Maly, Law and Financial Markets Review 2015, 243, 245; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 70. 62 Zum Gesetzgebungsverfahren, s. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri=CELEX:32014R0596. 63 KOM/2012/421/Final. 64 Europäisches Parlament, Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) ***I Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.9.2013 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (COM(2011)0651 – C7-0360/2011 – 2011/0295(COD)), ABl. EU Nr. C 93 v. 9.3.2016, S. 360, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/ legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013AP0342&from=EN. 65 KOM/2012/420/Final. 66 European Parliament, Criminal sanctions for insider dealing and market manipulation ***I European Parliament legislative resolution of 4 February 2014 on the proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on criminal sanctions for insider dealing and market manipulation (COM(2011)0654 – C7 – 0358/2011 – 2011/0297(COD)), abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML +TA+P7-TA-2014-0057+0+DOC+PDF+V0//EN.
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Vorbemerkungen | Rz. 20 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
beider Vorschläge durch den Rat der EU erfolgte am 14.4.2014. Die Unterzeichnung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments und den Präsidenten des Rates der EU schloss sich am 16.4.2014 an67. Die Verordnung Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmiss- 18 brauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72 EG der Kommission (MAR) wurde am 12.6.2014 im Amtsblatt der EU veröffentlicht68 und trat gem. Art. 39 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung, mithin am 2.7.2014, in Kraft. Die wesentlichen Bestimmungen entfalten ihre Geltung gem. Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erst seit dem 3.7.2016. Die Richtlinie 2014/57/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulationen (Marktmanipulationsrichtlinie) (CRIM-MAD) trat ebenfalls am 2.7.2014, mithin am zwanzigsten Tag nach ihrer Verkündung im Amtsblatt der EU am 12.6.201469, in Kraft (Art. 14 RL 2014/57/EU). Die Mitgliedstaaten hatten ihre Vorgaben bis zum 3.7.2016 umzusetzen (Art. 13 Abs. 1 RL 2014/57/EU). Art. 56 Verordnung (EU) Nr. 2016/1011 (Benchmark-VO) und Art. 2 Verordnung (EU) Nr. 2016/1033 bewirkten kleinere Änderungen am Verordnungstext, die aber nicht das Marktmanipulationsrecht betreffen. Ferner wurde der (deutsche) Verordnungstext am 21.10.201670, am 15.11.201671 und am 21.12.201672 berichtigt, was zu einer Bereinigung einiger sprachlicher Unzulänglichkeiten und Übersetzungsfehlern führte. Eine konsolidierte Fassung, die die Änderungen und Berichtigungen berücksichtigt, ist auf der Website der Europäischen Union abrufbar73. In Deutschland wurden die neuen Vorgaben von MAR und CRIM-MAD durch das Erste Gesetz zur Novel- 19 lierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte vom 30.6.2016 (Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 1. FiMaNoG)74 bereits zum 2.7.2016 umgesetzt (Art. 17 1. FiMaNoG). Das Ausführungsgesetz regelte die Aufhebung der materiell-rechtlichen Verhaltensgebote und -verbote, insbesondere des § 20a WpHG, daneben aber auch der §§ 12–14, 15a und 15b WpHG, erweiterte die öffentlich-rechtlichen Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse der BaFin und verschärfte zahlreiche Sanktionsregelungen75. Seit dem 3.7.2016 ist das Marktmanipulationsverbot des früheren § 20a WpHG von den unmittelbar gelten- 20 den Bestimmungen der MAR abgelöst und sind die Vorgaben von MAR und CRIM-MAD im WpHG und anderen Gesetzen umgesetzt76. Das neue europäische Marktmanipulationsrecht ist innerhalb der EU nunmehr weitgehend vollharmonisiert und bildet einen wichtigen Teil des single rulebook für den europäischen Finanzmarkt77. Die einzelnen Regelungen der MAR sind dementsprechend grundsätzlich vollharmonisierend (vgl. Erwägungsgründe 3–5 VO Nr. 596/2014)78, wofür jedenfalls tendenziell zudem die Wahl des Art. 114 AEUV als Ermächtigungsgrundlage spricht79. Erleichtert wird dieser Vollharmonisierungsansatz durch die Wahl der Verordnung als Regulierungsinstrument80. Vollharmonisiert ist insbesondere das Verbot der Marktmanipulation der Art. 12 und 15 VO Nr. 596/201481. Bestimmte Öffnungsklauseln belassen den 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78
79 80 81
Zum Gesetzgebungsverfahren, s. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri=CELEX:32014R0596. ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1. ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 179. Berichtigung, ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320 (VO Nr. 596/2014). Berichtigung, ABl. EU Nr. L 306 v. 15.11.2016, S. 43 (VO Nr. 1011/2016). Berichtigung, ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83 (VO Nr. 596/2014). http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02014R0596-20160703&from=EN. Zum mehrfachen Berichtigungserfordernis Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 4. BGBl. I 2016, 1514 ff. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 296; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 100 ff. Die umsetzenden nationalen Bestimmungen sind gem. Art. 17 Abs. 1 1. FiMaNoG bereits zum 2.7.2016 in Kraft getreten (Rz. 19). Zu den dadurch etwaig auftretenden Friktionen mit dem Grundsatz einer Bestrafung nach dem mildesten Gesetz s. Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 36 ff. Klöhn, AG 2016, 423, 425; Poelzig, NZG 2016, 528, 529; Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1195; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 81 ff., 115; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 1 Rz. 20 f., § 3 Rz. 23 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 1, 5. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 1; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 15 MAR Rz. 2; Bator, BKR 2016, 1, 14; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 20; Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 50; Poelzig, NZG 2016, 528, 529; Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1195; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 82 f.; Veil, ZBB 2014, 85, 87. So Schmolke, AG 2016, 434, 437; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 82. Vgl. Schmolke, AG 2016, 434, 436, der freilich zu Recht darauf hinweist, dass mit der Entscheidung für eine Verordnung der Harmonisierungsgrad noch nicht prädeterminiert ist. So auch Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 594 f.; der Verordnungswahl jedenfalls tendenzielle Wirkung beimessend Veil, ZBB 2014, 84, 87. Schmolke, AG 2016, 434, 437; Bator, BKR 2016, 1, 4; Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1195.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 | Vorbemerkungen Mitgliedstaaten freilich auch Spielräume82 und dementsprechend finden sich im neuen Marktmanipulationsregime auch mindestharmonisierende Regelungen, wie etwa Art. 30 VO Nr. 596/2014 und insbesondere die Art. 5 ff. RL 2014/57/EU83. Im Bereich des Strafrechts steht dem Europäischen Gesetzgeber auf der Basis des Art. 83 Abs. 1 AEUV von vornherein nur eine Mindestharmonisierungskompetenz zu84. Unionsrechtlich unbenommen ist die Erweiterung des Marktmanipulationsverbots auf außerhalb des Anwendungsbereichs der MAR liegende Handelsobjekte85, wie es der deutsche Gesetzgeber durch § 25 WpHG (früher § 20a Abs. 4 WpHG) unternimmt.
II. Regelungssystematik des europäischen Marktmanipulationsregimes 21 Die neue Marktmanipulationsregulierung wirkt auf unterschiedlichen Regelungsebenen. Kernstück des eu-
ropäischen Marktmissbrauchsrechts (Level 1-Maßnahmen) bilden die Verbots- und Ausnahmevorschriften auf Verordnungsebene sowie die Kriminalisierungsverpflichtungen für die Mitgliedstaaten in der CRIMMAD bzw. deren Umsetzung in nationales Recht. Weiter konkretisiert werden die Vorgaben der Verordnung durch verbindliche Tertiärrechtsakte der Europäischen Kommission (Level 2-Maßnahmen) sowie durch – für die Normunterworfenen unverbindliche – Verlautbarungen der ESMA (Level 3-Maßnahmen) und der nationalen Aufsichtsbehörden. Das Wechselspiel zwischen diesen unterschiedlichen Regelungsebenen, aber auch die teils verworrene Regelungssystematik auf den einzelnen Ebenen führt zu einer hohen Regelungskomplexität86.
1. Verordnungsebene (Level 1) 22 Auf Ebene der MAR bestimmt Art. 12 VO Nr. 596/2014 zunächst, welche Handlungen für die Zwecke der
Verordnung eine Marktmanipulation darstellen. Art. 15 VO Nr. 596/2014 enthält die eigentliche Verbotsvorschrift, indem er bestimmt, dass Marktmanipulation und der Versuch hierzu verboten sind (Rz. 26 f.). Verstreut über die gesamte MAR finden sich sodann dogmatisch unterschiedlich einzuordnende Ausnahmevorschriften, so für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen (Art. 5 VO Nr. 596/2014, s. insoweit Rz. 29), für Maßnahmen im Rahmen der Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung und der Klimapolitik (Art. 6 VO Nr. 596/2014 Rz. 5), für den Fall, dass eine Handlung eine zulässige Marktpraxis darstellt (Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 31), sowie für journalistische Tätigkeiten (Art. 21 VO Nr. 596/2014 Rz. 32). Art. 16 VO Nr. 596/2014 regelt die Einbindung von Privaten in die Aufdeckung manipulativer Handlungen (Rz. 33 ff.). Zudem finden sich in der MAR Vorgaben an die Mitgliedstaaten zur Rechtsdurchsetzung und Sanktionierung (Rz. 36 f.). a) Definition der Marktmanipulation (Art. 12 und Anhang I VO Nr. 596/2014)
23 Handlungen, die Marktmanipulationen im Sinne der MAR darstellen, werden durch Art. 12 Abs. 1 VO
Nr. 596/2014 anhand von vier Buchstaben (a–d) definiert: Nach lit. a sind der Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung eine Marktmanipulation, die (i) falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikate beruhenden Auktionsobjekts geben oder bei denen dies wahrscheinlich ist oder (ii) ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts sichern oder bei denen dies wahrscheinlich ist. Lit. b erklärt den Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags und jegliche sonstige Tätigkeit oder Handlung an den Finanzmärkten zu einer Marktmanipulation, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifika-
82 Vgl. Schmolke, AG 2016, 434, 436; Poelzig, NZG 2016, 528, 529; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595; Veil, ZBB 2014, 85, 87; von Buttlar, BB 2014, 451, 453; Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371, 2377 ff. 83 Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 50; Schmolke, AG 2016, 434, 437; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 82; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595. 84 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 81. 85 Schmolke, AG 2016, 434, 437; Klöhn, AG 2016, 423, 425; Poelzig, NZG 2016, 528, 530. 86 So auch Schmolke, AG 2016, 434, 437; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 72; Hemeling, ZHR 181 (2017), 595, 595 f.; Kalss in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 18 Rz. 16 f.; Veil in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 1 Rz. 22.
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Vorbemerkungen | Rz. 27 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
ten beruhenden Auktionsobjekts beeinflusst oder hierzu geeignet ist. Lit. c erklärt die Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich des Internets oder auf anderem Wege zu einer Marktmanipulation, soweit diese falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts oder der Nachfrage danach geben oder soweit dies wahrscheinlich ist oder soweit die Verbreitung von Informationen ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts herbeiführen oder dies wahrscheinlich ist, einschließlich der Verbreitung von Gerüchten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet, weiß oder wissen muss, dass sie falsch oder irreführend sind. Gem. lit. d ist eine Marktmanipulation zudem die Übermittlung falscher oder irreführender Angaben oder die Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten bezüglich eines Referenzwerts, wenn die Person, die die Informationen übermittelt oder die Ausgangsdaten bereitstellt, weiß oder wissen muss, dass sie falsch oder irreführend sind sowie sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird. Die CRIM-MAD kennt mit Art. 5 Abs. 2 eine eigene und in Nuancen abweichende Definition der Marktmanipulation87. Ausführlich zu den erfassten Manipulationshandlungen Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 42 ff. Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Handlungen, die als 24 Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 VO Nr. 596/2014 gelten. Dazu zählen Marktmanipulationen im Zusammenhang mit einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014), der Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Handelsbeginn oder Handelsschluss mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge, dass dies bestimmte Anleger in die Irre führt (Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014), bestimmte Manipulationsstrategien im Hochfrequenzhandel, die ein falsches Bild über das Handelsvolumen bestimmter Finanzinstrumente erzeugen (Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014), sowie die Ausnutzung der Wirkung von Stellungnahmen nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014, die freilich schon in Art. 1 Nr. 2 MAD I aufgeführt waren. Hinzu tritt mit Art. 12 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 eine Erstreckung auf den Emissionszertifikatehandel (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 281). Ausführlich zu den erfassten Handlungsweisen Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 234 ff. Um Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a und lit. b VO Nr. 596/2014 erkennen zu können, 25 gibt Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Anhang I VO Nr. 596/2014 den Aufsichtsbehörden und bestimmten Marktteilnehmern Indikatoren an die Hand, die auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung sowie auf falsche oder irreführende Signale und die Sicherung der Herbeiführung bestimmter Kurse hindeuten. Ausführlich Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 97 ff., 283 ff. b) Verbot der Marktmanipulation (Art. 15 VO Nr. 596/2014) Die eigentliche Verbotsvorschrift beinhaltet der mit „Verbot der Marktmanipulation“ überschriebene 26 Art. 15 VO Nr. 596/2014, indem dieser vorsieht, dass Marktmanipulationen und der Versuch hierzu verboten sind88. Mit dem Begriff der Marktmanipulation rekurriert Art. 15 VO Nr. 596/2014 auf die Definition der Marktmanipulation in Art. 12 VO Nr. 596/2014, weshalb sich das Verbotsregime nur im Zusammenwirken der beiden Artikel erschließt. Das Verbot richtet sich an alle natürlichen und juristischen Personen89 und erfasst sowohl einzeln als auch gemeinschaftlich handelnde Personen90. Verboten ist sowohl die Durchführung als auch der Versuch einer Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 VO Nr. 596/ 27 2014. Durchgeführt ist eine Marktmanipulation, wenn alle Handlungen, (potenziellen) Wirkungen und subjektiven Voraussetzungen, die in Art. 12 VO Nr. 596/2014 genannt sind, voll erfüllt sind. Erwägungsgrund 41 VO Nr. 596/2014 erläutert, dass ein Versuch insbesondere dann vorliegen kann, wenn eine Aktivität begonnen, aber beispielsweise aufgrund technischen Versagens oder eines Handelsauftrags, der nicht ausgeführt wird, nicht vollendet wird. In der Erstreckung auf den Versuch der Marktmanipulation liegt eine weitere Verschärfung des MAR-Regimes im Vergleich zur MAD I91. Die Ausweitung der Verbotsvorschriften auf den Versuch zeigt deutlich, dass das europäische Recht gefährliche Verhaltensweisen als solche, unabhängig von den Auswirkungen auf den Markt, unterbinden will. Mit dieser Erstreckung des Verbots auf den Versuch ist es den Aufsichtsbehörden/Gerichten möglich, bereits entsprechende Versuche mit Sanktionen zu belegen bzw. frühzeitig bei gefährlichem Marktverhalten einzugreifen (so Erwägungsgrund 41 Satz 2 VO Nr. 596/2014). 87 88 89 90 91
Dazu Schmolke, AG 2016, 434, 437; ferner ausführlich Kudlich, AG 2016, 459, 461 f. Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 15 MAR Rz. 1. Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 67. Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 67. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 295.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 28 | Vorbemerkungen c) Ausnahmetatbestände (Art. 5, 6, 13 und 21 VO Nr. 596/2014) 28 Über die gesamte MAR sind Ausnahmevorschriften unterschiedlicher dogmatischer Kategorie verstreut. Un-
ter den allgemeinen Bestimmungen (Art. 1–6 VO Nr. 596/2014) und damit vor die Klammer gezogen, finden sich die Safe-harbour-Bestimmungen zu Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen, die gleichermaßen für die Insiderverbote wie auch für das Marktmanipulationsverbot gelten. Gleiches gilt für die Bereichsausnahme für Maßnahmen der Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung, der Klima- und Agrarpolitik. Unmittelbar nur das Marktmanipulationsregime betreffend, enthält Art. 13 VO Nr. 596/2014 – im systematischen Zusammenhang mit der Definitionsnorm des Art. 12 VO Nr. 596/2014 – Regelungen zur zulässigen Marktpraxis. Systematisch im Zusammenhang mit den Offenlegungsvorschriften (Kapitel 3, Art. 17–21 VO Nr. 596/2014) stellt Art. 21 VO Nr. 596/2014 eine Sondervorschrift für den Umgang mit journalistischen Tätigkeiten dar, die auch für das Marktmanipulationsverbot von Bedeutung ist.
29 Nach Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 gelten die Verbote für Insidergeschäfte (Art. 14 VO Nr. 596/2014) und
das Marktmanipulationsverbot des Art. 15 VO Nr. 596/2014 nicht für den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen, wenn die in Art. 5 Abs. 1–3 VO Nr. 596/2014 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Eine entsprechende Verbotsausnahme gilt gem. Art. 5 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 für den Handel mit Wertpapieren oder verbundenen Instrumenten zur Stabilisierung des Kurses von Wertpapieren (Stabilisierungsmaßnahmen), sofern die in Art. 5 Abs. 4 lit. a–d VO Nr. 596/2014 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Näher dazu die Kommentierung zu Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff.
30 Art. 6 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 schafft zweck- und personengebundene Bereichsausnahmen – auch
vom Verbot der Marktmanipulation – für bestimmte europäische und mitgliedstaatliche Stellen, sofern tatbestandlich den Verbotsvorschriften der MAR unterfallende Geschäfte, Aufträge oder Handlungen aus geldoder wechselkurspolitischen Gründen, im Rahmen der Staatsschuldenverwaltung oder der Klima- und Agrarpolitik stattfinden und ihrerseits spezielleren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen unterworfen sind92. Näher dazu die Kommentierung zu Art. 6 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff.
31 Art. 13 VO Nr. 596/2014 ermöglicht den jeweils zuständigen Behörden, bestimmte Marktpraktiken als zu-
lässig anzuerkennen. Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a Unterabs. 2 und Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 gilt das Verbot gem. Art. 15 VO Nr. 596/2014 nicht für die in Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten Handlungen, wenn die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gemäß Art. 13 VO Nr. 596/2014 steht. Erforderlich sind mithin der Nachweis, dass ein bestimmtes Geschäft den Kriterien einer zuvor von einer zuständigen Behörde festgesetzten Marktpraxis genügt, und legitime Gründe für die Vornahme der Handlung. Da den jeweils zuständigen nationalen Behörden die Befugnis zur Festlegung entsprechender Marktpraktiken zugesprochen wird, nimmt die MAR hier eine Durchbrechung der vollharmonisierenden Wirkung der MAR (Rz. 20) zwischen den Mitgliedstaaten hin93, wenngleich durch die materiellen Vorgaben an die Marktpraxis in Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und die Einbindung der ESMA in den Erlassprozess eine gewisse Vereinheitlichung zu erreichen versucht wird. Die praktische Bedeutung der Vorschrift mag ohnehin bezweifelt werden. Bislang hat jedenfalls die BaFin für Deutschland94 – auch auf Basis der Vorgängerregelung des § 20a Abs. 2 WpHG – noch keine entsprechende Marktpraxis zugelassen95. Art. 13 VO Nr. 596/2014 wurde mit Wirkung zum 1.1.2021 durch die Verordnung (EU) 2019/2115 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten um die Absätze 12 und 13 ergänzt. Nach Art. 13 Abs. 12 VO Nr. 596/2014 darf ein Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, für seine Aktien einen Liquiditätsvertrag schließen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und es stellt dieses Vorgehen keine Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 dar. Näher die Kommentierung zu Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff.
32 Art. 21 VO Nr. 596/2014 bezweckt einen Ausgleich zwischen der Kapitalmarktintegrität und dem Schutz
der Meinungs- und Pressefreiheit96. Nach der Vorschrift müssen bei der Beurteilung einer Offenlegung von Informationen in der Öffentlichkeit vor dem Hintergrund des Verbots einer Marktmanipulation nach Art. 15, 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 die Pressefreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung in ande92 Dazu auch de Schmidt, RdF 2016, 4, 8; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 359; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 18; Klöhn, ZBB 2020, 265. 93 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 501. 94 Zu anderen Mitgliedstaaten Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 191 ff. 95 Gehrmann, WM 2016, 542, 543; Graßl, DB 2015, 2066, 2071; Kert, NZWiSt 2013, 252, 256; Krause, CCZ 2014, 148; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 502. 96 Klöhn/Büttner, WM 2016, 2241, 2241 f.
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Vorbemerkungen | Rz. 36 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
ren Medien sowie der journalistischen Berufs- und Standesregeln berücksichtigt werden, es sei denn, die jeweils handelnde Person oder einer mit ihr in enger Verbindung stehenden Person erwächst ein unmittelbarer oder mittelbarer Vorteil aus der Offenbarung der Information (Art. 21 lit. a VO Nr. 596/2014) oder die Weitergabe oder Verbreitung der Information erfolgt in der Absicht, den Markt in Bezug auf das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs zu beeinflussen (Art. 21 lit. b VO Nr. 596/2014). Durch die Berücksichtigung dieser Erwägungen kommt der Unionsgesetzgeber seinem Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV nach97. Näher dazu die Kommentierung zu Art. 21 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff. d) Einbindung Privater durch Melde- und Überwachungspflichten (Art. 16 VO Nr. 596/2014) Nach der unmittelbar geltenden unionsrechtlichen Pflicht aus Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Satz 1 33 VO Nr. 596/2014 sind Marktbetreiber und Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, verpflichtet, „Aufträge und Geschäfte, einschließlich deren Stornierung oder Änderung“, die Marktmanipulationen oder versuchte Marktmanipulationen sein könnten, unverzüglich der zuständigen Behörde des betreffenden Handelsplatzes zu melden (Meldepflicht)98. Diese Meldepflichten werden konkretisiert durch technische Standards auf Basis von Ausarbeitungen der ESMA99. Ausführlich zu den Meldepflichten Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 41 ff. Zur Flankierung dieser Regelungen hat die BaFin entsprechend der Verpflichtung aus Art. 32 VO Nr. 596/2014 34 ein Whistleblower-System eingerichtet100. Die Bestimmung will Informanten zur Unterrichtung der Aufsichtsbehörden befähigen und vor Vergeltungsmaßnahmen schützen (Erwägungsgrund 74 VO Nr. 596/2014). Konkretisiert werden die Vorgaben des Art. 32 VO Nr. 596/2014 durch die Durchführungsrichtlinie 2015/ 2392 der Kommission. Die nationale Umsetzung der Vorgaben findet sich in Deutschland im Finanzdienstleistungs-Aufsichtsgesetz (FinDAG). Näher dazu die Kommentierung zu Art. 32 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff.
Art. 16 VO Nr. 596/2014 statuiert ferner Überwachungs- und Überwachungssystemeinrichtungspflichten. 35 Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verweist insoweit auf die bereits auf Basis der Art. 31 und 54 RL 2014/65/EU (MiFID II) bestehende Verpflichtung von Wertpapierfirmen und Betreiber von Märkten, „wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren zur Vorbeugung und Aufdeckung“ von Marktmissbrauch und versuchtem Marktmissbrauch zu schaffen (dazu ausführlich Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 19 ff.). Art. 16 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 erstreckt diese Verpflichtung auf Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen. Diese werden ebenfalls zum Betreiben wirksamer Regelungen, Systeme und Verfahren zur Vorbeugung und Aufdeckung von Insidergeschäften, Marktmissbrauch, versuchten Insidergeschäften und versuchtem Marktmissbrauch verpflichtet. Die Pflichten werden weiter konkretisiert durch technische Standards auf Basis von Ausarbeitungen der ESMA101. Kreditinstitute sind zudem bereits durch die CRR und das KWG zur Einrichtung von Compliancesystemen verpflichtet102. Ähnliche Pflichten ergeben sich zudem für Wertpapierinstitute nach dem WpIG. Parallele und komplementäre Pflichten bestehen für beaufsichtigte Kontributoren und Kontributoren für Referenzzinssätze zudem nach der Benchmark-VO103. Näher zu den Vorgaben der MAR Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 19 ff. e) Regelungen zur Rechtsdurchsetzung und Sanktionierung Art. 23 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie die jeweils zuständigen Behörden 36 (Art. 22 VO Nr. 596/2014) mit bestimmten Ermittlungs- und Eingriffsbefugnissen ausstatten. Die Befugnisse
97 Erwägungsgrund 77 VO Nr. 596/2014; dazu auch Klöhn/Büttner, WM 2016, 2241, 2241 f. 98 Bereits nach altem Recht waren Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Betreiber von außerbörslichen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, nach § 10 Abs. 1 WpHG a.F. dazu verpflichtet, Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft über Finanzinstrumente gegen ein Verbot oder Gebot nach dem früheren § 20a WpHG verstoßen wird, unverzüglich der BaFin mitzuteilen. 99 ESMA, Draft Technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/2015/1455 Rz. 134 ff., abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-esma-1455_-_final_report_mar _ts.pdf. 100 Dazu auch Poelzig, NZG 2016, 492, 494 f. 101 ESMA, Draft Technical standards on the Market Abuse Regulation, 28 September 2015, ESMA/2015/1455 Rz. 134 ff., abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-esma-1455_-_final_report_mar _ts.pdf. 102 Dazu Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502; Mülbert/Wilhelm in Busch/Ferrarini, European Banking Union, 2015, S. 155 jeweils m.w.N. 103 Dazu ausführlich Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 117 ff.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 36 | Vorbemerkungen der BaFin wurden in Umsetzung dieser Vorgaben durch das 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz im nunmehrigen § 6 WpHG gegenüber dem Regime der MAD I teils erweitert (§ 6 WpHG Rz. 6 ff. und Art. 23 VO Nr. 596/2014 Rz. 11 ff.)104. Zudem enthalten die Art. 30, 31 und 34 VO Nr. 596/2014 Vorgaben zu verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und anderen Sanktionen, die – ähnlich wie sonst Richtlinien – zahlreiche Umsetzungsaktivitäten der nationalen Gesetzgeber erforderten. In Deutschland wurden die entsprechenden Vorschriften ebenfalls durch das 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz in nationales Recht umgesetzt. 37 Zur aufsichtsrechtlichen Sanktionierung von Verstößen noch Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 28 ff.
2. Vorgaben zur strafrechtlichen Ahndung auf Richtlinienebene (Level 1) 38 Art. 5 RL 2014/57/EU (CRIM-MAD) verpflichtet die Mitgliedstaaten – anders als noch die RL 2003/6/EG
(MAD I) (Rz. 9 ff.) – dazu, jedenfalls schwerwiegende und vorsätzliche Marktmanipulationen strafrechtlich zu ahnden. Diese ausdrückliche Verpflichtung zu einer strafrechtlichen Sanktionierung auf Grundlage des Art. 83 Abs. 2 AEUV stellt ein Novum dar und ist auch in kompetenzrechtlicher Hinsicht nicht unumstritten105. Der deutsche Gesetzgeber hatte die Marktmanipulation freilich schon früher durch § 38 WpHG a.F. strafrechtlich sanktioniert106.
39 Die richtlinienkonforme107 Umsetzung dieser Vorgaben fand sich nach der Änderung des WpHG durch das
1. Finanzmarktnovellierungsgesetz zunächst in § 38 WpHG a.F. und nach der Neuordnung des WpHG durch das 2. Finanzmarktnovellierungsgesetz nunmehr in § 119 WpHG. An die Vorgängerregelung anknüpfend, wird nach § 119 Abs. 1 WpHG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer vorsätzlich eine in § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG bezeichnete Handlung begeht und durch diese Handlung auch tatsächlich auf den Preisbildungsprozess einwirkt108. Während für die Verwirklichung des Marktmanipulationsverbots des Art. 15 VO Nr. 596/2014 und des daran allein anknüpfenden Ordnungswidrigkeitentatbestands des § 120 WpHG eine Einwirkungseignung genügt, bedarf es für die Verwirklichung des Straftatbestands des § 119 Abs. 1 WpHG zusätzlich einer tatsächlichen Einwirkung auf den Kursverlauf (Erfolgsqualifikation)109. Erwägungsgrund 12 RL 2014/57/EU konkretisiert insoweit, dass eine Marktmanipulation u.a. in Fällen als schwerwiegend betrachtet werden sollte, in denen „die Auswirkungen auf die Integrität des Markts, der tatsächliche oder potenziell erzielte Gewinn oder vermiedene Verlust, das Ausmaß des auf dem Markt entstandenen Schadens, die Änderung des Werts der Finanzinstrumente oder Waren-Spot-Kontrakte oder der Betrag, der ursprünglich genutzten Mittel hoch sind oder wenn die Manipulation von einer Person begangen wird, die im Finanzsektor oder in einer Aufsichts- bzw. Regulierungsbehörde angestellt oder tätig ist“. In Umsetzung dieser Vorgaben erachtet der deutsche Gesetzgeber die tatsächliche Einwirkung auf den Preisbildungsprozess als schwerwiegenden und deshalb strafrechtlich zu ahndenden Fall110. In Umsetzung des Art. 6 Abs. 2 RL 2014/57/EU ist auch der Versuch einer Marktmanipulation als ein erfolgsqualifiziertes Delikt strafbar (§ 119 Abs. 4 WpHG), mithin vor allem dann, wenn das Grunddelikt vollendet, der intendierte Erfolg der Kursbeeinflussung aber nicht eingetreten ist111. Allerdings wird der Nachweis des auf die Erfolgsherbeiführung gerichteten Vorsatzes insbesondere dann schwierig sein, wenn sich noch nicht einmal die Kausalität zwischen Manipulationshandlung und Kursbewegung nachweisen lässt. Verwirklicht ist dann allenfalls der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG, der keine tatsächliche Kurbeeinflussung
104 Poelzig, NZG 2016, 492, 493. 105 Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 84 f.; Kudlich, AG 2016, 459, 461 f.; Veil/Brüggemeier in Fleischer/Kalss/ Vogt, Enforcement im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2015, S. 277, 278. 106 S. Vogel in 6. Aufl. zu § 38 WpHG. 107 Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; Poelzig, NZG 2016, 492, 495; wohl auch de Schmidt, RdF 2016, 4, 9; kritisch Teigelack/Dolff, BB 2016, 387, 391 f. 108 Unabhängig von der Diskussion, ob das Marktmanipulationsverbot als solches dem Bestimmtheitsgebot genügt – sie wurde insbesondere zu § 20a WpHG intensiv geführt (s. nur Vogel in 6. Aufl., Vor § 20a WpHG Rz. 26 ff. m.w.N. und auch Vor § 119 WpHG Rz. 33 f.) und wird auch heute noch vorgetragen (etwa Kämpfer/Travers in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.2.2022, § 119 WpHG Rz. 19 ff.; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, § 119 WpHG Rz. 58 ff.) –, wirft die Strafbarkeitsbegründung durch lange Verweisungsketten eigene Bestimmtheitsprobleme auf (dazu Vor § 119 WpHG Rz. 36; Kudlich, AG 2016, 459, 463). Noch nicht abschließend geklärt ist auch, an welchem Bestimmtheitsmaßstab (unionsrechtlicher/EMRK-Bestimmtheitsgrundsatz oder Grundgesetz) sich die Norm messen lassen muss. S. dazu nur Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 11 ff.; sowie Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 24 ff.; Böse/Jansen in Schwark/Zimmer, § 119 WpHG Rz. 5. 109 S. auch Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64. 110 Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64. S. auch Kudlich, AG 2016, 459, 462. 111 S. Kämpfer/Travers in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.2.2022, § 119 WpHG Rz. 120.
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Vorbemerkungen | Rz. 42 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
erfordert. In der Praxis ist allerdings zu beobachten, dass Staatsanwaltschaften in der Verfolgungs- und Anklagepraxis zunehmend auch in Fällen fehlender tatsächlicher Kursbeeinflussung oder jedenfalls nicht nachweisbarer Kausalität mit § 119 Abs. 4 WpHG das scharfe strafrechtliche Schwert in Stellung bringen.
3. Tertiärrechtsakte (Level 2) Die dritte Regelungsebene im neuen Marktmissbrauchsregime bilden die Tertiärrechtsakte, die von der Eu- 40 ropäischen Kommission erlassenen delegierten Rechtsakte i.S.d. Art. 290 AEUV und die der Konkretisierung dienenden Durchführungsrechtsakte i.S.d. Art. 291 AEUV. Im Rahmen des Marktmanipulationsregimes ist die Europäische Kommission zum einen in Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 zum Erlass unabhängiger delegierter Rechtsakte (Rz. 41) sowie in den Art. 5 Abs. 6, 13 Abs. 7 und 16 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 zum Erlass delegierter Rechtsakte in der Form technischer Regulierungsstandards (RTS) nach Art. 10–14 VO Nr. 1095/ 2010 (Rz. 42) ermächtigt112. a) (Unabhängige) delegierte Rechtsakte Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 gibt der Europäischen Kommission die Befugnis zur Präzisierung der in 41 Anhang I genannten Indikatoren. Von dieser Ermächtigung hat die Europäische Kommission durch Erlass der delegierten Verordnung Nr. 2016/522 (DelVO 2016/522) Gebrauch gemacht113. Deren Abs. 4 präzisiert die in Anhang I VO Nr. 596/2014 genannten Indikatoren durch die Auflistung praktischer Anwendungsbeispiele114. Vor Erlass hatte die Europäische Kommission mit Schreiben vom 8.10.2013 die ESMA um die Ausarbeitung eines technical advice ersucht115, dem diese mit ihrem Final Report vom 3.2.2015 nachkam116. Näher zu den Präzisierungsbeispielen Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 97 ff. und 181 ff. b) Technische Regulierungsstandards (RTS) Die Art. 5 Abs. 6, Art. 13 Abs. 7, Art. 13 Abs. 12 und Art. 16 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 ermächtigen die 42 Europäische Kommission zum Erlass technischer Regulierungsstandards (RTS) nach Art. 10–14 VO Nr. 1095/2010. Insoweit hatte die ESMA zur Gewährleistung hinreichender Harmonisierung zwischen den Mitgliedstaaten entsprechende Entwürfe technischer Regulierungsstandards auszuarbeiten und diese der Europäischen Kommission im Falle der Art. 5 und Art. 13 VO Nr. 596/2014 bis zum 3.7.2015 und im Falle des Art. 16 VO Nr. 596/2014 bis zum 3.7.2016 vorzulegen. Auf Grundlage der Ausarbeitungen von ESMA hat die Europäische Kommission – die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1052 (DelVO 2016/1052) vom 8.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die auf Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen anwendbaren Bedingungen117, – die Delegierte Verordnung (EU) 2016/908 (DelVO 2016/908) vom 26.2.2016 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Kriterien, das Verfahren und die Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis und die Anforderungen an ihre Beibehaltung, Beendigung oder Änderung der Bedingungen für ihre Zulässigkeit118 und – die Delegierte Verordnung 2016/957 (DelVO 2016/957) vom 9.3.2016 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die geeigneten Regelungen, Systeme und Verfahren sowie Mitteilungsmuster zur Vorbeugung, Aufdeckung und Meldung von Missbrauchspraktiken oder verdächtigen Aufträgen oder Geschäften119 112 Übersicht etwa bei Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 298. 113 Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 596/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften, ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1. 114 Dazu auch Schmolke, AG 2016, 434, 438; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 462. 115 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/finance/securities/docs/abuse/131023_esma-mandate_en.pdf. 116 ESMA, Final Report – ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-224.pdf. 117 ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 34. 118 ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3. 119 ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 42 | Vorbemerkungen – die Delegierte VO (EU) 2022/1959 (DelVO 2022/1959) vom 13.7.2022 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung eines Vertragsmusters für Liquiditätsverträge für die Aktien von Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind120 verfahrensgemäß erlassen. Die drei ersten delegierten Rechtsakte sind mit der MAR am 3.7.2016 in Kraft getreten (Art. 19 DelVO 2016/1052, Art. 14 DelVO 2016/908 und Art. 9 DelVO 2016/957) und in einzelnen Sprachfassungen auch teilweise geändert worden121. Die DelVO 2022/1959 ist gem. ihres Art. 2 am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU am 18.10.2022 in Kraft getreten.
4. Leitlinien und Empfehlungen der ESMA (Level 3) und sonstige aufsichtsbehördliche Verlautbarungen 43 Leitlinien und Empfehlungen (Guidelines and Recommendations) der ESMA sind echte Level 3-Maßnah-
men, wenngleich sie für Marktteilnehmer und auch für nationale Aufsichtsbehörden keine unmittelbare Bindungswirkung entfalten122. Nationale Aufsichtsbehörden sind jedoch schon wegen des comply or explainMechanismus nach Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 1095/2010 jedenfalls faktisch regelmäßig gehalten, den Leitlinien und Empfehlungen zu entsprechen, weswegen es auch nicht verwundert, dass ihnen in der Rechtspraxis eine große Bedeutung zukommt123. Im Zusammenhang mit der Regulierung der Marktmanipulation wurden bislang noch keine entsprechenden Leitlinien und Empfehlungen durch die ESMA veröffentlicht124. Allerdings hat die ESMA Q&As veröffentlicht, die – ganz ähnlich wie Guidelines – zu einer weiteren, wenn auch rechtlich nicht bindenden Präzisierung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben beitragen125.
44 Für die Marktteilnehmer bedeutsam sind ferner Verlautbarungen nationaler Aufsichtsbehörden. In Deutsch-
land ist insoweit an die (atypischen) norminterpretierenden Verwaltungsakte der BaFin zu denken126, wie sie durch Rundschreiben, im Zusammenhang mit dem Marktmissbrauchsrecht aber insbesondere durch den Emittentenleitfaden, erfolgen127. Auch für die Regelungen zur Marktmanipulation ist insoweit eine aktuelle Version des Emittentenleitfadens veröffentlicht worden128.
III. Methodenfragen 1. Schwindender Einfluss der mitgliedstaatlichen Methodik und des mitgliedstaatlichen Rechts 45 Der Trend zur Vollharmonisierung des Finanzmarktrechts und die Wahl der Verordnung als Regulierungs-
instrument verringern den Einfluss genuin nationaler Methodik und des nationalen Verfassungsrechts. Durch die Verschiebung der kapitalmarktrechtlichen Verhaltensgebote von der Richtlinie (RL 2003/6/EG) 120 ABl. EU Nr. L 270 v. 18.10.2022, S. 4. 121 Abruf der konsolidierten Fassungen unter https://eur-lex.europa.eu/. 122 Poelzig, NZG 2016, 528, 529; Kalss in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 18 Rz. 14. Allgemein Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 876; Veil, ZHR 177 (2013), 427, 435; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 2 Rz. 3 f.; Wymeersch, ZGR 2011, 443, 459; Frank, ZBB 2015, 213, 218 ff.; Michel, DÖV 2011, 728, 732. 123 Kalss in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 18 Rz. 14; Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 876; Weber-Rey/Horak, WM 2013, 721, 724; Rötting/Lange, EuZW 2012, 8, 10; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 2 Rz. 3. 124 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 79. Anders etwa für das Market Sounding, s. MAR Guidelines – Persons receiving market soundings, 10/11/2016 – ESMA/2016/1477 EN, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/si tes/default/files/library/2016-1477_mar_guidelines_-_market_soundings.pdf. Zu den Leitlinien und Empfehlungen im Bereich des Insiderrechts, s. etwa Klöhn, AG 2016, 423 ff. 125 ESMA, Questions and Answers on the Market Abuse Regulation, ESMA70-145-111, Version 15, Last updated on 6 August 2021; ESMA Questions and Answers on the common operation of the Market Abuse Directive, EMSA/ 2016/419, 01 April 2016. 126 Ausführlich zur Einordnung von Rundschreiben, Merkblättern und Richtlinien der BaFin in die verwaltungsrechtliche Handlungsformenlehre Gurlit, ZHR 177 (2013), 862, 894 ff. 127 Der Emittentenleitfaden 5. Aufl. 2020 ist abrufbar unter: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Emit tentenleitfaden/emittentenleitfaden_node.html. Dazu auch Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 2 Rz. 26. 128 Abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Emittentenleitfaden/Modul3/Kapitel3/kapi tel3_node.html.
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Vorbemerkungen | Rz. 46 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
hin zur Verordnung (VO Nr. 596/2014) wird der nationale Umsetzungsrechtsakt in Gestalt des früheren § 20a WpHG für die zentralen Verhaltensvorgaben entbehrlich. Die Regelungen im WpHG sind auf Zuständigkeitsvorschriften, aufsichtsbehördliche Eingriffsbefugnisse und Sanktionsnormen beschränkt129. Während die richtlinienkonforme Auslegung des früheren § 20a WpHG nur eine – wenngleich durchaus maßgebliche – Auslegungsmethode des nationalen Marktmanipulationsverbots darstellte, löst sich die Auslegung der MAR ebenso wie die auf ihrer Basis vorzunehmende Rechtsfortbildung130 nahezu vollständig aus den nationalen Methodenzusammenhängen. Auslegung und Rechtsfortbildung müssen ausschließlich (autonom) nach der – freilich bislang noch unterentwickelten – Methodenlehre des Unionsrechts erfolgen131. Der EuGH geht von einer Vermutung für eine autonom unionsrechtliche Auslegung aus, solange nicht ausnahmsweise der Wille des Unionsgesetzgebers zu erkennen ist, dass mitgliedstaatliche Rechtsregeln maßgeblich sein sollen132. Wegen des treibenden Willens des Unionsgesetzgebers zur Vereinheitlichung des Marktmissbrauchsrechts (Erwägungsgründe 3–5 VO Nr. 596/2014) und den wenigen ausdrücklichen Verweisungen auf das nationale Recht (Rz. 20) muss es für das unionale Marktmissbrauchsrecht bei dieser autonomen unionsrechtlichen Auslegung bewenden. Vgl. auch Vor §§ 119 ff. WpHG Rz. 42 ff. Für die Wortlautauslegung ergibt sich eine besondere Schwierigkeit bei der autonom unionsrechtlichen 46 Auslegung aus der Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Sprachfassungen133. Das Gleichwertigkeitspostulat wird nämlich in der Praxis wohl zumeist übergangen, indem sich der jeweilige Normanwender i.d.R. der Sprachfassung seines Heimatstaats bedient134. Da die MAR und auch die CRIM-MAD in englischer Sprache ausgearbeitet wurden135, hängt die Durchführbarkeit und die Überzeugungskraft der Wortlautauslegung anderer Sprachfassungen mithin ganz wesentlich von der Qualität der jeweiligen Übersetzung ab136. Die Qualität der deutschen Übersetzung wurde – trotz der zwischenzeitlichen Revisionen (Rz. 18) – zu Recht teils heftig kritisiert137. Für eine sinnhafte Wortlautauslegung wird daher – trotz der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der Sprachfassungen – ein Rückgriff auf die englische Sprachfassung geboten sein; mitunter wird dieser Rückgriff sogar unumgänglich sein138. Bei der systematischen Auslegung sind die jeweiligen Normen im Lichte der gesamten MAR, der CRIM-MAD, aber auch der delegierten Rechtsakte auf Level 2 zu betrachten139. Die Maßgeblichkeit der MAR bei der Auslegung der CRIM-MAD ergibt sich ausdrücklich aus deren Erwägungsgrund 17. Da beide Rechtsakte in einem einheitlichen Rechtssetzungsprozess vom selben Rechtssetzer verabschiedet wurden und auch als einheitliches Regelungswerk zu betrachten sind, kann aber auch in umgekehrter Richtung auf Bestimmungen der CRIM-MAD zur Auslegung der MAR zurückgegriffen werden140. Die Tertiärrechtsakte (Rz. 40 ff.) dienen schon ihrer Natur nach der Ergänzung oder Änderung nicht
129 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 281. 130 Der EuGH unterscheidet sprachlich – insoweit der französischen Rechtstradition folgend – nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung und fasst auch Akte der Rechtsfortbildung als Auslegung auf. S. Baldus in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 3; Riesenhuber in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 10 Rz. 3; Neuner in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 12 Rz. 2. 131 So auch Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 54; Schmolke, AG 2016, 434, 438 f.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 84; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 27; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 11. 132 S. etwa EuGH v. 3.7.2012 – C-128/11, ECLI:EU:C:2012:407 – UsedSoft, NJW 2012, 2565 Rz. 39 f. m.w.N. zur Rechtsprechung. Zum Ganzen auch Riesenhuber in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 10 Rz. 6. 133 Zur Gleichwertigkeit EuGH v. 30.5.2013 – C-488/11, ECLI:EU:C:2013:341, EuZW 2013, 596 Rz. 26; EuGH v. 15.4.2010 – C-511/08, ECLI:EU:C:2010:48, ZIP 2010, 839 Rz. 51; Riesenhuber in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 10 Rz. 14. Zu den Problemen im Rahmen der Auslegung der MAR Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 57; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 85; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 29; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 1, 11. 134 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 85. 135 Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 57; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 29. 136 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 85. 137 Klöhn, AG 2016, 421, 424; Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 57, 87 f.; Kudlich, AG 2016, 459, 462 (zur CRIMMAD); Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 85; Simons, AG 2016, 651, 652 ff.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 62; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 11. 138 Klöhn, AG 2016, 423, 424; Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 57; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 87; anders tendenziell Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 29, der auf eine repräsentative Anzahl mehrerer Sprachfassungen zurückgreifen will. 139 Grundsätzlich auch Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 58, 89; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 90 ff., die aber beide auch kritisch die fehlende systematische Konsistenz des MAR- und des CRIM-MAD-Textes bemängeln. Ferner Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz 32. 140 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 92.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 46 | Vorbemerkungen wesentlicher Vorschriften (Art. 290 Abs. 1 Satz 1 AEUV) und sind insoweit selbstverständlich zu berücksichtigen141. Aber auch darüber hinaus können sie eine Auslegungshilfe darstellen142. Ferner ist im Rahmen der systematischen Auslegung und der teleologischen Auslegung auf die Erwägungsgründe zurückzugreifen143, auch wenn diese teils wieder eigene Auslegungsfragen aufwerfen mögen144. Ansonsten hat sich die teleologische Auslegung an den Zwecken des Rechtsakts bzw. der spezifisch auszulegenden Norm zu orientieren (zu den Zwecken des Marktmanipulationsverbots s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 23 ff.)145. Der EuGH greift zudem regelmäßig auf den Effet-utile-Grundsatz zurück146. Im Rahmen der historischen Auslegung kann auf die RL 2003/6/EG (MAD I) (Rz. 8 ff.) und die Verhandlungen und Entwurfsfassungen vor der finalen Verabschiedung der VO Nr. 596/2014 (MAR) (Rz. 16 ff.) zurückgegriffen werden147. Allerdings wird der historischen Auslegung im Schrifttum zumeist keine große Bedeutung beigemessen148. 47 Eine wichtige Orientierung bei der Auslegung des neuen Marktmissbrauchsregimes gibt die Rechtspre-
chung des EuGH zur RL 2003/6/EG (MAD I)149, die der Unionsgesetzgeber – allerdings nur im Bereich des Insiderrechts – sogar ausdrücklich in die neuen Regelungen eingepflegt hat150. Relevant ist insbesondere die Entscheidung des EuGH in Sachen IMC Securities151. Zudem kann und wird die Praxis – auch ohne dass eine rechtliche Bindungswirkung für die Marktteilnehmer bestünde152 – auf die Leitlinien und Empfehlungen der ESMA (Rz. 43) und die der nationalen Aufsichtsbehörden (Rz. 44) zurückgreifen153.
48 Die Verordnungs- und Richtlinienvorschriften müssen sich nicht am mitgliedstaatlichen Verfassungsrecht
messen lassen. Maßgeblich sind vielmehr nur das unionale Primärrecht154, die Unionsgrundrechte155 und die allgemeinen europäischen Rechtsgrundsätze156. Eine weitere Auslegungsebene stellt die Überprüfung der Level 2-Rechtsakte an den Level 1-Vorgaben dar, mithin die richtlinien- bzw. verordnungskonforme Auslegung der Level 2-Rechtsakte157, die freilich dem EuGH überantwortet ist (Art. 19 Abs. 3 EUV, Art. 263, 264 Abs. 1, 267 AEUV)158. Mitgliedstaatliches Recht und mitgliedstaatliche Rechtsprinzipien haben keine (begrenzende) Wirkung für die Anwendung von europäischen Verordnungen, auch wenn diese von nationalen Strafvorschriften in Bezug genommen werden. Dies kann im Falle einer über den Wortlaut hinausgehenden teleologischen Extension bzw. Reduktion einer konkreten Verordnungsvorschrift im Rahmen der auf die Verordnungsvorgaben bezugnehmenden Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften eine gespaltene Auslegung erforderlich machen159.
49 Soweit die europäischen Rechtsakte nicht self executiv und auf eine Umsetzung durch den nationalen Ge-
setzgeber angewiesen sind, wie dies etwa für die Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften, aber auch für die Aufsichtsbefugnisse gilt, verbleiben freilich auch für die nationale Methodik und das nationale (Verfas-
141 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 93 f. 142 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 97, 30 ff. 143 Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 36 ff. Kritisch Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 91; Veil, ZBB 2014, 85, 88. 144 Kritisch deshalb Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 91; Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 90 ff. Näher zur normativen Bedeutung der Erwägungsgründe Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 64 ff. 145 Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 36 ff. 146 Vgl. nur EuGH v. 17.1.1980 – 792/79 R, ECLI:EU:C:1980:18 – Camera Care/Kommission, Slg. 1980 I-119 Rz. 17 f.; dazu Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 38. 147 Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 61 f. 148 Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 6; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 3 Rz. 33 ff. 149 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 88. 150 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 88. 151 EuGH v. 7.7.2011 – C-445/09, ECLI:EU:C:2011:459 – IMC Securities, AG 2011, 588 = NZG 2011, 951; dazu auch Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 88. 152 Ausführlich Frank, Die Rechtswirkungen der Leitlinien und Empfehlungen der Europäischen Wertpapier und Marktaufsichtsbehörde, 2012, S. 121 ff.; s. ferner Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 99. 153 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 98: „wichtige Fingerzeige für die Auslegung“. 154 Vgl. etwa EuGH v. 9.3.2006 – C-499/04, ECLI:EU:C:2006:168 – Werhof, Slg. 2006, I-2397 Rz. 32; dazu Leible/ Domröse in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 8. 155 Vgl. schon EuGH v. 21.9.1989 – 46/87 und 227/88, ECLI:EU:C:1989:337 – Hoechst, Slg. 1989, 2859 Rz. 12; dazu auch Leible/Domröse in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 8 Rz. 8. 156 Vgl. etwa EuGH v. 28.1.1999 – C-181/96, ECLI:EU:C:1999:29 – Wilkins, Slg. 1999, I-399 Rz. 16 zum Grundsatz des Vertrauensschutzes. 157 Kalss in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 18 Rz. 29 f. 158 Leible/Domröse in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 4. Aufl. 2021, § 8 Rz. 3. 159 Vgl. Weick-Ludewig/Sajnovits, WM 2014, 1521, 1527 für die Leerverkaufs-VO. So jetzt auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 11.
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Vorbemerkungen | Rz. 53 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
sungs-)Recht ein Anwendungsbereich. Gleiches gilt für die Regelungsbereiche, in denen der Unionsgesetzgeber ausdrücklich auf die Maßgeblichkeit des nationalen Rechts verweist, etwa in Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014. Eine Besonderheit gilt freilich, soweit auch diese nationalen Vorschriften der Umsetzung von europäischem Richtlinienrecht dienen, wie dies bei den Strafvorschriften für Verstöße gegen das Insiderhandels- und das Marktmanipulationsverbot der Fall ist (Rz. 38 ff.).
2. Marktmanipulationsverbot als aufsichtsrechtliche Vorgabe Art. 12 i.V.m. Art. 15 VO Nr. 596/2014 sind die zentralen Verhaltensnormen der VO Nr. 596/2014 in Bezug 50 auf die Marktmanipulation. Es handelt sich um aufsichtsrechtliche, also öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen160. Auch wenn die Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 in einem engen Zusammenhang zu den (auch strafrechtlichen) Sanktionsvorschriften stehen, enthalten sie für sich genommen aufsichtsrechtliche Vorschriften, die nicht nur straf- oder bußgeldrechtlich, sondern auch verwaltungsrechtlich – insbesondere im Rahmen der Kapitalmarktaufsicht und -überwachung durch die BaFin – bedeutsam sind161. Dass die auf Basis der CRIM-MAD erlassenen Strafvorschriften als Blankettnormen auf Art. 15 VO Nr. 596/2014 verweisen, ändert daran nichts. Besonders deutlich kommt diese Trennung zwischen dem (kapitalmarkt)aufsichtsrechtlichen Verhaltensverbot/gebot und dessen strafrechtlicher Sanktionierung aus systematischer Sicht darin zum Ausdruck, dass die CRIM-MAD hinsichtlich der Definition der Marktmanipulation nicht auf die MAR verweist, sondern eine eigene – wenn auch weitgehend deckungsgleiche – Definition bereithält. Die auch schon bislang relevante Frage nach einer möglichen oder gar erforderlichen sog. Normspaltung162, 51 also die Frage, ob Art. 12, 15 VO Nr. 596/2014 im straf- und bußgeldrechtlichen Zusammenhang anders (enger) ausgelegt werden kann als im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang (auch schon Rz. 48 a.E.), stellt sich dadurch unter veränderten Vorzeichen. Die Regelungssystematik des Marktmanipulationsregimes macht die – auch schon bislang vorzugswürdige – Abkehr von der strafrechtsdogmatischen Betrachtung des Marktmanipulationsrechts unausweichlich (Rz. 45 ff.)163. Die Verhaltensgebote der MAR sind im Lichte ihrer Zwecksetzung (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 23 ff.) und des Effektivitätsgebots (effet utile) auszulegen (Rz. 46) und sind – gerade um den schnellen Entwicklungen bei den Marktmanipulationspraktiken angemessen begegnen zu können – nicht aufgrund der sie lediglich flankierenden strafrechtlichen Ahndung in ihrer Reichweite und Effektivität einzuschränken. Etwaige Begrenzungen, die aus primärrechtlicher bzw. unionsgrundrechtlicher Sicht als Schranken bei der Auslegung und Rechtsfortbildung der Vorschriften der CRIM-MAD bzw. deren nationalen Umsetzungen führen können (so etwa das strafrechtliche Analogieverbot), begrenzen so nicht die Anwendung der kapitalmarktrechtlichen Verhaltensgebote164.
3. Abkehr von der strafrechtsdogmatischen Betrachtung Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Marktmanipulationsverbot war in Deutschland seit je- 52 her stark vom Strafrecht geprägt165. Noch in der 6. Aufl. wurde an dieser Stelle von Vogel hervorgehoben, dass das Recht der Marktmanipulation „in besonderer Weise in einem methodischen Spannungsfeld zwischen Kapitalmarktrecht und -praxis auf der einen Seite und Strafrecht auf der anderen Seite“ stehe. Die betont rechtsprinzipiell und -dogmatisch gekennzeichnete strafrechtliche Herangehensweise, die Marktmanipulation vom Gesetzeswortlaut ausgehend (und durch ihn begrenzt) als tatbestandsmäßiges Verhalten begriff, nahm einen großen Einfluss auf die Auslegungs- und auch Ahndungspraxis in Deutschland. Rechtssetzung müsse sich am Gesetzlichkeits-, Bestimmtheits- und Demokratieprinzip messen lassen; die Rechtsanwendung habe innerhalb des anerkannten strafrechtsdogmatischen Systems (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld) zu erfolgen166. Das von der MAR und der CRIM-MAD etablierte neue Marktmissbrauchsregime muss freilich auch in der 53 deutschen Kapitalmarktrechtswissenschaft zu einem Paradigmenwechsel führen (Rz. 50 ff.)167. Besonders 160 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 6; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 50. 161 Paschos/Goslar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 26 Rz. 4. 162 Grundlegend Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 186 f., 197 f., 204; s. weiterhin Enderle, Blankettstrafgesetze, 2000, S. 208 ff. m.w.N. 163 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 11; vgl. schon zu § 20a WpHG Schwark in Schwark/Zimmer, 4. Aufl., § 20a WpHG Rz. 3; Vogel in 6. Aufl., Vor § 20a WpHG Rz. 25. 164 A.A. Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 55. 165 Zustimmend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 50. 166 Vogel in 6. Aufl., Vor § 20a WpHG Rz. 25; vgl. auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 50. 167 Zustimmend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 50.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 | Vorbemerkungen deutlich wird das mit Blick auf die Abkehr vom kapitalmarktrechtlichen Vorsatzerfordernis168. Zum alten Recht wurde überwiegend vertreten, dass sich sowohl aus Wortlaut und aus systematischer Sicht, als auch aus dem Zweck des Marktmanipulationsverbots ergebe, dass grundsätzlich Vorsatz als „subjektives Unrechtselement“ zur Verwirklichung einer Marktmanipulation erforderlich sei169. Lediglich bei der informationsgestützten Manipulation des früheren § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG genügte auch der herrschenden Meinung bloße Leichtfertigkeit170. Der Unionsgesetzgeber stellt in Art. 12 VO Nr. 596/2014, soweit er überhaupt subjektive Voraussetzungen adressiert, durchweg auf Wissen und Wissenmüssen ab und lässt damit insoweit einfache Fahrlässigkeit genügen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 232). Für die Verwirklichung derjenigen Varianten, die kein subjektives Element enthalten, ist ein subjektives Element sogar ganz verzichtbar (s. noch Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 ff.).
4. Verbleibende Verfassungsrechtsfragen 54 Die Verfassungskonformität des früheren § 20a WpHG war Gegenstand umfänglicher Diskussionen. Als
aufs Engste mit den Straf- und Bußgeldvorschriften der § 38 Abs. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG a.F. verzahnt, wurde für die Vorschrift aufgrund ihrer unbestimmten171 Rechtsbegriffe bezweifelt, dass sie für die Begründung einer Straf- bzw. Ahndbarkeit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG genüge172. Zudem gaben der unionsrechtliche Hintergrund und insoweit der Umstand, dass die Europäische Kommission im Komitologieverfahren für die Mitgliedstaaten verbindliche Konkretisierungen des Verbots der Marktmanipulation vornehmen kann, Anlass zu Bedenken; ein solch „quasi verwaltungsrechtliches Verfahren“ höhle das Demokratieprinzip und die Gewaltenteilung, die auf Unionsebene ohnehin wenig ausgeprägt sei, noch weiter aus173. Für die Zwecke der Praxis war freilich bereits bislang mit der h.L.174 von der abstrakten Verfassungsmäßigkeit des in § 20a WpHG niedergelegten Regelungssystems auszugehen. Auf deutsches Verfassungsrecht gestützte Bedenken konnten auch schon bislang uneingeschränkt nur gegenüber der straf- bzw. bußgeldrechtlichen Bewehrung des Marktmanipulationsverbots erhoben werden. Denn das Verbot als solches war unionsrechtlich vorgegeben und unterlag daher lediglich nach Maßgabe der „Solange-Rechtsprechung“ des BVerfG175 deutscher verfassungsgerichtlicher Überprüfung176. Die Überwachung der Einhaltung menschen- bzw. unionsverfassungsrechtliche Vorgaben (z.B. aus Art. 7 EMRK, Art. 49 Charta der Grundrechte der Europäischen Union) oblag EGMR und EuGH177.
55 Der mit dem Marktmissbrauchsregime von MAR und CRIM-MAD einhergehende Paradigmenwechsel
(Rz. 50 ff.) erfasst auch die verfassungsrechtlichen Fragestellungen. Für die Beurteilung der selbstexekutiven aufsichtsrechtlichen Verhaltensgebote der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 hat nationales Verfassungsrecht von vornherein keine Bedeutung (Vor §§ 119 ff. WpHG Rz. 33 ff.; schon Rz. 45 ff.). Die Verordnungs- oder Richtlinienvorgaben umsetzenden nationalen Rechtsakte, wie insbesondere die Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände der §§ 119 und 120 WpHG, müssen sich jedenfalls teilweise auch am nationalen Verfassungsrecht messen lassen178. Soweit diese unionsrechtlichen Vorgaben umsetzen, unter168 Dazu auch Schmolke, AG 2016, 434, 442 f.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 121; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 489; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 27. 169 So auch noch Vogel in 6. Aufl., Vor § 20a WpHG Rz. 25 m.w.N. 170 Zutr. Eichelberger, S. 320. 171 „Konturenlose“, Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325. 172 Moosmayer, wistra 2002, 161, 167 ff.; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528; Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325; Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1314 ff.; Tripmaker, wistra 2002, 288, 292. 173 Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 517. 174 Zuletzt auch BGH v. 25.2.2016 – 3 StR 142/15, WM 2016, 1022; ferner nur Vogel in 6. Aufl. Vor § 20a WpHG Rz. 30; Eichelberger, S. 172 ff.; Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 88, 92, 94 ff.; Schwark in Schwark/Zimmer, 4. Aufl., § 20a WpHG Rz. 5; Ziouvas/Walther, WM 2002, 1483, 1487. 175 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339; BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155. 176 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 99. 177 S. hierzu Ferrarini, Common Market Law Review 41 (2004), 711, 739 ff. 178 Unabhängig von der Diskussion, ob das Marktmanipulationsverbot als solches dem Bestimmtheitsgebot genügt – sie wurde insbesondere zu § 20a WpHG intensiv geführt (s. nur Vogel in 6. Aufl., Vor § 20a WpHG Rz. 26 ff. m.w.N. und auch Vor §§ 119 ff. WpHG Rz. 33 f.) und wird auch heute noch vorgetragen (etwa Kämpfer/Travers in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.2.2022, § 119 WpHG Rz. 19 ff.; Pananis in MünchKomm. StGB, 3. Aufl. 2019, § 119 WpHG Rz. 58 ff.) –, wirft die Strafbarkeitsbegründung durch lange Verweisungsketten eigene Bestimmtheitsprobleme auf (dazu Vor §§ 119 ff. WpHG Rz. 36; Kudlich, AG 2016, 459, 463). Noch nicht abschließend geklärt ist auch, an welchem Bestimmtheitsmaßstab (unionsrechtlicher/EMRK-Bestimmtheitsgrundsatz oder Grundgesetz) sich die Norm messen lassen muss. S. dazu nur Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Hand-
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Vorbemerkungen | Rz. 58 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
liegen auch sie der verfassungsrechtlichen Überprüfung nur nach Maßgabe der „Solange-Rechtsprechung“ des BVerfG179. Hinsichtlich ihrer Verfassungskonformität hat sich durch die Umsetzung des neuen Marktmissbrauchsrechts jedoch nichts geändert, so dass weiterhin von ihrer abstrakten Verfassungsmäßigkeit auszugehen ist.
IV. Ökonomischer Hintergrund 1. Systematisierung der Marktmanipulationen Die tatbestandliche Weite der Marktmanipulationsverbote reagiert auf die vielfältigen denkbaren Manipula- 56 tionsstrategien, die sich zudem ständig wandeln180. Dies erschwert eindeutige, hinreichend bestimmte Begriffsbestimmungen181 und auch weiterführende Systematisierungen der Manipulationspraktiken. Immerhin ist aber in der ökonomischen Literatur eine bis heute häufig herangezogene, hilfreiche Systematisierung entwickelt worden182: Marktmanipulationen können entweder „informationsgestützt“ (information based), „handelsgestützt“ (trade based) oder „handlungsgestützt“ (action based) vorgenommen werden. Im ersten Fall wird der Kurs oder Marktpreis durch das Verbreiten unrichtiger oder irreführender Nachrichten – nicht bloß Tatsachen, sondern auch Prognosen und Gerüchte – beeinflusst. Im zweiten Fall sind Handelsaktivitäten ein Mittel der Marktmanipulation, wobei zwischen bloß fiktiven Handelsaktivitäten einerseits und effektiven Geschäften andererseits zu unterscheiden ist. Im dritten Fall wirkt der Manipulator auf Umstände ein, die den inneren Wert des Finanzinstruments – bei Aktien beispielsweise die Ertragskraft des Unternehmens – betreffen, und manipuliert so den Kurs bzw. Marktpreis. Obgleich der europäische Gesetzgeber diese Systematisierung nicht eins zu eins in den Tatbestandsvarianten des Art. 12 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 umgesetzt, sondern in einzelnen Tatbestandsvarianten mehrere Manipulationsformen untergebracht hat, sollte an dieser etablierten und klarstellenden Unterteilung festgehalten werden183. a) „Informationsgestützte“ Manipulationen Bei informationsgestützten Manipulationen werden unwahre, unvollständige oder sonst irreführende Infor- 57 mationen am Markt verbreitet184. Mittel „informationsgestützter“ Manipulationen können insbesondere unrichtige oder irreführende Bilanzen, Lageberichte, sonstige Geschäftsberichte oder auch Ad-hoc-Mitteilungen i.S.v. Art. 17 VO Nr. 596/2014 sowie Prospekte sein. Zudem kommt das „Streuen“ von unrichtigen oder irreführenden Informationen über Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet) z.B. bei Pressekonferenzen oder -mitteilungen in Betracht185. Die MAR erfasst informationsgestützte Manipulationen primär in Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014. Um mit informationsgestützten Manipulationen Gewinne zu erzielen, decken sich die Manipulanten am 58 Markt entweder mit Long- oder Short-Positionen in einem bestimmten Finanzinstrument ein und sorgen sodann für die Verbreitung von bestimmten Informationen, die entweder einen Kursanstieg (pump and
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buch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 11; sowie Saliger in Park. Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 24 ff.; Böse/Jansen in Schwark/Zimmer, § 119 WpHG Rz. 5. Auch in ihrer Fortentwicklung durch das Lissabon-Urteil BVerfG v. 30.6.2009 – BvE 2/08, NJW 2009, 2267. S. den historischen Überblick von Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, 2014. Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 190; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 1 ff. Eingehend zur Marktmanipulationsdefinition Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 104 ff. Eine klassisch gewordene Definition geht auf die Entscheidug Cargill Inc v Hardin, 452 F 2d 1154, 1163, 1167-70 (1971) des United States Court of Appeals, Eighth Circuit zurück, die Marktmanipulation definierte als: „any activity, scheme, or artifice that deliberately influences the price of a financial asset, resulting in a price other than the one that would have results in the absence of such intervention.“ Grundlegend Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503 ff. – Instruktiv aus jüngerer Zeit Putnins, Journal of Economic Survey 26 (2012), 952, 955 ff.; ferner Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 118 ff. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 7; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 476. Kritisch Schmolke, AG 2016, 434, 435; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 14 ff.; tendenziell auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 2. Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 505; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 15; näher auch Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13. Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 119 ff.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 58 | Vorbemerkungen dump) oder einen Kursabfall (trash and cash) bewirken, um schließlich ihre Positionen mit einem entsprechenden Profit aufzulösen186. Denkbar und gerade in jüngerer Zeit häufiger aufgetreten ist der massenhafte Versand von Spam-Nachrichten (Stock Spams187), in denen wahrheitswidrig preiserhöhungsgeeignete Angaben über Finanzinstrumente gemacht werden, in denen die Manipulanten Positionen eingegangen sind, die sie bei einer Preiserhöhung gewinnbringend auflösen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 182). Sog. bear raids, bei denen der Manipulator Papiere leerverkauft, stellen dann eine informationsgestützte Manipulationstechnik dar, wenn der Manipulator nach dem Leerverkauf, etwa durch das Streuen von Falschmeldungen, ein Abfallen des Kurses bewirkt und sich dann am Markt zu den günstigeren Kursen eindecken kann, um seine Leerverkaufspositionen zu schließen (zu diesen sog. Short-Seller-Attacken Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 210, 279 und näher Vor Art. 1 ff. VO Nr. 236/2012 Rz. 50 ff.)188. 59 Eine auch in Deutschland seit dem Fall Prior189 viel beachtete Sonderform „informationsgestützter“ Manipu-
lationen ist das scalping, bei dem jemand ein Geschäft in Werten tätigt und sodann den Kurs bzw. Marktpreis des Werts beeinflusst, indem er als beim Anlegerpublikum glaubwürdige Person, etwa weil er ein bekannter „Analyst“ ist, eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung abgibt, bei der er Eigengeschäft und Eigeninteresse verschweigt. Der Unionsgesetzgeber hat das scalping als ausdrücklich geregelten Fall einer Marktmanipulation in Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 aufgenommen. Zur rechtlichen Problematik des scalping s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 278 ff.
60 Eine erst in jüngerer Zeit bekanntgewordene Sonderform „informationsgestützter“ Manipulationen sind die
sog. Benchmark-Manipulationen (LIBOR/EURIBOR), die nunmehr mit Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/ 2014 ausdrücklich und eigenständig als tatbestandliche Marktmanipulation erfasst sind190. Bei den Manipulationen von LIBOR und EURIBOR haben Mitarbeiter unterschiedlicher Banken falsche Eingabedaten an die Administratoren von LIBOR und EURIBOR gemeldet. Durch die falschen Informationen, die an die Administratoren gelangt sind, haben diese falsche Daten bei der Berechnung der Benchmark zugrunde gelegt, was die Entwicklung der Referenzzinssätze beeinflusst hat. Näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 219 ff. b) „Handelsgestützte“ Manipulationen durch fiktive und effektive Geschäfte
61 Handelsgestützte Manipulationen zeichnen sich dadurch aus, dass der Preis eines Finanzinstruments durch
fiktiven oder effektiven Handel mit Finanzinstrumenten manipuliert wird, ohne dass sein innerer Wert beeinflusst oder aktiv falsche bzw. irreführende Informationen verbreitet werden191. Der Zweck von fiktiven Geschäften192 besteht darin, erhöhte Handelsaktivität, erhöhten Umsatz und erhöhte Liquidität vorzutäuschen und so Anleger zu bewegen, auf das falsche Signal zu reagieren, wodurch der Kurs künstlich in die Höhe getrieben werden soll. Derartige Manipulationen – etwa beim painting the tape193 und beim advancing the bid194 – erfolgen z.B. durch wash sales, bei denen Verkäufer und Käufer zumindest wirtschaftlich identisch sind, durch matched orders, bei denen zwar der wirtschaftliche Eigentümer wechselt, jedoch Verkäufer und Käufer sich miteinander abgesprochen haben und gegenläufige, einander korrespondierende Orders mit im Wesentlichen gleichen Volumen und Preisen zeitgleich in den Markt geben, sowie durch circular trading, bei dem sich mehrere Personen in der Weise absprechen, dass der erste Käufer auch der letzte Käufer 186 Putniņš, Journal of Economic Survey 26 (2012), 952, 955. 187 Bouraoui/Mehanaoui/Bahli, The Journal of Applied Business Research 2013, 79 ff.; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 11; Fleischer, ZBB 2008, 137 ff. 188 Putniņš, Journal of Economic Survey 26 (2012), 952, 956; Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 503 f. 189 LG Frankfurt/M. v. 9.11.1999 – 5/2 Kls 92 Js 23140/98, NJW 2000, 301; OLG Frankfurt/M. v. 15.3.2000 – 1 Ws 22/00, NJW 2001, 982. 190 Soweit Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 auch sowie „sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwertes manipuliert wird“ erfasst, ist er freilich nicht auf informationsbezogene Manipulationshandlungen beschränkt. Die bislang bekanntgewordenen Benchmark-Manipulationen stellten allerdings informationsbezogene Manipulationshandlungen dar. Ausführlich Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 135 ff.; ferner etwa Fleischer/ Bueren, DB 2012, 2561 ff. Für eine Einordnung als informationsgestützte Manipulation auch Schmolke, AG 2016, 434, 441 f.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 77 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 106. 191 Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 505 f.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 16 ff. Näher auch Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 8, sowie jüngst Sajnovits, ZGR 2021, 804, 812 ff. 192 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 127 ff.; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 5; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 8. 193 Kasiske, WM 2014, 1933, 1934. 194 Cumming/Johan, American Law and Economics Review 10 (2008), 454, 462.
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Vorbemerkungen | Rz. 64 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
oder Verkäufer ist (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 42 ff.)195. Dagegen qualifizieren sich Cum-Ex- und Cum/ Cum-Geschäfte nicht per se als handelsgestützte Manipulation (näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 76, 80)196.
Ferner kann der Kurs oder Marktpreis auch durch die Vornahme effektiver Geschäfte manipuliert wer- 62 den197. Effektive Geschäfte können sowohl ohne Marktmacht als auch unter Ausnutzung von Marktmacht zu Marktmanipulationen missbraucht werden198. Formen von Marktmanipulation durch effektive Geschäfte können beim marking the close (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 143, 254 ff.) vorliegen, bei dem Geschäfte erst bei Börsen- oder Marktschluss getätigt werden, um diejenigen Marktteilnehmer irrezuführen, welche ihre Handelsentscheidung auf den Schlusskurs stützen199 oder beim marking the open (Art. 12 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 143), bei dem Kaufaufträge zu geringfügig höheren oder Verkaufsaufträge zu geringeren Preisen kurz vor Marktöffnung platziert werden, um die Preise bei Marktöffnung hochzutreiben oder zu drücken200. Weitere Beispiele sind das capping oder pegging (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 103): Bei diesem werden kurz vor dem Ablaufdatum von Optionen Transaktionen in den der Option unterliegenden Finanzinstrumenten getätigt, um den Kurs des Finanzinstruments zu beeinflussen und so die Ausübung der Optionen zu verhindern und damit die zuvor erlangten Provisionen zu behalten201. In den letzten Jahren enorme Aufmerksamkeit erregende Manipulationsstrategien wurden ferner im Bereich des hochfrequenz- und algorithmenbasierten Handels entwickelt und haben zu internationalen Reformvorschlägen geführt (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 258 ff.). Im Hochfrequenzhandel werden etwa beim spoofing (Art. 12 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 144 f.) elektronisch eine Vielzahl an volumenmäßig kleinen Orders platziert, um so den Eindruck einer besonders großen Nachfrage nach einer Aktie hervorzurufen, und diese anschließend wieder storniert202. Die platzierten Orders können aber durchaus effektive Geschäfte darstellen. Daneben können Marktmanipulationen durch effektive Geschäfte im Zusammenhang mit der Ausübung 63 von Marktmacht erfolgen. Insoweit ist insbesondere das cornering oder abusive squeezing203 angesprochen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 245 ff.), bei denen der Manipulator Leerverkäufer „in die Ecke“ treibt, indem er die noch am Markt erhältlichen Vermögenswerte aufkauft und dann, wenn die Leerverkäufer ihre Deckungsgeschäfte vornehmen müssen, den Kurs oder Marktpreis unter Ausnutzung seiner nunmehr marktbeherrschenden Stellung in die Höhe treibt. Eine neue Form derartiger short squeezes begegnete in jüngster Zeit im Zusammenhang mit den Kursturbulenzen des US-amerikanischen Unternehmens GameStop (näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 66, 83, 139)204. Auch im Übrigen ist die künstliche Limitierung des Angebots, z.B. durch das parking von Vermögenswerten bei Strohmännern, jedenfalls in illiquiden oder überzeichneten Märkten geeignet, Kurse oder Marktpreise künstlich zu überhöhen und dies durch einen Verkauf auf dem Höhepunkt des Kurses auszunutzen205. Bei effektiven Geschäften stellt sich das Problem, legitimen Handel von illegitimer und unerwünschter Ma- 64 nipulation abzugrenzen, in besonderer Schärfe206. Werden etwa gedeckte Leerverkaufspositionen eingegangen und sodann zutreffende Informationen bzw. Einschätzungen über ein Unternehmen veröffentlicht, die einen Kursabfall herbeiführen, liegt in diesen bear raids, negativ konnotiert oft als Short-Seller-Attacken bezeichnet, grundsätzlich keine Marktmanipulation (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 210, 279)207. Als legitim angesehen wird ferner die sog. Kurspflege oder -stabilisierung, die namentlich durch Rückkauf eigener 195 Dazu auch Markham, Law Enforcement and die History of Financial Market Manipulation, S. 7 f.; Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 56 f. 196 Insbesondere Merkt, ZBB 2021, 162 (bejahend) und Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353 (verneinend). 197 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 32. 198 Hierzu auch Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 132 ff.; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 6; Sajnovits, ZGR 2021, 804, 812 ff. 199 Tountopoulos, WM 2013, 351 ff. 200 Cumming/Johan, American Law and Economics Review 10 (2008), 454, 462. 201 Cumming/Johan, American Law and Economics Review 10 (2008), 454, 462. 202 Klöhn, AG 2016, 434, 435; Kasiske, WM 2014, 1935 ff. auch zu weiteren Strategien. 203 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254 ff.; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 6; Sajnovits, ZGR 2021, 804, 808 ff. 204 Näher Sajnovits, ZGR 2021, 804 m.w.N. 205 Bouraoui/Mehanaoui/Bahli, The Journal of Applied Business Research 29 (2013), 79 ff.; Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1281 ff. 206 Sajnovits, ZGR 2021, 804, 812; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 9. Vgl. zur Problematik aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 2 ff. 207 Mülbert, ZHR 182 (2018), 105; Schmolke, ZGR 2020, 291, 304 ff.; Mülbert/Sajnovits, BKR 2019, 313, 316 ff.; Brellochs, ZGR 2020, 319, 323; Commandeur, AG 2020, 575, 577 ff.; Poelzig, ZHR 184 (2020), 697, 721 ff.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 64 | Vorbemerkungen Aktien – oder der Aktien eines Unternehmens durch dessen Emissions- oder Hausbank – erfolgen kann (näher Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 121 ff.). Grenzfälle, die einen Anreiz zu illegitimen und unerwünschten Manipulationen darstellen, sind „Kurspflegemaßnahmen“ im Zusammenhang mit Platzierungen oder Übernahmen und solche, die ein Optionsinhaber vornimmt208. Da Kurspflege oder -stabilisierung darauf abzielt, Kurse oder Marktpreise zu beeinflussen, ist es kaum möglich, sie über das Kriterium der Marktbeeinflussungsabsicht von illegitimer und unerwünschter Manipulation abzugrenzen209. Vielmehr muss das Kriterium objektiver oder, genauer, normativer Natur sein (s. noch Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 121 ff.). 65 Teilweise neuartige Regulierungsfragen werden durch den zunehmenden Einsatz immer weiter verbesserter
KI-Systeme beim Handel von Finanzinstrumenten aufgeworfen210. KI-basierte Handelssysteme sind zunehmend zu einem vollständig autonomen, d.h. ohne jegliche menschliche Intervention auskommenden, Handel von Finanzinstrumenten in der Lage. Zudem steht die Befürchtung im Raum, dass derartige KI-Systeme allein durch maschinelle Lernprozesse auch zu kollusivem Zusammenwirken mit anderen KI-Systemen in der Lage sein werden211. Unabhängig von den Schwierigkeiten für Aufsichtsbehörden, derartige Manipulationen zu erkennen212, steht auch die Frage im Raum, ob die Marktmanipulationstatbestände der Art. 12, 15 VO Nr. 596/2014 derartige und andere neuartigen Formen der Marktmanipulation durch künstliche Intelligenz durchgängig erfassen können. c) „Handlungsgestützte“ Manipulationen
66 Bei handlungsgestützten Manipulationen wird der innere Wert eines Finanzinstruments – zumeist negativ
– beeinflusst, um nach dem Eingehen von Short-Positionen von einem Kursverfall zu profitieren213. Entsprechende Manipulationen mögen zwar Seltenheitswert haben214, doch sind Einzelfälle durchaus bekannt geworden. Häufig zitiert ist der Fall der American Steel and Wire Company, deren Manager Leerverkäufe in Aktien des Unternehmens tätigten und dann Walzwerke des Unternehmens schlossen, woraufhin der Aktienkurs dramatisch fiel, so dass die Manager günstige Deckungsgeschäfte tätigen und so hohe Gewinne realisieren konnten215. Besonders makaber ist der unternommene Versuch einer handlungsgestützten Manipulation in Aktien der Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA im Frühjahr 2017216. Hinter dem Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus stand der Plan, möglichst viele Spieler des BVB zu töten, um so einen Kurssturz der Aktie herbeizuführen und sodann mit zuvor erworbenen Put-Optionen Gewinne zu erzielen217. d) Weitere Systematisierungsvorschläge
67 Je nachdem, ob die Marktmanipulation auf eine künstliche Erhöhung oder Reduzierung des Marktpreises
gerichtet ist, kann zwischen „Bullen-“ und „Bärenmanipulationen“ unterschieden werden218. Bei jenen wird häufig die Pump-and-dump-Technik angewendet: Der Täter deckt sich mit Finanzinstrumenten zum Marktpreis ein, erhöht den Preis sodann manipulativ, verkauft dann (erste Gewinnmitnahme) und schließt Leerverkäufe auf den Zeitpunkt ab, zu dem er die Rückkehr zum Marktpreis erwartet (zweite Gewinnmitnahme). Spiegelbildlich kann die Trash-and-Cash-Technik angewendet werden: Der Täter schließt Leerverkäufe ab, manipuliert sodann den Kurs nach unten, erfüllt die Leerverkäufe (erste Gewinnmitnahme) und deckt sich mit Finanzinstrumenten ein, die er bei Rückkehr zum Marktpreis verkauft (zweite Gewinnmitnahme). Weiterhin kann zwischen „Insidermanipulationen“ durch Unternehmens- oder Marktinsider (z.B. 208 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 12 ff. 209 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe in die Börsenkursbildung, S. 12 ff. 210 Instruktiv Azzutti/Ringe/Stiehl, Machine Learning, Market Manipulation and Collusion on Capital Markets: Why the 'Black Box' matters, EBI Working Paper 2021 No. 84. 211 Azzutti/Ringe/Stiehl, Machine Learning, Market Manipulation and Collusion on Capital Markets: Why the 'Black Box' matters, EBI Working Paper 2021 No. 84. 212 Dazu Azzutti/Ringe/Stiehl, Machine Learning, Market Manipulation and Collusion on Capital Markets: Why the 'Black Box' matters, EBI Working Paper 2021 No. 84, S. 26. 213 Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 505. 214 Fleischer, Gutachten F 120. 215 Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 504. 216 Dazu Köpferl/Wegner, WM 2017, 1924. 217 S. etwa Holtermann, Was bitte sind Put-Optionen?, in Handelsplatt vom 21.4.2017, abrufbar unter: http://www. handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/trends/anschlag-auf-bvb-bus-was-bitte-sind-put-optionen/19698544.html; Scherbaum, So wollte der Verdächtige am BVB-Anschlag verdienen, in F.A.Z. v. 21.4.2017, abrufbar unter: http:// www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/so-wollte-der-tatverdaechtige-mit-dem-bvb-anschlag-geld-verdienen-149810 24.html. 218 S. hierzu Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 12 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 10; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 7 m.N.
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Vorbemerkungen | Rz. 69 Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014
Broker) und „Outsidermanipulationen“ durch andere Personen unterschieden werden219; in der Praxis überwiegen die Insidermanipulationen.
2. Ökonomische Analyse der Marktmanipulation und ihrer Überwachung Abgesehen von der Einbeziehung tatsächlicher Handelsaktivitäten (Rz. 61 ff.) besteht heute – anders als 68 nach wie vor für das Insiderhandelsverbot220 – in der ökonomischen Theorie kein Streit darüber, dass das Verbot der Marktmanipulation prinzipiell sinnvoll ist221. Zur Legitimation von Verboten werden heute im Wesentlichen zwei Begründungsstränge angeführt. Zum einen hemmen (zahlreiche) Marktmanipulationen – unter den Annahmen der klassischen Kapitalmarkttheorie – die Allokationseffizienz des Marktes, da das Kapital nur bei einer unbeeinflussten Marktpreisbildung in denjenigen Anlagetitel fließt, bei denen es am effizientesten eingesetzt werden kann (näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 24)222. In den letzten Jahren gibt es zudem zunehmende empirische Evidenz für einen zweiten Legitimationsgrund: Mittelfristig wird nämlich auch die Kapitalaufbringungsfunktion der Kapitalmärkte beeinträchtigt, da die Anleger das Vertrauen verlieren und sich aus Kapitalmärkten zurückziehen. Gegenstand des Vertrauens in ein faires Marktverhalten ist die Erwartung, dass die übrigen Marktteilnehmer die Funktionsabläufe des Finanzmarkts nicht unredlich beeinflussen (Marktmanipulation) oder aber sich nicht selbst durch ihre Stellung besondere Vorteile verschaffen (Insiderhandel)223. Gerade dieses Vertrauen wird als wesentliche Bedingung von Anlegern verstanden, den Finanzmärkten Kapital zuzuführen224. Da auch Market-Maker sich gegen Marktmanipulationen durch die Ausweitung des bid-ask-spread schützen, wird auch die Liquidität der Märkte beeinträchtigt225. Das fehlende Vertrauen von Anlegern und Market-Makern kann daher auch in Zeiten wirtschaftlichen Wohlstands dazu führen, dass die Liquidität und Kapitalisierung der Aktienmärkte nicht proportional steigt226.
Umstritten war in der ökonomischen Literatur allenfalls die Sinnhaftigkeit der Einbeziehung handelsbasier- 69 ter Manipulationen durch effektive Geschäfte, da rein handelsbasierte Manipulationen kaum einmal erfolgreich seien und das Verbot einen übermäßig abschreckenden (over-deterrence227) und damit schädlichen
219 S. auch hierzu Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 22; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 8 m.N. 220 Insbesondere die Berechtigung eines scharfen Insiderverbots wird gelegentlich mit dem Hinweis bezweifelt, dass es die Informationseffizienz der Marktpreise beeinträchtige, weil Informationen sich mit größerer Verzögerung im Marktpreis niederschlagen. Dazu etwa Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 142 ff.; Hopt, ZGR 1991, 17; Fleischer, Gutachten F 28; Fleischer/Schmolke, AG 2007, 841; grundlegend Manne, Insidertrading and the Stockmarket, 1966. Präferieren Anleger freilich faire Märkte, bringen sie diesen mithin mehr Vertrauen entgegen, streiten für die vertrauensbildende institutionelle Gewährleistung von Fairness nicht nur Gerechtigkeitserwägungen, sondern auch die ökonomische Vernunft. Zu den Zusammenhängen zwischen Vertrauensbildung und Insiderhandelsverbot Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 34. 221 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 210 ff.; Putnins, Journal of Economic Survey 26 (2012), 952 ff.; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 464 ff.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 24; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 12; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 9. 222 Avgouleas, The Mechanism and Regulation of Market Abuse, S. 168, 210 ff.; Aggarwal/Wu, Journal of Business 79 (2006), 1915; Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 184 f.; McVea in Moloney/Ferran/Payne, The Oxford Handbook of Financial Regulation, S. 631, 638; Sajnovits, ZGR 2021, 804, 809 f.; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 465; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 27. Aus dem ökonomischen Schrifttum schon von Hayek, 35 American Economic Review (1945), 519; Arrow, Review of Economic Studies 31 (1964), 91-96; Diamond, American Economic Review 57 (1967), 759; Hirshleifer, American Economic Review 61 (1972), 561; speziell auf Finanzmärkte bezogen Kyle/Viswanathan, American Economic Review 98 (2008), 274, 275; Dow/Gorton, Journal of Finance, 52 (1997), 1087 (zeigen die Verbindung zwischen informationeller und allokativer Effizienz auch jenseits der tatsächlichen Einwerbung neuen Eigenkapitals auf); Subrahmanyam/Titman, Journal of Finance, 56 (2001), 2389; Goldstein/Guembel, Review of Economic Studies 75 (2008), 133; Putnins, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952. 223 Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 34 m.w.N.; ferner Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 26; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 466; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 2. 224 Dazu Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 184 m.w.N. 225 Sajnovits, ZGR 2021, 804, 810; aus dem ökonomischen Schrifttum Kyle/Viswanathan, The American Economic Review 98 (2008), 274, 275. 226 Guiso/Sapienza/Zingales, Journal of Finance 63 (2008), 2557 auf Kapitalisierung abstellend; Tomasic/Akinbami, Journal of Corporate Law Studies 2011, 369, 379 auf die Verknüpfung zwischen Vertrauen und Liquidität abstellend. S. ferner Ng/Ibrahim/Mirakhor, Economic Modelling 52 (2016), 239. 227 Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 211 ff.; grundlegend Landes/ Posner, Journal of Legal Studies 4 (1975), 1, 15 ff.
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Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 69 | Vorbemerkungen Effekt auf die Liquidität und Kapitalisierung der Märkte haben könne228. Zudem sollen Marktmanipulationen durch effektive Geschäfte kaum profitabel sein, was schon für sich selbst abschreckend wirke, und es sollen die Kosten für die Beobachtung und Rechtsdurchsetzung von Verstößen eines Verbots die potenziellen Wohlfahrtsverluste durch die Manipulationen in der Regel überstiegen229. Dem wird mit der Erwägung entgegengetreten, dass sich auch bei handelsgestützten Manipulationen Gewinne bei geringem Kapitaleinsatz erzielen lassen, sei es auf relativ illiquiden Märkten, sei es durch die Nutzung von Derivaten, weil sich auch nur geringfügige Manipulationen des Basiswerts bei den Derivaten aufgrund des leverage effect überproportional auswirken230. Jedenfalls soweit die vertrauensbestärkende Wirkung des Marktmanipulationsverbots betont wird (Rz. 68), spricht viel dafür, auch handelsbasierte Manipulationen zu verbieten. 70 Die grundsätzliche Legitimation des Verbots der Marktmanipulation entbindet nicht davon, sowohl den An-
wendungsbereich des Verbots als auch die Intensität der Sanktionierung stetig einer Kosten-Nutzen-Analyse231 zu unterziehen, um sicherzustellen, dass keine effizienzhemmenden Abschreckungseffekte von einer Überregulierung ausgehen232. In dieses Kosten-Nutzen-Kalkül ist nicht nur jeder einzelne legislative Akt einzubeziehen233, sondern es sollte das gesamte regulatorische Umfeld in seinen zahlreichen Verknüpfungen untersucht werden234. Intensiv wird diese Debatte derzeit zwischen den Unterstützern und Opponenten eines breiten private enforcement im Kapitalmarktrecht geführt. Dazu näher Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 40 ff.
V. Rechtspraxis und Rechtstatsächliches 71 Verlässliche Aussagen über den Umfang und das Ausmaß von Marktmanipulationen lassen sich nur schwer
treffen, auch weil die Dunkelziffer von unerkannten Manipulationen kaum abzuschätzen ist235. Einen Anhaltspunkt liefern zumindest die von den nationalen Aufsichtsbehörden angestoßenen Verfahren236. Bei der praktischen Handhabung des Marktmanipulationsrechts in Deutschland ist naturgemäß die Behördenpraxis der BaFin von ausschlaggebender Bedeutung, die über Anzeigen, Stellungnahmen und Gutachten auch auf die Justizpraxis der ggf. mit Marktmanipulation befassten Staatsanwaltschaften und Strafgerichte einwirkt.
72 Einen zusammenfassenden Überblick über die Aufsichtspraxis, ebenso wie über die straf- und ordnungs-
rechtliche Verfolgung von Marktmanipulationsverstößen, geben die Jahresberichte der BaFin237. Insgesamt analysierte die BaFin im Jahr 2020 im Rahmen ihrer Marktanalyse 56 neue Vorgänge im Hinblick auf Marktmanipulation238.
228 Grundlegend Fischel/Ross, Harvard Law Review 105 (1991), 503, 512 ff.; unter bestimmten Bedingungen auch Jarrow, Journal of Financial and Quantitive Analysis 27 (1992), 311; differenziert aus jüngerer Zeit Kyle/Viswanathan, American Economic Review 98 (2008), 274, die sich dafür aussprechen, dass handelsbasierte Maßnahmen nur dann als Marktmanipulation behandelt werden sollten, wenn sie einen (nachgewiesenen) negativen Effekt auf die Kapitalmarkteffizienz haben. Dazu auch Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 31; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 12. 229 Fischel/Ross, Harvard Law Review 105 (1991), 503, 512 ff. 230 Etwa Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503 ff.; Allen/Gorton, European Economic Review 36 (1992), 624; Cornell Thel, Law Review 79 (1994), 219 ff.; Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 219 f. 231 S. etwa Cochrane, Journal of Legal Studies 43 (2014), p. 64; Gordon, Journal of Legal Studies 43 (2014), p. 351; Sherwin, Stanford Journal of Law, Business & Finance 12 (2006), 1; Hahn/Sunstein, University of Pennsylvania Law Review 150 (2002), 1482. 232 McVea in Moloney/Ferran/Payne, The Oxford Handbook of Financial Regulation, S. 631, 639; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 29. 233 So aber der gegenwärtige Ansatz auf der EU-Ebene, s. dazu die „Impact Assessments“ der European Commission Staff, z.B. Commission Staff Working Paper – Impact Assessment on CRD IV, SEC (2011) 949 final, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52011SC0949&from=EN. Dazu auch Binder, European Business Organization Law Review 16 (2015), 97, 116 ff.; Binder in FS Köndgen, 2016, S. 74 ff. 234 Dazu auch knapp Mülbert/Sajnovits, German Law Journal 18 (2017), 1, 36 f. 235 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 169; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 13. 236 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 169; instruktive Aufbereitung bei Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 7 ff. 237 Abrufbar unter www.bafin.de; zusammenfassend Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 38 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 13 f.; vgl. zur Praxis der FINMA in der Schweiz Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 76 ff. 238 BaFin Jahresbericht 2020, S. 87.
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Marktmanipulation | Art. 12 VO Nr. 596/2014
In insgesamt lediglich 21 neuen Fällen stellte die BaFin Anhaltspunkte für Marktmanipulationen fest und 73 zeigte 32 verdächtige Personen bei den zuständigen Staatsanwaltschaften an239. Durch Einstellungen abgeschlossen werden konnten im Jahr 2020 insgesamt 206 Marktmanipulationsverfahren240. Von deutschen Gerichten wegen eines Verstoßes gegen das Marktmanipulationsverbot verurteilt wurden 74 im Jahr 2020 lediglich 12 Personen241. In dieser niedrigen Zahl spiegeln sich die bestehenden Nachweisschwierigkeiten, lange Verfahrensdauern, aber auch die angesichts begrenzter Verfolgungsressourcen unvermeidliche Fokussierung auf die viele Anleger schädigenden Missbrauchsfälle wider. Wenig breit wirkende Manipulationen werden häufig auch unter Nutzung der vorhandenen strafprozessualen Möglichkeiten im Einvernehmen aller Verfahrensbeteiligten beendet und führen regelmäßig nicht zu gerichtlichen Verurteilungen. So wurden insgesamt 206 Marktmanipulationsverfahren durch die Staatsanwaltschaften eingestellt, bzw. sahen diese von einer weiteren Verfolgung ab242.
Art. 12 VO Nr. 596/2014 Marktmanipulation (1) Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff „Marktmanipulation“ folgende Handlungen: a) Abschluss eines Geschäfts, Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, i) der bzw. die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts gibt oder bei der dies wahrscheinlich ist, oder ii) durch das bzw. die ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts erzielt wird oder bei dem/der dies wahrscheinlich ist; es sei denn, die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, weist nach, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gemäß Artikel 13 steht. b) Abschluss eines Geschäfts, Erteilung eines Handelsauftrags und jegliche sonstige Tätigkeit oder Handlung, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts beeinflusst oder hierzu geeignet ist; c) Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich des Internets oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts oder der Nachfrage danach geben oder bei denen dies wahrscheinlich ist oder ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts herbeiführen oder bei denen dies wahrscheinlich ist, einschließlich der Verbreitung von Gerüchten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren; d) Übermittlung falscher oder irreführender Angaben oder Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten bezüglich eines Referenzwerts, wenn die Person, die die Informationen übermittelt oder die Ausgangsdaten bereitgestellt hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren, oder sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird. (2) Als Marktmanipulation gelten unter anderem die folgenden Handlungen: a) Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments, damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder eines auf Emissionszertifikaten beruhen239 240 241 242
BaFin Jahresbericht 2020, S. 87. BaFin Jahresbericht 2020, S. 87. BaFin Jahresbericht 2020, S. 87. BaFin Jahresbericht 2020, S. 87.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 | Marktmanipulation den Auktionsobjekts oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufs- oder Verkaufspreises oder anderen unlauteren Handelsbedingungen führt oder hierzu geeignet ist; b) Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss an einem Handelsplatz mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge, dass Anleger, die aufgrund der angezeigten Kurse, einschließlich der Eröffnungs- und Schlusskurse, tätig werden, irregeführt werden; c) die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen an einen Handelsplatz, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, mittels aller zur Verfügung stehenden Handelsmethoden, auch in elektronischer Form, beispielsweise durch algorithmische und Hochfrequenzhandelsstrategien, die eine der in Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Auswirkungen hat, indem sie i) das Funktionieren des Handelssystems des Handelsplatzes tatsächlich oder wahrscheinlich stört oder verzögert, ii) Dritten die Ermittlung echter Kauf- oder Verkaufsaufträge im Handelssystem des Handelsplatzes tatsächlich oder wahrscheinlich erschwert, auch durch das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen, die zur Überfrachtung oder Beeinträchtigung des Orderbuchs führen, oder iii) tatsächlich oder wahrscheinlich ein falsches oder irreführendes Signal hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach oder seines Preises setzt, insbesondere durch das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen zur Auslösung oder Verstärkung eines Trends; d) Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt (oder indirekt zu dessen Emittenten), wobei zuvor Positionen bei diesem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt eingegangen wurden und anschließend Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs dieses Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt ordnungsgemäß und wirksam mitgeteilt wird; e) Kauf oder Verkauf von Emissionszertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt vor der Versteigerung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 mit der Folge, dass der Auktionsclearingpreis für die Auktionsobjekte auf anormaler oder künstlicher Höhe festgesetzt wird oder dass Bieter, die auf den Versteigerungen bieten, irregeführt werden. (3) Für die Anwendung von Absatz 1 Buchstaben a und b und unbeschadet der in Absatz 2 aufgeführten Formen von Handlungen enthält Anhang I eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren in Bezug auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung und eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren in Bezug auf falsche oder irreführende Signale und die Sicherung des [richtig: der] Herbeiführung bestimmter Kurse. (4) Handelt es sich bei der in diesem Artikel genannten Person um eine juristische Person, so gilt dieser Artikel nach Maßgabe des nationalen Rechts auch für die natürlichen Personen, die an dem Beschluss, Tätigkeiten für Rechnung der betreffenden juristischen Person auszuführen, beteiligt sind. (5) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 35 zur Präzisierung der in Anhang I festgelegten Indikatoren delegierte Rechtsakte zu erlassen, um deren Elemente zu klären und den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320) und Berichtigung vom 21.12.2016 (ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83). Anhang I VO Nr. 596/2014 A. Indikatoren für manipulatives Handeln durch Aussenden falscher oder irreführender Signale und durch Herbeiführen bestimmter Kurse Für die Zwecke der Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung und unbeschadet der Handlungen, die in Absatz 2 des genannten Artikels aufgeführt sind, werden die nachfolgend in nicht erschöpfender Aufzählung genannten Indikatoren, die für sich genommen nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind, berücksichtigt, wenn Marktteilnehmer oder die zuständigen Behörden Geschäfte oder Handelsaufträge prüfen: a) der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte Geschäfte einen bedeutenden Teil des Tagesvolumens der Transaktionen mit dem entsprechenden Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kon-
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Marktmanipulation | Art. 12 VO Nr. 596/2014
b)
c) d)
e) f)
g)
trakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt ausmachen, vor allem dann, wenn diese Tätigkeiten zu einer erheblichen Veränderung des Kurses führen; der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte Geschäfte von Personen die bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen in Bezug auf ein Finanzinstrument, einen damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder ein auf Emissionszertifikaten beruhendes Auktionsobjekt innehaben, zu wesentlichen Änderungen des Kurses dieses Finanzinstruments, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts führen; der Umstand, ob getätigte Geschäfte nicht zu einer Änderung des wirtschaftlichen Eigentums eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts führen; der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte Geschäfte oder stornierte Aufträge Umkehrungen von Positionen innerhalb eines kurzen Zeitraums beinhalten und einen beträchtlichen Teil des Tagesvolumens der Transaktionen mit dem entsprechenden Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt ausmachen und mit einer erheblichen Veränderung des Kurses eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts in Verbindung stehen könnten; der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte Geschäfte durch ihre Häufung innerhalb eines kurzen Abschnitts des Handelstages eine Kursveränderung bewirken, auf die einen gegenläufige Preisänderung folgt; der Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge die Darstellung der besten Geld- oder Briefkurse eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts verändern oder allgemeiner die den Marktteilnehmern verfügbare Darstellung des Orderbuchs verändern und vor ihrer eigentlichen Abwicklung annulliert werden, und der Umfang, in dem Geschäfte genau oder ungefähr zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben oder abgewickelt werden, zu dem die Referenzkurse, die Abrechnungskurse und die Bewertungen berechnet werden, und dies zu Kursveränderungen führt, die sich auf diese Kurse und Bewertungen auswirken.
B. Indikatoren für manipulatives Handeln durch Vorspiegelung falscher Tatsachen sowie durch sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung Für die Zwecke der Anwendung von Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe b dieser Verordnung und unbeschadet der Handlungen, die in Absatz 2 des genannten Artikels aufgeführt sind, werden die nachfolgend in nicht erschöpfender Aufzählung genannten Indikatoren, die für sich genommen nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen sind, berücksichtigt, wenn Marktteilnehmer oder die zuständigen Behörden Geschäfte oder Handelsaufträge prüfen: a) ob von bestimmten Personen erteilte Handelsaufträge oder ausgeführte Geschäfte vorab oder im Nachhinein von der Verbreitung falscher oder irreführender Informationen durch dieselben oder in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen begleitet wurden und b) ob Geschäfte von Personen in Auftrag gegeben bzw. ausgeführt werden, bevor oder nachdem diese Personen oder in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen unrichtige oder verzerrte oder nachweislich von materiellen Interessen beeinflusste Anlageempfehlungen erstellt oder weitergegeben haben. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften (Auszug) Art. 1 Gegenstand und Anwendungsbereich Diese Verordnung legt detaillierte Bestimmungen im Hinblick auf Folgendes fest: 1. ... 2. die in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 aufgeführten Indikatoren für Marktmanipulation; 3. ... 4. ... 5. ... 6. ... In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 4 Indikatoren für manipulatives Handeln (1) In Bezug auf die in Anhang I Abschnitt A der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Indikatoren für manipulatives Handeln durch Aussenden falscher oder irreführender Signale und durch Herbeiführen bestimmter Kurse werden die unter den Indikatoren in Anhang I Abschnitt A Buchstaben a bis g der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 aufgeführten Praktiken in Anhang II Abschnitt 1 der vorliegenden Verordnung festgelegt.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 | Marktmanipulation (2) In Bezug auf die in Anhang I Abschnitt B der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Indikatoren für manipulatives Handeln durch Vorspiegelung falscher Tatsachen sowie durch sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung werden die unter den Indikatoren in Anhang I Abschnitt B Buchstaben a und b der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 aufgeführten Praktiken in Anhang II Abschnitt 2 der vorliegenden Verordnung festgelegt. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Anhang II Abschnitt 1 Indikatoren für manipulatives Handeln durch Aussenden falscher oder irreführender Signale und durch Herbeiführen bestimmter Kurse (Anhang I Abschnitt A der Verordnung (EU) Nr. 596/2014) 1. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (a) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) Kauf von Positionen, auch nach Absprache durch mehrere Beteiligte, eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts auf dem Sekundärmarkt im Anschluss an die Zuteilung auf dem Primärmarkt in der Absicht, den Preis künstlich in die Höhe zu treiben und bei anderen Investoren Interesse zu wecken – was gewöhnlich, beispielsweise im Zusammenhang mit Eigenkapital, als Absprache auf dem Anschlussmarkt eines öffentlichen Erstangebots, an dem die Abspracheparteien beteiligt sind, bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) eine ungewöhnliche Konzentration von Transaktionen und/oder Handelsaufträgen, entweder allgemein oder aufseiten nur einer Person, die dazu ein oder mehrere Konten benutzt, bzw. aufseiten einer begrenzten Anzahl von Personen; ii) Transaktionen oder Handelsaufträge, die keine andere Berechtigung erkennen lassen als die, den Kurs oder das Handelsvolumen im Verlauf eines Börsentages, etwa zur Eröffnung oder kurz vor Schließung, in der Nähe eines Referenzpunktes in die Höhe zu treiben. b) Abwicklung von Transaktionen oder Handelsaufträgen in einer Weise, die einen Rückgang oder Anstieg der Kurse für das Finanzinstrument, einen damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder ein auf Emissionszertifikaten beruhendes Auktionsobjekt unter bzw. über ein bestimmtes Niveau bewirkt und diese Transaktionen dadurch behindert, womit hauptsächlich die nachteiligen Folgen vermieden werden sollen, die sich aus Änderungen im Kurs des Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts ergeben, was gewöhnlich als „Creation of a floor or a ceiling in the price pattern“ (Erzeugung eines Tiefstpreises oder eines Höchstpreises im Preisgefüge) bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Transaktionen oder Handelsaufträge, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass in den Tagen vor der Ausgabe, der vorzeitigen Tilgung oder dem Erlöschen damit verbundener Derivate oder Wandelanleihen der Preis ansteigt, sinkt oder beibehalten wird; ii) Transaktionen oder Handelsaufträge, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der gewichtete Durchschnittspreis eines Tages oder eines bestimmten Zeitraums während eines Handelstages ansteigt oder sinkt; iii) Transaktionen oder Handelsaufträge, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der Preis eines zugrunde liegenden Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts unter oder über dem Ausübungspreis oder einem anderen zur Bestimmung der Auszahlung eines entsprechenden Derivats am Ende seiner Laufzeit benutzten Elements (z.B. einer Sperre) gehalten wird; iv) Transaktionen an einem Handelsplatz, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der Preis eines zugrunde liegenden Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts dahin gehend modifiziert wird, dass er den Ausübungspreis oder ein anderes zur Bestimmung der Auszahlung eines entsprechenden Derivats am Ende seiner Laufzeit benutztes Element (z.B. eine Sperre) übersteigt oder nicht erreicht; v) Transaktionen, die zur Modifizierung des Abrechnungskurses eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts führen (bzw. wahrscheinlich dazu führen), wenn dieser Kurs insbesondere bei der Berechnung der Einschussanforderungen als Referenzkurs oder entscheidender Faktor genutzt wird. c) Erteilung kleiner Kauf- oder Verkaufsaufträge, um den Grad der verdeckten Aufträge festzustellen und insbesondere einzuschätzen, welche Positionen auf einer „Dark Platform“ verbleiben, was gewöhnlich als „PingAufträge“ bezeichnet wird; d) Ausführung von Handelsaufträgen oder einer Reihe von Handelsaufträgen, um Aufträge anderer Teilnehmer auszuspähen, und anschließende Auslösung eines Handelsauftrags unter Ausnutzung der erlangten Informationen, was gewöhnlich als „Phishing“ bezeichnet wird. 2. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (b) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) die unter Punkt 1 (a) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich – beispielsweise im Zusammenhang mit Eigenkapital – als Absprache auf dem Anschlussmarkt eines öffentlichen Erstangebots, an dem die Abspracheparteien beteiligt sind, bezeichnet wird; b) Ausnutzung des erheblichen Einflusses einer marktbeherrschenden Stellung auf das Angebot an bzw. die Nachfrage nach Umsetzungsmechanismen für ein Finanzinstrument, einen verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder
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Marktmanipulation | Art. 12 VO Nr. 596/2014 ein auf Emissionszertifikaten beruhendes Auktionsobjekt mit dem Ziel einer deutlichen Verfälschung bzw. wahrscheinlichen Verfälschung der Preise, zu denen andere Parteien Lieferungen vornehmen, entgegennehmen oder herausschieben müssen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen, was gewöhnlich als „Abusive Squeeze“ (missbräuchlicher Druck) bezeichnet wird; c) Abwicklung von Handelsgeschäften oder Erteilung von Handelsaufträgen an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes (einschließlich Abgabe von Interessenbekundungen) in der Absicht, den Kurs desselben Finanzinstruments an einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts in unzulässiger Weise zu beeinflussen, was gewöhnlich als „Inter-trading Venues Manipulation“ (handelsplatzübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes zum Zwecke der unzulässigen Positionierung des Kurses eines Finanzinstruments an einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes). Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Ausführung einer Transaktion, die zur Veränderung der Geld- und Briefkurse führt, wenn die Differenz zwischen diesen Geld- und Briefkursen ein Faktor ist, der die Festlegung des Preises einer anderen Transaktion unabhängig davon beeinflusst, ob diese an demselben Handelsplatz stattfindet oder nicht; ii) der unter Punkt 1 (b) (i), (b) (iii), (b) (iv) und (b) (v) dieses Abschnitts genannten Indikatoren; d) Abwicklung von Handelsgeschäften oder Erteilung von Handelsaufträgen an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes (einschließlich Abgabe von Interessenbekundungen) in der Absicht, den Kurs eines verbundenen Finanzinstruments an einem anderen oder demselben Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines verbundenen auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts in unzulässiger Weise zu beeinflussen, was gewöhnlich als „Cross-product Manipulation“ (produktübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel mit einem Finanzinstrument in der Absicht, den Kurs eines verbundenen Finanzinstruments an einem anderen oder demselben Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in unzulässiger Weise zu beeinflussen). Diese Praxis lässt sich auch anhand der zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen, auf die in Punkt 1 (b) (i), (b) (iii), (b) (iv) und (b) (v) sowie in Punkt 2 (c) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird. 3. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (c) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) Vorkehrungen für den Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts, bei dem es nicht zu einer Änderung des wirtschaftlichen Eigentums oder des Marktrisikos kommt oder bei dem eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums oder des Marktrisikos zwischen den gemeinschaftlich oder in Absprache handelnden Parteien stattfindet, was gewöhnlich als „Wash Trades“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) ungewöhnliche Wiederholung einer Transaktion zwischen einer kleinen Anzahl von Parteien über einen gewissen Zeitraum; ii) Transaktionen oder Handelsaufträge, durch die sich die Bewertung einer Position verändert bzw. wahrscheinlich verändert, obwohl der Umfang der Position weder kleiner noch größer wird; iii) des unter Punkt 1 (a) (i) dieses Abschnitts genannten Indikators. b) Erteilung von Handelsaufträgen oder Ausführung von Handelsaufträgen bzw. einer Reihe von Handelsaufträgen, die auf einer öffentlichen Anzeigetafel erscheinen, um bei einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt den Eindruck lebhafter Umsätze oder Kursbewegungen zu erwecken, was gewöhnlich als „Painting the tape“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen, auf die in Punkt 1 (a) (i) und Punkt 3 (a) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird. c) Transaktionen im Ergebnis der gleichzeitigen oder fast gleichzeitigen Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen sehr ähnlichen Umfangs und zu ähnlichen Kursen durch ein und dieselbe Partei oder verschiedene Parteien, die sich abgesprochen haben, was gewöhnlich als „Improper Matched Orders“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Transaktionen oder Handelsaufträge, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass ein Marktpreis festgesetzt wird, wenn die Liquidität oder die Orderbuchtiefe am betreffenden Handelstag nicht für eine Preisfestsetzung ausreichen; ii) der unter den Punkten 1 (a) (i), 3 (a) (i) und 3 (a) (ii) dieses Abschnitts genannten Indikatoren. d) Transaktionen oder eine Reihe von Transaktionen zur Verschleierung des Eigentums an einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt mittels Verstoßes gegen die Offenlegungspflichten, indem das betreffende Finanzinstrument, der verbundene Waren-Spot-Kontrakt oder das auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekt im Namen einer oder mehrerer Parteien gehalten wird, mit denen Absprachen getroffen wurden. Im Hinblick auf den tatsächlichen Halter des Finanzinstruments, des verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder des auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts ist die Offenlegung irreführend, was gewöhnlich als „Concealing Ownership“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand des Indikators für Marktmanipulation veranschaulichen, auf den in Punkt 3 (a) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird. 4. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (d) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) die unter Punkt 3 (b) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Painting the tape“ bezeichnet wird;
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 | Marktmanipulation b) die unter Punkt 3 (c) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Improper Matched Orders“ bezeichnet wird; c) Einnahme einer Long-Position bei einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt mit anschließenden weiteren Ankäufen und/oder Ausstreuung irreführender positiver Informationen über das Finanzinstrument, den verbundenen Waren-SpotKontrakt oder das auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekt in der Absicht, den Kurs des Finanzinstruments, des verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder des auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts mittels Anlocken weiterer Käufer hochzutreiben. Hat der Kurs dann einen künstlich hohen Stand erreicht, wird die Long-Position abgestoßen, was gewöhnlich als „Pump und Dump“ bezeichnet wird; d) Einnahme einer Short-Position bei einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt mit anschließenden weiteren Verkäufen und/oder Ausstreuung irreführender negativer Informationen über das Finanzinstrument, den verbundenen WarenSpot-Kontrakt oder das auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekt in der Absicht, den Kurs des Finanzinstruments, des verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder des auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts mittels Anlocken weiterer Verkäufer abstürzen zu lassen. Wenn der Kurs dann im Keller ist, wird die gehaltene Position geschlossen, was gewöhnlich als „Trash und Cash“ bezeichnet wird; e) Erteilung einer großen Zahl von Handelsaufträgen und/oder Auftragsstornierungen und/oder -aktualisierungen, um Unsicherheit für die anderen Teilnehmer zu erzeugen, deren Prozess zu verlangsamen und/oder die eigene Strategie zu verschleiern, was gewöhnlich als „Quote Stuffing“ bezeichnet wird; f) Erteilung von Handelsaufträgen oder einer Auftragsserie bzw. Abwicklung von Transaktionen oder einer Transaktionsserie mit der Absicht, einen Trend auszulösen oder zu verschärfen und andere Teilnehmer zu ermutigen, den Trend zu beschleunigen oder zu erweitern, um eine Gelegenheit für die Auflösung oder Eröffnung einer Position zu einem günstigen Preis zu schaffen, was gewöhnlich als „Momentum Ignition“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand einer großen Zahl von Auftragsstornierungen (z.B. gemessen an der Zahl der Handelsaufträge), die in Verbindung mit dem Verhältnis zum Volumen (z.B. Anzahl der Finanzinstrumente je Auftrag) betrachtet werden kann, veranschaulichen. 5. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (e) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) die unter Punkt 1 (b) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Creation of a floor or a ceiling in the price pattern“ bezeichnet wird; b) die unter Punkt 2 (c) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Inter-trading venues manipulation“ (handelsplatzübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in der Absicht, den Preis eines Finanzinstruments an einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in unzulässiger Weise zu beeinflussen); c) die unter Punkt 2 (d) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Cross-product manipulation“ (produktübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel mit einem Finanzinstrument in der Absicht, den Preis eines verbundenen Finanzinstruments an demselben oder einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes auf unzulässige Weise zu beeinflussen); d) vorsätzlicher Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts zu einem Bezugszeitpunkt des Börsentages (z.B. Eröffnung, Schließung, Abrechnung) in der Absicht, den Referenzkurs (z.B. Eröffnungskurs, Schlussnotierung, Abrechnungskurs) in die Höhe zu treiben, ihn sinken zu lassen oder auf einem bestimmten Stand zu halten, was gewöhnlich als „Marking the close“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Erteilung von Aufträgen, die im zentralen Orderbuch des Handelssystems erhebliche Mengen darstellen, wenige Minuten vor der Preisermittlungsphase einer Auktion und Stornierung dieser Aufträge wenige Sekunden vor der Sperrung des Orderbuchs zum Zwecke der Bestimmung des Auktionspreises; auf diese Weise fällt der theoretische Eröffnungskurs höher/niedriger aus, als es sonst der Fall gewesen wäre; ii) der unter den Punkten 1 (b) (i), (b) (iii), (b) (iv) und (b) (v) dieses Abschnitts genannten Indikatoren; iii) vorgenommene Transaktionen oder Erteilung von Handelsaufträgen (insbesondere in der Nähe eines Referenzpunktes im Laufe des Börsentages), die aufgrund ihrer am Markt gemessenen Größenordnung eindeutig einen erheblichen Einfluss auf Angebot und Nachfrage oder auf den Kurs oder Wert haben; iv) Transaktionen oder Handelsaufträge mit keiner erkennbaren anderen Rechtfertigung als der, den Kurs in die Höhe zu treiben oder zu senken bzw. das Handelsvolumen zu vergrößern, insbesondere in der Nähe eines Referenzpunktes im Laufe des Börsentages, etwa kurz nach Eröffnung der Börse oder kurz vor Börsenschluss; e) Übermittlung von Großaufträgen oder mehreren Aufträgen, die häufig auf der einen Seite des Orderbuchs nicht sichtbar sind, mit der Absicht, ein Geschäft auf der anderen Seite des Orderbuchs auszuführen. Nachdem das Geschäft abgeschlossen wurde, werden die fiktiven Aufträge entfernt; dies wird gewöhnlich als „Layering und Spoofing“ bezeichnet. Diese Praxis lässt sich auch anhand des Indikators veranschaulichen, auf den in Punkt 4 (f) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird; f) die unter Punkt 4 (e) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Quote Stuffing“ bezeichnet wird; g) die unter Punkt 4 (f) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Momentum Ignition“ bezeichnet wird. 6. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (f) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) Erteilung von Aufträgen, die vor ihrer Ausführung zurückgezogen werden und dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der falsche Eindruck entsteht, als gäbe es eine Nachfrage nach oder ein Angebot an einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhen-
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Marktmanipulation | Art. 12 VO Nr. 596/2014 den Auktionsobjekt zu dem betreffenden Preis, was gewöhnlich als „Erteilung von Aufträgen ohne die Absicht, diese auszuführen“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Handelsaufträge, die zu einem die Nachfrage in die Höhe treibenden oder das Angebot verringernden Preis eingegeben werden und dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der Kurs eines verbundenen Finanzinstruments ansteigt oder sinkt; ii) des unter Punkt 4 (f) (i) dieses Abschnitts genannten Indikators. b) die unter Punkt 1 (b) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Creation of a floor or a ceiling in the price pattern“ bezeichnet wird; c) Verschiebung der Differenz zwischen Geld- und Briefkursen auf ein künstliches Niveau und/oder Beibehaltung dieser Differenz auf einem solchen Niveau durch einen Missbrauch von Marktmacht, was gewöhnlich als übermäßige Differenz zwischen Geld- und Briefkursen („Excessive Bid-Offer Spreads“) bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Transaktionen oder Handelsaufträge, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass die Vorkehrungen des Marktes zum Schutz des Handels umgangen werden (z.B. Höchstpreise, Mengenbeschränkungen, Parameter der Differenz zwischen Geld- und Briefkursen usw.); ii) des unter Punkt 2 (c) (i) dieses Abschnitts genannten Indikators. d) Erteilung von Handelsaufträgen, die die Nachfrage nach einem Finanzinstrument, einem verbundenen WarenSpot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt erhöhen (oder das entsprechende Angebot verringern) mit dem Ziel, dessen Preis nach oben zu treiben (oder ihn zu senken), was gewöhnlich als „Advancing the bid“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand des Indikators veranschaulichen, auf den in Punkt 6 (a) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird; e) die unter Punkt 2 (c) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Inter-trading venues manipulation“ (handelsplatzübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in der Absicht, den Preis eines Finanzinstruments an einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in unzulässiger Weise zu beeinflussen); f) die unter Punkt 2 (d) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Cross-product manipulation“ (produktübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel mit einem Finanzinstrument in der Absicht, den Preis eines verbundenen Finanzinstruments an demselben oder einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes auf unzulässige Weise zu beeinflussen); g) die unter Punkt 5 (e) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Layering und Spoofing“ bezeichnet wird; h) die unter Punkt 4 (e) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Quote Stuffing“ bezeichnet wird; i) die unter Punkt 4 (f) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Momentum Ignition“ bezeichnet wird; j) Veröffentlichung von Handelsaufträgen in der Absicht, andere Marktteilnehmer, die sich herkömmlicher Handelstechniken bedienen („Slow traders“), anzulocken, gefolgt von einem raschen Überwechseln zu weniger großzügigen Konditionen in der Hoffnung, aus dem Zustrom von Handelsaufträgen dieser „Slow traders“ Gewinn zu ziehen; diese Praxis wird gewöhnlich als „Smoking“ bezeichnet. 7. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators A (g) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) die unter Punkt 5 (d) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Marking the close“ bezeichnet wird; b) die unter Punkt 1 (a) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich, beispielsweise im Zusammenhang mit Eigenkapital, als Absprache auf dem Anschlussmarkt eines öffentlichen Erstangebots, an dem die Abspracheparteien beteiligt sind, bezeichnet wird; c) die unter Punkt 1 (b) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Creation of a floor or a ceiling in the price pattern“ bezeichnet wird; d) die unter Punkt 2 (c) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Inter-trading venues manipulation“ (handelsplatzübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in der Absicht, den Preis eines Finanzinstruments an einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in unzulässiger Weise zu beeinflussen); e) die unter Punkt 2 (d) dieses Abschnitts genannte Praxis, die gewöhnlich als „Cross-product manipulation“ (produktübergreifende Manipulation) bezeichnet wird (Handel mit einem Finanzinstrument in der Absicht, den Preis eines verbundenen Finanzinstruments an demselben oder einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes auf unzulässige Weise zu beeinflussen); f) Vorkehrungen zur Verfälschung der mit einem Warenvertrag verbundenen Kosten, etwa im Zusammenhang mit Versicherung oder Fracht, was dazu führt, dass der Abrechnungspreis eines Finanzinstruments oder eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts in unnatürlicher oder künstlicher Höhe festgelegt wird. 8. Die unter Punkt 2 (c) dieses Abschnitts genannte Praxis, auf die auch in den Punkten 5 (c), 6 (e) und 7 (d) dieses Abschnitts Bezug genommen wird, ist im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014 relevant, wenn es um handelsplatzübergreifende Manipulation geht. 9. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kurs oder Wert eines Finanzinstruments vom Kurs oder Wert eines anderen Finanzinstruments oder eines Waren-Spot-Kontrakts abhängen oder seinerseits diesen beeinflussen kann, ist die unter Punkt 2 (d) dieses Abschnitts genannte Praxis, auf die auch in den Punkten 5 (c), 6 (f) und 7 (e) dieses Abschnitts Bezug genommen wird, im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 relevant, wenn es um handelsplatzübergreifende Manipulation geht. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1).
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 | Marktmanipulation Abschnitt 2 Indikatoren für manipulatives Handels durch Vorspiegelung falscher Tatsachen sowie durch sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung (Abschnitt B des Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014) 1. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators B (a) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) Verbreitung falscher oder fehlerhafter Marktinformationen über die Medien einschließlich Internet oder mit anderen Mitteln, die zur Verschiebung des Kurses eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-SpotKontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts in einer Richtung führt bzw. wahrscheinlich führt, welche für die Position, die von der/den an der Verbreitung der Information interessierten Person(en) gehalten wird, oder eine von dieser/diesen geplante Transaktion von Vorteil ist; b) Eröffnung einer Position eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts und Schließung einer solchen Position unmittelbar nach deren Offenlegung unter Betonung des langfristigen Charakters der Investition, was gewöhnlich als „Eröffnung einer Position und Schließung derselben unmittelbar nach ihrer Offenlegung“ bezeichnet wird; c) die unter Punkt 4 (c) des Abschnitts 1 genannte Praxis, die gewöhnlich als „Pump und Dump“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der folgenden zusätzlichen Indikatoren für Marktmanipulation veranschaulichen: i) Verbreitung von Meldungen in den Medien über den Anstieg (oder Rückgang) einer qualifizierten Beteiligung vor oder kurz nach einer ungewöhnlichen Bewegung im Preis eines Finanzinstruments; ii) des unter Punkt 5 (d) (i) des Abschnitts 1 genannten Indikators; d) die unter Punkt 4 (d) des Abschnitts 1 genannte Praxis, die gewöhnlich als „Trash und Cash“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand der Indikatoren veranschaulichen, auf die in Punkt 5 (d) (i) des Abschnitts 1 und Punkt 1 (c) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird; e) die unter Punkt 3 (d) des Abschnitts 1 genannte Praxis, die gewöhnlich als „Concealing Ownership“ bezeichnet wird; f) Bewegung oder Lagerung physischer Waren, durch die ein irreführender Eindruck in Bezug auf Angebot und Nachfrage bzw. den Kurs oder Wert einer Ware oder Leistung im Rahmen eines Finanzinstruments oder eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts entstehen könnte; g) Leerfahrten von Schiffen, durch die ein falscher oder irreführender Eindruck in Bezug auf Angebot und Nachfrage bzw. den Kurs oder Wert einer Ware oder Leistung im Rahmen eines Finanzinstruments oder eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts entstehen könnte. 2. Praktiken zur näheren Bestimmung des Indikators B (b) in Anhang I zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014: a) Die unter Punkt 1 (a) dieses Abschnitts genannte Praxis. Diese Praxis lässt sich auch veranschaulichen durch die Eingabe von Handelsaufträgen oder Transaktionen bevor oder kurz nachdem der Marktteilnehmer oder Personen, die in der Öffentlichkeit als mit diesem Marktteilnehmer verbunden bekannt sind, konträre Untersuchungen anstellen bzw. deren Ergebnisse verbreiten oder Anlageempfehlungen erteilen, die öffentlich zugänglich gemacht werden. b) Die unter Punkt 4 (c) des Abschnitts 1 genannte Praxis, die gewöhnlich als „Pump und Dump“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand des Indikators veranschaulichen, auf den in Punkt 2 (a) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird. c) Die unter Punkt 3 (d) des Abschnitts 1 genannte Praxis, die gewöhnlich als „Trash und Cash“ bezeichnet wird. Diese Praxis lässt sich auch anhand des Indikators veranschaulichen, auf den in Punkt 2 (a) (i) dieses Abschnitts Bezug genommen wird. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Schrifttum: S. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014. I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsregime des Marktmanipulationsverbots (Verhältnis zu Art. 15 VO Nr. 596/ 2014 und den Ausnahmebestimmungen nach Art. 5, 6 und 13 VO Nr. 596/2014) . . . 2. Art. 15 i.V.m. Art. 12 VO Nr. 596/2014 als aufsichtsrechtliche Verhaltensnorm . . . . . . . 3. Verhältnis der Abs. 1, 2 und 3 des Art. 12 VO Nr. 596/2014 zueinander . . . . . . . . . . . . 4. Konkretisierung durch Level 2-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zu den Sanktionsnormen (CRIM-MAD und WpHG) . . . . . . . . . . . . . 6. Verhältnis zum Insiderrecht und zur Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 4 5 8 9 10
7. Verhältnis zu anderen unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts . . . . . a) Leerverkaufs-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingagenturen-VO und Benchmark-VO c) REMIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verordnung über die Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten . . . . . . e) (Entwurf der) Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR) . . . . . . . . . . . . f) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verhältnis zu anderen (unionsrechtlich determinierten) Vorschriften des nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sonstige Publizitätsvorschriften . . . . . . . . b) Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeines Gesellschaftsrecht . . . . . . . . d) Allgemeines Strafrecht . . . . . . . . . . . . . .
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Marktmanipulation | Art. 12 VO Nr. 596/2014 III. Regelungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Marktfunktionenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dienender Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . b) Keine Gewährleistung individuellen Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich (Manipulationsgegenstände) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mit einem Finanzinstrument verbundene Waren-Spot-Kontrakte (Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . d) Referenzwerte (Art. 2 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich/Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumlicher/internationaler Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . V. Basisdefinition der Marktmanipulation (Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . 1. Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . a) Geschäfte, Handelsaufträge, sonstige Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Falsche oder irreführende Signale oder Wahrscheinlichkeit hierzu . . . . . . . . . . . . aa) Beurteilungsmaßstab: verständiger Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Signaleignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Falschheits- bzw. Irreführungsverdikt dd) Wahrscheinlichkeitsgrad . . . . . . . . . . ee) Zurechnungsfragen . . . . . . . . . . . . . . c) Anormales oder künstliches Kursniveau oder Wahrscheinlichkeit hierzu . . . . . . . . d) Verhältnis der Tatbestandsvarianten zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fehlen eines subjektiven Elements . . . . . . f) Marktmanipulationen bei den Indikatoren nach Anhang I A. VO Nr. 596/2014 i.V.m. der DelVO 2016/522 . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutender Anteil am Tagesvolumen (Anhang I A. lit. a VO Nr. 596/2014) . bb) Bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen (Anhang I A. lit. b VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Scheingeschäfte (Anhang I A. lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . dd) Positionsumkehrungen (Anhang I A. lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . ee) Häufung von Geschäften und Aufträgen (Anhang I A. lit. e VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Beeinflussung der Darstellung des Orderbuchs durch Annullierungen (Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014) . gg) Zeitliche Nähe zu Referenzkursberechnungen (Anhang I A. lit. g VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . .
23 24 27 27
2.
28 30 30 31 39 40 41 42
3.
45 51 52 53 55 67
4.
69 75 81 82 83 84 91 93 97 98
VI. 1.
110 118
2.
131 141 146 158
3.
g) Tatbestandsausschluss nach Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs., Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . a) Geschäfte, Handelsaufträge, sonstige Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorspiegelung falscher Tatsachen . . . . . . c) Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung . . . . . . . . . . . . . . d) Kursbeeinflussung oder Eignung zu dieser e) Subjektives Element . . . . . . . . . . . . . . . . f) Marktmanipulationen bei den Indikatoren nach Anhang I B. VO Nr. 596/2014 i.V.m. der DelVO 2016/522 . . . . . . . . . . . aa) Zusammenhang mit falschen Informationen (Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusammenhang mit Anlageempfehlungen (Anhang I B. lit. b VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . a) Verbreitung von Informationen . . . . . . . . b) Verbreitung von Gerüchten . . . . . . . . . . . c) Falsche oder irreführende Signale oder Wahrscheinlichkeit hierzu . . . . . . . . . . . . d) Anormales oder künstliches Kursniveau oder Wahrscheinlichkeit hierzu . . . . . . . . e) Beispiele geeigneter Informationen . . . . . f) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . a) Referenzwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übermittlung falscher oder irreführender Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwertes manipuliert wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kein Erfordernis eines Einwirkungserfolgs f) Subjektives Element . . . . . . . . . . . . . . . . Katalog von Handlungen, die als Marktmanipulation gelten (Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . b) Kapitalmarktpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . b) Kapitalmarktpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . Beeinträchtigung des Funktionierens des Handelssystems des Handelsplatzes durch die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen nach Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . b) Kapitalmarktpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Marktmanipulation 4. Ausnutzung der Wirkung von Stellungnahmen nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . 267 b) Kapitalmarkt(rechts)praxis . . . . . . . . . . . . 278 5. Kauf oder Verkauf von Emissionszertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt vor der Versteigerung gemäß der VO Nr. 1031/2010 (Art. 12 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
VII. Indikatoren für Marktmanipulationen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 nach Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Anhang I VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . 283 VIII. Anwendung gegenüber juristischen Personen (Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . 287 IX. Befugnis für die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte in Bezug auf Anhang I VO Nr. 596/2014 (Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
I. Regelungsgegenstand 1 Art. 12 VO Nr. 596/2014 ist die maßgebliche Definitionsnorm für den Begriff der Marktmanipulation in der
MAR. Abs. 1 enthält die Basisdefinition einer Marktmanipulation und benennt in vier Buchstaben (lit. a–d) die Handlungen, die eine Marktmanipulation i.S.d. MAR darstellen. Abs. 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Handlungen, die zwingend als Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 VO Nr. 596/2014 gelten. Für die Manipulationshandlungen nach Abs. 1 lit. a und b enthält der Anhang I zur MAR gem. Abs. 3 eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren, die auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung, sowie auf falsche oder irreführende Signale und die Sicherung der Herbeiführung bestimmter Kurse hindeuten und von den zuständigen Behörden und bestimmten Marktteilnehmern bei der Marktüberwachung berücksichtigt werden müssen. Abs. 4 erklärt das mitgliedstaatliche Recht partiell dergestalt für anwendbar, dass bei der Vornahme einer Manipulationshandlung durch eine juristische Person die Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 nach Maßgabe des jeweils anwendbaren nationalen Rechts auch für natürliche Personen gelten, die an dem Beschluss, Tätigkeiten für Rechnung der betreffenden juristischen Person auszuführen, beteiligt sind. Abs. 5 schließlich überträgt der Europäischen Kommission die Befugnis, die in Anhang I VO Nr. 596/2014 festgelegten Indikatoren durch delegierte Rechtsakte zu präzisieren.
II. Regelungssystematik 1. Regelungsregime des Marktmanipulationsverbots (Verhältnis zu Art. 15 VO Nr. 596/2014 und den Ausnahmebestimmungen nach Art. 5, 6 und 13 VO Nr. 596/ 2014) 2 Das eigentliche Marktmanipulationsverbot enthält der mit „Verbot der Marktmanipulation“ überschriebene
Art. 15 VO Nr. 596/2014, der Marktmanipulationen und deren jeweiligen Versuch verbietet. Mit dem Begriff der Marktmanipulation rekurriert Art. 15 VO Nr. 596/2014 auf die Definition der Marktmanipulation in Art. 12 VO Nr. 596/2014, weshalb sich das Verbotsregime nur im Zusammenspiel der beiden Artikel erschließt1.
3 Als Ausnahmebestimmungen sind die Art. 5, 6 und 13 VO Nr. 596/2014 zu berücksichtigen. Eine zulässige
Marktpraxis gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 kann dazu führen, dass ein Verhalten, das eigentlich die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllt, doch keine Marktmanipulation darstellt (Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. VO Nr. 596/2014). Art. 5 und Art. 6 VO Nr. 596/2014 stellen safe harbour für das Verbot der Marktmanipulation bereit (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 28 ff.; Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 f.)2. Die Vorschriften zur Marktsondierung nach Art. 11 VO Nr. 596/2014 haben demgegenüber keinen unmittelbaren Einfluss auf das Verbot der Marktmanipulation, wobei eine ordnungsgemäß durchgeführte Marktsondierung im Ergebnis keine Marktmanipulation darstellen wird3.
1 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 39; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 9. 2 Näher zu Art. 6 VO Nr. 596/2014 auch Klöhn, ZBB 2020, 265. 3 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 148; Brellochs in Klöhn, Art. 11 MAR Rz. 147 unter zutreffendem Verweis auch auf Erwägungsgrund 32; Zetzsche, AG 2016, 610, 620; im Ergebnis auch Seibt in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 11 VO (EU) 596/2014 Rz. 14; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 131, die dieses Ergebnis jeweils aus Art. 11 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 herauslesen wollen.
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Marktmanipulation | Rz. 7 Art. 12 VO Nr. 596/2014
2. Art. 15 i.V.m. Art. 12 VO Nr. 596/2014 als aufsichtsrechtliche Verhaltensnorm Art. 15 i.V.m. Art. 12 (und 13) VO Nr. 596/2014 sind die zentralen Verhaltensnormen der MAR in Bezug 4 auf Marktmanipulationen. Es handelt sich insoweit um rein aufsichtsrechtliche, also öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen, die dementsprechend auszulegen und anzuwenden sind (näher Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 50 f.).
3. Verhältnis der Abs. 1, 2 und 3 des Art. 12 VO Nr. 596/2014 zueinander Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 legt fest, welche Handlungen im Regelungsbereich der MAR vom Begriff 5 „Marktmanipulation“ umfasst werden. Darunter fallen handels-, handlungs- und informationsgestützte Marktmanipulationen (zur Kategorienbildung Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 56). Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 benennt Handlungen, die als Marktmanipulation gelten. Damit handelt es sich bei den in Abs. 2 lit. a–e enthaltenen Tatbestände um zwingende Beispiele handels-, handlungs- bzw. informationsgestützter Marktmanipulationen i.S.d. Abs. 1 lit. a–c4. Die zwingenden Manipulationsbeispiele sind Konkretisierungen der in Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Varianten einer Marktmanipulation, wie es auch der Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 deutlich macht5. „Als Marktmanipulation“ i.S.d. Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, so wäre zu ergänzen, „gelten unter anderem die folgenden Handlungen“, woran sich die Auflistung zwingender Beispiele anschließt. Da bei einem Handeln mit legitimen Gründen und im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis nach Art. 13 VO Nr. 596/2014 nur die Verwirklichung einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht in Betracht kommt, ist es auch in der Sache erforderlich, die zwingenden Beispiele des Abs. 2 einer der Varianten des Abs. 1 zuzuordnen6. Die Indikatoren des Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Anhang I VO Nr. 596/2014 zielen nicht auf Konkretisierungen 6 der Tatbestände des Abs. 1, und lassen auch die zwingenden Manipulationsbeispiele des Abs. 2 unberührt. Vielmehr umschreiben die Indikatoren in Anhang I VO Nr. 596/2014 bzw. die sie weiter konkretisierenden Praktiken in Art. 4 i.V.m. Anhang II DelVO 2016/522 bestimmte Umstände, die von den Aufsichtsbehörden und meldepflichtigen Marktteilnehmern als Anhaltspunkte für eine mögliche Marktmanipulation fungieren. Ihnen kommt daher auch keine Vermutungswirkung zu7. Entspricht ein Sachverhalt den Indikatoren in Anhang I VO Nr. 596/2014, liegt weder zwingend eine Marktmanipulation vor, noch trifft den Marktteilnehmer eine besondere Entlastungsverantwortung. Vielmehr haben die zuständigen Behörden bzw. der meldepflichtige Marktteilnehmer den konkreten Einzelfall für die endgültige Bewertung bzw. Einschätzung weiter zu prüfen. Art. 12 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 formuliert insofern klar, dass die Indikatoren nur für die Anwendung des Abs. 1 lit. a und b und „unbeschadet der in Absatz 2 aufgeführten Formen von Handlungen“ Bedeutung haben. Dagegen liegt – vorbehaltlich der Erfüllung eines Ausnahmetatbestands – ohne Weiteres eine Marktmanipulation vor und es erübrigt sich eine weitere Prüfung, wenn die Tatbestandsmerkmale eines zwingenden Beispiels nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllt sind. Allerdings überschneiden sich einige der indiziellen Manipulationspraktiken nach Anhang I VO Nr. 596/2014, konkretisiert durch Art. 4 i.V.m. Anhang II DelVO 2016/522, mit den zwingenden Beispielen nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/20148: Stellen die Indikatoren nach Anhang I VO Nr. 596/2014 bzw. die sie präzisierenden Praktiken nach Art. 4 i.V.m. Anhang II DelVO 2016/522 strengere Anforderungen als ein zwingendes Beispiel des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014, ändert dies nichts, da letztere zwingend als eine Marktmanipulation gelten und den „Tatbeständen“ des Abs. 3 ohnehin nur eine Indizwirkung zukommt. Sieht ein Indikator mildere Voraussetzungen als ein zwingendes Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 vor, ist dies ebenfalls unproblematisch, und zwar schon deshalb, weil die Indikatoren die Tatbestandsvarianten der ersten zwei Absätze nicht verbindlich konkretisieren, sondern der zuständigen Behörde und meldepflichtigen Marktteilnehmern lediglich ein Prüfraster an die Hand geben. Praktisch folgt hieraus für die Aufsichtsbehörden und meldeflichtigen Marktteilnehmer für den Fall, dass 7 bei einem Sachverhalt sowohl ein Indikator auf eine Marktmanipulationspraktik hindeutet, als auch eines der zwingenden Beispiele des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verwirklicht sein könnte, Folgendes: Zunächst sind einer oder mehrere der Tatbestände des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zu prüfen. Wird keiner dieser 4 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 144. 5 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 306; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 110; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 144. 6 In diesem Sinne auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 309 ff. jedenfalls für Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/ 2014; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 147; Eggers, BKR 2019, 421, 422. 7 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 69. 8 Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 307; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 146.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 7 | Marktmanipulation Tatbestände verwirklicht, bleibt es dabei, dass die Erfüllung der Indikatoren auf eine Marktmanipulation lediglich hindeuten und dass das Geschehen deshalb anhand der Tatbestände des Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014 weiter zu würdigen ist.
4. Konkretisierung durch Level 2-Maßnahmen 8 Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 überträgt der Europäischen Kommission die Befugnis zur Präzisierung der
in Anhang I genannten Indikatoren. Diese hat hiervon durch Erlass der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 (DelVO 2016/522) Gebrauch gemacht9. Art. 4 i.V.m. Anhang II DelVO 2016/522 präzisiert die in Anhang I VO Nr. 596/2014 genannten Indikatoren durch die Auflistung praktischer Anwendungsbeispiele10.
5. Verhältnis zu den Sanktionsnormen (CRIM-MAD und WpHG) 9 Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU (CRIM-MAD) enthält eine mit Art. 12 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 im
Wesentlichen übereinstimmende Definition der Marktmanipulation11. Bei der Schaffung der CRIM-MAD scheinen jedenfalls Teile der MAR schlicht per copy paste inkorporiert worden zu sein. So heißt es in Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU: „Für die Zwecke dieser Verordnung [sic!] umfasst der Begriff Marktmanipulation ...“12. Insgesamt sind die beiden Definitionen – wenn auch in den unterschiedlichen Sprachfassungen kleinere Abweichungen bestehen – jedenfalls in der Regel deckungsgleich auszulegen13.
6. Verhältnis zum Insiderrecht und zur Ad-hoc-Publizität 10 Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation können mit Verstößen gegen andere Vorschriften der
MAR einhergehen. Das Verbot der Marktmanipulation einerseits und dasjenige von Insiderhandlungen (Art. 14 VO Nr. 596/2014) andererseits stehen dabei weder in einem Spezialitäts- noch in einem strikten Exklusivitätsverhältnis zueinander, sondern können fallweise zusammentreffen14. Gleiches gilt für einen Verstoß gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 VO Nr. 596/2014, der – jedenfalls im Falle einer falschen Ad-hoc-Mitteilung – zugleich eine Marktmanipulation darstellen kann (dazu noch Rz. 199 f., 213)15.
7. Verhältnis zu anderen unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts a) Leerverkaufs-VO 11 Die Verbote von ungedeckten Leerverkäufen und Credit Default Swaps nach der VO Nr. 236/2012 (Leerver-
kaufs-VO) stehen gleichermaßen neben dem Marktmanipulationsverbot und nicht etwa in einem Spezialitätsverhältnis zu diesem16. Verstöße gegen das Marktmanipulationsverbot im Zusammenhang mit Leerverkäufen kommen daher sowohl bei verbotenen (Art. 12 VO Nr. 236/2012) als auch bei erlaubten, weil gedeckten Leerverkäufen in Betracht. Ein Verstoß gegen die Transparenzvorschriften der VO Nr. 236/2012 kann nur im Falle einer positiven Falschmeldung, nicht hingegen bei einem bloßen Unterlassen (Rz. 63 f.), zugleich einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot darstellen. Näher noch Rz. 75 f., 202, 242, 276.
9 Delegierte Verordnung 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften, ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1. 10 Dazu auch Schmolke, AG 2016, 434, 438; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 462. 11 Dazu Schmolke, AG 2016, 434, 437; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 1; Kudlich, AG 2016, 459, 461 f.; Poelzig, NZG 2016, 492, 495. 12 Darauf weist auch Kudlich, AG 2016, 459, 462 hin. 13 Poelzig, NZG 2016, 492, 495; Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1193. 14 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 147; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 76. 15 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 149, der freilich auch die bloß unterlassene Ad-hoc-Mitteilung als Marktmanipulation ansehen will. 16 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 195; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 25; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 156; a.A. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 82.
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Marktmanipulation | Rz. 15 Art. 12 VO Nr. 596/2014
b) Ratingagenturen-VO und Benchmark-VO Mit der VO Nr. 1050/2009 (Ratingagenturen-VO) hat der Unionsgesetzgeber als Reaktion auf unzuverlässige 12 Ratings, die als einer der Mitauslöser der Finanzkrise bezeichnet werden, ein umfängliches und seitdem bereits mehrfach ergänztes Regelwerk aufgesetzt. Die Regelungen der Ratingagenturen-VO enthalten sowohl präventive als auch repressive Bestimmungen zur Sicherstellung zutreffender und unabhängiger Ratings in der EU. Das Marktmanipulationsverbot der MAR steht eigenständig neben der Ratingagenturen-VO17. Bei einem falschen Rating kommen daher sowohl ein Verstoß gegen die Vorgaben der Ratingagenturen-VO als auch gegen das Marktmanipulationsverbot der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 in Betracht18. Werden die Vorschriften der Ratingagenturen-VO an die Unternehmensorganisation und an die Abgabe von Ratings eingehalten, wird freilich in aller Regel ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot zu verneinen sein19.
Die zum 30.6.2016 in Kraft getretene und seit dem 1.1.2018 anwendbare VO Nr. 1011/2016 (Benchmark- 13 VO) schafft ein umfangreiches – aber fast durchweg auf Prävention (Erwägungsgrund 8 VO Nr. 1011/2016) angelegtes – Regelungsregime für die Bereitstellung von Referenzwerten, das Beitragen von Eingabedaten zu Referenzwerten und die Verwendung von Referenzwerten in der EU20. Die Vorschriften zur Marktmanipulation stehen eigenständig neben den Vorschriften der Benchmark-VO21. Ein Verstoß gegen die Compliancevorgaben der Benchmark-VO indiziert keinen Verstoß gegen Art. 15, 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/201422. Dieser kommt vielmehr nur bei einer Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 bzw. der sonstigen Tatbestandsvarianten des Art. 12 VO Nr. 596/2014 in Betracht. Umgekehrt wird ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot durch Administratoren oder Kontributoren im Sinne der Benchmark-VO23 regelmäßig ausscheiden, wenn diese alle Vorgaben der Benchmark-VO voll erfüllen24. c) REMIT Die VO Nr. 1227/2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (REMIT) enthält 14 mit Art. 5 VO Nr. 1227/2011 ein eigenes Marktmanipulationsverbot. Danach ist die „Vornahme oder der Versuch der Vornahme von Marktmanipulation auf den Energiegroßhandelsmärkten [...]“ untersagt. Die Definition der Marktmanipulation bzw. ihres Versuchs in Art. 2 Nr. 2 und 3 VO Nr. 1227/2011 gleicht im Wesentlichen derjenigen in Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. Handelt es sich bei dem manipulierten Energiegroßhandelsprodukt allerdings um ein dem Anwendungsbereich der MAR unterfallendes Instrument (Rz. 30 ff.), sind die Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 vorrangig anzuwenden (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 1227/ 2011)25. Der Verweis auf die RL 2003/6/EG (MAD I) in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 1227/2011 ist dabei als Verweis auf die VO Nr. 596/2014 zu lesen (Art. 39 Abs. 4 VO Nr. 596/2014). Im Übrigen sind die sonstigen Vorgaben der VO Nr. 1227/2011 freilich zu berücksichtigen (Erwägungsgründe 18 Satz 3 und 20 Unterabs. 2 Satz 4 VO Nr. 596/2014)26. Waren-Spot-Kontrakte (Rz. 39), die Energiegroßhandelsprodukte sind, unterfallen nicht dem Anwendungsbereich der MAR, weshalb für sie allein das Marktmanipulationsverbot des Art. 5 VO Nr. 1227/2011 maßgeblich ist (Rz. 39, 266 ff.)27. d) Verordnung über die Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten Die Bestimmungen der MAR gelten nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 auch für Handlungen 15 und Geschäfte, darunter Gebote, betreffend Versteigerungen von Treibhausgasemissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten auf einer als geregeltem Markt zugelassenen Versteigerungsplattform i.S. der VO Nr. 1031/2010, und zwar auch dann, wenn es sich – insofern weitergehend als nach bisherigem Recht – bei diesen Treibhausgasemissionszertifikaten nicht um Finanzinstrumente handelt 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27
Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 162. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 160, 162. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 162. Zur Benchmark-VO ausführlich Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 75 ff.; ferner etwa Feldkamp, RdF 2016, 180; Spindler, ZBB 2016, 165; Wundenberg in Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2016, § 31; Wundenberg in Veil, European Capital Markets Law, 2nd ed. 2017, §§ 35, 36; speziell zum Drittstaaten-Regime Sajnovits, WM 2018, 1247. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 23. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 153. Zu den Begriffen Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 101 ff. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 153. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 164; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 12; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 24. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 164; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 20. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 165.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 | Marktmanipulation (Rz. 40, 266)28. Für Auktionsobjekte, die Finanzinstrumente im Sinne der MAR sind, verweist Art. 36 VO Nr. 1031/2010 exklusiv auf die MAR, weshalb diese ausschließlich zur Anwendung kommt29. Für Auktionsobjekte, die keine Finanzinstrumente sind, kommt es hingegen zu einer Regelungsdoppelung. Neben dem Marktmissbrauchsregime der MAR finden hierauf auch die Bestimmungen der Art. 37 ff. VO Nr. 1031/2010 Anwendung30. Auch wenn die Manipulationsverbote der VO Nr. 1031/2010 im Vergleich zur MAR einen engeren Tatbestand aufweisen, kommt dem eigenständigen Marktmanipulationsverbot des Art. 41 VO Nr. 1031/2010 gleichwohl insofern Bedeutung zu, als andere Behörden für dessen Überwachung und Durchsetzung zuständig sind bzw. sein können. e) (Entwurf der) Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCAR) 16 Durch Art. 80 des Vorschlags für eine Verordnung on Markets in Crypto-assets31 (MiCAR-E32) soll ein –
stark an Art. 12 VO Nr. 596/2014 angelehntes – Marktmanipulationsverbot für Kryptowerte eingeführt werden33. Schon weil – jedenfalls die der MiCAR unterfallenden – Kryptowerte nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der MAR unterfallen (s. Art. 2 Abs. 2 MiCAR-E)34, steht die Vorschrift selbständig neben dem Marktmanipulationsverbot der MAR. Allerdings wird die künftige Auslegung des Art. 80 MiCAR sich deutlich an den zu Art. 12 VO Nr. 596/2014 etablierten Grundsätzen orientieren35.
f) Kartellrecht 17 Beim cornering und beim abusive squeezing (Rz. 245 ff.), aber etwa auch bei den Benchmark-Manipulatio-
nen (Rz. 219 ff.), kann es zu gewissen Überschneidungen des Marktmanipulationsverbots mit dem Kartellrecht (Art. 101 AEUV, aber auch § 1 GWB) kommen36. Das Verhältnis der beiden Regelungsbereiche ist deshalb von besonderem Interesse, weil bei Kartellrechtsverstößen – anders als bei Verstößen gegen das Marktmanipulationsverbot (Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 45 ff., 48) – private Schadensersatzklagen möglich sind37. Die früher bestehenden Unterschiede in den aufsichtsrechtlichen Ahndungsmöglichkeiten (Bußgeldhöhe) wurden demgegenüber durch die Reformierung des Marktmissbrauchsrechts weitgehend eingeebnet. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es einen Anwendungsvorrang des Kapitalmarktrechts vor dem Kartellrecht gebe, der für Handlungsweisen, die bereits einem kapitalmarktrechtlichen Verbot unterfallen, unter Lex-specialis-Gesichtspunkten eine kartellrechtliche Ahndung ausschließe38. Jedoch ist kein derart verdrängender Vorrang des Kapitalmarktrechts anzuerkennen39. In diesem Sinne betont auch Erwägungsgrund 80 VO Nr. 596/2014, dass die MAR und die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsakte die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften der Union nicht berühren. Das Kapitalmarktrecht mit seinem Verbot der Marktmanipulation nimmt bestimmte – für den Kapitalmarkt und seine effiziente Entwicklung als schädlich empfundene – Verhaltensweisen zum Ausgangspunkt seines Verbotstatbestands40. Das Kartellrecht ist auf den Wettbewerb auf bestimmten Märkten bezogen und verbietet ganz allgemein diesen beschränkende Verhaltensweisen41. Damit dienen beide Regelungsregime grundsätzlich unterschiedliche Schutzzwecken, was schon für sich genommen gegen eine Verdrängung spricht. Zudem streitet die Rechtsprechung des EuGH zum Verhältnis des Bankrechts zum Kartellrecht generell gegen eine Verdrängung des 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
39 40 41
Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 30; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 111. A.A. wohl Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 167. S. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 168, der von einer „unschönen“ Regelungsdoppelung. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates on Markets in Crypto-assets, and amending Directive (EU) 2019/1937, COM(2020) 593 final. Zum Entwurf etwa Siadat, RdF 2021, 12 und RdF 2021, 172; Zickgraf, BKR 2021, 196 und BKR 2021, 362. Näher Raschner, BKR 2022, 217. S. aber Raschner, BKR 2022, 217, 217; Maume in Maume/Maute, Handbuch für Kryptowerte, § 14 Rz. 22; Klöhn/ Parhofer, ZIP 2018, 2093, 2100; Börner, NZWiSt 2018, 48, 54 zu Fällen, in denen Kryptowerte ausnahmsweise dem Marktmissbrauchsregime der MAR unterfallen können. So im Ergebnis auch Raschner, BKR 2022, 217. Vgl. auch Sajnovits, ZGR 2021, 804, 812. Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1253 f. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 89; zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 6. Aus der internationalen Debatte etwa Hamburger, Crowding the Market: Is There Room for Antitrust in Market Manipulation Cases?, International Trade Law & Regulation 2015, 120 ff. Parallele Überlegungen gibt es zum Verhältnis zwischen Marktmanipulation und § 4 Nr. 11 UWG, s. dazu Klöhn, ZHR 172 (2008), 388. So auch Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 147 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 329; Zetzsche, ZHR 179 (2015), 490, 504 ff.; Schuhmacher in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2015, 2015, S. 59, 69 f. Vgl. Kämmerer in FS Hopt, 2011, S. 2043, 2050. Säcker in MünchKomm. EU-Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. 2015, Einl. Rz. 1 ff., 4 ff.
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Marktmanipulation | Rz. 20 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Kartellrechts bei der Verwirklichung eines kapitalmarktrechtlichen Verbotstatbestands. Der EuGH verneint nämlich seit langem das Bestehen einer ungeschriebenen Bereichsausnahme zugunsten des Bankrechts42, und dass für das Verhältnis des Kapitalmarktrechts zum Kartellrecht etwas anderes gelten soll, ist unter Sachgesichtspunkten nicht einsichtig.
8. Verhältnis zu anderen (unionsrechtlich determinierten) Vorschriften des nationalen Rechts a) Sonstige Publizitätsvorschriften Marktmanipulationen können zugleich Verstöße gegen gesellschafts-, handels-, bilanz- oder anderweitige 18 kapitalmarktrechtliche Publizitäts- und Transparenzpflichten beinhalten43, solange nur eine Falschmeldung aktiv veröffentlich wird. Der Verstoß gegen kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten durch ein bloßes Unterlassen, der unter dem Regime der MAD I von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG a.F. erfasst war, ist nach dem Regelungsregime der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 hingegen nicht mehr als Marktmanipulation einzuordnen (Rz. 201 f.). b) Übernahmerecht Öffentliche Übernahmen sind anfällig für Verstöße gegen die Marktmissbrauchsverbote der MAR44. Als Reak- 19 tion hierauf statuiert Art. 3 Abs. 1 lit. d RL 2004/25/EG (Übernahme-RL) als einen allgemeinen Grundsatz ein Marktverzerrungsverbot45, das der deutsche Gesetzgeber in § 3 Abs. 5 WpÜG umgesetzt hat46. Im Ausgangspunkt finden die Vorschriften der MAR und so auch das Marktmanipulationsverbot der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 neben dem Marktverzerrungsverbot der Übernahme-RL bzw. seiner jeweiligen nationalen Umsetzungen Anwendung47. Dem Marktverzerrungsverbot als „lediglich“ allgemeinem Grundsatz ohne daran anknüpfende Sanktionsnorm wird zu Recht keine eigenständige Bedeutung neben dem Marktmanipulationsverbot zugemessen48. Dagegen sind Einwirkungen des nationalen Übernahmerechts – seien es Umsetzungen der Übernahme-RL oder autonome Regelungen – auf das Marktmanipulationsverbot der MAR eröffnet, wie Erwägungsgrund 27 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich festhält. Danach soll die MAR nämlich „entsprechend den von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen ausgelegt werden, die dem Schutz der Interessen der Inhaber übertragbarer Wertpapiere dienen, die Stimmrechte in einer Gesellschaft verleihen (oder solche Rechte durch Ausübung von Rechten oder Umwandlung verleihen können), wenn die Gesellschaft Gegenstand eines öffentlichen Übernahmeangebots oder eines anderen Vorschlags für einen Kontrollwechsel ist“ (Satz 1). Zudem soll die Auslegung der MAR „im Einklang mit den Gesetzen, Rechts- und Verwaltungsvorschriften erfolgen, die in Bezug auf Übernahmeangebote, Zusammenschlüsse und andere Transaktionen erlassen wurden, die die Eigentumsverhältnisse oder die Kontrolle von Unternehmen betreffen und die durch die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (9) benannten Aufsichtsbehörden reguliert werden“ stehen (Satz 2). Ein Verhalten im Kontext einer öffentlichen Übernahme, das im Einklang mit der nationalen Umsetzung der Übernahme-RL und dem übrigen autonomen Übernahmerecht steht, stellt daher in der Regel keine Marktmanipulation i.S.d. Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 dar49.
c) Allgemeines Gesellschaftsrecht Überschneidungen bzw. Berührungen des Marktmanipulationsverbots mit nationalem, teils unionsrechtlich 20 geprägtem Gesellschaftsrecht ergeben sich etwa bei der sog. Kurspflege durch Erwerb eigener Aktien, die neben den Art. 12, 15, 5 VO Nr. 596/2014 zugleich die §§ 71 ff. AktG zu beachten hat50 (näher Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 42 f.). 42 EuGH v. 14.7.1981 – 172/80, ECLI:EU:C:1981:178 – Zuechner/Bayerische Vereinsbank, Slg. 1981, 2021 = WM 1981, 1102; dazu auch Zetzsche, ZHR 179 (2015), 490, 505. 43 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 150; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 78. 44 S. etwa Bagnoli/Lipman, RAND Journal of Economics 27 (1996), 124; Chatterjea/Cherian/Jarrow, Financial Management 22 (1993), 200; Clarkson/Joyce/Tutticci, Accounting & Finance 46 (2006), 31. 45 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 157 f. 46 Dazu etwa Assmann/Stephan in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 3 WpÜG Rz. 60 ff.; Louven in Angerer/ Geibel/Süßmann, § 3 WpÜG, Rz. 41. 47 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 158 f. 48 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 157 f. 49 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 158. 50 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 81. Allgemein zum Verbot der Marktmanipulation durch Aktienrückkauf Oechsler in GS Wolf, 2011, S. 291.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 21 | Marktmanipulation d) Allgemeines Strafrecht 21 Marktmanipulationen unterfallen je nach Sachverhaltsgestaltung auch dem § 263 StGB (Betrug), mögen
die Einzelheiten auch teils umstritten sein: Die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen i.S.v. Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 kann auch Täuschung über Tatsachen i.S.v. § 263 Abs. 1 StGB beinhalten. Ob und welche Anleger geirrt und irrtumsbedingt verfügt haben, ist Tatfrage und muss im Einzelfall nachgewiesen werden. Zu weit ginge es einen Irrtum des Anlegers, der zu einem manipulierten Kurs ein für ihn nachteiliges Geschäft tätigt, ohne Weiteres mit der Begründung anzunehmen, in den manipulierten Kurs sei „die falsche Tatsachenbehauptung eingepreist“51. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn irrende Anleger „zu teuer“ gekauft oder „zu billig“ verkauft haben. Dass das nie der Fall sein könne, weil auch ein manipulierter Kurs nun einmal der geltende Marktpreis sei52, greift zu kurz. Allerdings kann der „innere“ Wert des betreffenden Finanzinstruments nicht ohne Weiteres maßgeblich sein, weil er nur einer der vielen den Marktpreis beeinflussenden Faktoren ist. Vielmehr ist – ähnlich wie in den Fällen des Submissionsbetrugs – für die Schadensfeststellung die Differenz zwischen dem Marktpreis, zu dem der Anleger tatsächlich verfügt hat, und dem hypothetischen Kurs, zu dem er verfügt hätte, würde das Manipulationsverhalten hinweggedacht, maßgeblich. Auch wenn nach diesen Grundsätzen ein Schaden nachweisbar ist, kann es noch immer an einer stoffgleichen Bereicherung des Manipulators fehlen. Diese allein darin zu erblicken, dass die „künstliche Kursänderung, die den Vermögensschaden des Anlegers darstellt, [...] zur Bereicherung des Manipulators [...] führt, der über Bestände von manipulierten Papieren verfügt oder der dank der Kursveränderung wirtschaftliche Vorteile erzielt“53, geht zu weit. Vielmehr handelte es sich insoweit um eine für die Tatbestandsverwirklichung nicht ausreichende bloß mittelbare Begünstigung54. In der typischen Konstellation des pump and dump (Rz. 134) – der Manipulator erwirbt Finanzinstrumente, manipuliert deren Kurs dann nach oben und verkauft sie zu diesem Preis – kommt aber durchaus eine mit dem Schaden irrender Käufer stoffgleiche Selbstbereicherung des Manipulators in Betracht, ähnlich wie bei IPOs und SPOs, bei denen die Preise nach oben manipuliert werden, durchaus eine dem Schaden irrender Käufer stoffgleiche Drittbereicherung des betreffenden Emittenten in Betracht kommt.
22 Inwieweit Marktmanipulationen dem § 266 StGB (Untreue) unterfallen können, ist bislang weniger dis-
kutiert55. Voraussetzung ist jedenfalls, dass der Manipulator dem Geschädigten vermögensbetreuungspflichtig ist. So kann es liegen, wenn ein Trader sich seiner Kundendepots bedient, um Märkte zu manipulieren, oder wenn ein Berater seine Kunden in Manipulationsabsicht täuscht. Hingegen ist die Verwaltung einer Aktiengesellschaft nur dieser gegenüber56, nicht auch gegenüber den Aktionären57 im Hinblick auf den inneren (Fundamental-)Wert und die marktförmige Bewertung des Anteils vermögensbetreuungspflichtig i.S.v. § 266 StGB, so dass in den seltenen (aber nicht bloß theoretischen) Fällen, dass eine Aktiengesellschaft den Kurs eigener Aktien „nach unten“ manipuliert, diesen gegenüber keine Untreue in Betracht kommt.
51 So aber Papachristou, S. 328; demgegenüber zutr. Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 607: „Die allgemeine Vorstellung, mit der Aktie und deren Preisbildung sei alles in Ordnung, genügt solange nicht, wie sie nicht durch die Täuschung zumindest miterzeugt wurde“. 52 So Hellmann, Wirtschaftsstrafrecht, Rz. 105 ff. 53 So aber Papachristou, S. 346. 54 Zutr. Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 632. 55 S. aber Fichtner, Die börsen- und depotrechtlichen Strafvorschriften und ihr Verhältnis zu den Eigentums- und Vermögensdelikten des StGB, 1993, S. 100; knapp auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 85. 56 BGH v. 15.11.2001 – 1 StR 185/01, BGHSt 47, 148, 149; BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 192; BGH v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323; BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266 (GmbHGeschäftsführer gegenüber GmbH). 57 BGH v. 25.4.2006 – 1 StR 519/05, BGHSt 51, 29, 31 f. (gegen eine Vermögensbetreuungspflicht des GmbH-Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern); LG Wiesbaden v. 13.8.2015 – 9 O 286/14, NZG 2016, 832; Zieschang in Park, Kapitalmarktstrafrecht, § 266 Rz. 56. Dass der Vorstand den Aktionären i.S.v. § 266 StGB nicht vermögensbetreuungspflichtig ist, steht in gewissem Widerspruch zu der im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, der Vorstand sei Treuhänder der Aktionäre. S. Fleischer in BeckOGK, § 93 AktG Rz. 144; BGH v. 20.2.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 („treuhänderische Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen“); OLG Koblenz v. 12.5.1999 – 1 U 1649/97, NJW-RR 2000, 483, 487; krit. Mülbert in Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, Vor §§ 118–147 AktG Rz. 194 f.; Dubovitskaya, NZG 2015, 983; zum Gesellschafterschutz durch die organschaftliche Verhaltensbindung Wilhelm, Dritterstreckung im Gesellschaftsrecht, 2017, S. 366 ff. Bejahte man eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Aktionären, würde dies – wegen der Schadensersatzhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB – das Konzept der Haftungskanalisierung auf die Gesellschaft bzw. des fehlenden Ersatzes bloßer Rexflexschäden im Grundsätzlichen ins Leere laufen lassen. Diese – von niemandem gezogene, aber an und für sich konsequente – Folge spricht zusätzlich gegen die Einordnung des Vorstands als Treuhänder der Aktionäre.
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Marktmanipulation | Rz. 26 Art. 12 VO Nr. 596/2014
III. Regelungszwecke Art. 1 VO Nr. 596/2014 erklärt die Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens (binnenmarktspezifische 23 Zielsetzung58) für Insidergeschäfte, für die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) und für Maßnahmen zur Verhinderung von Marktmissbrauch zu einem Hauptanliegen der MAR, um so die „Integrität der Finanzmärkte in der Europäischen Union bzw. dem EWR sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken“. Im Zusammenhang mit der Manipulation von Referenzwerten spricht Erwägungsgrund 44 VO Nr. 596/2014 zudem davon, dass die Manipulationen zu einer Beeinträchtigung des Marktvertrauens und zu beträchtlichen Verlusten für die Anleger sowie auch zu realwirtschaftlichen Verzerrungen führen können.
1. Marktfunktionenschutz Die Gewährleistung von Marktfunktionenschutz ist das zentrale Regelungsanliegen der MAR im Allgemei- 24 nen und des Marktmanipulationsverbots im Besonderen59. In Erwägungsgrund 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 heißt es dazu: „Ein integrierter, effizienter und transparenter Finanzmarkt setzt Marktintegrität voraus“. In der Tat können Marktmanipulationen – unter den Annahmen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie – die Allokationseffizienz der Märkte hemmen, da das Kapital nur bei einer unmanipulierten Marktpreisbildung in denjenigen Anlagetitel fließt, bei dem es am effizientesten eingesetzt werden kann60. Eine Grundannahme neoklassischer Kapitalmarkttheorie ist nämlich, dass die Kurse von Finanztiteln auf kompetitiven und barrierefreien Märkten dem inneren Wert des jeweiligen Anlagetitels entsprechen und damit die ökonomisch effiziente Menge an Kapital in den Anlagetitel fließt61. Kommt es aufgrund von Manipulationen zu einer Falschbepreisung, gewährleistet der Marktpreis keine effiziente Kapitalallokation mehr. Marktmanipulationen können dabei nicht lediglich mikro-, sondern auch makro-ökonomische Kon- 25 sequenzen haben, insbesondere, wenn sie systemische Risiken auslösen oder zumindest erhöhen62. Soweit Manipulationen nicht lediglich illiquide Märkte und einzelne Titel, sondern für den Finanzmarkt systemisch relevante Emittenten63 oder auch systemisch relevante Benchmarks64 (Rz. 41 ff.) betreffen, kann ihnen durchaus das Potential zu eigen sein, zumindest als Krisenverstärker zu wirken65. Hinzu kommt, dass Marktmanipulationen das Vertrauen der Anleger schwächen66 und dass dessen Stär- 26 kung durch Marktmanipulationsverbote und deren Durchsetzung dazu beiträgt, Transaktionskosten zu re-
58 Klöhn in Klöhn, MAR, Einleitung Rz. 74 ff. 59 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 33; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 12 Rz. 3; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 12; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 2; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 31. 60 Avgouleas, The Mechanism and Regulation of Market Abuse, S. 168, 210 ff.; Aggarwal/Wu, Journal of Business 79 (2006), 1915; Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 184 f.; Giannetti/Wang, Journal of Finance 71 (2016), 2591; Goldstein/Guembel, Review of Economic Studies 75 (2008), 133; Kyle/Viswanathan, 98 American Economic Review (2008), 274, 275; McVea in Moloney/Ferran/Payne, The Oxford Handbook of Financial Regulation, S. 631, 638; Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 4, 7 ff.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 27; Sajnovits, ZGR 2021, 804, 809 f. 61 von Hayek, 35 American Economic Review (1945), 519; Arrow, Review of Economic Studies 31 (1964), 91–96; Diamond, American Economic Review 57 (1967), 759; Hirshleifer, American Economic Review 61 (1972), 561; speziell auf Finanzmärkte bezogen Kyle/Viswanathan, American Economic Review 98 (2008), 274, 275. Tatsächlich unterscheiden sich Kurse von Finanztitel aber erheblich von Preisen auf Gütermärkten, da Investoren sich ausschließlich um die zukünftigen Zahlungsströme sorgen und daher nicht ihre eigene subjektive Wertschätzung, sondern die Einschätzung – auch die anderer Personen – der künftigen Zahlungsströme ihre Zahlungsbereitschaft determiniert (s. Dow/Gorton, Journal of Finance 52 [1997], 1087). Zur Preisbildung auf effizienten Finanzmärkten nach den Annahmen der efficient capital markets hypothesis, s. Fama, Journal of Finance 25 (1970), 1970), 383; Fama, Journal of Finance 46 (1991), 1575. 62 Fletcher, Law and Contemporary Problems 83 (2020), 123. 63 Vgl. zur Systemrelevanz von Emittenten auch im Zusammenhang mit Marktmanipulationen Mülbert/Sajnovits, ZBB 2021 149, 156 ff. m.w.N. 64 Näher Sajnovits, Financial-Benchmarks, 2018, S. 61 ff. 65 Fletcher, Law and Contemporary Problems 83 (2020), 123, 131 ff. 66 Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 183; Leuz/Meyer/ Muhn/Soltes/Hackethal, Who Falls Prey to the Wolf of Wall Street? Investor Participation in Market Manipulation, Working Paper 2021, S. 2; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 26; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 12 Rz. 3.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 26 | Marktmanipulation duzieren67 und die Bereitschaft der Anleger zu erhöhen, den Finanzmärkten Kapital zuzuführen68. Market Maker reagieren nämlich auf potenzielle Marktmanipulationen durch eine Ausweitung der Bid-ask-Spreads, was der Liquidität des Marktes abträglich ist. Die Stärkung des Marktvertrauens ist deshalb in den letzten Jahren zunehmend zu einem Hauptziel finanzmarktrechtlicher Regulierung geworden69. Auch dazu schon Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 68 f.
2. Anlegerschutz a) Dienender Anlegerschutz 27 Hinsichtlich zahlreicher kapitalmarktrechtlicher Verhaltensgebote geht das kapitalmarktrechtliche Schrifttum
bislang mehrheitlich davon aus, dass die Anleger von den Gesetzen nicht vorrangig um ihrer selbst willen, sondern zur Gewährleistung von Funktionenschutz geschützt werden70. Die Gewährleistung eines hohen Anlegerschutzniveaus ist nämlich ein taugliches Mittel zur Steigerung des Vertrauens einzelner Anleger (Rz. 23) und im Aggregat auch der Anlegergesamtheit, und kann dadurch dazu beitragen, die Liquidität der Märkte und die Allokationseffizienz zu steigern71. Ein effizienter Kapitalmarkt und effiziente Marktpreise – also derjenige Zustand, den ein der Effizienz dienender Anlegerschutz zu befördern sucht – sind zugleich ein Mittel zur Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt und des Anlegerschutzes, verstanden als einem sozial wünschenswerten, weil „gerechten“ Anlegerschutz72. Die MAR verfolgt gleichwohl keinen rein an Sozialschutzerwägungen ausgerichteten Anlegerschutz, der ggf. sogar wirtschaftlich ineffiziente Folgen haben kann, und die CRIMMAD rekurriert im Zusammenhang mit der Marktmanipulation sogar allein auf den Funktionenschutz und das damit zusammenhängende Anlegervertrauen73. Was die Empirie angeht, sind die genauen Zusammenhänge zwischen Marktmanipulationen, ihrer Regulierung und dem Anlegerschutz ohnehin noch wenig ausgeleuchtet. Noch kaum untersucht ist insbesondere, welche Investorentypen an Marktmanipulationen beteiligt sind, welche Auswirkungen Marktmanipulationen auf typische Portfolien haben und welche Vermögensschäden im Einzenen durch Marktmanipulationen verursacht werden74. All diese Fragen müssten im Detail ausgeleuchtet werden, damit eine Marktmanipulationsregulierung effizienten Anlegerschutz leisten könnte75.
b) Keine Gewährleistung individuellen Anlegerschutzes 28 Ob ein Rechtsakt „dienenden“ Anlegerschutz mittels überindividueller Instrumente oder aber mittels indivi-
dueller Anspruchsgrundlagen für einzelne Anleger schafft, ist eine vom Vorstehenden (Rz. 27) zu unterscheidende Frage. Der Unionsgesetzgeber gewährt mit dem Marktmanipulationsverbot der MAR – und das galt auch schon für Art. 2 RL 2003/6/EG (MAD I) und dessen Umsetzung durch den früheren § 20a WpHG – keinen individuellen Anlegerschutz76. Die Erwägungsgründe anerkennen zwar an einzelnen Stellen, dass Marktmanipulationen zu beträchtlichen Verlusten für die Anleger führen können (Erwägungsgrund 44 VO Nr. 596/2014). Dies nimmt aber jeweils die Anleger in ihrer Gesamtheit in den Blick, ohne dass die besonde67 Dazu näher Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 6, 14. 68 Sapienza in Evanoff/Hartmann/Kaufmann, The First Credit Market Turmoil of the 21st Century, S. 29, 30; Guiso/ Sapienza/Zingales, Journal of Finance 63 (2008), 2557, beide jeweils auf Kapitalisierung abstellend; Tomasic/Akinbami, Journal of Corporate Law Studies 2011, 369, 379 auf die Verknüpfung zwischen Vertrauen und Liquidität abstellend. Dazu auch Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 15. 69 Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1 ff., insbesondere 23 ff. 70 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 172 ff. Auch schon Assmann, ZBB 1989, 49, 61; Assmann in Assmann/Schütze/ Buck-Heeb, Hdb. des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020, § 1 Rz. 3 ff. (dort allerdings auch zu den Entwicklungen einer Überlagerung durch verbraucherschutzrechtliche Erwägungen); Coffee, Columbia Law Review 106 (2006), 1534; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 31; tendeziell auch Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 34; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 19; a.A. auch zum Marktmanipulationsverbot Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 4. 71 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 173; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 2. Aufl. 1996, S. 119; auch schon Assmann, ZBB 1989, 49, 58. Eine positive Korrelation zwischen Anlegerschutzniveau und Kapitalmarkteffizienz wurde in zahlreichen Studien bestätigt. S. schon LaPorta/Lopez-da-Silanes/Shleifer/ Vishny, Journal of Finance 52 (1997), 1131. 72 Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 171 ff. 73 S. Erwägungsgrund 1, 13 VO Nr. 596/2014. 74 S. neuerdings Leuz/Meyer/Muhn/Soltes/Hackethal, Who Falls Prey to the Wolf of Wall Street? Investor Participation in Market Manipulation, Working Paper 2021. 75 Zu Vorschlägen auf Basis einer umfangreichen empirischen Untersuchung Leuz/Meyer/Muhn/Soltes/Hackethal, Who Falls Prey to the Wolf of Wall Street? Investor Participation in Market Manipulation, Working Paper 2021. 76 Zustimmend Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 31.
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Marktmanipulation | Rz. 32 Art. 12 VO Nr. 596/2014
re Schutzbedürftigkeit Einzelner hervorgehoben würde. Im Zusammenhang mit den Referenzwert-Manipulationen heißt es in diesem Sinne in Erwägungsgrund 44 Satz 2 VO Nr. 596/2014: „Daher sind spezielle Vorschriften für Referenzwerte erforderlich, um die Integrität der Märkte zu wahren und sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden ein klares Verbot der Manipulation von Referenzwerten durchsetzen können.“ Damit wird auf die Möglichkeiten der zuständigen Behörden zur Durchsetzung des Marktmanipulationsverbots abgestellt. In weiteren im Zusammenhang stehenden Erwägungsgründen (47 und 49 VO Nr. 596/2014) wird zwar ebenfalls der Schutz der Anleger als Regelungsziel betont. Es fehlt aber auch hier jeder Hinweis darauf, dass individuelle Anleger unabhängig von der Anlegergesamtheit geschützt werden sollen. Ob im Sinne einer Effektuierung der Rechtsdurchsetzung Anlegern ein Schadensersatzanspruch zugespro- 29 chen werden sollte oder ob der primärrechtlich verankerte Effet-utile-Grundsatz gegebenenfalls sogar zur Implementierung entsprechender Schadensersatzansprüche ins nationale Recht zwingt, ist eine davon zu trennende weitere Frage. Dazu näher Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 48.
IV. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich (Manipulationsgegenstände) Dem weiten sachlichen Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterfallen neben Finanz- 30 instrumenten, die zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind bzw. für die ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde (lit. a), auch solche Finanzinstrumente, die an einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden, zum Handel zugelassen sind oder für die ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde (lit. b), sowie solche, die in einem organisierten Handelssystem gehandelt werden (lit. c), und sogar solche (derivativen) Finanzinstrumente ohne Marktbezug (OTC), deren Kurs von einem Finanzinstrument im vorstehenden Sinne (lit. a–c) abhängt oder sich darauf auswirkt (lit. d)77. Die ausdrückliche Erfassung derivativer Instrumente, die unabhängig von ihrem eigenen Marktbezug einbezogen werden, soll Schutzlücken gegenüber dem alten Marktmissbrauchsregime schließen78. Weitere taugliche Manipulationsgegenstände i.S.d. Art. 15, 12 VO Nr. 596/ 2014 sind auf Finanzinstrumente bezogene Waren-Spot-Kontrakte, auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte und Referenzwerte. Das Marktmanipulationsverbot der Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 stellt durchweg auf einen Einfluss bzw. möglichen Einfluss einer Manipulationshandlung auf eines der genannten Instrumente ab. Insgesamt ist der sachliche Anwendungsbereich gegenüber § 20a WpHG a.F. deutlich weiter.
a) Finanzinstrumente (Art. 2 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014) Ein Finanzinstrument i.S.d. MAR ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 ein Finanzinstrument i.S.v. 31 Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 RL 2014/65/EU (MiFID II), der seinerseits auf Anhang I Abschnitt C RL 2014/65/EU verweist79. Damit ist der Begriff des Finanzinstruments nicht legaldefiniert, sondern wird durch eine Aufzählung von dem Begriff unterfallenden Instrumenten näher konturiert80. Mit der Bezugnahme auf die MiFID II, die sich auch in anderen Rechtsakten der Union findet, wird der Regelungszugriff im Finanzmarktrecht der Union vereinheitlicht81. Unter den Begriff des Finanzinstruments fallen insbesondere übertragbare Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Anteile an OGAW-Investmentfonds, Derivate und Emissionszertifikate. Unter bestimmten Umständen können auch Token, insbesondere sog. Investment bzw. Security Token dem Finanzinstrumentebegriff unterfallen82. Näher zur Definition Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff. Finanzinstrumente i.S.d. Art. 2 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 liegen vor, wenn das Instrument einen 32 Marktbezug83 zu einem geregelten Markt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014), einem multilateralen Han-
77 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 3 ff.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 103 ff.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 8. 78 Schmolke, AG 2016, 434, 436; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 9 ff., 16 ff.; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 304. 79 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 3; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 16; zum Begriff nach der MiFID II auch Brenncke, WM 2015, 1173. 80 Klöhn in Klöhn, Art. 1 MAR Rz. 8. 81 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 22. 82 Näher Zickgraf in Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, 2020, § 11 Rz. 51 ff.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 102; Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 671 ff.; Zickgraf, AG 2018, 293, 302 f.; Spindler, WM 2018, 2109, 2112 f.; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 360. 83 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 4; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 316; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 92.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 32 | Marktmanipulation delssystem (Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014) oder einem organisierten Markt (Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014) i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21–23 RL 2014/65/EU aufweist84. Damit sind auch im Freiverkehr an deutschen Börsen gehandelte Finanzinstrumente erfasst85. Dieser ist ein multilaterales Handelssystem (vgl. § 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG)86. 33 Neben der Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt bzw. in einem multilateralen Handelssys-
tem innerhalb der EU/des EWR genügt auch die Stellung eines Antrags auf Zulassung (Art. 2 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014)87. Ein solcher ist gestellt, wenn er der Geschäftsführung bzw. dem vertretungsberechtigten Organ des Betreibers eines geregelten Marktes bzw. eines multilateralen Handelssystems zugegangen ist, also, wenn diese eine Möglichkeit zur Kenntnisnahme haben. Erfasst ist grundsätzlich auch der sog. Handel per Erscheinen88 – den es in regulierter Form in Deutschland freilich nicht gibt (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 79, 83, 92) – und im Grundsatz auch die sog. bookbuilding-Phase eines IPO89, wenn auch erst ab dem Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf Einbeziehung in den Handel. Das ist sinnvoll, weil der Ausgabepreis durch im Vorfeld der Neuemission verbreitete unrichtige Informationen beeinflusst werden kann. Entsprechende Manipulationen sind von der legitimen Kurspflege in dieser heiklen Phase abzugrenzen (näher Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 26 f., 78 ff.). Nicht genügend ist – anders als noch unter dem Regime des früheren § 20a WpHG – die (öffentliche) Ankündigung eines entsprechenden Antrags90.
34 Für Sekundäremissionen (insbesondere Kapitalerhöhungen, secondary public offerings – SPO), die ein be-
reits zugelassenes Finanzinstrument betreffen, gelten die Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 erst recht. Für Art. 2 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 genügt sogar, dass die Finanzinstrumente tatsächlich an einem multilateralen Handelssystem gehandelt werden. Eine formelle Zulassung zum Handel oder ein dahingehender Zulassungsantrag sind insoweit nicht entscheidend.
35 Für den gegenständlichen Marktbezug spielt es keine Rolle, ob die manipulative Handlung auf einem der
genannten Märkte (Rz. 30) oder außerhalb dieser Märkte getätigt wird (Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014)91. Das ist für informations- und handlungsgestützte Manipulationen selbstverständlich. Erstere müssen, letztere können außerhalb von Märkten – z.B. über Medien oder Börseninformationsdienste – ins Werk gesetzt werden. Aber auch bei handelsgestützten Manipulationen ist es nicht erforderlich, dass die manipulative Handlung an einem der genannten Märkte vorgenommen wird. In Betracht kommen insbesondere der manipulative Handel in ATS und PTS, im Telefonverkehr bei manipulativem Interbankenhandel und, eher theoretisch, bei manipulativen Effektenaufträgen von Anlegern, die sich für eine außerbörsliche Ausführung entscheiden92.
36 Die Manipulation von Finanzinstrumenten ohne eigenen Marktbezug unterfällt dem gegenständlichen
Anwendungsbereich der MAR, sofern sich die unmittelbar manipulierten Finanzinstrumente auf ein Finanzinstrument auswirken, das seinerseits einen Marktbezug (Rz. 30) aufweist (Art. 2 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014)93. Die Manipulation etwa von Derivaten ohne Börsenzulassung, von OTC-gehandelten CDS oder von Differenzkontrakten, die auf ein Finanzinstrument mit Marktbezug Bezug nehmen, hat einen mittelbaren Einfluss auf dessen Kursentwicklung, weshalb es gerechtfertigt ist, auch diese Instrumente dem Marktmissbrauchsregime zu unterwerfen. Die Bestimmung bezweckt damit Umgehungsschutz (Erwägungsgrund 10 VO Nr. 596/2014)94. Unter die Derivatekontrakte ohne hinreichenden direkten Marktbezug kön84 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 4; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 92; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 108. 85 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 5; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 94; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 108. 86 Schwark in Schwark/Zimmer, § 48 BörsG Rz. 6; Kumpan in Hopt, HGB, § 48 BörsG Rz. 1. 87 FCA, Handbook, Section 1.2: Market Abuse: general, 1.2.5; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 92; Poelzig, NZG 2016, 528, 530 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 4 ff. 88 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 6; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 29. 89 Vgl. zu § 20a WpHG Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 139 f. 90 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 319 mit Fn. 902. 91 Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 102; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 112. 92 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 112. 93 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 27; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 98 ff.; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 109; im Ergebnis wohl wie hier Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 5. Vgl. zum engeren Anwendungsbereich des Schweizerischen Marktmanipulationsverbots Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/ FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 44. 94 Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 98.
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Marktmanipulation | Rz. 39 Art. 12 VO Nr. 596/2014
nen etwa Optionsrechte im Rahmen von Aktionsoptionsprogrammen95 sowie Optionen auf den Erwerb junger Aktien96 fallen. Näher Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 f. Der Art. 2 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 hat eine Ergänzungsfunktion gegenüber Art. 2 Abs. 2 lit. a VO 37 Nr. 596/2014, indem er auch Finanzinstrumente, und zwar insbesondere Derivatekontrakte und derivative Finanzinstrumente für die Übertragung von Kreditrisiken, dem Anwendungsbereich der MAR unterstellt. Voraussetzung für deren Einbeziehung ist, dass diese Instrumente ihrerseits einen Einfluss auf den Kurs von Waren-Spot-Kontrakten i.S.d. Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 39) nehmen können. Dadurch werden auch solche Handlungsweisen erfasst, die nur höchst mittelbar Einfluss auf die primär von der MAR geschützten Finanzinstrumenten i.S.d. Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nehmen. Nach wie vor nicht erfasst sind Vermögensanlagen im Anwendungsbereich des VermAnlG und des KAGB, 38 da sie keinen entsprechenden Marktbezug aufweisen97. Gleichfalls unterfallen sog. Utility Token und Currency- bzw. Zahlungs-Token regelmäßig nicht dem Anwendungsbereich der MAR, weil sie nicht als Finanzinstrumente qualifizieren98 (näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.; s. aber Rz. 16 zum Marktmanipulationsverbot des MiCAR-Entwurfs). Nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der MAR und damit auch nicht dem Schutzbereich der Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 unterfallen ferner Finanzinstrumente, die lediglich in einem Drittstaat außerhalb des EU-/EWR-Raums gehandelt werden und zugelassen sind, z.B. lediglich in den Vereinigten Staaten von Amerika zum Handel zugelassen bzw. dort einbezogen sind. Die Manipulation des Preises eines solchen Finanzinstruments ist auch dann nicht vom Marktmanipulationsverbot der Art. 15 VO Nr. 596/2014 erfasst, wenn sie aus der EU bzw. dem EWR heraus erfolgt. Entsprechende Manipulationen unterfallen aber ggf. dem Marktmanipulationsverbot einer anderen Jurisdiktion99. b) Mit einem Finanzinstrument verbundene Waren-Spot-Kontrakte (Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/ 2014) Art. 12 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 nennt als taugliches Manipulationsobjekt mit einem Finanzinstru- 39 ment verbundene Waren-Spot-Kontrakte. Dementsprechend erklärt Art. 2 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014, dass die Art. 12 und 15 VO Nr. 596/2014 auch für Transaktionen, Aufträge oder Handlungen in Bezug auf Waren-Spot-Kontrakte gelten, die keine Energiegroßhandelsprodukte sind, sofern sie sich auf den Wert eines Finanzinstruments i.S.d. Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 31 ff.) auswirken. Dies soll den Interdependenzen zwischen bestimmten Warenmärkten und den Finanzmärkten Rechnung tragen (Erwägungsgründe 10 und 20 VO Nr. 596/2014)100. Bei Waren-Spot-Kontrakten handelt es sich nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 15 VO Nr. 596/2014 um einen Kontrakt über die Lieferung einer an einem Spotmarkt gehandelten Ware, die bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert wird, sowie einen Kontrakt über die Lieferung einer Ware, die kein Finanzinstrument ist, einschließlich physisch abzuwickelnde Terminkontrakte. Ein Spotmarkt ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 16 VO Nr. 596/2014 ein Warenmarkt, an dem Waren gegen bar verkauft und bei Abwicklung des Geschäfts unverzüglich geliefert werden, und andere Märkte, die keine Finanzmärkte sind, beispielsweise Warenterminmärkte. Entscheidend für die Erweiterung des Anwendungsbereichs ist, dass Manipulationshandlungen in diesem Bereich typischerweise eine Auswirkung auf primär dem Anwendungsbereich der MAR unterfallende Finanzinstrumente (Rz. 31 ff.) haben können101. Die Manipulation eines Waren-Spot-Kontrakts fällt daher nur dann in den Anwendungsbereich des Marktmanipulationsverbots, wenn tatsächlich ein dem Anwendungsbereich der MAR unterfallendes Finanzinstrument von der Manipulation betroffen ist102. Näher Art. 2 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 ff.
95 Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 100; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 32. 96 Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 100; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 32; Stenzel, DStR 2017, 883, 884. 97 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 318; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 11. 98 Für Utility Token umstr. Gegen Einordnung als Wertpapier Hacker/Thomale, ECFR 2018, 645, 675; Veil, ZHR 183 (2019), 346, 363 f.; Weitnauer, BKR 2018, 231, 233; differenzierend Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018, 89, 101 ff.; Zickgraf, AG 2018, 293, 304 ff.; Chatard/Mann, NZG 2019, 567, 573; Zickgraf in Maume/Maute, Rechtshandbuch Kryptowerte, 2020, § 11 Rz. 64 ff.; für generelle Einordnung als Wertpapier Spindler, WM 2018, 2109, 2113. 99 Instruktive Länderberichte zu Marktmanipulationsverboten bei Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 24 ff. 100 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 8; Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 103; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 110; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 16. 101 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 8; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 323. 102 Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 110; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 8.
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2023-04-14, 08:15, GroKO klein
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 40 | Marktmanipulation c) Auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) 40 Art. 12 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 nennt als taugliches Manipulationsobjekt neben Finanzinstrumenten
und auf sie bezogenen Waren-Spot-Kontrakten auch „auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte“. Damit sind Treibhausgasemissionszertifikate und andere darauf beruhende Auktionsobjekte auf einer als geregeltem Markt zugelassenen Versteigerungsplattform i.S.d. VO Nr. 1031/2010 gemeint (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014)103. Das Marktmanipulationsverbot des Art. 15 VO Nr. 596/2014 betrifft dabei unmittelbar nur Handlungen, die sich auf Auktionsobjekte beziehen, die auf Emissionszertifikaten beruhen, nicht aber auch Manipulationshandlungen, die unmittelbar das Emissionszertifikat als solches betreffen. Bei Emissionszertifikaten, die sich – wie regelmäßig (Erwägungsgrund 21 VO Nr. 596/2014) – als Finanzinstrumente qualifizieren, fallen auf sie bezogene Verhaltensweisen damit ohne Weiteres in den Anwendungsbereich der MAR (Art. 2 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014). Anders liegt es im Falle (der Zuteilung) von Treibhausgasemissionszertifikaten, die seit dem Inkrafttreten der VO Nr. 1031/2010 nicht mehr nur in Form von Finanzinstrumenten, sondern etwa auch durch sog. Zwei-Tage-Spot-Kontrakte erfolgen kann (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1–3 VO Nr. 1031/2010)104. Bei letzteren handelt es sich nicht um Finanzinstrumente i.S.d. Art. 2 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014105, so dass die umfassende Gewährleistung der Integrität im Versteigerungsprozess eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der MAR erforderte (vgl. Erwägungsgrund 37 VO Nr. 596/2014). Wie Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich betont, gelten die Vorschriften der MAR unbeschadet etwaiger besonderer Bestimmungen für Gebote im Rahmen entsprechender Versteigerungen durch die VO Nr. 1031/2010 sowie den Bestimmungen zur Umsetzung der RL 2003/87/EG (Emissionsrechte-Richtlinie106). d) Referenzwerte (Art. 2 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014)
41 Vom sachlichen Anwendungsbereich der MAR erfasst sind schließlich auch Handlungen in Bezug auf Refe-
renzwerte107. Ein Referenzwert ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 29 VO Nr. 596/2014 jeder Kurs, Index oder Wert, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder veröffentlicht wird und periodisch oder regelmäßig durch die Anwendung einer Formel auf den Wert eines oder mehrerer Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstiger Werte, oder auf Erhebungsdaten ermittelt bzw. auf der Grundlage dieser Werte bestimmt wird (Methode) und auf den bei der Festsetzung des für ein Finanzinstrument zu entrichtenden Betrags oder des Wertes eines Finanzinstruments Bezug genommen wird (Referenzierung). Die Definition ist enger als diejenige der VO Nr. 1011/2016 (Benchmark-VO), die nicht nur auf die Bezugnahme auf Finanzinstrumente, sondern daneben auch auf eine solche auf Finanzkontrakten sowie auf bestimmte Verwendungen im Zusammenhang mit kollektiven Vermögensanlagen abstellt108. Ein von der Verordnung erfasster Referenzwert muss auf der Basis der Definition der MAR kumulativ Öffentlichkeits- Methoden- und Referenzierungskriterien erfüllen109. Es kommt anders als noch beim Regime der RL 2003/6/EG (MAD I) nicht darauf an, ob die manipulative Beeinflussung des Referenzwerts auch eine Auswirkung auf ein Finanzinstrument hat. Vielmehr genügt es auch ohne einen entsprechenden Nachweis, dass eine Handlung die Integrität eines Referenzwerts beeinträchtigen kann110. 103 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 30; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 111; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 33. 104 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 321. 105 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 321; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 18. 106 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EG Nr. L 275 v. 2003, S. 32. 107 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 9; Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 107. Vgl. zum engeren Anwendungsbereich des schweizerischen Marktmanipulationsverbots Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 49 aber auch Rz. 61 ff. zur Erweiterung für prudentiell beaufsichtigte Marktteilnehmer. 108 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 80 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 103; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 139. S. auch ESMA, MAR Review report, 23 September 2020, ESMA70156-2391, S. 31 f. Rz. 57. 109 Vgl. zu parallelen Voraussetzungen bei der Definition der BMR Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 80 ff. Auch die ESMA geht von einer weitgehenden Übereinstimmung der Definitionen in der Sache aus, ESMA, MAR Review report, 23 September 2020, ESMA70-156-2391, S. 31 f. Rz. 57 ff., S. 35 Rz. 74 f.: „The outcome of the analysis on this topic included in the CP on the MAR review was that the scope of the two definitions appears to be broadly the same, and there was no need to modify the MAR definition of benchmarks“. 110 Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 35; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 325.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktmanipulation | Rz. 44 Art. 12 VO Nr. 596/2014
2. Persönlicher Anwendungsbereich/Normadressaten Das Verbot der Marktmanipulation richtet sich an alle natürlichen und juristischen Personen111 und erfasst 42 sowohl einzeln als auch in Gemeinschaft handelnde Personen112. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck ist das kapitalmarktrechtliche Marktmanipulationsverbot auf natürliche Personen beschränkt (vgl. deutlich auch Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014). Vielmehr ist es häufig sogar nur Unternehmen möglich, Marktpreise effektiv zu manipulieren, und beispielsweise kann nur ein Unternehmen mit eigenen Aktien handeln. Konsequenzen hiervon sind u.a., dass das Verbot der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 auch gegenüber Unternehmen „durchgesetzt“ werden kann (§ 6 WpHG), und dass Unternehmen für die Befolgung (compliance) der Art. 12, 15 VO Nr. 596/2014 durch Unternehmensangehörige Sorge tragen müssen (Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 12, 14, 19 ff.). Handelt es sich beim Adressaten der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 um eine juristische Person, gilt das Mani- 43 pulationsverbot gem. Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 auch für die natürlichen Personen, die nach Maßgabe des nationalen Rechts an dem Beschluss, Tätigkeiten für Rechnung der betreffenden juristischen Person auszuführen, beteiligt sind. Die Vorschrift bildet ein Einfallstor für Wertungen des nationalen Rechts113 und erstreckt die Verbote der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich auch auf für ein Unternehmen handelnde Personen. Sie hat kein Vorbild in der RL 2003/6/EG (MAD I) und wurde erst im Rahmen des TrilogVerfahrens in den Verordnungsvorschlag aufgenommen114. Bedeutsam ist sie bei allen Marktmanipulationshandlungen, die von bzw. im Namen eines Unternehmens – gleich welcher Rechtsform – vorgenommen werden. In derartigen Fällen erstreckt Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 die unternehmensadressierten Verbote der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 – bei einem anderen Verständnis hätte die Norm gar keine Funktion – auf diejeigen natürlichen Personen, die für dieses Unternehmen handeln bzw. die Handung des Unternehmens initiiert bzw. daran mitgewirkt haben. Zugleich wirkt die Vorschrift als punktuelle Öffnungsklausel für nationales Recht, indem es dieses als maßgeblich für die Frage erklärt, wer innerhalb des Emittenten für die Vornahme der jeweiligen Manipulationshandlung verantwortlich ist. Die unternehmensinterne Verantwortlichkeit bemisst sich also allein nach den Regeln des jeweiligen nationalen Rechts, nicht nach den Maßstäben einer unionsrechtsautonomen Auslegung. Unerheblich ist dabei, ob sich diese Verantwortlichkeitszuweisung aus organischaftlichen Zurechnungsnormen oder sonstigen privatrechtlichen Vorschriften – Prokura oder sonstige rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, aber auch Rechtsscheingrundsätze – ergeben. Andernfalls könnten die für Manipulationshandlungen verantwortlichen Personen unterhalb der Organebene mangels Adressateneigenschaft nicht sanktoniert werden. 44 Beispielhaft kommen als Normadressaten der Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 in Betracht: – Emittenten und die weiteren an einer Emission Beteiligten, – Unternehmen, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter. Bei ihnen wird das Marktmanipulationsverbot u.a. für die sog. Kurspflege, auch durch Erwerb eigener Aktien, bedeutsam, – sog. institutionelle Anleger, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter, – Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter, – Kontributoren von Referenzsätzen, – Skontroführer (§ 25 Satz 1 BörsG), – sonstige Handelsteilnehmer insbesondere in ihrer Funktion als Market Maker und Designated Sponsors, – private Anleger, – Rating-Agenturen und Börseninformationsdienste, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter, – externe Analysten, namentlich, wenn sie „ins Blaue hinein“ Empfehlungen abgeben, – (Wirtschafts-)Journalisten in den Grenzen des Art. 20, 21 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 21 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.), sonstige Börsenexperten und namentlich sog. „Börsengurus“, auf deren Empfehlungen die Allgemeinheit vertraut.
111 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 67; Teigelack in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 12 Rz. 22; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 11; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 36. Vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Vor Art. 142 f. FinfraG Rz. 40. 112 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 67. 113 Vgl. auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 14. 114 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 4.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 45 | Marktmanipulation
3. Räumlicher/internationaler Anwendungsbereich 45 Angesichts der globalen Verflechtung der Finanzmärkte haben Marktmanipulationen häufig eine trans-
nationale Dimension und – auch aus Sicht der Europäischen Union bzw. des EWR – eine Drittstaatenberührung, sei es, dass aus einem Drittstaat heraus ein Markt der Union bzw. des EWR manipuliert wird, sei es, dass eine in einem Drittstaat begangene Manipulation eines Drittstaatenmarktes sich zugleich auf einen Markt in der Union bzw. dem EWR auswirkt, oder sei es, dass innerhalb der EU bzw. des EWR zur Manipulation eines Drittstaatenmarktes gehandelt wird115.
46 Der internationale kapitalmarktrechtliche Geltungs- und Anwendungsbereich der Art. 15, 12 VO Nr. 596/
2014 ist – systematisch gesehen – Gegenstand des internationalen Kapitalmarktrechts und damit ein solcher des internationalen Verwaltungsrechts, da die kapitalmarkt- und aufsichtsrechtlichen Normen der Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 (s. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 50) zum Verwaltungsrecht zählen. Hiernach ist im Ausgangspunkt zwischen dem internationalen Anwendungs- und dem internationalen Geltungsbereich des Marktmissbrauchsverbots zu unterscheiden116.
47 Der internationale Anwendungsbereich meint die räumliche Verortung der Sachverhalte, auf welche die
Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 anwendbar sind (jurisdiction to prescribe), wogegen der internationale Geltungsbereich das Gebiet bezeichnet, in welchem Gerichte und Behörden die Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 anzuwenden und durchzusetzen haben (jurisdiction to enforce)117. Während der Anwendungsbereich öffentlich-rechtlicher Normen durchaus grenzüberschreitende Sachverhalte erfassen kann, was völkerrechtlich unbedenklich ist, wenn nur ein tragfähiger „inländischer“ Anknüpfungspunkt (genuine link) besteht118, ist der internationale Geltungsbereich auf das jeweilige Hoheitsgebiet beschränkt, im Falle der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 also auf die Europäische Union bzw. den EWR119.
48 Was den internationalen Anwendungsbereich der MAR anbelangt, müssen Handlungen, welche die in
Rz. 31 ff. genannten Instrumente betreffen, nach Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 nicht selbst auf einem der genannten Handelsplätze (Rz. 30) stattfinden. Die Verhaltensvorgaben der MAR sind vielmehr auch auf Handlungen und Unterlassungen außerhalb der EU in einem Drittstaat anwendbar (Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014)120. Entscheidend ist allein der Bezug zu einem der vom sachlichen Schutzbereich erfassten Instrumente (Rz. 31 ff.), der als solcher auch den völkerrechtlich geforderten genuine link begründet. Das Verbot der Marktmanipulation gem. Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 gilt damit – ebenso wie die auf der MAD I beruhende Vorgängerregelung – extraterritorial121. Grund hierfür sind Effizienzerwägungen: Das Verbot der Marktmanipulation soll Marktvertrauen schützen. Hierfür macht es keinen Unterschied, ob ein Handelnder innerhalb der EU bzw. des EWR oder außerhalb der EU bzw. des EWR von einem Marktmissbrauch profitiert. Würde nur ein Handeln innerhalb eines EU/EWR-Staates erfasst, würde sich die Marktmanipulation lediglich in Drittländer verlagern und der bezwecke Schutz des Marktvertrauens würde verfehlt122.
49 Die straf- bzw. bußgeldrechtliche internationale Anwendbarkeit der auf dem Verbot der Art. 15, 12 f. VO
Nr. 596/2014 aufsetzenden § 119 Abs. 1, § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG beantwortet sich nach strafrechtlichen Grundsätzen, d.h. anhand einer Schutzbereichsanalyse unter Berücksichtigung der international-kapitalmarktrechtlichen Vorfragen und den Regeln des sog. internationalen Straf- und Bußgeldrechts (§§ 3–7, § 9 StGB, §§ 5, 7 OWiG)123.
50 Die internationale Zuständigkeit der vom jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht berufenen nationalen Auf-
sichtsbehörden regelt Art. 22 VO Nr. 596/2014. Die Vorschrift ist sowohl in der deutschen als auch der eng115 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 37. 116 Zu dieser Unterscheidung schon Mülbert, AG 1986, 1, 4 ff. In diesem Sinne auch Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 104 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20. 117 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20. 118 Mülbert, AG 1986, 1, 5; Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 94 f. m.N. Im Zusammenhang mit der MAR auch Klöhn in Klöhn, Art. 2 MAR Rz. 104; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20. 119 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20. 120 Poelzig, NZG 2016, 528, 530 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 12 Rz. 24. Bereits das die MAD I umsetzende Vorgängerregime im WpHG bestimmte in § 1 Abs. 2 WpHG hinsichtlich des Anwendungsbereichs, dass die Bestimmungen „auch [...] auf Handlungen und Unterlassungen, die im Ausland vorgenommen werden“, anzuwenden sind, „sofern sie Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden“. 121 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 20. 122 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 A Rz. 47, C Rz. 43 f. 123 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 22.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktmanipulation | Rz. 52 Art. 12 VO Nr. 596/2014
lischen Sprachfassung unklar formuliert. Zudem weisen die beiden Fassungen substantielle Unterschiede auf. Aus der Gegenüberstellung der beiden in sich unklaren Fassungen ist aber wohl zu entnehmen, dass die nach dem jeweiligen mitgliedstaatlichen Recht berufene Behörde auch mit Blick auf das Verbot der Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 für die Verfolgung aller in ihrem Hoheitsgebiet erfolgenden marktmanipulativen Handlungen und aller im Ausland ausgeführten Handlungen, soweit dies Instrumente betrifft, die an einem in ihrem Hoheitsgebiet liegenden Handelsplatz – geregelter Markt, Versteigerungsplattform, MTF, OTF – zugelassen bzw. gehandelt werden, oder für die ein Zulassungsantrag zu einem inländischen Handelsplatz gestellt ist, zuständig ist124. Bei diesem Verständnis sind Zuständigkeitsüberschneidungen zwar nicht völlig ausgeschlossen, wohl aber erheblich reduziert. Zu Überschneidungen kommt es insbesondere, wenn ein Instrument an Handelsplätzen in mehreren Mitgliedstaaten zugelassen bzw. gehandelt wird, oder wenn die marktmanipulative Handlung in einem Mitgliedstaat ein Instrument betrifft, das an einem Handelsplatz in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen oder gehandelt wird. Die Befugnisse der nach Maßgabe des Art. 22 VO Nr. 596/2014 zuständigen jeweiligen nationalen Behörde ergeben sich aus deren nationalem Recht. Art. 23 VO Nr. 596/2014 bestimmt lediglich den Mindestumfang der ihnen vom jeweiligen nationalen Recht zu übertragenden Befugnisse.
4. Zeitlicher Anwendungsbereich Die MAR wurde am 12.6.2014 – nach Ausfertigung durch den Präsidenten des Europäischen Parlaments 51 und den Präsidenten des Rates der EU am 16.4.2014125 – im Amtsblatt der EU veröffentlicht (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1) und trat gem. Art. 39 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung, mithin am 2.7.2014, in Kraft. Ihre wesentlichen Bestimmungen gelten gem. Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 aber erst seit dem 3.7.2016. Geltung meint die Anwendbarkeit der entsprechenden Bestimmungen126. Die Anwendbarkeit eines Rechtsakts kann vom jeweiligen Rechtssetzer durch eine Vorverlegung (Grenze: Rückwirkungsverbot), eine Verzögerung oder eine Befristung127 gesondert bestimmt werden, wenn er die Wirkung des Rechtsaktes von dem Inkrafttreten lösen will. Der Unionsgesetzgeber hat sich mit Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 für eine zeitlich nach dem Inkrafttreten beginnende und damit verzögerte, ab diesem Zeitpunkt aber unbefristete Anwendbarkeit zahlreicher Normen der MAR entschieden.
V. Basisdefinition der Marktmanipulation (Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 enthält die Basisdefinition einer Marktmanipulation i.S.d. MAR, indem er 52 in lit. a–d verschiedene Handlungsweisen aufführt, durch die gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 verstoßen werden kann128. Ein Verstoß liegt aber nur vor, wenn die Handlung eine bestimmte Wirkung bzw. eine potenzielle Wirkung aufweist. So verlangt Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 als Folge der manipulativen Handlung entweder falsche oder irreführende Signale oder ein anormales oder künstliches Kursniveau bzw. jeweils die Wahrscheinlichkeit und damit die Eignung hierfür. Gleiches gilt im Ergebnis auch für Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014, der eine Kursbeeinflussung(seignung) fordert, sowie für Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/ 2014, der – ebenso wie Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 – eine Signalwirkung(seignung) bzw. ein anormales oder künstliches Kursniveau verlangt, und letztlich auch für Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014, wobei insoweit der Bezugspunkt zum möglichen Einfluss auf einen Referenzwert verschoben ist. In allen Varianten verfolgt die MAR bei der Definition des Marktmanipulationsbegriffs also einen effektbasierten Ansatz, wobei jeweils schon die objektive Gefährdung genügt129.
124 A.A. Lehmann in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2021, Teil 11 Internationales Finanzmarktrecht, B. Rz. 367 ff., wonach zwischen einer gemeinschaftsweiten Zuständigkeit im Falle geregelter Märkte und einer auf inländische MTFs/OTFs beschränkten Zuständigkeit zu unterscheiden sei. 125 Zum Gesetzgebungsverfahren s. http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri=CELEX:32014R0596. 126 Rossi, ZIP 2016, 2437, 2440; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 12 Rz. 25. 127 Rossi, ZIP 2016, 2437, 2439. 128 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 23; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 5; Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 8 ff. 129 Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 191; Schmolke, AG 2016, 434, 440, 441; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 7; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 23; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 741; allgemein zu diesem Ansatz und seiner Gegenüberstellung mit anderen Ansätzen, insbesondere dem sog. „intent based approach“ Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 107 ff.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 | Marktmanipulation
1. Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 53 Eine Marktmanipulation ist nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 der Abschluss eines Geschäfts, die
Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, die entweder i) falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts gibt oder bei der dies wahrscheinlich ist, oder ii) ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts erzielt oder bei der dies wahrscheinlich ist. Eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 liegt dabei nicht vor, wenn die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 steht (dazu Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 5, 13 ff.).
54 Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfasst in erster Linie handelsgestützte Marktmanipulationen durch
aktives Tun (nicht Unterlassungen, Rz. 63), die dem Markt falsche oder irreführende Signale zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen geeignet sind. Daneben können von der Auffangvariante aber auch handlungsgestützte Manipulationen erfasst sein (Rz. 66)130. Stets handelt es sich um eine Marktmanipulation im Sinne einer Objektmanipulation, nicht wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 um eine ausdrückliche oder konkludente Informationsverbreitung mit kommunikativem Erklärungswert131. Zwar ließe sich mit den als Auffangtatbestand konzipierten „anderen Handlungen“ grundsätzlich auch informationsgestützte Handlungen als Marktmanipulationen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfassen132. Jedoch fungiert für diese Sachverhalte der Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 als verdrängende lex specialis133. Nur so lassen sich Friktionen der beiden Tatbestände vermeiden134. Diese haben nämlich durchaus unterschiedliche Anforderungen (subjektives Element, Rz. 93 ff. und 217 f.), und zudem kommt nur bei Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 in Betracht, dass ein Handeln gemäß einer zulässigen Marktpraxis die Tatbestandsverwirklichung aussschließt (Art. 12 Abs. 1 lit. a Unterabs. 2, Art. 13 VO Nr. 596/2014). Aus der Zuordnung bestimmter indikativer Manipulationspraktiken zu Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ergibt sich keinesfalls eindeutig, dass die Europäische Kommission und die ESMA von der Idealkonkurrenz der beiden Tatbestände ausgehen135. Dies gilt schon wegen der fehlenden verbindlichen Konkretisierungswirkung der Indikatoren und erst recht der Praktiken in der DelVO 2016/522 (Rz. 6, 283 ff.). Vielmehr ist bei der konkreten Subsumtion unter Art. 12 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 gerade das Konkurrenzverhältnis der Tatbestandsvarianten zu berücksichtigen und so kann ein bestimmtes Verhalten auch dann nicht dem Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 unterfallen, wenn es einem Indikator entspricht. Das bedeutet freilich nicht, dass das Ausstreuen von Informationen im Zusammenhang mit dem Handel von Finanzinstrumenten nicht auch auf eine handelsgestützte Marktmanipulation hindeuten kann (dazu Rz. 134 ff.). Im Übrigen müsste man, ginge man von einer grundsätzlichen Idealkonkurrenz der beiden Tatbestandsvarianten aus, jedenfalls das subjektive Tatbestandsmerkmal des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 in den Fällen einer Marktmanipulation durch reine Informationsverbreitung in den Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 hineinlesen136. Die beiden Subvarianten des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 stehen hingegen ohne weiteres nebeneinander und werden auch in der Praxis ganz häufig beide erfüllt sein137. 130 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 7; Schmolke, AG 2016, 434, 441; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 380; in diese Richtung argumentierend auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 18 ff.; a.A. wohl Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 16; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 176, der diese nur dem Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 zuordnet; wohl neutral hierzu Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 23. 131 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 187. 132 So de Schmidt, RdF 2016, 4, 6; a.A. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 16 f., schon die Tatbestandsmäßigkeit sei abzulehnen. 133 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 4 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 18 f.; Schmolke, AG 2016, 434, 443; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 76; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 205 zum Entwurf; vgl. auch Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 81 zum Verhältnis von lit. b zu lit. c; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 36. 134 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 19; Schmolke, AG 2016, 434, 443. 135 So aber Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 19. 136 In diese Richtung auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 19; Schmolke, AG 434, 444; ähnlich Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 24. 137 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 16.
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Marktmanipulation | Rz. 60 Art. 12 VO Nr. 596/2014
a) Geschäfte, Handelsaufträge, sonstige Handlungen Die nach Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 verbotene Handlung muss in dem Abschluss von Geschäf- 55 ten, in der Erteilung eines Handelsauftrags oder in anderen Handlungen bestehen. Geschäfte sind alle Transaktionen mit Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten 56 oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten (Rz. 39 ff.)138, womit nicht nur deren Erwerb oder Veräußerung, sondern z.B. auch Sicherungsgeschäfte wie Sicherungszessionen, -übereignungen, Treuhandschaften oder Verpfändungen gemeint sind139. Ein Vollrechtserwerb auf der einen und ein entsprechender Rechtsverlust auf der anderen Seite sind nicht erforderlich140, und auch Leihgeschäfte (Wertpapierleihen) sind erfasst. Unerheblich ist, ob es sich um Eigen- oder Fremdgeschäfte handelt, und es kommt nicht darauf an, ob das Geschäft in eigenem oder fremdem Namen oder für eigene oder fremde Rechnung getätigt wird. Abgeschlossen ist ein Geschäft jedenfalls dann, wenn es ausgeführt (vollzogen) worden ist. Insoweit sind 57 rechtswirksame Geschäfte erfasst, in deren Vollzug es zu einem Wechsel der Rechtsinhaberschaft kommt. Genügend ist aber auch ein Wechsel des wirtschaftlich Berechtigten an einem Finanzinstrument. Jedoch ist ein solcher Wechsel keine zwingende Voraussetzung141. Vielmehr sind auch rechtsunwirksame Geschäfte, insbesondere nicht ernstlich gewollte Geschäfte bzw. Scheingeschäfte i.S.v. §§ 116, 117 BGB, ausreichend, wenn sie nur äußerlich – dem Schein nach – abgeschlossen worden sind142. Erst recht beeinträchtigen Rückabwicklungen, Stornierungen bzw. Aufhebungen oder spätere Gegengeschäfte den Abschluss nicht143. Abgeschlossen ist ein Geschäft schon mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts. Die Norm wählt ausdrücklich den Terminus „abgeschlossen“ statt vorgenommen144. Erteilte Aufträge sind für sich kein Geschäftsabschluss, können aber von Art. 12 Abs. 1 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 erfasst werden (Rz. 53). Unerheblich ist, ob das Geschäft an einem bestimmten Handelsplatz oder OTC abgeschlossen wird (Art. 2 58 Abs. 3 VO Nr. 596/2014, s. schon Rz. 30). Der Ort des Geschäftsabschlusses spielt keine Rolle. Für die Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 ist allein maßgeblich, dass vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasste Manipulationsobjekte (Rz. 31 ff.) beeinflusst werden können. Gleichfalls ohne Belang ist der Sitz/Belegenheitsort der Vertragspartner. Nicht abgeschlossen sind Geschäfte, die nicht zustande kommen, z.B. weil sie vom Skontroführer wegen 59 Manipulationsverdachts abgelehnt werden145. Jedoch kommt immerhin ein Versuch der Marktmanipulation (Art. 15 Var. 2 VO Nr. 596/2014) in Betracht (Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 ff., 21). Zudem ist denkbar, an den dem abgelehnten Geschäftsabschluss vorausgegangenen Handelsauftrag anzuknüpfen (Rz. 57 f.). Die in Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten Handelsaufträge sind nicht streng zivilrechtlich im 60 Sinne des bürgerlichen Auftrags- und Kaufrechts, sondern kapitalmarktrechtlich als Orders zu verstehen146. Der Begriff umfasst sowohl die sog. Effektenorder – typischerweise kommissionsrechtliche Kauf- oder Verkaufsaufträge der Kunden an ihre Bank147 – als auch Vermittlungsaufträge an den Skontroführer im Parketthandel148 138 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 35; Schmolke, AG 2016, 434, 443; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 485; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 72; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 16 MAR Rz. 11; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 53. 139 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 12; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 35; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 32. 140 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 485. 141 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 13; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 36; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 33. 142 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 485; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 36; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 72; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 11; vgl. Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 44; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 221. 143 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 36. 144 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 485; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 36. 145 Wie hier Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 11. 146 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 15; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 485; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 37; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 73; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 12; vgl. zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG a.F. Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 45; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 219; Paschos/Goslar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 26 Rz. 34. 147 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 37. Zu kommissionsrechtlichen Kauf- oder Verkaufsaufträgen an die Bank Seiler/Geier in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 84 Rz. 48; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 34, Art. 16 MAR Rz. 11. 148 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 37. Zu Vermittlungsaufträgen an den Skontroführer Groß in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 28 BörsG Rz. 1.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 60 | Marktmanipulation und bindende Kauf- oder Verkaufsangebote im elektronischen Handel149. Gegenstand des Handelsauftrags muss der Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten (Rz. 31 ff.) sein. Auch insoweit ist ein kapitalmarktrechtliches Verständnis zugrunde zu legen, so dass nicht lediglich Aufträge zu Sach- oder Rechtskäufen, sondern zu allen Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften, auch der sog. Wertpapierleihe (Rz. 56, 111, 248), gemeint sind. 61 Ein Handelsauftrag ist erteilt, wenn er dem Adressaten zugegangen ist150. Nicht erforderlich ist, dass er
bereits im Orderbuch eingestellt ist151. Unerheblich ist, ob der Auftrag bedingt oder befristet ist; auch Limit-Orders sind erteilt, wenn sie dem Adressaten zugegangen sind. Ebenso ist der innere Vorbehalt, den Auftrag nicht zu wollen, unbeachtlich, und auch für kollusiv erteilte Aufträge kann nach Sinn und Zweck des Manipulationsverbots („Scheinaufträge“) nichts anderes gelten. Wird der Handelsauftrag abgegeben und unterbleibt aus ggf. nicht in der Person des Manipulators liegenden Gründen der Zugang des Handelsauftrags, kann der Versuch einer Marktmanipulation vorliegen. Das gilt unabhängig davon, ob die Gründe für das Scheitern des Zugangs in der Person des Manipulators liegen (Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 16, 21). Die Rücknahme eines Handelsauftrages („Storno“) ist als solche keine Erteilung eines Handelsauftrages152, kann aber ein Indiz für eine Marktmanipulation sein, und tatbestandsmäßig eine „andere Handlung“ (Rz. 66).
62 Ein bloßes Unterlassen genügt nicht zur Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014153. Der
Abschluss von Geschäften sowie die Erteilung eines Handelsauftrags erfordern stets eine aktive Handlung und auch die in Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten „anderen Handlungen“ verlangen ein aktives Handeln. Deshalb ist etwa die Befolgung von sog. Lock-up-Agreements, also von Vereinbarungen, bestimmte Finanzinstrumente in bestimmten Fristen unter bestimmten Bedingungen zu halten, auch dann nicht von Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfasst, wenn sie über das kapitalmarktrechtlich Übliche (z.B. im Rahmen von IPOs) hinausgehen.
63 Zwar gelten die Verbote und Anforderungen der MAR gem. Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014, also der all-
gemeinen Vorschrift zu ihrem Anwendungsbereich, für Handlungen und Unterlassungen154. Nach Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 als der maßgeblichen Definitionsnorm für das Marktmanipulationsverbot bezeichnet der Begriff Marktmanipulation i.S.d. Verordnung allein „Handlungen“. Unterscheidet Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 klar zwischen Handlungen und Unterlassungen und erklärt Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nur bestimmte Handlungen zu einer Marktmanipulation, kann in einem bloßen Unterlassen keine Marktmanipulation liegen155. Demgemäß ist den näheren Präzisierungen in Art. 12 Abs. 2 und 3 i.V.m. Anhang I VO Nr. 596/2014 sowie in der Delegierten Verordnung 2016/522 ebenso wie den Erwägungsgründen der MAR kein Hinweis zu entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber auch bloße Unterlassungen als Marktmanipulationshandlungen erfassen wollte156. 149 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 73. 150 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 15; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 38; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 73; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 32. 151 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 38; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 12. 152 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 37, der dies aus Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 herleiten will; so auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 12. 153 Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 38; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 97 ff.; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 26, 42; Park/ Wagner, wistra 2019, 306, 307; Bator, BKR 2016, 1, 3 ff.; Eggers, WiJ 2017, 49, 52; Saliger, WM 2017, 2329; Nietsch, WM 2020, 717; Stellungnahme des DAV zum Emittentenleitfaden, NZG 2019, 1138, 1147 f.; insoweit auch noch Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 75; Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig § 38 WpHG Rz. 114, die aber über § 13 StGB zu einer Strafbarkeit als unechtes Unterlassungsdelikt kommen (dazu Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 75 ff.); a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 40; Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64; Kudlich, AG 2016, 459, 461; Bayram/Meyer, BKR 2018, 55, 60; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 982 f.; de Schmidt, RdF 2016, 4, 5 f. Zum alten Recht war im Übrigen ohnehin unbestritten, dass handelsbasierte Manipulationen nach § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. nicht durch bloßes Unterlassen begangen werden konnten. Dazu nur Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 146b. Ebenso zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 55. 154 Soweit dieser Vorschrift entnommen wird, dass auch bloßes Unterlassen eine Marktmanipulation verwirklichen (Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64; Kudlich, AG 2016, 459, 461), greift dies zu kurz. 155 Auch die englische Sprachffassung spricht in Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 von „actions and omissions“, Art. 12 VO Nr. 596/2014 dagegen lediglich von „activities“. 156 Näher Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktmanipulation | Rz. 67 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Diese Auslegung wird durch die CRIM-MAD bestätigt157. Diese baut überhaupt nur auf den Verbotstat- 64 beständen der MAR – Marktmanipulation und Insiderverstöße – auf, die allein durch aktives Tun verwirklicht werden können, und folgerichtig unterfallen ihrem Anwendungsbereich gem. Art. 1 Abs. 5 RL 2014/ 57/EU „sämtliche Transaktionen, Aufträge oder Handlungen, die ein Finanzinstrument nach Absatz 2 und 4 betreffen, unabhängig davon, ob die Transaktion, der Auftrag oder die Handlung an einem Handelsplatz vorgenommen wird“158, mithin (nur) ein aktives Tun. Indem sich die CRIM-MAD auf Vorgaben zur Sanktionierung von Handlungen beschränkt, die durch ein aktives Handeln „vorgenommen“ werden, belegt sie im Rückschluss, dass gegen die Verbote der Art. 14, 15 VO Nr. 596/2014 nur durch ein aktives Tun, nicht aber durch ein bloßes Unterlassen verstoßen werden kann. Für den Auffangtatbestand der handelsgestützten Manipulationen durch andere Handlungen verbleiben 65 nach der Ausklammerung reiner Unterlassungen (Rz. 63) und unter Berücksichtigung des Konkurrenzverhältnisses zu Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 (Rz. 54) nur solche Verhaltensweisen, die durch aktives Tun erfolgen und mit den Geschäften und Handelsaufträgen vergleichbar sind159. Das können etwa Vereinbarungen zur Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung oder Stornierungen bzw. Annullierungen von Orders160 sein. Ferner kommt aktives Handeln von OTF-Betreibern als tatbestandlich in Betracht, wenn diese etwa im Rahmen der Ermessensvorschrift nach § 75 Abs. 6 Satz 1 und 2 WpHG bereits platzierte Orders wieder herausnehmen, um diese auf einem anderen Handelsplatz zur Ausführung zu bringen (dazu § 75 WpHG Rz. 20)161. Eine rechtmäßige Ermessensausübung im Rahmen des § 75 WpHG, die im Regelwerk des Systems abgebildet ist (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), wird freilich kein falsches oder irreführendes Signal aussenden. Eine Marktmanipulation durch eine andere Handlung kann ferner darin liegen, dass Personen elektronische Handelssysteme durch Hackerangriffe beeinträchtigen oder verfälschen, da auch derartige Handlungen die von Abs. 1 lit. a genannten Wirkungen erzielen können. Dem Auffangtatbestand unterfallen ferner die sonstigen denkbaren handlungsgestützten Marktmanipula- 66 tionen, die den inneren Wert eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts beeinflussen (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/ 2014 Rz. 66 mit Beispielen) – solange sie eben mit Geschäften bzw. Orders vergleichbar sind. Als solches kommt auch die Einführung von Kaufrestriktionen oder sonstigen Handelsbeschränkungen – wie sie insbesondere im Zusammenhang mit den Geschehnissen um GameStop im Frühjahr 2021 stattgefunden haben – in Betracht162. Eine Vergleichbarkeit mit Geschäften und Handelsaufträgen ist hierbei gegeben, da die Ausführung eines Handelsauftrags ihrerseits Voraussetzung dafür ist, dass ein Geschäft oder ein Handelsauftrag überhaupt eine manipulative Wirkung entfalten kann. Unterbleibt die Ausführung gerade aufgrund der Implementierung einer Handelsbeschränkung, stellt sich der Vorgang gewissermaßen als Ausführung eines Geschäfts mit entgegengesetzen Vorzeichen und damit als „andere Handlung“ i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 dar163. Dabei liegt der Schwerpunkt des insoweit tatbestandlichen Verhaltens auf der aktiven Entscheidung und Implementierung der Handelsbeschränkungen und der insoweit technisch umzusetzenden automatischen Zurückweisung aller entsprechenden Kaufaufträge164. b) Falsche oder irreführende Signale oder Wahrscheinlichkeit hierzu Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/2014 erklärt diejenigen der vorgenannten Handlungsweisen (Rz. 53 ff.) 67 zu Marktmanipulationen, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage 157 Insoweit auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 98. 158 Für das Insiderhandelsverbot des § 14 WpHG a.F. entsprach es der ganz herrschenden Meinung, dass Insiderabstinenz den Tatbestand nicht verwirklichen kann. S. nur Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 49 ff., 107; Assmann in 6. Aufl., § 14 WpHG Rz. 15. Auch international wird Unterlassen nicht als Insiderdelikt geahndet. Auch dazu Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 49 ff. Das Insiderhandelsverbot der VO Nr. 596/ 2014 erfasst in Ausnahmefällen freilich auch ein Absehen von Handel, allerdings nur, sofern der Insider unter Nutzung einer Insiderinformation einen Auftrag storniert, den er vor Erlangung der Information erteilt hat (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014). Hier steht freilich die aktive Handlung (Stornierung) wertungsmäßig im Vordergrund. Dazu Klöhn, AG 2016, 423, 432. 159 Vgl. Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 12 ff.; 16; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 41; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 39, der davon ausgeht, dass der Begriff weit zu verstehen ist und im Ergebnis jede Form von Handlungen und Unterlassungen erfasst. 160 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 16; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 76. 161 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 35. 162 Näher Sajnovits, ZGR 2021, 804, 834. 163 Sajnovits, ZGR 2021, 804, 834. 164 Sajnovits, ZGR 2021, 804, 834.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 67 | Marktmanipulation oder des Preises eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts geben oder bei denen dies wahrscheinlich ist. 68 Das Verbot einer Handlung ist ausgehend vom Schutzzweck des Marktmanipulationsverbots (Rz. 23 f.) nur
gerechtfertigt, wenn die Handlung geeignet ist, die Preisbildung zu stören oder sonst die Marktintegrität zu beeinträchtigen. Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/2014 verlangt daher, dass das Geschäft, der Handelsauftrag, und die sonstige Handlungsweise entweder falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Preis von Finanzinstrumenten eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts geben oder – im Zeitpunkt der Vornahme der Handlung (ex ante) – eine Wahrscheinlichkeit hierfür besteht165. Ausreichend ist damit die abstrakte Eignung zur (wahrscheinlichen) Irreführung. aa) Beurteilungsmaßstab: verständiger Anleger
69 Welches Signal durch eine in Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 genannte Handlung gesendet wird und
welche Eignung zur Beeinflussung des Angebots- bzw. Nachfrageverhaltens diesem Signal zukommt (Rz. 75 ff.), beurteilt sich ebenso wie die Frage, ob dieses Signal falsch oder irreführend ist (Rz. 81), aus ex ante Sicht eines verständigen Anlegers (Rz. 70 ff.)166.
70 Der „verständige Anleger“ wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich konturiert167. Einig ist
man sich darin, dass es sich um einen normativen Rechtsbegriff handelt, der objektiv, aber unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu bestimmen ist (sogleich Rz. 71). Mit Blick auf die Zwecke des Marktmanipulationsverbots – Schutz der Marktintegrität, des Anlegervertrauens und des Preisbildungsprozesses im Besonderen (Rz. 23 ff.) – ist es nur, aber immerhin angezeigt, solche falschen oder irreführenden Signale zu verhindern, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, die mithin jedenfalls potenziell Einfluss auf sein Angebots- oder Nachfrageverhalten hätten, und die demnach die Preisbildung beeinflussen könnten168.
71 Die Kritik an der Figur des verständigen Anlegers, wonach es sich um eine realitätsferne Konstruktion han-
dele, welche die Vielfalt der Anlegergruppen (Privatanleger vs. institutionelle Anleger, risikoaverse vs. spekulationsfreudige Anleger) und der Märkte (Renten- vs. Derivatemarkt) ebenso verkenne wie das unterschiedliche Kenntnis- und Verständnisniveau unterschiedlicher Anleger (Informations- vs. Liquiditätshändler), vermag auch auf Basis der MAR nicht durchzugreifen. Das geltende Recht rekurriert an zahlreichen Stellen auf Maßfiguren wie den ordentlichen Kaufmann (§ 347 Abs. 1 HGB) oder Geschäftsmann (§ 43 Abs. 1 GmbHG), den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG), den sorgfältigen Verkehrsteilnehmer (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) oder den billig und gerecht Denkenden (vgl. § 138 Abs. 1 BGB). Solche Maßfiguren sind zwar stark konkretisierungsbedürftig, doch gibt es durchaus bewährte Methoden der Konkretisierung und Fallgruppenbildung169. Die Objektivierung ist notwendig, um das Urteil über die Signalwirkung(seignung) nicht dem Belieben einzelner Kapitalmarktbeteiligter zu überlassen170.
72 Der verständige Anleger i.S.d. MAR muss objektiv, aber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzel-
falles bestimmt werden171. Die überwiegende Ansicht setzt den verständigen Anleger – nicht nur im Zusammenhang mit dem Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität – mit einem durchschnittlichen Individuum gleich172. Bei dessen näheren Konturierung wird der börsenunkundige Kleinanleger zumeist nicht einbezogen, sondern auf einen Anleger abgestellt, der die für den Umgang mit dem jeweiligen Finanzinstrument übliche Fachkunde aufweist und mit den Marktgegebenheiten vertraut ist173. Dieser Anleger wird mehrheitlich als ra165 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354 f. 166 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 42; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 486; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 43, 49; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 88 f.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 25; Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354. 167 Übersicht bei Langenbucher, AG 2016, 417; Kumpan/Misterek, ZHR 184 (2020), 180, 189 ff.; Mülbert/Sajnovits, WM 2020, 1557, 1563 ff.; Mülbert/Sajnovits, ECFR 2021, 256, 277 ff. 168 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354 f. 169 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 30. 170 Treffend zu § 265b StGB BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285, 293. 171 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 44; Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354 f. 172 Vgl. Kumpan/Misterek, ZHR 184 (2020), 180, 190 f. m.w.N. zum deutschsprachigen Schrifttum; aus dem englischsprachigen Schrifttum etwa Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 3rd ed. 2014, VIII.6.1.6., S. 722. 173 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 42; vgl. zum früheren § 20a WpHG BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10, WM 2012, 303 – IKB; OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, WM 2009, 1233; OLG Düsseldorf v. 6.7.2004 – III-5 Ss 2/04 – 13/04 I, AG 2005, 44, 45; Schmolke, ZBB 2012, 165, 172.
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Marktmanipulation | Rz. 75 Art. 12 VO Nr. 596/2014
tionaler Marktteilnehmer beschrieben174. Eine im Vordringen befindliche Gegenauffassung zum Insiderrecht und zum Recht der Ad-hoc-Publizität versteht den verständigen Anleger demgegenüber als die Verkörperung des Gesamtmarkts und damit als Kollektiv175. Entscheidend soll daher nicht ein irgendwie festzulegender Durchschnittsanleger sein, sondern die hypothetische Marktreaktion als solche176. Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, wie dieses Kollektiv näher zu bestimmen ist. Teils wird auf die Maßgeblichkeit von Modellannahmen abgestellt und der verständige Anleger als Verkörperung der Effizienzmarkthypothese gesehen177. Andere wollen (auch) das reale Marktgeschehen einbeziehen, dessen Verlauf zu prognostizieren sei178.
Die unterschiedlichen Positionen (Rz. 72) gelangen häufig zu denselben Ergebnissen hinsichtlich des 73 grundsätzlichen Eignungspotentials bestimmter Informationen zur Kursbeeinflussung und damit – bezogen auf den Marktmanipulationstatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/2014 – auch zur Signaleignung bestimmter Geschehnisse. Uneing sind sich Aufsicht und Schrifttum im Rahmen des Insiderinformationsbegriffs des Art. 7 VO Nr. 596/2014 aber darüber, ob und inwieweit auch irrationales bzw. rein spekulatives Anlegerverhalten mit zu berücksichtigen sind. Die BaFin vertrat in einem FAQ zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 zunächst die Auffassung, „dass das Spektrum des verständigen Anlegers zumindest auch auf den spekulativ handelnden Anleger erweitert werden muss, der nur eine kurzfristige Kursbewegung ausnutzen will, für die auch unerheblich sein kann, in welche Richtung diese ausschlägt“179. Hierfür konnte sie sich auf einige Stellungnahmen in der Literatur und wohl auch die IKB-Entscheidung des BGH berufen180. In Modul C des Emittentenleitfadens verzichtet die BaFin auf eine (ausdrückliche) Einbeziehung irrationalen Verhaltens und spekulativer Anleger181. Die Gegenauffassung will lediglich – gleich ob als idealisiertes Individuum oder als Kollektiv – Informationen berücksichtigt wissen, welche die wirtschaftlichen Chancen und Risiken des jeweiligen Finanzprodukts und damit den Fundamentalwert des Emittenten betreffen182. Beim Marktmanipulationsverbot vermögen die im Kontext des Begriffs der Insiderinformation gewichtigen 74 Gründe dafür, selbst vorhersehbare Reaktionen spekulativer Anleger auszublenden183, nicht durchzugreifen. Die Regelungszwecke des Marktmanipulationsverbots (Rz. 23 ff.) gebieten es vielmehr, auch die Reaktionen der nicht ausschließlich fundamentalwertorientierten Anleger mit einzubeziehen, wenn deren Reaktionen (voraussichtlich) ein Kursbeeinflussungspotential zukommt, wenn also die Reaktionen ex ante vorhersehbar sind und damit eine Prognosegrundlage bieten, um das Angebots- oder Nachfrageverhalten einer kritischen Masse von Anlegern zu beeinflussen. bb) Signaleignung Ein Signal für das Angebot, die Nachfrage bzw. den Preis liegt aus Sicht eines verständigen Anlegers (Rz. 72 ff.) 75 vor, wenn der Geschäftsabschluss, die Erteilung des Handelsauftrags oder die sonstige Handlung geeignet ist, das Angebots- bzw. Nachfrageverhalten auf dem Markt bzw. den Preis zu beeinflussen, gleich, ob die Beeinflussung darin besteht, dass das Angebot bzw. die Nachfrage verstärkt oder abgeschwächt wird oder aber un174 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 42; vgl. auch OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, WM 2009, 1233. 175 Kumpan/Misterek, ZHR 184 (2020), 180, 193. 176 Kumpan/Misterek, ZHR 184 (2020), 180, 193. 177 Insbesondere Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 271 ff.; ihm folgend Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 55; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 115 f.; Thelen, ZHR 182 (2018), 62, 64 f., 71; Kumpan/Misterek, ZHR 184 (2020), 180, 193. 178 Tendenziell BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, Stand: 25.3.2020, I.2.1.4.1., S. 12: „Es ist ... davon auszugehen, dass ein verständiger Anleger in seine Anlageentscheidung nicht nur die zukünftige Finanz- und Ertragskraft des Unternehmens einbezieht, sondern ggf. auch weitere Faktoren, die – losgelöst von einer Änderung des Unternehmenswertes – auf den Kurs des Finanzinstruments einwirken können, wie dies z.B. bei der Zahlung von Dividenden oder dem Abfindungsangebot bei einem Squeeze-Out der Fall ist“. Zu dem Ansatz Langenbucher, AG 2016, 417, 419 f. 179 BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand: 20.6.2017, III.6.b), S. 8, abrufbar unter: https://www.bafin.de/DE/Aufsicht/BoersenMaerkte/Transparenzpflichten/Ad-hoc-Publizitaet/ad-hoc-publi zitaet_node.html. 180 BGH WM 2012, 303 – IKB Rz. 44; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 603; Schmolke, ZBB 2012, 165, 172 f. 181 BaFin, Emittetenleitfaden, Modul C, Stand: 25.3.2020, I.2.1.4.1., S. 11 f. 182 S. nur Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 284 ff.; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 115a; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 55; Kumpan/Misterek, ZHR 184 (2020), 180, 214 ff.; Keine Fundamentalwertrelevanz haben handelsbezogene Informationen. Auch sie können aber nach ganz einhelliger Auffassung Insiderinformationen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sein (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014, s. nur Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 290). 183 Näher insbesondere Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 176 ff.; die Gründe sind auch aufgeführt bei Mülbert/Sajnovits, ECFR 2021, 256, 284 ff.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 75 | Marktmanipulation verändert bleibt bzw. ob der Preis sich nach oben oder nach unten oder nur „zur Seite“ bewegt184. Hierfür gilt keine Erheblichkeitsschwelle, und zwar weder in zeitlicher Hinsicht noch bezogen auf die potenzielle Erheblichkeit der Signalwirkung185. Unerheblich ist andererseits, ob derartige Einflüsse tatsächlich gegeben und nachweisbar sind, weil ein Signal auch dann ein Signal bleibt, wenn es von niemandem wahrgenommen oder beachtet wird, zumal nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 schon eine Wahrscheinlichkeit, ein Signal zu geben, ausreicht186. Allerdings kann sich eine Transaktion überhaupt nur dann als Signal eignen, wenn sie in irgendeiner Form vor oder nach der Durchführung transparent gemacht oder sonst öffentlich bekannt wird. Hieran fehlt es insbesondere, soweit einzelne Geschäfte vollständig außerhalb regulierter Handelsplätze (OTC) abgeschlossen werden, es sei denn, die OTC-Geschäfte unterliegen ihrerseits Transparenzpflichten etwa nach MiFIR187 und diese werden auch tatsächlich erfüllt188. Wird ein OTC-Geschäft dagegen – auch trotz einer bestehenden Transparenzpflicht und damit unter Verstoß gegen ebendiese – ohne eine irgendwie geartete Publizität vorgenommen, fehlt diesem Geschäft von vorneherein schon die Eignung als Signal. 76 Werden für eine einzelne Transaktion das Volumen, der Preis und der Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses
offengelegt, sendet dies jedenfalls das Signal, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Angebot und eine Nachfrage in einer bestimmten Größenordnung gibt189. Darüber hinausgehend wird teilweise postuliert, „eine Transaktion [sende] für den verständigen Anleger das Signal aus[..], dass sowohl Käufer als auch Verkäufer von gewinnbringenden Verkaufs- oder günstigen Kaufbedingungen“ ausgingen und es ihnen daher gerade um die künftige Kursentwicklung des betreffenden Finanzinstruments gehe, was auch dann nicht der Fall sei, wenn Kursverlustrisiken umfassend abgesichert sind190. Noch weitergehend wird mit Blick auf Cum/ Ex- und Cum/Cum-Transaktionen sogar davon gesprochen, dass diese deshalb über die „wahren“ wirtschaftlichen Verhältnisse täuschen und damit ein falsches bzw. irreführendes Signal darstellen würden, weil der Markt bzw. der verständige Anleger immer von einem „zulässigen“ wirtschaftlichen Motiv ausgehe, den Cum/Ex- und Cum/Cum-Transaktionen aber (steuer)strafrechtlich illegitime Motive zugrundeliegen191. Letztere Annahme impliziert, dass sich der verständige Anleger bei jedem von ihm im Markt beobachtbaren Geschäft umfassend Gedanken über dessen Rechtmäßigkeit und über die Rechtmäßigkeit der dem jeweiligen Geschäft zugrundeliegenden Motive macht.
77 Die normative Überladung des Signalinhalts einzelner Transaktionen (Rz. 76) überzeugt nicht192. Schon im
Ausgangspunkt zu pauschal ist die Annahme, eine Transaktion sende für den verständigen Anleger das Signal aus, dass sowohl Käufer als auch Verkäufer von „gewinnbringenden Verkaufs- oder günstigen Kaufbedingungen“ ausgingen. Tatsächlich gibt es nämlich vielfältige Gründe, ein Finanzinstrument zu erwerben oder zu veräußern, die nicht in Zusammenhang mit einer Einschätzung über dessen künftige Kursentwicklung stehen. Das gilt zuvörderst für die Handelsentscheidungen von Liquiditäts- bzw. Utilitätshändlern, etwa für Indexfonds, die Handelsentscheidungen allein darauf stützen, dass sie den jeweils zu replizierenden Index korrekt abbilden193. Daneben steht auch der Erwerb von Aktien zur Ausübung des Stimmrechts nicht im Zusammenhang mit Erwägungen zur künftigen Kursentwicklung. Dass die Parteien sich bei Geschäften, bei denen es ihnen nicht um die künftige Kursentwicklung geht, vollständig gegen Kursschwankungsrisiken absichern und also diese neutralisieren, ist im Ausgangspunkt legitim, und es kann in einen Geschäftsabschluss keinesfalls das Signal hineingelesen werden, eine solche Absicherung läge nicht vor. Zu denken ist etwa an Market Maker (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126), die die von ihnen angebotenen Derivate durch Kassageschäfte und Leerverkäufe umfassend absichern (sog. Gamma-Hedging) und in diesem Rahmen 184 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354; Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 17 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 44; vgl. Paschos/Goslar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. der Kapitalmarktinformation, § 26 Rz. 22. 185 Auch unter dem Marktmanipulationsregime der MAD I musste der Kurs eines Finanzinstruments nicht über einen gewissen Zeitraum auf einem anormalen oder künstlichen Kursniveau verbleiben. S. EuGH v. 7.7.2011 – C445/09, ECLI:EU:C:2011:459 – IMC Securities, AG 2011, 588 = NZG 2011, 951; dazu Klöhn, NZG 2011, 934; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 44. 186 Zweifel, ob dies dem Vorverständnis des Verordnungsgebers entspricht, bei Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 46. 187 Für Wertpapierfirmen bestehen unter bestimmten Umständen Vor- (Art. 14, 18 VO Nr. 600/2014 [MiFIR]) und Nachhandelstransparenzpflichten (Art. 20, 21 VO Nr. 600/2014 [MiFIR]) auch bei OTC-Geschäften in Aktien und auch in Derivaten. Näher Sajnovits, ZBB 2019, 161, 165 ff. 188 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 356. 189 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 356. 190 Etwa Merkt, ZBB 2021, 162, 166 f., 170 f. 191 Merkt, ZBB 2021, 162, 169, 170, 171. 192 Dazu bereits Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 356 in Auseinandersetzung mit der Frage, ob Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte als verbotene Marktmanipulation einzuordnen sind. 193 Instruktiv Klöhn in Klöhn, Vor Art. 7 MAR Rz. 85 ff. m.w.N.
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Marktmanipulation | Rz. 81 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Kursrisiken neutralisieren194. Ähnliches gilt etwa für Kreditinstitute, die sich im Rahmen von legitimen (Art. 5 VO Nr. 596/2014) Kursstabilisierungsmaßnahmen umfassend gegen Kursschwankungen absichern. Was sodann die weitere normative Aufladung des Signals um die Frage der (steuer)strafrechtlichen Legi- 78 timität der Motive der beteiligten Akteure anbelangt (Rz. 76), ist auch insoweit Zurückhaltung geboten. In der MAR fehlt jeder normative Anknüpfungspunkt dafür, die (steuer)strafrechtliche Legitimität der Motive für bestimmte Transaktionen zu berücksichtigen195. Vielmehr spricht genau umgekehrt gegen eine Überbewertung der Motive schon, dass die Tatbestände der handelsgestützten Marktmanipulation jedenfalls grundsätzlich kein subjektives Element voraussetzen (Rz. 93 ff.), und dass es daher kaum angehen kann, subjektiven Elementen bei der Bewertung von Handelsverhalten sogar eine überragende Bedeutung zuzumessen. Soweit eine normative Aufladung des Signalinhalts auch um Motive der Beteiligten im Zusammenhang mit einigen handelsgestützten Marktmanipulationspraktiken durchaus erfolgt (etwa Rz. 100 f., 113 und 115), unterscheiden sich diese Fälle ganz grundsätzlich von den hier erörterten. Es geht insoweit nämlich durchweg um Konstellationen, in denen ein Signal vorliegt, dass das Angebots- oder Nachfrageverhalten des verständigen Anlegers zu beeinflussen geeignet ist, und in denen die Transaktion gerade dadurch motiviert wird, dass das Signal den Kurs des betreffenden oder eines verbundenen Finanzinstruments effektiv beeinflusst, was ohne Weiteres dem Regelungszweck der MAR zuwiderläuft. Treten zu der Publizität der einzelnen Transaktion/Order (Rz. 76) weitere Umstände hinzu, etwa ein beson- 79 ders illiquider Markt in einem bestimmten Finanzinstrument196, ein besonders großes Volumen einzelner Transaktionen197, eine besondere zeitliche Konzentration von (vermeintlich) nicht zusammenhängenden Transaktionen198, besondere Eigenschaften der die Transaktionen vornehmenden Personen (Emittent selbst, Directors‘ Dealings)199 oder ein besonderer Zeitpunkt der Transaktion200, kann es wahrscheinlicher werden, dass der verständige Anleger die Transaktionen als Handelsentscheidung von Informationshändlern interpretiert und daher sein eigenes Angebots- bzw. Nachfrageverhalten daran ausrichtet. Jedoch liegt auch bei Hinzutreten solcher weiteren objektiven Umstände nicht automatisch eine Marktmanipulation vor, sondern es kann – gerade bei effektiven Geschäften – zusätzlich eine entsprechende Absicht erforderlich sein201. Für erhöhte Transaktionsvolumina rund um den Dividendenstichtag (auch Cum/Ex und Cum/Cum) gel- 80 ten Besonderheiten202. Diese haben aus Sicht eines verständigen Anlegers einen besonderen Signalgehalt: sie indizieren steuergetriebene, nicht aber fundamentalwertgetriebene Transaktionen. Daher wird der verständige Anleger im Sinne der MAR rund um den Dividendenstichtag auch stark erhöhte Handelsvolumina nicht als Signal für sein eigenes Angebots- oder Nachfrageverhalten aufnehmen, da er davon ausgehen muss, dass diese allein auf steuerliche Motive zurückführen sind. Dies gilt jedenfalls, solange die Transaktionspublizität – wie sie das Offenlegungsregime der MiFIR gewährleistet203 – dem Markt nicht eine eindeutige Beurteilungsgrundlage zur Unterscheidung steuerlich und nichtsteuerlich motivierter Transaktionen bietet. cc) Falschheits- bzw. Irreführungsverdikt Ob ein Signal falsch oder irreführend ist, lässt sich erst beurteilen, wenn aus Sicht eines verständigen Anlegers 81 für die jeweilige in Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 genannte Handlung feststeht, welches Signal von ihr inhaltlich ausgeht, und ob dieses Signal sein Angebots- oder Nachfrageverhalten beeinflussen könnte,204. Der Signalinhalt ist dabei nur anhand derjenigen Umstände zu beurteilen, die vom verständigen Anleger überhaupt als ein Signal wahrgenommen werden205. Auf diesen Prämissen aufbauend, ist ein Signal falsch, wenn es nicht den vom verständigen Anleger wahrgenommenen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt in Bezug auf das jeweilige Finanzinstrument, den damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder dem auf einem Emissionszertifikat beruhenden Auktionsobjekt entspricht; es ist irreführend, wenn es geeignet ist, einen 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205
Vgl. dazu Sajnovits, ZGR 2021, 804, 805. S. bereits Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 357 f. Vgl. EFTA-Court, 4.2.2020, E-5/19 Rz. 53. Vgl. Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 514 ff. Vgl. Sajnovits, ZGR 2021, 804, 818 f. Vgl. zum Erwerb eigener Aktien Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 23. Zu Geschäften von Führungskräften Erwägungsgründe 58 und 59 VO Nr. 596/2014. Vgl. etwa Anhang I A lit. a VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4, Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a DelVO 2016/522 (Rz. 100, 186). Vgl. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 99 ff. Dazu näher Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 356 f. Näher Sajnovits, ZBB 2019, 161. Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354 f. Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 354 f.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 81 | Marktmanipulation verständigen Anleger (Rz. 70 ff.) über die von ihm wahrgenommenen Verhältnisse zu täuschen206. Zu den vom verständigen Anleger wahrgenommenen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt zählen insbesondere das marktgerechte Angebot und die marktgerechte Nachfrage, aber auch die Marktliquidität. dd) Wahrscheinlichkeitsgrad 82 Ins Vorfeld eigentlicher Markmanipulationen greift die Variante des Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/
2014 aus, indem bereits die Wahrscheinlichkeit eines falschen oder irreführenden Signals durch eine der genannten Handlungsweisen genügt. Mit anderen Worten ist nicht einmal erforderlich, dass überhaupt ein falsches oder irreführendes Signal für Angebot, Nachfrage oder den Preis gegeben wird. Vielmehr genügt die bloße Eignung des Geschäftsabschlusses, der Erteilung eines Handelsauftrags bzw. der sonstigen Handlungsweise, ein solches Signal zu geben207. Da die Signalwirkung aus der ex ante Sicht eines verständigen Anlegers beurteilt wird (Rz. 72 ff.), handelt es sich bei Lichte besehen freilich immer um eine Eignung, die in Abhängigkeit von tatsächlichen Marktveränderungen, empirischen Beobachtungen und Erkenntnissen der theoretischen Kapitalmarktforschung mehr oder weniger wahrscheinlich sein kann. Dass die MAR bereits die Wahrscheinlichkeit, ein falsches oder irreführendes Signal zu geben, genügen lässt, erklärt sich aus den Schwierigkeiten zu ermitteln, welche Implikationen der genannten Handlungsweisen ein verständiger Anleger tatsächlich als Signale für seine Anlageentscheidung berücksichtigt würde. Das Wahrscheinlichkeitskriterium erleichtert es den Aufsichtsbehörden deshalb, einen Verstoß gegen die Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zu bejahen und notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Der Grad der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wird von Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/2014 nicht genannt208. Über das Wahrscheinlichkeitskriterium darf aber nicht die auf den Zwecksetzungen der MAR beruhende Ausgrenzung von Signalen negiert werden, die von einem verständigen Anleger keinesfalls für seine Anlageentscheidung berücksichtigt würden (Rz. 70). Als Richtgröße sollte die Wahrscheinlichkeit, dass die Handlungsweise falsche oder irreführende Signale gibt, daher bei über 50 % liegen209. Zwar ist zuzugestehen, dass abstrakte Prozentzahlen den Marktteilnehmern oft keine klare Handlungsanweisung geben werden und daher nur den Anschein von Rechtssicherheit vermitteln210. Gleichwohl greift die Rechtsanwendung häufiger auf das Kriterium der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zurück211. Nicht erkennbar ist im Übrigen, dass das von Schmolke genannte Alternativkriterium „Wahrnehmung als Preissignal [muss] durch die relevanten Verkehrskreise typischerweise zu erwarten [sein]“ ein Mehr an Rechtssicherheit bringen könnte.
ee) Zurechnungsfragen 83 Bei der Beurteilung, ob eine individuelle Handlung als falsches oder irreführendes Signal das Anlageverhalten
eines verständigen Anlegers zu beeinflussen vermag, ist zu berücksichtigten, das diese Signalwirkungl einem konkreten einzelnen Handelsverhalten zukommen und nicht lediglich von der zufälligen Kummulation zahlreicher Transaktionen zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgehen darf. Geht die Signaleignung erst von der Kummulation zahlreicher Geschäfte/Orders zu einem bestimmten Zeitpunkt aus, bedarf es einer wechselseitigen Zurechnung und damit eines normativ verbindenden Elements zwischen den Akteuren, damit die Kummulation zahlreicher Transaktionen als ein die Marktmanipulation insgesamt konstituierender Akt erscheinen kann. Das Erfordernis eines verbindenden Elements folgt systematisch aus Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 und wird auch durch die präzisierenden Indikatoren des Anhangs zur MAR bestätigt212. Erforderlich ist insoweit unter der MAR eine konkrete Absprache zwischen den beteiligten Personen, wobei es insoweit um eine solche zwischen allen zu einem bestimmten Zeitpunkt konzentrierten Transaktionen bedarf, die eben insgesamt zum stark erhöhten Handelsvolumen beigetragen haben. Die Problematik wurde in jüngerer Zeit sowohl im Zusammenhang mit GameStop213 als auch im Zusammenhang mit der Frage diskutiert, ob Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen haben214.
206 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 47; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 90; im Wesentlichen auch Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 47 zum früheren § 20a WpHG; a.A. zum früheren § 20a WpHG Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 223: Begriffe „falsch“ und „irreführend“ sind hier sachlich gleichbedeutend. 207 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 48; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 77; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 41. 208 de Schmidt, RdF 2016, 4, 6; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 45. 209 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 26, alternativ „Plausibilität“ als ausreichend nennend. 210 Kritisch deshalb Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 45. 211 Für weitere Fälle des „über 50 %“-Kriterium s. sogleich Rz. 85. 212 Näher Sajnovits, ZGR 2021, 804, 821 f. 213 Sajnovits, ZGR 2021, 804, 821 f. 214 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353, 358.
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Marktmanipulation | Rz. 87 Art. 12 VO Nr. 596/2014
c) Anormales oder künstliches Kursniveau oder Wahrscheinlichkeit hierzu In der Variante des Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. ii) VO Nr. 596/2014 hängt die tatbestandliche Erfassung davon ab, 84 ob der Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags oder die sonstige Handlung ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-SpotKontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts erzielt oder dies wahrscheinlich ist. Ein Kursniveau ist anormal oder künstlich, wenn es den marktgerechten Kurs verfehlt, weil es sich nicht 85 mehr als Ergebnis von Angebot und Nachfrage in einem manipulationsfreien Marktumfeld darstellt215. Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs erfordert zunächst einen Rückgriff auf die Kapitalmarktforschung216. Welches Kursniveau sich unter manipulationsfreien Marktbedingungen als normal und nicht künstlich einstellen würde, kann nur im Rahmen schwieriger Modellrechnungen mit zahlreichen Prognoseentscheidungen ermittelt werden217. Dabei verbleibende Unsicherheiten sind unvermeidlich218. Ein Kursniveau ist erzielt, wenn es tatsächlich als Folge der Handlung herbeigeführt wurde219. Das Tatbestandsmerkmal „erzielen“ ist gleichbedeutend mit dem „Herbeiführen“ i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014220. Die englische Sprachfassung verwendet in beiden Fällen das Tatbestandsmerkmal „to secure“221. Nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ist aber nicht erforderlich, dass tatsächlich ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wurde, sondern es genügt die Wahrscheinlichkeit hierfür. Das Wahrscheinlichkeitskriterium ermöglicht es den Aufsichtsbehörden und auch den Gerichten, auf die im Rahmen der ökonomischen Modellrechnungen bestehenden Unsicherheiten zu reagieren, und schon bei einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot zu bejahen. Als Richtgröße muss die Wahrscheinlichkeit auch hier (vgl. Rz. 82) bei über 50 % liegen. Bei der Anomalität bzw. Künstlichkeit des Kursniveaus sieht die MAR – ebenso wie bei der Signalwirkung (Rz. 75) – wiederum keine Erheblichkeitsschwelle vor. Ebenso wenig setzt Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 eine Nachhaltigkeit der Kursniveaubeeinflussung voraus222.
In der Praxis haben sich verschiedene Tests etabliert, die zur Ermittlung eines künstlichen (artificial) Kurs- 86 niveaus verwendet werden223. Zu nennen ist insoweit zunächst der historische Test (historical approach), bei dem die hypothetische Kursentwicklung durch Betrachtung der historischen Kursentwicklung ermittelt wird. Verbreitet ist zudem der unusual price test, bei dem der Kurs des potenziell manipulierten Finanzinstruments mit dem Kurs ähnlicher oder verbundener Finanzinstrumente verglichen wird224. Die Begriffsbestimmungen zum anormalen oder künstlichen Kursniveau (Rz. 84) lassen die entscheidende 87 Frage nach der Abgrenzung zwischen verbotenem und legitimem Marktverhalten weitgehend offen225. 215 FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2010; Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, ‚Investigating and Prosecuting Market Manipulation‘, May 2000, S. 13; zu dieser Definition Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 109 ff.; Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 21 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 54; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 91; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 30; den Begriff des „künstlichen Preisniveaus“ ablehnend. Vgl. auch das US-amerikanische case law, etwa die Entscheidung Indiana Farm Bureau Cooperative Association, No. 74-14, Comm. Fut. L. Rep. P 21796 (Dec. 17, 1982): „To determine whether an artificial price has occurred one must look at the aggregate forces of supply and demand.... When the aggregate forces of supply and demand bearing on the particular market are all legitimate, it follows that the price will not be artificial. On the other hand, when a price is affected by a factor which is not legitimate, the resulting price is necessarily artificial.“ Kritisch zur Zirkularität der Definition Kyle/Viswanathan, The American Economic Review 98 (2008), 274, 277. 216 Zutr. Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 48. 217 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 108 f.; kritisch Fischel/Ross, Harvard Law Review 105 (1991), 503, 508 ff.; aus strafrechtlicher Sicht Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 91 f. 218 Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 191. 219 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 61. 220 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 61. 221 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 61. 222 Vgl. EuGH v. 7.7.2011 – C-445/09, ECLI:EU:C:2011:459 – IMC Securities, Slg. I-5917, Rz. 26 ff. = NZG 2011, 951. Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 62. 223 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 55 ff. 224 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 55 ff.; in diesem Sinne auch FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2010. No. 2. 225 Kritisch deshalb Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 54, der der Umschreibung „tautologische Züge“ bescheinigt. Zur Kritik auch Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 109 ff.; Perdue, 56 Fordham Law Review 56 (1987), 345, 367 ff.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 87 | Marktmanipulation Dies ist besonders in den Fällen unbefriedigend, in denen Marktmanipulationen mittels effektiver Geschäfte erfolgen, weil diese die größten Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zum legitimen Marktverhalten aufwerfen226. Die meisten in der Praxis entwickelten Tests (Rz. 86) sind im Schrifttum – auch deshalb – auf intensive Kritik gestoßen227. Im Zusammenhang mit dem Marktmanipulationsverbot eignen sich diese nämlich nur bedingt für einen Nachweis entsprechender Verstöße. Mit ihnen lässt sich oft nur nachweisen, dass ein Verhalten zu einer Kursbeeinflussung geführt hat. Um das erzeugte Kursniveau als anormal bzw. künstlich zu qualifizieren, muss nämlich das zugrundeliegende Handelsverhalten seinerseits als manipulativ zu bewerten sein, was gerade im Falle effektiver Geschäfte dazu nötigt, hierfür fast schon freihändig weitere normative Kriterien zu postulieren. 88 Die Künstlichkeit des Kursniveaus vom Nachweis einer Manipulationsabsicht abhängig zu machen228, lässt
die Anwendungsschwierigkeiten nicht entfallen. Der Verordnungsgeber hat bei Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 bewusst und ganz zu Recht auf ein subjektives Tatbestandsmerkmal verzichtet, dass nicht zur Herstellung vermeintlicher Rechtssicherheit wieder in das Tatbestandsmerkmal des abnormalen oder künstlichen Kursniveaus hineingelesen werden kann. Ganz zu Recht wurde insofern darauf hingewiesen, dass der Nachweis eines subjektiven Tatbestands mit eigenen und nicht minder großen Schwierigkeiten und damit Unsicherheiten verbunden ist229. Im Ergebnis kann nur ein weiterer enger Austausch mit der Kapitalmarktforschung weiterführen (Rz. 82, 85). Bei der Abgrenzung zwischen legitimem und verbotenen Marktverhalten gilt es dann, vor dem Hintergrund der Schutzzwecke des Marktmanipulationsverbots (Rz. 23 ff.) das jeweils potenziell marktmissbräuchliche Verhalten umfassend kapitalmarktrechtlich zu bewerten und, im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse, die wohlfahrtsförderlichen Implikationen der Verhaltensweise gegen die gleichzeitigen schädlichen Markteinflüsse abzuwägen230.
89 Die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten mit Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zeigen sich bei
der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Leerverkäufe und insbesondere ungedeckte Leerverkäufe i.S.v. Art. 12 VO Nr. 236/2012 (Leerverkaufs-VO) gegen das Verbot der Marktmanipulation verstoßen. Teils werden sie nur unter der Voraussetzung großer Volumina und eines gezielten Einsatzes zur Preisbeeinflussung als marktmanipulativ angesehen231; teils wird das auf die Manipulation von Referenzpreisen beschränkt232; teils werden nur abusive short sales, bei denen der Verkäufer von Anfang an nicht erfüllungswillig ist, als Marktmanipulation angesehen233.
90 Für sich gesehen setzt ein Leerverkauf – und zwar auch dann, wenn er in spekulativer Absicht durchgeführt
wird und/oder nach der Leerverkaufs-VO verboten und als Ordnungswidrigkeit ahndbar ist (§ 120 Abs. 6 Nr. 3 WpHG) – weder ein falsches oder irreführendes Signal (Rz. 67 ff.) voraus, noch führt er zu einem anormalen oder künstlichen Kursniveau. Erfüllungsfähigkeit und -willigkeit des Leerverkäufers vorausgesetzt, trifft es zu, dass der Leerverkäufer verkaufen kann und will (und auf fallende Kurse setzt); findet er einen Käufer, der auf gleichbleibende oder steigende Kurse setzt, bedeutet das, dass ein wirkliches Angebot und eine wirkliche Nachfrage aufeinander treffen. Es entsteht kein künstliches Kursniveau. Dass der Leerverkäufer sich die verkauften Stücke bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gesichert hat, ist keine marktmanipulationsrelevante Redlichkeitserwartung des Marktes, sondern eine in Art. 12 VO Nr. 236/2012 enthaltene Anforderung, mit der spekulative Leerverkäufe strengeren Voraussetzungen unterstellt werden (dazu näher Vor Art. 1 ff. VO Nr. 236/2012 Rz. 71 ff.). Der Umstand, dass Leerverkäufe großvolumig und gezielt erfolgen und/oder auf einem abgestimmten Verhalten mehrerer beruhen, ändert an alledem nichts. Ein anormales oder künstliches Kursniveau entsteht auch nicht, wenn der Markt nach großvolumigen Leerverkäufen das Vertrauen in das Finanzinstrument verliert und auf Verkaufen umschaltet, was bestenfalls eigene 226 Schmolke, AG 2016, 434, 440. 227 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 109 ff.; auch schon Perdue, Fordham Law Review 56 (1987), 345, 366 ff. 228 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 57; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 50. Die FCA sieht die Manipulationsabsicht jedenfalls als Indikator an, s. FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2010. No. 1. 229 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 57. 230 In diese Richtung auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 58 a.E. unter Verweis auf die Untersuchung von Kyle/Viswanathan, 98 American Economic Review (2008), 274. Vgl. dazu mit Blick auf die von Brokern im Zusammenhang mit GameStop implementierten Handelsbeschränkungen ausführlich Sajnovits, ZGR 2021, 804, 835 ff. 231 Weber, NZG 2000, 113, 115; Zimmer/Beisken, WM 2010, 485, 488 (beschränkt auf ungedeckte Leerverkäufe). 232 Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 429. 233 Trüg, NJW 2009, 3202, 3204 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 196; Zimmer/Bator in Schwark/ Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 33 halten daneben in Massen eingesetzte Leerverkäufe („bear raids“) für täuschungsgeeignet.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktmanipulation | Rz. 93 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Einsicht, schlechtestenfalls Herdenverhalten, in jedem Falle aber aus Marktsicht nicht irrational ist, mag es der Emittent des Finanzinstruments auch für unangemessen oder ungerecht halten. Die Schwelle zur Marktmanipulation ist grundsätzlich erst überschritten, wenn der Leerverkäufer nicht erfüllungsfähig ist; dann aber übermittelt er ein unrichtiges Signal über das Angebot (Rz. 67), womit eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/2014 und nicht nach Abs. 1 lit. a Ziff. ii) vorliegt. Deshalb können ungedeckte Leerverkäufe in hoch volatilen Märkten, in denen das konkrete Risiko eines Kursanstieges in einer Dimension besteht, die es dem Leerverkäufer unmöglich macht, die leerverkauften Stücke zu erwerben, ebenso nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 verboten sein wie ungedeckte Leerverkäufe, die den free float oder gar das Gesamtangebot eines Finanzinstruments übersteigen. Werden im Anschluss an getätigte Leerverkäufe Informationen in den Markt eingeführt, die zu einem Kursverfall beitragen, aus dem der Leerverkäufer dann durch Schließung seiner Positionen Profite zieht, liegt in keinem Fall eine Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 vor (s. aber noch Rz. 178, 210, 275). d) Verhältnis der Tatbestandsvarianten zueinander Erfüllt eine Handlung sowohl die Voraussetzungen der lit. a Ziff. i) als auch der lit. a Ziff. ii), dann ist dies 91 rechtlich unproblematisch, da die Tatbestände ohne Weiteres nebeneinander verwirklicht sein können. Eine Verwirklichung beider Tatbestandsvarianten wird sogar ganz regelmäßig gegeben sein. Denn jedenfalls dann, wenn eine Handlung im Rahmen der lit. a Ziff. i) eine entsprechende Signaleignung aufweist, kommt dieser gerade auch die Eignung zu, ein künstliches bzw. anormales Kursniveau zu erzeugen. Demgegenüber ist der Fall, dass eine handelsgestützte Handlung keine Signaleignung i.S.d. lit. a Ziff. i) aufweist bzw. dass ihre Kursbeeinflussungseignung nicht mit der Reaktion anderer Marktteilnehmer zusammenhängt bzw. von dieser abhängig ist, in der Praxis kaum relevant, da derartige Geschäftsabschlüsse typischerweise für die jeweils Handelnden kaum rentabel sind. Beruht die Kursbewegung allein auf dem vom Manipulator getätigten Geschäft, wird die Positionsschließung bzw. die Realisierung des Buchgewinns nämlich eine gegenläufige Kursbewegung auslösen234. Die Gewinnerzielungsmöglichkeit bei handelsgestützten Manipulationen beruht gerade darauf, dass andere Marktteilnehmer in irgendeiner Weise ebenfalls zum Handeln beeinflusst werden und sich die vom Manipulator quasi initiierte Kursbewegung durch die Handlungen anderer Marktteilnehmer verstärkt235.
Etwas anderes gilt bei den sonstigen Handlungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014. Insoweit 92 kommt dem Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. ii) VO Nr. 596/2014 durchaus auch in der Praxis eigenständige Bedeutung zu. So sind etwa die von Brokern im Zuge der Geschehnisse um GameStop und andere Meme-Stocks implementierten Handelsbeschränkungen236 als sonstige Handlungen i.S.d. Norm einzuordnen. Eine Eignung zur Erzeugung eines anormalen bzw. künstlichen Kursniveaus weisen derartige Handelsbeschränkungen jedenfalls dann auf, wenn die Implementierung kapialmarktaufsichtsrechtlich nicht gerechtfertigt ist237. e) Fehlen eines subjektiven Elements Für einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ist das 93 Vorliegen subjektiver Tatbestandsmerkmale grundsätzlich nicht erforderlich. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 sieht kein ausdrückliches subjektives Element vor und kann deshalb im Ausgangspunkt ohne dessen Vorliegen verwirklich werden238. Das belegt Art. 12 Abs. 1 lit. c und lit. d VO Nr. 596/2014, wonach eine Marktmanipulation nur dann vorliegt, wenn die Person, welche die dort genannten Informationen verbreitet, weiß oder wissen muss, dass sie falsch oder irreführend sind (Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014) 234 Aus diesem Grund wurde Anfang der 1990er Jahre prominent die Frage gestellt, ob handelsgestützte Marktmanipulationen überhaupt verboten sein müssen. S. Fischel/Ross, Harvard Law Review 105 (1991), 503. Nach diesen sind handelsgestützte Marktmanipulationen mit Preiseffekt nämlich „self-dettering“ und eine dagegen gerichtete Rechtsdurchsetzung daher unnötig kostspielig. 235 Das ist die klassische Antwort von Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503 auf die These von Fischel/Ross. 236 Näher Sajnovits, ZGR 2021, 804, 826 ff. 237 Ausführlich Sajnovits, ZGR 2021, 804, 833 ff. 238 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 741 f.; Schmolke, AG 2016, 434, 442 f.; Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 191; jedenfalls Vorsatz nicht für erforderlich haltend ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Directive, ESMA/2015/224, S. 78; FCA, Handbook, Section 1.2: Market Abuse: general, 1.2.3; Alexander/Maly, Law and Financial Market Review 9 (2015), 243, 246; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 489; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 40; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 51; a.A. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 248; Renz/Leibhold, CCZ 2016, 157, 167; zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 61.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 | Marktmanipulation bzw. wenn die Person, die Informationen übermittelt oder Ausgangsdaten bereitstellt, weiß oder wissen muss, dass sie falsch oder irreführend sind (Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014)239. Allerdings gibt es Fallgruppen, bei denen eine Abgrenzung zwischen manipulativem Handel und legitimem Marktverhalten nur über ein subjektives Element erfolgen kann (Rz. 180, 217, 232 f.). 94 Der Begriff der Manipulation steht dem nicht entgegen240. Zwar impliziert dieser nach seinem natürlichen
Wortsinn ein „undurchschaubares, geschicktes Vorgehen, mit dem sich jemand einen Vorteil verschafft, etwas Begehrtes gewinnt“241, was auf ein gezieltes und damit vorsätzliches Verhalten hindeutet. Der Unionsgesetzgeber geht aber bereits mit der ausdrücklichen Einbeziehung auch fahrlässigen Verhaltens in den Art. 12 Abs. 1 lit. c und lit. d VO Nr. 596/2014 über dieses Verständnis hinaus (dazu Rz. 217 f.). Entscheidend ist für ihn immer die Durchführung bestimmter für die Kapitalmarkteffizienz als gefährlich eingestufter Verhaltensweisen242. Ebendiese Verhaltensweisen müssen nicht notwendig vorsätzlich oder fahrlässig verwirklicht werden, um ein Gefährdungspotenzial zu entfalten. Das wird besonders deutlich bei Marktmanipulationen im Hochfrequenz- und algorithmischen Handel (Rz. 258 ff.) sowie bei Manipulationen, die im Zusammenhang mit der Ausübung von Marktmacht (Rz. 235 ff.) stehen oder Scheingeschäfte darstellen (Rz. 118 ff.).
95 Dieses Verständnis bestätigt sich beim Blick auf die CRIM-MAD243. Art. 5 Abs. 1 RL 2014/57/EU gibt den
Mitgliedstaaten vor, dass Marktmanipulationen zumindest in schweren Fällen und bei Vorliegen von Vorsatz unter Strafe zu stellen sind. Das deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber von einem Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot auch jenseits des Vorliegens von Vorsatz ausgeht. Zudem heißt es in Erwägungsgrund 23 RL 2014/57/EU, dass bei Sanktionen wegen Verstößen gegen die MAR kein Nachweis eines Vorsatzes erforderlich sei244.
96 Der Verzicht auf subjektive Elemente und damit auf deren Nachweis ermöglicht es den Aufsichtsbehörden,
Sachverhalte auch dann zu untersuchen, wenn nur objektive Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Dadurch wird die effektive Überwachung und Durchsetzung des Unionsrechts befördert. Da § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG nur vorsätzliches oder leichtfertiges Handeln und § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nur vorsätzliches Handeln für die ordnungswidrigkeitenrechtliche bzw. strafrechtliche Ahndung genügen lassen, bestehen gegen diese extensive Auslegung auf der Ebene des Aufsichtsrechts keine Bedenken (s. auch schon Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 45 ff. zur kapitalmarktautonomen Auslegung). Etwaige Friktionen mit dem strafrechtlichen Analogieverbot wären ohnehin ausschließlich auf der Ebene des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestands aufzulösen (Vor Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 48)245. Der grundsätzliche Verzicht auf ein subjektives Element bei Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 bedeutet indes nicht, dass alle denkbaren unter Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 fallenden Manipulationshandlungen auch unvorsätzlich begangen werden können246. Gerade bei handelsbasierten Manipulationen durch effektive Geschäfte ohne das Bestehen von Marktmacht ist ein subjektives Element oftmals unverzichtbar, um legitimes Marktverhalten von verbotenem manipulativem Verhalten abzugrenzen. Zahlreiche indiziellen Manipulationspraktiken, die in Anhang I VO Nr. 596/2014 bzw. Art. 4 i.V.m. Anhang II Abschnitt 1 DelVO 2016/522 umschrieben werden, benennen dementsprechend ausdrücklich subjektive Elemente bis hin zur Absicht247. f) Marktmanipulationen bei den Indikatoren nach Anhang I A. VO Nr. 596/2014 i.V.m. der DelVO 2016/522
97 Für die Zwecke der Anwendung von Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 enthält Anhang I A. VO Nr. 596/
2014 eine Liste nicht abschließender Indikatoren248, deren Erfüllung durch einen Sachverhalt auf eine
239 240 241 242 243 244
245 246 247 248
Schmolke, AG 2016, 434, 443. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 299; vgl. aber auch Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 3. Duden online, abrufbar unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Manipulation (abgerufen am 3.8.2021). Vgl. Schmolke, AG 2016, 434, 440. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 300; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 27. Darauf weist auch Schmolke, AG 2016, 434, 443 hin. Er führt sodann aus, dass sich mit diesen Ausführungen auch eine Vorsatzvermutung vertragen würde, wie sie der EuGH etwa in der Spector Photo Group-Entscheidung (EuGH v. 23.12.2009 – C-45/08, ECLI:EU:C:2009:806 – Spector, AG 2010, 74) etabliert hat. In anderen Rechtsbereichen verzichtet der EuGH freilich ganz auf subjektive Elemente, wie insbesondere beim Bezweckenserfordernis des Art. 101 AEUV im Kartellrecht. Vgl. etwa EuGH v. 14.3.2013 – C-32/11, ECLI:EU:C:2013:160, NZKart 2013, 241 Rz. 35 = WuW 2013, 655. Vgl. Weick-Ludewig/Sajnovits, WM 2014, 1521, 1527 f. für die Leerverkaufs-VO. So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 302. So auch Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 53. ESMA, Final report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 13 Abs. 29.
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Marktmanipulation | Rz. 101 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Marktmanipulation hindeutet, nicht aber als Regelbeispiel oder Vermutung fungieren (näher Rz. 283 ff.). Die Indikatoren werden durch die in Art. 4 i.V.m. Anhang II Abschnitt 1 DelVO 2016/522 aufgezählten Praktiken weiter präzisiert. aa) Bedeutender Anteil am Tagesvolumen (Anhang I A. lit. a VO Nr. 596/2014) Anhang I A. lit. a VO Nr. 596/2014 nennt als Indikator für eine Marktmanipulation Geschäfte und Han- 98 delsaufträge (hierzu Rz. 56, 60), die an einem Markt einen bedeutenden Anteil am Tagesvolumen der Transaktionen mit dem entsprechenden Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt ausmachen, insbesondere wenn sie eine erhebliche Kursänderung bewirken. Weiter präzisiert wird dieser Indikator von den Praktiken in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 DelVO 2016/522 (Rz. 100 ff.). Ein Anteil am Tagesvolumen ist bedeutend, wenn er so groß ist, dass er ein deutliches Kursänderungs- 99 potential hat249. Eine Kursänderung ist jede Erhöhung oder Senkung sowie die künstliche Beibehaltung eines Kurses. Für die Frage, wann eine Kursänderung erheblich ist, lassen sich keine pauschalen Schwellenwerte festlegen250. Je nach Marktlage (Liquidität) und Volatilität kann eine kurzfristige Kursänderung von 2 %, 5 % oder 10 % als erheblich anzusehen sein. Der Umstand, dass das großvolumige Geschäft eine erhebliche Kursänderung bewirkt, ist für sich genommen aber neutral251. Colluding in the after-market of an initial public offering where colluding parties are involved (An- 100 hang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a DelVO 2016/522): Die DelVO 2016/522 beschreibt als eine Praktik, die eine Marktmanipulation indizieren kann, den Kauf von Positionen eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts auf dem Sekundärmarkt, im Anschluss an die Zuteilung auf dem Primärmarkt, in der Absicht, deren Preis künstlich in die Höhe zu treiben und bei anderen Investoren Interesse zu wecken. Entsprechende Verhaltensweisen kommen typischerweise als Absprache auf dem Anschlussmarkt eines öffentlichen Erstangebots vor, woraus ihre Bezeichnung herrührt252. Der Manipulator muss versuchen, den Wert der ihm primär zugeteilten Instrumente im sog. after market zu erhöhen, weshalb nur der Kauf von entsprechenden Instrumenten zur Ausfüllung des Indikators geeignet ist253. Zusätzliche Umstände, die in diesen Fällen auf eine Marktmanipulation hindeuten können, sind eine ungewöhnliche Konzentration von Transaktionen und/oder Handelsaufträgen im Allgemeinen oder bei bestimmten Personen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a Ziff. i) DelVO 2016/522) sowie Transaktionen bzw. Handelsaufträge, die keine andere Berechtigung, d.h. keinen anderen ökonomischen Sinn erkennen lassen, als den Kurs oder das Handelsvolumen im Verlauf eines Börsentages in die Höhe zu treiben (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a Ziff. ii) DelVO 2016/522). Letzteres kommt insbesondere in Betracht, wenn diese Transaktionen in zeitlicher Nähe zu einem Referenzpunkt wie etwa der Marktöffnung oder -schließung vorgenommen werden. Ein falsches oder irreführendes Signal mit Kursbeeinflussungseignung (Rz. 67 ff.) bzw. ein anormales oder 101 künstliches Kursniveau wird durch den effektiven Kauf von Positionen (Rz. 75 ff.) nur gegeben/erzeugt, wenn der Manipulator mit der Absicht zur Kursbeeinflussung handeln254. Nur die Kursbeeinflussungsabsicht grenzt das Verhalten gegenüber legitimem Marktverhalten ab. Colluding in the after-market of an initial public offering where colluding parties are involved ist deshalb – unabhängig davon, dass zur Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 grundsätzlich kein subjektives Element erforderlich ist (Rz. 93 ff.) – nur dann manipulativ und verboten, wenn ein subjektives Element in Form der Absicht beim Manipulator vorliegt. Ein kollusives Verhalten zwischen mehreren Personen ist zur Tatbestandsverwirklichung aber nicht zwingend erforderlich, wenngleich colluding (konspirierend) es begrifflich nahelegt255. Auch eine Einzelperson kann aber Positionen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Emission 249 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 78; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 52; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 49; kritisch zur fehlenden Konkretisierung Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 112; vgl. aber BR-Drucks. 18/05, 14 für § 3 Abs. 1 Satz 1 lit. a MaKonV. 250 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 48; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 78 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 53. 251 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 133 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 78; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 53. 252 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 210 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 81 ff. Überblick zum US-Markt bei Choi/Pritchard, University of Cincinnati Law Review 73 (2004), 179. 253 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 83. 254 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 84. 255 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 83; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 54.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 101 | Marktmanipulation erwerben und dabei mit der Absicht handeln, den Kurs des betreffenden Finanzinstruments auf ein künstliches Niveau (Rz. 84) zu heben. Durch dieses Verhalten können die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllt sein. Tritt ein kollusives Zusammenwirken hinzu, muss dieses gewisse Mindestanforderungen erfüllen, auch um die Verursachungsbeiträge wechselseitig zurechnen zu können (vgl. Rz. 83)256. 102 Kursstabilisierungsmaßnahmen sind jedenfalls unter den Voraussetzungen des safe harbour nach Art. 5
Abs. 4 VO Nr. 596/2014 keine Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (näher Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 78 ff.). Nicht dem safe harbour unterfallende Stabilisierungsmaßnahmen können bei Herstellung hinreichender Markttransparenz zulässig sein (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 117 ff.).
103 Creation of a floor or a ceiling in the price pattern (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b DelVO 2016/522):
Als creation of a floor or a ceiling in the price pattern beschreibt die DelVO 2016/522 die (künstliche) Erzeugung eines Tiefst- oder Höchstpreises im Preisgefüge. Entsprechende Praktiken dienen dazu, die Über- oder Unterschreitung eines bestimmten Kursniveaus zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erreichen oder zu verhindern, um so bestimmte Folgen herbeizuführen oder zu vermeiden, die mit dem Erreichen eines bestimmten Kursniveaus einhergehen257. Dies betrifft zunächst Transaktionen bzw. Handelsaufträge, die kurz vor der Ausgabe, der vorzeitigen Tilgung oder dem Erlöschen von mit Finanzinstrumenten verbundenen Derivaten oder Wandelanleihen (wahrscheinlich) dazu führen, dass der Preis eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt steigt, sinkt oder auf einem bestimmten Nievau gehalten wird (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b Ziff. i) DelVO 2016/522). Das entsprechende Vorgehen kommt ferner bei Transaktionen bzw. Handelsaufträgen vor, die (wahrscheinlich) den gewichteten Durchschnittspreis eines Tages oder eines bestimmten Zeitraums durch einen Preisanstieg oder -abfall beeinflussen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b Ziff. ii) DelVO 2016/522). Darüber hinaus können Transaktionen und Handelsaufträge einen Indikator für eine Marktmanipulation darstellen, wenn sie zu einer (wahrscheinlichen) Kursbeeinflussung von Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten führen und diese Kursbeeinflussung im Zusammenhang mit dem Ausübungspreis von Optionen oder anderer zur Bestimmung der Auszahlung eines entsprechenden Derivats am Ende seiner Laufzeit benutzten Elementen steht (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b Ziff. iii) und Ziff. iv) DelVO 2016/522). Man spricht insofern vom pegging und capping258. Beispielsweise besteht im Falle sog. knock out options bzw. barrier options ein erheblicher Anreiz für den Stillhalter, einen Marktpreis, der sich in der Nähe der Knock-out-Schwelle bewegt, derart zu manipulieren, dass die Schwelle überschritten wird (sog. knock-out-kicker)259. Schließlich stellen nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b Ziff. v) DelVO 2016/522 Transaktionen einen Indikator für eine Marktmanipulation dar, die (wahrscheinlich) zur Modifizierung des Abrechnungskurses eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts führen, wenn dieser Kurs bei der Berechnung der Einschussanforderungen als Referenzwert oder entscheidender Faktor genutzt wird. Die Motive zur Vornahme entsprechender Manipulationen sind mit denen für das marking the close verwandt (dazu Rz. 248 ff.).
104 Damit ein Geschehen, das den Indikator erfüllt, auch die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1
lit. a VO Nr. 596/2014 verwirklicht, müssen die betreffenden Transaktionen bzw. Handelsaufträge tatsächlich oder wahrscheinlich ein falsches oder irreführendes Signal geben bzw. ein anormales oder künstliches Kursniveau erzeugen. Ob diese Folgen gerade durch die Handlung (wahrscheinlich) eintreten, muss nach den oben entfalteten Kriterien (Rz. 67 ff.) beurteilt werden. Dies ist insbesondere dann denkbar, wenn die Transaktion bzw. der Handelsauftrag für sich nicht wirtschaftlich nachvollziehbar sind, weil sie nicht durch ein Erwerbs- oder Veräußerungsinteresse motiviert sind, sondern nur dem Zweck dienen können, den Kurs eines verbundenen Instruments zu beeinflussen. Diese Frage ist anhand des Gesamtportfolios des jeweiligen Manipulators zu beurteilen. Auf subjektive Elemente kommt es für die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen nicht an260. Eine Abgrenzung zu legitimem Marktverhalten ist auch alleine anhand objektiver Kriterien möglich. 256 Vgl. Sajnovits, ZGR 2021, 804, 821 f. 257 Dazu auch Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 212 mit fiktivem Beispiel; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 86 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 115; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 42; vgl. ferner Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 143 ff. 258 Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956. 259 Vgl. Schwark in FS Kümpel, S. 485, 490, 502; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 90. 260 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 90, der dies aus dem Begriff „sollen“ in der Umschreibung der Praxis herauslesen will.
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Marktmanipulation | Rz. 108 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Ping-Aufträge (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. c DelVO 2016/522): Bei Ping-Aufträgen handelt es sich 105 um volumenmäßige Kleinaufträge, mit denen der Auftraggeber bezweckt, den Umfang verdeckter Aufträge festzustellen261. Dies findet insbesondere auf sog. dark platforms (auch dark pools genannt) statt262. Als dark platform werden Handelsplattformen bezeichnet, die keine öffentlichen Orderbücher führen (keine Pre-tradeTransparenz, wohl aber Post-trade-Transparenz)263. Während sich der Preis an regulären Handelsplätzen (lit markets) auf Basis der eingegebenen Market- und Limit-Orders nach den Regeln von Angebot und Nachfrage bildet, wird der Preis, zu dem Orders auf einer dark platform durchgeführt werden, von den Quotes an Börsen oder anderen Handelsplattformen abgeleitet264. Im Regelfall dient der Ping-Auftrag der unmittelbaren Vorbereitung eines sog. (electronic) front running265. Beim front running führt eine Person, zumeist ein Broker, ihre eigene Order in der Kenntnis einer bereits eingegangenen und potentiell marktbewegenden Order priorisiert aus266. Electronic front running meint ebenfalls die Ausführung eigener Orders in Kenntnis noch nicht vollständig eingepreister marktbewegender Orders. Insoweit nutzt aber nicht zwangsläufig ein Broker seinen Informationsvorteil aus seiner Stellung als Broker aus, sondern wird Nutzen aus Informationsunterschieden an unterschiedlichen Märkten gezogen267. Dies kann heutzutage nur High-frequencyoder Algorithmic-Tradern gelingen268. Der einzelne Ping-Auftrag ist noch nicht als vollendete (vgl. Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 f.) oder auch 106 nur versuchte Marktmanipulation zu werten269, weil er regelmäßig – schon aufgrund seines Volumens – kein zur Kursbeeinflussung geeignetes Signal aussendet, Ist dies im wohl eher theoretischen Fall einmal anders, hat mithin bereits der einzelne Ping-Auftrag die Eignung zur Aussendung eines kursbeeinflussenden Signals, kann bereits der Ping-Auftrag selbst als Marktmanipulation zu werten sein, jedoch nur, sofern hinter seiner Erteilung nicht ein tatsächliches Handelsinteresse, sondern nur ein Ausspähungsinteresse steht270. Das dem Ping-Auftrag nachfolgende front running ist im Regelfall allenfalls ein verbotenes Insider- 107 geschäft271. Wenn beim klassischen front running der Broker Kenntnis einer marktbewegenden Order hat, wird es sich dabei regelmäßig um eine Insiderinformation handeln. Nutzt er diese Information bei einer priorisierten Ausführung aus, liegt ein Verstoß gegen Art. 14 lit. a VO Nr. 596/2014 vor (näher Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 102 ff.). Anders als beim klassischen front running nutzt der electronic front runner nicht zwangsläufig Insiderinformationen bzw. seine Stellung als Broker aus, sondern nur Informationsunterschiede an unterschiedlichen Märkten (Rz. 105). Solange die Informationen öffentlich bekannt waren und die front runner nur Arbitragemöglichkeiten ausgenutzt haben (vgl. Rz. 105), liegt in ihrem Verhalten auch kein Insiderverstoß. Phishing (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. d DelVO 2016/522): Das mit dem pinging (Rz. 105) verwandte 108 phishing beschreibt die DelVO 2016/522 als die Ausführung von Handelsaufträgen mit dem Ziel, Aufträge anderer Teilnehmer auszuspähen272. An das Ausspähen muss sich die Auslösung eines Handelsauftrags unter Ausnutzung der erlangten Informationen anschließen. Anders als beim pinging (Rz. 105) ist nach der DelVO 2016/522 beim phishing eine sich an die Informationserlangung anschließende Informationsausnut261 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 216 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 92 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 43; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1296 ff. 262 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 93; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 115; Kasiske, BKR 2015, 454; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1296; Lewis, Flash Boys, 2014, 42 ff., 122 ff. 263 Petrescu/Wedow, European Central Bank Occasional Paper Series No 193/July 2017, Dark pools in European equity markets: emergence, competition and implications, S. 7; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 93; Zhu, The Review of Financial Studies 27 (2014), 747. Bekannte europäische dark pools sind etwa Chi-X, Turquoise und BATS. 264 Petrescu/Wedow, European Central Bank Occasional Paper Series No 193/July 2017, Dark pools in European equity markets: emergence, competition and implications, S. 48. 265 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1283; Kasiske, WM 2014, 1933, 1937; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 94; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1296 f. 266 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1283. 267 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1290 ff. 268 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1290. 269 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 94; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1297. 270 Enger Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 94, der hervorhebt, dass dies nicht typischerweise unterstellt werden könne, weshalb die Praxis deplatziert sei. 271 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 94; Bayram/Meier, WM 2018, 1295, 1296 f. So auch zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 81. Aus der ökonomischen Literatur Kyle/Viswanathan, 98 American Economic Review (2008), 274. 272 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 95 f.; ferner Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1288 f.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 108 | Marktmanipulation zung durch die Auslösung eines Handelsauftrags erforderlich. Der Unterschied auf der Ebene des Ausspähens besteht darin, dass beim phishing nicht nur Kleinaufträge, sondern auch Handelsaufträge erfasst werden273, an deren Ausführung objektiv ein wirtschaftliches Interesse zu bestehen scheint und die sich nicht schon durch ihre Art als reines Informationserlangungsinstrument kennzeichnen. Dann kommt jedenfalls theoretisch in Betracht, dass derartige Orders tatsächlich ein falsches Signal senden: sie täuschen ein Handelsinteresse vor, obwohl sie nur der Ausspähung dienen. 109 Beim phishing kann der Marktmanipulationstatbestand nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 unter
Umständen durch die erste Stufe, mithin durch die Ausführung von Handelsaufträgen zur Ausspähung verwirklicht werden, sofern diese ein falsches bzw. irreführendes Signal aussendet. Gerade auf liquiden Märkten sind die Anforderungen aber durchaus hoch (vgl. Rz. 108). Die zweite Stufe, mithin die Ausnutzung der erlangten Informationen, sendet für sich kein falsches Signal und führt auch nicht zu einem anormalen oder künstlichen Kursniveau, da sie auf einer (privilegiert) informierten Transaktionsentscheidung beruht. Bei ihr werden nur Informationen ggf. zum Nachteil anderer Marktteilnehmer ausgenutzt. Darin liegt kein vom Marktmanipulationsverbot erfasstes Verhalten. Die Handlung auf der ersten Stufe, die für sich auch ein falsches Signal aussenden kann, kann freilich nur bei Berücksichtigung des nachgelagerten Verhaltens von einem legitimen Marktverhalten sinnvoll abgegrenzt werden. Die nachfolgende Ausnutzung belegt, dass die Ausführung der Handelsaufträge keinen legitimen wirtschaftlichen Zweck hatte und deshalb ggf. ein aus Sicht eines durchschnittlichen Marktteilnehmers (Rz. 70 f.) falsches bzw. irreführendes Signal aussendete. bb) Bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen (Anhang I A. lit. b VO Nr. 596/2014)
110 Anhang I A. lit. b VO Nr. 596/2014 nennt den Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge oder abgewickelte
Geschäfte eine erhebliche Kursänderung bei Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten bewirken, als Indikator für eine Marktmanipulation, wenn die Personen, die die Handelsaufträge erteilen oder die Geschäfte abschließen, bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen in den beeinflussten Instrumenten innehaben274. Weiter präzisieren den Indikator die Praktiken in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 DelVO 2016/522 (Rz. 112 ff.).
111 Was unter dem Innehaben einer Kauf- oder Verkaufsposition zu verstehen ist, sagt die MAR nicht. Ge-
meint sind Handelspositionen in Finanzinstrumenten bzw. sonstigen Instrumenten, insbesondere Kauf- und Verkaufsoptionen sowie offene Verpflichtungen aus Leerverkäufen oder Wertpapierleihegeschäften275. Wann entsprechende Positionen bedeutend sind, ist im konkreten Einzelfall mit Blick auf den jeweiligen Markt festzulegen276. Eine Position ist bedeutend, wenn sie zu einer erheblichen Kursänderung führen kann, was seinerseits wieder mit Blick auf die konkreten Marktumstände des jeweiligen Instruments zu bestimmen ist (vgl. Rz. 98, 110). Hat jemand solche Positionen inne und wickelt sodann Geschäfte ab bzw. tätigt Handelsaufträge, die eine erhebliche Kursänderung bei Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten bewirken, kann er auch lediglich im Eigeninteresse um einer Kursbeeinflussung willen handeln. Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 DelVO 2016/522 präzisiert den Indikator nach Anhang I A. lit. b VO Nr. 596/2014 daher durch die Aufzählung beispielhafter Praktiken, die zu seiner Ausfüllung tauglich sind277. Dies ist notwendig, da der Abschluss entsprechender Geschäfte bzw. die Erteilung von Handelsaufträgen natürlich auch legitimes Marktverhalten darstellen kann. Alleine die Auswirkungen, die erteilte Handelsaufträge auf die Kursentwicklung nehmen – sei es z.B., weil Marktteilnehmer (irrig) davon ausgehen, dass ein Insider die Handelsaufträge veranlasst hat278, oder dass durch sie ein Herdenverhalten ausgelöst wird – besagen nämlich noch nichts über deren Legitimität279.
112 Nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 lit. a DelVO 2016/522 ist eine dem Indikator unterfallende Handlungs-
weise zunächst die bereits unter Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a DelVO 2016/522 genannte Praktik des colluding in the after-market of an Initial Public Offering where colluding parties are involved. Typisch ist bei entsprechendem Vorgehen nämlich nicht nur der bedeutende Anteil am Tagesvolumen (Rz. 98 f.), sondern 273 Anderes Verständnis bei Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 96. 274 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 53 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 97 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 59. 275 Vgl. auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 98; Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 363; offen Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 116. 276 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 98. 277 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 99 ff. 278 Allen/Gale, Review of Financial Studies 5 (1992), 503, 505. 279 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 133 ff. auch zu weiteren Theorien, wie die Vornahme effektiver Geschäfte die Preise beeinflusst.
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Marktmanipulation | Rz. 115 Art. 12 VO Nr. 596/2014
auch, dass der einzelne Manipulator bedeutende Kauf- bzw. Verkaufspositionen in den Papieren innehat, so dass sich auch eine Einordnung unter den Indikator des Anhang I A. lit. b VO Nr. 596/2014 erklärt. Abusive squeeze (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 lit. b DelVO 2016/522): Beim abusive squeeze handelt es 113 sich um die Ausnutzung des Einflusses auf das Angebot bzw. die Nachfrage nach Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikate beruhenden Auktionsobjekten, der aus einer marktbeherrschenden Stellung erwächst280. Ausdrücklich ist – im Unterschied zu Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 235) – die Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung erforderlich, weshalb absichtliches Vorgehen zu verlangen ist281. Ziel des Manipulators ist es dabei, die Preise zu verfälschen, zu denen andere Marktteilnehmer Lieferungen vornehmen, entgegennehmen oder herausschieben müssen. Der Eintritt dieser Preisverfälschung muss aufgrund der Vornahme der Handlung zumindest wahrscheinlich sein. Abusive squeezing ist in bestimmten Formen auch vom Regelbeispiel des Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 erfasst, und wird deshalb unter Rz. 239 f. näher erläutert. Inter-trading-venues-Manipulationen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 lit. c DelVO 2016/522): Bei den 114 Inter-trading-venues- oder Cross-venues-Manipulationen handelt es sich um handelsplatzübergreifende Manipulationspraktiken282. Es geht insoweit um Handelsaufträge oder auch nur um Interessenbekundungen zu einem Handel an oder außerhalb eines Handelsplatzes283 mit dem Ziel, den Kurs des jeweiligen Instruments an einem anderen Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes zu beeinflussen. Die Erscheinungsformen eines solchen manipulativen Verhaltens sind vielfältig. Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 lit. c DelVO 2016/522 verweist beispielhaft auf die Ausführung einer Transaktion, die zu einer Veränderung der Geldund Briefkurse führt, wenn die Differenz zwischen diesen Geld- und Briefkursen ein Faktor ist, der die Festlegung des Preises einer anderen Transaktion beeinflusst (lit. c Ziff. i)). Ferner sollen entsprechende Crossvenues-Manipulationen im Zusammenhang mit den bereits erläuterten Praktiken nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b Ziff. i), iii), iv), v) DelVO 2016/522 auftreten, also bei der creation of a floor or a ceiling in the price pattern (Rz. 103). Cross-product-Manipulationen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 lit. d DelVO 2016/522): Cross-product-Ma- 115 nipulationen sind produktübergreifende Manipulationspraktiken284. Es handelt sich um Handelsaufträge oder auch Interessenbekundungen zum Handel285 an oder außerhalb eines Handelsplatzes in der Absicht, den Kurs eines verbundenen Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines verbundenen auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts an einem anderen oder an demselben Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Erfasst ist insbesondere die Beeinflussung des Kurses eines Finanzinstruments zu dem Zweck, den Kurs eines an einem anderen Handelsplatz oder OTC gehandelten, auf das beeinflusste Finanzinstrument bezugnehmenden, Derivats zu beeinflussen286. Zudem spielen entsprechende Praktiken bei Finanzinstrumenten eine Rolle, die alle auf denselben Basiswert (underlying) Bezug nehmen287. Schließlich weist die DelVO 2016/522 darauf hin, dass Cross-product-Manipulationen – ebenso wie Cross-venue-Manipulationen (Rz. 114) – häufig in den Praktiken nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. b Ziff. i), iii), iv) und v) DelVO 2016/522, mithin beim creation of a floor or a ceiling in the price pattern (Rz. 103), eine Rolle spielen.
280 Dazu auch Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 211 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 101 f.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 118. Zu Indikatoren in diesem Zusammenhang auch FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2011-14. Ein Beispiel der FCA findet bei FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2016: „A trader with a long position in bond futures buys or borrows a large amount of the cheapest to deliver bonds and either refuses to re-lend these bonds or will only lend them to parties he believes will not re-lend to the market. His purpose is to position the price at which those with short positions have to deliver to satisfy their obligations at a materially higher level, making him a profit from his original position.“ 281 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 102; a.A. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 45. 282 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 213 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 103 ff. 283 ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 12 Abs. 18. 284 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 214, Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 107, 113. 285 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 112, der auch die indications of interest von von Wertpapierfirmen und Broker-Dealern im Zusammenhang mit Block Trades und/oder zur Abfrage von Liquidität hinweist. 286 ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 11 Abs. 17. 287 ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 11 f. Abs. 18.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 116 | Marktmanipulation 116 Inter-trading-venues-Manipulationen und Cross-product-Manipulationen können von Aufsichtsbehörden
und erst recht von den Marktteilnehmern meist nur schwer entdeckt werden, da selbst Marktbetreiber zumeist nur Einblick in das auf ihrem Handelsplatz stattfindende Geschehen haben288. Deshalb gelten für Marktbetreiber insoweit besondere Anforderungen im Rahmen des Art. 16 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 12, 19 ff.).
117 Auch wenn die Voraussetzungen der Indikatoren für Cross-venues- oder Cross-product-Handelsstrategien
erfüllt sind, liegt ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot nur vor, wenn zudem ein subjektives Element in der Form von Vorsatz289 und ein normatives Element in Gestalt einer Unzulässigkeit gegeben sind. Dies kommt schon in der begrifflichen Umschreibung der Cross-product-Manipulationen zum Ausdruck, soweit diese voraussetzt, dass die Handelsaufträge bzw. die Interessenbekundung zum Handel in der Absicht erfolgt, den Kurs in unzulässiger Weise zu beeinflussen. Diese unzulässige Einflussnahme muss richtigerweise auch bei den Cross-venue-Manipulationen verlangt werden. Die bloße Ausnutzung von Preisunterschieden desselben Finanzinstruments oder derivativer Instrumente an unterschiedlichen Handelsplätzen ist nämlich noch keine Marktmanipulation, auch wenn sie ganz bewusst erfolgt. Derartige Arbitragegeschäfte gleichen vielmehr Kurse im Ungleichgewicht aus und tragen daher zur Effizienz der Märkte bei290. Nach klassischer ökonomischer Theorie kann dasselbe Produkt auch kompetitiven Märkten ohne Transaktionskosten und Handelsbarrieren nicht unterschiedlich bepreist sein (law of one price)291. Etwaig bestehende kurzfristige Preisunterschiede werden durch Arbitragegeschäfte sofort ausgeglichen und der Preis so ins Gleichgewicht gebraucht. Je effizienter der Markt, je marginaler sind die potenziellen Arbitragegewinne. Nach nahezu allen klassischen Finanzmarktmodellen bestehen daher keine Arbitragemöglichkeiten, eben weil diese auf effizienten Märkten nicht oder nur für eine zu vernachlässigende Dauer auftreten können. Praktisch lassen sich bei an unterschiedlichen Handelsplätzen gelistete Finanzinstrumente aber durchaus unterschiedliche Kurse, und auch über längere Zeiträume hinweg, beobachten292. Die efffizienzsteigernde Ausnutzung dieser Kursunterschiede ist nicht per se unzulässig, sondern resultiert erst aus der verbotswidrigen, weil gegen Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 verstoßenden Verhaltensweise auf dem Ausgangsmarkt293.
cc) Scheingeschäfte (Anhang I A. lit. c VO Nr. 596/2014) 118 In Anhang I A. lit. c VO Nr. 596/2014 geht es um Geschäfte, die zu keinem Wechsel des wirtschaftlichen
Eigentümers eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts führen294. Weiter präzisieren den Indikator die Praktiken in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 DelVO 2016/522 (Rz. 122 ff.).
119 Zweck von Scheingeschäften ist es, den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, dass ein (reges) Kauf- oder
Verkaufsinteresse an einem bestimmten Finanzinstrument besteht295. Erfasst sind insbesondere Geschäfte, die entgegen dem äußeren Anschein wirtschaftlich betrachtet keine Vermögensverschiebung bewirken. Anders als bei § 117 Abs. 1 BGB ist nicht der fehlende Rechtsbindungswille entscheidend, weshalb die Geschäfte keineswegs zwingend nichtig sein müssen. Vielmehr ist – ähnlich, nicht aber völlig gleich wie bei § 42 AO – eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich. Kommt es nicht zu einem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers, fehlt den Geschäften häufig eine wirtschaftliche Relevanz, die ansonsten Wertpapiertransaktionen zukommt296. Die Frage, ob es an einem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers fehlt, ist in einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen. Nicht erforderlich, wenn auch stets ausreichend, ist die rechtliche Identität der Beteiligten. Es genügt aber auch deren wirtschaftliche Identität, die z.B. bei Geschäften mit Strohleuten oder -unternehmen, aber auch innerhalb verbundener Unternehmen bestehen kann.
288 ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 12 Abs. 22. 289 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 99 ff. 290 Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 192. 291 Dybvig/Ross, Arbitrage, in Eatwell/Milgate/Newman, Finance, 1989, S. 57. Zu Restriktionen auf den Finanzmärkten, die zu Preisunterschieden führen können Lamont/Thaler, Journal of Economic Perspectives 17 (2003), 191. 292 Gagnon/Karolyi, Journal of Financial Economics 97 (2010), 53; zu anderen Ergebnissen kommen insbesondere ältere Studien, s. etwa Miller/Morey, Journal of International Financial Markets, Institutions & Money 6 (1996), 79. 293 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 107, mit einem Beispiel in Rz. 108. 294 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 57 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 115 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 64. 295 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129. 296 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 120; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 49; vgl. Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 127, 129.
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Marktmanipulation | Rz. 123 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Zudem muss das von dem jeweiligen Geschäft ausgehende Signal beim Indikator des Anhang I A. lit. c VO 120 Nr. 596/2014 – wie bei allen Marktmanipulationshandlungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 und damit auch bei allen Indikatoren – tatsächlich geeignet sein, das Handelsverhalten eines verständigen Anlegers zu beeinflussen bzw. ein anormales bzw. künstliches Kursniveau zu erzeugen. Kommt einem bestimmten Geschäft – auch soweit kein Wechsel des wirtschaftlichen Eigentums eintritt – aus Sicht eines verständigen Anlegers keine Signalwirkungseignung zu (Rz. 70 ff.) und ist es auch sonst nicht geeignet, ein anormales oder künstliches Kursniveau zu erzeugen (Rz. 84 ff.), scheidet ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 unabhängig davon aus, ob der Indikator verwirklicht ist oder nicht. Gerade mit Blick auf Cum/Ex- und Cum/Cum-Geschäfte – bei denen jedenfalls teilweise im Schrifttum die Zuordnung zum Indikator des Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. a DelVO 2016/522 bejaht wird297 – fehlt es gerade an diesen Voraussetzungen, weshalb eine Verwirklichung der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 letztlich regelmäßig ausscheidet298. Die Scheingeschäfte sind ein Beispiel dafür, dass nicht die subjektive Zwecksetzung der Handlung, sondern 121 die Wirkung auf den verständigen Anleger für die Einordnung einer Handlung als Marktmanipulation entscheidend ist299. Ein Scheingeschäft kann nämlich auch dann ein falsches oder irreführendes Signal aussenden, wenn beide Parteien keine Markttäuschung zur Kursbeeinflussung bezwecken, es rein objektiv aber eben nicht zu einem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers gekommen ist und dem Markt deshalb ein falsches Signal ausgesendet wird. Zu denken ist etwa an Geschäftsabschlüsse zwischen einer Gesellschaft und ihrem Alleingesellschafter oder an bestimmte Konzernkonstellationen. Wash trades (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. a DelVO 2016/522): Unter wash trades werden der Kauf 122 oder Verkauf eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts verstanden, bei denen es zu keiner Änderung des wirtschaftlichen Eigentums oder des Marktrisikos kommt oder bei denen keine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums oder des Marktrisikos zwischen gemeinschaftlich oder in Absprache handelnden Personen stattfindet300. Indikatoren, die auf eine entsprechende Verhaltensweise hindeuten, sind ungewöhnliche Transaktionswiederholungen zwischen einer kleinen Anzahl von Parteien über einen gewissen Zeitraum (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. a Ziff. i) DelVO 2016/522), Transaktionen oder Handelsaufträge, durch die sich die Bewertung einer Position verändert bzw. wahrscheinlich verändert, obwohl der Umfang der Position weder kleiner noch größer wird (lit. a Ziff. ii)), sowie nach lit. a Ziff. iii) die bereits unter Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a Ziff. i) DelVO 2016/522 genannte Praktik des colluding in the after-market of an initial public offering where colluding parties are involved (Rz. 100). Ob ein Wechsel der wirtschaftlichen Eigentümerstellung oder ein Übergang des Marktrisikos vorliegt, ist in einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen (Rz. 119). Gehen das Marktrisiko bzw. die wirtschaftliche Eigentümerstellung durch die Vorkehrungen/Vereinbarungen der beteiligten Parteien über, liegt kein wash trade vor. Nicht erfasst sind deshalb insbesondere Repo-Geschäfte (repurchase agreements), die Übertragung von Finanzinstrumenten zu Sicherungszwecken sowie Wertpapierleihgeschäfte301. Gleiches gilt für legitime Umschichtungen im Eigenbestand etwa von Kreditinstituten und speziell beim sog. Inhouse-crossing von systematischen Internalisierern302. Bei Geschäften, die zwischen wirtschaftlich identischen Personen abgeschlossen werden, liegt trotz der Erfül- 123 lung eines Indikators dann keine Marktmanipulation vor, wenn die (wirtschaftliche) Identität den Markt-
297 Merkt, ZBB 2021, 162, 166 f. 298 Mülbert/Sajnovits, NJW 2022, 353; auch die ESMA betont den Unterschied zu wash trades und circular trading, s. ESMA Cum/Ex, Cum/Cum, S. 30 f. Rz. 137 Buchst. F. 299 A.A. wohl Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 119, der jedenfalls bei wash trades und beim circular trading ein absichtliches Vorgehen verlangt. 300 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 204 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 117 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 123; s. zum Begriff auch Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129 ff.; Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956; Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1283 f.; vgl. aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 66. 301 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 120; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 49; vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 24; CESR, Market Abuse Directive Level 3 – first set of guidance and information on the common operation of the Directive (CESR/04-505b), S. 11; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 53. 302 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 58; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 128; vgl aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 79.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 123 | Marktmanipulation teilnehmern im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen und einschlägigen Marktbestimmungen (etwa den Handelsbedingungen der Eurex zu „Cross-Trades“/„Crossings“ oder „Pre-Arranged-Trades“303) im Voraus offengelegt und so vollständige Transparenz hergestellt wird304. Dann geht von den betreffenden Geschäften nämlich kein falsches oder irreführendes Signal mehr aus. Es muss aber immer sichergestellt sein, dass die jeweilige Offenlegung aus Sicht eines durchschnittlich verständigen Anlegers (Rz. 70 f.) dazu geeignet ist, die Signalwirkungseignung des betreffenden Geschäfts (Rz. 75 ff.) ganz aufzuheben. 124 Painting the tape (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. b DelVO 2016/522): Painting the tape beschreibt die
DelVO 2016/522 als die Erteilung bzw. Ausführung von Handelsaufträgen, die auf einer öffentlichen Anzeigetafel erscheinen und zu dem Zweck vorgenommen werden, bei einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt den Eindruck lebhafter Umsätze zu erwecken305. Durch das Erscheinen auf der öffentlichen Anzeigetafel erreichen die Signale regelmäßig einen größeren Adressatenkreis und sind besonders dazu geeignet, Kursbeeinflussungen herbeizuführen, von denen der Manipulator dann durch nachgelagerte Aktivitäten, z.B. den Kauf oder Verkauf der im Kurs beeinflussten Instrumente, profitieren kann. Auch im Zeitalter des elektronischen Handels kommt dieser Praktik noch Bedeutung zu306, da auch elektronische Orderbücher – jedenfalls teilweise – öffentlich einsehbar sind. So können etwa beim XETRA-Orderbuch die zehn besten Kauf- und Verkaufsangebote für ein Wertpapier eingesehen werden (Rz. 147).
125 Damit die vorstehenden Praktiken die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014
erfüllen, muss eine Absicht zur Kursbeeinflussung vorliegen. Allein das Erscheinen einer bestimmten Transaktion auf der öffentlichen Anzeigetafel besagt nämlich noch nichts über deren Legitimität. Ob eine Transaktion auf dieser Anzeigetafel erscheint, ist allein von deren Volumen und dem Vergleich zu den sonstigen innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorgenommenen Transaktionen abhängig. Ein irreführendes Signal (Rz. 67) geht für den Markt von einer solchen Transaktion nur dann aus, wenn der Handelsauftrag nur deshalb eine bestimmte Größenordnung einnimmt, um gerade auf der Anzeigetafel zu erscheinen und dadurch ein bestimmter Trend bzw. eine bestimmte Reaktion bei den übrigen Marktteilnehmern ausgelöst werden soll. Ein Eindruck lebhafter Umsätze wird zudem nur erweckt, wenn die Umsätze nicht tatsächlich für sich ökonomisch legitimiert sind307. Darauf kann etwa hindeuten, wenn der Manipulator kurz nach oder gleichzeitig mit der auf der Anzeigetafel erschienenen Transaktion eine gegenläufige Order eingibt.
126 Improper matched orders (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. c DelVO 2016/522): Als improper matched
order wird die gleichzeitige oder fast gleichzeitige Erteilung von Kauf- und Verkaufsaufträgen sehr ähnlichen Umfangs und zu ähnlichen Kursen durch ein und dieselbe Partei oder verschiedene in Absprache handelnde Parteien bezeichnet308. Improper matched orders liegen häufig bei Transaktionen oder Handelsaufträgen vor, die (wahrscheinlich) dazu führen, dass ein Marktpreis festgesetzt wird, obwohl die Liquidität oder Orderbuchtiefe am betreffenden Handelstag für eine Preisfestsetzung eigentlich nicht ausreichen würde (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. c Ziff. i) DelVO 2016/522). Außerdem treten improper matched orders beim colluding in the after-market of an initial public offering where colluding parties are involved (Rz. 100) und beim painting the tape (Rz. 124) auf. Es muss sich jeweils um gegenläufige bzw. „im Kreis“ abgesprochene Geschäfte bzw. Aufträge handeln („Aufträge und Gegenaufträge“)309. Völlige Deckungsgleichheit ist aber nicht erforderlich („sehr ähnlichen Umfangs“)310. Unerheblich ist, zu welchem Preis das Geschäft getätigt wurde, und damit auch, ob es zum Marktpreis abgeschlossen wurde311. Erfasst sind insbesondere Geschäfte und Gegengeschäfte, mit denen bei illiquiden Titeln ein Kurs erzielt oder angepasst werden soll312. Sowohl 303 Dazu Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 120; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 68. 304 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 58 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 120, der aber unglücklich von der Widerlegung der Vermutungswirkung spricht; vgl. BRDrucks. 18/05, 15; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 53; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 128. 305 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 204 ff. mit Beispielsorderbuch; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 121 ff.; vgl aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 68. 306 A.A. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 47. 307 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 123. 308 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 124 ff.; vgl. auch Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129. 309 Vgl. zu § 3 MaKonV BR-Drucks. 639/03, 12. 310 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 128. 311 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 129. 312 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 24.
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Marktmanipulation | Rz. 131 Art. 12 VO Nr. 596/2014
wash trades (Rz. 122) als auch improper matched orders zielen darauf ab, den Eindruck spezifischer Marktaktivitäten und damit eines Kauf- oder Verkaufsinteresses an bestimmten Instrumenten zu erwecken, obwohl ein solches tatsächlich nicht besteht313. Concealing ownership (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. d DelVO 2016/522): Als concealing ownership 127 bezeichnet die DelVO 2016/522 Transaktionen zur Verschleierung des Eigentums an einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts durch einen Verstoß gegen Offenlegungspflichten, wobei das betreffende Instrument im Namen einer oder mehrerer Personen gehalten wird, mit denen bestimmte Absprachen getroffen wurden314. Zu den Offenlegungspflichten in diesem Sinne zählen insbesondere die Pflichten zur Offenlegung bedeutender Beteiligungen nach der Transparenzrichtlinie bzw. ihrer jeweiligen nationalen Umsetzung315. Indikatoren, die auf eine entsprechende Verhaltensweise hindeuten, sind – wie bei Anhang II Abschnitt 1 Nr. 3 lit. a Ziff. i) DelVO 2016/522 (Rz. 122) – ungewöhnliche Wiederholungen einer Transaktion zwischen einer kleinen Anzahl von Parteien über einen gewissen Zeitraum. Ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an einem entsprechenden Vorgehen haben insbesondere Übernahmeinteressenten, die möglichst viele Zukäufe noch zu einem günstigeren Vor-Übernahmeangebotskurs abzuschließen suchen316. Allerdings erschwert etwa § 31 WpÜG entsprechende Strategien, da danach auch bei einem freiwilligen Übernahmeangebot die Vorerwerbe in einem Ein-Jahres-Zeitraum bei der Ermitlung des Mindestpreises zu berücksichtigen sind. Ob eine Transaktion zusammen mit der falschen oder irreführenden Offenlegung ein falsches bzw. irrefüh- 128 rendes Signal gibt, ist eine Frage, die aus Sicht eines verständigen Anlegers (Rz. 70 f.) allein aufgrund der objektiven Umstände zu ermitteln ist. Ein Verschleierungsvorsatz muss nicht vorliegen317. Die Offenlegung muss im Hinblick auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Inhaber der Position in dem jeweiligen Instrument falsch bzw. irreführend sein; bloßes Unterlassen einer Offenlegung genügt nicht (vgl. Rz. 62). Zu den Scheingeschäften i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zählt im Einzelfall – auch wenn diese Fall- 129 gruppe keine Erwähnung in der DelVO 2016/522 gefunden hat – die Veröffentlichung eines Übernahmeangebots, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Erfolg führen und nur deshalb lanciert wird, um den Wert der eigenen Positionen in den Papieren des Übernahmeziels zu erhöhen318. Veräußert der Bieter kurz nach der Veröffentlichung des Übernahmeangebots seine Positionen und erzielt aufgrund des durch das Übernahmeangebot bedingten Kursanstiegs einen Gewinn, deutet dies zwar darauf hin, dass das Angebot nur zum Schein abgegeben wurde und also eine Marktmanipulation vorliegt319. Relativiert wird dies freilich jedenfalls dann, wenn der Bieter gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 WpÜG die Finanzierungsbestätigung eines von ihm unabhängigen Wertpapierdienstleistungsunternehmens beibringt. Aber auch sonst dürfen die Anforderungen an die Ernsthaftigkeit und deren Nachweis nicht zu hoch liegen, da ansonsten die Gefahr bestünde, dass legitime Übernahmeangebote verhindert und so übernahmewillige Bieter abgeschreckt würden. Sog. Lowballing-Angebote können im Ausgangspunkt ebenfalls eine Marktmanipulation darstellen, werden 130 aber – zumindest in Deutschland, das mit § 31 Abs. WpÜG Mindestpreisregeln sogar für freiwillige Übernahmeangebote vorsieht – keinen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 darstellen, solange die jeweiligen Mindestpreisvorschriften eingehalten werden. Das LowballingAngebot wird sich zwar als sonstige Handlung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 qualifizieren und auch einen Kurseffekt haben. Liegt es unterhalb des aktuellen Börsenkurses, wird es das Handelsverhalten eines verständigen Anlegers (Rz. 70 ff.) zu beeinflussen geeignet sein und auch einen tatsächlichen Kurseffekt aufweisen. Solange allerdings die Preisvorschriften des WpÜG eingehalten sind und – jedenfalls de lege lata – mit dem Lowballing eine legitime Strategie verfolgt wird – die Schutzlücken sind unionsweit seit mindestens 10 Jahren bekannt –, wird man das Verhalten schwerlich als Marktmanipulation einordnen können.
dd) Positionsumkehrungen (Anhang I A. lit. d VO Nr. 596/2014) Anhang I A. lit. d VO Nr. 596/2014 benennt den Umfang, in dem erteilte Handelsaufträge, abgewickelte 131 Geschäfte oder stornierte Aufträge die Umkehrung von Positionen innerhalb eines kurzen Zeitraums bewirken, als Indikator für eine Marktmanipulation, soweit die Transaktionen einen bedeutenden Anteil am Tagesvolumen der Transaktionen mit dem entsprechenden Finanzinstrument, einem damit verbundenen Wa313 314 315 316 317 318 319
Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 129. Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 215. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 134. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 134. A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 135. Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 131. Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 131.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 131 | Marktmanipulation ren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt ausmachen und mit einer erheblichen Kursänderung in Verbindung stehen können. Anhang I A. lit. d VO Nr. 596/2014 zielt auf umsatzstarke Händler, die zunächst als Käufer und dann als Verkäufer oder vice versa auftreten, und auf die Manipulationspraktiken des pumping and dumping und trashing and cashing320. Eine weitere Präzisierung des Indikators leisten die Praktiken in Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 DelVO 2016/522 (Rz. 133 ff.), wobei die dort beschriebenen Manipulationsstrategien typischerweise auf illiquiden Märkten anzutreffen sind321. 132 Auf liquiden Märkten erweist sich die Abgrenzung manipulativer Verhaltensweisen zu legitimem Marktver-
halten als besonders schwierig. Auf diesen ist es nämlich grundsätzlich zulässig, Preisschwankungen auch dadurch auszunutzen, dass ein Handelsteilnehmer von der Käufer- auf die Verkäuferseite wechselt und vice versa, und zwar auch binnen kurzer Zeiträume und mehrfach; das ist Alltag des professionellen IntradayHandels bzw. des Daytradings. Jedenfalls nicht manipulativ sind auch gegebenenfalls wiederholte ArbitrageGeschäfte, mit denen Preisunterschiede an verschiedenen Märkten oder Marktsegmenten ausgenutzt und ausgeglichen werden (vgl. zu Cross-venues-Manipulationen Rz. 117), sowie die Tätigkeit von designated sponsors (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126), die im Einklang mit den Regeln des Handelsplatzes eine Mindestliquidität gewährleisten und dazu gegebenenfalls auch Positionen umkehren, solange nicht künstlich Marktaktivität vorgetäuscht wird322.
133 Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 lit. a und lit. b DelVO 2016/522 verweist zunächst auf die bereits beschriebe-
nen Praktiken des painting the tape (Rz. 124) und der improper matched orders (Rz. 126). Diese, auch auf Scheingeschäfte i.S.d. Anhang I A. lit. c VO Nr. 596/2014 hindeutenden Aktivitäten stellen nach Ansicht der Europäischen Kommission auch Praktiken dar, die regelmäßig im Zusammenhang mit den Positionsumkehrungen i.S.d. Anhang I A. lit. d VO Nr. 596/2014 stehen.
134 Pump and dump (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 lit. c DelVO 2016/522): Beim pumping and dumping wird
zunächst eine Long-Position in einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt eingenommen, um sodann weitere Ankäufe des betreffenden Instruments zu tätigen oder irreführende positive Informationen (buzz) über das Instrument zu streuen, und damit den Kurs des betreffenden Instruments durch das Anlocken weiterer Ankäufer in die Höhe zu treiben323. Sobald der Kurs aufgrund der kurstreibenden Aktivität einen entsprechenden hohen Stand erreicht hat, wird die Long-Position abgestoßen324.
135 Beruht beim pumping and dumping der kurstreibende Effekt maßgeblich auf der Informationsverbreitung,
wird dieses als Verbreitung falscher und irreführender Informationen von Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/ 2014 erfasst (Rz. 204 ff.), der insofern lex specialis gegenüber Abs. 1 lit. a ist (Rz. 54). Steht eine entsprechende Informationsverbreitung im personellen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Transaktion, findet Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 vorrangig Anwendung (Rz. 163 ff.). Wenn mithin die Aufsichtsbehörde aufgrund der Indikatoren einen Sachverhalt prüft, bei dem die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen den Schwerpunkt des vorwerfbaren Verhaltens darstellt, muss sie vorrangig die Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. c oder des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 in Betracht ziehen und prüfen. Für das pumping and dumping als Anwendungsfall des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 verbleibt damit als Tathandlung im Wesentlichen nur die weiteren Ankäufe des betreffenden Instruments325 mit der 320 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 129; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 52; vgl. auch Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 14, der allerdings betont, dass eine Absprache zwischen mehreren Personen dafür keineswegs erforderlich sei; Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 395. 321 Vgl. Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 7; Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 137 f.; Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1284. 322 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 129; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 52; vgl. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 70; a.A. tendenziell Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 139, der mit Blick auf die Stellungnahme der ESMA zu Liquiditätsverträgen (Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 107) für eine Anerkennung als zulässige Marktpraxis plädiert; wie hier zum alten Recht Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 16; vgl. aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 77. 323 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1284 f.; Leuz/Meyer/Muhn/Soltes/Hackethal, Who Falls Prey to the Wolf of Wall Street? Investor Participation in Market Manipulation, Working Paper 2017, S. 2; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 141 f.; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 49. 324 Dazu auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 131. 325 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 142, der alle Tatbestände nebeneinander anwenden will.
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Marktmanipulation | Rz. 141 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Absicht, durch die Zukäufe weitere Käufer anzulocken und hierdurch kurstreibend zu wirken326. Der Manipulator muss also gezielt beabsichtigen, durch seine Ankäufe das Signal zu vermitteln, seine Trades würden auf privaten Informationen beruhen, um so eine Informationskaskade auszulösen327. Für sich genommen sind nämlich weitere Ankäufe des betreffenden Instruments durchaus legitim, solange damit eine wirtschaftlich nachvollziehbare Handelsstrategie verfolgt wird. Illegitim wird das Verhalten erst durch das zusätzliche subjektive Element der von Anfang an bestehenden Kursbeeinflussungsabsicht. Trash and cash (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 lit. d DelVO 2016/522): Das trashing and cashing bildet 136 gewissermaßen die Gegenstrategie zum pumping and dumping328. Beim trashing and cashing wird zunächst eine Short-Position in einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt eingenommen, um sodann weitere Verkäufe des Instruments zu tätigen oder irreführende negative Informationen über das Instrument zu verbreiten, und damit den Kurs des betreffenden Instruments mittels des Anlockens weiterer Verkäufer abstürzen zu lassen. Sobald der beabsichtigte Kurssturz eingetreten ist, wird die gehaltene Position geschlossen. Entsprechende Strategien stehen im Zusammenhang mit Leerverkäufen und bilden so eine wichtige Schnittstelle zwischen der Leerverkaufsregulierung und dem Marktmanipulationsrecht. Das trashing and cashing unterfällt nur dann Art. 137 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, wenn es mittels weiterer Verkäufe des betreffenden Instruments erfolgt. Die Verbreitung irreführender negativer Informationen wird vorrangig entweder von Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 erfasst (vgl. Rz. 136)329. Je nach Sachverhalt kommt zudem die Verwirklichung des Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 in Betracht (Rz. 266). Entscheidend für die Abgrenzung gegenüber legitimem Marktverhalten kommt es auch beim trashing and cashing im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 auf die Absicht an, einen Kursturz herbeizuführen und zu dem niedrigeren Kurs die eigenen Positionen zu schließen (vgl. Rz. 136). Quote stuffing (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 lit. e DelVO 2016/522): Quote stuffing ist nach der DelVO 138 2016/522 die Erteilung einer großen Zahl von Handelsaufträgen und/oder Auftragsstornierungen bzw. -aktualisierungen, um für andere Marktteilnehmer Unsicherheiten zu erzeugen, deren Prozesse zu verlangsamen und/oder die eigene Handelsstrategie zu verschleiern330. Das quote stuffing ist eine typische Manipulationsstrategie im Hochfrequenz- und algorithmischen Handel331 und kann auch die Voraussetzungen eines zwingenden Beispiels nach Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 erfüllen332. Näher daher Rz. 264. Momentum ignition (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 lit. f DelVO 2016/522): Als momentum ignition (Im- 139 pulszündung) definiert die DelVO 2016/522 die Erteilung von Handelsaufträgen oder einer Auftragsserie bzw. die Abwicklung von Transaktionen oder einer Transaktionsserie mit der Absicht, einen Trend auszulösen oder zu verschärfen und andere Teilnehmer zu ermutigen, den Trend zu beschleunigen oder zu erweitern, um so eine Gelegenheit für die Auflösung oder Eröffnung einer Position zu einem günstigen Preis zu schaffen333. Auf entsprechende Verhaltensweisen deutet insbesondere eine große Zahl an Auftragsstornierungen – gemessen an der Gesamtzahl der Handelsaufträge – im Verhältnis zum Gesamtvolumen hin. Mitlaufen in einem anderweitig ausgelösten Trend mit nachfolgender Gewinnmitnahme – wie dies zahlreiche Anleger etwa im Zusammenhang mit der Kursrally bei GameStop im Frühjahr 2021 taten334 – ist regelmäßig nicht manipulativ335. Eine momentum ignition findet häufig im Hochfrequenzhandel statt und kann die Voraussetzungen des 140 zwingenden Beispiels nach Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. iii) erfüllen. S. daher Rz. 261. ee) Häufung von Geschäften und Aufträgen (Anhang I A. lit. e VO Nr. 596/2014) Anhang I A. lit. e VO Nr. 596/2014 nennt Geschäfte bzw. Aufträge als Indikatoren für eine Marktmanipu- 141 lation, die durch ihre Häufung innerhalb eines kurzen Abschnitts des Handelstages eine erhebliche Kurs326 327 328 329 330 331 332 333
Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 142. Zu Informationskaskaden Bikhchandani/Hirshleifer/Welch, Journal of Political Economy 100 (1992), 992. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 144. A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 143. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 145; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 75. Kasiske, WM 2014, 1933, 1935; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 132. Auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 171. Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 147 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 75; Kasiske, WM 2014, 1933, 1936; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 133. 334 Dazu Sajnovits, ZGR 2021, 804, auch zu den unterschiedlichen beteiligten Akteuren. 335 Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 407.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 141 | Marktmanipulation änderung bewirken, auf die eine gegenläufige Preisänderung folgt336. Feste zeitliche Grenzen für einen kurzen Abschnitt des Handelstages lassen sich nicht angeben337. Die gegenläufige Kursänderung muss zwar nicht eine Rückkehr zum Ausgangskurs bedeuten, sollte jedoch nicht bloß unerheblich sein338. Die Kursänderung muss aber jedenfalls innnerhalb desselben Handelstages stattfinden339. Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 DelVO 2016/522 präzisiert den Indikator nach Anhang I A. lit. e VO Nr. 596/2014 mit einer Aufzählung beispielhafter Praktiken, die zu seiner Ausfüllung tauglich sind (Rz. 142 ff.). 142 Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 lit. a, b, c, f und g DelVO 2016/522 verweisen zunächst auf die bereits oben
beschriebenen Praktiken creation of a floor or a ceiling in the price pattern (Rz. 103), Cross-venues-Manipulationen (Rz. 114), Cross-product-Manipulationen (Rz. 115), quote stuffing (Rz. 138) und momentum ignition (Rz. 139). Diese – auch auf andere in Anhang I A. VO Nr. 596/2014 genannte Indikatoren hindeutenden – Manipulationsstrategien stehen nach Ansicht der Europäischen Kommission regelmäßig auch im Zusammenhang mit der Häufung von Geschäften und Aufträgen i.S.d. Anhang I A. lit. e VO Nr. 596/2014.
143 Marking the close (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 lit. d DelVO 2016/522): Die Manipulationspraktik des
marking the close beschreibt die DelVO 2016/522 als den Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts zu einem Bezugszeitpunkt des Börsentages340 (z.B. Eröffnung, Schließung, Abrechnung) in der Absicht341, einen Referenzkurs in die Höhe zu treiben, ihn sinken zu lassen oder auf einem bestimmten Stand zu halten342. Begrifflich betrifft das marking the close nur die Manipulation des Schlusskurses. Manipulationen, die auf andere Referenzkurse abzielen, können aber nach der textlichen Erläuterung zu Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 lit. d DelVO 2016/522 ebenfalls auf eine Marktmanipulation hindeuten343. Die Manipulation des Schlusskurses an einem Handelsplatz kann auch die Voraussetzungen des zwingenden Beispiels nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 erfüllen. S. daher näher Rz. 248 ff.
144 Layering and spoofing (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 lit. e DelVO 2016/522): Unter layering oder spoofing
versteht die DelVO 2016/522 eine auf eine Marktmanipulation hindeutende Verhaltensweise, bei der Großaufträge oder jedenfalls eine gehäufte Zahl an Aufträgen, die häufig auf der einen Seite des Orderbuchs nicht sichtbar sind, in der Absicht übermittelt werden, ein Geschäft auf der anderen Seite des Orderbuchs auszuführen344. Nachdem das Geschäft auf der anderen Seite des Orderbuchs abgeschlossen wurde, werden die lediglich zum Schein abgegebenen, nicht ernst gemeinten (fiktiven) Aufträge entfernt. Diese etwas bildhafte Umschreibung dafür, die eigene Handelsstrategie zu verschleiern und dadurch den Markt zu täuschen, hat insbesondere im algorithmischen Handel und im Hochfrequenzhandel Bedeutung345. Sie wird aber nicht vom Regelbeispiel des Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 256 ff.) erfasst. Beim spoofing werden typischerweise großvolumige Orders, deren Ausführung nicht beabsichtigt ist (flash orders), zunächst plat336 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 77. 337 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 152. 338 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 151 ff.; vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 17. 339 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 157. 340 Gemeint ist richtigerweise der Handelstag, da die Praktik nicht auf Börsen beschränkt ist. S. auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 158, der zutreffend auf die englische Sprachfassung verweist, in der allgemein von „trading session“ die Rede ist. 341 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 78. 342 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 78. 343 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 152; zum Marking the close als echter Schlusskursmanipulation mit Beispiel Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 209 f.; s. auch die Beispiele bei FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2011-15: (3) a trader holds a short position that will show a profit if a particular financial instrument, which is currently a component of an index, falls out of that index. The question of whether the financial instrument will fall out of the index depends on the closing price of the financial instrument. He places a large sell order in this financial instrument just before the close of trading. His purpose is to position the price of the financial instrument at a false, misleading, abnormal or artificial level so that the financial instrument will drop out of the index so as to make a profit; and (4) a fund manager's quarterly performance will improve if the valuation of his portfolio at the end of the quarter in question is higher rather than lower. He places a large order to buy relatively illiquid shares, which are also components of his portfolio, to be executed at or just before the close. His purpose is to position the price of the shares at a false, misleading, abnormal or artificial level“. 344 Baßler/Delgado-Rodriguez in Temporale, Europäische Finanzmarktregulierung, 2015, S. 199, 218 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 160 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 80 ff.; vgl. aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 69. 345 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1288; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 162.
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Marktmanipulation | Rz. 148 Art. 12 VO Nr. 596/2014
ziert und dann rechtzeitig – ohne Kostenrisiko – wieder storniert346. Anderen Marktteilnehmern, insbesondere, soweit diese selbst durch Algorithmen am Handel beteiligt sind und so auch das nur kurze Erscheinen der flash orders registrieren können, wird so ein Interesse an Instrumenten signalisiert, das tatsächlich nicht besteht347. Beim layering werden mehrere flash orders mit Bezug auf ein Finanzinstrument, damit verbundene Waren-Spot-Kontrakte oder auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte mit jeweils an- oder absteigenden Limits platziert348. In den USA – aber auch in anderen Jurisdiktionen349 – sind bereits mehrere Fälle von spoofing – insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Flash Crash von 2010 – durch Aufsichtsbehörden sanktioniert worden350. Damit im Falle des spoofing die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllt sind, muss 145 die Stornierung der eingegebenen Aufträge von Anfang an geplant bzw. angelegt gewesen sein. Sie müssen mithin von Beginn an nur zum Schein abgegeben worden sein. Erfolgt die Eingabe algorithmusgesteuert, muss dieser so programmiert sein, dass er ohne berechtigte wirtschaftliche Erwägungen eine Stornierung veranlasst. Beim Layering können die Limits insbesondere als Platzhalter dienen, um so im Bedarfsfall eine prioritäre Ausführung sicherzustellen351. Darin liegt eine durchaus legitime Handelspraxis. Entscheidend muss deshalb sein, ob im Anschluss an die Eingabe der Orders gegenläufige Geschäfte abgeschlossen werden. Dass beim spoofing und layering alle Geschäfte von einem Algorithmus automatisch ausgelöst werden, unterstreicht nochmals, dass es für einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot grundsätzlich nicht auf ein subjektives Element ankommen kann (Rz. 93 ff.)352. ff) Beeinflussung der Darstellung des Orderbuchs durch Annullierungen (Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014) Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014 nennt den Umfang als Indikator für eine Marktmanipulation, in dem 146 erteilte Handelsaufträge, die vor ihrer Abwicklung annulliert werden, die Darstellung der besten Geld- oder Briefkurse eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts verändern oder die den Marktteilnehmern verfügbare Darstellung des Orderbuchs in sonstiger Weise verändern353. Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 DelVO 2016/522 präzisiert den Indikator nach Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014 mit einer Aufzählung beispielhafter Praktiken, die zu seiner Ausfüllung tauglich sind (Rz. 149 ff.). Die Orderlage jedenfalls im Börsenhandel ist für Marktteilnehmer insbesondere über das elektronische Or- 147 derbuch des Skontroführers ersichtlich (XETRA-Orderbuch)354; es ist in dem Sinne ein offenes Orderbuch, als die zehn teuersten Kaufaufträge bzw. billigsten Verkaufsaufträge, die jeweils noch nicht zur Ausführung gelangt sind, für alle Handelsteilnehmer einsehbar sind. Die Vorschriften der MiFIR und die MiFID II-Umsetzungsvorschriften haben die Handelstransparenz von regulierten Handelsplätzen weiter verbessert und sogar jene von OTC-Märkten erhöht355, so dass auch insoweit eine Beeinflussung des Orderbuchs falsche oder irreführende Signale aussenden kann. Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014 lässt die Einwirkung auf die Orderlage genügen. Es ist nicht erforder- 148 lich, dass zugleich z.B. über die mitgeteilte Spanne, in der der künftige Kurs liegen wird, auch auf den Kurs eingewirkt wird. Zur Verwirklichung einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ist aber jedenfalls eine Kursbeeinflussungseignung erforderlich (Rz. 91, 101). In liquiden Märkten lassen sich Kurse durch die Annullierung von Handelsaufträgen zwar nur kurzfristig und in nicht sehr erheblichem Umfang manipulieren; gleichwohl können auch solche Manipulationen in Drittmärkten gewinnbringend
346 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1288 ff.; Kasiske, WM 2014, 1933, 1936; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 81. 347 Gomolka, Algorithmic Trading, S. 168; Kasiske, WM 2014, 1933, 1936. 348 Kasiske, WM 2014, 1933, 1936; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 81. 349 Zur Schweiz Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 69. 350 Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1288. 351 Instruktiv Kasiske, WM 2014, 1933, 1936; s. ferner Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 165. 352 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 164, der ein subjektives Element verlangt. 353 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 71 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 166 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 82. 354 Abrufbar unter: https://www.boerse-frankfurt.de/aktien/offenes-orderbuch/DE0008469008; vgl. auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 74, 121; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 82; Kasiske, WM 2014, 1933, 1934. 355 ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 12 Abs. 22.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 148 | Marktmanipulation ausgenutzt werden356. Kommt es nicht zur Orderrücknahme, ist zwar der Indikator nach Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014 nicht erfüllt: Gleichwohl kann eine handelsgestützte Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 vorliegen, z.B. bei den sog. defensive bids der primary dealer, die bei der Auktion von Staatsanleihen marktferne Gebote einbringen, die nicht zum Zuge kommen (sollen), aber die sog. bid-to-cover ratio verbessern, welche wiederum den Kurs zu erhöhen geeignet ist357. 149 Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. b, e, f, g, h und i DelVO 2016/522 verweisen auf die bereits beschriebenen
Praktiken creation of a floor or a ceiling in the price pattern (Rz. 103), Cross-venues-Manipulationen (Rz. 114), Cross-product-Manipulationen (Rz. 115), layering and spoofing (Rz. 144), quote stuffing (Rz. 138) und momentum ignition (Rz. 139). Diese – auch auf andere von Anhang I A. VO Nr. 596/2014 erfasste Aktivitäten hindeutenden – Manipulationsstrategien können nach Ansicht der Europäischen Kommission auch im Zusammenhang mit der Beeinflussung der Darstellung des Orderbuchs i.S.d. Anhang I A. lit. f VO Nr. 596/2014 stehen.
150 Placing orders without intention to execute (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. a DelVO 2016/522): Auf eine
marktmanipulative Beeinflussung der Darstellung des Orderbuchs durch Annullierungen deutet die Erteilung von Aufträgen hin, die zwar vor ihrer Ausführung zurückgezogen werden, aber zunächst dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der falsche Eindruck entsteht, es gäbe eine Nachfrage nach oder ein Angebot an Finanzinstrumenten, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt zu dem betreffenden Preis. Entsprechende Verhaltensweisen treten insbesondere im Zusammenhang mit Handelsaufträgen auf, die zu einem die Nachfrage in die Höhe treibenden oder das Angebot verringernden Preis eingegeben werden und dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass der Kurs eines verbundenen Finanzinstruments ansteigt oder sinkt (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. a Ziff. i) DelVO 2016/522), sowie ferner bei der Praktik der momentum ignition (Rz. 139), auf die nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 4 lit. f DelVO Nr. 522/2014 ebenfalls eine große Zahl an Auftragsstornierungen hindeuten kann.
151 Um den Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zu erfüllen, muss die Orderrücknahme von
Anfang an geplant gewesen sein, mithin bereits bei Ordereingabe die Absicht der späteren Orderrücknahme bestanden haben358. Nur in diesem Fall geht von der Ordereingabe ein falsches oder irreführendes Signal für den Markt aus und nur so lassen sich nicht manipulative Orderrücknahmen aus wirtschaftlich legitimen Gründen von manipulativen Orderrücknahmen abgrenzen. Wirtschaftlich legitime Orderrücknahmen kommen etwa nach versehentlichen Ordereingaben (mistrades, fat finger trades)359 oder dann in Betracht, wenn ein Marktteilnehmer auf eine Ad-hoc-Mitteilung reagiert, oder bei anhaltend hoher Nachfrage sein Verkaufslimit sukzessiv erhöht, um bessere Preise zu erzielen360.
152 Excessive bid-offer spreads (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. c DelVO 2016/522): Bei excessive bid-offer
spreads geht es um die Verschiebung der Differenz zwischen Geld- und Briefkurs auf ein künstliches Niveau durch einen Missbrauch von Marktmacht361. Marktmacht liegt grundsätzlich erst ab der Schwelle einer marktbeherrschenden Stellung vor (Rz. 236)362. Der Missbrauch von Marktmacht setzt ein ungerechtfertigtes aktives Ausnutzen (Rz. 238) der marktbeherrschenden Stellung voraus. Das bloße Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung ohne deren aktive Ausnutzung genügt nicht. Bei der Differenz zwischen Geldund Briefkurs (bid-offer spread) handelt es sich um die Differenz zwischen dem quotierten sofortigen Verkaufspreis und dem quotierten sofortigen Kaufpreis eines Finanzinstruments. Diese Differenz ist ein wichtiger Indikator für die Liquidität eines Marktes und die Höhe der Transaktionskosten. Manipulationspraktiken im Zusammenhang mit einer Beeinflussung des bid-offer spread stehen nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. c Ziff. i DelVO 2016/522) häufig im Zusammenhang mit Transaktionen oder Handelsaufträgen, die dazu führen bzw. wahrscheinlich dazu führen, dass die Vorkehrungen des Marktes zum Schutz des Handels wie z.B. Höchstpreise, Mengenbeschränkungen, Parameter der Differenz zwischen Geld- und Briefkursen usw. umgangen werden. Ferner treten sie im Zusammenhang mit Cross-venues-Manipulationen (Rz. 114) auf (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. c Ziff. ii) DelVO 2016/522). 356 357 358 359
S. das Beispiel bei Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 412. Eingehend Schmidtbleicher/Cordalis, ZBB 2007, 124 ff. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 170. Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 137, 74; strenger Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 171, wonach auch von diesen ein Indiz ausgehen kann. Jedendalls erfüllen sie keinesfalls die Voraussetzungen an eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014; a.A. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 83. 360 Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 413. 361 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 172 ff. 362 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 57 wollen einen „deutlich geringere[n] Grad an Marktmacht“ genügen lassen.
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Marktmanipulation | Rz. 159 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in Form des aktiven Ausnutzens ist als sonstige Hand- 153 lung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. ii) Var. 3 VO Nr. 596/2014 nur verboten, wenn die Ausübung von Marktmacht im konkreten Fall nach den Wertungen des Wettbewerbsrechts und unter Berücksichtigung der Zwecksetzungen der MAR (Rz. 23) illegitim erscheint. Marktmacht wird insofern insbesondere einem Market Maker (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126) oder einem Designated Sponsor (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126) zukommen, die selbst die Quotierungen bzw. Spreads stellen363. Freilich soll nicht nur diese Praxis erfasst werden, sondern auch die mittelbare Beeinflussung des bid ask spread durch einen besonders starken trader364. Für den Missbrauch kann auch hier (vgl. Rz. 236 f.) auf die im Kartellrecht entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden365. Wann ein trader mit Marktmacht diese missbraucht, ist freilich fraglich, da jedenfalls eine volumenmäßig große, die Quotierungen beeinflussende Order als solche nicht missbräuchlich ist, wenn dahinter ein legitimes wirtschaftliches Interesse steht366. Advancing the bid (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 6 lit. d DelVO 2016/522): Das advancing the bid ist die 154 Erteilung von Handelsaufträgen, die die Nachfrage oder das Angebot nach einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt mit dem Ziel erhöht bzw. verringert, dessen Kurs nach oben zu treiben (oder ihn zu senken)367. Entsprechende Kursbeeinflussungen finden üblicherweise beim placing orders without intention to execute (Rz. 150) statt. Beim advancing the bid müssen die Orders aber nicht anschließend storniert werden. Damit die Erteilung von Handelsaufträgen auch ohne die (von Anfang an intendierte oder angelegte) Stor- 155 nierung der Order tatbestandlich als Marktmanipulation zu werten ist, muss subjektiv eine Kursbeeinflussungsabsicht bestehen368. Anders lässt sich die Handlung nicht gegenüber legitimem Marktverhalten abgrenzen. Smoking (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 lit. j DelVO 2016/522): Smoking definiert die DelVO 2016/522 als 156 die Veröffentlichung von Handelsaufträgen in der Absicht, andere Marktteilnehmer, die sich herkömmlicher Handelstechniken bedienen (sog. slow trader), anzulocken, woraufhin ein rascher Wechsel zu weniger großzügigen Konditionen in der Hoffnung folgt, aus dem Zustrom von Handelsaufträgen dieser slow trader Gewinne zu erzielen369. Die Veröffentlichung von Handelsaufträgen ist für sich nicht illegitim; sie kann vielmehr von gesetzlichen 157 Publizitätspfljchten sogar vorgeschrieben sein. Für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 muss deshalb hinzukommen, dass der Manipulator die Handelsaufträge mit der Absicht der Kursmanipulation veröffentlich hat. Nur dann kann von den Handelsaufträgen ein falsches oder irreführendes Signal für den Markt ausgehen und nur so lässt sich diese Manipulationspraktik gegenüber legitimem Marktverhalten abgrenzen. gg) Zeitliche Nähe zu Referenzkursberechnungen (Anhang I A. lit. g VO Nr. 596/2014) Anhang I A. lit. g VO Nr. 596/2014 nennt als Indikator für eine Marktmanipulation den Umfang, in dem 158 Geschäfte genau oder ungefähr zu einem Zeitpunkt in Auftrag gegeben oder abgewickelt werden, zu dem bestimmte Referenzkurse, Abrechnungskurse oder sonstige Bewertungen berechnet werden, und die Vornahme der Geschäfte zu Kursveränderungen führt, die sich auf diese Kurse bzw. Bewertungen auswirken370. Derartige Referenzkurse sind insbesondere die Schlussnotierung eines Börsentages, der Kassakurs und der Abrechnungskurs von Derivatekontrakten. Konkretisiert wird der Indikator durch die Praktiken des Anhang II Abschnitt 1 Nr. 7 DelVO 2016/522. Anhang II Abschnitt 1 Nr. 7 lit. a–e DelVO 2016/522 verweist auf die bereits oben beschriebenen Praktiken 159 marking the close (Rz. 143), colluding in the after-market of an initial public offering where colluding parties are involved (Rz. 100), creation of a floor or a cealing in the price pattern (Rz. 103), Cross-venues-Manipulationen (Rz. 114) und Cross-product-Manipulationen (Rz. 115). Diese – auch andere in Anhang I A. VO Nr. 596/2014 genannte Indikatoren ausfüllenden – Manipulationspraktiken stehen nach Ansicht der Euro363 364 365 366 367
Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 174. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 176. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 175. Zweifelnd daher auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 176. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 178 ff.; vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 47; Brammsen, WM 2012, 2134, 2138. 368 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 180. 369 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 181; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 87; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 57. 370 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 183 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 88.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 159 | Marktmanipulation päischen Kommission auch regelmäßig im Zusammenhang mit einer Kursbeeinflussung in zeitlicher Nähe zu einer Referenzkursberechnung i.S.d. Anhang I A. lit. g VO Nr. 596/2014. 160 Anhang II Abschnitt 1 Nr. 7 lit. f DelVO 2016/522 nennt zudem Vorkehrungen als Manipulationspraktik
i.S.d. Anhang I A. lit. g VO Nr. 596/2014, die zur Verfälschung der mit einem Warenvertrag verbundenen Kosten, etwa im Zusammenhang mit Versicherung oder Fracht, vorgenommen werden und dazu führen, dass der Abrechnungspreis eines Finanzinstruments oder eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts in unnatürlicher oder künstlicher Höhe festgelegt wird371.
161 Tatbestandlich lässt sich ein dem Indikator entsprechender Sachverhalt eher der Manipulationshandlung
des Art. 12 Abs. 1 lit. b Var. 3 VO Nr. 596/2014 als der des Abs. 1 lit. a Var. 3 subsumieren, da die Handlungen keine Nähe zu den Geschäften und Handelsaufträgen (Rz. 65 ff.) aufweisen372. Hinzu kommt, dass die DelVO 2016/522 gerade von einer „Verfälschung“ spricht, die sich ohne weiteres als sonstiger Kunstgriff oder sonstige Form der Täuschung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 einordnen lässt (Rz. 66). g) Tatbestandsausschluss nach Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs., Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014
162 Der Tatbestand einer handelsgestützten Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. VO
Nr. 596/2014 ist nach dem letzten Halbs. dieser Bestimmung nicht gegeben, wenn die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 steht373. Näher dazu Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 f., 13 ff.
2. Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 163 Eine Marktmanipulation ist nach Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 der Abschluss eines Geschäfts, die
Erteilung eines Handelsauftrags und jegliche sonstige Tätigkeit oder Handlung an Finanzmärkten, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung374 den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts beeinflusst oder hierzu geeignet ist. Es handelt sich ebenso wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 um handels- und handlungsgestützte Manipulationsformen (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 61 ff.)375. Ebenso wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 werden reine Unterlassungen nicht vom Tatbestand erfasst (vgl. Rz. 63)376. a) Geschäfte, Handelsaufträge, sonstige Handlungen
164 Für die Definition des Abschlusses von Geschäften, der Erteilung von Handelsaufträgen, sowie den sons-
tigen Handlungen gelten die Ausführungen Rz. 44 ff. zu Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 entsprechend377. Zwischen „jede[r] andere[n] Handlung“ i.S.d. Abs. 1 lit. a und „jegliche[r] sonstige[n] Tätigkeit oder Handlung“ i.S.d. Abs. 1 lit. b besteht kein sachlicher Unterschied378. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/ 2014 enthält mit der zusätzlichen Handlungsmodalität der sonstigen Tätigkeiten auch keine gegenüber Abs. 1 lit. a erweiterte Handlungsform. „Sonstige Tätigkeiten“ sind vielmehr genau wie „sonstige Handlungen“ auszulegen. Deshalb ist ein bloßes Unterlassen – ebenso wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 128) – auch hier nicht tatbestandsmäßig379. Allerdings erfasst die Variante der sonstigen Handlungen hier – an371 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 186. 372 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 187, der die Aufnahme der Praxis als Beleg dafür sieht, dass von Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 auch handlungsgestützte Manipulationen erfasst sind; kritisch zur „[unsystematischen] doppelten Erfassung handlungsgestützter Manipulation“ auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 75. 373 FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.5.–1.6.8. 374 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 198 ff. diffferenziert nicht zwischen den verschiedenen Tatbestandsvarianten und fasst diese einheitlich unter den Begriff der „Täuschung“. In der Sache folgen allein daraus keine Unterschiede. 375 Tendenziell a.A. Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 81, der Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 als Auffangtatbestand einordnet und dem Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/ 2014 die handlungsgestützten Marktmanipulationen nicht subsumieren will. 376 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 210, 276 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 95; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 196. 377 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 195. 378 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 196; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 176; a.A. Zimmer/ Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 66 („ein Mehr an Verhaltensweisen“). 379 Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 58.
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Marktmanipulation | Rz. 169 Art. 12 VO Nr. 596/2014
ders als beim insoweit als derogierte Vorschrift zurücktretenden Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014380 – regelmäßig auch eine Informationsverbreitung im unmittelbaren Zusammenhang mit einer Transaktion381. Das Erfordernis eines unmittelbaren Zusammenhangs erlaubt die Abgrenzung dieser Tatbestandsvariante von einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014, indem ein zeitlicher und sachlicher Konnex mit bestimmten Handelsaktivitäten es rechtfertigt, eine Marktmanipulation im Zusammenhang mit falschen Informationen dem Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 zuzuordnen und insofern einen verdrängenden Vorrang gegenüber Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 anzunehmen. b) Vorspiegelung falscher Tatsachen Der Abschluss von Geschäften, die Erteilung von Handelsaufträgen sowie die sonstigen Handlungen müssen 165 nach Art. 12 Abs. 1 lit. b Var. 1 VO Nr. 596/2014 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen stattfinden. Tatsachen sind dem Beweis zugängliche Umstände der Vergangenheit oder Gegenwart. Falsch sind Tatsachen, wenn sie nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechen, nämlich nicht vorhandene Umstände als vorhanden oder vorhandene als nicht vorhanden darstellen382. Hierfür ist zunächst der Inhalt der durch den Geschäftsabschluss, die Handelsauftragserteilung oder die sonstige Handlung zum Ausdruck gebrachten Tatsachendarstellung durch Auslegung nach dem objektivierten Empfängerhorizont zu ermitteln383. Dabei sind Auffassung und Verständnis des angesprochenen Personenkreises maßgeblich384. Sodann muss der derart ermittelte Inhalt mit den objektiven Gegebenheiten verglichen werden. Der Abschluss von Geschäften, die Erteilung von Handelsaufträgen sowie die sonstigen Handlungen müssen 166 unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen stattfinden. Das Vorspiegeln falscher Tatsachen erfordert auch bei Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 ein aktives Tun und kann nicht durch ein bloßes Unterlassen verwirklicht werden (vgl. Rz. 62 f.)385. Bloße Irreführungen durch Unvollständigkeiten im Rahmen des Abschlusses von Geschäften, der Erteilung von Handelsaufträgen, sowie den sonstigen Handlungen genügen für die Tatbestandsvariante des Vorspiegelns falscher Tatsachen nicht. Sie können aber unter die Variante der sonstigen Täuschungsformen fallen (Rz. 167). Ein Täuschungserfolg, mithin ein tatsächlicher Irrtum bei irgendeinem Marktteilnehmer, ist nicht erforderlich386. c) Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung Gem. Art. 12 Abs. 1 lit. b Var. 2 und Var. 3 VO Nr. 596/2014 liegt eine Marktmanipulation auch dann vor, 167 wenn der Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags oder eine sonstige Tätigkeit oder Handlung an den Finanzmärkten unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe (Var. 2) oder Formen der Täuschung (Var. 3) den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-SpotKontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts beeinflusst oder hierzu geeignet ist. Beide Varianten sind Auffangtatbestände. Sie erfassen insbesondere die Irreführung von Marktteilnehmern durch unvollständige Darstellungen. Sonstige Kunstgriffe können aber auch die als Indikatoren näher präzisierten Praktiken der Bewegung oder Lagerung physischer Waren (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. f DelVO 2016/522) sowie der Leerfahrt von Schiffen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. g DelVO 2016/522) sein (dazu Rz. 192 ff.)387. Auch diese Praktiken dienen dazu, Marktteilnehmer zu täuschen, ohne dass falsche Tatsachen aktiv vorgespielt werden. d) Kursbeeinflussung oder Eignung zu dieser Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 erfordert, dass das Verhalten den Kurs eines oder mehrerer Finanz- 168 instrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts tatsächlich beeinflusst oder dazu geeignet ist388. Gegenstand der (potenziellen) Beeinflussung müssen der Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente, ei- 169 nes damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktions380 Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 ist insoweit lex specialis, s. Rz. 189. 381 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 68. 382 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 180; zu Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 88; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 196; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 97. 383 Ebenso Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 180; vgl. auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 199. 384 Vertiefend Eichelberger, S. 242 ff. 385 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 196, 199. 386 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 200. 387 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 99. 388 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 234 ff.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 169 | Marktmanipulation objekts sein (Rz. 30 ff.). Kurs meint alle nach den Regeln des jeweiligen Handelsplatzes innerhalb der EUoder des EWR-Raumes zustande gekommenen An- und Verkaufspreise von Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten389. 170 Beeinflussen meint die künstliche, d.h. gegen den Markttrend erfolgende Erhöhung („nach oben“) und Sen-
kung („nach unten“) des Kurses, aber auch dessen künstliche Stabilisierung („zur Seite“)390. Grundsätzlich ist auch eine Beeinflussung verfälschter Kurse in die „richtige“ Richtung erfasst, obwohl entsprechendes Handeln aus teleologischen Gründen – etwa bei der Kursstabilisierung (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 78 ff.) – durchaus legitim sein kann391. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 erfordert anders als das Insiderrecht (Art. 14 VO Nr. 596/2014) nicht, dass die Preisbeeinflussung erheblich ist392, so dass sich die dortigen Streitfragen (dazu näher Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 78 ff.) für die Marktmanipulation nicht stellen. Es gibt auch keinen de-minimis-Vorbehalt393. Kapitalmarktrechtlich können auch kleinste Kursveränderungen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinträchtigen und mit Hilfe von Derivaten gewinnbringend ausgenutzt werden394, z.B. wenn der Preis nur ganz geringfügig über einer Schwelle liegt, ab der massenhaft stop loss orders ausgelöst werden.
171 Geeignet zur Beeinflussung von Kursen ist ein Verhalten, wenn es bei Würdigung aller Umstände des Ein-
zelfalles, insbesondere der konkreten Angaben und der konkreten Marktverhältnisse, generell tauglich ist, den Kurs zu beeinflussen. Mit anderen Worten muss für den konkreten Einzelfall eine generelle (hypothetische) Kausalität zwischen dem Verhalten einerseits und einer möglichen Kursbeeinflussung andererseits bestehen. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass konkret die Gefahr einer Kursbeeinflussung eintrat, und erst recht nicht, dass der Kurs tatsächlich beeinflusst wurde. Auf der anderen Seite kann aus einer Kursänderung, die zeitlich auf das manipulative Verhalten folgte, nicht ohne w. eiteres auf die Kursbeeinflussungseignung geschlossen werden, da es möglich bleibt, dass der Kurs sich unabhängig von dem Verhalten änderte, und es deshalb am Kausalzusammenhang fehlt. Mit anderen Worten ist die auf die Manipulation folgende Marktentwicklung nicht allein entscheidend: Weder beweist eine spätere Kursänderung per se die Kursbeeinflussungseignung, noch wird die Kursbeeinflussungseignung allein dadurch ausgeschlossen, dass sich der Kurs nicht ändert. Gleichwohl ist die anschließende Marktentwicklung ein bedeutender Indikator für das Vorliegen einer Marktmanipulation (vgl. auch Erwägungsgrund 15 VO Nr. 596/2014).
172 Methodisch wird die Kursbeeinflussungseignung im Wege einer objektiv nachträglichen Ex-ante-Prognose
festgestellt395. Nachträglich ist die Prognose, weil sie erst nach der Manipulation im Verwaltungs-, Bußgeldoder Strafverfahren zu treffen ist. Objektiv ist sie, weil es nicht auf die Einschätzung des Manipulators oder einzelner Anleger, sondern auf die objektive Eignung aus der Sicht eines verständigen Anlegers (vgl. Rz. 70 f.) ankommt. Im Einzelnen erfolgt die Prognose in drei Schritten:
173 Erstens ist die Prognosegrundlage aus der Ex-ante-Perspektive festzustellen. Die Prognosegrundlage besteht
einerseits aus den konkreten falschen Tatsachen bzw. den sonstigen Kunstgriffen oder Formen der Täuschung, die durch den Abschluss von Geschäften, die Erteilung von Handelsaufträgen oder sonstige Handlungen vermittelt wurden, und andererseits aus den konkreten Marktverhältnissen zum Zeitpunkt des Manipulationsverhaltens. Relevant ist insoweit insbesondere die Liquidität des konkreten Marktes in dem betroffenen Finanzinstrument396.
174 Zweitens sind die Prognoseregeln festzustellen. Im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 müs-
sen die Handlungen kausale, mindestens mitkausale Einflüsse auf die Kursbildung an Kapitalmärkten haben bzw. haben können. Die Suche nach generellen Kausalgesetzen verweist den Rechtsanwender auf die wirt-
389 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 235; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 25. 390 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 236. So auch schon der EuGH zur MAD I, s. EuGH v. 7.7.2011 – C-445/09, ECLI:EU:C:2011:459 – IMC Securities, NZG 2011, 951 = ZBB 2011, 285, indem er in einem klassischen Fall des trashing and cashing annahm, der Marktmanipulator habe den durch eine „Eisberg-Order“ manipulativ unter eine Stop-loss-Schwelle gedrückten Preis jedenfalls für eine Sekunde vor dem Kurssturz auch manipulativ „gehalten“. 391 Vgl. auch Sajnovits, ZGR 2021, 804, 833 ff. zu den von Brokern implementierten Handelsbeschränkungen im Zusammenhang mit der Kursrally bei GameStop und anderen Meme-Stocks. Strenger Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 235. 392 Wie hier auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 100 in der fälschlichen Annahme (ebendort Fn. 251), eine andere Auffassung als hier zu vertreten. 393 Treffend Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 201. 394 Eichelberger, S. 274 f. 395 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 238; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 30; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 41; vgl. zum alten Recht Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 34; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 202; Schönhöft, S. 83. 396 Vgl. auch EFTA-Court, 4.2.2020, E-5/19 Rz. 53.
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Marktmanipulation | Rz. 178 Art. 12 VO Nr. 596/2014
schaftswissenschaftliche Theorie der Preisbildung an Kapitalmärkten. Wegen der zahlreichen Unsicherheiten muss bei Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 ausreichen, dass es Erfahrungssätze über den Einfluss von Marktmanipulationen auf Marktpreise gibt, die so gut bestätigt sind, dass sich der Rechtsanwender von ihnen überzeugen kann, etwa der Satz, dass das Bekanntwerden von Umsatzeinbrüchen einer börsennotierten Aktiengesellschaft zu Kursverlusten bei der Aktie führt. Solche Erfahrungssätze sind der „allgemeinen Lebenserfahrung“, genauer: der allgemeinen Erfahrung der an Kapitalmärkten Tätigen zu entnehmen. Sie schlagen sich in Katalogen von Tatsachen mit Kursbeeinflussungspotential nieder. Dabei stellt sich ähnlich wie bei der näheren Bestimmung des verständigen Anlegers – jedenfalls soweit dieser als Marktkollektiv verstanden wird (Rz. 72 f.) – die Frage, ob die hypothetische Marktreaktion allein auf der Basis kapitalmarkttheoretischer Modellannahmen397 oder aber mithilfe von Methoden zur Prognostizierung des realen Marktgeschehens398 – insbesondere Ereignisstudien – zu ermitteln ist. Letzteres scheint mit Blick auf die Zwecksetzungen des Marktmanipulationsverbots – wie schon im Rahmen der Bestimmung des verständigen Anlegers (Rz. 69 ff.) – überzeugender. Drittens sind die Prognoseregeln auf die Prognosegrundlage anzuwenden, um zu dem Eignungsurteil zu 175 kommen. Dieses Urteil ist in der Regel nur ein Möglichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsurteil. Erforderlich, aber auch genügend ist die Feststellung, dass das Manipulationsverhalten nach den Umständen des Einzelfalles wahrscheinlich den Kurs beeinflussen kann. Hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrads ist – auch hier, vgl. Rz. 82 – eine hinreichend realistische Möglichkeit und damit eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % zu fordern399. Die Eignung ist ein rein objektives Tatbestandsmerkmal, sodass ein Verhalten geeignet sein kann, Folgen zu bewirken, auch wenn dies niemandem bekannt ist400. Allerdings gibt es nicht für alle Finanzinstrumente hinreichend verfestigte Erfahrungssätze der in Rz. 174 176 erwähnten Art. Je synthetischer ein Finanzinstrument ist (gestufte Derivate, Basket-Produkte usw.), desto unberechenbarer ist die Preisentwicklung401, und desto schwerer lässt sich die Kursbeeinflussungseignung eines bestimmten Manipulationsverhaltens feststellen. Umso bedeutsamer ist es, jedenfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Preisbeeinflussungseignung zu verlangen. Andernfalls stünde die Einordnung eines Verhaltens als marktmanipulativ quasi im Belieben der Aufsichtsbehörde. Ließe man ganz geringe Wahrscheinlichkeit genügen, eigneten sich theoretisch zahlreiche Verhaltensweisen zur Kursbeeinflussung. Die Beurteilung der Kursbeeinflussungseignung setzt Sachkunde voraus und ist keine reine Rechtsfrage. 177 Deshalb ist es – jedenfalls bei komplizierteren Vorgängen – vor Gericht in der Regel erforderlich, von Amts wegen ein finanzökonomisches Sachverständigengutachten einzuholen. Ob eine Kursbeeinflussungseignung durch Vorspiegelung falscher Tatsachen oder Verwendung sonstiger 178 Kunstgriffe oder Formen der Täuschung vorliegt, wenn im Rahmen der Verbreitung zutreffender Informationen lediglich verschwiegen wird, dass eine Position in dem jeweiligen Instrument besteht (z.B. bei ShortSeller-Attacken), ist differenziert zu beantworten402. Führen die Informationen zu einer zutreffenden Bewertung mit Blick auf das in den Anwendungsbereich der MAR einbezogene Instrument (Rz. 30 ff.), lässt sich das Verhalten nicht ohne Weiteres dem Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 subsumieren. Das Marktmanipulationsverbot bezweckt nämlich in erster Linie den Schutz der Kursintegrität und damit des Preisbildungsprozesses (Rz. 23 f.), weshalb Täuschungen oder Irreführungen diesen auch beeinflussen bzw. zumindest das Potenzial hierzu aufweisen müssen. Die Offenlegung von zutreffenden Informationen, die zu einer korrekten 397 Vgl. zum Insiderrecht Klöhn in Klöhn, Art. 7 MAR Rz. 271 ff.; ihm folgend Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 55; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 115 f.; Thelen, ZHR 182 (2018), 62, 64 f., 71. 398 Vgl. tendenziell BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, Stand: 25.3.2020, I.2.1.4.1., S. 12 ebenfalls zum Insiderrecht. Zu dem Ansatz Langenbucher, AG 2016, 417, 419 f. 399 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 101; vgl. zu § 20a WpHG a.F. auch Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 122; Eichelberger, S. 280; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 203; Schönhöft, S. 84, nach denen erforderlich, aber auch genügend, die ernstzunehmende Möglichkeit der Einwirkung auf den Preis sein sollte. 400 Zum alten Recht war umstritten, ob auf die Ex-ante-Perspektive eines verständigen Anlegers (Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 123) oder auf jene eines „börsenkundigen“ Anlegers ankommen soll oder ob sogar zusätzlich Erkenntnisse über die seinerzeitigen Verhältnisse zu berücksichtigen seien, die erst nachträglich offenbar geworden sind (in diese Richtung Hirte, Die Ad-hoc-Publizität im System des Aktien- und Börsenrechts, in Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, 1996, S. 47, 77). 401 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 177. 402 Mülbert, ZHR 181 (2018), 105, 107 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 143 (zu Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014), 212 ff., der Short-Seller-Attacken dem Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 subsumieren will, „sofern man die von den aktivistischen Leerverkäufern veröffentlichten Analysen und Berichte als irreführend einstuft“.
Mülbert | 399
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 178 | Marktmanipulation Bewertung durch den Markt führen, können daher aus teleologischen Gründen nicht ohne weiteres als Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 angesehen werden. Das zeigt aus systematischer Sicht auch der Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014, der nur Informationsverbreitungen verbietet, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Instruments aussenden oder ein anormales oder künstliches Kursniveau erzeugen. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 – soweit er auch informationsgestützte Informationen erfasst (Rz. 163, vgl. auch Rz. 66) – geht für sich genommen über diese für informationsgestützte Manipulationen allgemein geltende Bewertung nicht hinaus. Auch der Indikator nach Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014 erzwingt keine andere Bewertung, da er ebenfalls nur die Verbreitung von mit Blick auf das jeweilige Instrument unzutreffenden oder irreführenden Informationen im Blick hat. Es geht dem Marktmanipulationsverbot nicht abstrakt und allgemein um die Verhinderung jedweder Täuschung, sondern spezifisch um die Verhinderung von Täuschungen, die die Informationseffizienz des Marktes und damit letztlich die Allokationseffizienz beeinträchtigen (vgl. Rz. 24 f.). 179 Etwas anderes gilt, und insoweit kommt eine unmittelbare Anwendung des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/
2014 in Betracht, wenn die Offenlegung der Short-Position im Einzelfall zu einer anderen Bewertung der zutreffenden Informationen durch den Markt geführt hätte. Nur dann könnte davon gesprochen werden, dass in der Nichtoffenlegung eine „sonstige Form der Täuschung“ liegt und gerade diese den Kurs beeinflusst hat bzw. dazu geeignet war. Die Verbreitung zutreffender bzw. nachvollziehbarer Informationen über ein Finanzinstrument bzw. dessen Emittenten schließlich kommt nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 als Marktmanipulation in Betracht, wenn die dort genannten Umstände nicht ordnungsgemäß offengelegt werden. Dazu Rz. 266 ff. e) Subjektives Element
180 Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 statuiert nicht ausdrücklich ein Vorsatz- oder Fahrlässigkeitselement
(vgl. Rz. 93 ff.). Die von Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 erfassten Verhaltensweisen, die unter „Vorspiegelung falscher Tatsachen“ oder unter „Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung“ vorgenommen werden müssen, setzen aber wohl durchweg Vorsatz voraus403, wie die beiden Begriffe Vorspiegeln und Täuschung nahelegen. Dies bestätigt zudem die Aufzählung beispielhafter Praktiken in Anhang I B. und Art. 4 i.V.m. Anhang II Abschnitt 2 DelVO 2016/522 (Rz. 181 ff.), die durchweg verlangen, dass der Manipulator vorsätzlich handelt.
f) Marktmanipulationen bei den Indikatoren nach Anhang I B. VO Nr. 596/2014 i.V.m. der DelVO 2016/522 181 Für die Anwendung von Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 findet sich in Anhang I B. VO Nr. 596/2014
eine Liste nicht abschließender Indikatoren404. Ein entsprechender Sachverhalt deutet auf eine Marktmanipulation hin; die Indikatoren stellen aber weder Regelbeispiele dar, noch kommt deren Verwirklichung eine Vermutungswirkung zu (näher Rz. 6, 283 ff.). Weiter präzisiert werden diese Indikatoren durch die in Art. 4 i.V.m. Anhang II Abschnitt 2 DelVO 2016/522 aufgezählten Praktiken (Rz. 196 ff.).
aa) Zusammenhang mit falschen Informationen (Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014) 182 Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014 nennt als Indikator für eine Marktmanipulation, dass von bestimmten
Personen erteilte Handelsaufträge oder ausgeführte Geschäfte vorab oder im Nachgang zu der Verbreitung falscher oder irreführender Informationen durch dieselben oder in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen begleitet wurden405. In jüngerer Zeit werden entsprechende Manipulationsstrategien häufig mittels sog. stock spams verfolgt406. Eine weitere Präzisierung des Indikators nach Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/ 2014 leisten die in Anhang II Abschnitt 2 Nr. 1 DelVO 2016/522 aufgeführten Praktiken (Rz. 196 ff.). 403 Überzeugend Schmolke, AG 2016, 434, 443, auch mit einer Analyse der englischen Sprachfassung; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 97, 102; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 61; a.A. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 74. 404 ESMA, Final report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 13 Abs. 29. 405 In Umsetzung von Art. 5a Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG nannte bereits § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV als Indikator für eine Marktmanipulation, dass vor, während oder nach einem Geschäft oder Kauf- oder Verkaufsauftrag unrichtige oder irreführende Informationen von einer Person weitergegeben werden, die entweder Geschäftspartner oder Auftraggeber ist oder mit diesen in enger Beziehung steht. 406 Dazu Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1292 ff.; Bouraoui/Mehanaoui/Bahli, The Journal of Applied Business Research 2013, 79 ff.; Fleischer in Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 11; Fleischer, ZBB 2008, 137 ff.
400 | Mülbert
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Marktmanipulation | Rz. 188 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Der Begriff der Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen ist wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. c 183 VO Nr. 596/2014 zu bestimmen (Rz. 198 ff.). Personen sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 sowohl natürliche als auch juristische Personen. In enger Beziehung zueinander stehen Personen, wenn sie nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 eng miteinander verbunden sind (dazu Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 39 f.)407. Die Indizwirkung für eine Marktmanipulation wird maßgeblich dadurch begründet, dass zwischen Fehlinformation und Transaktion ein enger personeller und zeitlicher Zusammenhang besteht; gerade in dem Zusammentreffen von Fehlinformation und Transaktion liegt für die Aufsichtsbehörden eine Aufdeckungserleichterung gegenüber einer rein informationsgestützten Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014. Dem Indikator unterfallende Verhaltensweisen können im Einzelfall auch eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 darstellen (Rz. 198 ff.)408, sofern Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 wegen des Fehlens eines engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs nicht vorrangig anwendbar ist409. Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. c, d und e DelVO 2016/522 nennt zur näheren Bestimmung des Indika- 184 tors nach Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014 die bereits oben angeführten Manipulationspraktiken pump and dump (Rz. 134)410, trash and cash (Rz. 136) und concealing ownership (Rz. 127). Die genannten Praktiken erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/ 185 2014 nur bei Vorsatz des Manipulators411. Nur ein vorsätzliches Handeln kann die Tatbestandsmerkmale „Vorspiegelung falscher Tatsachen“, „Verwendung sonstiger Kunstgriffe“ oder andere „Formen der Täuschung“ verwirklichen. Ein concealing ownership kann allerdings auch bei fehlendem Vorsatz die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllen (Rz. 127) und deshalb als Marktmanipulation verboten sein. Verbreitung falscher oder irreführender Informationen im zeitlichen Zusammenhang mit Transaktio- 186 nen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. a DelVO 2016/522): Präzisierend verweist die DelVO 2016/522 auf die Praktik des Verbreitens falscher oder fehlerhafter Marktinformationen über die Medien einschließlich des Internets oder mit anderen Mitteln, das zur Verschiebung des Kurses eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts in eine Richtung führt bzw. wahrscheinlich führt, die für die Position, die von der an der Verbreitung der Information interessierten Person gehalten wird, oder eine von dieser/diesen geplanten Transaktion, von Vorteil ist412. Insofern können sich im Einzelfall Überschneidungen mit dem zwingenden Manipulationsbeispiel des Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 ergeben (zu diesem Rz. 266 ff.)413. Für einen Verstoß gegen Art. 15 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 ist Vorsatz des Manipulators 187 ganz regelmäßig erforderlich. Dieser muss sich auf die falschen bzw. irreführenden Informationen beziehen. Zudem wird der im Zusammenhang mit falschen oder irreführenden Informationen vorrangige Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 nur verdrängt, wenn ein hinreichend enger personeller und zeitlicher Zusammenhang zu der Transaktion besteht, durch die von der Kursentwicklung profitiert wird (Rz. 183). Besteht dieser Zusammenhang nicht oder liegt kein Vorsatz vor, kann die auch nur fahrlässige Verbreitung falscher oder irreführender Informationen daher immer noch eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 darstellen. Eröffnung einer Position und Schließung derselben unmittelbar nach ihrer Offenlegung (Anhang II Ab- 188 schnitt 1 Nr. 1 lit. b DelVO 2016/522): Als weitere den Indikator nach Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014 ausfüllende Praktik nennt die DelVO 2016/522 die Schließung einer Position in einem Finanzinstrument, einem verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts unmittelbar nach der Eröffnung der Position und der Offenlegung der Eröffnung unter Betonung des langfristigen Charakters der Investition414.
407 Dazu auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 184; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 78. 408 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 186; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 96, 104. 409 Wie hier mit eingehender Begründung Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 77. 410 Ergänzend soll die die Verbreitung von Meldungen in den Medien über den Anstieg (oder Rückgang) einer qualifizierten Beteiligung kurz vor oder kurz nach einer ungewöhnlichen Bewegung im Preis eines Finanzinstruments auf die Praxis hinweisen. Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 219. 411 Wie hier Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 103. 412 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 212 ff. 413 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 214. 414 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 215 ff.
Mülbert | 401
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 189 | Marktmanipulation 189 Damit ein entsprechendes Verhalten die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/
2014 erfüllt, muss der Manipulator vorsätzlich handeln415. In einem entsprechenden Vorgehen liegt nämlich nur dann ein Vorspiegeln von Tatsachen bzw. eine sonstige Markttäuschung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014, wenn die Eröffnung der Position gerade zu dem Zweck (Absicht) ihrer anschließenden Schließung und der zunächst aus der Eröffnung folgenden Markttäuschung erfolgt ist. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 ist gegenüber Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der falschen oder irreführenden Information und der Transaktion (Schließung der Position) vorrangig anwendbar. Keine Marktmanipulation liegt vor, wenn die ursprüngliche Offenlegung zutreffend war und die Investition tatsächlich langfristig geplant war, diese Entscheidung aber später (legitimer Weise) revidiert wurde.
190 Bewegung oder Lagerung physischer Waren (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. f DelVO 2016/522): Die
Bewegung oder Lagerung physischer Waren, durch die ein irreführender Eindruck in Bezug auf Angebot und Nachfrage bzw. den Kurs oder Wert einer Ware oder Leistung im Rahmen eines Finanzinstruments oder eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts entstehen könnte, ist nach der DelVO 2016/522 eine weitere Praktik, die zur Ausfüllung des Indikators nach Anhang I B. lit. a VO Nr. 596/2014 geeignet ist416.
191 Tatbestandlich handelt es sich um eine sonstige Handlung (vgl. Rz. 66) unter Verwendung sonstiger Kunst-
griffe oder sonstiger Formen der Täuschung und damit um eine handlungsgestützte Manipulation417. Der Manipulator muss mit der Bewegung oder Lagerung der physischen Waren bezwecken, einen irreführenden Eindruck in Bezug auf die genannten Parameter zu erwecken. Nur dann liegt tatbestandlich eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 vor.
192 Leerfahrten von Schiffen (Anhang II Abschnitt 1 Nr. 1 lit. g DelVO 2016/522): Eine weitere indizielle
Praktik stellen nach der DelVO 2016/522 die Leerfahrten von Schiffen dar, durch die ein falscher oder irreführender Eindruck in Bezug auf Angebot und Nachfrage oder in Bezug auf den Kurs oder Wert einer Ware oder Leistung im Rahmen eines Finanzinstruments oder eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts entstehen könnte418.
193 Damit die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 erfüllt sind, muss der Ma-
nipulator mit den Leerfahrten der Schiffe bezwecken, einen falschen oder irreführenden Eindruck in Bezug auf die genannten Parameter entstehen zu lassen. Die Leerfahrt von Schiffen kann nämlich ohne weiteres legitime Gründe haben und es kann nicht als Marktmanipulation gewertet werden, wenn dadurch – ohne, dass der Manipulator dies bezweckt hätte – ein falscher oder irreführender Eindruck für Marktteilnehmer entsteht. bb) Zusammenhang mit Anlageempfehlungen (Anhang I B. lit. b VO Nr. 596/2014)
194 Anhang I B. lit. b VO Nr. 596/2014 nennt als Indikator für eine Marktmanipulation, dass Geschäfte von
Personen in Auftrag gegeben bzw. ausgeführt werden, bevor oder nachdem diese Personen oder in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen (Rz. 182) unrichtige oder verzerrte oder nachweislich von materiellen Interessen beeinflusste Anlageempfehlungen erstellt oder weitergegeben haben. Damit wird eine Form des scalping als Indikator für eine Marktmanipulation aufgegriffen, obgleich das scalping in Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 auch als Regelbeispiel einer Marktmanipulation aufgeführt ist (Rz. 266 ff.)419. Die näheren Präzisierungen in Anhang I B lit. b VO Nr. 596/2014 und Art. 4 i.V.m. Abschnitt 2 Nr. 2 DelVO 2016/522 können aber auch dabei helfen, einen Verstoß gegen das zwingende Beispiel des Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 zu erkennen und zu ahnden.
195 Anlageempfehlungen meint nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 VO Nr. 596/2014 Informationen mit expliziten oder
impliziten Empfehlungen oder Vorschlägen zu Anlagestrategien in Bezug auf ein oder mehrere Finanzinstrumente oder Emittenten, die für Verbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit vorgesehen sind, einschließlich einer Beurteilung des aktuellen oder künftigen Wertes oder Kurses solcher Instrumente420 (näher Art. 20 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 ff.). Aber auch Anlagestrategieempfehlungen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 VO Nr. 596/ 2014 können zur Ausfüllung des Indikators taugen. Entsprechende Anlageempfehlungen/Anlagestrategie415 416 417 418 419 420
Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 217. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 222 f.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 81. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 223. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 224 f.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 81. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 226. Näher dazu ESMA, Questions and Answers on the Market Abuse Regulation, ESMA70-145-111 Version 15, Last updated on 6 August 2021, Section 8, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/es ma70-145-111_qa_on_mar.pdf.
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Marktmanipulation | Rz. 199 Art. 12 VO Nr. 596/2014
empfehlungen sind unrichtig oder verzerrt421, wenn sie falsche Tatsachenbehauptungen enthalten oder sonst geeignet sind, aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers ein unzutreffendes Bild über die wirtschaftlichen Aussichten des betreffenden Finanzinstruments oder des Emittenten zu erzeugen422. Insoweit bietet sich ein Rückgriff auf die Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 an, wenngleich nicht jeder Verstoß gegen diiese Vorgaben dazu führt, dass zugleich eine Marktmanipulation vorliegt. Sie sind nachweislich von materiellen Interessen beeinflusst, wenn der Manipulator oder ihm nahestehende Personen (Rz. 182) Positionen in den Finanzinstrumenten innehaben und diese nach einem von der Anlageempfehlung beeinflussten Kursanstieg abstoßen wollen. Bei Offenlegung dieses Umstands gemäß den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 entfällt die Indizwirkung. Nach Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 lit. a DelVO 2016/522 liegt eine Praktik, die auf den Indikator nach 196 Anhang I B. lit. b VO Nr. 596/2014 hindeutet, in der oben Rz. 194 f. ausgeführten Verbreitung falscher oder irreführender Informationen im zeitlichen Zusammenhang mit Transaktionen. Entsprechende Vorgehensweisen finden sich häufig, wenn Handelsaufträgen oder Transaktionen eingegeben werden, bevor oder kurz nachdem der Marktteilnehmer oder Personen, die in der Öffentlichkeit als mit diesem Marktteilnehmer verbunden bekannt sind, konträre Untersuchungen anstellen bzw. deren Ergebnisse verbreiten oder Anlageempfehlungen erteilen, die öffentlich zugänglich gemacht werden. Nach Anhang II Abschnitt 2 Nr. 2 lit. b und c DelVO 2016/522 weisen zudem die schon oben beschriebe- 197 nen Manipulationspraktiken pump and dump (Rz. 134) sowie trash and cash (Rz. 136) auch auf den Indikator nach Anhang I B. lit. b VO Nr. 596/2014 hin.
3. Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 adressiert den klassischen Fall der informationsgestützten Marktmani- 198 pulation und definiert als Marktmanipulationshandlung die Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich des Internets oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts oder der Nachfrage danach gibt oder bei der dies wahrscheinlich ist oder die ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts herbeiführt oder bei der dies wahrscheinlich ist, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren. Davon umfasst ist ausdrücklich auch die Verbreitung von Gerüchten423. Art. 21 VO Nr. 596/2014 ist bei der Anwendung zu berücksichtigen (näher Art. 21 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 ff.)424. a) Verbreitung von Informationen Der Informationsbegriff des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 umfasst sowohl Tatsachen als auch Wert- 199 urteile, Prognosen und bloße Gerüchte425. Ob diese Informationen einen Tatsachenkern haben, ist ohne Belang426. Die Informationen müssen verbreitet werden, wobei die MAR den Begriff der Verbreitung nicht näher inhaltlich konturiert427. Informationen müssen über einen Erklärungskanal verbreitet werden, wobei die MAR insoweit die Medien, einschließlich des Internets oder andere Wege nennt. Mit dem letzten Auffangtatbestand sind alle denkbaren Erklärungskanäle erfasst. Da Websites, Blogs und – insbesondere428- soziale Medien immer stärker genutzt werden –, muss die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen über das Internet, einschließlich über Websites sozialer Medien oder anonyme Blogs, als gleichwertig 421 Das Tatbestandsmerkmal ist mit dem der Irreführung gleichzusetzten. So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 227. 422 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 227. 423 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 239 ff.; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 66; Rönnau/ Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 48. 424 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 271 f. 425 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 79 f.; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 476; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 242; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 194; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 11 ff. 426 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 242; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 85; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 119. 427 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 246, der auf die Definition in der Durchführungs-RL 2003/125/EG hinweist. 428 Zur wachsenden Bedeutung der Informationsverbreitung über soziale Medein auch Kuntz, ZHR 183 (2019), 190, 226 ff.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 199 | Marktmanipulation mit der Verbreitung über traditionellere Kommunikationskanäle betrachtet werden (Erwägungsgrund 48 VO Nr. 596/2014). Die Erklärungsform ist ohne Belang429; ob Informationen schriftlich, elektronisch, mündlich oder in einer sonstigen Kommunikationsform verbreitet werden, spielt keine Rolle. Gleichfalls unerheblich ist der Kontext, in dem die Informationen verbreitet werden; auch Erklärungen im (vermeintlich) privaten oder sozialen Bereich sind grundsätzlich erfasst430. In Betracht kommen insbesondere Angaben in Bilanzen, Lageberichten, sonstigen Geschäftsberichten oder in Ad-hoc-Mitteilungen i.S.v. Art. 17 VO Nr. 596/2014431, ferner Angaben, die der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft in der Hauptversammlung macht. Relevante Angaben können sich ferner in Prospekten finden. Zudem kommt das „Streuen“ von Informationen über Medien aller Art (Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet), z.B. bei Pressekonferenzen oder -mitteilungen, in Betracht, außerdem das sog. „vergiftete tipping“ (dazu Art. 8 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 91 ff.). Nicht ausreichend ist aber die Informationsverbreitung allein mittels des Abschlusses eines Geschäfts oder der Erteilung eines Handelsauftrags, und damit rein handelsgestützte Manipulationen, da insoweit Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 zur Anwendung kommen (Rz. 54)432. 200 Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 setzt nicht voraus, dass die Information gegenüber einem größeren
Kreis von Personen oder gar öffentlich verbreitet wird433. So kann z.B. im Falle finanzkräftiger Investoren, deren alleiniges Handeln den Kurs zu beeinflussen geeignet ist, selbst eine gegenüber einer einzigen Person offenbarte Information tatbestandsmäßig sein434. Auch im Übrigen können das vergiftete tipping in Beratungsgesprächen und das ungezielte „Streuen“ von unrichtigen Informationen ausreichen. Für das Verbreiten der Informationen genügt deshalb die Kundgabe gegenüber zumindest einer Person, weshalb über die Abgabe einer Erklärung hinaus auch deren Zugang bei mindestens einer Person erforderlich ist, wobei die Information in der Weise in den Herrschaftsbereich dieser Person gelangen muss, dass sie von ihr Kenntnis nehmen kann435. Der Begriff der Verbreitung alleine deutet nicht zwangsläufig auf eine Breitenwirkung hin, die nur bei einer größeren Zahl von Personen vorliegen kann436. Tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich, erst recht nicht, dass bei dem oder den Adressaten ein Irrtum erregt, und noch weniger, dass der Kurs tatsächlich beeinflusst wird437.
201 Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 richtet sich grundsätzlich an jedermann (Rz. 42 ff.). Gleichwohl stellt
nicht jede Mitwirkung an dem Verbreiten von Informationen schon ein „Verbreiten“ von Informationen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 dar, etwa wenn eine Sekretärin die Vorlage zu einem, wie sie erkennt, unrichtigen Prospekt schreibt438, oder wenn ein EDV-Mitarbeiter eine, wie er erkennt, unrichtige Ad-hoc-Mitteilung des Unternehmensvorstandes auf die Website der Gesellschaft stellt. Es bedarf vielmehr einer normativen Zurechnung („Abgrenzung von Verantwortungsbereichen“439) der Information zu dem sie Verbreitenden440. Eine Information verbreitet danach nur, wer Konzeptionsherrschaft über sie hat oder sie sich in der Weise zu eigen macht, dass er selbst Verantwortung für ihre Richtigkeit übernimmt441. Zu möglichen Konzeptionären unrichtiger Informationen zählen z.B. Vorstände, Geschäftsführer oder (Mehr-
429 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 249; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 195; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 86; Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 119; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 39. 430 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 172. 431 Darauf stellt die BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80 insbesondere ab. 432 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 250. 433 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 478; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 25; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 247 unter Verweis auf die alte Definition in der Durchführungs-RL 2003/125/EG. 434 Restriktiver und nur in Einzelfällen die Äußerung einer Person gegenüber als hinreichend ansehend Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 86; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 247 (obwohl er in Rz. 248 selbst einräumt, dass die Frage, wann eine hinreichend große Anzahl von Personen vorliegt, maßgeblich davon abhängt, wann ein Preisbeeinflussungspotenzial vorliegt); Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 104, 121 f. 435 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 478; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 86. 436 So aber Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 247; ebenso Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 122. Wie hier dagegen BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80. 437 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 249; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 132. 438 Ähnliches Beispiel bei Joecks, wistra 1986, 142, 148 (zu § 264a StGB); Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 13. 439 Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 177. 440 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 478; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 251; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 13. 441 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 251; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 13.
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Marktmanipulation | Rz. 204 Art. 12 VO Nr. 596/2014
heits-)Gesellschafter eines Emittenten442. Unrichtige Informationen zu eigen machen können sich bei fehlerhaften Wertpapierprospekten insbesondere die Prospektverantwortlichen i.S.d. § 9 WpPG, also neben dem Emittenten und dessen Leitungsorganen auch der Anbieter, der Zulassungsantragsteller und ggf. ein Garantiegeber. Daneben kommen aber auch Anlageberater oder -vermittler als Informationen verbreitende Personen in Betracht, sofern sie für Angaben selbst die Verantwortung übernehmen. Informationen können nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 nur durch positives Tun und nicht durch 202 bloßes Unterlassen verbreitet werden443, wie sich aus dem Normtext („Verbreitung“, „disseminating“, „diffuser“) eindeutig ergibt. Dies gilt sowohl, wenn ein Unterlassen gegen eine echte Rechtspflicht zum Handeln verstößt, als auch und erst recht, wenn keine bestehende Rechtsvorschrift eine Aufklärung gebietet, jedoch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Aufklärungspflichten bestehen444. b) Verbreitung von Gerüchten Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 lässt ausdrücklich auch die Verbreitung von Gerüchten für eine markt- 203 manipulative Handlung genügen445. Aber auch wenn das Marktmanipulationsregime in Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 – anders als noch zum früheren § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG vertreten446 – keinen nachprüfbaren Tatsachenkern mehr für einen Verstoß verlangt, unterfallen bloße, wenn auch übertreibende Anpreisungen und verkehrsübliche Schönfärberei nicht ohne Weiteres dem Manipulationsverbot der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014447, da sie das Marktverhalten eines verständigen Anlegers (Rz. 70 f.) nicht beeinflussen. Die Verbreitung von Gerüchten kann daher nur dann zur Tatbestandsverwirklichung genügen, wenn diese geeignet sind, von einem verständigen Anleger ernstgenommen zu werden448. So kann es liegen, wenn derjenige, der ein Gerücht streut, besondere Sachkunde, Erfahrung oder Autorität in Anspruch nimmt. Ferner können Gerüchte bedeutsam sein, wenn der sie Streuende sich z.B. auf vertrauenswürdige Quellen bezieht. In der Kapitalmarktforschung ist seit langem anerkannt, dass zahlreiche Anleger ihre Investitionsentscheidungen auch auf bloße Gerüchte aufbauen und einem Trend folgen und sich dabei noch nicht einmal irrational verhalten müssen449. c) Falsche oder irreführende Signale oder Wahrscheinlichkeit hierzu Die verbreiteten Informationen müssen in der ersten Variante des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 falsche 204 oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots oder des Kurses eines Finanzinstruments, eines damit
442 Wie hier Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 13. 443 Ebenso Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 126 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 86; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 26 ff.; für Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 und auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 252 (anders aber für Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014); näher zum Folgenden Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; Saliger, WM 2017, 2329; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 210, 276 ff.; a.A. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64; Richter, WM 2017, 1636; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 982 f. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80 f.; Renz/ Leibhold, CCZ 2016, 157, 166. Der frühere § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verbot noch das bloße Verschweigen von erheblichen Angaben entgegen bestehender Rechtsvorschriften, so dass auch ein pflichtwidriges Unterlassen eine tatbestandliche Marktmanipulation darstellen konnte. Näher Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 67. Mit der Statuierung einer echten Unterlassungsvariante als Form der Marktmanipulation durch den früheren § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ging der deutsche Gesetzgeber über die zwingenden Vorgaben der MAD I hinaus. Diese überschießende Richtlinienumsetzung im WpHG war jedoch unter dem Regime der MAD I unschädlich, da diese insoweit nur mindestharmonisierende Vorgaben machte. 444 Die Behandlung entsprechender Pflichtverletzungen wurde früher unterschiedlich beurteilt. Übersicht bei Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 67. 445 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 85; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 244 f.; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 13 ff.; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 66. Anders noch die h.M. zum früheren § 20a WpHG, s. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 89. Ebenso Schönhöft, S. 56 f.; Zimmer/Bator in Schwark/ Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 85; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 194; Trüstedt, S. 135 ff.; Ledermann in Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8; Schwark, Börsengesetz, 2. Aufl., Einl. § 88 BörsG Rz. 6. 446 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 89. Ebenso etwa Schönhöft, S. 56 f.; Trüstedt, S. 135 ff.; Ledermann in Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8; Schwark, Börsengesetz, 2. Aufl., Einl. § 88 BörsG Rz. 6. Krit, dazu etwa schon Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 60. 447 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 476; vgl. auch Langenbucher, AG 2016, 417, 421; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 130. 448 Insoweit zutr. Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 7 zu § 88 BörsG a.F. „ernst gemeint“. 449 Grundlegend Banerjee, Quarterly Journal of Economics 107 (1992), 797; Bikhchandani/Hirshleifer/Welch, Journal of Political Economy 100 (1992), 992.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 204 | Marktmanipulation verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts oder der Nachfrage danach geben oder es muss zumindest eine Wahrscheinlichkeit hierzu bestehen450. 205 Eine Information gibt (wahrscheinlich) ein Signal für das Angebot, die Nachfrage oder den Kurs eines der
erfassten Instrumente, wenn die Information geeignet ist, das Angebots- bzw. Nachfrageverhalten eines verständigen Anlegers auf dem Markt zu beeinflussen (näher schon Rz. 70 f.)451. Es kommt nicht darauf an, ob die falschen oder irreführenden Signale für die Bewertung eines Finanzinstruments, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts vorteilhaft oder nachteilig sind. Die Wahrscheinlichkeit eines falschen oder irreführenden Signals für den Kurs muss auch hier bei über 50 % liegen (vgl. Rz. 85). Für eine beispielhafte Auflistung von Informationen, denen regelmäßig eine entsprechende Eignung zur Signalwirkung zukommt, s. Rz. 215 ff.
206 Eine verbreitete Information gibt ein falsches Signal, wenn die Information nicht den wahren wirtschaftli-
chen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt in Bezug auf das jeweilige Finanzinstrument entspricht452. Festzustellen ist dies in drei Schritten: Erstens muss der Inhalt der verbreiteten Information durch Auslegung nach dem objektivierten Empfängerhorizont (verständiger Anleger, Rz. 70 ff.) ermittelt werden453. Dabei sind Auffassung und Verständnis des angesprochenen Personenkreises maßgeblich454. Zweitens muss der Inhalt der verbreiteten Information mit den objektiven Gegebenheiten verglichen werden. Verbreitete Informationen, die Tatsachen enthalten, sind unrichtig, wenn sie objektiv unwahr sind. Verbreitete Informationen, die Werturteile oder Prognosen zum Gegenstand haben, sind jedenfalls dann unrichtig, wenn diejenigen Tatsachen, welche zur Stützung des Werturteils oder der Prognose angegeben werden (sog. Werturteilsoder Prognosebasis), objektiv unwahr sind. Darüber hinaus sind Werturteile und Prognosen unrichtig, wenn sie eindeutig bzw. schlechterdings unvertretbar sind455. Schlechterdings unvertretbar ist es auch, Werturteile und Prognosen „ins Blaue hinein“ ohne jede Tatsachenprüfung abzugeben, soweit nach den Umständen erwartet werden darf, dass eine solche Prüfung stattgefunden hat456. Drittens muss geprüft werden, ob die konkret verbreitete Information auch geeignet ist, das Angebots- oder Nachfrageverhalten eines verständigen Anlegers zu beeinflussen (vgl. näher Rz. 205). Das ist jedenfalls bei denjenigen Informationen der Fall, die als Insiderinformation i.S.d. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu qualifizieren sind (Auflistung Rz. 215)457.
207 Eine verbreitete Information gibt nicht allein deshalb ein falsches Signal, weil genauere oder vollständigere
Angaben möglich gewesen wären oder weil die Angaben tendenziös erscheinen. Jedoch können „an sich“ richtige Angaben irreführend (Rz. 204) sein, wenn sie so formuliert sind, dass das Anlegerpublikum sie missversteht. Andererseits ist es bei „an sich“ unrichtigen bzw. unvollständigen schriftlichen Angaben möglich, diese mündlich in der Weise zu ergänzen, dass sie insgesamt richtig bzw. vollständig sind458. Zudem sind normative Richtigkeitsmaßstäbe zu beachten. Für die Richtigkeit von Informationen, die durch Bilanzen oder Prospekte verbreitet werden, ist zu beachten, ob bilanz- oder prospektrechtliche Richtigkeitsgrundsätze eingehalten worden sind. Beispielsweise gebietet das bilanzrechtliche Realisationsprinzip, dass Gewinne nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert worden sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 HGB). Auch „Bilanzkosmetik“, mit der die Lage eines börsennotierten Unternehmens in eindeutig nicht mehr vertretbarer Weise günstiger dargestellt wird, als es dem true and fair value entspricht, oder ein
450 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 81 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 256 ff.; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 32 ff.; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 67. 451 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 81; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 476, 480; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 257 ff.; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 37 f.; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 67; vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 27. 452 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 81; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 261; Teigelack in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 38 (Angebot, Nachfrage oder Preis). 453 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 477; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 131; vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 81. 454 Vertiefend Eichelberger, S. 242 ff.; s. für § 264a StGB Tiedemann in Leipziger Komm. StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a StGB Rz. 54 m.N. 455 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 181; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 196; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 131 f.; für § 264a StGB Tiedemann in Leipziger Komm. StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a StGB Rz. 54; skeptisch aber zustimmend Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 88. 456 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 88. 457 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 81. 458 Ebenso zu § 264a StGB Tiedemann in Leipziger Komm. StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a StGB Rz. 57.
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Marktmanipulation | Rz. 211 Art. 12 VO Nr. 596/2014
diesem Maßstab widersprechendes Beschönigen von konkreten Risiken in Unternehmenskommunikationen können Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 unterfallen. Ein Signal ist irreführend, wenn es objektiv459 geeignet ist, einen verständigen Anleger über die wahren 208 wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem jeweiligen Markt in Bezug auf das jeweilige Instrument zu täuschen460. Es genügt mit anderen Worten, dass die Angabe eine konkrete Gefahr einer solchen Täuschung begründet, wie z.B. bei evidenten Ungleichgewichten in der Darstellung an sich zutreffend mitgeteilter Sachumstände461. Maßgeblicher Verständnishorizont ist auch insoweit der eines verständigen Anlegers, der mit Unternehmenskommunikationen vertraut ist und Gehalt und Reichweite der in ihnen enthaltenen Informationen einzuschätzen weiß (vgl. Rz. 70 f.)462. Durch eine Anlagestrategieempfehlung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 VO Nr. 596/2014) oder eine Anlageempfeh- 209 lung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 VO Nr. 596/2014) werden dann falsche oder irreführende Signale gegeben, wenn sie inhaltlich unrichtig, fehlerhaft, oder verzerrend ist. Bloße Formverstöße (z.B. gegen die Identifizierungspflicht des Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/958) sind für sich allein für eine Fehlerhaftigkeit nicht ausreichend463. Für die Unrichtigkeit ist an den Anforderungen des Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und dessen Konkretisierung in der DelVO 2016/958 Maß zu nehmen (Art. 20 VO Nr. 596/2014 Rz. 38 ff.), insbesondere am Erfordernis der Objektivität und der Pflicht, Interessenkonflikte offen zu legen. Falsch ist eine Anlagestrategieempfehlung oder eine Anlageempfehlung, wenn mehr als nur unwesentliche Teile der Analysegrundlage unrichtig, d.h. unwahr oder unvertretbar sind, ferner dann, wenn sie unvollständig ist oder entgegen Art. 5 DelVO 2016/958 ohne die erforderliche Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erstellt worden ist, und schließlich auch dann, wenn das Analyseergebnis nicht mehr vertretbar ist464. Irreführend ist eine Anlagestrategieempfehlung oder eine Anlageempfehlung, wenn sie zwar nicht falsch ist, jedoch die Darstellung in einer Weise gefasst ist, dass ein verständiger Anleger sich über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse kein korrektes Bild machen kann. Ensprechend gelten diese Grundsätze für Anlageempfehlungen, die nicht die Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 bzw. 35 VO Nr. 596/2014 erfüllen. Allerdings bestehen bei diesen ggf. weniger strenge und weniger formalisierte Anforderungen an die Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit der Erstellung und an die Sachgerechtigkeit der Darstellung. Werden Informationen – auch in Form einer Anlage(strategie)empfehlung – im Nachgang zu getätigten Leer- 210 verkäufen in den Markt gegeben und bewirken diese sodann einen Kursverfall des leerverkauften Finanzinstruments (sog. Short-Seller-Attacken)465, ist zu unterscheiden. Handelt es sich um falsche oder irreführende Signale im eben beschriebenen Sinne (Rz. 204 ff.), kann in dem Verhalten eine Marktmanipulation liegen. Sind die Informationen hingegen zutreffend bzw. beruhen sie auf nachvollziehbaren Analysen bzw. Bewertungen, scheidet ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 aus. Ebenso wenig kann nach neuem Recht in dem bloßen Verschweigen offenlegungspflichtiger Tatsachen – etwa der Offenlegungspflicht über Netto-Leerverkaufspositionen nach Art. 6 VO Nr. 236/2012 – ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot liegen (Rz. 201 f.)466. Zu Short-Seller-Attacken 178, 210, 275 und Vor Art. 1 ff. VO Nr. 236/2012 Rz. 71 ff.).
d) Anormales oder künstliches Kursniveau oder Wahrscheinlichkeit hierzu Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 lässt in seiner zweiten Variante für eine Marktmanipulation auch genü- 211 gen, dass die verbreitete Information ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Fi459 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 182; a.A. noch Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 118 ff., wonacb die Informationen einen „beachtlichen Teil“ des angesprochenen Personenkreises irreführen muss bzw. dazu geeignet sein muss. Mit dem Abstellen auf einen objektivierten, verständigen Anleger erübrigt es sich, auf einen beachtlichen Teil des Anlegerpublikums abzustellen. 460 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 81; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 261; Teigelack in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 39 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 89; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 132; im Wesentlichen wie hier zum alten Recht Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 47 und zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 33; a.A. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 223: die Begriffe „falsch“ und „irreführend“ seien hier sachlich gleichbedeutend. 461 Vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 182. 462 Vgl. ebenso zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 34. 463 Zust. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 82. 464 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 82 fassen die Variante der Empfehlung auf unvollständiger Empfehlungsgrundlage unter das Merkmal „verzerrt“. 465 Dazu Schockenhoff/Culmann, AG 2016, 517. 466 Dies ziehen Schockenhoff/Culmann, AG 2016, 517, 520 f. in Betracht.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 211 | Marktmanipulation nanzinstrumente, eines verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts herbeiführt oder dass die Herbeiführung wahrscheinlich ist467. Die Tatbestandsvariante hat im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 eine untergeordnete Bedeutung, da die Erzielung eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus die Folge der Informationsverbreitung sein muss und diese Wirkung gerade darauf beruht, dass die verbreitete Information eine Signalwirkungseignung aus Sicht eines verständigen Anlegers hat, diesen also potenziell in seinem Angebots- oder Nachfrageverhalten beeinflusst. 212 Was ein anormales oder künstliches Kursniveau angeht, gelten die Ausführungen in Rz. 84 entsprechend.
Ein derart falsches Kursniveau ist gegeben, wenn es die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse oder den marktgerechten Preis verfehlt, weil es sich nicht mehr als Ergebnis von Angebot und Nachfrage in einem manipulationsfreien Marktumfeld darstellt (näher Rz. 84 ff.). Auch Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 fordert nicht, dass tatsächlich ein anormales oder künstliches Kursniveau gesichert worden ist, sondern es genügt die Wahrscheinlichkeit hierzu (vgl. Rz. 85). Das Wahrscheinlichkeitskriterium ermöglicht es den Aufsichtsbehörden und später auch den Gerichten, auf die im Rahmen der ökonomischen Modellrechnungen bestehenden Unsicherheiten zu reagieren und bei einer genügenden Wahrscheinlichkeit gleichwohl einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot zu bejahen. Die erforderliche Wahrscheinlichkeitsschwelle liegt auch hier bei über 50 %. Vgl. näher Rz. 85. e) Beispiele geeigneter Informationen
213 Geeignet zur Aussendung falscher oder irreführender, das Handelsverhalten eines verständigen Anlegers zu
beeinflussen geeigneter Signale und damit auch zur Erzeugung eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus sind in der Regel Informationen über Umstände, die den „inneren Wert“ eines Finanzinstruments bestimmen, namentlich unternehmensbezogene Umstände vor allem bei börsennotierten Aktiengesellschaften als Unternehmensträgern. Daneben kommt aber auch Informationen über produkt- oder branchenbezogene Umstände, z.B. Wachstums- oder Bedarfsanalysen, sowie über volks- und devisenwirtschaftliche Umstände, z.B. volkswirtschaftliche Kennzahlen und Prognosen, eine solche Eignung regelmäßig zu. Das Gleiche gilt für Bewertungen (Ratings) eines Finanzinstruments und für Umstände, die das gegenwärtige oder als hinreichend wahrscheinlich dargestellte künftige Anlegerverhalten betreffen, z.B. Kauf- oder Verkaufsabsichten bedeutsamer institutioneller Anleger, und sonstige kapitalmarktbezogene Umstände, z.B. eine hinreichend wahrscheinlich drohende Untersagung oder Aussetzung des Handels mit einem Finanzinstrument (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 WpHG). Regelmäßig werden zudem alle Ad-hoc-publizitätspflichtigen Umstände eine entsprechende Signaleignung aufweisen (näher zu diesen Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 30 ff.)468, sowie die nach §§ 10, 35 WpÜG veröffentlichungspflichtigen Umstände, also Entscheidungen über die Abgabe eines freiwilligen Übernahmeangebots und erfolgte Kontrollerwerbe. Ferner sind unternehmensunabhängige Marktdaten wie z.B. die Orderlage oder das Transaktionsverhalten großer Marktteilnehmer, etwa Fonds, in hohem Maße zur Kursbeeinflussung geeignet und manipulationsanfällig. Gleiches gilt für gewöhnliche Unternehmensdaten im betriebswirtschaftlichen Sinne unabhängig von Veränderungen, z.B. für die Gewinnund Verlustrechnung, Bilanzaussagen und Unternehmenskennzahlen, etwa das EBITDA-Ergebnis und die Umsatzrendite (RoI)469.
214 Für eine Fallgruppenbildung anhand der obigen Kriterien bietet es sich nunmehr an, auf die Ausführungen
zur Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung im Emittentenleitfaden Modul C der BaFin zu blicken und dort insbesondere die einzelnen Fallgruppen heranzuziehen470. Zwar ist die Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung einer Information nicht mit der Kursbeeinflussungseignung gleichzusetzen. Doch sind jedenfalls die zur erheblichen Kursbeeinflussung geeigneten Insiderinformationen auch zur Kursbeeinflussung geeignet und können auf einer Vorstufe auch ein das Anlageverhalten eines verständigen Anlegers zu beeinflussen geeignetes Signal beinhalten. Auch die BaFin hebt in Modul C ihres Emittentenleitfadens hervor, dass ein „typisches Beispiel für derartige Informationen mit Signalwirkung ... Insiderinformationen nach Art. 7 Abs. 1 MAR“ sind471.
215 Als Insiderinformationen und damit auch als geeignete Informationen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/
2014 kommen demnach insbesondere in Beracht:
467 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 263 ff.; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 49 ff.; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 69. 468 Vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80 f. 469 Vgl. erneut BR-Drucks. 639/03, 10. 470 In der 7. Auflage wurde noch auf § 2 MaKonV a.F. zurückgegriffen. So auch Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 480. 471 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, 2020, S. 80.
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Marktmanipulation | Rz. 216 Art. 12 VO Nr. 596/2014
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Liquiditätsprobleme, Überschuldung (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO) und Verlustanzeigen nach § 92 Abs. 1 AktG472; Insolvenz; Personalentscheidungen473; Umstrukturierungen des Geschäftsmodells durch z.B. die Aufgabe oder Aufnahme von alten/neuen Kerngeschäftsfeldern; bedeutende Umstrukturierungen wie z.B. Verschmelzungen, Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen innerhalb eines Konzerns oder unter Beteiligung anderer Unternehmen; wesentliche Änderungen in der Aktionärsstruktur; Squeeze-Out; Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge bzw. Verlustübernahmezusagen; Abschluss, Änderung oder Kündigung besonders bedeutender Vertragsverhältnisse wie z.B. der Erhalt/ Verlust eines Großauftrags; Kauf/Verkauf eines bedeutenden Vermögenswerts (z.B. Immobilie, Tochtergesellschaft); Abschluss bedeutender Lizenzvereinbarungen; Abschluss bedeutender Finanzierungsverträge; Kündigung wichtiger Kredite bzw. deren Prolongation; bedeutende Kapitalmaßnahmen wie beispielsweise Kapitalerhöhungen, Kapitalschnitte, Aktienrückkauf, Begebung von Wandelschuldverschreibungen; wesentliche Änderung im Zusammenhang mit erwarteten bzw. neu zu erwartenden Dividenden; überraschende Änderung der Dividendenpolitik; Verdacht auf Bilanzmanipulation; Ankündigung der Verweigerung des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer; überraschender Wechsel des Wirtschaftsprüfers; Ausfall wesentlicher Schuldner; wesentliche Änderungen eines Ratings in Bezug auf den Emittenten oder die von ihm begebenen Finanzinstrumente; bedeutende Erfindungen; Erteilung bedeutender Patente und Gewährung wichtiger (aktiver/passiver) Lizenzen474; maßgebliche Produkthaftungs- oder Umweltschadensfälle; plötzliche Rohstoffentwicklungen; Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung, wozu auch und insbesondere Kartellverfahren zu zählen sind475; Antrag des Emittenten auf Widerruf der Zulassung zum Handel am organisierten Markt, MTF oder OTF, wenn nicht noch an einem anderen inländischen Handelsplatz eine Zulassung bzw. Einbeziehung mit Zustimmung des Emittenten aufrechterhalten wird.
In jedem der nur beispielhaft genannten Sachverhalte ist aber im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen 216 an eine Signalwirkungs- bzw. Kursbeeinflussungseignung nach den in Rz. 168 ff. näher entfalteten Maßstäben auch tatsächlich vorliegt.
472 Es kommt immer auf Dauer, Grad und die sonstigen Umstände, insbesondere die Aussichten und die Wahrscheinlichkeit, die Liquiditätsprobleme zu überwinden, an. Falsche oder irreführende Informationen über entsprechende Liquiditätsprobleme genügen deshalb nur, wenn sie im Einzelfall nach allgemeinen Grundsätzen zu einer Kursbeeinflussung geeignet sind (s. Rz. 171 ff.). 473 Ob eine Schlüsselposition vorliegt, ist nicht formell nach dem Unternehmensverfassungsrecht (Wechsel im Vorstand, Aufsichtsrat) zu beurteilen, sondern materiell nach allgemeinen Grundsätzen. Das gilt etwa für den Rückzug des Unternehmensgründers, die Kündigung eines unverzichtbaren Mitarbeiters, etwa des Chefkonstrukteurs eines Automobilunternehmens, und den Abgang eines Anlageteams in einer Investmentbank. 474 Das Beispiel ist für sich genommen nicht weiterführend. Natürlich können falsche oder irreführende Informationen über bedeutende Erfindungen ein erhebliches Signal für den Kurs eines Finanzinstruments geben. Damit ist aber noch kein typisierendes Beispiel dafür gegeben, wann einer Information diese Signalwirkung konkret zukommt. 475 Eine gegen ein Unternehmen erhobene Klage hat auch bei einer hohen Klagforderung nur dann besondere Bedeutung, wenn sie so aussichtsreich ist, dass ein verständiger Anleger sie bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Gerade bei Rechtsstreitigkeiten in den Vereinigten Staaten muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass selbst weniger aussichtsreiche Klagen teilweise durch hohe Vergleichszahlungen beigelegt werden.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 217 | Marktmanipulation f) Subjektiver Tatbestand 217 Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 verlangt, dass die Person, die eine Information verbreitet, weiß oder
wissen muss, dass sie falsch oder irreführend sind476. Damit wird bereits auf Ebene der aufsichtsrechtlichen Verbotsnorm ausdrücklich ein subjektives Element implementiert. In Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 liegt insofern eine Erweiterung gegenüber dem früheren Recht477, als nunmehr eindeutig auch fahrlässiges Handeln jedenfalls für die aufsichtsrechtliche Tatbestandsverwirklichung genügt478. Der Begriff der Manipulation steht dieser Lesart auch hier (vgl. schon Rz. 94) nicht entgegen, da der Unionsgesetzgeber ausdrücklich ein Wissenmüssen genügen lässt, wofür nach allgemeiner Auffassung (objektive) Fahrlässigkeit genügt479. Insoweit kann zwar nicht unmittelbar auf die Definition des § 122 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden. Dessen gefestigte Auslegung ist aber jedenfalls ein Indiz für das Verständnis auch des Unionsgesetzgebers, wenn nicht Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass dieser ein abweichendes Begriffsverständnis hat480. Dies wird auch durch einen Blick auf andere Sprachfassungen bestätigt. In der englischen Sprachfassung heißt es insoweit: „where the person who made the transmission or provided the input knew or ought to have known that it was false or misleading“. Auch die englische Wortwahl impliziert, dass kein Vorsatz erforderlich ist481. Und dass mit „ought to have known“ nur eine leichtfertige und nicht auch eine einfach fahrlässige Unkenntnis gemeint sein könnte, ist ebenfalls nicht ersichtlich482. Erst die Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestände der § 119 Abs. 1, § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG fordern mindestens ein vorsätzliches bzw. leichtfertiges Handeln.
218 Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich darauf beziehen, dass die verbreiteten Informationen falsch oder
irreführend sind483. Bei „ins Blaue hinein“ verbreiteten Informationen kann man von einem bedingten Vorsatz ausgehen484. Vorsatz oder Fahrlässigkeit müssen sich nicht darauf beziehen, dass die verbreiteten falschen oder irreführenden Informationen auch eine Signalwirkungseignung entfalten oder zu einem anormalen oder künstlichen Kursniveau führen können. Dass sich der Täter keine Gedanken über die Auswirkung unrichtiger oder irreführender Informationen gemacht hat, beeinflusst die Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 daher nicht. Wann innerhalb eines Unternehmens Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne vorliegt, ist eine Frage der Wissenszurechnung485, die hier maßgeblich durch das unionale Aufsichtsrecht bestimmt ist. Die FCA postuliert in ihrem Handbuch immerhin, dass chinese walls die Wissenszurechnung begrenzen können486.
4. Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 219 Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 definiert als Marktmanipulation (i) die Übermittlung falscher oder
irreführender Angaben oder (ii) die Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten bezüglich eines Referenzwerts, wenn die Person, die die Informationen übermittelt oder die Ausgangsdaten bereitstellt, weiß oder wissen muss, dass sie falsch oder irreführend sind, und (iii) sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird. Mit der ausdrücklichen Aufnahme entsprechender Refe-
476 FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.8: Dissemination, 1.8.4; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 268; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 54; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 94; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 134; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 70. 477 Zum früheren § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG ließ die ganz h.M. selbst bei informationsgestützten Manipulationen nur Vorsatz oder allenfalls Leichtfertigkeit genügen, s. Vogel in 6. Aufl. des Kommentars, § 20a WpHG Rz. 126 ff. 478 Schmolke, AG 2016, 434, 442 f.; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 741 f.; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 381. 479 Vgl. nur Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 94 m.w.N.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 134; a.A. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 248 auf Basis des Verordnungsentwurfs, der davon ausgeht, dass Leichtfertigkeit erforderlich sei. 480 Vgl. zum Verständnis des Begriffs „unverzüglich“ i.S.d. § 122 BGB auch im europäischen Recht Sajnovits, WM 2016, 765, 766 m.w.N. 481 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 741 f. 482 Vgl. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 741 f. 483 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 268; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 94; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 134. 484 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 74; zurückhaltender (Frage des Einzelfalles) Schröder/Poller, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 563. 485 S. Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 212 ff.; Sajnovits, WM 2016, 765 jeweils m.w.N. 486 FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.8: Dissemination, 1.8.5; zu Chinese walls im Zusammenhang mit der Wissenszurechnung auch Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 266.
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Marktmanipulation | Rz. 222 Art. 12 VO Nr. 596/2014
renzwertmanipulationen hat der Unionsgesetzgeber auf das Bekanntwerden der LIBOR- und EURIBORManipulationen reagiert (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 17) und das allgemeine Marktmanipulationsverbot ergänzt (Erwägungsgrund 47 VO Nr. 596/2014)487. Flankierend soll die VO Nr. 1011/2016 (Benchmark-VO) über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, präventiv sicherstellen, dass Referenzwerte zutreffend und manipulationsfrei ermittelt und bereitgestellt werden. Ein vollständiger terminologischer Gleichlauf zwischen der Benchmark-VO und der MAR besteht allerdings nicht (schon Rz. 41), was zum Teil dem weiteren Anwendungsbereich der Benchmark-VO geschuldet ist. Bei Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 1 und Var. 2 VO Nr. 596/2014, also dem Übermitteln oder Bereitstellen falscher 220 oder irreführender Ausgangsdaten bezüglich eines Referenzwerts, handelt es sich systematisch um eine informationsgestützte Marktmanipulation488. Die Manipulation von Referenzwerten ließe sich mithin in zahlreichen Fällen unter Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 fassen. Jedoch ist Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/ 2014 insofern lex specialis gegenüber Abs. 1 lit. c, so dass der Tatbestand der allgemeinen informationsgestützten Manipulation verdrängt wird489. Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 3 VO Nr. 596/2014 erfasst sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwertes manipuliert wird und dient damit innerhalb des Abs. 1 lit. d als Auffangtatbestand490. a) Referenzwert Unter einem Referenzwert ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 29 VO Nr. 596/2014 jeder Kurs, Index oder Wert zu 221 verstehen, der der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder veröffentlicht wird und periodisch oder regelmäßig durch die Anwendung einer Formel auf den Wert eines oder mehrerer Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstiger Werte, oder auf Erhebungsdaten ermittelt bzw. auf der Grundlage dieser Werte bestimmt wird und auf den bei der Festsetzung des für ein Finanzinstrument zu entrichtenden Betrags oder des Wertes eines Finanzinstruments Bezug genommen wird491. S. schon Rz. 41. Entsprechende Referenzwerte werden in der Terminologie der VO Nr. 1011/2016 (Benchmark-VO) durch 222 bestimmte Personen bereitgestellt. Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 1011/2016 setzt sich die Bereitstellung eines Referenzwertes aus drei Schritten zusammen492, nämlich erstens der Verwaltung der Mechanismen für die Bestimmung einer Referenzwertes, zweitens der Erhebung, Analyse oder Verarbeitung von Eingabedaten zwecks Bestimmung eines Referenzwertes, und drittens der Bestimmung eines Referenzwertes durch Anwendung einer Formel oder anderer Berechnungsmethoden oder durch Bewertung der zu diesem Zweck bereitgestellten Eingabedaten. Im Rahmen der Bestimmung eines Referenzwertes durch Anwendung einer Formel oder anderer Berechnungsmethoden kommt es ganz häufig zur Trimmung von Randdaten, so etwa bei der Ermittlung von – den auslaufenden Referenzzinssätzen – LIBOR und EURIBOR, aber auch etwa des EONIA. Administrator sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 1011/2016 alle natürlichen oder juristischen Personen, welche die Bereitstellung eines Referenzwertes kontrollieren493. Die Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstigen Werte oder Erhebungsdaten, auf deren Basis die Administratoren den Referenzwert ermitteln, werden diesen regelmäßig von Dritten zur Verfügung gestellt. Die Benchmark-VO bezeichnet diesen Vorgang in Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 1011/2016 als das Beitragen von Eingabedaten zu einem Referenzwert494. Als solches definiert sie die 487 Näher Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 61 ff.; ferner Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 137 ff.; Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 3, 9; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 274; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 211; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 37a; Fleischer/Bueren, DB 2012, 2561 ff.; Schmolke, AG 2016, 434, 441 ff.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 77 ff.; de Schmidt, RdF 2016, 4, 6; de Schmidt in Just/ Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 382. 488 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 274; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 74 Schmolke, AG 2016, 434, 441 f.; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C Rz. 77 ff. 489 So in der Tendenz auch ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 10; weitergehend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 25, nach der ein solches Spezialitätsverhältnis zu allen anderen Tatbestandsvarianten von Art. 12 Abs. 1 lit. a bis lit. c VO Nr. 596/ 2014 vorliegt. 490 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 274; vgl. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 25. 491 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 276; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 138. 492 Näher Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 88 f. 493 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 91 f.; Spindler, ZBB 2015, 165, 169. 494 Näher Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 89 f.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 222 | Marktmanipulation Übermittlung von nicht ohne weiteres verfügbaren Eingabedaten an einen Administrator oder an eine andere Person zur Weiterleitung an einen Administrator, wobei diese Eingabedaten für die Bestimmung eines Referenzwertes erforderlich sein müssen und die Übermittlung gerade zum Zweck der Erstellung bzw. Ermittlung des Referenzwertes durch den Administrator vorgenommen worden sein muss. Die Eingabedaten beitragende natürliche oder juristische Person bezeichnet die Benchmark-VO in Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 1011/2016 als Kontributor495. Im Rahmen des Marktmanipulationstatbestands ist – anders als im Rahmen der Benchmark-VO – nicht entscheidend, zu welchem Zweck ein Kontributor die Eingabedaten an einen Administrator übermittelt. Die Zwecksetzung eines Manipulators wird aber ganz regelmäßig gerade darin bestehen, dass die Eingabedaten bei der Erstellung bzw. Ermittlung des Referenzwertes berücksichtigt werden. Als Eingabedaten wiederum definiert die Benchmark-VO in Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 1011/2016 die von einem Administrator zur Bestimmung eines Referenzwertes verwendeten Daten in Bezug auf den Wert eines oder mehrerer Basisvermögenswerte oder Preise, einschließlich geschätzter Preise, Quotierungen, verbindlicher Quotierungen oder anderer Werte496. Letztere Begriffsbestimmung stimmt im Wesentlichen mit den Elementen der Referenzwertdefinition der MAR überein (Rz. 41), so dass sich auch für die vorliegenden Zwecke ein Rückgriff auf den Begriff Eingabedaten anbietet. 223 Erfasst sind von dieser Referenzwertdefinition insbesondere Referenzzinssätze wie die alten LIBOR, EURIBOR
und EONIA, aber auch die diese ersetzenden, teils neuen Referenzzinssätze wie SONIA, SOFR, €STR, SARON und TONAR497, ferner aber auch etwa Devisenreferenzwerte, Aktienindizes, Klima-Referenzwerte oder Rohstoff-Referenzwerte.
b) Übermittlung falscher oder irreführender Angaben 224 Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 1 VO Nr. 596/2014 betrifft die Übermittlung falscher oder irreführender Angaben
bezüglich eines Referenzwerts. Übermittlung meint die Abgabe an und den Zugang bei einem Dritten498. Dritter in dieser Hinsicht ist nicht jedermann. Vielmehr müssen die Angaben, um überhaupt eine Manipulationseignung zu haben, entweder in Richtung des Administrators eines Referenzwerts oder eines Dritten erfolgen, der zur Informationsaufnahme durch den Administrator eines Referenzwerts bestimmt ist und/oder die Berechnung des Referenzwerts für diesen vornimmt bzw. die Informationen an diesen weiterleitet. Die Kommunikationsform ist bei der Übermittlung von Angaben unmaßgeblich, sodass sowohl mündliche, schriftliche, elektronische als auch jede andere Form der Übermittlung erfasst sind. Wird eine Information, die Angaben enthält, abgegeben, kommt es aber nicht zum Zugang dieser Information, etwa aufgrund eines technischen Defekts, kann der Versuch einer Manipulation vorliegen (Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 ff., 23 ff.).
225 Eine Angabe i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 1 VO Nr. 596/2014 meint Eingabedaten für einen Referenzwert.
I.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 1011/2016 sind dies die von einem Administrator zur Bestimmung eines Referenzwertes verwendeten Daten in Bezug auf den Wert eines oder mehrerer Basisvermögenswerte oder Preise, einschließlich geschätzter Preise, Quotierungen, verbindlicher Quotierungen oder anderer Werte. In der Terminologie der MAR geht es um Basiswerte oder -preise, einschließlich geschätzter Preise, tatsächlicher oder geschätzter Zinssätze oder sonstige Werte oder Erhebungsdaten.
226 Angaben, die Tatsachen enthalten, sind falsch, wenn sie objektiv unwahr sind. Angaben, die Werturteile
oder Prognosen zum Gegenstand haben, sind jedenfalls dann falsch, wenn diejenigen Tatsachen, welche zur Stützung des Werturteils oder der Prognose angegeben werden (sog. Werturteils- oder Prognosebasis), objektiv unwahr sind (vgl. Rz. 206). Darüber hinaus sind Werturteile und Prognosen unrichtig, wenn sie eindeutig bzw. ganz unvertretbar sind. Ganz unvertretbar ist es auch, Werturteile und Prognosen „ins Blaue hinein“ ohne jede Tatsachenprüfung abzugeben, soweit nach den Umständen erwartet werden darf, dass eine solche Prüfung stattgefunden hat. Angaben sind irreführend, wenn sie geeignet sind, einen objektiven Empfänger in der Position des Adressaten über die wahren Verhältnisse zu täuschen (vgl. schon Rz. 208)499. Es genügt mit anderen Worten, dass die Angabe eine konkrete Gefahr einer solchen Täuschung begründet.
495 Bzw. als beaufsichtigter Kontributor (Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 1011/2016), wenn es um ein beaufsichtigtes Unternehmen handelt. Näher Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 92 f. 496 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 89 f. 497 S. zur Ablösung der Interbankenreferenzzinssätze durch die (teils) neuaufgelegten Tagessätze ausführlich Mülbert/ Sajnovits, WM 2019, 1813. Diese Referenzzinssätze sind ein Maß für den Zinssatz, der durchschnittlich für Übernachtgroßkredite (overnight wholesale funds) am Kapitalmarkt in Situationen bezahlt wird, in denen Kredit- und Liquiditätsrisiken minimal sind. Zur Gewährleistung ihrer Integrität werden sie zum Großteil durch staatliche Institutionen administriert, SONIA durch die Bank of England (BoE) und € STR durch die EZB. 498 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 136; Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 28 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 281. 499 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 280.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Marktmanipulation | Rz. 231 Art. 12 VO Nr. 596/2014
c) Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten Nach Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/2014 genügt auch die Bereitstellung falscher oder irreführender 227 Ausgangsdaten. Die Bereitstellung erweitert die tauglichen Tathandlungen des Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 auf diejenigen Fälle, in denen Kontributoren nicht aktiv durch eine Übermittlung der entsprechenden Informationen an Administratoren oder Dritte Eingabedaten zu einem Referenzwert beitragen, sondern in denen bei einem Kontributor ein System eingerichtet wird, auf das der Administrator oder ein Dritter zugreifen kann500. Die Bereitstellung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 ist ebenso wie die Übermittlung auf aktives Tun beschränkt. Der Begriff der Ausgangsdaten meint, genau wie derjenige der Angaben in Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 1 VO 228 Nr. 596/2014, Eingabedaten i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 14 VO Nr. 1011/2016, die von einem Administrator für die Erstellung und die darauffolgende Bereitstellung eines Referenzwerts verwendet werden501. Ob Ausgangsdaten falsch oder irreführend sind, bestimmt sich bei Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/ 229 2014 ebenso wie bei Abs. 1 lit. d Var. 1 (Rz. 225). d) Sonstige Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwertes manipuliert wird Gem. Art. 12 Abs. 1 lit. d Var. 3 VO Nr. 596/2014 liegt eine Marktmanipulation auch in jeder sonstigen 230 Handlung, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird. Die Tatbestandsverwirklichung ist durch diesen Auffangtatbestand502 nicht auf Informationsverbreitung von Seiten der Kontributoren eines Referenzwerts beschränkt, sondern kann durch jede Form der Beeinflussung eines Referenzwerts verwirklicht werden503. Damit sind auch Manipulationen erfasst, die vom Administrator selbst ausgehen und dabei gerade nicht in der Übermittlung oder Bereitstellung von Eingabedaten bestehen, sondern die Berechnung bzw. Aggregation der Eingabedaten betreffen. Gleichermaßen erfasst sind Eingriffe von Dritten, die weder auf Seiten der Administratoren noch auf jener der Kontributoren eines Referenzwerts stehen. Das betrifft etwa Hackerangriffe, durch die die Eingabedaten der Kontributoren oder die Berechnung durch die Administratoren beeinflusst werden. Denkbar ist auch, dass Administratoren oder Dritte nicht die Berechnung des Referenzwerts, sondern dessen Veröffentlichung beeinflussen. Entsprechendes Verhalten kann ebenso schädliche Auswirkungen haben, da die zahlreichen auf den Referenzwert bezugnehmenden Finanzinstrumente ihre Wertentwicklung an den veröffentlichten Daten ausrichten. Richtigerweise sollte entsprechendes Vorgehen deshalb auch vom Auffangtatbestand erfasst sein, wenngleich dabei nicht im eigentlichen Sinne die Berechnung des Referenzwerts beeinflusst wird. Bloße Unterlassungen sind auch hier nicht erfasst (vgl. Rz. 63, 163 f.)504.
e) Kein Erfordernis eines Einwirkungserfolgs Zur Verwirklichung des Tatbestands des Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 ist neben der Vornahme der 231 Manipulationshandlung kein Einwirkungserfolg im Sinne einer tatsächlichen Beeinflussung des Referenzwerts erforderlich505. Dies entspricht auch der Wertung der übrigen Manipulationsformen in Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. Der letzte Teilsatz des Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 bezieht sich nach der Satzstellung zwar nicht zwingend nur auf die „sonstigen Handlungen“, sondern auch auf die Übermittlung und Bereitstellung, also die Varianten 1 und 2 des Abs. 1 lit. d, und auch das Wort „manipuliert“ könnte begrifflich so verstanden werden, dass (auch) das Ergebnis der Manipulationshandlung, mithin der Manipulationserfolg (Manipulation) und damit die Beeinflussung des Referenzwerts gemeint ist. Die Erwägungsgründe zwingen aber bei funktionaler Betrachtung zu einer anderen Auslegung. Die „Berechnung eines Referenz500 Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 26, 31; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 281, 282, 284. 501 A.A. Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 37, der den Begriff der Ausgangsdaten enger als lesbare oder gespeicherte Informationen verstehen und eine Parallele zum Daten-Begriff in § 263a StGB ziehen will; so auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 106. 502 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 292. 503 Dazu Schmolke, AG 2016, 434, 441; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 286; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 143; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 77. 504 Zustimmend Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 78; a.A. Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 41 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 286. 505 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 138 f.; Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 43 (jedenfalls für Var. 1 und 2); wohl wie hier Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 143: („unabhängig davon, ob das tatsächlich zu einem anderen Ergebnis der Berechnung führt“); a.A. wohl Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 288: „Die Handlung muss dazu führen, dass die Berechnung des Referenzwerts manipuliert wird. Hierfür ist eine Einflussnahme auf den Berechnungsprozess erforderlich“; ausdrücklich Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 108.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 231 | Marktmanipulation wertes“ wird nach den Erwägungsgründen im Sinne eines weiten Verständnisses bei jeder Handlung manipuliert, die die Entgegennahme und Bewertung jeglicher Daten zur Folge hat, die im Zusammenhang mit der Berechnung des betreffenden Referenzwertes stehen (Erwägungsgrund 44 Satz 5 f. VO Nr. 596/2014). Ausweislich der Erwägungsgründe ist dabei unerheblich, ob die Berechnung eine Trimmung beinhaltet506. Durch die Klarstellung in den Erwägungsgründen, dass auch im Falle eines getrimmten Referenzwertes eine Manipulation vorliegt, wird deutlich, dass Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 die Vornahme der Handlung ausreichen lässt und nicht auf den tatsächlichen Einwirkungserfolg abstellt, der bei einer Trimmung eine Frage des Einzelfalls ist und auch ausbleiben kann507. Etwaige Unklarheiten des Wortlauts lassen sich daher jedenfalls im Wege einer teleologischen Auslegung beheben. f) Subjektives Element 232 Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 verlangt, dass die Person, die die Information übermittelt oder die
Ausgangsdaten bereitgestellt hat, weiß oder wissen muss, dass sie falsch oder irreführend ist. Insoweit werden – ebenso wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 (Rz. 215) – schon im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Verhaltensnorm subjektive Voraussetzungen aufgestellt. Genau wie bei Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 genügt auch hier einfache Fahrlässigkeit (vgl. Rz. 217)508. Leichtfertigkeit bzw. grober Fahrlässigkeit sind nicht erforderlich.
233 Wird ein Referenzwert durch eine sonstige Handlung manipuliert, wird – wenn auch aus dem Wortlaut
nicht ohne weiteres ableitbar – ebenfalls Vorsatz oder Fahrlässigkeit als subjektives Element zu verlangen sein509. Nur hierdurch findet der Tatbestand der Referenzwert-Manipulationen eine einheitliche Handhabung. Zudem ist nicht ersichtlich, dass bei den sonstigen Handlungen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 schwierigere Nachweisprobleme bestehen sollten, die es rechtfertigen oder gar erforderlich machen könnten, auf das Vorliegen subjektiver Voraussetzungen zu verzichten.
VI. Katalog von Handlungen, die als Marktmanipulation gelten (Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) 234 Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 benennt Handlungen, die als Marktmanipulation gelten. Bei den Tatbeständen
in Art. 12 Abs. 2 lit. a–e VO Nr. 596/2014 handelt es sich um zwingende Beispiele510 handels-, handlungsbzw. informationsgestützter Marktmanipulationen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014511, nicht lediglich um Indikatoren, bei denen noch eine weitere Würdigung vorzunehmen wäre. Jedoch muss auch im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ggf. geprüft werden, ob ein Ausnahmetatbestand – insbesondere i.S.d. Art. 13 VO Nr. 596/2014 – vorliegt512. Auf der anderen Seite ist Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht abschließend („unter anderem“), wie Erwägungsgrund 38 eigens hervorhebt. Die Indikatoren nach Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Anhang I VO Nr. 596/2014 haben keine rechtliche Bedeutung für die zwingenden Beispiele nach Abs. 2, auch wenn Überschneidungen zu verzeichnen sind (zum Verhältnis Rz. 6, 283 ff.).
1. Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 235 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 gelten Handlungen als Marktmanipulation, die zur Sicherung
einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments, damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der tatsächlichen oder wahr506 Erwägungsgrund 44 VO Nr. 596/2014. 507 Näher Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 138. 508 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 137; a.A. Brinckmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 15 Rz. 49. 509 Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 138; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 290; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 109. 510 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 305; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 110; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 147. Der teils verwendete Begriff der Regelbeispiele trifft nicht das Richtige. 511 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 306, der explizit darauf hinweist, dass es sich bei den zwingenden Beispielen um Konkretisierungen der Tatbestände des Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 handelt. 512 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 304 ff.
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Marktmanipulation | Rz. 238 Art. 12 VO Nr. 596/2014
scheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufs- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen führt oder hierzu geeignet ist513. In der Sache handelt sich bei Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 um handelsbasierte Manipulationsformen im Zusammenhang mit dem Innehaben von Marktmacht (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 63)514 und damit um Fälle einer handelsgestützten Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014515. a) Tatbestandsvoraussetzungen Tatbestandlich verlangt Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 zunächst, dass eine Person oder mehrere in 236 Absprache gemeinschaftlich handelnde Personen eine marktbeherrschende Stellung in Bezug auf das Angebot oder die Nachfrage nach einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt sichern. Zur näheren Bestimmung des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung plädiert die heute überwiegende Ansicht im Schrifttum – jedenfalls zur Marktabgrenzung und zum Beherrschungsgrad – für eine Anlehnung an die im Kartellrecht entwickelten Kriterien516, wenngleich das Erfordernis einer kapitalmarktrechtsautonomen Auslegung mitunter besonders betont wird517. In der Marktmissbrauchsverordnung lässt sich die kartellrechtliche Kasuistik schon wegen der unterschiedlichen Schutzzwecke nicht einfach unbesehen übernehmen. Doch zumindest was die Marktabgrenzung und den Beherrschungsvertrag anbelangt, sind die über Jahrzehnte ausdifferenzierten Fallgruppen des Kartellrechts hilffreich und versprechen jedenfalls vordergründig höhere Rechtssicherheit auch für die Kapitalmarktpraxis, was gerade vor dem Hintergrund der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ahndung eines Verstoßes gegen das Marktmanipulationsverbot zu begrüßen ist518. Denn ob hinsichtlich eines Bezugsgegenstands eine marktbeherrschende und damit auch potenziell preisbeeinflussende Stellung besteht, ist auf Produktmärkten einerseits und Kapitalmärkten andererseits im Ausgangspunkt von ganz ähnlichen Voraussetzungen abhängig519. Bei Anknüpfung an das Kartellrecht ist in einem ersten Schritt der relevante Markt in räumlicher, zeitlicher 237 und sachlicher Hinsicht festzulegen520. Für die sachliche Marktabgrenzung wird im Kartellrecht auf das Kriterium der funktionellen Austauschbarkeit abgestellt521. Entscheidend ist deshalb im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 der jeweilige Angebots- oder Nachfragemarkt in Bezug auf ein Finanzinstrument, einen damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder ein auf Emissionszertifikaten beruhendes Auktionsobjekt. In einem zweiten Schritt ist der Beherrschungsgrad auf dem relevanten Angebots- oder Nachfragemarkt zu ermitteln, wobei im Kartellrecht auf Marktstruktur- und Marktverhaltenskriterien zurückgegriffen wird522.
Tathandlung ist die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot von oder die Nach- 238 frage nach Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten523. Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 verlangt nicht, dass die marktbeherrschende Stellung absichtlich zur Preiseinwirkung ausgenutzt wird524; damit verlagert der Unionsgesetzgeber die Tathandlung auf das Vorbereitungsstadium einer Marktmanipulation vor. Insofern unterscheidet sich Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 vom abusive squeezing nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 2 lit. b DelVO 2016/522 (Rz. 113). Das Sichern stellt keine besonderen Anforderungen an die Dauer der Innehabung der marktbeherrschenden Stellung525. Erfasst ist insbesondere auch die erstmalige Begründung der marktbeherr-
513 514 515 516
517 518 519 520 521 522 523 524 525
Dazu auch Sajnovits, ZGR 2021, 804, 812 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 111 ff. Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 3. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 314; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 98. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 317 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 151; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 82; im Ergebnis auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 113; vgl. auch Fleischer in Fuchs, WpHG, 2. Aufl. 2016, § 20a WpHG Rz. 65; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1255 f.; Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 148 ff.; a.A. – für eine autonom kapitalmarktrechtliche Begriffsbestimmung – Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 19; Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 232. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 113. Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1255; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 151. So auch Sajnovits, ZGR 2021, 804, 813. Näher etwa Fuchs in Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV Rz. 48 ff.; im vorliegenden Zusammenhang Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 319. S. schon EuGH v. 21.2.1973 – 6/72, ECLI:EU:C:1973:22 – Continental Can, Slg. 1973, 215, 248. Näher (zu Art. 102 AEUV, bei dem aber dasselbe Konzept zugrundegelegt wird) etwa Fuchs in Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV Rz. 73 ff. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 321; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 153. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 113; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 153. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 321; vgl. auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 238 | Marktmanipulation schenden Stellung durch den Manipulator alleine oder durch in Absprache mit ihm handelnde weitere Personen526. Die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung unterfällt erst recht dem Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014. Auch hinsichtlich der Ausnutzung sollte auf die Begriffsbestimmung des Kartellrechts zurückgegriffen werden. 239 Die Sicherung der marktbeherrschenden Stellung muss tatsächlich oder wahrscheinlich zu einer unmittel-
baren oder mittelbaren Festsetzung von An- oder Verkaufspreisen oder zu anderen unlauteren Handelsbedingungen führen oder dazu geeignet sein. Auch insoweit genügt die Eignung zu einer Festsetzung von An- und Verkaufspreisen bzw. zur Schaffung sonstiger unlauterer Handelsbedingungen. An- und/oder Verkaufspreise setzt fest, wer sie nach Gutdünken, ohne auf andere Marktteilnehmer Rücksicht zu nehmen, festlegen kann und festlegt527. Da der Tatbestand von „sonstigen“ unlauteren Handelsbedingungen spricht, muss auch die Festsetzung der An- und/oder Verkaufspreise unlauter sein, damit das zwingende Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllt ist. Andere unlautere Handelsbedingungen schafft, wer Bedingungen beeinträchtigt, die für die Funktionsfähigkeit der Märkte und deren Nutzen für die Marktteilnehmer von Bedeutung sind528. In beiden Varianten erfordert die Abgrenzung von illegitimem mit legitimem Marktverhalten eine normative Wertung529.
240 Zur Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung bedarf es grundsätzlich weder Vorsatz noch Fahrlässig-
keit530, was die Aufsichtspraxis von erheblichen Nachweisproblemen entlastet531 und der Rechtsprechung des EuGHs zum Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung im Kartellrecht entspricht532. Das ist gerechtfertigt, weil von den Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 unterfallenden Manipulationshandlungen auch dann ein negativer Effekt für die Kapitalmarkteffizienz ausgehen kann, wenn der Manipulator nicht in der Absicht einer Preisbeeinflussung handelt533. Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 enthält dementsprechend auch, wie die Manipulationshandlungen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 im Allgemeinen, kein subjektives Element (Rz. 93 ff.). Allerdings kann die Tatbestandswirkung im Fall der (subjektiven) Verfolgung einer legitimen Handelsstrategie (legitimes Marktverhalten) entfallen (Rz. 243).
241 Der Tatbestand des Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 kann auch durch „mehrere in Absprache handeln-
de Personen“ erfüllt werden. Die nähere Konturierung dieses Merkmals hat bislang noch keine Klärung erfahren534. Nahe liegt insoweit eine Anknüpfung an kapitalmarktrechtliche („acting in concert“)535 oder – wie im Rahmen der Marktabgrenzung und des Beherrschungsgrades (Rz. 236) – an kartellrechtliche Kategorien. Sowohl ein acting in concert im Sinne des unionalen Kapitalmarktrechts als auch eine gemeinsame Marktbeherrschung i.S.d. Art. 102 AEUV erfordern lediglich eine tatsächlich verbindliche Absprache. Für eine „Abstimmung in sonstiger Weise“ i.S.d. § 34 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 WpHG wird etwa zumindest ein „gentlemen’s agreement“ mit einer tatsächlichen, durch „Sanktion gesellschaftlicher, moralischer oder wirtschaftlicher Art gesicherte Bindung“ verlangt536. Die Rechtsprechung und das Schrifttum zu Art. 102 AEUV fordern 526 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 491; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 384; vgl. auch Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256; a.A. tendenziell Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 100, der die Sicherung einer bereits bestehenden Marktbeherrschung noch nicht genügen lässt. 527 Vgl. Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1257. 528 Vgl. BR-Drucks. 639/03, 17. 529 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 155. 530 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 321; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 153; a.A. zu § 20a WpHG a.F. Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 232a; sogar Absicht fordern etwa Eichelberger, S. 34 und Lenzen, S. 20. 531 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1256; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 115. 532 EuGH v. 13.2.1979 – 85/76, ECLI:EU:C:1979:36 – Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461, 541; EuGH v. 3.7.1991 – 62/86, ECLI:EU:C:1991:286 – AKZO, Slg. 1991, I-3359, 3455; EuG v. 7.10.1999 – T-228/97, ECLI:EU:T:1999:246 – Irish Sugar, Slg. 1999, II-2975, 3021; EuG v. 9.9.2010 – T-155/06, ECLI:EU:T:2010:370 – Tomra/Kommission, www.curia.eu, Tz. 206; EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, ECLI:EU:C:2011:83 – TeliaSonera, www.curia.eu, Tz. 27. 533 Pirrong, Journal of Law and Economics 38 (1995), 141, 147. 534 S. aber Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, Teil 6 Rz. 492, der unter Rückgriff auf die englische Sprachfassung („persons acting in collaboration“) keine zu hohen Anforderungen stellen will. Nunmehr auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 154. Im Zusammenhang mit dem GameStop-Beispiel (Rz. 139, 259) Veil/Templer, ZIP 2021, 981, 986 („unionsrechtliches Pendant einer Mittäterschaft“); Wegner, BKR 2021, 181, 184 f.; Merwald/Schauer, BKR 2021, 280, 285 f. 535 S. etwa Art. 5 Abs. 4 Übernahme-RL: „einer mit ihm gemeinsam handelnden Person“. 536 Von Hein in Schwark/Zimmer, § 34 WpHG Rz. 30 f.: auch die zur Abstimmung in sonstiger Weise (§ 34 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 WpHG) genügenden gentlemen’s agreements erfordern eine „tatsächliche, durch Sanktion gesellschaftlicher, moralischer oder wirtschaftlicher Art gesicherte Bindung“. S. auch BaFin, Emittentenleitfaden, 5. Aufl. 2018, B Nr. I.2.5.10.1. Zum – durchaus nicht unumstrittenen – Begriff des acting in concert im europäischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht etwa Hopt, EBOR 15 (2014), 143, 185 ff.; Ghetti, ECFR 2014, 594, 598 ff.
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Marktmanipulation | Rz. 244 Art. 12 VO Nr. 596/2014
für eine gemeinsame oder kollektive Marktbeherrschung, dass aus der Natur und dem Wortlaut der Vereinbarung herrührende wirtschaftliche Bindungen zwischen den Kartellmitgliedern bestehen537. Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 erfordert für eine Handlung – wie alle Tatbestandsvarianten des Art. 12 242 VO Nr. 596/2014 (näher Rz. 62, 202 f.) – ein positives Tun. Für die Sicherung genügt es deshalb zum einen nicht, dass jemand eine in legitimer Weise erlangte Position schlicht beibehält bzw. aufrechterhält, mithin die Veräußerung bestimmter Positionen nur unterlässt538. Insoweit verbietet sich auch eine Anknüpfung an die ursprüngliche Erlangung der marktbeherrschenden Stellung. Wer z.B. im Rahmen einer öffentlichen Übernahme einen bedeutenden Anteil an den Aktien der Zielgesellschaft erworben hat, sichert sich keine marktbeherrschende Stellung, wenn er diesen Anteil behält, obwohl Hedgefonds, die auf das Scheitern des Übernahmevorhabens spekuliert haben, in einem den free float übersteigenden Ausmaß ungedeckte Leerverkäufe getätigt haben und nunmehr auf den erworbenen Anteil angewiesen sind, um ihre Leerverkaufspflichten zu erfüllen.
Da der effektive Erwerb von Finanzinstrumenten bzw. Finanzbeteiligungen – auch mit der Folge der Siche- 243 rung einer marktbeherrschenden Stellung – auf einer legitimen Marktstrategie beruhen kann, ist es bei dem zwingenden Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 besonders dringlich, Marktmanipulationen von legitimem Marktverhalten abzugrenzen539. Denn nur wenn die Sicherung zu einer illegitimen unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufs- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen führt oder dazu geeignet ist, liegt eine Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 vor. Teilweise wird durch das zusätzliche Kriterium der erforderlichen Zurechnung der marktbeherrschenden Stellung auf dieses Problem reagiert540. So soll insbesondere der Fall einer aufgedrängten marktbeherrschenden Stellung nicht erfasst sein. Überzeugender erscheint freilich eine Abgrenzung mittels des Kriteriums der illegitimen Festsetzung von An- und Verkaufskursen bzw. der Schaffung sonstiger unlauterer Handelspraktiken, da so tatsächlich legitimes Marktverhalten tatbestandlich ausgeschlossen werden kann, während dies über das Kriterium der Zurechnung künstlich wirken würde. An einer illegitimen Festsetzung fehlt es z.B. offenkundig, wenn Market Maker (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126) in Bezug auf ein emittiertes Finanzinstrument Kauf- oder Verkaufsaufträge einstellen, um einen Handel erst zu ermöglichen541, wie es z.B. im Optionsscheinhandel üblich ist542. Ebensowenig widerstreitet das Verbot, sich eine marktbeherrschende Stellung zu sichern, der Zulässigkeit eines Beteiligungsaufbaus und auch einer („feindlichen“) Übernahme einer börsennotierten Gesellschaft. Verfolgt der Normadressat bei der Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung (Rz. 235 f.) entsprechend legitime wirtschaftliche Ziele und erfüllt er dabei alle Transparenzanforderungen (§§ 33 ff. WpHG) und etwaigen Vorgaben des Übernahmerechts, befindet er sich aus Sicht des Marktmissbrauchsrechts – untechnisch gesprochen – im „safe harbour“543. Ein Verstoß gegen Art. 15, Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 liegt dann nicht vor. Dem jeweiligen Marktteilnehmer wird aber im aufsichtsbehördlichen Verfahren abzuverlangen sein, gegenüber der Aufsichtsbehörde einen Nachweis für seine legitime Marktstrategie zu erbringen. Besonders liegen die Dinge beim übernahme- und aktienrechtlichen squeeze out von Minderheitsaktionä- 244 ren. Insofern ist nämlich schon begrifflich fraglich, ob eine marktbeherrschende Stellung noch gesichert wird, da der squeeze out – bei einem Erfolg – gerade zur Beendigung des Marktes führt. Zum anderen ver-
537 Vgl. EuGH v. 16.3.2000 – C-395/96 P, Slg. 2000, I-1365, Rz. 45 – Compagnie Maritime Belge Transports u. a./ Komm.; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 AEUV Rz. 115 ff. m.w.N. Soweit in der Rechtssache Grencor (EuG v. 25.3.1999 – T102/96, Slg. 1999, II-753, Rz. 275 – Gencor/Komm.) auch weniger weitgehende Absprachen für genügend erachtet werden, beschränkt sich dies auf Wechselbeziehungen innerhalb eines engen Oligopols. Dies bestätigt auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Wouters (EuGH v. 19.2.2002 – C-309/99, C-35/99, Slg. 2002, I-1577, Rz. 114 – Wouters u.a.; dazu Scholz in Wiedemann, Kartellrecht. 4. Aufl. 2020, § 22 Rz. 51. 538 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 492; vgl. Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 153 f. 539 S. auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 156. Vgl. auch FCA, Handbook, MAR 1: Market Abuse, Section 1.6: Manipulating transactions, 1.6.2012: „Squeezes occur relatively frequently when the proper interaction of supply and demand leads to market tightness, but this is not of itself likely to be abusive. In addition, having a significant influence over the supply of, or demand for, or delivery mechanisms for an investment, for example, through ownership, borrowing or reserving the investment in question, is not of itself likely to be abusive“. 540 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 322. 541 Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, S. 192. 542 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 99; zu § 20a WpHG a.F. auch Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 66; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 23; vgl. aus Sicht des Schweizer Rechts Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 77. 543 Wie hier Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 156.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 244 | Marktmanipulation bietet es sich bei einer Zusammenschau der verschiedenen Rechtsakte der EU, dass das Marktmanipulationsrecht die ausdrücklich eröffnete Möglichkeit des übernahmerechtlichen squeeze out konterkariert544. Eine andere Frage ist, inwiefern der Mehrheitsaktionär im Vorfeld des squeeze out versucht, durch falsche oder irreführende Informationen (vgl. Rz. 206 ff.) den Aktienkurs zu senken, um so die Abfindungshöhe zu beeinflussen545. b) Kapitalmarktpraxis 245 Von Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 erfasste Verhaltensweisen sind in der Kapitalmarktpraxis ins-
besondere unter den Begriffen abusive squeezing, short squeeze und cornering bekannt546. Das cornering wird gemeinhin als Manipulationspraktik beschrieben, bei der es dem Manipulator gelingt, weitgehende Kontrolle über das Angebot oder die Nachfrage nach einer Ware oder einem Wertpapier zu erlangen und dadurch die Marktgegenseite „in die Ecke drängen“ kann547. Vom abusive squeeze soll sich der corner nach jedenfalls in Deutschland üblicher Begriffsverwendung dadurch unterscheiden, dass ersterer auf Terminmärkten und letzterer auf Waren- und Aktienmärkten stattfindet548. In den Vereinigten Staaten finden sich teilweise auch andere begriffliche Unterscheidungen. So wird teilweise davon gesprochen, dass der abusive squeeze eine abgeschwächte Form des corner sei, bei der dem Manipulator keine vollständige Marktmacht zukomme549. Die Begrifflichkeiten sind für die Erfassung einer Manipulationspraktik von Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des zwingenden Beispiels erfüllt sind.
246 Die marktschädliche Wirkung liegt bei allen dem Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 unterfallenden Prak-
tiken in einem Eingriff in den Wettbewerbsprozess durch Sicherung oder Ausnutzung einer Monopolstellung550. Dadurch wird die freie Marktpreisbildung gestört und so die Ressourcenallokation beeinträchtigt551. Solche Praktiken lassen sich insbesondere auf illiquiden Märkten ins Werk setzten552, auf denen der Manipulator typischerweise ausnutzt, dass Leerverkäufer sich mit Finanzinstrumenten eindecken müssen, um ihren Lieferverpflichtungen nachzukommen und dass sie in dieser Situation dazu gezwungen sind, höhere Preise zu akzeptieren553. Die anderen von Art. 12 VO Nr. 596/2014 erfassten Manipulationspraktiken sind demgegenüber schwerpunktmäßig auf eine Markttäuschung gerichtet. Zwar kann zu Manipulationspraktiken i.S.d. Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 auch ein Täuschungselement hinzutreten, doch ist dies weder zwingend noch auch nur charakteristisch554. Abusive squeezing, ebenso wie cornering liegen daher an der Schnittstelle zwischen Kapitalmarktrecht und Kartellrecht555, weshalb ihre Erfassung durch das Marktmanipulationsverbot zum Teil auch kritisiert wird556. Richtigerweise sind freilich beide Regelungsmaterien nebeneinander anzuwenden (Rz. 17)557. 544 Vgl. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 156. Zu § 4 MaKonV im Ergebnis auch Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 23; Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 231 a.E. 545 Dazu empirisch Daske/Bassemir/Fischer, ZfbF 66 (2010), 254. 546 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 14 Rz. 27; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 314; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 148. 547 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1253; vgl. auch Lin, Emory Law Journal 66 (2017), 1253, 1281 f. 548 So die Unterscheidung bei Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1253; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 65; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 18; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 112; Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 231. Zu anderen begrifflichen Differenzierungen Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 150. 549 Markham, Law Enforcement and the History of Financial Market Manipulation, S. 3. 550 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 312; vgl. Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 20; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 65; Fleischer, ZGR 2008, 185, 221 ff. 551 Allen/Litov/Mei, Review of Finance 10 (2006), 645; Kyle/Viswanathan, The American Economic Review 98 (2008), 274, 275; Goldstein/Guembel, Review of Economic Studies 75 (2008), 133; Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952; dazu auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 149; Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254; näher Sajnovits, ZGR 2021, 804, 808 ff.; 552 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254; Kyle/Viswanathan, American Economic Reviews, Papers & Proceedings 98 (2008), 274; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 112; a.A. Easterbrook, Journal of Business 69 (1986), 103, 106. 553 Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956; Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 150. 554 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1254; Kyle/Viswanathan, American Economic Reviews, Papers & Proceedings 98 (2008), 274; a.A. Easterbrook, Journal of Business 69 (1986), 103, 106. 555 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253. 556 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2450. 557 Fleischer/Bueren, ZIP 2013, 1253, 1263; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 329; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 23a; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 491.
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Marktmanipulation | Rz. 249 Art. 12 VO Nr. 596/2014
2. Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 gelten als Marktmanipulation der Kauf oder Verkauf von Finanz- 247 instrumenten bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss an einem Handelsplatz mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge, dass Anleger, die aufgrund der angezeigten Kurse, einschließlich der Eröffnungsund Schlusskurse, tätig werden, irregeführt werden558. Bei dem zwingenden Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 handelt es sich in der Sache um einen Fall des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014559. a) Tatbestandsvoraussetzungen Tatbestandlich verlangt Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 zunächst den Kauf oder Verkauf von Finanz- 248 instrumenten an einem Handelsplatz. Mit Finanzinstrumenten verbundene Waren-Spot-Kontrakte und auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte sind nicht erfasst (s. aber noch Rz. 283 ff.)560. Die Begriffe Kauf und Verkauf sind hier nicht zivilrechtlich im Sinne des Abschlusses eines Kaufvertrags i.S.d. § 433 BGB, sondern kapitalmarktrechtlich zu verstehen561. Erfasst sind daher alle Handlungsweisen, die wirtschaftlich zum Erwerb oder zur Veräußerung der betreffenden Finanzinstrumente führen. Ein Vollrechtserwerb auf der einen und ein entsprechender Rechtsverlust auf der anderen Seite sind nicht erforderlich, und auch Leihgeschäfte, etwa die sog. Wertpapierleihe, sind erfasst. Unerheblich ist, ob es sich um Eigenoder Fremdgeschäfte handelt, und es kommt auch nicht darauf an, ob das Geschäft im eigenen oder fremden Namen oder für eigene oder fremde Rechnung getätigt wird. Nicht genügend ist nach dem Wortlaut aber die bloße Erteilung eines Handelsauftrags (zum Begriff Rz. 60)562. Erst die Ausführung eines Handelsauftrags, der auf ein Erwerbs- und Veräußerungsgeschäft gerichtet ist, genügt den Anforderungen des Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014. Der Kauf oder Verkauf muss zudem an einem Handelsplatz erfolgt sein. Ein Handelsplatz bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/2014 einen Handelsplatz i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 RL 2014/65/EU (MiFID II) und damit einen geregelten Markt, ein MTF oder ein OTF (dazu schon Rz. 30). Ein OTC durchgeführter Kauf oder Verkauf erfüllt die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/ 2014 damit nicht. Zwar wird unter Verweis auf andere Sprachfassungen, die eine entsprechende Einschränkung nicht enthalten, vertreten, dass auch OTC durchgeführte Käufe oder Verkäufe den Tatbestand des Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 erfüllen können563. Dem ist aber jedenfaflls in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Funktional geht es beim marking the close um eine Veränderung der angezeigten Kurse und einer dadurch verursachten Irreführung anderer Marktteilnehmer. OTC durchgeführte Geschäfte beeinflussen in aller Regel aber gerade nicht die angezeigten Kurse. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn das jeweilige OTC-Geschäft einer Transparenzvorgabe nach der MiFIR unterliegt564 und dieser auch tatsächlich entsprochen wird. Der Kauf oder Verkauf muss zudem bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss erfolgt sein. Insofern be- 249 inhaltet die Norm ein zeitliches und räumliches Kriterium. Der Handelsbeginn meint den frühesten möglichen Beginn des normalen Handels mit dem Finanzinstrument an dem jeweiligen Handelsplatz565. Der Handelsschluss meint die letztmögliche Beendigung des normalen Handels mit dem Finanzinstrument auf dem jeweiligen Handelsplatz566. Maßgeblich sind der Handelsbeginn und der Handelsschluss an demjenigen Handelsplatz, an dem der Kauf oder Verkauf erfolgt. Bei Handelsbeginn oder Handelsschluss meint, dass der Kauf oder Verkauf zeitlich im unmittelbaren Umfeld zum Handelsbeginn oder Handelsschluss stattfinden muss567, wobei eine genaue zeitliche Eingrenzung kaum möglich ist. Käufe oder Verkäufe, die mehr als eine Stunde nach Handelsbeginn oder vor Handelsschluss getätigt werden, erfolgen aber wohl nicht mehr bei Handelsbeginn oder Handelsschluss. Nach dem Wortlaut der deutschen Sprachfassung ist 558 559 560 561 562 563 564 565 566 567
Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 330 ff. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 331; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 97. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 332. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 160 f. So auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 333. Unter Verweis auf die englische und die französische Sprachfassung Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 161; ebenso unter Verweis auf die englische, die französische und die polnische Sprachfassung Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 116. Wertpapierfirmen treffen auch bei OTC-Geschäften in Aktien und Derivaten unter bestimmten Umständen Vor(Art. 14, 18 VO Nr. 600/2014 [MiFIR]) und Nachhandelstransparenzpflichten (Art. 20, 21 VO Nr. 600/2014 [MiFIR]). Näher Sajnovits, ZBB 2019, 161, 165 ff. Vgl. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 DelVO Nr. 1287/2006. Vgl. Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 DelVO Nr. 1287/2006. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 334; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 161.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 249 | Marktmanipulation nicht genügend, wenn der Kauf oder Verkauf (zufällig) zu einem Zeitpunkt stattfindet, an dem an einem anderen Handelsplatz gerade der Handel beginnt oder endet. Das ist problematisch, weil der Kauf oder Verkauf an einem Handelsplatz auch Kurswirkungen auf das gleiche Finanzinstrument an anderen Handelsplätzen hat. Da andere Sprachfassungen, insbesondere die englische, aber auch etwa die französische Sprachfassung, auf diesen Zusatz verzichten568, sollte – jedenfalls für die aufsichtsrechtliche Bewertung – auf das Erfordernis verzichtet werden, sodass auch mittelbare Manipulationen des Start- oder Schlusskurses dem zwingenden Beispiel nach Abs. 2 lit. b unterfallen können. Zudem kann ein solches Vorgehen eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 darstellen (Rz. 53 ff.). Nicht erfasst von Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 – möglicherweise aber als Manipulationshandlung nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 143) – ist eine sonstige unmittelbare oder mittelbare Beeinflussung von Referenzpreisen nahe dem Zeitpunkt, zu dem sie festgestellt werden, solange es sich nicht um Start- oder Schlusskurse handelt569. 250 Der Kauf oder Verkauf an einem Handelsplatz bei Handelsbeginn oder Handelsschluss muss schließlich die
tatsächliche oder wahrscheinliche Folge haben, dass Anleger, die aufgrund der angezeigten Kurse, einschließlich der Eröffnung- und Schlusskurse, tätig werden, irregeführt werden570. Erforderlich ist damit eine Irreführung(seignung), die sich aus der Sicht eines verständigen Anlegers (Rz. 70 f.) beurteilt571. Die Wahrscheinlichkeit einer Irreführung muss auch hier die Schwelle von 50 % überschreiten (vgl. Rz. 82 ff.). Die Anleger müssen gerade deshalb (wahrscheinlich) irregeführt werden, weil sie ihre Anlageentscheidung aufgrund der bei Handelsbeginn oder Handelsschluss angezeigten Kurse des betreffenden Finanzinstruments tätigen572. Zu diesen bei Handelsbeginn oder Handelsschluss angezeigten Kursen zählen insbesondere die Eröffnungs- und Schlusskurse selbst. Gerade diese werden von zahlreichen – auch rational handelnden – Marktteilnehmern für ihre Anlageentscheidung in Bezug genommen. Eine (wahrscheinliche) Irreführung durch die angezeigten Kurse kommt nur in Betracht, wenn die Tathandlung auch einen tatsächlichen Einfluss auf die angezeigten Kurse hat573. Es ist mithin nicht genügend, dass es wahrscheinlich war, dass die Handlung zu einer Beeinflussung der angezeigten Kurse führt. Das Wahrscheinlichkeitskriterium bezieht sich vielmehr nur auf die Irreführung durch die angezeigten Kurse. Kommt es zu keiner tatsächlichen Beeinflussung, kann immer noch eine versuchte Marktmanipulation vorliegen574.
251 Das Vorliegen eines subjektiven Elements ist zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich, sodass der
Manipulator beim Kauf oder Verkauf weder vorsätzlich noch fahrlässig handeln muss575. Gerade in diesem enorm manipulationsanfälligen Bereich (Rz. 255) ist es erforderlich, dass Ermittlungs- und Eingriffsmaßnahmen auch ohne einen entsprechenden Nachweis eingeleitet werden können.
252 Zur Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 sollten Aufsichtsbehörden auf
das Prüfraster nach Anhang II Abschnitt 1 Nr. 5 lit. a DelVO 2016/522 zurückgreifen. Dieser beschreibt, wann ein Verhalten auf ein marking the close hindeutet (Rz. 143). Entspricht ein Sachverhalt den dort aufgeführten Kriterien, müssen die zuständige Behörde bzw. der meldepflichtige Marktteilnehmer (Rz. 6, 283) vor der Prüfung der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 immer erst prüfen, ob das zwingende Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 vorliegt.
253 Erfüllt eine Handlung die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014, muss sie gleichwohl
von legitimem Handelsverhalten abgegrenzt werden, da Orders, die den Start- oder Schlusskurs beeinflussen, auch auf legitimen Investmentplänen beruhen können576. Ein starkes Indiz für ein Fehlen entsprechend legitimer Interessen wird insbesondere dann vorliegen, wenn der Manipulator erhebliche verbundene Finanzinstrumente hält, deren Wertentwicklung von dem beeinflussten Finanzinstrument abhängig ist (Crossproduct-Manipulationen, Rz. 115)577.
568 569 570 571 572 573 574 575
Darauf weist zutreffend Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 335 hin. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 334; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 162. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 336; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 162. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 163. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 337. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 338. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 338. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 331, 339, der eine Einhegung des weit gefassten Tatbestands auf die Sanktionenseite verlagern will; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 164; a.A. wohl Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 101; Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rz. 97. 576 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 137. 577 Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 137.
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Marktmanipulation | Rz. 256 Art. 12 VO Nr. 596/2014
b) Kapitalmarktpraxis Die nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 verbotenen Manipulationshandlungen werden in der Kapital- 254 marktpraxis häufig als marking the close und/oder marking the open578 bezeichnet. Sofern eine Manipulation nicht die Kurse am Handelsbeginn oder Handelsschluss beeinflusst, unterfällt sie nicht dem zwingenden Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2012, kann aber nach dem allgemeinen Manipulationstatbestand der Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 verboten sein (schon Rz. 252)579. Der Zweck entsprechender Manipulationspraktiken besteht entweder darin, Marktteilnehmer, die ihre Anlageentscheidungen maßgeblich auf den Start- oder Schlusskurs an einem bestimmten Handelstag stützen, in die Irre zu führen, insbesondere aber auch darin, Einfluss auf Referenzkurse, Abrechnungskurse oder sonstige Bewertungen anderer Instrumente oder etwa von Vermögensverwaltern zu nehmen580. So werden etwa Stop-Orders anderer Marktteilnehmer ausgenutzt, die automatisch durch eine bestimmte Kursüber- oder -unterschreitung am Handelsschluss ausgelöst werden581. Die Manipulation des underlying einer Option, kann nämlich einen knock-out noch vor Optionsverfall bewirken582. Beim sog. capping and pegging sollen z.B. Optionen entwertet werden, was insbesondere dann durch eine Start- oder Schlusskursmanipulation gelingt, wenn die Optionsbedingungen auf die entsprechenden Notierungen am Handelsbeginn oder Handelsschluss referenzieren583. Ein weitereres Beispiel bildet das sog. portfolio dumping durch Investmentfonds584. Dem Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 unterfällt diese Praxis aer freilich nur dann, wenn sich die Manipulation auf einen Schlusskurs bezieht. Im Übrigen kommt aber auch eine Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 in Betracht (Rz. 53 ff.). Ein wichtiges Anwendungsfeld für diese Manipulationspraktiken bietet der bekannte „Hexensabatt“ („witch 255 day“), also die hohe Volatilität von Referenzpreisen für Futures und Optionen an deren „großen“ Verfallsterminen (jeweils der dritte Freitag der Monate März, Juni, September und Dezember). Hier kann es zu Marktmanipulationen der Referenzpreise kommen, z.B. um Optionen ins Geld oder aus dem Geld zu bringen. Insgesamt haben entsprechende Manipulationspraktiken wegen der vielfältigen Bezugnahmen auf die Start-, insbesondere aber auf die Schlusskurse erhebliche Auswirkungen auf den Finanzmärkten585. Zahlreiche jüngere Studien erhärten die Vermutung, dass entsprechende Schlusskurse besonders häufig Gegenstand von Manipulationen sind586. Aus beiden Aspekten erklärt sich die Erfassung als zwingendes Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014.
3. Beeinträchtigung des Funktionierens des Handelssystems des Handelsplatzes durch die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen nach Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 gilt als Marktmanipulation die Erteilung von Kauf- oder Ver- 256 kaufsaufträgen an einem Handelsplatz, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, mittels aller zur Verfügung stehender Handelsmethoden, auch in elektronischer Form, beispielsweise durch algorithmische und Hochfrequenzhandelsstrategien, die eine der in Art. 12 Abs. 1 lit. a oder b VO Nr. 596/2014 genannten Auswirkungen hat, indem sie:
578 Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956. 579 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 162. 580 Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956; Tountopoulos, WM 2013, 351, 351 f., der zusätzlich noch auf den Aspekt der Imagepflege hinweist. 581 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 493, der das Regelbeispiel auf diese Fälle beschränkt; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 156 f. Zur Ausnutzung von Stop-Orders auch Brammsen, WM 2012, 2134, 2139; Klöhn, NZG 2011, 934, 934 f. 582 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 118. 583 Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956; Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse: A Legal and Economic Analysis, S. 140; Tountopoulos, WM 2013, 351, 352. 584 Dazu Neurath, WM 2019, 378; aus dem empirischen Schrfttum Ben-David/Franzoni/Landier/Mousswi, Journal of Finance 68 (2013), 2383, deren Untersuchung nahelegt, dass einige Investmentfonds systematisch Aktien zu kritischen Berichterstattungszeitpunkten manipulieren. 585 S. schon Kahan, Duke Law Journal 41 (1992), 977; ferner auch Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 956. 586 Ni/Pearson/Poteshman, Journal of Financial Economics 78 (2005), 49; Hillion/Suominen, Journal of Financial Markets 7 (2004), 351; zu weiteren Studien s. den Überblick bei Putniņš, Journal of Economic Surveys 26 (2012), 952, 59 f. Zu einer Analyse von der SEC nachgewiesener Schlusskursmanipulationen und deren Auswirkungen Comerton-Forde/Putniņš, Journal of Financial Intermediation 20 (2011), 135.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 256 | Marktmanipulation i) das Funktionieren des Handelssystems des Handelsplatzes tatsächlich oder wahrscheinlich stört oder verzögert, ii) Dritten die Ermittlung echter Kauf- oder Verkaufsaufträge im Handelssystem des Handelsplatzes tatsächlich oder wahrscheinlich erschwert, auch durch das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen, die zur Überfrachtung oder Beeinträchtigung des Orderbuchs führen, oder iii) tatsächlich oder wahrscheinlich ein falsches oder irreführendes Signal hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach oder seines Preises setzt, insbesondere durch das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen zur Auslösung oder Verstärkung eines Trends. a) Tatbestandsvoraussetzungen 257 Als tatbestandliche Handlung fordert Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 die Erteilung von Kauf- oder
Verkaufsaufträgen an einem Handelsplatz (zu den erfassten Handelsplätzen Rz. 30), einschließlich deren Stornierung oder Änderung, mittels aller zur Verfügung stehenden Handelsmethoden, auch in elektronischer Form, beispielsweise durch algorithmische und Hochfrequenzhandelsstrategien. Kauf- oder Verkaufsaufträge sind auch hier nicht zivilrechtlich, also im Sinne des bürgerlichen Auftrags- und Kaufrechts, sondern kapitalmarktrechtlich als Orders zu verstehen (vgl. Rz. 60)587. Ein Kauf- oder Verkaufsauftrag ist erteilt, wenn er dem Adressaten zugegangen ist; nicht erforderlich ist, dass er bereits im Orderbuch eingestellt ist. Unerheblich ist, ob der Auftrag bedingt oder befristet ist; auch Limit-Orders sind bereits dann erteilt, wenn sie dem Adressaten zugegangen sind. Die Stornierung und die Änderung eines Handelsauftrages sind als solche zwar keine Erteilung eines Handelsauftrages, stellen aber hier ausdrücklich auch eine tatbestandliche Handlung i.S.d. Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 dar588.
258 Die Form der Erteilung bzw. Stornierung oder Änderung ist grundsätzlich unerheblich (vgl. auch Erwä-
gungsgrund 38)589. Die Norm spricht von der Erteilung „mittels aller zur Verfügung stehenden Handelsmethoden, auch in elektronischer Form“. Allerdings zielt Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 maßgeblich auf die Erfassung des Hochfrequenz- sowie des algorithmischen Handels590, weshalb eigens hervorgehoben wird, dass die tatbestandliche Handlung auch in elektronischer Form, beispielsweise durch algorithmische und Hochfrequenzhandelsstrategien erfolgen kann. Der erste Vorschlag der Europäischen Kommission war sogar noch auf „Kauf- oder Verkaufsaufträgen an einen Handelsplatz mittels algorithmischen Handels, einschließlich Hochfrequenzhandels“ beschränkt591. Im finalen Verordnungstext sind der algorithmische Handel und der Hochfrequenzhandel nur noch als Beispiele aufgeführt592. Gemäß Erwägungsgrund 38 VO Nr. 596/2014 sollen die Beispiele nicht den Eindruck erwecken, dass „dieselbe Strategie, wenn sie mit anderen Mitteln erfolgen würde, nicht auch missbräuchlich wären.“ Diese Ausweitung kann freilich nicht für Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. ii) und erst recht nicht für Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. iii) VO Nr. 596/2014 gelten, da das zwingende Beispiel sonst die Regelungssystematik des Art. 12 VO Nr. 596/2014 sprengen würde (Rz. 261)593. Letztlich käme der Norm gegenüber dem Grundtatbestand nach Art. 12 Abs. 1 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 nämlich überhaupt keine Konkretisierungswirkung mehr zu. Daher ist jedenfalls bei Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. ii) und iii) VO Nr. 596/2014 die tatbestandliche Handlung nur ein Vorgehen durch algorithmischen Handel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 18 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 39 RL 2014/65/EU oder durch Hochfrequenzhandel (Art. 3 Abs. 1 Nr. 33 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 40 RL 2014/65/ EU) erfasst.
259 Die tatbestandliche Handlung muss nach Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. i) VO Nr. 596/2014 das Funktionieren des
Handelssystems des jeweiligen Handelsplatzes tatsächlich oder wahrscheinlich stören oder verzögern594. Ziel der Manipulationshandlung ist das Handelssystem des jeweiligen Handelsplatzes, mithin des Marktbetreibers. Zwar ist die tatbestandliche Handlung nicht auf den Hochfrequenzhandel beschränkt, tatsächlich wird aber in der Regel nur ein Hochfrequenzhändler zur Herbeiführung einer entsprechenden Störung in der Lage sein595. 587 588 589 590 591 592 593 594 595
Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 345; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 166. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 345; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 166. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 167; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 386. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 494; Poelzig, NZG 2016, 528, 536; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 744; de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 386. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Marktmissbrauchsverordnung v. 20.10.2011, KOM(2011) 651 endg.; dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 341; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 167. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 342. Kritisch zur Weite des Tatbestands auch Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 343; Eggers, BKR 2019, 421, 422. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 352. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 494 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 171.
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Marktmanipulation | Rz. 263 Art. 12 VO Nr. 596/2014
GameStop zeigt, dass dies auch einmal anders sein kann596. So kann eine sehr große Zahl an Orders- bzw. Stornierungen zu einer kurzzeitigen Überlastung des EDV-Systems eines Marktbetreibers führen597. Die dadurch verursachte Verzögerung bei der Preisbildung kann dann vom Manipulator auf anderen Handelsplätzen ausgenutzt (cross-venues) werden und er vermag so risikolose Arbitragegewinne erzielen598. Die tatbestandliche Handlung muss nach Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. ii) VO Nr. 596/2014 einem Dritten die 260 Ermittlung echter Kauf- oder Verkaufsaufträge im Handelssystem des Handelsplatzes tatsächlich oder wahrscheinlich erschweren, etwa weil das Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen zu einer Überlastung oder Beeinträchtigung des Orderbuchs führt599. Die insoweit im Zentrum stehende Beeinträchtigung wird anders als bei Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. i) VO Nr. 596/2014 nicht bei Marktbetreibern hervorgerufen, sondern bei Dritten, womit andere Marktteilnehmer, insbesondere andere Hochfrequenzhändler, gemeint sind600. Erkennen die Algorithmen anderer Hochfrequenzhändler nämlich nur die Eingabe entsprechender Orders, nicht aber sogleich auch deren Stornierung bzw. können sie diese, anders als der Manipulator, nicht bereits im Zeitpunkt der Ordereingabe in ihre Berechnung einbeziehen, wird die eigene Handelsstrategie verschleiert und es werden Unsicherheiten bei anderen Marktteilnehmern erzeugt601. De tatbestandliche Handlung, mithin die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen, muss nach Art. 12 261 Abs. 2 lit. c Ziff. iii) VO Nr. 596/2014 tatsächlich oder wahrscheinlich ein falsches oder irreführendes Signal hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach oder seines Preises setzen (vgl. Rz. 67 ff.), was insbesondere beim Einstellen von Kauf- oder Verkaufsaufträgen zur Auslösung oder Verstärkung eines Trends der Fall ist602. Das zwingende Beispiel des Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. iii) VO Nr. 596/ 2014 ist zwar nicht nach seinem Wortlaut, wohl aber aus systematischen und teleologischen Gründen auf den Hochfrequenz- und algorithmischen Handel (Rz. 258) beschränkt. Würde man allein auf die potenzielle Signalwirkung der Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen abstellen, ergäbe sich nämlich kein Unterschied zu Art. 12 Abs. 1 lit. a Ziff. i) VO Nr. 596/2014. Auch dieser stellt bei Handelsaufträgen darauf ab, ob diese tatsächlich oder wahrscheinlich ein irreführendes Signal geben. Hinsichtlich der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge eines falschen oder irreführenden Signals hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach oder seines Preises gelten die Ausführungen Rz. 67 ff. ganz entsprechend. Nicht genügend ist es, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen hier lediglich die Ausnahme der zulässigen Marktpraxis heranzuziehen603. Vielmehr ist diese ohnehin bei allen zwingenden Beispielen nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014, die einen Unterfall des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 darstellen, anzuwenden (Rz. 6, 234, 283 f.). Für alle Varianten des Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 muss die tatbestandliche Handlung eine der in 262 Art. 12 Abs. 1 lit. a oder lit. b VO Nr. 596/2014 genannten Auswirkungen haben. Für Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. iii) VO Nr. 596/2014 handelt es sich dabei um eine irreführende Vervielfachung der Voraussetzungen, da dieser ausdrücklich verlangt, dass die Erteilung des Kauf- oder Verkaufsauftrags tatsächlich oder wahrscheinlich ein falsches oder irreführendes Signal setzt (Rz. 261)604. Für die anderen beiden Tatbestandsvarianten kommen hingegen alle in Art. 12 Abs. 1 lit. a und lit. b VO Nr. 596/2014 genannten Wirkungen in Betracht. Zu diesen Rz. 67 ff., Rz. 182 ff. und Rz. 204 ff. Auf subjektive Elemente kommt es bei alledem nicht an605. Das ist für die Aufsichtspraxis gerade beim 263 Hochfrequenz- und algorithmischen Handel insofern besonders bedeutsam, als Geschäfte von einem Algorithmus automatisch vorgenommen werden. Der Marktmanipulationsbegriff knüpft ersichtlich nicht an die Programmierung des Algorithmus, sondern an die Erteilung von Handelsaufträgen an. Wenn in diesen Prozess keine natürlichen Personen eingebunden sind, fehlt es notwendig an einem subjektiven Element, weshalb ein solches auf keinen Fall eine Rolle spielen kann.
596 Näher Sajnovits, ZGR 2021, 804, 836 ff. 597 Egginton/Van Ness/Van Ness, Financial Management 2016, 583, 583; Kasiske, WM 2014, 1933, 1935; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 102; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 495. 598 Egginton/Van Ness/Van Ness, Financial Management 2016, 583, 584; Kasiske, WM 2014, 1933, 1935; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 494 f. 599 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 353; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 172. 600 Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 31; Kasiske, WM 2014, 1933, 1935. 601 Kasiske, WM 2014, 1933, 1935. 602 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 354 ff. 603 So aber Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 357; dies wohl auch für hinreichend haltend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 173. 604 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 127. 605 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 127.
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2023-04-11, 10:26, GroKO klein
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 264 | Marktmanipulation b) Kapitalmarktpraxis 264 Die von Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. i) und Abs. 2 lit. c Ziff. ii) VO Nr. 596/2014 erfassten Handlungen werden
in der Kapitalmarktpraxis als quote stuffing bezeichnet606. Das zwingende Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. c Ziff. iii) VO Nr. 596/2014 zielt auf die Erfassung von momentum ignition607. Der algorithmische bzw. Hochfrequenzhandel macht seit den frühen 2000er Jahren einen immer größeren Anteil am Handelsvolumen auf den Kapitalmärkten aus und wurde – auch aufgrund einiger bekanntgewordener Skandale – im Zuge der Finanzkrise zum Gegenstand politischer Initiativen. Bereits vor dem Inkrafttreten der MAR und der MiFIR/MiFID II wurde das Thema auf nationaler und EU-Ebene aufgegriffen. Der deutsche Gesetzgeber erließ bereits im Mai 2013 das Hochfrequenzhandelsgesetz, in dem er eine Erlaubnispflicht für Hochfrequenzhändler, Organisationspflichten für Hochfrequenzhändler und für Marktbetreiber sowie erweiterte aufsichtsbehördliche Eingriffsbefugnisse schuf, um manipulativen Praktiken vorzubeugen608.
265 Zwischenzeitlich sehen sowohl das MiFID II-/MiFIR-Regime als auch die MAR explizite Regelungen vor, die
den algorithmische bzw. Hochfrequenzhandel betreffen609. Die diesbezüglichen Vorgaben der MiFID II wurden insbesondere im WpHG umgesetzt. So müssen z.B. Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben, über Systeme zur Risikokontrollen verfügen, mit denen sie gewährleisten, dass ihre Handelssysteme belastbar sind, keine fehlerhaften Aufträge generieren oder auf sonstige Weise die Funktionsfähigkeit eines Marktes stören (dazu näher § 80 WpHG Rz. 103 ff.). Zudem werden auch Handelsplätze zur Implementierung bestimmter Schutzvorkehrungen verpflichtet (§ 74 WpHG Rz. 2 ff.). Auf die Einführung einer Mindesthaltefrist – wie sie vom Europäischen Parlament forciert wurde – hat der Unionsgesetzgeber aber verzichtet.
4. Ausnutzung der Wirkung von Stellungnahmen nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 266 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 gilt als Marktmanipulation auch jede Ausnutzung eines gelegent-
lichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt (oder indirekt zu dessen Emittenten), wobei zuvor Positionen in diesem Instrument eingegangen wurden und anschließend Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs des Instruments gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt ordnungsgemäß und wirksam mitgeteilt wird610. a) Tatbestandsvoraussetzungen
267 Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 fordert zunächst die Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßi-
gen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt (oder indirekt zu dessen Emittenten). Einen gelegentlichen oder regelmäßigen Zugang zu den traditionellen oder elektronischen Medien haben vor allem medial präsente Personen, z.B. in der Öffentlichkeit bekannte Analysten, Wirtschaftsjournalisten, „Börsengurus“, jedoch mit Blick auf das universell zugängliche Internet („Chat-Foren“ etc.) im Grunde jedermann611. Den Zugang muss die Person zur Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt (oder indirekt zu dessen Emittenten) ausgenutzt haben. Für eine Abgabe ist eine Entäußerung der Stellungnahme – gleich in welcher Kommunikationsform612 – in Richtung auf einen Erklärungsempfänger erforderlich613. Ausdrückliche Anforderungen
606 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 352 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 171. 607 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 355; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 174. 608 Dazu Jaskulka, BKR 2013, 221; Kobbach, BKR 2013, 223; Schultheiß, WM 2013, 596; monographisch Löper, Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Hochfrequenzhandels in Deutschland: Eine rechtsökonomische Analyse des Hochfrequenzhandelsgesetzes, 2015. 609 Zu den europäischen Vorgaben Busch, Law and Financial Markets Review 10 (2016), 72. 610 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 358 ff.; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 60 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 175 ff.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 128 ff. 611 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 366; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 129; tendenziell enger Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 34: „gewisses Maß an Exklusivität“ wie beim Zugang zu Fernsehen oder verbreiteten Printmedien erforderlich. 612 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 497. 613 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 367.
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Marktmanipulation | Rz. 269 Art. 12 VO Nr. 596/2014
an die Publizität der Stellungnahme stellt das Gesetz nicht614. Es ist deshalb grundsätzlich unerheblich, an wie viele Personen die Stellungnahme adressiert bzw. gegenüber wie vielen Personen sie abgegeben wird615. Zwar wird es typisch sein, dass die Stellungnahmen öffentlich gemacht oder jedenfalls an eine große Zahl von Personen adressiert wird. Zwingend ist dies jedoch nicht. Selbst eine nur an eine einzige Person adressierte Stellungnahme in einer E-Mail kann genügen, solange die Stellungnahme später Auswirkungen auf den Kurs des Finanzinstruments hat. Das bloße Erstellen einer Anlagestrategieempfehlung oder Anlageempfehlung ist für sich genommen nicht taugliche Tathandlung des Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014616; vielmehr muss deren Abgabe hinzukommen. Eine Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder ei- 268 nem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt (oder indirekt zu dessen Emittenten) kann insbesondere in einer Anlagestrategieempfehlung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 34 VO Nr. 596/2014) oder einer Anlageempfehlung (Art. 3 Abs. 1 Nr. 35 VO Nr. 596/2014), die für Verbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit vorgesehen sind (vgl. Rz. 195), aber auch in jeder anderen mündlichen, schriftlichen oder sonstigen Äußerung zu einem entsprechenden Instrument bzw. seinem Emittenten liegen617. Darauf, ob die Stellungnahme wahr oder unwahr, begründet oder unbegründet, vertretbar oder unvertretbar ist, kommt es bei Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 – anders als bei Abs. 1 lit. c (Rz. 206 ff.) – nicht an, desgleichen nicht, ob sich die Stellungnahme auf Tatsachen oder Umstände bezieht oder in bloßen Meinungen oder Werturteilen erschöpft618. Demgemäß kann auch hier (vgl. Rz. 203) die Kundgabe bloßer Gerüchte genügen. Bezugspunkt der Stellungnahme kann sowohl das jeweilige Manipulationsobjekt (Finanzinstrument, Waren-Spot-Kontrakt) als auch dessen Emittent sein619. Vor der Abgabe der Stellungnahme muss eine Position in dem betreffenden Finanzinstrument, einem da- 269 mit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt eingegangen worden sein620. Eine Position wird nicht nur beim unmittelbaren Halten einer Short- oder Long-Position in einem Instrument eingegangen, sondern auch dann, wenn etwa ein Derivat, das auf es Bezug nimmt, erworben wird621. Ferner muss die Position nicht von derjenigen Person, die die Stellungnahme abgibt, eingegangen werden622. Genügend ist vielmehr aus Gründen des Umgehungsschutzes auch, wenn ein Dritter die Position hält und diesem die Stellungnahme zuzurechnen ist623. Vor der Abgabe der Stellungnahme ist als zeitliche Einschränkung zu verstehen, verlangt aber keinen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Stellungnahme und Positionseingehung, sodass die Positionseingehung auch deutlich vor der Abgabe der Stellungnahme liegen kann624. Nach dem Wortlaut nicht erfasst ist hingegen die gleichzeitige Positionseingehung und Abgabe der Stellungnahme. Zur Schließung dahingehender Schutzlücken sollte – jedenfalls für das aufsichtsrechtliche Verbot – auch die Gleichzeitigkeit genügen (vgl. zur Möglich614 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 367. 615 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 367; abweichend Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 129, die „im Grundsatz ein Mindestmaß an Publizität“ voraussetzen und nur „in Ausnahmekonstellationen (...) die Kundgabe gegenüber einer kleineren Anzahl an Personen genügen“ lassen wollen. Anders auch Poelzig in Fuchs/ Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 179, die eine „gewisse Breitenwirkung“ verlangt. 616 Vgl. zu § 4 MaKonV auch Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1050; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 15. 617 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 177. 618 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 129; a.A. Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 69, der fordert, dass die Stellungnahme zwingend ein wertendes Element enthält. Auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 177 geht davon aus, dass reine Tatsachenäußerungen keine Stellungnahme darstellen können. 619 Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 73; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 177. 620 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 369; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 62 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 181. 621 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 497; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 65 (jedenfalls mit Blick auf den Schutzzweck); Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 130; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 181; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 369, der Derivatepositionen nicht als erfasst ansieht und auf den Grundtatbestand nach Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 verweist. Jedoch lässt sich der Begriff der „Position“ nicht auf das unmittelbare Halten des jeweiligen Instruments beschränken. Beim Begriff der Long-Position des Art. 3 VO Nr. 236/2012 etwa wird unbestritten auch eine derivative Position erfasst. Dazu Art. 3 VO Nr. 236/2012 Rz. 11. 622 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 370; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 66; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 130. 623 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 370; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 182. 624 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 371; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 62.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 269 | Marktmanipulation keit einer gespaltenen Auslegung Vor Art. 1 ff. VO Nr. 236/2012 Rz. 51). Die bloße Absicht, nach der Kundgabe Positionen einzugehen, genügt nicht. Die Stellungnahme muss sich dann auch auf dieses Finanzinstrument, einen damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder ein auf Emissionszertifikaten beruhendes Auktionsobjekt beziehen. 270 Weitere Voraussetzung des Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 ist, dass der Interessenkonflikt der Öffent-
lichkeit nicht gleichzeitig mit der Abgabe der Stellungnahme ordnungsgemäß und wirksam mitgeteilt wurde625.
271 Der in Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 adressierte Interessenkonflikt resultiert aus der Möglichkeit
der Nutzenziehung aus den potenziellen Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs der Finanzinstrumente. Durch die Stellungnahme werden Informationen zu einem Emittenten bzw. seinen Finanzinstrumenten verbreitet. Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 ist die gesetzgeberische Wertungsentscheidung zu entnehmen, dass diese Informationsverbreitung nur dann rechtmäßig ist, wenn eine etwaige Nutzenziehungsmöglichkeit durch die Eingehung von Positionen in den Finanzinstrumenten gleichzeitig mit der Verbreitung der Stellungnahme offengelegt wird. Dahinter steht die Überlegung, dass der Markt die Informationen nur dann korrekt bewerten kann, wenn klar ist, ob derjenige, der die Informationen verbreitet, von einer Kursveränderung der Wertpapiere profitiert. Werden Informationen über einen Emittenten oder über ein Finanzinstrument verbreitet, die Einfluss auf die Preisbildung nehmen können, ist die Information über eine Gewinnmöglichkeit des jeweils die Information Verbreitenden naheliegenderweise eine für die Bewertung der Informationen relevante zusätzliche Information. Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 erklärt eine Informationsverbreitung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 typisierend für irreführend, wenn die wirksame und ordnungsgemäße Offenlegung des Interessenkonflikts unterbleibt. Ob der Kapitalmarkt die Information tatsächlich unzutreffend einpreist, ist unerheblich.
272 Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („gleichzeitig“) ist also sowohl die vorgängige als auch die
nachträgliche Offenbarung des Interessenkonflikts tatbestandsmäßig626. Für die gleichzeitige Offenbarung reicht es, dass offengelegt wird, welche Art von Positionen eingegangen worden sind. Eine ordnungsgemäße und wirksame Offenbarung verlangt einen konkreten und für den verständigen Anleger (Rz. 70 f.) problemlos zu identifizierenden konkreten und nicht lediglich abstrakten Hinweis auf den Interessenkonflikt627.
273 Die Mitteilung muss in Form einer Offenlegung an den gleichen Personenkreis wie die Stellungnahme er-
folgen. Das Kriterium der Öffentlichkeit im Tatbestand ist dementsprechend auszulegen628.
274 Handelt es sich bei der Empfehlung i.S.d. Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 zugleich um eine Anlage-
empfehlung oder Anlagestrategieempfehlung i.S.d. Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, müssen die Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Offenlegung des Interessenkonflikts auch im Lichte der Vorgaben des Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und der DelVO (EU) 2016/958 beantwortet werden. Insbesondere Leerverkäufer sind nach Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, Art. 5 DelVO (EU) 2017/958, anknüpfend an die veröffentlichte Analyse, dazu verpflichtet, Interessenkonflikte – und so insbesondere ihre Short-Position – hinsichtlich der Finanzinstrumente, auf die sich die Informationen beziehen, offenzulegen. Die Anforderungen zur Offenlegung der Interessenskonflikte wird in Art. 6 Abs. 1 DelVO (EU) 2016/958 dahingehend konkretisiert, dass u.a. Personen, deren Haupttätigkeit in der Erstellung von Anlageempfehlungen besteht, eine Erklärung zur Überschreitung der Schwelle von 0,5 % bei bestehenden Netto-Leerverkaufspositionen abgeben müssen.
275 Nicht erforderlich ist es, dass Angaben dazu gemacht werden, ob der Leerverkäufer vor hat, seine Positio-
nen kurz nach der Stellungnahme wieder zu schließen629. Dass der Kursverlust etwa einem Leerverkäufer eine Profitmöglichkeit bietet, bringt den Interessenskonflikt hinreichend zum Ausdruck. Wann und wie er diesen Profit dann konkret zu realisieren gedenkt, ist nicht entscheidend. Genauso wenig muss ein Longtrader oder ein Leerverkäufer zur Erfüllung seiner Pflicht aus Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 mitteilen, welchen konkreten Umfang seine Long- oder Short-Position hat630. Zwar kann sich eine solche Pflicht aus
625 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 375 ff.; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 76; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 201. 626 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 375 ff., 379; Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 76 ff. 627 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 376; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 39. 628 Zutreffend Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 380. 629 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49, 55; Mülbert/Sajnovits, BKR 2019, 313, 317 f.; a.A. Poelzig, ZHR 184 (2020), 697, 722 ff. 630 Mülbert/Sajnovits, BKR 2019, 313, 317 f.; a.A. Poelzig, ZHR 184 (2020), 697, 723 f.
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Marktmanipulation | Rz. 278 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Art. 6 VO Nr. 236/2012 oder aus den §§ 33 ff. WpHG ergeben. Die Verletzung von Publizitätspflichten durch bloßes Unterlassen ist aber mit Blick auf das Marktmanipulationsverbot unerheblich (Rz. 64, 164 ff.). Dafür spricht aus systematischer Sicht, Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 5 und 6 DelVO (EU) 2016/958, der unter bestimmten Umständen ausdrücklich und unter Bezugnahme auf die Leerverkaufs-VO eine Offenlegung von Nettokauf- und Nettoverkaufspositionen verlangt (näher Art. 20 VO Nr. 596/2014 Rz. 96 und soeben Rz. 274). Die Vorgaben des Art. 20 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 209) – und nur diese – müssen für die ordnungsgemäße und wirksame Offenlegung nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 erfüllt sein. Nach der Abgabe der Stellungnahme muss Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs 276 dieses Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts gezogen werden. Erforderlich sind damit zwei Dinge: zum einen muss die Stellungnahme überhaupt Auswirkungen auf den Kurs eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts haben631. Diese Auswirkungen auf den Kurs können sowohl in einem Kursanstieg oder einem Kursverfall, als auch in einer (künstlichen) Kursstabilisierung liegen. Zum anderen muss der sich Äußernde aus diesen Auswirkungen einen Nutzen ziehen, der seinerseits mit den vorher eingegangenen Positionen in Verbindung steht632. Mithin müssen die Positionen, deren Wert aufgrund der Abgabe der Stellungnahme gestiegen, gefallen oder gleichgeblieben ist, nach der Abgabe der Stellungnahme aufgelöst werden633. Ein Nutzen kann dabei auch aus entsprechenden Derivaten gezogen werden, die auf das in der Stellungnahme genannte Finanzinstrument Bezug nehmen634. Nicht genügend ist hingegen, wenn die Positionen nur in ihrem Wert gestiegen sind635. In diesem Fall kann nicht von einem Nutzenziehen im Sinne der Norm gesprochen werden, da dieses eine positive Handlung im Nachgang voraussetzt. Als subjektives Element muss Vorsatz vorliegen, wie es sich aus dem Tatbestand der Norm ergibt636. Nur bei 277 Vorsatz kann eine Ausnutzung (Rz. 266) i.S.d. Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 vorliegen. b) Kapitalmarkt(rechts)praxis In der Kapitalmarktpraxis wird die nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 verbotene Verhaltensweise als 278 scalping bezeichnet637. Scalping war in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre Gegenstand intensiver literarischer Diskussion638 und dann eines strafrechtlichen Grundsatzurteils des BGH639. Für das scalping war umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen bzw. nach welchen Vorschriften es kapitalmarktrechtlich zu beanstanden sein kann. Die Versuche, es als verbotenen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot zu erfassen, setzen im Ausgangspunkt an dem ersten Akt des scalping an, der Eingehung von Positionen in Finanzinstrumenten, beispielsweise dem Erwerb von Aktien. Der BGH hat einer insiderrechtlichen Erfassung 631 632 633 634 635 636 637
638 639
Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 130. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 373 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 182. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 373. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 497. Teigelack in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 13 Rz. 83; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 374; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 201. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 381; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 180. Wörtlich „skalpieren“, idiomatisch „das Fell über die Ohren ziehen“. In der Literatur werden verschiedene Definitionen angeboten: „Scalping ist der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren in Kenntnis der bevorstehenden Abgabe einer sie betreffenden Bewertung oder Empfehlung“, Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381, 382, 389; „Vorgehen, bei dem der Täter (Scalper) eine Empfehlung für den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren abgibt, um die erhoffte empfehlungsbedingte Kursbeeinflussung für sich selbst zu vorteilhaften Wertpapiertransaktionen zu nutzen“, Lenenbach, ZIP 2003, 243. Vgl. zum Schweizer Recht Maurenbrecher in Watter/Bahar, Basler Kommentar, Finanzmarktaufsichtsgesetz/Finanzmarktinfrastrukturgesetz: FINMAG/FinfraG, Art. 143 FinfraG Rz. 48. Vgl. zum Folgenden auch Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 67 f.; Stoll in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 24 ff. BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373 = NJW 2004, 302 = JZ 2004, 285 = MR 2004, 69 = ZIP 2003, 2354 = DB 2004, 64 = BB 2004, 11 mit Anm. bzw. Bspr. Fleischer, DB 2004, 51; Hellgardt, ZIP 2005, 2000; Pananis, NStZ 2004, 287; Vogel, NStZ 2004, 252. S. zuvor LG Stuttgart v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00, ZIP 2003, 259 mit Anm. Lenenbach, ZIP 2003, 243 = EWiR § 13 WpHG 1/03 mit Anm. Ziouvas, EWiR 2003, 85 = wistra 2003, 153 mit Bespr. Mühlbauer, wistra 2003, 169; s. weiterhin Wohlers, Strafbarkeit des „Scalping“, in von der Crone u.a. (Hrsg.), Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, FS Forstmoser, 2003, S. 743 ff. (aus schweizerischer Sicht); je m.w.N. zum sog. Fall Prior s. LG Frankfurt/M. v. 9.11.1999 – 5/2 KLs 92 Js 231402/98, NJW 2000, 301 und OLG Frankfurt/M. v. 15.3.2000 – 1 Ws 22/00, NJW 2001, 982; LG Berlin v. 8.3.2005 – 505-11/04, wistra 2005, 277 = ZInsO 2005, 661 = VuR 2005, 318; Papachristou, S. 283 ff.; Trüstedt, S. 181 ff.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 278 | Marktmanipulation nicht nur aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs der Insiderinformation widersprochen, sondern auch deswegen, weil sich aus dem Beispiel des Art. 1 Nr. 2 nach c dritter Spiegelstrich RL 2003/6/EG ergebe, dass scalping systematisch als Marktmanipulation, nicht als Insiderhandel einzuordnen sei640. Unter bestimmten Umständen kann scalping unter der MAR aber auch ein Insiderdelikt nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 darstellen641. Dazu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 62 ff. 279 In jüngerer Zeit werden zudem sog. Short-Seller-Attacken unter dem Aspekt einer möglichen Markt-
manipulation nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 diskutiert642. Eine Subsumtion unter Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 ist insbesondere in denjenigen Fällen relevant, in denen die Informationen des Leerverkäufers zutreffend sind bzw. eine sachgerechte Bewertung darstellen und daher zu einer Kursbereinigung führen. Dann kommt nämlich kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 in Betracht (Rz. 178 und Rz. 210). Das vorwerfbare und von Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/ 2014 als Regelbeispiel einer Marktmanipulation verbotene Verhalten kann jedoch in der unterlassenen Offenlegung eines Interessenkonflikts (Rz. 271) durch den Leerverkäufer liegen643. Regelmäßig wird das zumeist im Internet durch den Leerverkäufer veröffentlichte Dossier zum Zielunternehmen nämlich eine Stellungnahme i.S.d. Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 (Rz. 268) darstellen. Der Leerverkäufer ist daher verpflichtet, gleichzeitig (Rz. 272) mit seiner Stellungnahme zu dem Zielunternehmen mitzuteilen, dass er eine Short-Position in dem Unternehmen hält. Nicht hingegen muss er mitteilen, dass er diese Positionen kurz nach der Stellungnahme wieder schließen möchte (Rz. 275)644. Näher zu Short-Seller-Attacken Vor Art. 1 ff. VO Nr. 236/2012 Rz. 71 ff.
5. Kauf oder Verkauf von Emissionszertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt vor der Versteigerung gemäß der VO Nr. 1031/2010 (Art. 12 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014) 280 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 gilt als Marktmanipulation der Kauf oder Verkauf von Emissions-
zertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt vor der Versteigerung gemäß der VO Nr. 1031/ 2010 mit der Folge, dass der Auktionsclearingpreis für die Auktionsobjekte auf anormaler oder künstlicher Höhe festgesetzt wird oder dass Bieter, die auf den Versteigerungen bieten, irregeführt werden645. Zwar sieht die VO Nr. 1031/2010 für die Versteigerung von Emissionszertifikaten bereits parallele Regelungen in Bezug auf Marktmissbrauch vor (Rz. 15). Da Emissionszertifikate aber als Finanzinstrumente eingestuft werden, soll durch die MAR ein einheitliches, für den gesamten Primär- und Sekundärmarkt für Emissionszertifikate gültiges Regelungsregime bereitgestellt werden (Erwägungsgrund 37 Satz 2 VO Nr. 596/2014). Zudem wird der Anwendungsbereich der MAR auch dann auf entsprechende Geschäfte erstreckt, wenn es sich nicht um Finanzinstrumente handelt (schon Rz. 31).
281 Tatbestandlich setzt das zwingende Beispiel nach Art. 12 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 den Kauf oder Ver-
kauf (im Englischen: „the buying or selling“) von Emissionszertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt voraus. Kauf bzw. Verkauf ist hier ebenso wie bei Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 zu verstehen (Rz. 248) und umfasst daher alle Handlungsweisen, die wirtschaftlich zum Erwerb oder zur Veräußerung der betreffenden Instrumente führen. Für den Begriff der Emissionszertifikate ist Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014 maßgeblich (Rz. 40). Für den Begriff des Derivats ist auch hier auf die beispielhafte Auflistung in Anhang I Abschnitt C Nr. 6 RL 2014/65/EU (MiFID II) maßgeblich (Rz. 31)646. Die Derivate müssen sich auf ein Emissionszertifikat i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014 beziehen647. Der Kauf oder Verkauf von Emissionszertifikaten oder deren Derivaten muss auf dem Sekundärmarkt erfolgen648. Ob es sich dabei um einen organisierten Marktplatz oder um OTC-Märkte handelt ist nicht erheblich649. Ein
640 Überzeugend kritisch zu der Entscheidung Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 13 WpHG Rz. 16; knapp auch Klöhn, Beilage zu ZIP 22/2016, 44, 44 f. 641 Dazu Klöhn, Beilage zu ZIP 22/2016, 44, 45 ff.; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 362 ff. 642 Schockenhoff/Culmann, AG 2016, 517, 521 f.; Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49, 55 f.; Bayram/Meier, BKR 2018, 55; Mülbert, ZHR 181 (2018), 105. 643 Schockenhoff/Culmann, AG 2016, 517, 521 f.; Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49, 55 f. 644 Graßl/Nikoleyczik, AG 2017, 49, 55; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 184. 645 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 384 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 190. 646 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 386. 647 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 386. 648 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 387. 649 Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 387, der für organisierte Märkte in diesem Sinne auf European Energy Exchange (EEX) in Leipzig oder der European Climate Exchange (ECX) in London verweist.
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Marktmanipulation | Rz. 285 Art. 12 VO Nr. 596/2014
Kauf oder Verkauf auf dem Primärmarkt ist nicht genügend650. Der Kauf oder Verkauf muss zudem vor der Versteigerung gem. VO Nr. 1031/2010 erfolgen, wobei für die erforderliche zeitliche Nähe keine starren und allgemeingültigen Fristen angegeben werden können651. Entscheidend ist vielmehr, ob der Kauf oder Verkauf durch seine zeitliche Nähe typischerweise einen Einfluss auf den Auktionsclearingpreis hat652. Die Tathandlung muss zur Folge haben, dass der Auktionsclearingpreis für die Auktionsobjekte auf anorma- 282 ler oder künstlicher Höhe festgesetzt wird oder dass Bieter, die auf den Versteigerungen bieten, irregeführt werden. Für das anormale oder künstliche Preisniveau kann sinngemäß auf die Ausführungen zu Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 verwiesen werden. Die verfälschten Sekundärmarktpreise können wiederum einen Einfluss auf den Auktionsclearingpreis haben, weil sich die Gebote an den Sekundärmarktpreisen orientieren653. Gleiches gilt letztlich für die Alternative der Irreführung von Bietern, da diese auch durch die Manipulation der Sekundärmarktpreise eintritt654.
VII. Indikatoren für Marktmanipulationen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/ 2014 nach Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Anhang I VO Nr. 596/2014 Art. 12 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 verweist auf Anhang I und bestimmt, dass für die Anwendung von Abs. 1 283 lit. a und b und unbeschadet der in Abs. 2 aufgeführten Formen von Handlungen, der Anhang I eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren655 in Bezug auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung und eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren in Bezug auf falsche oder irreführende Signale und die Sicherung der Herbeiführung bestimmter Kurse enthält. Für die „Anwendung“ bringt die Funktion der Indikatoren zum Ausdruck. Diese richten sich – wie Anhang I selbst betont – an die zuständigen Behörden und an Art. 16-Marktteilnehmer (Art. 16 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 12 f.), wenn diese „Geschäfte oder Handelsaufträge prüfen“ und geben diesen ein Prüfraster an die Hand656. Entsprechen bestimmte Sachverhalte den Indikatoren, liegt nicht zwingend eine Marktmanipulation vor. Vielmehr müssen die den Indikatoren entsprechenden Sachverhalte nach den Umständen des Einzelfalles umfassend gewürdigt657 und es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 tatsächlich erfüllt sind. Deshalb kommt den Indikatoren auch keine Vermutungswirkung zu658. Die Indikatoren sind aus Sicht der Europäischen Kommission (Erwägungsgrund 5 DelVO 2016/522) drin- 284 gend konkretisierungsbedürftig, weshalb die Indikatoren durch die in Art. 4 i.V.m. Anhang II Abschnitt 1 DelVO 2016/522 aufgezählten Praktiken weiter präzisiert werden. Die konkretisierenden Praktiken weisen untereinander vielfältige Überschneidungen auf. Obgleich die Indikatoren keine verbindlichen Tatbestandskonkretisierungen enthalten und ihre Erfüllung 285 durch einen Sachverhalt nicht automatisch als Marktmanipulation zu werten ist (Rz. 283), werden die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. a und des Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 auf ihrer Basis konkretisiert und jeweils erörtert, welche Voraussetzungen neben den Indikatoren ggf. zusätzlich erfüllt sein müssen, damit ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot vorliegt bzw., gegenläufig, unter welchen Voraussetzungen trotz der Erfüllung eines Indikators gleichwohl keine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 anzunehmen ist. Es kommt nämlich durchaus in Betracht, dass neben den die Indikatoren ausfüllenden Sachverhaltselementen weitere Umstände vorliegen, die das Verhalten insgesamt als unbedenklich erscheinen lassen. Erwägungsgrund 8 Satz 2 DelVO 2016/522 hebt insofern hervor, dass bestimmte Beispiele trotz der Erfüllung der Indikationswirkung als legitim angesehen werden können, wenn die betroffene
650 651 652 653 654 655
Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 387; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 135. Überzeugend Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 388; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 135. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 388. Instruktiv Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 390 f. Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 392 f. ESMA, Final report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, S. 13 Abs. 29; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 69. 656 In diesem Sinne auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 27; Knobl in Gruber, BörseG 2018/MAR, Art. 12 MAR Rz. 10. Ein weiteres Verständnis hat Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 68, der davon ausgeht, dass sich die Indikatoren an alle Marktteilnehmer richten. 657 Vgl. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1045; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 50. 658 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 27; Schmolke in Klöhn, Art. 12 MAR Rz. 69: keine „Vermutungswirkung im technischen Sinne“, anders dann aber Rz. 120, 308, 328, in denen von einer „widerleglichen Vermutung“ gesprochen wird.
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Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 285 | Marktmanipulation Person nachweist, dass sie legitime Gründe für die Handlung hatte und diese einer akzeptierten Praxis auf dem Markt entsprach. Dieser Nachweis ist nicht im Sinne einer echten Rechtspflicht zu verstehen. Im aufsichtsrechtlichen und auch im Strafverfahren ist es Aufgabe der Behörde bzw. des Gerichts auch die entlastenden Umstände zu ermitteln. Erst wenn alle tatbestandsausfüllenden Elemente ermittelt und nachgewiesen sind, kann ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot durch eine Aufsichtsbehörde oder ein Gericht bejaht und sanktioniert werden. 286 Für sonstige Marktteilnehmer können die Indikatoren eine – keinesfalls verbindliche – Richtschnur sein,
um festzustellen, welche Verhaltensweisen einen Verstoß gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 darstellen659. Die detailreiche Beschreibung in Anhang I und in der DelVO 2016/522 birgt dabei die Gefahr, dass die Indikatoren als verbindliche Tatbestandskonkretisierungen missverstanden werden. Diese Gefahr wird durch die zahlreichen – unerfreulichen – Überschneidungen erhöht, die die Indikatoren mit einigen der zwingenden Beispiele nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 aufweisen.
VIII. Anwendung gegenüber juristischen Personen (Art. 12 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) 287 Handelt es sich bei den in Art. 12 VO Nr. 596/2014 genannten Person um eine juristische Person, sind nach
Abs. 4 die Bestimmungen des Art. 12 VO Nr. 596/2014 nach Maßgabe des nationalen Rechts auch für die natürlichen Personen anwendbar, die an dem Beschluss, Tätigkeiten für Rechnung der betreffenden juristischen Person auszuführen, beteiligt sind. Dazu näher Rz. 42 f.
IX. Befugnis für die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte in Bezug auf Anhang I VO Nr. 596/2014 (Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) 288 Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 überträgt der Europäischen Kommission die Befugnis, gem. Art. 35 VO
Nr. 596/2014 zur Präzisierung der in Anhang I VO Nr. 596/2014 festgelegten Indikatoren delegierte Rechtsakte zu erlassen, um deren Elemente zu klären und den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen. Gem. Art. 35 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erhält die Europäische Kommission die Befugnis auf unbestimmte Zeit ab dem 2.7.2014. Die Übertragung der Befugnis kann vom Europäischen Parlament und vom Rat der EU jederzeit widerrufen werden (Art. 35 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird davon nicht berührt (Art. 35 Abs. 3 Satz 4 VO Nr. 596/2014). Ein delegierter Rechtsakt i.S.d. Art. 12 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 tritt gem. Art. 35 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 nur in Kraft, wenn das Europäische Parlament und der Rat binnen drei Monaten nach seiner Übermittlung keine Einwände gegen ihn erheben oder wenn sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der Kommission vor Ablauf dieser Frist mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden.
289 Von dieser Ermächtigung hat die Europäische Kommission durch Erlass der Delegierten Verordnung 2016/
522 (DelVO 2016/522) Gebrauch gemacht660. Deren Absatz 4 präzisiert die in Anhang I VO Nr. 596/2014 genannten Indikatoren durch die Auflistung praktischer Anwendungsbeispiele661. Vor Erlass hatte die Europäische Kommission mit Schreiben vom 8.10.2013 die ESMA um die Ausarbeitung eines technical advice ersucht662, dem diese mit ihrem Final Report vom 3.2.2015 nachgekommen ist663.
659 A.A. wohl Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 109 f., wonach die DelVO 2016/522 den Tatbestand konkretisiert und „sich die Kriterien (...) auch an die Marktteilnehmer richten“. 660 Delegierte Verordnung 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften, ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1. 661 Dazu auch Schmolke, AG 2016, 434, 438; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 462. 662 Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/finance/securities/docs/abuse/131023_esma-mandate_en.pdf. 663 ESMA, Final Report, ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/224, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-224.pdf.
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Zulässige Marktpraxis | Art. 13 VO Nr. 596/2014
Art. 13 VO Nr. 596/2014 Zulässige Marktpraxis (1) Das Verbot gemäß Artikel 15 gilt nicht für die in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a genannten Handlungen, wenn die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gemäß diesem Artikel steht. (2) Eine zuständige Behörde kann eine zulässige Marktpraxis festlegen, wobei folgende Kriterien berücksichtigt werden: a) ob die Marktpraxis einen erheblichen Grad an Markttransparenz gewährt; b) ob durch die Marktpraxis das Funktionieren der Marktkräfte und das richtige Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage in hohem Grade gewährleistet werden; c) ob die Marktpraxis sich positiv auf Marktliquidität und -effizienz auswirkt; d) ob die Marktpraxis dem Handelsmechanismus des betreffenden Marktes Rechnung trägt und es den Marktteilnehmern erlaubt, angemessen und rechtzeitig auf die durch die Marktpraxis entstehende neue Marktsituation zu reagieren; e) ob die Marktpraxis keine Risiken für die Integrität direkt oder indirekt verbundener, geregelter oder nicht geregelter Märkte für das betreffende Finanzinstrument innerhalb der Union schafft; f) das Ergebnis der Ermittlungen der zuständigen Behörden bzw. anderer Behörden zu der entsprechenden Marktpraxis, insbesondere ob eine Verletzung der Marktmissbrauchsbestimmungen oder der geltenden Verhaltensregeln festgestellt wurde, unabhängig davon, ob auf dem betreffenden Markt oder auf anderen direkt oder indirekt verbundenen Märkten in der Union, und g) die Strukturmerkmale des betreffenden Marktes, u.a., ob es sich um einen geregelten Markt handelt, welche Finanzinstrumente gehandelt werden, welche Marktteilnehmer vertreten sind und welcher Anteil am Handel auf dem betreffenden Markt auf Privatanleger entfällt. Eine Marktpraxis, die von einer zuständigen Behörde auf einem bestimmten Markt als zulässige Marktpraxis festgelegt wurde, wird nicht als zulässig auf anderen Märkten betrachtet, wenn sie nicht von den für diese anderen Märkte zuständigen Behörden gemäß diesem Artikel anerkannt worden ist. (3) Vor der Festlegung einer zulässigen Markpraxis gemäß Absatz 2 informiert die zuständige Behörden die ESMA und die anderen zuständigen Behörden über ihre Absicht, eine zulässige Marktpraxis festzulegen, und legt Einzelheiten der Bewertung vor, die im Einklang mit den Kriterien in Absatz 2 vorgenommen wurde. Diese Information erfolgt mindestens drei Monate vor der beabsichtigten Einführung der zulässigen Marktpraxis. (4) Innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Information gibt die ESMA gegenüber der mitteilenden zuständigen Behörde eine Stellungnahme ab, in der sie bewertet, ob die zulässige Marktpraxis mit Absatz 2 und den gemäß Absatz 7 angenommenen technischen Regulierungsstandards vereinbar ist. Die ESMA prüft ebenfalls, ob das Vertrauen in den Finanzmarkt der Union durch die Festlegung der zulässigen Marktpraxis gefährdet würde. Die Stellungnahme wird auf der Website der ESMA veröffentlicht. (5) Legt eine zuständige Behörde eine Marktpraxis fest, die einer gemäß Absatz 4 durch die ESMA abgegebenen Stellungnahme zuwiderläuft, veröffentlicht sie auf ihrer Website innerhalb von 24 Stunden nach der Festlegung der zulässigen Marktpraxis eine Bekanntmachung, in der sie die Gründe für ihr Vorgehen vollständig darlegt und auch darauf eingeht, warum die zulässige Marktpraxis keine Gefahr für das Vertrauen in den Markt darstellt. (6) Ist eine zuständige Behörde der Ansicht, dass eine andere zuständige Behörde eine zulässige Marktpraxis festgelegt hat, die die in Absatz 2 verankerten Kriterien nicht erfüllt, unterstützt die ESMA die betreffenden Behörden im Einklang mit ihren Befugnissen gemäß Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 dabei, zu einer Einigung zu gelangen. Erzielen die betreffenden zuständigen Behörden keine Einigung, so kann die ESMA gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 einen Beschluss fassen. (7) Um eine durchgängige Harmonisierung dieses Artikels sicherzustellen, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen die Kriterien, das Verfahren und die Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis gemäß den Absätzen 2, 3 und 4 sowie die Anforderungen an ihre Beibehaltung, Beendigung oder Änderung der Bedingungen für ihre Zulässigkeit festgelegt werden. Mülbert | 431
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 | Zulässige Marktpraxis Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Juli 2015 diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. (8) Die zuständigen Behörden überprüfen regelmäßig und mindestens alle zwei Jahre die von ihnen festgelegte zulässige Marktpraxis und berücksichtigen dabei insbesondere wesentliche Änderungen im Umfeld des betreffenden Marktes, d. h. beispielsweise geänderte Handelsregeln oder Änderungen an den Infrastrukturen des Marktes, um zu entscheiden, ob diese Praxis beibehalten wird, beendet wird oder ob die Bedingungen für ihre Zulässigkeit geändert werden soll. (9) Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website eine Liste der zulässigen Marktpraktiken und gibt an, in welchen Mitgliedstaaten sie anwendbar sind. (10) Die ESMA überwacht die Anwendung der zulässigen Marktpraxis und legt der Kommission jährlich einen Bericht über deren Anwendung auf den betreffenden Märkten vor. (11) Die zuständigen Behörden übermitteln der ESMA die zulässigen Marktpraktiken, die sie vor dem 2. Juli 2014 festgelegt haben, innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten der in Absatz 7 genannten technischen Regulierungsstandards. Die in Unterabsatz 1 dieses Absatzes genannte zulässige Marktpraxis gilt in dem betreffenden Mitgliedstaat weiter, bis die zuständige Behörde auf der Grundlage der Stellungnahme der ESMA gemäß Absatz 4 einen Beschluss hinsichtlich ihrer Weiterführung gefasst hat. (12) Unbeschadet der gemäß den Absätzen 1 bis 11 des vorliegenden Artikels festgelegten zulässigen Marktpraxis darf ein Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, für seine Aktien einen Liquiditätsvertrag schließen, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Die Bedingungen des Liquiditätsvertrags entsprechen den in Absatz 2 des vorliegenden Artikels und den in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/908 der Kommission festgelegten Kriterien; b) der Liquiditätsvertrag wird gemäß dem in Absatz 13 des vorliegenden Artikels genannten Unionsmuster erstellt; c) der Liquiditätsgeber wurde von der zuständigen Behörde gemäß der Richtlinie 2014/65/EU ordnungsgemäß zugelassen und ist beim Marktbetreiber oder der Wertpapierfirma, die den KMUWachstumsmarkt betreibt, als Marktteilnehmer registriert; d) der Marktbetreiber oder die Wertpapierfirma, die den KMU-Wachstumsmarkt betreibt, bestätigt dem Emittenten gegenüber schriftlich, eine Kopie des Liquiditätsvertrags erhalten zu haben und den Bedingungen dieses Vertrags zuzustimmen. Der in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannte Emittent muss jederzeit nachweisen können, dass die Bedingungen, unter denen der Vertrag abgeschlossen wurde, jederzeit erfüllt sind. Dieser Emittent und der Marktbetreiber oder und die Wertpapierfirma, die den KMU-Wachstumsmarkt betreibt, legen den jeweils zuständigen Behörden auf Verlangen eine Kopie des Liquiditätsvertrags vor. (13) Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, in denen das für den Abschluss eines Liquiditätsvertrags gemäß Absatz 12 zu verwendende Vertragsmuster festgelegt wird, damit die Erfüllung der in Absatz 2 genannten Kriterien auch in Bezug auf Markttransparenz und Wirkung der Liquiditätszufuhr gewährleistet ist. Die ESMA übermittelt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1. September 2020. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannten technischen Regulierungsstandards gemäß den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/ 2115 vom 27.11.2019 (ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1).
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Zulässige Marktpraxis | Art. 13 VO Nr. 596/2014 Delegierte Verordnung (EU) 2016/908 der Kommission vom 26. Februar 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Kriterien, das Verfahren und die Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis und die Anforderungen an ihre Beibehaltung, Beendigung oder Änderung der Bedingungen für ihre Zulässigkeit (Auszug) Art. 2 Allgemeine Anforderungen (1) Vor der Festlegung einer Marktpraxis als zulässige Marktpraxis (ZMP) müssen die zuständigen Behörden a) die Marktpraxis anhand der in Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 niedergelegten und in Abschnitt 2 dieses Kapitels näher ausgeführten Kriterien bewerten; b) in angemessenem Umfang die relevanten Stellen, darunter zumindest Vertreter der Emittenten, Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Investoren, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, Betreiber eines multilateralen Handelssystems (MTF) oder eines organisierten Handelssystems (OTF) und Betreiber eines geregelten Marktes sowie andere Behörden, dazu anhören, ob es zweckmäßig ist, eine Marktpraxis als ZMP festzulegen. (2) Zuständige Behörden, die beabsichtigen, eine Marktpraxis als ZMP festzulegen, teilen diese Absicht der ESMA und den anderen zuständigen Behörden unter Einhaltung des Verfahrens in Abschnitt 3 und unter Verwendung der Vorlage im Anhang mit. (3) Wenn zuständige Behörden eine Marktpraxis als ZMP gemäß Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und dieser Verordnung festlegen, veröffentlichen sie die Entscheidung zur Festlegung der Marktpraxis als ZMP sowie eine Beschreibung der betreffenden ZMP auf ihrer Website, wobei sie entsprechend der Vorlage im Anhang folgende Angaben machen: a) eine Beschreibung der Arten von Personen, die die ZMP ausführen dürfen; b) eine Beschreibung der Arten von Personen oder Personengruppen, die von der Ausführung der ZMP profitieren könnten, indem sie sie entweder direkt ausführen oder eine andere Person benennen, die die ZMP ausführt („Begünstigter“); c) eine Beschreibung der Art des Finanzinstruments, auf das sich die ZMP bezieht; d) eine Angabe dazu, ob die ZMP für einen festgelegten Zeitraum durchgeführt werden kann, und eine Beschreibung der Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehenden Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung der Praxis führen können. Die in Unterabsatz 1 Buchstabe a angeführten Personen sind verantwortlich für alle handelsbezogenen Entscheidungen, darunter für die Erteilung eines Auftrags, die Stornierung oder Änderung eines Auftrags und den Abschluss eines Geschäfts oder die Ausführung eines Geschäfts im Zusammenhang mit der ZMP. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 3 Transparenz (1) Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis als ZMP festgelegt werden kann und ob sie das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, berücksichtigen die zuständigen Behörden, ob die Marktpraxis gewährleistet, dass die folgenden Informationen öffentlich bekanntgegeben werden: a) ehe eine Marktpraxis als ZMP ausgeführt wird: i) Identität der künftigen Begünstigten und ausführenden Personen sowie Angabe, wer von ihnen für die Erfüllung der Transparenzanforderungen nach den Buchstaben b und c dieses Absatzes verantwortlich ist; ii) Angabe der Finanzinstrumente, auf die die ZMP angewandt werden soll; iii) Zeitraum, in dem die ZMP ausgeführt werden soll, und die Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehende Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung ihrer Ausführung führen können; iv) Angabe der Handelsplätze, auf denen die ZMP ausgeführt werden soll, und gegebenenfalls Angabe der Möglichkeit, Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes abzuschließen; v) gegebenenfalls Nennung der Höchstbeträge an Bargeld und der Anzahl der Finanzinstrumente, die von der ZMP erfasst werden sollen; b) sobald die Marktpraxis als ZMP angewendet wird: i) regelmäßige Vorlage detaillierter Angaben zu Handelstätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausführung der ZMP, beispielsweise Anzahl der abgeschlossenen Geschäfte, Handelsvolumen, durchschnittlicher Umfang der Geschäfte und angezeigte durchschnittliche Spreads, Preise der abgeschlossenen Geschäfte; ii) alle Änderungen an bereits bekanntgegebenen Informationen zur ZMP, einschließlich Änderungen bei den verfügbaren Ressourcen in Form von Bargeld und Finanzinstrumenten, Änderungen hinsichtlich der Identität der die ZMP ausführenden Personen sowie alle Änderungen bei der Allokation von Bargeld oder Finanzinstrumenten in den Konten des Begünstigten und der Personen, die die ZMP ausführen; c) wenn die Marktpraxis auf Initiative der Person, die sie ausgeführt hat, des Begünstigten oder beider nicht mehr als ZMP ausgeführt wird: i) die Tatsache, dass die Ausführung der ZMP eingestellt wird; ii) eine Beschreibung der Art und Weise der Ausführung der AMP; iii) die Gründe oder Ursachen für die Einstellung der Ausführung der ZMP. Wenn an einem einzigen Handelstag mehrere Geschäfte getätigt werden, können für die Zwecke von Buchstabe b Ziffer i tägliche aggregierte Zahlen für die betreffenden Kategorien von Angaben zulässig sein.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 | Zulässige Marktpraxis (2) Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis als ZMP festgelegt werden kann und ob sie das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, berücksichtigen die zuständigen Behörden, ob durch die Marktpraxis gewährleistet wird, dass ihnen die folgenden Informationen zugehen: a) vor Ausführung einer Marktpraxis als ZMP die Absprachen oder Verträge zwischen den identifizierten Begünstigten und den Personen, die die Marktpraxis nach deren Festlegung als ZMP ausführen werden, wenn solche Absprachen oder Verträge für ihre Ausführung notwendig sind; b) ab Beginn der Ausführung der Marktpraxis als ZMP regelmäßige Berichte an die zuständige Behörde mit detaillierten Angaben zu den getätigten Geschäften und zur Funktionsweise etwaiger Absprachen oder Verträge zwischen dem Begünstigten und den Personen, die die ZMP ausführen. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 4 Gewährleistung des Funktionierens der Marktkräfte und des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage (1) Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis, die als ZMP festgelegt werden soll, das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, berücksichtigen die zuständigen Behörden, ob die Marktpraxis die Möglichkeiten anderer Marktteilnehmer, auf Geschäfte zu reagieren, einschränkt. Die zuständigen Behörden berücksichtigen außerdem zumindest die folgenden Kriterien in Bezug auf die Art der Personen, die die Marktpraxis nach deren Festlegung als ZMP ausführen werden: a) ob es sich um beaufsichtigte Personen handelt; b) ob sie Mitglieder eines Handelsplatzes sind, an dem die ZMP angewendet werden soll; c) ob sie Aufzeichnungen über Aufträge und Geschäfte im Zusammenhang mit der Marktpraxis führen, die es ermöglichen, diese Praxis leicht von anderen Handelsaktivitäten zu unterscheiden, so unter anderem durch Führung gesonderter Konten für die Ausführung der ZMP, um insbesondere nachzuweisen, dass erteilte Aufträge getrennt und einzeln erfasst und Aufträge von verschiedenen Kunden nicht zusammengefasst werden; d) ob sie spezielle interne Verfahren eingeführt haben, die Folgendes ermöglichen: i) die sofortige Identifizierung der Aktivitäten, die mit der Marktpraxis im Zusammenhang stehen; ii) die sofortige Bereitstellung der betreffenden Auftrags- und Geschäftsaufzeichnungen auf Ersuchen der zuständigen Behörde; e) ob sie über die notwendigen Ressourcen verfügen, um die Einhaltung der für die ZMP festgelegten Bedingungen jederzeit überwachen und gewährleisten zu können; f) ob sie die unter Buchstabe c genannten Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre lang aufbewahren. (2) Die zuständigen Behörden berücksichtigen, inwieweit durch die Marktpraxis eine Vorabliste mit Handelsbedingungen für ihre Ausführung als ZMP, einschließlich Beschränkungen für Preise und Volumen und Beschränkungen bei Positionen, festgelegt wird. (3) Die zuständigen Behörden beurteilen, inwieweit die Marktpraxis und die Absprache bzw. der Vertrag für ihre Ausführung a) es der Person, die die ZMP ausführt, ermöglicht, unabhängig vom Begünstigten zu handeln, ohne dessen Anweisungen, Informationen oder Einflussnahmen im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung des Handels ausgesetzt zu sein; b) auf die Vermeidung von Interessenskonflikten zwischen dem Begünstigten und den Kunden der die ZMP ausführenden Person abstellt. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 5 Auswirkung auf Marktliquidität und -effizienz Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis, die als ZMP festgelegt werden soll, das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, bewerten die zuständigen Behörden die Auswirkungen der Marktpraxis zumindest auf die folgenden Elemente: a) Handelsvolumen; b) Anzahl der Aufträge im Auftragsbuch (Ordertiefe); c) Tempo der Durchführung der Geschäfte; d) volumengewichteter Durchschnittspreis eines einzigen Handelstages, täglicher Schlusskurs; e) Geld-Brief-Spanne, Preisschwankung und -volatilität; f) Regelmäßigkeit von Angeboten oder Geschäften. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 6 Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes (1) Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis, die als ZMP festgelegt werden soll, das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, berücksichtigen die zuständigen Behörden die folgenden Aspekte: a) die Möglichkeit, dass sich die Marktpraxis auf die Preisbildungsprozesse in einem Handelsplatz auswirkt; b) inwieweit die Marktpraxis die Beurteilung von Preisen und Aufträgen im Auftragsbuch erleichtern könnte, und ob die zu tätigenden Geschäfte oder die zu erteilenden Aufträge für ihre Ausführung als ZMP nicht den Handelsregeln des jeweiligen Handelsplatzes zuwiderlaufen;
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Zulässige Marktpraxis | Art. 13 VO Nr. 596/2014 c) die Modalitäten der öffentlichen Bekanntgabe der in Artikel 3 genannten Informationen einschließlich der Bekanntgabe auf der Website des betreffenden Handelsplatzes und, sofern zutreffend, die Frage, ob sie gleichzeitig auf den Websites der Begünstigten veröffentlicht werden; d) inwieweit mit der Marktpraxis eine Vorabliste von Situationen oder Bedingungen aufgestellt wird, in bzw. unter denen ihre Ausführung als ZMP vorübergehend ausgesetzt oder eingeschränkt wird, u.a. besondere Handelsperioden oder -phasen wie Auktionsphasen, Übernahmen, Erstplatzierungen, Kapitalerhöhungen, Zweitplatzierungen. Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe b wird auch eine Marktpraxis berücksichtigt, bei der Geschäfte und Aufträge in Echtzeit vom Marktbetreiber oder der Wertpapierfirma bzw. Marktbetreibern, die ein MTF oder OTF betreiben, überwacht werden. (2) Die zuständigen Behörden beurteilen, inwieweit eine Marktpraxis es ermöglicht, dass a) mit ihrer Ausführung verbundene Aufträge während der Eröffnungs- oder Schlussauktionsphase eines Handelstages erteilt und ausgeführt werden; b) mit ihrer Ausführung verbundene Aufträge oder Geschäfte in Perioden erteilt bzw. getätigt werden, in denen Stabilisierungen und Rückkäufe stattfinden. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 7 Risiken für die Integrität von verbundenen Märkten Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis, die als ZMP festgelegt werden soll, das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, berücksichtigen die zuständigen Behörden Folgendes: a) ob die mit der Ausführung der Marktpraxis nach deren Festlegung als ZMP verbundenen Geschäfte den zuständigen Behörden regelmäßig gemeldet werden; b) ob die Ressourcen (Bargeld oder Finanzinstrumente), die der Ausführung der ZMP zugeteilt werden, ausreichend sind und den Zielen der ZMP selbst entsprechen; c) die Art und Höhe der Vergütung für erbrachte Dienstleistungen im Rahmen der Ausführung einer ZMP und die Frage, ob diese Vergütung als Pauschale festgelegt wird; wenn eine variable Vergütung geplant ist, darf sie nicht zu einem Verhalten führen, das der Marktintegrität oder dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Marktes abträglich ist, und muss der zuständigen Behörde zwecks Bewertung mitgeteilt werden; d) ob die Arten von Personen, die die ZMP ausführen werden, eine angemessene Trennung der für die Ausführung der ZMP bestimmten Aktiva von den Aktiva ihrer Kunden (sofern zutreffend) oder ihren eigenen Aktiva gewährleisten, wenn dies für den betrachteten Markt angebracht ist; e) ob die jeweiligen Pflichten der Begünstigten und der die ZMP ausführenden Personen oder gegebenenfalls die gemeinsamen Pflichten beider eindeutig festgelegt sind; f) ob die Arten von Personen, die die ZMP ausführen werden, über eine organisatorische Struktur und geeignete interne Regelungen verfügen, die gewährleisten, dass die mit der ZMP verbundenen handelsbezogenen Entscheidungen gegenüber anderen Abteilungen innerhalb dieser Person geheim bleiben und unabhängig von Kundenaufträgen, Portfolioverwaltung oder für eigene Rechnung platzierten Aufträgen getroffen werden; g) ob ein geeignetes Berichtsverfahren zwischen dem Begünstigten und der Person, die die ZMP ausführen wird, besteht, das den Austausch von Informationen ermöglicht, die gegebenenfalls zur Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen notwendig sind. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 8 Untersuchung der Marktpraxis Bei der Entscheidung darüber, ob eine Marktpraxis, die als ZMP festgelegt werden soll, das Kriterium von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erfüllt, beachten die zuständigen Behörden insbesondere, ob Untersuchungen in den von ihnen überwachten Märkten zu Ergebnissen geführt haben, die die Festlegung als ZMP in Frage stellen könnten. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 9 Strukturmerkmale des Marktes Bei der Berücksichtigung des Anteils von Privatanlegern auf dem betreffenden Markt gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe g der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 bewerten die zuständigen Behörden zumindest Folgendes: a) die potenziellen Auswirkungen der Marktpraxis auf die Interessen von Privatanlegern, wenn die Marktpraxis Finanzinstrumente betrifft, die auf Märkten gehandelt werden, in denen Privatanleger aktiv sind; b) ob die Marktpraxis für Privatanleger die Wahrscheinlichkeit erhöht, Gegenparteien bei Finanzinstrumenten geringer Liquidität zu finden, ohne dass ihre Risikobelastung steigt. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 10 Meldung der beabsichtigten Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (1) Gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 melden die zuständigen Behörden ihre Absicht, eine ZMP festzulegen, per Post oder E-Mail gleichzeitig an die ESMA und die anderen zuständigen Behörden, wobei sie eine vorgegebene Liste von Kontaktstellen nutzen, die von den zuständigen Behörden und der ESMA aufgestellt und regelmäßig gepflegt wird.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 | Zulässige Marktpraxis (2) Die in Absatz 1 genannte Meldung enthält Folgendes: a) eine Erklärung der Absicht, eine ZMP festzulegen, mit Angabe des erwarteten Datums der Festlegung; b) die Angabe der meldenden zuständigen Behörde und der Kontaktangaben der Kontaktperson(en) bei dieser Behörde (Name, dienstliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse, Titel); c) eine ausführliche Beschreibung der Marktpraxis mit folgenden Informationen: i) Angabe der Arten von Finanzinstrumenten und Handelsplätzen, in denen die ZMP angewendet werden soll; ii) Arten von Personen, die die ZMP ausführen dürfen; iii) Art der Begünstigten; iv) Angabe, ob die Marktpraxis für einen festgelegten Zeitraum durchgeführt werden kann, sowie Angabe von Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehenden Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung der Praxis führen können; a) Grund, aus dem die Praxis eine Marktmanipulation gemäß Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 darstellen könnte; b) genaue Angabe zu der gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 durchgeführten Bewertung. (3) Die in Absatz 1 genannte Meldung beinhaltet die Tabelle zur Bewertung einer vorgeschlagenen Marktpraxis unter Verwendung der Vorlage im Anhang. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 11 Stellungnahme der ESMA (1) Nach Eingang der in Artikel 13 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Meldung und vor der Abgabe der gemäß diesem Absatz geforderten Stellungnahme leitet die ESMA auf eigene Initiative oder auf Ersuchen einer zuständigen Behörde ein Verfahren zur Übermittlung von vorläufigen Stellungnahmen, Bedenken, Einsprüchen oder gegebenenfalls Ersuchen um Klarstellungen in Bezug auf die gemeldete Marktpraxis an die zuständige Behörde ein. Die meldende zuständige Behörde kann der ESMA weitere Klarstellungen zu der gemeldeten Marktpraxis übermitteln. (2) Wenn im Verlauf des in Absatz 1 genannten Verfahrens grundlegende oder wesentliche Änderungen vorgenommen werden, die sich auf die Basis oder den Inhalt der gemeldeten Marktpraxis oder die von der meldenden zuständigen Behörde durchgeführte Bewertung auswirken, wird das Verfahren der Abgabe der ESMA-Stellungnahme zu der gemeldeten Praxis eingestellt. Gegebenenfalls leitet die zuständige Behörde ein neues Verfahren zur Festlegung der geänderten Praxis als ZMP gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ein. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 12 Überprüfung einer festgelegten AMP (1) Die zuständigen Behörden, die ZMP festgelegt haben, bewerten regelmäßig und zumindest alle zwei Jahre, ob die Bedingungen für die Festlegung der ZMP gemäß Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und Abschnitt 2 dieses Kapitels weiterhin erfüllt sind. (2) Abgesehen von der regelmäßigen Überprüfung gemäß Artikel 13 Absatz 8 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 wird das in Absatz 1 genannte Bewertungsverfahren auch eingeleitet, wenn a) Sanktionen im Zusammenhang mit einer festgelegten ZMP verhängt werden; b) aufgrund einer wesentlichen Änderung im Marktumfeld im Sinne von Artikel 13 Absatz 8 dieser Verordnung eine oder mehrere Bedingungen für die Zulässigkeit einer festgelegten Praxis nicht mehr erfüllt sind; c) eine zuständige Behörde begründeten Anlass zu der Vermutung hat, dass Begünstigte der ZMP oder durchführende Personen gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 verstoßen oder verstoßen haben. (3) Falls die Bewertung ergibt, dass eine festgelegte ZMP die in Abschnitt 2 genannten Bedingungen der ursprünglichen Bewertung der zuständigen Behörden nicht mehr erfüllt, schlagen die zuständigen Behörden entweder eine Änderung der Bedingungen für die Zulässigkeit oder die Beendigung der ZMP unter Berücksichtigung der Kriterien des Artikels 13 vor. (4) Die zuständigen Behörden unterrichten die ESMA auch dann über das Ergebnis des Bewertungsverfahrens, wenn die ZMP ohne Änderung beibehalten wird. (5) Schlägt eine zuständige Behörde vor, die Bedingungen für die Zulässigkeit einer festgelegten ZMP zu ändern, muss sie die Anforderungen von Artikel 2 erfüllen. (6) Beschließt eine zuständige Behörde die Beendigung einer festgelegten ZMP, veröffentlicht sie die betreffende Entscheidung und teilt sie gleichzeitig allen anderen zuständigen Behörden und der ESMA mit, wobei sie das Datum der Beendigung mit Blick auf die Aktualisierung der Liste von ZMP angibt, die sie gemäß Artikel 13 Absatz 9 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 veröffentlicht. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Art. 13 Kriterien für die Änderung oder Beendigung einer festgelegten AMP Bei der Entscheidung darüber, ob eine festgelegte ZMP beendet werden soll oder die Bedingungen für ihre Zulässigkeit geändert werden sollen, tragen die zuständigen Behörden folgenden Aspekten Rechnung: a) inwieweit die Begünstigten oder die die ZMP ausführenden Personen die im Rahmen dieser ZMP festgelegten Bedingungen erfüllen;
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Zulässige Marktpraxis | Art. 13 VO Nr. 596/2014 b) inwieweit das Verhalten der Begünstigten oder der die ZMP ausführenden Personen dazu geführt hat, dass die Kriterien von Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 nicht mehr erfüllt werden; c) inwieweit die ZMP seit einiger Zeit von den Marktteilnehmern nicht mehr genutzt wird; d) ob eine wesentliche Änderung im Umfeld des betreffenden Marktes im Sinne von Artikel 13 Absatz 8 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 dazu führt, dass Bedingungen für die Festlegung der ZMP nicht mehr erfüllt werden können oder müssen, insbesondere i) ob das Ziel der ZMP unerreichbar geworden ist; ii) ob sich die weitere Nutzung der festgelegten ZMP nachteilig auf die Integrität oder Effizienz der Märkte auswirken könnte, die der Aufsicht durch die zuständige Behörde unterliegen; e) ob eine Situation besteht, die unter eine der allgemeinen Bestimmungen für die Beendigung fällt, die in der festgelegten ZMP selbst enthalten sind. In der Fassung vom 26.2.2016 (ABl. EU Nr. L 153 v. 10.6.2016, S. 3). Schrifttum: S. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014. I. II. 1. 2. 3. 4. III. IV. V. 1. 2. 3.
4. 5. VI. VII. 1. 2.
3. 4.
Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematik des Art. 13 VO Nr. 596/2014 . . . Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 Verhältnis zu den Safe-harbour-Bestimmungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Ausnahme (Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . Erfasste Marktmanipulationshandlungen . . . Geltungsbereich (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einklang mit zulässiger Marktpraxis . . . . . . a) Vorherige formelle Festlegung bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 13 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorherige formelle Festlegung trotz Nichterfüllung der Anforderungen des Art. 13 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . c) Fehlen der formellen Festlegung bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen . d) Nachträgliche formelle Festlegung . . . . . . Legitime Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweiserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materielle Kriterien für eine zulässige Marktpraxis (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markttransparenz (Art. 13 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewährleistung des Funktionierens der Marktkräfte und des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage (Art. 13 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Positive Auswirkungen auf Marktliquidität und -effizienz (Art. 13 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes (Art. 13 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 4 7 8 9 10 14 17 18 20 22 24 25 29 31 32 34 38 39 41
48 56 59
5. Risiken für die Integrität verbundener Märkte (Art. 13 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014) . . . . 6. Untersuchung der Marktpraxis (Art. 13 Abs. 2 lit. f VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . 7. Strukturmerkmale des Marktes (Art. 13 Abs. 2 lit. g VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . VIII. Verfahren der Festlegung (Art. 13 Abs. 3–6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahrensart und Rechtsnatur der Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einleitung des Verfahrens und Vorbereitung einer Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Information anderer Behörden und der ESMA (Art. 13 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . 4. Mitwirkung der ESMA (Art. 13 Abs. 4–5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellungnahmen der ESMA (Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . b) Verfahren bei Abweichung von der ESMAStellungnahme (Art. 13 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren bei divergierenden Ansichten zwischen zuständigen Behörden (Art. 13 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . 6. Festlegung und Bekanntgabe durch Veröffentlichung auf Website . . . . . . . . . . . . . . 7. Wirksamkeit einer festgelegten zulässigen Marktpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verhältnis zu anderen Verfahren . . . . . . . . . IX. Überprüfungen, Beendigungen und Änderungen der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überprüfungen durch Bewertungsverfahren 2. Beendigungen und Änderungen . . . . . . . . .
65 69 71 72 72 75 78 83 84 86 87 88 92 93
95 96 99
X. Erarbeitung und Erlass technischer Regulierungsstandards (Art. 13 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 XI. Geltende zulässige Marktpraktiken . . . . . . 1. Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . 2. Andere Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortgeltende zulässige Marktpraktiken (Art. 13 Abs. 11 Satz 2 VO Nr. 596/2014) b) Neu anerkannte zulässige Marktpraktiken bzw. laufende Festlegungsverfahren . . . .
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Zulässige Marktpraxis XII. Potentiell anerkennungsfähige Marktpraktiken in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . 109 XIII. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 XIV. Veröffentlichung durch die ESMA (Art. 13 Abs. 9 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . 118 XV. Überwachung und Bericht durch die ESMA (Art. 13 Abs. 10 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . 119
XVI. Übermittlung und Fortgeltung der vor dem 2.7.2014 festgelegten zulässigen Marktpraxis (Art. 13 Abs. 11 VO Nr. 596/2014) . . . . . . XVII. Abschluss von Liquiditätsverträgen (Art. 13 Abs. 12 und 13 VO Nr. 596/2014) 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
120 122 123 127 129
I. Regelungsgegenstand 1 Der mit „Zulässige Marktpraxis“ überschriebene Art. 13 VO Nr. 596/2014 wiederholt in seinem Abs. 1 den
bereits in Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. VO Nr. 596/2014 formulierten Ausschluss des Tatbestands (Rz. 7) der handelsgestützten Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014. Es liegt keine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 vor, wenn die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 steht. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 definiert eine zulässige Marktpraxis als eine bestimmte Marktpraxis, die von einer zuständigen Behörde gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 anerkannt wurde.
2 Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 macht materiell-rechtliche Vorgaben zur zulässigen Marktpraxis. Nach
Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 kann eine zuständige Behörde eine zulässige Marktpraxis (nur) festlegen, wenn die in diesem Absatz genannten materiellen Kriterien berücksichtigt werden. So wird sichergestellt, dass die anerkannte Marktpraxis nicht in Konflikt mit den Zwecksetzungen der MAR gerät. Art. 13 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 bestimmt den räumlichen Geltungsbereich einer zulässigen Marktpraxis, indem er festlegt, dass die von einer zuständigen Behörde auf einem bestimmten Markt als zulässig anerkannte Marktpraxis auf den räumlichen Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Behörde beschränkt ist. Art. 13 Abs. 3–5 VO Nr. 596/2014 stellen Anforderungen an das Verfahren der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis und dabei insbesondere an die Zusammenarbeit mit der ESMA und den anderen zuständigen Aufsichtsbehörden. Art. 13 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 schreibt ein Verhandlungsverfahren für den Fall vor, dass eine zuständige Behörde der Ansicht ist, dass eine andere zuständige Behörde eine zulässige Marktpraxis festgelegt hat, welche die in Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 verankerten Kriterien nicht erfüllt. Kommt es in diesem Verhandlungsverfahren zu keiner Einigung zwischen der ESMA und den beteiligten zuständigen Behörden, kann die ESMA gem. Art. 13 Abs. 6 Satz 2 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 VO Nr. 1095/2010 einen für die nationalen Behörden bindenden Beschluss, etwa zur Aufhebung der zulässigen Marktpraxis, fassen. Art. 13 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 überträgt der Europäischen Kommission die Befugnis zum Erlass technischer Regulierungsstandards auf der Basis entsprechender Ausarbeitungen der ESMA. Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 verpflichtet die zuständigen Behörden zur regelmäßigen Überprüfung der von ihnen festgelegten zulässigen Marktpraktiken und ggf. zu einer Beendigung oder Änderung ihrer Festlegungen. Art. 13 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 verpflichtet die ESMA zur Führung einer Liste aller zulässigen Marktpraktiken auf ihrer Website. Nach Art. 13 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 hat die ESMA die Anwendung der zulässigen Marktpraxis zu überwachen und der Europäischen Kommission jährlich einen Bericht dazu vorzulegen. Die zuständigen Behörden werden durch Art. 13 Abs. 11 Satz 1 VO Nr. 596/2014 dazu verpflichtet, der ESMA die zulässigen Marktpraktiken, die sie vor dem 2.7.2014 festgelegt haben, innerhalb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten der in Art. 13 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 genannten technischen Regulierungsstandards zu übermitteln. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 13 Abs. 11 Satz 2 VO Nr. 596/2014 gelten diese zulässigen Marktpraktiken in den betreffenden Mitgliedstaaten weiter, bis die zuständige Behörde auf der Grundlage der Stellungnahme der ESMA gemäß Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 einen Beschluss hinsichtlich ihrer Weiterführung gefasst hat.
3 Ergänzt wurde Art. 13 VO Nr. 596/2014 um die Absätze 12 und 13 durch die Verordnung (EU) 2019/2115
zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten mit Wirkung zum 1.1.20211. Nach Art. 13 Abs. 12 VO Nr. 596/2014 darf ein Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind – unbeschadet einer nach den Absätzen 1 bis 11 festgelegten zulässigen Marktpraxis – für seine Aktien einen Liquiditätsvertrag schließen, wenn bestimmte Voraussetzungen (Rz. 127 f.) erfüllt sind. Die ESMA arbeitete gem. Art. 13 Abs. 13 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 Entwürfe technischer Regulie-
1 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 63 ff.; ESMA, Final Report: On the amendments to the Market Abuse Regulation for the promotion of the use of SME Growth Markets, 27.10.2020, ESMA70-156-3581.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 7 Art. 13 VO Nr. 596/2014
rungsstandards aus, in denen das für den Abschluss eines Liquiditätsvertrags gem. Abs. 12 zu verwendende Vertragsmuster festgelegt wird, damit die Erfüllung aller erforderliche Voraussetzungen auch in Bezug auf Markttransparenz und Wirkung der Liquiditätszufuhr gewährleistet ist. Die ESMA hatte der Europäischen Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 1.9.2020 zu übermitteln (Art. 13 Abs. 3 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014). Der Europäischen Kommission wird durch Art. 13 Abs. 3 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 des Art. 13 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 genannten technischen Regulierungsstandards gem. den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Auf Basis der Vorschläge der ESMA hat die EU-Kommission am 13.7.2022 die Delegierte VO (EU) 2022/1959 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung eines Vertragsmusters für Liquiditätsverträge für die Aktien von Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, veröffentlicht im Amtsblatt der EU am 18.10.2022, erlassen2.
II. Regelungssystematik 1. Systematik des Art. 13 VO Nr. 596/2014 Die Ausnahmevorschrift in Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 wiederholt den bereits in Art. 12 Abs. 1 lit. a 4 letzter Halbs. VO Nr. 596/2014 enthaltenen Tatbestandsausschluss (dazu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 162). Die eigentliche Bedeutung des Art. 13 VO Nr. 596/2014 liegt deshalb in seinen Abs. 2–11, die die wesentlichen formellen und materiellen Verfahrensbestimmungen zur Festlegung einer zulässigen Marktpraxis enthalten. In der Sache handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Norm, die sich an die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden und nicht in erster Linie an die Marktteilnehmer richtet. Ihre systematische Stellung im 2. Kapitel der MAR, das an die Marktteilnehmer adressierte Verhaltensverbote (Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014) und -gebote (Art. 16 VO Nr. 596/2014) beinhaltet, rechtfertigt sich aus ihrer sachlichen Nähe zum Marktmanipulationsverbot. Art. 13 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 überträgt der Europäischen Kommission die Ermächtigung, auf der Grund- 5 lage von Entwürfen technischer Regulierungsstandards der ESMA, Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis gemäß den Abs. 2, 3 und 4 des Art. 13 VO Nr. 596/2014 sowie für die Anforderungen an eine Beibehaltung oder Beendigung der Festlegung oder eine Änderung der Bedingungen einer zulässigen Marktpraxis festzulegen. Von dieser Ermächtigung hat die Kommission durch Erlass der Delegierten Verordnung (EU) 2016/908 (DelVO 2016/908) Gebrauch gemacht (Rz. 102). Diese präzisiert die einzelnen verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abs. 2 ff. des Art. 13 VO Nr. 596/2014 und gewährleistet damit einen gewissen Grad an Einheitlichkeit bei der zukünftigen Festlegung zulässiger Marktpraktiken durch die jeweils zuständigen nationalen Behörden. Eine besondere Rolle im Gefüge des Art. 13 VO Nr. 596/2014 nehmen die nachträglich angefügten (Rz. 3) 6 Abs. 12 und 13 ein. Der in Abs. 12 enthaltene Ausschluss des Tatbestands einer handelsgestützten Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 7) greift ohne und unabhängig von einer vorherigen Anerkennung entsprechender Verhaltensweisen als zulässige Marktpraxis durch eine zuständige Behörde ein, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abs. 12 Unterabs. 1 erfüllt sind (dazu Rz. 127 f.). Den jeweils zuständigen Behörden bleibt es andererseits unbenommen, den Abschluss von Liquiditätsverträgen unter den allgemeinen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und unter Einhaltung der Verfahrensvoraussetzungen (Rz. 72 ff.) als zulässige Marktpraxis anzuerkennen (Erwägungsgrund 7 Satz 3 VO 2019/2115)3 wie dies zahlreiche mitgliedstaatliche Behörden getan haben (Rz. 106 f.). Weiterhin bedeutsam ist dies insbesondere wegen des beschränkten persönlichen Anwendungsbereichs des Tatbestandausschlusses für Liquiditätsverträge nach Abs. 12 (Rz. 127).
2. Verhältnis zu Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 wiederholt den bereits in Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 enthaltenen 7 Ausschluss des Tatbestands einer handelsgestützten Marktmanipulation nach Art. 15 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (schon Rz. 3). Beim Handeln im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis und dem Vorliegen legitimer Gründe kann es daher an der Verwirklichung eines erforderlichen Tatbestandsmerkmals fehlen und damit ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot nach Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 2 ABl. EU Nr. L 270 v. 18.10.2022, S. 4. 3 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 64.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 7 | Zulässige Marktpraxis ausscheiden. Auf die anderen Manipulationsvarianten des Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist die Ausnahmebestimmung nicht anwendbar, und sie steht zu ihnen auch nicht dergestalt in einem Lex-specialis-Verhältnis, dass bei einem Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 unterfallenden Handeln eine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. b–d VO Nr. 596/2014 nicht in Betracht käme4. Allerdings verdrängt das Marktmanipulationsverbot nach Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 unter bestimmten Umständen die anderen Verbotsvarianten, insbesondere Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 (dazu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 198 ff.). Kommt es zu einer solchen Verdrängung und schließt das Handeln aus legitimen Gründen gem. einer zulässigen Marktpraxis die Verwirklichung des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 aus, lebt der verdrängte Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 nicht wieder auf, so dass das Verhalten nicht von Art. 15 VO Nr. 596/2014 verboten ist. Andernfalls würden die Zwecke des Art. 13 VO Nr. 596/2014, ebenso wie das Konkurrenzverhältnis der einzelnen in Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Marktmanipulationsvarianten, unterlaufen. Andererseits kommt durchaus in Betracht, dass eine Handlung wegen der Erfüllung der Voraussetzungen des Tatbestandsausschlusses keine Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 darstellt, gleichwohl aber etwa die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 erfüllt und deshalb verboten ist. Freilich dürfte es eher theoretischer Natur sein, dass eine Aufsichtsbehörde ein Verhalten, das die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 erfüllt, als zulässige (!) Marktpraxis anerkennt5.
3. Verhältnis zu Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 8 Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 benennt bestimmte Handlungsweisen, die zwingend als Marktmanipulation
gelten (näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 234 ff.) und die sich den unterschiedlichen Marktmanipulationsvarianten des Art. 12 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 zuordnen lassen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 5 f.). Diese Zuordnung ist besonders bedeutsam, da die zulässige Marktpraxis nur die Tatbestandsmäßigkeit einer Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 entfallen lassen kann. Daher kann bei denjenigen zwingenden Beispielen des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014, die sich systematisch dem Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zuordnen lassen, die Tatbestandsmäßigkeit bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 entfallen. Dies gilt im Ausgangspunkt für Art. 12 Abs. 2 lit. a, lit. b, lit. c und lit. e VO Nr. 596/2014 (zu diesen ausführlich Art. 12 VO 596/2014 Rz. 219 ff.).
4. Verhältnis zu den Safe-harbour-Bestimmungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014 9 Unterfällt ein bestimmtes Verhalten den Safe-harbour-Bestimmungen des Art. 5 VO Nr. 596/2014, liegt in-
soweit auf keinen Fall eine Marktmanipulation vor, so dass dessen Voraussetzungen vorrangig zu beachten sind6. Auf das Vorliegen einer zulässigen Marktpraxis kommt es dann nicht an. Liegt ein Verhalten außerhalb dieser Safe-harbour-Tatbestände, kann es sich gleichwohl als legitim erweisen (Erwägungsgrund 11 VO Nr. 596/2014), etwa wenn es die Voraussetzungen des Tatbestandsausschlusses nach Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. bzw. des Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erfüllt7. Erforderlich ist dafür aber, dass es von der zuständigen Behörde als zulässige Marktpraxis festgelegt wurde (Rz. 17 ff., zur Festlegung Rz. 72 ff.). Die BaFin hat derzeit keine zulässigen Marktpraktiken festgelegt (Rz. 103).
III. Regelungszweck 10 Der Tatbestandsausschluss für ein Handeln nach zulässiger Marktpraxis bei Vorliegen legitimer Gründe soll
sicherstellen, dass ein Verhalten, das zwar den Tatbestand des Marktmanipulationsverbots verwirklicht, dessen Durchführung aber Vorteile für die Marktfunktionen bringt, nicht verhindert wird8. Art. 13 VO Nr. 596/ 4 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 15; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 147. 5 Weitergehend Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 115: „... die ‚Vorspiegelung falscher Tatsachen oder die Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung‘ kann niemals legitime Gründe iSd Art. 13 MAR haben“; a.A. tendenziell Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 260. 6 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 508. 7 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 507; vgl. Karst, Das Marktmanipulationsverbot gem. § 20a WpHG, 2011, S. 178 f. 8 ESMA, Opinion on intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comision Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663 v. 16.12.2016, S. 5; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 13 Rz. B.13.03; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/ 2014 Rz. 3; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 2; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 1, 37; Gerner-Beuerle in Lehmann/Kumpan, European Financial Services Law, Art. 13 MAR Rz. 1; zur fehlenden Verbots-
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 13 Art. 13 VO Nr. 596/2014
2014 knüpft damit teleologisch an die Zwecke des Marktmanipulationsverbots an und sichert diese weiter ab, weil das Verbot lediglich Eingriffe bzw. Beschränkungen der Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts verhindern soll (Art. 12 VO 596/2014 Rz. 23 ff.). Erweist sich ein Verhalten als für die Marktfunktionen förderlich (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) und wird es deshalb von der zuständigen Behörde als zulässige Marktpraxis festgelegt, ist es vor dem Hintergrund des Zwecks des Marktmanipulationsverbots nicht gerechtfertigt, dieses Verhalten zu untersagen9. In diesem Sinne betont Erwägungsgrund 42 Satz 1 VO Nr. 596/2014, dass „unbeschadet des Zwecks dieser Verordnung und ihrer unmittelbar anwendbaren Bestimmungen ... eine Person, die Geschäfte abschließt oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge ausführt, die so betrachtet werden können, dass sie den Tatbestand einer Marktmanipulation erfüllen, geltend machen [kann], dass sie legitime Gründe hatte, diese Geschäfte abzuschließen oder Aufträge auszuführen, und dass diese nicht gegen die zulässige Praxis auf dem betreffenden Markt verstoßen.“ Die detaillierten materiellen und formellen Vorgaben an die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (Rz. 39 ff., Rz. 72 ff.) machen den Tatbestandsausschluss für die Praxis operabel und tragen so zur Rechtssicherheit auch für die einzelnen Marktteilnehmer bei. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Marktpraktiken spielen das Selbstverständnis der Marktteilnehmer 11 und die Selbstregulierungsmechanismen der Märkte auch im neuen Recht eine Rolle. Dies schlägt sich verfahrensrechtlich in der Pflicht nieder, insbesondere auch Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise, wie Emittenten, Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Betreiber von Märkten, vor der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis anzuhören (Rz. 77). Ferner sind u.a. Börsenordnungen, aber auch Verhaltenskodices und sonstige Verhaltensempfehlungen, eine wichtige Handlungsanleitung zur Festlegung zulässiger Marktpraktiken10. Die beschränkte räumliche Geltung einer zulässigen Marktpraxis für den Zuständigkeitsbereich mitglied- 12 staatlicher Behörden (Rz. 20 f.) führt zu einer Durchbrechung des Vollharmonisierungsansatzes der MAR mit Blick auf das Marktmanipulationsverbot11 (dazu Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 23 f.) und schafft damit die Gefahr von Aufsichtsarbitrage. Die schon unter der MAD I bekannte Begrenzung auf nationale Märkte soll dem Umstand Rechnung tragen, dass es durchaus unterschiedliche Marktgegebenheiten auch innerhalb der EU geben kann12. Der erste Entwurf der MAR aus 2011 sah noch keine Möglichkeit der Anerkennung legitimer Marktpraktiken vor13. Dagegen äußerte der Rat der EU erhebliche Bedenken und so wurde letztlich die Möglichkeit der Festlegung zulässiger Marktpraktiken doch aufgenommen, allerdings mit gegenüber dem ersten Entwurf deutlich konkreteren materiellen Vorgaben und gesteigerten Anforderungen an die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden und der ESMA, wodurch die Aufsichtsarbitrage zumindest eingedämmt wird14. Der legislatorische Ausschluss des Tatbestands handelsgestützter Marktmanipulationen gem. Art. 13 Abs. 12 13 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 dient der Förderung von KMU im Rahmen der jüngeren Bestrebungen der Europäischen Union zur Kapitalmarktunion (Erwägungsgrund 1 VO 2019/2115)15. Ausweislich Erwägungsgrund 7 Satz 1 VO 2019/2115 lässt sich die Liquidität von Aktien eines Emittenten – worauf insbesondere KMU angewiesen sind – durch Liquiditätsmechanismen wie Markt-Maker-Vereinbarungen und Liquiditätsverträge erhöhen. Ein Liquiditätsvertrag in diesem Sinne umfasst einen Vertrag zwischen einem Emittenten und einem Dritten, in dem sich Letzterer verpflichtet, im Namen des Emittenten Liquidität für dessen Aktien bereitzustellen. Zur Wahrung uneingeschränkter Marktintegrität sollen Liquiditätsverträge unter einer Reihe von Bedingungen unionsweit allen Emittenten von zum Handel auf KMU-Wachstumsmärkten zugelassenen Finanzinstrumenten offenstehen (Erwägungsgrund 7 Satz 2 VO 2019/2115). Da nicht alle zuständigen Behörden entsprechende Verträge als zulässige Marktpraxis anerkannt haben (Rz. 104 ff.), und dies die Entwicklung von KMU-Wachstumsmärkten behindern könnte (Erwägungsgrund 7 Satz 4 VO 2019/2115),
9 10 11 12 13 14 15
würdigkeit eines solchen Verhaltens Armour/Awrey/Davies/Enriques/Gordon/Meyer/Payne, Principles of Financial Regulation, 1st ed. 2016, S. 192. Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 2; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 70: „Schutz von Marktusancen“; Gerner-Beuerle in Lehmann/Kumpan, European Financial Services Law, Art. 13 MAR Rz. 1; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 258. Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 264. Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 5; Gerner-Beuerle in Lehmann/Kumpan, European Financial Services Law, Art. 13 MAR Rz. 1. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 750; Gerner-Beuerle in Lehmann/Kumpan, European Financial Services Law, Art. 13 MAR Rz. 1. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 751; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 147. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 751; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 3. S. nur Kumpan, ECFR 2017, 336; Veil in FS Baum, 2017, S. 1267; Veil/Di Noia in Busch/Ferrarini, Regulation of the EU Financial Markets, 2017, S. 345.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 | Zulässige Marktpraxis soll ein unionsweit gültiger Rechtsrahmen geschaffen werden, der es auf KMU-Wachstumsmärkten zum Handel zugelassenen Emittenten von Finanzinstrumenten ermöglicht, mit einem Liquiditätsgeber einen Liquiditätsvertrag zu schließen, wenn auf nationaler Ebene keine zulässige Marktpraxis festgelegt wurde (Erwägungsgrund 7 Satz 5 VO 2019/2115).
IV. Dogmatische Einordnung 14 Einer Handlung, die im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis steht und legitime Gründe hat, steht
nicht lediglich ein Rechtfertigungsgrund zur Seite16, sondern diese Handlung erfüllt schon gar nicht den Tatbestand eines Marktmanipulationsverbots (Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014)17. Ob es sich bei der Bestimmung um einen safe harbour handelt18 oder nicht19, hat nur begriffliche Bedeutung. In der Sache erscheint eine Bezeichnung als safe harbour überschießend20, da Art. 13 Abs. 1 bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. VO Nr. 596/2014 nur den Tatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ausschließt, eine Marktmanipulation aber nach den anderen Varianten des Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 gleichwohl vorliegen kann, auch wenn dies eher theoretischer Natur sein mag (Rz. 7).
15 Die Abs. 2–11 des Art. 13 VO Nr. 596/2014 enthalten an die zuständigen Behörden und an ESMA adressier-
te Vorgaben materieller und verfahrensrechtlicher Art, keine unmittelbar gegenüber den Marktteilnehmern wirkenden Bestimmungen. Gleichwohl fanden sie zum gleichen Zeitpunkt erstmals Anwendung wie die Art. 15 und 12 VO Nr. 596/2014 (Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014)21. Zudem ließ die Übergangsvorschrift des Art. 13 Abs. 11 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 nur diejenigen zulässigen Marktpraktiken in den betreffenden Mitgliedstaaten weitergelten, die dort vor dem 2.7.2014 festgelegt worden waren. Dazu näher Rz. 120 f.
16 Die Ausnahme des Art. 12 Abs. 12 VO Nr. 596/2014 für bestimmte Liquiditätsverträge lässt sich – ebenso
wie die zulässige Marktpraxis gem. Abs. 1 – dogmatisch als Ausschluss des Tatbestands der handelsgestützten Marktmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 einordnen. Eine Qualifizierung als safe harbour wäre wieder (vgl. Rz. 14) überschießend.
V. Voraussetzungen der Ausnahme (Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) 17 In der Sache setzt Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ebenso wie Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. VO Nr. 596/
2014 voraus, dass die Person, die ein Geschäft abschließt, einen Handelsauftrag erteilt oder eine andere Handlung vornimmt, nachweist, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 steht.
1. Erfasste Marktmanipulationshandlungen 18 Der Tatbestandsausschluss des Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 bzw. des Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs.
VO Nr. 596/2014 bezieht sich nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung zunächst auf Markt16 So aber Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 7 f. unter Verweis auf die Verteilung der Nachweislast. 17 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 18; Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 38 WpHG Rz. 81; Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 1; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/ 2014 Rz. 4; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 142; wohl auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 3; unklar Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 70 f., der einerseits davon spricht, dass die Handlungen „vom Tatbestand ausgenommen“ sein können, andererseits aber auch davon, dass eine „tatbestandsmäßige Handelsmanipulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. a MAR gerechtfertigt“ sein kann; wohl wegen geringer praktischer Relevanz offenlassend Paschos/Goslar in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 26 Rz. 49. 18 ESMA, Opinion on intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comision Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663 v. 16.12.2016, S. 3; zum früheren § 20a Abs. 2 WpHG auch Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 76. 19 Vgl. CESR, MAD Level 3 – first set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive, CESR/04-505b, 2.6. 20 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 7; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 70: „zu euphorisch“; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 5; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 17. 21 Als Ausnahme waren Art. 13 Abs. 7 und 11 VO Nr. 596/2014 ab dem 2.7.2014 anwendbar.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 22 Art. 13 VO Nr. 596/2014
manipulationen i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 7), mithin auf den Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts gibt oder bei der dies wahrscheinlich ist oder die ein anormales oder künstliches Kursniveau eines oder mehrerer Finanzinstrumente, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts sichert oder bei der dies wahrscheinlich ist (Art. 12 VO 596/2014 Rz. 53 ff.). Das Handeln gem. einer zulässigen Marktpraxis bei Vorliegen legitimer Gründe schließt daher die Tatbestandsmäßigkeit für eine andere in Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Manipulationsvarianten, insbesondere Art. 12 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/201422, nicht aus (Rz. 7). Neben dem Tatbestandsausschluss für Marktmanipulationen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 be- 19 zieht sich der Tatbestandsausschluss des Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 richtigerweise auch auf diejenigen zwingenden Beispiele von Marktmanipulationen nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014, die als Unterfälle des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 einzuordnen sind (Rz. 8)23. Dies gilt grundsätzlich für Art. 12 Abs. 2 lit. a, lit. b, lit. c und lit. e VO Nr. 596/2014 (zu diesen ausführlich Art. 12 VO 596/2014 Rz. 234 ff.). Lässt sich eine Marktmanipulation im Einzelfall auch (zusätzlich) einer anderen Manipulationsvariante zuordnen und wird diese nicht von Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 verdrängt, kann gleichwohl ein Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot vorliegen24.
2. Geltungsbereich (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014) Der Geltungsbereich einer zulässigen Marktpraxis wird grundsätzlich durch die zuständige Behörde inner- 20 halb der Festlegung der zulässigen Marktpraxis bestimmt. Ihrer Entscheidung – orientiert an den Vorgaben des Art. 13 Abs. 2 ff. VO Nr. 596/2014 – obliegt es deshalb auch, ob sie die zulässige Marktpraxis nur für bestimmte Märkte anerkennt oder auf alle Märkte erstreckt25. Erforderlich ist in jedem Fall eine gegenständliche Bestimmung der Geltung z.B. für den organisierten Markt, für bestimmte multilaterale Handelssysteme oder eben für alle Märkte. Grenzen sind der jeweils zuständigen Behörde in räumlicher Hinsicht gesetzt26. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 21 VO Nr. 596/2014 wird eine Marktpraxis, die von einer zuständigen Behörde auf einem bestimmten Markt als zulässige Marktpraxis festgelegt wurde, nicht als zulässig auf anderen Märkten betrachtet, wenn sie nicht von den für diese anderen Märkte zuständigen Behörden gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 anerkannt worden ist. „Eine Praxis, die auf einem bestimmten Markt akzeptiert ist, kann auf anderen Märkten erst als zulässig betrachtet werden, nachdem sie von den für diese anderen Märkte zuständigen Behörden offiziell zugelassen worden ist.“ (Erwägungsgrund 42 VO Nr. 596/2014). Daraus folgt, dass eine zuständige Behörde eine zulässige Marktpraxis nur für diejenigen Märkte festlegen kann, die ihrem Zuständigkeitsbereich unterliegen. Die BaFin kann daher zulässige Marktpraktiken nur für Märkte festlegen, die in der Bundesrepublik Deutschland belegen sind.
3. Einklang mit zulässiger Marktpraxis Der Geschäftsabschluss, die Handelsauftragserteilung oder die andere Handlung (dazu Art. 12 VO 596/2014 22 Rz. 55 ff.) muss im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis nach Art. 13 VO Nr. 596/2014 stehen27. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 definiert eine zulässige Marktpraxis als eine bestimmte Marktpraxis, die von einer zuständigen Behörde gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 anerkannt wurde. Eine Marktpraxis kann grundsätzlich jede konkrete Aktivität oder Praxis auf den Finanzmärkten sein28. Insoweit weicht die Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 jedenfalls begrifflich leicht von derjenigen des Art. 1 Nr. 5 RL 2003/6/EG (MAD I) ab, wonach es sich bei einer zulässigen Marktpraxis um eine Gepflogenheit handeln musste, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden konnte und von der 22 23 24 25 26
Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, S. 750; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 15. Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 8. Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 7. A.A. zu § 20a Abs. 2 WpHG Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 270. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 12; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 60. S. aber Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 74, der davon ausgeht, dass der räumliche Geltungsbereich nicht klar festgelegt sei. 27 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 19 ff. 28 Dazu Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 20 ff.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 22 | Zulässige Marktpraxis zuständigen Behörde anerkannt wurde. Während Letztere nämlich neben der formellen Anerkennung auch ausdrücklich auf inhaltliche Anforderungen abstellte, verzichtet Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 darauf und stellt vom Wortlaut allein auf die tatsächliche Anerkennung durch eine zuständige Behörde ab29. 23 Ein Geschäftsabschluss, eine Handelsauftragserteilung oder eine andere Handlung kann grundsätzlich im
Einklang mit einer formell anerkannten, den formellen und materiellen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 ff. VO Nr. 596/2014 entsprechenden Marktpraxis stehen (Rz. 17). Denkbar ist aber auch, dass eine zulässige Marktpraxis zwar formell anerkannt wurde, diese aber nicht die Voraussetzungen des Art. 13 VO Nr. 596/2014 erfüllt (Rz. 17 ff.). Schließlich kann eine Handlung einer Marktpraxis entsprechen, die nach den Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 anerkennungsfähig ist, von der zuständigen Behörde aber formell nicht anerkannt wurde (Rz. 29 f.) oder erst nach der Vornahme der Handlung anerkannt wird (Rz. 31). Inwieweit ein Tatbestandsausschluss in Betracht kommt, kann für diese Fallkonstellationen nicht einheitlich beantwortet werden. a) Vorherige formelle Festlegung bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 13 VO Nr. 596/2014
24 Ein Tatbestandsausschluss kommt – vorbehaltlich der sonstigen Voraussetzungen (Rz. 39 ff.) – jedenfalls
dann in Betracht, wenn der Geschäftsabschluss, die Handelsauftragserteilung oder die andere Handlung im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis steht, die formell ordnungsgemäß anerkannt wurde und ihrerseits die materiellen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllt30. Die zulässige Marktpraxis wird von Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 als eine bestimmte Marktpraxis definiert, die von einer zuständigen Behörde gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 anerkannt wurde. Ein Handeln im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis kann daher nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 nur vorliegen, wenn eine solche durch eine zuständige Behörde vor der Vornahme der Handlung anerkannt wurde31; die vorherige Anerkennung (Festlegung) ist für die Verbotsausnahme konstitutiv. b) Vorherige formelle Festlegung trotz Nichterfüllung der Anforderungen des Art. 13 VO Nr. 596/ 2014
25 Steht eine Handlung im Einklang mit einer formell anerkannten Marktpraxis, die den materiellen Anfor-
derungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und den Verfahrensvorgaben des Art. 13 Abs. 3 ff. VO Nr. 596/2014 nicht genügt, fehlt es – beim Vorliegen legitimer Gründe (Rz. 32 f.) – gleichwohl an der Tatbestandsverwirklichung. Allerdings macht Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 9 VO Nr. 596/2014 den Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit implizit davon abhängig, dass alle Anforderungen des Art. 13 VO Nr. 596/2014 erfüllt sind. Jedoch geht diese Inbezugnahme des Art. 13 Abs. 2–11 VO Nr. 596/2014 zu weit32. Sogar Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 enthält als materiell-rechtlich angereicherte Verfahrensnorm nur Verhaltensvorgaben für die zuständigen Behörden und nicht für die Marktteilnehmer (Rz. 15). Eine materiell fehlerhafte Festlegung durch eine zuständige Behörde kann deshalb nicht ohne weiteres zum Nachteil der Marktteilnehmer gereichen.
26 Dies entspricht auch den maßgeblichen Wertungen des deutschen Verwaltungsrechts. Beim Vollzug von Se-
kundärrecht der Union (indirekter Vollzug) sind die einschlägigen unionsrechtlichen Verfahrensvorgaben zu beachten33. Nationales Verwaltungsrecht kommt dann zur Anwendung, wenn das Unionsrecht – wie hier – keine gegenteilige Regelung trifft34. Nach deutschem Verwaltungsrecht ist die Festlegung dogmatisch als Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung einzuordnen (Rz. 74), so dass sich der Bürger danach auf einen bestandskräftigen Verwaltungsakt verlassen darf. Ein Verwaltungsakt bleibt nach § 43 Abs. 2 VwVfG
29 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 10, 13. 30 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 10; Gerner-Beuerle in Lehmann/Kumpan, European Financial Services Law, Art. 13 MAR Rz. 4. 31 A.A. Eggers, BKR 2019, 421, 426 f. 32 So auch Diversy/Köpferl inGraf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 38 WpHG Rz. 82, allerdings ohne nähere Begründung. 33 S. nur EuGH v. 19.6.1990 – C-213/89, ECLI:EU:C:1990:257 – The Queen/Secretary of State for Transport, Slg. 1990, I-2433 = NJW 1991, 2271; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, Eu.VerwR Rz. 144; Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Aufl. 2009, Art. 249 EGV Rz. 241; Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 197 AEUV Rz. 10. Zustimmend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 11. 34 EuGH v. 21.9.1983 – C-205-215/82, ECLI:EU:C:1983:233 – Deutsches Milchkontor, Slg. 1983, 2633/265: „Soweit das Gemeinschaftsrecht [...] hierfür [Verwaltungsvollzug] keine gemeinsamen Vorschriften enthält, gehen die nationalen Behörden bei dieser Durchführung der Gemeinschaftsregeln nach den formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts vor [...]“.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 29 Art. 13 VO Nr. 596/2014
nämlich wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist35. Formelle oder materielle Fehler beeinträchtigen seine Wirksamkeit – in den Grenzen des § 44 VwVfG (Rz. 28) – nicht36. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss sich jedermann auf eine anerkannte zulässige Marktpraxis berufen können, solange sie nicht gem. Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 geändert oder beendet wurde. Geschäftsabschlüsse, die Erteilung von Handelsaufträgen und andere Handlungen, die einer zum Zeitpunkt ihrer Vornahme anerkannten Marktpraxis entsprachen und legitime Gründe hatten, haben daher als unverboten zu gelten, und zwar auch dann, wenn die Festlegung hinsichtlich der materiellen Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 fragwürdig oder gar anfänglich rechtswidrig war oder mittlerweile rechtswidrig geworden ist. In derartigen Fällen sind insbesondere auch Strafverfolgungsbehörden und -gerichte an die Festlegung gebunden, selbst wenn sie die Zulässigkeit der Marktpraxis anders beurteilen als die jeweils zuständige Behörde. Insoweit besteht eine Verwaltungsakzessorietät des Kapitalmarktstraf- bzw. -sanktionenrechts37. Gleiche Erwägungen gelten erst recht im Falle einer nur formell fehlerhaften Festlegung durch die zuständi- 27 ge Behörde, wenn also etwa das Kooperationsverfahren mit der ESMA nicht ordnungsgemäß eingehalten wurde. Auch insoweit kann ein Fehler der zuständigen Behörde oder der ESMA nicht denjenigen Marktteilnehmern zum Nachteil gereichen, die ihre Handlungen nach der anerkannten zulässigen Marktpraxis ausrichten und auch im Übrigen legitime Gründe für ihr Vorgehen haben (Rz. 32 f.). Eine Grenze ist erst erreicht, wenn die Festlegung als nichtig i.S.v. § 44 VwVfG zu qualifizieren ist38. Bei 28 besonders schweren Rechtsfehlern, die der Allgemeinverfügung „auf die Stirn geschrieben sind“ genießen die Marktteilnehmer keinen Vertrauensschutz. Das kommt insbesondere in Betracht, wenn eine unzuständige Behörde die Festlegung trifft. Unter dem Gesichtspunkt des Fehlens legitimer Gründe ist zudem dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Marktteilnehmer die (materielle) Rechtswidrigkeit der Festlegung sicher kennt und gleichwohl nach der „zulässigen“ Marktpraxis handelt (Rz. 33). c) Fehlen der formellen Festlegung bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen Gegenteilig liegt es im Falle der fehlenden formellen Festlegung trotz Vorliegen der materiellen Vorausset- 29 zungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014. Bei bloßer Anerkennungsfähigkeit sind die Voraussetzungen für den Ausschluss des Tatbestands der Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht erfüllt39. Dies bestätigt auch Erwägungsgrund 42 Satz 2 VO Nr. 596/2014, der besagt, dass eine „zulässige Marktpraxis ... nur von der zuständigen Stelle festgelegt werden [kann], die für die Beaufsichtigung des betreffenden Marktes in Bezug auf Marktmissbrauch zuständig ist.“ Es kommt darauf an, dass eine Festlegung durch eine zuständige Behörde gegeben ist40. Liegt diese nicht vor, kommt auch kein Tatbestandsausschluss in Betracht. Nur so lässt sich hinsichtlich der Zulässigkeit von Marktpraktiken ein Mindestmaß an Rechtssicherheit erreichen und eine diesbezügliche Aufsichtsarbitrage soweit möglich minimieren (Rz. 12). Es sind nämlich gerade das durch Art. 13 Abs. 3 ff. VO Nr. 596/2014 vorgegebene Verfahren und die darin vorgesehene Einbindung der anderen zuständigen Behörden und der ESMA, die die Transparenz im Bezug auf die zulässigen Marktpraktiken und insbesondere eine Vereinheitlichung zwischen den Mitgliedstaaten ermögli35 Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 21; vgl. auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 21 zu einer formellen Anerkennung nach dem früheren § 20a WpHG. 36 Vorliegend ist dies angesichts des formalisierten Verfahrens der Überprüfung und der Beendigung der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis durch die zuständige Behörde und die ESMA gem. Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 12 f. DelVO 2016/908 umso berechtigter. 37 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 11; i.E. ebenso zum früheren § 20a Abs. 2 WpHG Schröder/Poller, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 449; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 15; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 81. 38 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 21 zu einer formellen Anerkennung nach dem früheren § 20a WpHG. 39 Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 38 WpHG Rz. 82; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 23 f.; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 4; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 13; Reidt, Die zulässige Marktpraxis, 2022, S. 256 ff.; a.A. Kunzelmann in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 2; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 137; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 73; Eggers, BKR 2019, 421, 426 f. Der frühere § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG hatte in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 DurchfRL 2004/72/EG demgegenüber noch bestimmt, dass eine Marktpraxis nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde. Auch insoweit war allerdings zweifelhaft, wie die Vorschrift mit § 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG in Einklang zu bringen war, wonach als zulässige Marktpraxis „nur“ galt, was als solche von der BaFin anerkannt wurde. 40 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 13.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 | Zulässige Marktpraxis chen41. Ganz in diesem Sinne betont denn auch Erwägungsgrund 1 Satz 1 DelVO 2016/908, dass die Festlegung gemeinsamer Kriterien, Verfahren und Anforderungen zur Entwicklung einheitlicher Regelungen hinsichtlich der zulässigen Marktpraxis beitragen, die Klarheit des ihr zugrunde liegenden Rechtsrahmens verbessern sowie faire und effiziente Verhaltensweisen der Marktteilnehmer untereinander fördern soll. Auch deshalb muss das Verfahren, das nach Normtext eine konstitutive Voraussetzung bildet, zuvor durchlaufen worden sein, damit ein Ausschluss des Tatbestands der Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 in Betracht kommt. 30 Im Rahmen des Ermessens bei der Einleitung von Aufsichtsmaßnahmen ebenso wie bei der verwaltungs-,
straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung muss Berücksichtigung finden, wenn eine Handlung mit einer grundsätzlich anerkennungsfähigen Marktpraxis übereinstimmt42.
d) Nachträgliche formelle Festlegung 31 Die nachträgliche Festlegung einer zulässigen Marktpraxis ist unter der MAR – anders als noch im Rahmen
des früheren § 20a Abs. 2 WpH43 – nicht geeignet, eine verbotene Handlung ex post zu legalisieren44. Dabei ist unerheblich, ob die materiellen Festlegungsvoraussetzungen vorgelegen haben oder nicht. Zwar ist es nach deutschem Recht grundsätzlich möglich, Allgemeinverfügungen mit Rückwirkung zu erlassen, insbesondere soweit dies zum Vorteil des Bürgers geschieht45. Das Unionsrecht macht mit den Voraussetzungen für den Ausschluss der Tatbestandsmäßigkeit allerdings zwingende andere Vorgaben. Es verlangt nämlich, dass die Festlegung bereits vor der Vornahme der Handlung anerkannt wurde (Rz. 29). Deshalb lässt sich eine Festlegung mir Rückwirkung auch nicht mit den Mitteln des nationalen Verwaltungsrechts – etwa in Form einer rückwirkenden Allgemeinverfügung – herbeiführen und damit die unionsrechtlichen Vorgaben konterkarieren46.
4. Legitime Gründe 32 Neben dem Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis erfordert der Tatbestandsausschluss das Vorliegen
legitimer Gründe für die Handlung47. Unabhängig vom Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis (Rz. 22 ff.) kommt ein Tatbestandsausschluss dann nicht in Betracht, wenn dem Geschäftsabschluss, der Erteilung eines Handelsauftrags oder einer anderen Handlung ein rechtswidriger Grund zugrunde liegt (Erwägungsgrund 42 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Dabei können diese rechtswidrigen Gründe sowohl bei derjenigen Person vorliegen, die die zulässige Marktpraxis ausführt, als auch bei derjenigen Person, die von deren Ausführung profitiert48. Das Erfordernis war schon durch Art. 1 Nr. 1a RL 2003/6/EG (MAD I) vorgegeben und geht historisch auf den regular user test des englischen und angloamerikanischen Rechts zurück, wonach ein von legitimate business reasons getragenes Handeln nicht marktmissbräuchlich ist, was dort mit einer Darlegungs- und Nachweispflicht des betreffenden Marktteilnehmers verbunden wird49. 41 Dahingehend auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 13. 42 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 13. 43 Die Regierungsbegründung anerkannte ausdrücklich, dass eine Anerkennung durch die BaFin auch ex post erfolgen könne, s. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 37. Der Finanzausschuss sah sich gleichwohl zur Einfügung des „klarstellenden“ § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG veranlasst, wonach eine Marktpraxis nicht bereits deshalb unzulässig sein sollte, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde (BT-Drucks. 15/3493, 50). Explizit dann der frühere § 7 Abs. 2 MaKonV, wonach die BaFin auch nach der Einleitung eines Verfahrens wegen Marktmanipulation – und damit notwendig nach der Vornahme der Manipulationshandlung – noch eine Marktpraxis im Eilverfahren anerkennen konnte. 44 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 14; a.A. Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 24; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 19; Eggers, BKR 2019, 421, 426. 45 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 16. 46 Dem folgend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 14. 47 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 3; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 27 f.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 173. Kritisch zu dem Tatbestandsmerkmal Diversy/Köpferl in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2017, § 38 WpHG Rz. 83: „weist kaum feststellbare Konturen auf“. 48 ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 31. 49 Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT, F118 f.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 173; Zimmer/ Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 62. Die Begr. RegE. AnSVG, S. 37 zu § 20a Abs. 2 WpHG sah in den legitimen Gründen ein subjektives Element, das lediglich dann zu verneinen sei, wenn festgestellt werden könne, dass der Handelnde in betrügerischer oder manipulativer Absicht agiert habe. In der Sache wurde damit quasi „durch die Hintertür“ das im geltenden Recht nicht mehr enthaltene Erfordernis der Preisbeeinflussungsabsicht
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 36 Art. 13 VO Nr. 596/2014
Die legitimen Gründe sind, wie die am Zweck des Art. 13 VO Nr. 596/2014 orientierte Auslegung ergibt, nicht 33 mit den subjektiven Beweggründen, Motiven, Absichten, Zwecken oder Zielen des Handelnden gleichzusetzen50, obwohl diese bei der Beurteilung durchaus eine Rolle spielen. Im Rahmen des Marktmanipulationsverbots ist es grundsätzlich unerheblich, ob eine Transaktion der Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Zwangsvollstreckungsvereitelung – für sich genommen allesamt illegitime Gründe (!) – dient51. Vielmehr geht es nur um kapitalmarkrechtlich relevante Gründe, die sowohl objektive als auch subjektive und nicht zuletzt normative Elemente aufweisen, wobei die objektiven Wirkungen, subjektiven Ziele und der wirtschaftliche Sinn der Transaktion auch und gerade in Bezug auf den jeweiligen Markt im Vordergrund stehen52. Legitim i.S.v. Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. bzw. Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sind Gründe, die kapitalmarktrechtlich anzuerkennen sind und damit nicht den anerkannten Prinzipien, Strukturen, Mechanismen, Funktionsbedingungen und der Integrität der jeweiligen Märkte zuwiderlaufen. Legitim ist grundsätzlich etwa das Ausnutzen von Kurs- oder Zinsdifferenzen bei sog. Arbitragegeschäften (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 117)53 und bloße Spekulationen. Illegitim sind hingegen Handlungen, deren Wirkung, Ziel und Sinn sich in der marktfunktionswidrigen Preisbeeinflussung erschöpfen, wobei eine Preisbeeinflussungsabsicht nicht zwingend vorliegen muss54. Zudem stehen hinter einer Handlung keine legitimen Gründe, wenn der Manipulator positive Kenntnis davon hat, dass die festgelegte Marktpraxis nicht die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllt und er gleichwohl danach handelt und damit die Festlegung rechtsmissbräuchlich ausnutzt55. In diesem Fall läuft die Ausführung der Marktpraxis nämlich den kapitalmarktrechtlichen Schutzzwecken des Marktmanipulationsrechts gerade zuwider. Grundsätzlich legitim ist es aber, sich auch dann auf die Festlegung einer Marktpraxis zu stützen, wenn mittlerweile Zweifel an der Zulässigkeit aufgekommen sind.
5. Nachweiserfordernis Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. und Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sprechen davon, dass die Person, die 34 eine Handlung nach Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 vornimmt, nachweisen muss, dass das Geschäft, der Auftrag oder die Handlung legitime Gründe hat und im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gem. Art. 13 VO Nr. 596/2014 steht56. Das Nachweiserfordernis bezieht sich sachlich nur auf den Einklang des Verhaltens mit einer zulässigen 35 Marktpraxis und nicht auf das Vorliegen legitimer Gründe57. Das Merkmal der legitimen Gründe ist nämlich als Ausschlussgrund konzipiert (Rz. 32 f.). Einem Marktteilnehmer kann nicht der Nachweis angesonnen werden, dass sein Verhalten mit allen nur denkbaren kapitalmarktrechtlichen Verhaltensanforderungen und Prinzipien übereinstimmt. In diese Richtung deutet auch Erwägungsgrund 42 VO Nr. 596/2014, wonach „von einer Rechtsverletzung ausgegangen werden [könnte], wenn die zuständige Behörde feststellt, dass sich hinter den betreffenden Geschäften oder Handelsaufträgen ein rechtswidriger Grund verbirgt.“ Deshalb tragen Marktteilnehmer für die quasi Rückausnahme vom Tatbestandsausschluss wegen des Fehlens legitimer Gründe weder im aufsichtsrechtlichen noch gar im straf- oder bußgeldrechtlichen Verfahren eine Darlegungs- oder Beibringungslast. Der einem Marktteilnehmer nach Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. Bzw. Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 36 obliegende Nachweis, dass eine Handlung im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis steht, betrifft nur Tatsachenfragen, nicht auch Rechtsfragen. Der Manipulator ist im Verwaltungsverfahren nur dafür verantwortlich, diejenigen Tatsachen beizubringen, die ergeben, dass sein Verhalten im Einklang mit einer zulässi-
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wieder und das dem Marktmanipulationsrecht seit jeher fremde Erfordernis der Betrugs (= Bereicherungs)absicht neu eingeführt. Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 28; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 16. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 12 MAR Rz. 63; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 41; a.A. Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 76; so wie hier oder ähnlich zum früheren § 20a Abs. 2 WpHG Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 179; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 79; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 271. In diese Richtung auch Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 28; zustimmend Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 16; a.A. Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 76. Vgl. Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 28; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 173 unter Verweis auf die Praxis der britischen FSA (FCA). Wie hier Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 41. Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 273. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 19; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 9 ff. Kritisch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 142. Bereits die Ausnahme vom Verbot der Marktmanipulation nach Art. 1 Nr. 2 lit. a RL 2003/6/EG (MAD I) war als Beweislastumkehr formuliert. So jedoch wohl Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 20.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 36 | Zulässige Marktpraxis gen Marktpraxis steht58. Nur insoweit besteht eine Ausnahme vom auch im Verwaltungsverfahren des indirekten Vollzugs der MAR geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Die Subsumtion und die rechtliche Beurteilung, ob ein Verhalten rechtlich im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis steht, liegt allein in der Verantwortung der BaFin bzw. der (Verwaltungs-)Gerichte. 37 In Straf- oder Bußgeldverfahren ist es dagegen eine von Amts wegen zu ermittelnde Tatfrage, was eine zu-
lässige Marktpraxis ist und aus welchen Gründen der Betroffene handelte. Der Nichteinklang mit einer zulässigen Marktpraxis bzw. das Nichtvorliegen legitimer Gründe sind zur Überzeugung der Ermittlungsbehörden oder der Gerichte festzustellen, ohne dass den Beschuldigten bzw. Betroffenen eine Beweislast träfe59. Vielmehr sind im Zweifel sogar die dem Beschuldigten bzw. Betroffenen günstigeren Tatsachen zu unterstellen (in dubio pro reo). Soweit die §§ 119, 120 WpHG auf Art. 15 VO Nr. 596/2014 und damit auch mittelbar auf die Nachweisbestimmung in Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. Bzw. Art. 13 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 verweisen, ist deren Wortlaut unions- und verfassungsrechtskonform zu reduzieren. Zwar lässt der EGMR durchaus eine Beweislastverschiebung auch zu Lasten des Angeklagten zu60. Ausweislich der Formulierung in Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU ist der Unionsgesetzgeber für die strafrechtliche Sanktionierung von seiner im aufsichtsrechtlichen Bereich geltenden Nachweislastverteilung (Rz. 34 ff.) jedoch gerade abgerückt. Denn die jedenfalls für den Straftatbestand des § 119 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eigentlich maßgebliche Definition der Marktmanipulation in Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU (CRIM-MAD) (Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 4 ff.) kennt ganz in diesem Sinne kein Nachweiserfordernis, sondern formuliert, dass eine Manipulation dann nicht vorliegt, wenn „die Person, die die Transaktion getätigt oder den Handelsauftrag erteilt hat, ... sich auf einen rechtmäßigen Grund stützen [kann] und die Transaktion oder der Handelsauftrag ... im Einklang mit der zugelassenen Marktpraxis auf dem betreffenden Handelsplatz [steht]“61. Die insofern richtlinienwidrige Umsetzung der CRIM-MAD durch den Verweis auf Art. 15 VO Nr. 596/2014 muss durch einen Verzicht auf das Nachweiserfordernis im Strafverfahren und richtigerweise auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren korrigiert werden62.
VI. Zuständigkeit für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) 38 Zuständig für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis ist nur eine zuständige Behörde i.S.d. MAR. Eine
solche ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 12 VO Nr. 596/2014 eine gem. Art. 22 VO Nr. 596/2014 benannte zuständige Behörde. Für die Bundesrepublik Deutschland ist dies gem. § 4 Abs. 3b WpHG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)63. Auf anderem Wege oder durch andere Stellen – auch (Straf-) Gerichte – darf eine förmliche Festlegung zulässiger Marktpraktiken nicht erfolgen64. In diesem Sinne kommt der BaFin ein Festlegungsmonopol zu65. Der räumliche Geltungsbereich einer von ihr anerkannten zulässigen Marktpraxis beschränkt sich allerdings auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland (Rz. 21).
VII. Materielle Kriterien für eine zulässige Marktpraxis (Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) 39 Eine nicht abschließende Aufzählung materieller Kriterien für die Zulässigkeit einer Marktpraxis enthält
Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/201466. Die Vorschrift richtet sich unmittelbar nur an die zuständigen Behörden 58 A.A. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 20, wonach „Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen (...) zu Lasten des Betroffenen [gehen]“. 59 Insoweit auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 21. 60 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 11; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 6. 61 Darauf weist auch Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 142 hin. 62 Ebenso im Ergebnis Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 142. Im Übrigen ist der Verweis in 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG auf Art. 15 VO Nr. 595/2014 statt auf Art. 5 CRIM-MAD aber richtlinienkonform, s. Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; vgl. auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 12 MAR Rz. 92. 63 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 35; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 63 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 144. 64 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 35; vgl. auch Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 2; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 80. 65 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 35. Ganz ähnlich – Anerkennungsmonopol – schon Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 80 zur zulässigen Marktpraxis nach dem früheren § 20a Abs. 2 WpHG. 66 ESMA, Opinion on intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comision Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663 v. 16.12.2016, S. 3; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regula-
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 43 Art. 13 VO Nr. 596/2014
(Rz. 38). In der Sache gibt die Norm den Marktteilnehmern aber auch Kriterien an die Hand, um die Verbotswidrigkeit eines Marktverhaltens im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zu beurteilen, da sie Strukturprinzipien benennt, die für einen effizient funktionierenden Finanzmarkt unumgänglich sind. Aus der Vorschrift ist zu entnehmen, dass ein Verhalten insbesondere dann manipulativ und verbotswürdig sein kann, wenn es – die Markttransparenz, – das Funktionieren der Marktkräfte und das richtige Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage, – die Marktliquidität und -effizienz, – die Marktstruktur, – die Marktintegrität verbundener Märkte oder – die Strukturmerkmale des betreffenden Marktes beeinträchtigt, d.h. verletzt oder gefährdet. Dabei müssen nicht alle Kriterien kumulativ erfüllt sein, sondern es ist eine Abwägung der Kriterien im Einzelfall erforderlich67. Die Art. 3–9 DelVO 2016/908 legen die Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 näher fest, indem sie 40 Pflichten bei der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis an die zuständigen Behörden adressieren. Die Sicherung der genannten Strukturprinzipien soll im Wesentlichen durch eine aktive Einbindung derjenigen Personen sichergestellt werden, die die zulässige Marktpraxis ausführen sowie derjenigen Personen, die von der Ausführung der zulässigen Marktpraxis profitieren könnten, indem sie eine andere Person benennen, die die zulässige Marktpraxis ausführt (Begünstigter)68. Im Einzelfall können die Strukturprinzipien aber bereits durch die gegebenen Marktbedingungen gewährleistet sein, etwa soweit bereits bestehende gesetzliche Vorschriften oder Handelsregeln hinreichende Transparenz sicherstellen.
1. Markttransparenz (Art. 13 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014) Die Marktpraxis und ihre Ausführung muss für den gesamten Markt hinreichend transparent sein (Art. 13 41 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014)69. Transparenz nur für Teile des Markts oder gar nur für einzelne Marktteilnehmer genügt grundsätzlich nicht. Hinreichende Transparenz bedeutet, dass Marktteilnehmer sich in zumutbarer Weise über die Marktpraxis, aber auch darüber unterrichten können, ob und inwieweit eine konkrete Handlung der Marktpraxis entspricht. Hieraus folgt, dass das Transparenzerfordernis im Grundsatz nur durch Publizität erfüllt wird, die ad hoc, aber auch dadurch hergestellt werden kann, dass bestimmte Geschäftsarten im Einklang mit dem Regelwerk eines Marktes nachvollziehbar offengelegt werden. Dabei muss auf Strukturbedingungen des jeweiligen Markts Rücksicht genommen werden. Auf nichtorganisierten Märkten herrscht strukturbedingt weniger Transparenz als auf organisierten Märkten, was dazu führt, dass auf diesen Märkten zusätzliche Anstrengungen unternommen werden müssen70. Es kann aber auch auf OTC-Märkten die erforderliche Transparenz hergestellt werden, so dass Handlungen auf diesen nicht per se aus dem Anwendungsbereich zulässiger Marktpraktiken ausgenommen sind71. Die von Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 adressierten zuständigen Behörden (Rz. 38) müssen ihrerseits 42 sicherstellen, dass bei der späteren Vornahme von Handlungen im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis die hieran beteiligten Marktteilnehmer hinreichende Transparenz herstellen. Entsprechende Verpflichtungen können grundsätzlich aufgrund bereits existierender gesetzlicher Vorschriften – etwa zur Beteiligungspublizität – bestehen oder aber als Bedingungen für die Ausführung der zulässigen Marktpraxis in die Festlegung als Allgemeinverfügung (Rz. 74) mit aufgenommen werden. Was unter einem erheblichen Grad an Transparenz zu verstehen ist, konkretisiert Art. 3 DelVO 2016/908. 43 Bei den Transparenzanforderungen unterscheidet dieser nach der Phase vor der ersten Ausführung einer
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tion, Article 13 Rz. B.13.02. Kritisch zu den Kriterien Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 70. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 22. Art. 2 Abs. 3 lit. b DelVO 2016/908. Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 10; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 33 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 151 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 23 ff.; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 26. Vgl. ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 31; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 27. Vgl. ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 31.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 43 | Zulässige Marktpraxis Marktpraxis als zulässige Marktpraxis, derjenigen nach der ersten Anwendung einer Marktpraxis als zulässige Marktpraxis und derjenigen nach Beendigung der Ausführung einer Marktpraxis. 44 Die zuständige Behörde hat nach Art. 3 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/908 zu gewährleisten, dass bereits vor der
ersten Ausführung einer Marktpraxis als zulässige Marktpraxis folgende Informationen für den Markt transparent gemacht werden72: (i) die Identität der künftigen Begünstigten und ausführenden Personen sowie Angabe dazu, wer von ihnen für die Erfüllung der Transparenzanforderungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. b und lit. c DelVO 2016/ 908 verantwortlich ist, (ii) Angaben der Finanzinstrumente, auf die die zulässige Marktpraxis angewandt werden soll, (iii) der Zeitraum, in dem die zulässige Marktpraxis ausgeführt werden soll, und die Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehenden Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung ihrer Ausführung führen können, (iv) Angabe der Handelsplätze, auf denen die zulässige Marktpraxis ausgeführt werden soll, und gegebenenfalls Angaben der Möglichkeit, Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes abzuschließen sowie (v) gegebenenfalls die Nennung der Höchstbeträge an Bargeld und der Anzahl der Finanzinstrumente, die von der zulässigen Marktpraxis erfasst werden sollen. Die zuständige Behörde muss insoweit sicherstellen, dass diejenigen Personen, die beabsichtigen, eine zulässige Marktpraxis auszuführen oder die von der Ausführung begünstigt werden, diese Informationen im Vorfeld der Ausführung transparent machen.
45 Weitergehend hat die zuständige Behörde gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/908 sicherzustellen, dass ab
der ersten Anwendung einer Marktpraxis als zulässige Marktpraxis73: (i) eine regelmäßige Vorlage detaillierter Angaben zu Handelstätigkeiten im Zusammenhang mit der Ausführung der zulässigen Marktpraxis, beispielsweise die Anzahl der abgeschlossenen Geschäfte, das Handelsvolumen, der durchschnittliche Umfang der Geschäfte und der angezeigten durchschnittlichen Spreads und Preise der abgeschlossenen Geschäfte74 erfolgt sowie (ii) alle Änderungen an bereits bekanntgegebenen Informationen zur zulässigen Marktpraxis, einschließlich Änderungen bei den verfügbaren Ressourcen in Form von Bargeld und Finanzinstrumenten, Änderungen hinsichtlich der Identität der die zulässige Marktpraxis ausführenden Personen (Rz. 48) sowie alle Änderungen bei der Allokation von Bargeld oder Finanzinstrumenten in den Konten des Begünstigten und der Personen, die die zulässige Marktpraxis ausführen, bekanntgegeben werden. Die durch Art. 13 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 verpflichtete zuständige Behörde kann eine entsprechende Transparenz ab der ersten Anwendung nur durch die Einbindung anderer Marktteilnehmer gewährleisten, deren Beteiligung sie deshalb vor bzw. in der Festlegung sicherstellen muss (vgl. Rz. 74 ff.).
46 Gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/908 hat die zuständige Behörde zudem sicherzustellen, dass im Falle
einer Beendigung der Ausführung der zulässigen Marktpraxis auf Initiative der Person, die sie ausgeführt hat, des Begünstigten oder beider, Transparenz hergestellt wird über75: (i) die Tatsache, dass die Ausführung der zulässigen Marktpraxis eingestellt wird; (ii) eine Beschreibung der Art und Weise der Ausführung der zulässigen Marktpraxis; (iii) die Gründe oder Ursachen für die Einstellung der Ausführung der zulässigen Marktpraxis. Da es auch insoweit um Informationen geht, die nur von Marktteilnehmern stammen können, die bislang Handlungen im Einklang mit der betreffenden zulässigen Marktpraxis vorgenommen haben, Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 3 DelVO 2016/908 aber lediglich Pflichten an die zuständigen Behörden adressiert, geht es auch hier darum, dass die zuständigen Behörden entsprechende spätere Meldungen durch die Marktteilnehmer sicherstellen (vgl. Rz. 47).
47 Neben der Transparenz gegenüber dem Markt müssen die zuständigen Behörden gem. Art. 3 Abs. 2 DelVO
2016/908 dafür Sorge tragen, dass Marktteilnehmer ihnen gegenüber bestimmte Meldungen machen76. Art. 3 Abs. 2 lit. a DelVO 2016/908 verpflichtet dazu sicherzustellen, dass vor Ausführung einer Marktpraxis als zulässige Marktpraxis Informationen über die Absprachen oder Verträge zwischen den identifizierten Begünstig72 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 34; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 23. 73 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 35; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 24. 74 Werden an einem einzigen Handelstag mehrere Geschäfte getätigt, können tägliche aggregierte Zahlen für die betreffenden Kategorien von Angaben zulässig sein (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/908). 75 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 36; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 25. 76 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 37 f.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 51 Art. 13 VO Nr. 596/2014
ten (Rz. 40) und den Personen, die die Marktpraxis nach deren Festlegung als zulässige Marktpraxis ausführen werden, an die zuständigen Behörden übermittelt werden. Zudem müssen die zuständigen Behörden sicherstellen, dass ihnen ab Beginn der Ausführung regelmäßige Berichte mit detaillierten Angaben zu den getätigten Geschäften und zur Funktionsweise etwaiger Absprachen oder Verträge zwischen dem Begünstigten und den Personen, die die zulässige Marktpraxis ausführen, zugehen (Art. 3 Abs. 2 lit. b DelVO 2016/908).
2. Gewährleistung des Funktionierens der Marktkräfte und des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage (Art. 13 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014) Für eine zulässige Marktpraxis kommt es gem. Art. 13 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 zudem darauf an, ob 48 durch sie das Funktionieren der Marktkräfte und das richtige Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage in hohem Grade gewährleistet werden77. Bei diesem Kriterium handelt es sich um eine originär wettbewerbsrechtliche Erwägung. Eine entsprechende Zwecksetzung ist gleichwohl auch im vorliegenden Zusammenhang gerechtfertigt, da das Marktmanipulationsrecht eine im Sinne der Allokationseffizienz erforderliche einwandfreie Preisbildung sicherstellen soll und hierfür auch das Funktionieren der Marktkräfte und das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage entscheidende Faktoren sind (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 23 ff.).
Näher konkretisiert wird das Kriterium durch Art. 4 DelVO 2016/908. Nach dessen Abs. 1 muss die zustän- 49 dige Behörde zunächst berücksichtigen, ob die Marktpraxis die Möglichkeiten anderer Marktteilnehmer einschränkt, auf Geschäfte zu reagieren. Dies kann z.B. bei bestimmten Manipulationsstrategien im Hochfrequenz- bzw. algorithmischen Handel der Fall sein, da diese typischerweise die Reaktionsmöglichkeiten beeinträchtigen sollen bzw. langsamere Reaktionszeiten anderer Marktteilnehmer ausnutzen. Entsprechende Handlungsweisen können daher nicht als zulässige Marktpraxis festgelegt werden78. Zudem muss gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DelVO 2016/908 die Art der Personen berücksichtigt werden, die die 50 Marktpraxis nach ihrer Festlegung als zulässige Marktpraxis ausführen dürfen. Im Einzelnen ist zu berücksichtigen, (a) ob es sich um beaufsichtigte Personen (Rz. 51) handelt; (b) ob die Personen Mitglieder eines Handelsplatzes sind, an dem die zulässige Marktpraxis angewendet werden soll; (c) ob die Personen Aufzeichnungen über Aufträge und Geschäfte im Zusammenhang mit der Marktpraxis führen, die es ermöglichen, diese Praxis leicht von anderen Handelsaktivitäten zu unterscheiden. Dies kommt etwa durch die Führung gesonderter Konten für die Ausführung der zulässigen Marktpraxis in Betracht, um insbesondere nachzuweisen, dass erteilte Aufträge getrennt und einzeln erfasst und Aufträge von verschiedenen Kunden nicht zusammengefasst werden; (d) ob die Personen spezielle interne Verfahren eingeführt haben, die die sofortige Identifizierung der Aktivitäten, die mit der Marktpraxis im Zusammenhang stehen und die sofortige Bereitstellung der betreffenden Auftrags- und Geschäftsaufzeichnungen auf Ersuchen der zuständigen Behörde ermögliche (e) ob sie über die notwendigen Ressourcen verfügen, um die Einhaltung der für die zulässige Marktpraxis festgelegten Bedingungen jederzeit überwachen und gewährleisten zu können und (f) ob sie die unter Art. 4 Abs. 1 Satz 2 lit. c DelVO 2016/908 genannten Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre lang aufbewahren. Eine beaufsichtigte Person ist gem. Art. 1 DelVO 2016/908 entweder eine zugelassene Wertpapierfirma gem. 51 der RL 2014/65/EU (Art. 1 lit. a DelVO 2016/908), ein zugelassenes Kreditinstitut gem. der RL 2013/36/EU (Art. 1 lit. b DelVO 2016/908), eine finanzielle Gegenpartei i.S.v. Art. 2 Abs. 8 VO Nr. 648/2012 (Art. 1 lit. c DelVO 2016/908), jede Person, die der Zulassung, organisatorischen Anforderungen und der Beaufsichtigung seitens der „zuständigen Finanzbehörde“ oder einer „nationalen Regulierungsbehörde“ i.S.d. VO Nr. 1227/ 2011 unterliegt (Art. 1 lit. d DelVO 2016/908), jede Person, die der Zulassung, organisatorischen Anforderungen und der Beaufsichtigung seitens der zuständigen Behörden, Regulierungsbehörden oder Agenturen unterliegt, die für Waren-Spot- oder Derivatemärkte zuständig sind (Art. 1 lit. e DelVO 2016/908) sowie Anlagenbetreiber mit der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen der RL 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (Art. 1 lit. f DelVO 2016/908)79. 77 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 26 ff.; Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 10; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 41 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 154 f. 78 Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 29. 79 Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 43.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 52 | Zulässige Marktpraxis 52 Mit der Berücksichtigung der personenbezogenen Kriterien in Art. 4 Abs. 1 lit. a und lit. b DelVO 2016/
908 ist die Wertung verbunden, dass ein Verhalten von Personen, die diese Kriterien erfüllen, das Funktionieren der Marktkräfte tendenziell weniger beeinträchtigen werden80 bzw. die Gefahr einer derartigen Beeinträchtigung geringer ist. In der Tat sind diese Personen bereits durch andere Regulierungsmaßnahmen, aber auch etwa durch Art. 16 VO Nr. 596/2014 zu umfassenden Compliancemaßnahmen verpflichtet, und werden zudem laufend überwacht (s. Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 19 ff.). Gleichwohl hat der Unionsgesetzgeber darauf verzichtet, die Ausführung zulässiger Marktpraktiken generell solchen Personen vorzubehalten81. Vielmehr müssen die zuständigen Behörden im Einzelfall entscheiden, ob eine entsprechende Beaufsichtigung erforderlich ist, um die Gewährleistung der Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 sicherzustellen82. Insgesamt beziehen sich die personenbezogenen Kriterien nur auf die Person, die die zulässige Marktpraxis ausführt (Rz. 40), und nicht auf den Begünstigten (Rz. 40)83.
53 Systematisch zweifelhaft ist die Vorgabe des Art. 4 Abs. 1 lit. c, lit. d und lit. f DelVO 2016/908, die die
Marktpraxis betreffenden Verfahren und Maßnahmen der Aufzeichnung, Dokumentation und Aufbewahrung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen (Rz. 50). Zwar ist zutreffend, dass entsprechende Verfahren und Maßnahmen den zuständigen Behörden die spätere Überwachung erleichtern werden (Erwägungsgrund 5 DelVO 2016/908). Gleichermaßen ist es für die Überwachung bedeutsam, dass die Ausführung der Marktpraxis von anderen Handelsaktivitäten unterschieden werden kann, die die betreffenden Personen für eigene Rechnung oder für Rechnung von Kunden durchführen (Erwägungsgrund 5 DelVO 2016/908). Unklar ist aber, inwieweit diese Vorfeldbewertung zu gewährleisten vermag, dass durch die Ausführung einer zulässigen Marktpraxis das Funktionieren der Marktkräfte und das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage nicht gefährdet werden.
54 Ferner haben die zuständigen Behörden gem. Art. 4 Abs. 2 DelVO 2016/908 zu berücksichtigen, inwieweit
durch die Marktpraxis eine Vorabliste mit Handelsbedingungen für ihre Ausführung als zulässige Marktpraxis, einschließlich Beschränkungen für Preise und Volumen und Beschränkungen bei Positionen, festgelegt wird84.
55 Schließlich muss die zuständige Behörde beurteilen, inwieweit die Marktpraxis und die Absprache bzw. der
Vertrag für ihre Ausführung es der Person, die die zulässige Marktpraxis ausführt (Rz. 40), ermöglicht, unabhängig vom Begünstigten (Rz. 40) zu handeln, ohne dessen Anweisungen, Informationen oder Einflussnahmen im Hinblick auf die Art und Weise der Durchführung des Handels ausgesetzt zu sein (Art. 4 Abs. 3 lit. a DelVO 2016/908)85. Ferner muss sie auch die Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen dem Begünstigten und den Kunden der die zulässige Marktpraxis ausführenden Person sicherstellen (Art. 4 Abs. 3 lit. b DelVO 2016/908). Diese Voraussetzungen gewährleisten, dass die die Marktpraxis ausführende Personen keiner dem Interesse des freien Wettbewerbs entgegenstehenden Einflussnahme durch den von der Ausführung Begünstigten ausgesetzt wird. Die Aufsichtsbehörde muss anhand der ihr zur Verfügung gestellten Vertragsdokumente die entsprechende Unabhängigkeit prüfen und im Falle einer Nichtgewährleistung diese entweder sicherstellen lassen oder die zulässige Marktpraxis beenden (Rz. 99 ff.).
3. Positive Auswirkungen auf Marktliquidität und -effizienz (Art. 13 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014) 56 Die zuständige Behörde hat nach Art. 13 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 ferner zu berücksichtigen, ob die Markt-
praxis sich positiv auf die Marktliquidität und -effizienz auswirkt86. Das Kriterium ist am engsten mit der Zwecksetzung der zulässigen Marktpraxis verbunden (Rz. 10 ff.), indem es hervorhebt, dass eine Marktpraxis sich als förderlich erweisen muss und ihre Ausklammerung aus dem Verbotstatbestand dadurch gerechtfertigt sein kann. Es genügt nicht, dass die Marktpraxis Liquidität und Effizienz nur nicht beeinträchtigen.
80 Vgl. ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 32, Rz. 125 ff.; dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 42. 81 Vgl. ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 32; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 42. 82 Vgl. ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 32. 83 Vgl. ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, ESMA/2015/1455, S. 32. 84 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 46. 85 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 47. 86 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 49 ff.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 28 f.; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 32. Das Kriterium geht damit deutlich weiter als § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV, der lediglich verlangte, dass die jeweilige Gepflogenheit die Liquidität und Leistungsfähigkeit des Markts nicht beeinträchtigt.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 60 Art. 13 VO Nr. 596/2014
Bei der Bewertung der Auswirkungen auf Marktliquidität und -effizienz ist das Ziel dieser Marktpraktiken 57 zu berücksichtigen (Erwägungsgrund 7 DelVO 2016/908)87. Besteht dieses darin, den regulären Handel mit illiquiden Finanzinstrumenten zu fördern, abusive squeezes zu verhindern oder die Absprache von Offerten zu fördern, wenn das Risiko besteht, dass es keine Gegenparteien für einen Handel gibt oder ordnungsgemäße Geschäfte zu ermöglichen, wenn ein Teilnehmer eine beherrschende Stellung innehat, wird entsprechendes Vorgehen regelmäßig zu einer Beförderung der Liquidität beitragen. Im Umkehrschluss dürfen Marktpraktiken, die die Liquidität – etwa durch eine Verknappung von Angebot oder Nachfrage (cornering, abusive squeeze) – verringern, nicht als zulässige Marktpraxis festgelegt werden88. Entsprechend liquiditätsbefördernde Ziele in Bezug auf den Preis bestehen auch darin, Preisschwankungen aufgrund übermäßiger Spreads und eines begrenzten Angebots bzw. einer begrenzten Nachfrage bei einem Finanzinstrument möglichst gering zu halten, ohne einen Markttrend zu gefährden, für Preistransparenz zu sorgen oder eine faire Preisbewertung in Märkten zu ermöglichen, auf denen die meisten Geschäfte außerhalb eines Handelsplatzes durchgeführt werden (Erwägungsgrund 7 DelVO 2016/908). Diese berücksichtigungsfähigen Zielsetzungen implizieren eine positive Bewertung der Rolle von Market Makern (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126), Liquidity Providern und Designated Sponsors89. Dasselbe gilt hinsichtlich der Zielsetzung bei sog. Liquiditätskontrakten (liquidity agreements)90 (Rz. 106 ff.). Das Vorgehen der zuständigen Behörden bei der Bewertung der Frage, ob ein Verhalten Liquidität und Effi- 58 zienz fördert, konkretisiert Art. 5 DelVO 2016/908. Danach haben diese zumindest die folgenden Handelsumstände in Bezug auf einen betreffenden Markt bzw. ein betreffendes Finanzinstrument oder eine Gruppe von Finanzinstrumenten zu berücksichtigen: (a) Handelsvolumen; (b) Anzahl der Aufträge im Auftragsbuch (Ordertiefe); (c) Tempo der Durchführung der Geschäfte; (d) volumengewichteter Durchschnittspreis eines einzigen Handelstages, täglicher Schlusskurs; (e) Geld-Brief-Spanne, Preisschwankung und -volatilität; (f) Regelmäßigkeit von Angeboten oder Geschäften.
4. Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes (Art. 13 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014) Die zuständige Behörde muss ferner berücksichtigen, ob die Marktpraxis dem Handelsmechanismus des 59 betreffenden Marktes Rechnung trägt und es den Marktteilnehmern möglich ist, angemessen und rechtzeitig auf die durch die Marktpraxis entstehende neue Marktsituation zu reagieren (Art. 13 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014)91. Wird z.B. ein wirtschaftlich begründeter Preisverfall bei einem Finanzinstrument vorübergehend künstlich (etwa durch pumping and dumping oder painting the tape) aufgehalten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 124 ff., 134 ff.), nimmt dies den anderen Marktteilnehmern die Möglichkeit, sich rechtzeitig von dem Finanzinstrument zu trennen. Derartige Praktiken können deshalb die Marktintegrität ernsthaft gefährden. Unterschiedliche Reaktionszeiten in unterschiedlichen Märkten ist dabei Rechnung zu tragen. Im reinen Hochfrequenz- bzw. algorithmischen Handel haben die Marktteilnehmer ganz andere Reaktionszeiten als auf einem „gemischten“ Markt, auf dem auch slow trader aktiv sind92. Das Kriterium des Art. 13 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 wird durch Art. 6 DelVO 2016/908 näher konkre- 60 tisiert93. Danach hat die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung zunächst zu berücksichtigen, ob die 87 88 89 90
Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 50. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 12. Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 158. S. Notification of the CNMV received by ESMA on 19 September 2016, S. 10, Anhang zu ESMA, Opinion on Intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comisión Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2016-1663_-_on_ intended_accepted_market_practice_on_liquidity_contracts_notified_by_the_cnmv.pdf. 91 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 30 f.; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 51 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 159 ff. Vgl. bereits § 8 Abs. 1 Nr. 4 MaKon, wonach maßgeblich war, ob die Gepflogenheit mit dem Handelsmechanismus auf dem Markt vereinbar ist und den anderen Marktteilnehmern eine angemessene und rechtzeitige Reaktion erlaubt. Insoweit sollten die Marktprinzipien der Effizienz und Fairness im Vordergrund stehen, s. BR-Drucks. 18/05, 22. 92 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 160. 93 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 51 ff.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 60 | Zulässige Marktpraxis Marktpraxis Auswirkungen auf die Preisbildungsprozesse auf einem Handelsplatz hat (Art. 6 Abs. 1 lit. a DelVO 2016/908). Positive Auswirkungen können insbesondere darin liegen, dass die Marktpraxis die Beurteilung von Preisen und Aufträgen im Auftragsbuch erleichtern könnte (Art. 6 Abs. 1 lit. b Halbs. 1 DelVO 2016/908). Für die Zwecke dieser Beurteilung wird auch eine Marktpraxis berücksichtigt, bei der Geschäfte und Aufträge in Echtzeit vom Marktbetreiber oder der Wertpapierfirma bzw. Marktbetreibern, die ein MTF oder OTF betreiben, überwacht werden (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/908)94. Eine negative Auswirkung auf den Preisbildungsprozess können insoweit insbesondere Manipulationspraktiken im Hochfrequenz- bzw. algorithmischen Handel haben, die gerade darauf gerichtet sind, den Preisbildungsprozess zu stören95 (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 256 ff.). 61 Ferner ist zu berücksichtigen, ob die zu tätigenden Geschäfte oder die zu erteilenden Aufträge für ihre Aus-
führung als zulässige Marktpraxis den Handelsregeln des jeweiligen Handelsplatzes zuwiderlaufen (Art. 6 Abs. 1 lit. b Halbs. 2 DelVO 2016/908). Praktiken, die den Handelsregeln auf einem Markt zuwiderlaufen, können auf diesem Markt naturgemäß auch nicht als zulässige Marktpraktiken anerkannt werden.
62 Weitergehend ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/908 bedeutsam, inwieweit die in Art. 3 DelVO 2016/
908 genannten Transparenzanforderungen, einschließlich der Bekanntgabe auf der Website des betreffenden Handelsplatzes, erfüllt werden und, sofern zutreffend, ob die entsprechenden Informationen gleichzeitig auf den Websites der Begünstigten veröffentlicht werden. Die Verknüpfung mit den Transparenzanforderungen trägt dem Umstand Rechnung, dass es Marktteilnehmern nur dann möglich ist, angemessen auf eine Marktpraxis zu reagieren, wenn möglichst alle Informationen zu ihrer Ausführung öffentlich bekannt sind.
63 Erheblich ist gem. Art. 6 Abs. 1 lit. d DelVO 2016/908 zudem, inwieweit mit der Marktpraxis eine Vorabliste
von Situationen oder Bedingungen aufgestellt wird, in bzw. unter denen ihre Ausführung als zulässige Marktpraxis vorübergehend ausgesetzt oder eingeschränkt wird. Dies betrifft etwa besondere Handelsperioden oder -phasen wie Auktionsphasen, Übernahmen, Erstplatzierungen, Kapitalerhöhungen oder Zweitplatzierungen. Die CNMV hat in ihrer Marktpraxis für Liquiditätskontrakte (liquidity contracts) (Rz. 106) insoweit schon frühzeitig hervorgehoben, dass die zulässige Marktpraxis ex ante bestimmte Situationen bzw. Umstände benennt, in denen die zulässige Marktpraxis suspendiert wird. Dies betrifft u.a. IPOs und SPOs, die von Stabilisierungsmaßnahmen nach Art. 5 VO Nr. 596/2014 begleitet werden, ferner den Zeitraum zwischen der Ankündigung eines öffentlichen Übernahmeangebots bis zum Zeitpunkt des Settlements sowei denjenigen während Rückkaufprogrammen96.
64 Schließlich hat die zuständige Behörde gem. Art. 6 Abs. 2 DelVO 2016/908 zu berücksichtigen, inwieweit
eine Marktpraxis es ermöglicht, dass mit ihrer Ausführung verbundene Aufträge während der Eröffnungsoder Schlussauktionsphase eines Handelstages erteilt und ausgeführt werden (lit. a) oder mit ihrer Ausführung verbundene Aufträge oder Geschäfte in Perioden erteilt bzw. getätigt werden, in denen Stabilisierungen und Rückkäufe stattfinden (lit. b). Beide Phasen sind besonders für Manipulationen anfällig (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 102, 170 ff.; Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 27).
5. Risiken für die Integrität verbundener Märkte (Art. 13 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014) 65 Gem. Art. 13 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 muss die zuständige Behörde berücksichtigen, ob die Marktpraxis
Risiken für die Integrität direkt oder indirekt verbundener, geregelter oder nicht geregelter Märkte für das betreffende Finanzinstrument innerhalb der Europäischen Union schafft97. Es geht dabei nur um Auswirkungen von innerhalb der Europäischen Union belegenen Märkten, nicht hingegen um solche außerhalb der Europäischen Union. Insoweit werden der bereits von Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. d VO Nr. 596/2014 adressierte Marktintegritäts- bzw. Marktfunktionenschutz auch auf verbundene EU-Märkte erstreckt. Zugleich konkretisiert die DelVO 2016/908, welche Umstände überhaupt Risiken für die Integrität eines Marktes bedeuten können, was gleichermaßen auch für den Markt relevant sein kann, für den die zulässige Marktpraxis gilt. Die Integrität verbundener Märkte kann durch die Ausführung einer auf einem Markt zulässigen Marktpraxis insbesondere dadurch gefährdet werden, dass sich die handelsbasierten Praktiken wegen der (internationalen) Verflechtung der Kapitalmärkte auf andere Märkte auswirkt. Dies kommt etwa in Betracht, 94 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 52. 95 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 160. 96 S. Notification of the CNMV received by ESMA on 19 September 2016, S. 10, Anhang zu ESMA, Opinion on Intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comisión Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2016-1663_-_on_ intended_accepted_market_practice_on_liquidity_contracts_notified_by_the_cnmv.pdf. 97 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 32; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 54 f.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 69 Art. 13 VO Nr. 596/2014
wenn ein Finanzinstrument im Inland und im Ausland börsennotiert ist, der Inlandspreis künstlich „gepumpt“ wird und dann auch der Auslandspreis steigt98. Die von den zuständigen Behörden bei der Beurteilung der Risiken für verbundene EU-Märkte zu berücksich- 66 tigenden Aspekte präzisiert Art. 7 DelVO 2016/90899. Dazu gehört zunächst, ob die mit der Ausführung der Marktpraxis nach deren Festlegung als zulässige Marktpraxis verbundenen Geschäfte den zuständigen Behörden regelmäßig gemeldet werden (lit. a) Entsprechende Meldungen haben die zuständigen Behörden bereits gem. Art. 3 Abs. 2 DelVO 2016/908 sicherzustellen (Rz. 47). Insoweit wird die Aufsichtstätigkeit der zuständigen Behörden unterstützt und sichergestellt, dass sie negative Auswirkungen auf die Integrität verbundener Märkte ex post überhaupt feststellen können. Wenn Aufsichtsbehörden entsprechende Informationen über die auf einem Markt unter Anwendung einer zulässigen Marktpraxis getätigten Geschäfte erlangen, können sie nämlich schneller beurteilen, ob diese Geschäfte Auswirkungen auf verbundene Märkte nehmen. Soweit diese Märkte in anderen Mitgliedstaaten belegen sind, müssen die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten im Rahmen der Verpflichtung zur Zusammenarbeit nach Art. 25 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 informiert werden. Die zuständige Behörde haben sodann zu berücksichtigen, ob die Ressourcen (Bargeld oder Finanzinstru- 67 mente), die der Ausführung der zulässigen Marktpraxis zugeteilt werden, ausreichend sind und den Zielen der zulässigen Marktpraxis selbst entsprechen (Art. 7 lit. b DelVO 2016/908)100. Inwieweit dieses Kriterium die Risiken für die Integrität verbundener Märkte beschränken soll, ist unklar. Zudem stellt Art. 7 lit. c–g DelVO 2016/908 bestimmte Anforderungen an die an der Ausführung beteilig- 68 ten Personen. Die zuständige Behörde muss insoweit: (c) die Art und Höhe der Vergütung für erbrachte Dienstleistungen im Rahmen der Ausführung einer zulässigen Marktpraxis und die Frage, ob diese Vergütung als Pauschale festgelegt wird berücksichtigen. Soweit eine variable Vergütung geplant ist, darf sie nicht zu einem Verhalten führen, das der Marktintegrität oder dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Marktes abträglich ist, und muss der zuständigen Behörde zwecks Bewertung mitgeteilt werden. Ferner muss sie berücksichtigen, (d) ob die Arten von Personen, die die zulässige Marktpraxis ausführen werden, eine angemessene Trennung der für die Ausführung der zulässigen Marktpraxis bestimmten Aktiva von den Aktiva ihrer Kunden oder ihren eigenen Aktiva gewährleisten, wenn dies für den betrachteten Markt angebracht ist, (e) ob die jeweiligen Pflichten der Begünstigten und der die zulässige Marktpraxis ausführenden Personen oder gegebenenfalls die gemeinsamen Pflichten beider eindeutig festgelegt sind, (f) ob die Arten von Personen, die die zulässige Marktpraxis ausführen werden, über eine organisatorische Struktur und geeignete interne Regelungen verfügen, die gewährleisten, dass die mit der zulässigen Marktpraxis verbundenen handelsbezogenen Entscheidungen gegenüber anderen Abteilungen innerhalb dieser Person geheim bleiben und unabhängig von Kundenaufträgen, Portfolioverwaltung oder für eigene Rechnung platzierten Aufträgen getroffen werden und (g) ob ein geeignetes Berichtsverfahren zwischen dem Begünstigten und der Person, die die zulässige Marktpraxis ausführen wird, besteht, das den Austausch von Informationen ermöglicht, die gegebenenfalls zur Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen notwendig sind. Die Kriterien stimmen teilweise mit denen des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DelVO 2016/908 überein, durch den die Anforderungen an die Gewährleistung des Funktionierens der Marktkräfte und des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage präzisiert werden (Rz. 48 ff.).
6. Untersuchung der Marktpraxis (Art. 13 Abs. 2 lit. f VO Nr. 596/2014) Dass díe zuständigen Behörden zudem die Berücksichtigung des Ergebnisses von Ermittlungen der zustän- 69 digen Behörde selbst oder anderer zuständiger Behörden zu der entsprechenden Marktpraxis zu berücksichtigen haben (Art. 13 Abs. 2 lit. f VO Nr. 596/2014)101, erscheint nachgerade selbstverständlich. Insoweit ist maßgeblich, ob eine Verletzung der Marktmissbrauchsbestimmungen oder der geltenden Verhaltensregeln 98 Sog. Preisimport, vgl. aber auch § 24 Abs. 2 Satz 4 BörsG, der Anlegerschutz bewirken soll, zutr. Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 16. 99 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 55. 100 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 33; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 55 unter Verweis auf die englische Sprachfassung; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 36. 101 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 56 f.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 163 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 33.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 69 | Zulässige Marktpraxis festgestellt wurde, und zwar unabhängig davon, ob diese auf dem betreffenden Markt oder auf einem anderen direkt oder indirekt verbundenen Markt in der Europäischen Union festgestellt wurden. Dabei hat die zuständige Behörde gem. Art. 8 DelVO 2016/908 insbesondere zu berücksichtigen, ob Untersuchungen in den von ihnen – gemeint sind alle zuständigen Behörden – überwachten Märkten zu Ergebnissen geführt haben, die die Festlegung als zulässige Marktpraxis in Frage stellen könnten. Die Vorschrift bezweckt nicht nur eine Verbreiterung der Beurteilungsgrundlage, sondern trägt auch der engen Verflechtung der Kapitalmärkte in der Europäischen Union Rechnung und hat ersichtlich zum Ziel, eine – rechtlich allerdings mögliche (s. Rz. 10) – unterschiedliche Beurteilung der Zulässigkeit ein und derselben Marktpraxis zu vermeiden102. Sie wird durch die Konsultationsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 flankiert (Rz. 78 ff.). 70 Zu berücksichtigen sind nur Erkenntnisse aus anderweitigen Ermittlungstätigkeiten im Zusammenhang
mit der betreffenden Marktpraxis, gleich, ob es sich um straf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen oder Ermittlungen im Zusammenhang mit kapitalmarktrechtlichen Aufsichts- oder Überwachungsverfahren handelt, und gleich, ob es sich um einzelfallbezogene Ermittlungen im Zusammenhang mit konkreten Marktmissbrauchsfällen oder um Ermittlungen im Zusammenhang mit der abstrakten Anerkennung einer Marktpraxis handelt103. Inländische Behörden sind u.a. Handelsüberwachungsstellen und Strafverfolgungsbehörden bzw. Strafgerichte. Zuständige ausländische Stellen sind u.a. ausländische Aufsichtsbehörden und Strafverfolgungsorgane. Zu berücksichtigen sind nicht bloß Erkenntnisse zu Tatsachen, z.B. die Auswirkungen einer Marktpraxis auf das Funktionieren des Markts, sondern auch rechtliche Erkenntnisse, insbesondere zur Vereinbarkeit mit dem Marktmissbrauchsrecht und den Verhaltensregeln der betreffenden Märkte104.
7. Strukturmerkmale des Marktes (Art. 13 Abs. 2 lit. g VO Nr. 596/2014) 71 Die Berücksichtigung der Strukturmerkmale des betreffenden Marktes gebietet Art. 13 Abs. 2 lit. g VO
Nr. 596/2014. Das betrifft u.a. Umstände wie, ob es sich um einen geregelten Markt handelt, welche Finanzinstrumente gehandelt werden, welche Marktteilnehmer vertreten sind und welcher Anteil am Handel auf dem betreffenden Markt auf Privatanleger entfällt105. Art. 9 DelVO 2016/908 präzisiert, welche Aspekte bei der Beurteilung insbesondere zu beachten sind. Dies sind zunächst die potentiellen Auswirkungen der Marktpraxis auf die Interessen von Privatanlegern, wenn die Marktpraxis Finanzinstrumente betrifft, die auf Märkten gehandelt werden, in denen Privatanleger aktiv sind (lit. a). Insoweit sind Anlegerschutzerwägungen (zum durch die MAR bewirkten überindividuellen Anlegerschutz s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 27 ff.) bei der Beurteilung der Erfüllung der materiellen Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ausdrücklich zu berücksichtigen106. Für die Zulässigkeit einer Marktpraxis spielt weiter eine Rolle, ob diese für Privatanleger die Wahrscheinlichkeit erhöht, Gegenparteien bei Finanzinstrumenten geringer Liquidität zu finden, ohne dass ihre Risikobelastung steigt (lit. b). Insoweit ist erneut an Market Maker (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126) und Liquidity Provider, aber auch an Liquiditätskontrakte107, zu denken, die gerade diese Funktion wahrnehmen können. Neben den Auswirkungen auf Privatanleger und dem Einfluss der Marktpraxis auf deren Marktverhalten, zählt zu den Strukturmerkmalen die Art und der Grad der Regulierung und Überwachung der betreffenden Märkte sowie die Art der gehandelten Finanzinstrumente.
VIII. Verfahren der Festlegung (Art. 13 Abs. 3–6 VO Nr. 596/2014) 1. Verfahrensart und Rechtsnatur der Festlegung 72 Das Verfahren der Festlegung durch die BaFin ist ein Verwaltungsverfahren und kein Normsetzungsverfah-
ren. Die Festlegung erfolgt deshalb in Deutschland durch eine Allgemeinverfügung und nicht durch 102 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 33. 103 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 163; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 38. 104 Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 163; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 13 VO (EU) 596/2014 Rz. 38. 105 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 34; Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 58 f.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 165. 106 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 59. 107 S. Notification of the CNMV received by ESMA on 19 September 2016, S. 14, Anhang zu ESMA, Opinion on Intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comisión Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2016-1663_-_on_ intended_accepted_market_practice_on_liquidity_contracts_notified_by_the_cnmv.pdf; vgl. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 34.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 75 Art. 13 VO Nr. 596/2014
Rechtsnormsetzung108. Die MAR macht für den indirekten Vollzug des Art. 13 VO Nr. 596/2014 hinsichtlich der Verfahrensart und der Rechtsnatur der Festlegung keine Vorgaben, so dass sich diese nach nationalem Recht richtet. Den Mitgliedstaat ist deshalb von Seiten des Unionsrechts freigestellt, ob das Verfahren als Verwaltungsverfahren oder als Normsetzungsverfahren ausgestaltet wird. Dass in anderen Rechtsordnungen, etwa im französischen Recht, seit jeher eine ausgeprägte Normsetzungskompetenz der Verwaltung anerkannt wird, besagt deshalb nichts über die Rechtsqualität des deutschen Verfahrens109. Da die Festlegung der BaFin als Verwaltungsbehörde übertragen ist und ihr vom deutschen Gesetzgeber in diesem Zusammenhang keine Normsetzungsbefugnis in Form einer Verordnungsbefugnis übertragen wurde, kann es sich bei dem Verfahren – wie schon beim früheren § 20a Abs. 2 WpHG110 – nur um ein Verwaltungsverfahren handeln111.
Das Verfahren der Festlegung richtet sich in erster Linie nach den besonderen Verfahrensvorschriften des. 73 Art. 13 VO Nr. 596/2014. Soweit dieser speziellere, auch vom deutschen Verwaltungsrecht abweichende Vorgaben macht, sind diese vorrangig anzuwenden. Für alle Fragen, die durch Art. 13 Abs. 3 ff. VO Nr. 596/ 2014 und auch im Übrigen durch das vorrangig anwendbare Unionsrecht nicht prädeterminiert sind, ist das VwVfG des Bundes maßgeblich112. Die Festlegung als Ergebnis des Verwaltungsverfahrens ist ein Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinver- 74 fügung. Die Entscheidung ergeht auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet113, und zwar in Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG), da der Verwaltungsakt nicht gegenüber einer bestimmten Person ergeht. In der Regel wird es sich um eine adressatenbezogene Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG) handeln, mithin um die Regelung eines in der Zukunft liegenden räumlich und zeitlich begrenzten Sachverhalts gegenüber allen potentiell hiervon Betroffenen114. Hierfür genügt, dass der Personenkreis im Zeitpunkt des Eintritts des Sachverhalts – hier also der Vornahme der als zulässige Marktpraxis festgelegten Handlung – bestimmbar ist115. Im Einzelfall ist aber auch die Einordnung als sachbezogene Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 Alt. 2 und 3 VwVfG) zu erwägen, insbesondere, soweit sich die zulässige Marktpraxis nur auf einen ganz bestimmten Markt bezieht und dieser als Sache i.S.d. § 35 Satz 2 VwVfG einzuordnen ist. Eine solche Einordnung ist nicht ganz fernliegend, weil der Sachbegriff des § 35 Satz 2 VwVfG überwiegend sehr weit verstanden wird und ihm insbesondere auch Sachgesamtheiten, wie Anstalten und öffentliche Einrichtungen – also wohl auch etwa die Frankfurter Wertpapierbörse – unterfallen116. Gleichviel, ob es sich im Einzelfall um eine adressaten- oder eine sachbezogene Allgemeinverfügung handelt, gilt sie jedoch generell für alle Marktteilnehmer, die auf dem jeweils bestimmten Markt eine der in der Festlegung umschriebene Handlung vornehmen wollen. Durch die Anforderungen an die Konkretisierung der zulässigen Marktpraxis und dem in der Festlegung enthaltenen Marktbezug (Rz. 88 ff.) wird sichergestellt, dass die Festlegung durch Allgemeinverfügung – in Abgrenzung zur Rechtsnorm – einen hinreichend konkreten Sachverhalt betrifft.
2. Einleitung des Verfahrens und Vorbereitung einer Festlegung Wann eine Behörde ein Verfahren zur Festlegung einleiten kann oder sogar muss, lässt Art. 13 VO Nr. 596/ 75 2014 offen. Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 bestimmt lediglich, dass eine zuständige Behörde eine zulässige
108 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 6; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 11, 36; a.A. Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 170 anknüpfend an Vogel in 4. Aufl. des Kommentars, § 20a WpHG Rz. 146; 5. Aufl. des Kommentars, § 20a WpHG Rz. 182. 109 Auch im Übrigen waren die Anerkennungsformen unter dem MAD I-Regime sehr unterschiedlich, s. nur Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 14. 110 Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 81; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 7 ff.; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 3. Aufl., Rz. 530; Schwark in Schwark/Zimmer, 4. Aufl., § 20a WpHG Rz. 59; Karst, Das Marktmanipulationsverbot gem. § 20a WpHG, 2011, S. 194; a.A. Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 183 ff., wonach die besseren Argumente für eine Rechtsverordnung und damit ein Normsetzungsverfahren sprachen. 111 Erledigt sind damit zugleich die zum früheren § 20a Abs. 2 WpHG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken, die unter Berufung auf eine vermeintliche Rechtssetzungsqualität der Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis die fehlenden Normsetzungsbefugnis der BaFin bemängelten. S. Vogel in 4. Aufl. des Kommentars, § 20a WpHG Rz. 146; 5. Aufl. des Kommentars, § 20a WpHG Rz. 182. 112 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 36. 113 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 7. 114 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 7. 115 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, § 35 VwVfG Rz. 284 m.w.N. 116 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, § 35 VwVfG Rz. 316 m.w.N.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 75 | Zulässige Marktpraxis Marktpraxis festlegen „kann“. Es gilt daher die verwaltungsverfahrensrechtliche Norm des § 22 Satz 1 VwVfG, wonach die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt117. Da bei Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 aber eine Pflicht zu einer Festlegung bestehen kann (vgl. Rz. 95 ff.), ist ein etwaig bestehendes Ermessen der BaFin zur Einleitung eines Festlegungsverfahrens jedenfalls dann auf null reduziert, wenn sie hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass eine bestimmte Marktpraxis die materiellen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllen könnte. § 7 Abs. 1 Satz 1 MaKonV sah noch ausdrücklich eine Pflicht der BaFin vor, über die Anerkennung einer Gepflogenheit als zulässige Marktpraxis zu entscheiden, wenn sie im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit Kenntnis von einer Gepflogenheit erhält, die in den Regelungsbereich des früheren § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG fiel118. Auch wenn das neue Recht eine entsprechende Regelung nicht mehr kennt, ist die Einleitung eines Festlegungsverfahrens nach wie vor in erster Linie mit der Aufsichtstätigkeit der BaFin verknüpft. Entscheidend ist deshalb, welche Informationen die BaFin in diesem Rahmen über bestimmte Gepflogenheiten erlangt, die die materiellen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllen könnten. 76 Unter dem Regime der MAR ist kein formelles Antragsverfahren vorgesehen119. Das bedeutet aber nur,
dass ein Antrag zur Einleitung eines Verfahrens nicht erforderlich ist (§ 22 Nr. 2 VwVfG) und dass andererseits die BaFin auf einen „förmlichen“ Antrag hin nicht tätig werden muss (§ 22 Nr. 1 VwVfG). Werden der BaFin von Marktteilnehmern Informationen zur Kenntnis gebracht, die eine bestimmte Marktpraxis als den Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 genügend erscheinen lassen, muss sie diese Informationen bei der Frage der Einleitung eines Festlegungsverfahrens berücksichtigen. Zudem steht es Marktteilnehmern offen, einen Antrag auf Festlegung einer bestimmten Marktpraxis bei der BaFin zu stellen. Sofern ein Marktteilnehmer Rechtsschutz gegen die Nichtfestlegung einer bestimmten Marktpraxis durch die BaFin anstrebt, ist die vorherige Stellung eines entsprechenden Antrags sogar Voraussetzung für die Zulässigkeit einer späteren Verpflichtungsklage (Rz. 116).
77 Die zuständige Behörde hat die Marktpraxis anhand der in Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 niedergelegten
und in der DelVO 2016/908 näher ausgeführten Kriterien zu bewerten (Art. 2 Abs. 1 DelVO 2016/908) (Rz. 39 ff.). Zudem sind die zuständigen Behörden verpflichtet, in angemessenem Umfang die relevanten Stellen dazu anzuhören, ob es zweckmäßig ist, eine Marktpraxis als zulässige Marktpraxis festzulegen120. Damit wird externer Sachverstand der Stakeholder eingebunden und die berechtigten Interessen derjenigen berücksichtigt, die von der Anerkennungsentscheidung betroffen sind. Zu beteiligen sind „zumindest“ Vertreter der Emittenten, z.B. die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), Wertpapierfirmen, Kreditinstitute, Investoren, z.B. Repräsentanten der Gruppe der professionellen Anleger aber auch Anlegerschutzvereinigungen, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, Betreiber eines multilateralen Handelssystems (MTF) oder eines organisierten Handelssystems (OTF) und Betreiber eines geregelten Marktes, z.B. Deutsche Börse AG, sowie andere Behörden, deren Aufgabenbereiche von der Anerkennung der Marktpraxis berührt werden, etwa Börsenaufsichtsbehörden. Welche Personen und Institutionen konkret anzuhören sind, hat die BaFin nach pflichtgemäßem Ermessen insbesondere davon abhängig zu machen, für welche Märkte die zulässige Marktpraxis vorgesehen ist, bzw. welche Märkte von ihr betroffen werden können und welche Marktteilnehmer bzw. Behörden auf diesen Märkten aktiv sind. Sie sollte in diesem Anhörungsverfahren den Beteiligten angemessene Fristen für die Abgabe von Stellungnahmen setzen, wobei die Fristen nicht zu lang bemessen sein sollten, um im Sinne der Wandlungsfreudigkeit und Schnelllebigkeit der Kapitalmärkte ein zügiges Festlegungsverfahren zu gewährleisten. Ganz abgesehen von einer Beteiligung darf die BaFin auch unter Berücksichtigung ihres Spielraums bei der Verfahrensgestaltung allenfalls dann, wenn es um tatsächlich und rechtlich eindeutig gelagerte Fälle geht.
3. Information anderer Behörden und der ESMA (Art. 13 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) 78 Die zuständige Behörde hat vor der Festlegung einer zulässigen Markpraxis die ESMA und die anderen zu-
ständigen Behörden über ihre Absicht in Kenntnis zu setzen und dabei über die Einzelheiten der Bewertung 117 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 37, 39. 118 BR-Drucks. 18/05, 19. Damit setzte der Verordnungsgeber Art. 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie 2004/ 72/EG um. 119 Rechtspolitisch wurde bereits zum alten Recht kritisiert, dass das Anerkennungsverfahrens mit der Aufsichtstätigkeit wegen möglicher Verletzungen des Marktmanipulationsverbots verknüpft und kein Antragsverfahren mit dem klaren Ziel der Zulässigerklärung bestimmter Marktpraktiken vorgesehen war. Dazu Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 5. 120 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 66; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 40.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 82 Art. 13 VO Nr. 596/2014
zu informieren, die belegt, dass die Marktpraxis den Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 entspricht (Art. 13 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014; Rz. 39 ff.)121. Zeitlich muss diese Information mindestens drei Monate vor der beabsichtigten Einführung der zulässigen Marktpraxis erfolgen (Art. 13 Abs. 3 Satz 2 VO Nr. 596/2014). Gem. Art. 10 Abs. 1 DelVO 2016/908 müssen die zuständigen Behörden ihre Absicht, eine zulässige Markt- 79 praxis festzulegen, per Post oder E-Mail gleichzeitig an die ESMA und die anderen zuständigen Behörden melden, wobei sie eine vorgegebene Liste von Kontaktstellen nutzen, die von den zuständigen Behörden und der ESMA bereitgestellt und regelmäßig gepflegt wird. Es besteht mithin eine Pflicht zur Meldung auch an die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten, wobei insoweit alle zuständigen Behörden aller Mitgliedstaaten gemeint sind, auch wenn zahlreiche mit der jeweiligen Marktpraxis überhaupt nicht in Berührung kommen mögen122. Die Meldung muss inhaltlich eine Erklärung dazu enthalten, dass beabsichtigt wird, eine zulässige Markt- 80 praxis festzulegen, und für welches konkrete Datum diese Absicht besteht (Art. 10 Abs. 2 lit. a DelVO 2016/ 908), ferner123 Angaben zu der meldenden zuständigen Behörde und den innerhalb der Behörde zuständigen Kontaktpersonen (Name, Titel, dienstliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse) (Art. 10 Abs. 2 lit. b DelVO 2016/908). Die Marktpraxis als solche muss bereits ausführlich beschrieben werden, indem Angaben (i) zu den Arten von Finanzinstrumenten und Handelsplätzen, in denen die zulässige Marktpraxis angewendet werden soll, (ii) zu der Art von Personen, die die zulässige Marktpraxis ausführen dürfen, (iii) zu den von der zulässigen Marktpraxis begünstigten Personen, (iv) darüber, ob die Marktpraxis für einen festgelegten Zeitraum durchgeführt werden kann, sowie (v) von Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehenden Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung der Praxis führen können, gemacht werden (Art. 10 Abs. 2 lit. c DelVO 2016/908). Ferner muss der Grund angegeben werden, aus dem die Praxis eine Marktmanipulation gem. Art. 12 VO Nr. 596/2014 darstellen könnte (Art. 10 Abs. 2 lit. d DelVO 2016/908)124. Insoweit ist eine rechtliche Bewertung erforderlich. Schließlich müssen als Kernstück der Meldung genaue Angaben zu der gem. Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/ 81 2014 durchgeführten Bewertung enthalten sein (Art. 10 Abs. 2 lit. e DelVO 2016/908). Welche Angaben insoweit in welcher Form zu machen sind, wird durch Art. 10 Abs. 3 i.V.m. dem Anhang der DelVO 2016/ 908 näher bestimmt. Gem. Art. 10 Abs. 3 DelVO 2016/908 muss die Meldung die folgende im Anhang zur DelVO 2016/908 ent- 82 haltene ausgefüllte Tabelle enthalten125: Zulässige Marktpraxis (ZMP) für [Name der ZMP einfügen] Geplantes Datum der Einführung der ZMP: [Datum einfügen, an dem die ZMP von der meldenden zuständigen Behörde eingeführt werden soll] Beschreibung der ZMP: [Text einfügen, einschließlich Nennung der Arten der Finanzinstrumente und der Handelsplätze, auf denen die ZMP ausgeführt werden soll; der Arten von Personen, die die ZMP ausführen dürfen; der Art der Begünstigten sowie Angabe, ob die Marktpraxis für einen festgelegten Zeitraum ausgeführt werden kann, und aller Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehenden Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung der Praxis führen können] Gründe, aus denen die Praxis eine Marktmanipulation darstellen könnte [Text einfügen]
121 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 68 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 166 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 41 ff. 122 Nur eine Soll-Vorschrift enthielt § 9 Abs. 1 Satz 2 MaKonV, wonach zuständige Stellen anderer Mitgliedstaaten der EU und anderer Vertragsstaaten des EWiR, die den Handel mit Finanzinstrumenten überwachen, beteiligt werden sollen, insbesondere wenn sie für die Überwachung von mit dem jeweiligen Markt vergleichbaren Märkten zuständig sind. 123 Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 69 f. 124 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 71. 125 Dazu auch Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 74.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 82 | Zulässige Marktpraxis Bewertung Liste der berücksichtigten Kriterien
Schlussfolgerung der zuständigen Behörde und Begründung
a) Grad der Transparenz für den Markt
[Text mit der Begründung für dieses Kriterium einfügen]
b) Grad der Gewährleistung des Funktionierens der Marktkräfte und des richtigen Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage.
[Text mit der Begründung für dieses Kriterium einfügen]
c) Auswirkung auf Marktliquidität und -effizienz
[Text mit der Begründung für dieses Kriterium einfügen]
d) Der Handelsmechanismus des betreffenden Marktes und die Möglichkeit für Marktteilnehmer, angemessen und rechtzeitig auf die durch die Marktpraxis entstehende neue Marktsituation zu reagieren.
[Text mit der Begründung für dieses Kriterium einfügen]
e) Risiken für die Integrität direkt oder indirekt verbundener, geregelter oder nicht geregelter Märkte für das betreffende Finanzinstrument innerhalb der Union.
[Text mit der Begründung für dieses Kriterium einfügen]
f) Ergebnis der Ermittlungen der zuständigen Behörden bzw. anderer Behörden zu der entsprechenden Marktpraxis, insbesondere ob eine Verletzung der Marktmissbrauchsbestimmungen oder der geltenden Verhaltensregeln festgestellt wurde, unabhängig davon, ob direkt oder indirekt auf dem betreffenden Markt oder verbundenen Märkten in der Union.
[Text mit der Begründung für dieses Kriterium einfügen]
g) Strukturmerkmale des betreffenden Marktes, u.a., ob es sich um einen [Text mit der Begründung für dieses geregelten Markt handelt, welche Finanzinstrumente gehandelt werden, Kriterium einfügen] welche Marktteilnehmer vertreten sind und welcher Anteil am Handel auf dem betreffenden Markt auf Privatanleger entfällt.
4. Mitwirkung der ESMA (Art. 13 Abs. 4–5 VO Nr. 596/2014) 83 Nach der Information der ESMA und den anderen zuständigen Behörden gem. Art. 13 Abs. 3 VO Nr. 596/
2014 über die Absicht, eine zulässige Marktpraxis festzulegen, hat die ESMA ihrerseits eine Stellungnahme abzugeben (Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014). Fällt diese ablehnend aus, darf die zuständige Behörde gleichwohl die zulässige Marktpraxis festlegen, hat aber die Gründe für ihre Abweichung (comply or explain) offenzulegen (Art. 13 Abs. 5 VO Nr. 596/2014). a) Stellungnahmen der ESMA (Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014)
84 Die ESMA hat innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Meldung durch eine zuständige Behörde
(Rz. 38) gegenüber dieser eine Stellungnahme abzugeben, in der sie bewertet, ob die zulässige Marktpraxis mit Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und den entsprechenden Konkretisierungen in der DelVO 2016/908 (Rz. 39 ff.) vereinbar ist (Art. 13 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014)126. Zusätzlich, und über den Prüfungsumfang der zuständigen Behörde hinausgehend, prüft die ESMA nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 VO Nr. 596/ 2014, ob das Vertrauen in den Finanzmarkt der Union durch die Festlegung der zulässigen Marktpraxis gefährdet würde127. Die Stellungnahme wird auf der Website der ESMA veröffentlicht (Art. 13 Abs. 4 Satz 3 VO Nr. 596/2014).
85 In der Phase zwischen dem Eingang der Meldung (Rz. 79) und der nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/
2014 abzugebenden Stellungnahme gibt Art. 11 Abs. 1 Satz 1 DelVO 2016/908 der ESMA auf, auf eigene Initiative oder auf Ersuchen einer zuständigen Behörde ein Verfahren zur Übermittlung von vorläufigen Stellungnahmen, Bedenken, Einsprüchen oder gegebenenfalls Ersuchen um Klarstellungen in Bezug auf die gemeldete Marktpraxis einzuleiten128. Die meldende zuständige Behörde kann der ESMA weitere Klarstellungen zu der gemeldeten Marktpraxis übermitteln (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 DelVO 2016/908). Soweit es in dieser Phase zu grundlegenden oder wesentlichen Änderungen durch die zuständige Behörde kommt, stellt die ESMA das Verfahren der Abgabe einer Stellungnahme zu der gemeldeten Praxis ein (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. DelVO 2016/908). Liegt in der grundlegenden bzw. wesentlichen Änderung die Meldung des Vorhabens einer neuen festzulegenden Marktpraxis, leitet die ESMA ein neues Stellungnahmeverfahren ein (Art. 11 126 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 75; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 44. 127 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 77. 128 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 78.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 89 Art. 13 VO Nr. 596/2014
Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/908). Die Zwei-Monats-Frist des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014 beginnt in diesem Fall von dem Zeitpunkt an neu zu laufen, zu dem die vollständigen Informationen zur neuen festzulegenden Marktpraxis der ESMA zugegangen sind. b) Verfahren bei Abweichung von der ESMA-Stellungnahme (Art. 13 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) Die zuständige Behörde bleibt trotz der Einbindung der ESMA grundsätzlich Herrin des Festlegungsver- 86 fahrens und darf eine zulässige Marktpraxis auch dann festlegen, wenn diese der nach Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 abgegebenen Stellungnahme der ESMA zuwiderläuft (Art. 13 Abs. 5 VO Nr. 596/2014). Allerdings hat die zuständige Behörde dann innerhalb von 24 Stunden nach der Festlegung der zulässigen Marktpraxis eine Bekanntmachung auf ihrer Website zu veröffentlichen, in der sie die Gründe für ihr Vorgehen vollständig darlegt und auch darauf eingeht, warum die zulässige Marktpraxis keine Gefahr für das Vertrauen in den Markt darstellt (comply or explain)129. In diesem Fall muss also auch die Behörde das zunächst nur von der ESMA zu berücksichtigende Kriterium des Marktvertrauensschutzes würdigen und in ihre Beurteilung einbeziehen130.
5. Verfahren bei divergierenden Ansichten zwischen zuständigen Behörden (Art. 13 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) Die anderen zuständigen Behörden können im Unterschied zur ESMA – diese kann lediglich im Verfahren 87 zwischen der Meldung über die Absicht der Festlegung und der Festlegung selbst mit ihrer Stellungnahme einwirken – auch noch nach der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis zum Ausdruck bringen, dass sie der Auffassung sind, dass diese Marktpraxis den materiellen Anforderungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 nicht genügt (Art. 13 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014)131. In diesem Fall kommt es mit Unterstützung durch die ESMA zur Einleitung eines Verhandlungsverfahrens nach Art. 19 VO Nr. 1095/2010 zwischen den beteiligten Behörden mit dem Ziel, Einigkeit hinsichtlich der Beurteilung der zulässigen Marktpraxis herbeizuführen132. Kommt es zu keiner Einigung zwischen den beteiligten zuständigen Behörden, hat die ESMA gem. Art. 13 Abs. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 eine Letztentscheidungskompetenz und kann gem. Art. 19 Abs. 3 VO Nr. 1095/2010 einen Beschluss an die zuständige Ausgangsbehörde adressieren133. Richtigerweise wurde darauf hingewiesen, dass eine solche Entscheidung nur in Betracht kommt, wenn die jeweilige nationale Behörde eine beurteilungsfehlerhafte Entscheidung getroffen hat134.
6. Festlegung und Bekanntgabe durch Veröffentlichung auf Website Für die Festlegung der zulässigen Marktpraxis, in Deutschland als Allgemeinverfügung (Rz. 74), ergeben 88 sich Anforderungen zu deren Mindestinhalt aus Art. 2 Abs. 3 DelVO 2016/908 (Rz. 89). Die Bekanntgabe der Festlegung erfolgt gem. Art. 2 Abs. 3 DelVO 2016/908 auf der Website der zuständigen Behörde135, in Deutschland mithin auf der Website der BaFin (Rz. 91). Gem. Art. 2 Abs. 3 DelVO 2016/908 muss die Festlegung der zulässigen Marktpraxis inhaltlich zumindest 89 die folgenden Angaben enthalten136: (a) eine Beschreibung der Arten von Personen, die die zulässige Marktpraxis ausführen dürfen137, (b) eine Beschreibung der Arten von Personen oder Personengruppen, die von der Ausführung der zulässigen Marktpraxis profitieren könnten, indem sie sie entweder direkt ausführen oder eine andere Person benennen, die die zulässige Marktpraxis ausführt („Begünstigter“), 129 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 84; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 50. 130 Zum Vertrauensbegriff im Finanzmarktrecht Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1 ff.; Mülbert/Sajnovits, German Law Journal 18 (2017), 1 ff. 131 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 90 ff. 132 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 91. 133 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 96. 134 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 93. 135 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 81 f. § 10 MaKonV sah noch eine Veröffentlichung von Anerkennungsentscheidungen der BaFin auf ihrer Website und im elektronischen Bundesanzeiger vor. 136 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 82. 137 Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 DelVO 2016/908 stellt klar, dass diese Personen für alle handelsbezogenen Entscheidungen, darunter für die Erteilung eines Auftrags, die Stornierung oder Änderung eines Auftrags und den Abschluss eines Geschäfts oder die Ausführung eines Geschäfts im Zusammenhang mit der zulässigen Marktpraxis verantwortlich bleiben. Dazu Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 83.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 89 | Zulässige Marktpraxis (c) eine Beschreibung der Art des Finanzinstruments, auf das sich die zulässige Marktpraxis bezieht, (d) eine Angabe dazu, ob die zulässige Marktpraxis für einen festgelegten Zeitraum durchgeführt werden kann, und eine Beschreibung der Situationen oder Bedingungen, die zu einer vorübergehenden Unterbrechung, Aussetzung oder Beendigung der Praxis führen können. Die Angaben decken sich teilweise mit denjenigen, die bereits in der Meldung an die ESMA und die anderen zuständigen Behörden enthalten sein mussten (Rz. 79). Es handelt sich insoweit um Mindestangaben, die zwingend bei der Festlegung gemacht werden müssen. Wie bereits bei der Meldung an die ESMA und die anderen zuständigen Behörden ist auch insoweit auf die im Anhang zur DelVO 2016/908 abgedruckte Vorlage zurückzugreifen. 90 Eine ausdrückliche Festlegung ebenso wie die daran anknüpfende Bekanntgabe (Rz. 91) sind nur bei positiven Anerkennungsentscheidungen (Art. 2 Abs. 3 DelVO 2016/908), bei der Änderung einer zulässigen Marktpraxis (Art. 12 Abs. 5 DelVO 2016/908) und bei der Aufhebung (Rz. 99 ff.) der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis erforderlich138. Keiner den inhaltlichen Mindestanforderungen genügenden Festlegung und Bekanntgabe bedarf die Entscheidung, ein bestimmtes Verhalten nicht als zulässige Marktpraxis anzuerkennen. Eine solche entfaltet auch keine Rechtswirkung dahingehend, dass das entsprechende Verhalten gegen das Marktmanipulationsverbot verstößt. Allerdings wird der Entscheidung eine Indizwirkung hinsichtlich der Beurteilung eines Verhaltens in einem etwaig anstehenden Verwaltungsverfahren zukommen. Trotz Fehlens einer Publizitätspflicht dürfte angesichts des Zwecks der Vorschrift, eine gleichmäßige Information aller Marktteilnehmer und sonstigen Betroffenen zu gewährleisten, praktisch naheliegen, auch negative Anerkennungsentscheidungen in geeigneter Weise zu publizieren139. Ist der Entscheidung über die Nichtanerkennung ein Antrag eines Marktteilnehmers vorausgegangen, sollte diesem gegenüber formlos, also insbesondere ohne eine Rechtsbehelfsbelehrung bekanntgegeben werden, dass es nicht zu einer Anerkennung gekommen ist und also seinem Antrag auch nicht entsprochen wurde. 91 Mit dem Bekanntgabeerfordernis des Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 DelVO 2016/908 verbindet sich eine gegenüber § 41 VwVfG speziellere verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschrift zur Bekanntgabe der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis140. Statt ortsüblich (§ 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG) erfolgt die Bekanntgabe auf der Website der BaFin141. Die maßgebliche Kompetenz der EU zum Erlass auch solcher verwaltungsverfahrensrechtlicher Bestimmungen folgt unmittelbar aus der Sachkompetenz des Art. 114 AEUV. Was den Anwendungsbeginn der Allgemeinverfügung angeht, sind demgegenüber die allgemeinen Regeln des deutschen Verwaltungsrechts maßgeblich, da hierzu weder Art. 13 VO Nr. 596/2014 noch die DelVO 2016/908 Vorgaben enthalten, die die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des VwVfG verdrängen würden. Der Verwaltungsakt gilt deshalb nach § 41 Abs. 4 Satz 3 VwVfG grundsätzlich zwei Wochen nach der (ortsüblichen) Bekanntmachung als bekannt gegeben. Gem. § 41 Abs. 4 Satz 4 VwVfG kann in einer Allgemeinverfügung aber ein hiervon abweichender Tag, frühestens jedoch der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden. Fehlt es in der Festlegung einer datumsmäßigen Bestimmung des Anwendungsbeginns, greift die Regelung des § 41 Abs. 4 Satz 4 VwVfG ein, und die Festlegung gilt erst zwei Wochen nach der Veröffentlichung als bekanntgegeben. Die Bekanntgabe ist gem. § 43 Abs. 1 VwVfG Wirksamkeitsvoraussetzung für die Festlegung.
7. Wirksamkeit einer festgelegten zulässigen Marktpraxis 92 Wirksam wird die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis durch die zuständige Behörde (Rz. 38) mit der
öffentlichen Bekanntgabe (Rz. 91)142. Die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis ist und bleibt nach ihrer Bekanntgabe wirksam, auch wenn sie die materiellen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt, bis sie sich durch Zeitablauf erledigt, geändert oder beendigt wird (Rz. 99 ff.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn Nichtigkeitsgründe vorliegen (Rz. 28).
8. Verhältnis zu anderen Verfahren 93 Das Verfahren der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis selbst hat keine unmittelbaren Auswirkungen
auf andere Verfahren, seien es konkret-individuelle Überwachungsverfahren wegen eines Verstoßes gegen
138 § 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV sah eine entsprechende Pflicht noch nicht vor. Zutreffend wurde aber insoweit vertreten, dass auch über solche Entscheidungen eine entsprechende Bekanntgabe erfolgen müsse. S. nur Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 10 MaKonV Rz. 2. 139 Strenger zu § 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 10 MaKonV Rz. 3: richtlinienkonforme Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV. 140 Vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, § 41 VwVfG Rz. 242. 141 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 49. 142 Vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 15, 19 zum früheren § 20a Abs. 2 WpHG.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 96 Art. 13 VO Nr. 596/2014
Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 oder aber Bußgeld- bzw. Strafverfahren143. Entsprechende Verfahren müssen insbesondere nicht ausgesetzt werden, um den Ausgang des Festlegungsverfahrens abzuwarten. Nach der MAR kann ein Handeln im Einklang mit einer zulässigen Marktpraxis nämlich nur dann den Tatbestand einer Marktmanipulation nach Art. 15, 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 entfallen lassen, wenn die entsprechende Marktpraxis vor der Vornahme der Handlung festgelegt wurde und damit das Verfahren der Festlegung zum Zeitpunkt der Handlung bereits abgeschlossen war (Rz. 29 f.)144. Dass eine Marktpraxis nach Vornahme einer Handlung als zulässig anerkannt wird, ist jedoch mittelbar im Rahmen des Ermessens beim Erlass von Verwaltungssanktionen bzw. beim Bußgeld- und Strafrahmen zu berücksichtigen. Auswirkungen auf andere Verfahren hat eine bereits vor der Vornahme der Handlung erfolgte Festlegung der 94 zulässigen Marktpraxis. Der dann mögliche Tatbestandsausschluss beim Handeln im Einklang mit der zulässigen Marktpraxis gilt nämlich nicht nur für die BaFin im Rahmen von Überwachungs-, Verwaltungssanktions- und Bußgeldverfahren, sondern auch für die Staatsanwaltschaft und für die Gerichte145. Dass die Staatsanwaltschaft, ein VG oder ein Strafgericht die entsprechende Marktpraxis für unzulässig hält, ist unerheblich. Im Ergebnis nichts anderes gilt allerdings auch im umgekehrten Fall, in dem die BaFin die Festlegung verweigert, obwohl die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht von einer zulässigen Marktpraxis ausgeht, da bloße Anerkennungsfähigkeit nicht genügt (Rz. 29 f.) und der BaFin ein Festlegungsmonopol zukommt (Rz. 38).
IX. Überprüfungen, Beendigungen und Änderungen der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) Die zuständigen Behörden müssen gem. Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 regelmäßig und mindestens alle 95 zwei Jahre eine von ihnen festgelegte zulässige Marktpraxis überprüfen und dabei insbesondere wesentliche Änderungen im Umfeld des betreffenden Marktes, beispielsweise geänderte Handelsregeln oder Änderungen an der Infrastruktur des Marktes, berücksichtigen, um zu entscheiden, ob diese Praxis beibehalten oder ob die Festlegung beendet wird, oder ob die Bedingungen für ihre Zulassung einer Änderung bedürfen146. Dies soll gewährleisten, dass die Verfolgung der Marktmanipulation Schritt hält mit der hohen Geschwindigkeit, mit der sich der Handel mit Finanzinstrumenten verändert und modernisiert. Gem. Art. 12 Abs. 2 DelVO 2016/908 besteht zudem unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Einleitung eines Bewertungsverfahrens.
1. Überprüfungen durch Bewertungsverfahren Die zuständigen Behörden müssen alle von ihnen festgelegten zulässigen Marktpraktiken regelmäßig und 96 mindestens alle zwei Jahre überprüfen (Bewertungsverfahren). Wann und in welchen Intervallen eine entsprechende Überprüfung stattfindet, steht grundsätzlich im Ermessen der jeweils zuständigen Behörde (s. aber Rz. 98). Im Rahmen der Überprüfung müssen gem. Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 insbesondere wesentliche Änderungen im Umfeld des betreffenden Marktes, beispielsweise geänderte Handelsregeln147 oder Änderungen in der Infrastruktur des Marktes, berücksichtigt werden. Zudem ist zu überprüfen, ob die Bedingungen gem. Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014, auch in dessen Präzisierung durch Abschnitt 2 DelVO 2016/908 (Rz. 39 ff.), weiterhin erfüllt sind (Art. 12 Abs. 1 DelVO 2016/908). Da Art. 13 DelVO 2016/908 bestimmte Kriterien benennt, die bei der Entscheidung darüber, ob die Festlegung einer Marktpraxis beendet oder geändert werden muss, berücksichtigt werden müssen (Rz. 99 ff.), ist auch diesen Aspekten richtigerweise bereits im Rahmen der Überprüfung nachzugehen. Die Überprüfung dient nämlich gerade der Feststellung, ob die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis beibehalten, beendet oder geändert werden muss. Deswegen muss zusätzlich überprüft werden: (a) inwieweit die Begünstigten oder die die zulässige Marktpraxis ausführenden Personen die im Rahmen der zulässigen Marktpraxis festgelegten Bedingungen erfüllen, 143 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 51. 144 Im Gegensatz dazu sah der frühere § 7 Abs. 2 MaKonV für den Fall, dass ein möglicher Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG einer Gepflogenheit auf dem betreffenden Markt entsprach, noch vor, dass die BaFin vor der Feststellung des Verstoßes über die Anerkennung der Gepflogenheit als zulässige Marktpraxis entscheiden musste (BR-Drucks. 18/05, 19). Insoweit bestand ein Vorrang des Anerkennungsverfahrens. 145 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 36. 146 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 100 ff.; Saliger in Park, Kapitalmarktstrafrecht, Kap. 6.1. Rz. 148; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 56 ff. 147 Die als solche nicht auf ihre Recht- oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen sind.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 96 | Zulässige Marktpraxis (b) inwieweit das Verhalten der Begünstigten oder der die zulässige Marktpraxis ausführenden Personen dazu geführt hat, dass die Kriterien von Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht mehr erfüllt werden, (c) inwieweit die zulässige Marktpraxis seit einiger Zeit von den Marktteilnehmern nicht mehr genutzt wird, (d) ob eine wesentliche Änderung im Umfeld des betreffenden Marktes dazu führt, dass Bedingungen für die Festlegung der zulässigen Marktpraxis nicht mehr erfüllt werden können oder müssen, insbesondere (i) ob das Ziel der zulässigen Marktpraxis unerreichbar geworden ist; (ii) ob sich die weitere Nutzung der festgelegten zulässigen Marktpraxis nachteilig auf die Integrität oder Effizienz der Märkte auswirken könnte, die der Aufsicht durch die zuständige Behörde unterliegen und (iii) ob eine Situation besteht, die unter eine der allgemeinen Bestimmungen für die Beendigung fällt, die in der festgelegten zulässigen Marktpraxis selbst enthalten sind. 97 In bestimmten Fällen muss die zuständige Behörde zwingend und unmittelbar ein Überprüfungsverfahren
einleiten (gebundene Entscheidung). Dies ist nach Art. 12 Abs. 2 DelVO 2016/908 dann der Fall, wenn (a) Sanktionen im Zusammenhang mit einer festgelegten zulässigen Marktpraxis verhängt werden; (b) aufgrund einer wesentlichen Änderung im Marktumfeld i.S.v. Art. 13 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 eine oder mehrere Bedingungen für die Zulässigkeit einer festgelegten Praxis nicht mehr erfüllt sind; (c) eine zuständige Behörde begründeten Anlass zu der Vermutung hat, dass Begünstigte der zulässigen Marktpraxis oder durchführende Personen gegen die MAR verstoßen oder verstoßen haben.
98 Hat die Durchführung des Bewertungsverfahrens ergeben, dass eine Beendigung der Festlegung oder eine
Änderung der Voraussetzungen einer zulässigen Marktpraxis erforderlich sind, muss die zuständige Behörde entsprechende Verfahren einleiten. Ansonsten kann das Ergebnis des Bewertungsverfahrens auch in der Entscheidung über die Beibehaltung der zulässigen Marktpraxis liegen. In jedem Fall muss die zuständige Behörde die ESMA über das Ergebnis des Bewertungsverfahrens informieren (Art. 12 Abs. 4 DelVO 2016/908).
2. Beendigungen und Änderungen 99 Das Ergebnis des Bewertungsverfahrens kann auch sein, dass eine Beendigung oder Änderung der Fest-
legung einer zulässigen Marktpraxis zu erfolgen hat. Art. 12 Abs. 3 DelVO 2016/908 präzisiert insoweit, dass die zuständigen Behörden entweder Änderungen der Bedingungen für die Zulässigkeit oder die Beendigung der Festlegung der zulässigen Marktpraxis unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 13 DelVO 2016/ 908 vorschlagen muss, falls die Bewertung ergibt, dass eine festgelegte zulässige Marktpraxis die in Abschnitt 2 DelVO 2016/908 genannten Bedingungen der ursprünglichen Bewertung der zuständigen Behörden nicht mehr erfüllt. Erst recht ist die Festlegung zu beenden bzw. aufzuheben oder zu ändern, wenn eine Festlegung die Anforderungen des Art. 13 DelVO 2016/908 schon ursprünglich nicht erfüllte. Art. 13 lit. a–e DelVO 2016/908 benennt die Kriterien, die bei dieser Beurteilung zu berücksichtigen sind (Rz. 96).
100 Schlägt eine zuständige Behörde vor, die Bedingungen für die Zulässigkeit einer festgelegten zulässigen
Marktpraxis zu ändern, muss sie gem. Art. 12 Abs. 5 DelVO 2016/908 die Anforderungen von Art. 2 DelVO 2016/908 voll erfüllen (dazu Rz. 96)148. Beschließt eine zuständige Behörde die Beendigung der Festlegung einer festgelegten zulässigen Marktpraxis, veröffentlicht sie die betreffende Entscheidung (vgl. Rz. 88 ff.), und teilt dies gleichzeitig allen anderen zuständigen Behörden und der ESMA mit, wobei sie das Datum der Beendigung mit Blick auf die Aktualisierung der Liste von zulässigen Marktpraktiken, die ESMA gem. Art. 13 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 veröffentlicht (Rz. 118), angibt.
101 Verwaltungsrechtlich stellt sich die Beendigung der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis in Deutschland
entweder als Rücknahme (§ 48 VwVfG) oder Widerruf (§ 49 VwVfG) der als Allgemeinverfügung erlassenen zulässigen Marktpraxis dar, je nachdem, ob diese von Anfang an rechtswidrig war (Rücknahme) oder sich nur die äußeren Umstände inzwischen dergestalt geändert haben, dass eine neuerliche Festlegung nicht mehr zulässig wäre (Widerruf). Rücknahme oder Widerruf ergehen ebenfalls als Allgemeinverfügung (actus contrarius). Die Änderung qualifiziert sich verwaltungsrechtlich ebenfalls als Rücknahme oder Widerruf, verbunden mit einem Neuerlass einer Allgemeinverfügung. Beendigung und Änderung wirken nur für die Zukunft und dürfen sich in jedem Fall nicht rückwirkend zu Lasten der Marktteilnehmer auswirken149.
148 Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 104. 149 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 59; vgl. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 37.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 104 Art. 13 VO Nr. 596/2014
X. Erarbeitung und Erlass technischer Regulierungsstandards (Art. 13 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) Um eine durchgängige Harmonisierung des Art. 13 VO Nr. 596/2014 sicherzustellen, wird die ESMA durch 102 Art. 13 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zur Ausarbeitung von Entwürfen technischer Regulierungsstandards verpflichtet, in denen die Kriterien, das Verfahren und die Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis gemäß den Abs. 2, 3 und 4 des Art. 13 VO Nr. 596/2014 sowie die Anforderungen an ihre Beibehaltung, Beendigung der Festlegung oder Änderung der Bedingungen festgelegt werden. Die Entwürfe technischer Regulierungsstandards hatte die ESMA gem. Art. 13 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/ 2014 bis zum 3.7.2015 der Europäischen Kommission vorzulegen; dies erfolgte mit dem Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation vom 28.9.2015 (ESMA/2015/1455). Auf Basis der Entwürfe erließ die Europäische Kommission sodann die Delegierte Verordnung (EU) 2016/908 der Kommission vom 26.2.2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Kriterien, das Verfahren und die Anforderungen für die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis und die Anforderungen an ihre Beibehaltung, Beendigung der Festlegung oder Änderung der Bedingungen für ihre Zulässigkeit.
XI. Geltende zulässige Marktpraktiken 1. Bundesrepublik Deutschland In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit keine von der BaFin anerkannten zulässigen Marktprak- 103 tiken i.S.d. Art. 13 VO Nr. 596/2014 bzw. des früheren § 20a Abs. 2 WpHG a.F., §§ 7–10 MaKonV, und die BaFin sah bislang auch keine Veranlassung, proaktiv tätig zu werden, um nicht durch zu eng gefasste Anerkennungen den Markt faktisch zu behindern150.
2. Andere Mitgliedstaaten a) Fortgeltende zulässige Marktpraktiken (Art. 13 Abs. 11 Satz 2 VO Nr. 596/2014) In anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind derzeit folgende Marktpraktiken anerkannt, die 104 teils unter die Übergangsvorschrift des Art. 13 Abs. 11 Satz 2 VO Nr. 596/2014 (Rz. 120 f.) fallen und teils neu erlassen wurden (Rz. 106)151: In Österreich hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde in der Marktpraxisverordnung (BGBl. II Nr. 1/2005) sog. Kompensgeschäfte in ausgewählten Schuldverschreibungen als zulässige Marktpraxis anerkannt. Die gemeinten Schuldverschreibungen werden praktisch nur außerbörslich gehandelt; die Marktpraxisverordnung lässt es zu, den Börsenpreis dem außerbörslichen durch zu marktadäquaten Kursen abgeschlossene geringfügige Kompensgeschäfte anzupassen, ohne dass bei diesen Geschäften der wirtschaftlich Berechtigte wechselt152. In Frankreich hatte die Autorité des Marchés Financiers (AMF) durch zwei Entscheidungen je vom 22.3.2005 als zulässige Marktpraktiken anerkannt, Aktienrückkaufprogramme auch zu dem Zweck des späteren Erwerbs eines anderen Unternehmens durchzuführen und zwecks Durchführung von Aktienrückkaufprogrammen einen investment service provider zu beauftragen, durch Aktienkäufe und -verkäufe die Liquidität des Marktes zu stärken. In Spanien hatte die Comisión Nacional del Mercado de Valores mit Circular 3/2007 vom 19.12.2007 Liquidity Contracts, d.h. Verträge von Emittenten mit Finanzintermediären, die als market makers oder designated sponsors Liquidität herstellen und so einen regulären Handel ermöglichen, als zulässige Marktpraxis anerkannt. Parallel und inhaltsgleich sind auch in Portugal Liquidity Contracts von der Comissão do Mercado de Valores Mobiliários seit 19.8.2008 als zulässige Marktpraxis anerkannt worden. In Griechenland ist am 2.1.2009 der Rückkauf eigener Aktien zur Bezahlung des Erwerbs von Aktien eines anderen Emittenten als zulässige Marktpraxis anerkannt worden. Die Consob hatte in Italien am 19.3.2009 zum einen bestimmte Liquidity Enhancement Agreements und zum anderen den Kauf eigener Aktien, um eine warehouse position aufzubauen, als zulässige Markt150 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 5; s. bereits Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 87; Dreyling, Der Konzern 2005, 1, 3. 151 Abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/databases-library/esma-library/%2522Accepted%2520Market%2520 practices%2522. Ein jüngerer ausführlicher Report der ESMA (ESMA, Report To the European Commission on the application of accepted market practices, ESMA70-156-4859) ist abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/ sites/default/files/library/esma70-156-4859_report_on_the_application_of_accepted_market_practices_2021.pdf. 152 Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2015, § 22 III.B.2., S. 793 ff.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 104 | Zulässige Marktpraxis praktiken anerkannt. In den Niederlanden hatte das Finanzministerium am 4.5.2011 bestimmte Liquidity Agreements als zulässige Marktpraktiken anerkannt153. 105 Die genannten zulässigen Marktpraktiken im europäischen Ausland beziehen sich auf Handlungen, die je-
weils auf bestimmten Märkten im jeweiligen Ausland getätigt werden. Derartige Auslandshandlungen können gleichwohl nach den Regeln des internationalen Kapitalmarktrechts auch deutschem Recht unterfallen, wenn sie – auch – ein an einem inländischen Markt gehandeltes Finanzinstrument betreffen, was bei cross-venueoder cross-product-Manipulationen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 114 ff.) der Fall sein kann. In solchen Fällen kann ein und dasselbe Verhalten in dem anderen Mitgliedstaat erlaubt sein, in Deutschland aber einen Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot darstellen, der von der BaFin zu ahnden ist. Dieses auf den ersten Blick eigenartige Ergebnis ist zwingende Folge der räumlichen Beschränkung der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis auf Märkte, die im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Behörde belegen sind (Rz. 20 f.), und kann nicht durch die Anwendung des europarechtlichen Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gelöst werden154, die im vorliegenden Zusammenhang gerade nicht vorgesehen ist. Insbesondere das materielle Kriterium des Art. 13 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 zeigt, dass entsprechende Auswirkungen auf verbundene Märkte ein Risiko der Anerkennung einer Marktpraxis bedeuten können (Rz. 65 ff.). Art. 13 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 will durch die Berücksichtigung ebensolcher Auswirkung gerade verhindern, dass zulässige Marktpraktiken anerkannt werden, die sich auf verbundene Märkte auswirken. Kommt es dann später tatsächlich zu einer entsprechenden Auswirkung, kann das Verhalten nicht deshalb aus dem Tatbestand der Marktmanipulation herausfallen, weil es in dem Markt, auf den es sich primär ausgewirkt hat, zugelassen war. Da alle zuständigen Behörden über die zulässigen Marktpraktiken anderer Behörden informiert werden (Rz. 79 ff.) haben sie vielmehr Gelegenheit, entsprechende Praktiken auch auf ihren Märkten als zulässige Marktpraxis anzuerkennen, wenn sie der Auffassung sind, dass alle Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 erfüllt sind. Wenn nicht, steht ihnen das Verfahren nach Art. 13 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 offen (Rz. 87).
b) Neu anerkannte zulässige Marktpraktiken bzw. laufende Festlegungsverfahren 106 Zulässige Marktpraktiken auf Basis des Art. 13 VO Nr. 596/2014 wurden durch die zuständigen Behörden
mehrerer Mitgliedstaaten (die spanische CNMV, die portugiesische CMVM, die italienische CONSOB und die französische AMF) festgelegt155. Die CNMV als zuständige Behörde für Spanien hatte als erste Behörde die ESMA über ihre Absicht, eine zulässige Marktpraxis nach Art. 13 VO Nr. 596/2014 festzulegen, in Kenntnis gesetzt und dabei über die Einzelheiten der Bewertung informiert, durch die belegt werden soll, dass die Marktpraxis den Kriterien des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 entspricht (vgl. Rz. 39 ff.). Die zulässige Marktpraxis betrifft Liquiditätskontrakte und entspricht im Wesentlichen der insoweit schon zuvor in Spanien anerkannten zulässigen Marktpraxis für entsprechende Liquiditätskontrakte156. Weitere europäische Aufsichtsbehörden sind dem Beispiel Spaniens gefolgt und haben ihre – teils auch schon unter Geltung der RL 2003/6/EG (MAD I) geltenden – zulässigen Marktpraktiken betreffend Liquiditätskontrakte erneuert.
107 Die ESMA hatte zur spanischen Ankündigung zu der Feststellung einer zulässigen Marktpraxis für Liquidi-
tätskontrakte bereits im Dezember 2016 gem. Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 ausführlich Stellung genommen. Im Ergebnis kam sie dazu, dass der – zwischenzeitlich im Konsultationsverfahren nachgebesserte – Vorschlag die Kriterien des Art. 13 VO Nr. 596/2014 erfüllt157. Die ausführliche Stellungnahme zeigt, dass Liquiditätskontrakte unter dem MAR-Regime als zulässige Marktpraxis anerkannt werden können, da sie die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erfüllen können. Im April 2017 legte die ESMA mit einer Opinion zu einer Konvergenz zwischen den zulässigen Marktpraktiken betreffend Liquiditätskontrakte in unterschiedlichen Mitgliedstaaten nach158. In späteren Stellungnahmen – etwa zur zulässigen 153 S. hierzu bereits Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 298. 154 So aber Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 205. 155 Übersicht bei ESMA, Report to the European Commission on the application of accepted market practices, ESMA70156-4859, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-156-4859_report_on_the_ application_of_accepted_market_practices_2021.pdf. 156 Ausführlich zu der vorgeschlagenen Marktpraxis Notification of the CNMV received by ESMA on 19 September 2016, S. 11 ff., Anhang zu ESMA, Opinion on Intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comisión Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/ sites/default/files/library/2016-1663_-_on_intended_accepted_market_practice_on_liquidity_contracts_notified_ by_the_cnmv.pdf. 157 S. ESMA, Opinion on Intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comisión Nacional del Mercado de Valores, ESMA/2016/1663, S. 6 ff., abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/ library/2016-1663_-_on_intended_accepted_market_practice_on_liquidity_contracts_notified_by_the_cnmv.pdf. 158 Abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-76_opinion_on_point_of_con vergence_of_liquidity_contract_amps.pdf.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 111 Art. 13 VO Nr. 596/2014
Marktpraxis der portugiesischen Aufsichtsbehörde, die ebenfalls Liquiditätskontrakte betrifft – bezog sich die ESMA dann jeweils auf die ausführliche Stellungnahme zu der spanischen Marktpraxis159. Angesichts des deutlichen zahlenmäßigen Rückgangs an Liquiditätskontrakten in den letzten Jahren erinnert 108 die ESMA in ihrem jüngsten Report zu den zulässigen Marktpraktiken ausdrücklich daran, dass die nationalen Behörden zu einer regelmäßigen Überprüfung der von ihnen anerkannten Marktpraktiken verpflichtet sind160.
XII. Potentiell anerkennungsfähige Marktpraktiken in Deutschland De lege ferenda wurde im Schrifttum schon zum Regime unter der MAD I erwogen, bestimmte Marktprak- 109 tiken als zulässige Marktpraxis anzuerkennen. Die Praxis ist gespalten, da ihrer Einschätzung nach Anerkennungen nur unter engen Voraussetzungen erfolgen werden und den Umkehrschluss nahelegen, dass ein Verhalten, das diese Voraussetzungen nicht erfüllt, als Marktmanipulation zu qualifizieren ist. In jedem Fall ist im Rahmen eines Anerkennungsverfahrens sorgfältig zu prüfen, ob und wie die Voraussetzungen des Art. 13 VO Nr. 596/2014 bei entsprechenden Praktiken eingehalten werden. Die Vorgaben der MAR und der sie konkretisierenden DelVO 2016/908 sind insoweit deutlich präziser als die früheren nationalen Vorgaben des § 20a Abs. 2 WpHG und der MaKonV. Die BaFin hatte unter dem Regime der RL 2003/6/EG (MAD I) zwei Vorschläge für die Anerkennung zulässiger 110 Marktpraktiken an CESR zur Diskussion übermittelt. Letztlich kam es aber nicht zu einem entsprechenden Erlass161. Der erste Vorschlag betraf die Methoden bei der Feststellung von Handelspreisen bei bestimmten staatlichen Anleihen, Pfandbriefen und Schuldverschreibungen von Unternehmen162. Der zweite Vorschlag betraf die Tätigkeit eines lead manager bei der Feststellung eines ersten Handelspreises von Wertpapieren und Bezugsrechten an der Frankfurter Wertpapierbörse163. Weitere Vorschläge zum früheren § 20a Abs. 2 WpHG aus dem Schrifttum betrafen den Handel mit Wertpapierblöcken164, die Tätigkeit von designated sponsors165, Market Makern (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 126)166 und Skontroführern167 sowie bestimmte Formen von Aktienrückkäufen168 und bestimmte dem Art. 5 VO Nr. 596/2014 nicht unterfallende Stabilisierungsmaßnahmen169.
Nach der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis für bestimmte Liquiditätskontrakte in Spanien (Rz. 106) 111 und anderen Mitgliedstaaten und der umfassenden Stellungnahme der ESMA zur Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 (Rz. 107) stand diese Frage auch in Deutschland im Raum, hat aber des deutlichen zahlenmäßigen Rückgangs (Rz. 108) an Bedeutung verloren. Eher scheint über eine Anerkennung der Tätigkeit von Market Makern, Liquidity Providern und Designated Sponsors nachzudenken sein. Die BaFin ist insoweit freilich zurückhaltend, vielleicht auch, weil deren Tätigkeiten unabhängig von der Anerkennung als einer zulässigen Marktpraxis den Tatbestand der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 ganz regelmäßig nicht erfüllen170. Für die Marktteilnehmer würde eine ausdrückliche Anerkennung gleichwohl ein Mehr an Rechtssicherheit bedeuten. 159 Opinion of the European Securities and Markets Authority (ESMA) of 27 September 2017 Relating to the intended Accepted Market Practice on liquidity contracts notified by the Comissão do mercado de valores mobiliários, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-171_opinion_on_cmvm_amp_on_li quidity_contracts.pdf. 160 ESMA, Report to the European Commission on the application of accepted market practices, ESMA70-156-4859, S. 14 f., Rz. 56 ff., abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-156-4859_report _on_the_application_of_accepted_market_practices_2021.pdf. 161 S. hierzu Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 284. 162 Dazu Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 284 mit Erläuterung. 163 Dazu Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 284 mit Erläuterung; ferner Knauth/Käsler, WM 2006, 1041, 1049; gegen eine Anerkennung Grüger, BKR 2007, 437, 445. 164 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 39 Rz. 78; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 284. 165 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 39 Rz. 78; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 288; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448. 166 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 17; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 288; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448. 167 Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 13 MAR Rz. 17; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 288; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448; implizit auch Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 39 Rz. 78. 168 Feuring/Berrar in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl. 2013, § 39 Rz. 82; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 289. 169 Dazu Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 290; ablehnend Grüger, BKR 2008, 101, 105 f. 170 Kunzelmann in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 16 Rz. 2.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 112 | Zulässige Marktpraxis 112 Der Vorschlag, den Hochfrequenzhandel als zulässige Marktpraxis anzuerkennen171 hat sich demgegenüber
spätestens mit der eindeutigen Erfassung manipulativen Hochfrequenz- und algorithmischen Handels durch Art. 12 VO Nr. 596/2014 erledigt (s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 256 ff.).
XIII. Rechtsschutz 113 Hinsichtlich des Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis macht
die MAR keine Vorgaben. Da in Deutschland das Festlegungsverfahren als Verwaltungsverfahren und die Festlegung selbst als Allgemeinverfügung einzuordnen sind (Rz. 74 ff.), steht Marktteilnehmern grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg offen. Ein Rechtsschutzinteresse kann durchaus bestehen: Marktteilnehmer, die sich bestimmter Marktpraktiken bedienen wollen, können ein Interesse an einer Anerkennung dieser Praktiken haben. Umgekehrt können Marktteilnehmer wie z.B. Privatkunden oder auch professionelle Kunden ein Interesse daran haben, gegen die Anerkennung einer Marktpraxis als zulässig vorzugehen. Ob und in welcher Form in derartigen Konstellationen allerdings Rechtsschutz gewährt wird, richtet sich nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften172.
114 Die Widerspruchs- und Klagebefugnis kann bei einem Verpflichtungsbegehren (§ 42 Abs. 2, § 70 Abs. 1
VwGO) durchaus gegeben sein, da die vorherige Festlegung konstitutive Voraussetzung des Tatbestandsausschlusses ist (Rz. 24) und nicht generell ausgeschlossen werden kann, dass Marktteilnehmer durch die Nichtfestlegung einer zulässigen Marktpraxis in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein könnten. Entscheidend für das Vorliegen eines subjektiv-öffentlichen Rechts ist, ob ein Rechtssatz – hier Art. 13 VO Nr. 596/2014 – nicht nur im öffentlichen Interesse erlassen, sondern zumindest auch dem Schutz der Interessen individueller Bürger dient173. Die Zulässigkeit eines Vorgehens scheitert nur dann an einer fehlenden Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis, wenn der geltend gemachte Anspruch dem Widerspruchsführer bzw. Kläger „offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise“ zustehen kann174. Unabhängig davon, wie man sich zur Schutzrichtung der Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 verhält (näher Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 4 und Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.), dient Art. 13 VO Nr. 596/2014 zumindest auch der Gewährleistung von Rechtssicherheit für einzelne Marktteilnehmer (Rz. 10 ff.), womit ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne der Schutzgesetzdogmatik zumindest dann bestehen kann, wenn der Widerspruchsführer bzw. Kläger geltend machen kann, dass er bei seinen Handels- bzw. Marktaktivitäten auf die Durchführung der in Rede stehenden Tätigkeit angewiesen ist und von einer rechtssicheren Einordnung der Tätigkeit als zulässige Marktpraxis daher konkret profitieren würde.
115 Im Rahmen eines Anfechtungsbegehrens scheidet eine Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis dagegen aus175. In
einer Anfechtungskonstellation müsste es nämlich zumindest möglich sein, dass die Durchführung der festgelegten Marktpraxis durch andere Marktteilnehmer eigene Rechtspositionen des Widerspruchsführers/Klägers beeinträchtigen könnte (sog. Drittklage176). Im Rahmen einer derartigen Drittklage tritt der Anspruchsführer nicht als Adressat eines belastenden Verwaltungsakts auf, so dass er sich im Sinne der Adressatentheorie immer auf eine mögliche Rechtsverletzung berufen könnte177. Beim Vorgehen gegen einen drittbegünstigenden Verwaltungsakt ist nach der Rechtsprechung auf Basis der Schutznormtheorie178 vielmehr erforderlich, dass nach einer objektiven Schutz vermittelnden Rechtsnorm – hier Art. 13 VO Nr. 596/2014 – in „qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“179. Der Schutz eines individuell abgrenzbaren Personen171 Forst, BKR 2009, 454, 456. 172 Ebenso Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 26. 173 S. nur BVerwG v. 19.1.1996 – 11 B 90/95, NJW 1996, 1297; BVerwG v. 16.9.1993 – 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151, 158; aus dem Schrifttum etwa Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 VwGO Rz. 151; näher Bauer, AöR 113 (1988), 582. 174 Vgl. nur BVerwG v. 21.10.1986 – 9 C 28/85, NJW 1987, 1154; BVerwG v. 10.10.2002 – 6 C 8/01, NVwZ 2003, 605; s. etwa Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2021, § 15 Rz. 19. 175 Anders noch 7. Aufl., Rz. 110. 176 Vgl. allgemein Wahl/Schütz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Juli 2021, § 42 VwGO Rz. 52. 177 Zur Adressatentheorie nur BVerwG v. 15.3.1988 – 1 A 23/85, NJW 1988, 2752, 2753; kritisch etwa Gurlit, DV 28 (1995), 449. 178 Zu dieser nur BVerwG v. 19.1.1996 – 11 B 90/95, NJW 1996, 1297; BVerwG v. 16.9.1993 – 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151, 158; aus dem Schrifttum etwa Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 VwGO Rz. 151; näher Bauer, AöR 113 (1988), 582. 179 Vgl. etwa BVerwG v. 25.2.1977 – IV C 22/75, BVerwGE 52, 122; BVerwG v. 5.8.1983 – 4 C 96/79, NJW 1984, 138; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 VwGO Rz. 152a.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 120 Art. 13 VO Nr. 596/2014
kreises lässt sich den Anforderungen an die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis (Rz. 39 ff.) allerdings nicht entnehmen. Durchweg geht es bei den materiellen Anforderungen an die Festlegung um Aspekte des Marktfunktionenschutzes. Irgendwie geartete Belange konkret abgrenzbarer Marktteilnehmer spielen für die Festlegung dagegen keine Rolle; es sind lediglich bestimmte Marktteilnehmer im Rahmen des Festlegungsverfahrens anzuhören (Rz. 77). Das Unionsrecht gebietet im Rahmen der MAR keine Abkehr von der begrenzenden Wirkung des Erfordernisses eines subjektiv-öffentlichen Rechts durch eine Objektivierung der Klagebefugnis180. Die Einleitung eines Verfahrens zur Festlegung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der BaFin 116 (Rz. 75 f.). Ist dieses Ermessen auf null reduziert (Rz. 76), ist nach einem vorherigen erfolglosen Antrag sowie der erfolglosen Durchführung eines Widerspruchverfahrens auch eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer Allgemeinverfügung denkbar181. So kann die Festlegung einer zulässigen Marktpraxis begehrt oder aber der Umfang der Festlegung einer zulässigen Marktpraxis erweitert werden. Ein vorheriger Antrag und die Durchführung eines Widerspruchverfahrens gegen seine Ablehnung ist auch dann erforderlich, wenn der Verwaltungsakt – wie dies hier der Fall ist – ohne Antrag ergehen kann (Rz. 76) oder sogar von Amts wegen erlassen werden muss182. Bleibt die BaFin auf den Antrag hin untätig, steht die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage offen (§ 75 VwGO). Da negative Anerkennungsentscheidungen (Rz. 90) keine Rechtswirkung entfalten und insbesondere keine Verwaltungsakte darstellen, kommt ein direktes Vorgehen in Form einer Anfechtungsklage gegen sie nicht in Betracht. Instanzverwaltungsgerichte können, letztinstanzliche Verwaltungsgerichte müssen die Frage der Unions- 117 rechtskonformität einer Nichtfestlegungsentscheidung durch die BaFin dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorlegen. Ist ein Strafgericht inzidenter mit einer zulässigen Marktpraxis befasst, ist es selbst und ist auch der EuGH an die Festlegung durch die zuständige Behörde gebunden (vgl. Rz. 38), weshalb insoweit keine Vorlage gem. Art. 267 AEUV in Betracht kommt (Verwaltungsakzessorietät).
XIV. Veröffentlichung durch die ESMA (Art. 13 Abs. 9 VO Nr. 596/2014) Die ESMA hat auf ihrer Website alle zulässigen Marktpraktiken in Form einer Liste zu veröffentlichen, in 118 welcher auch anzugeben ist, in welchen Mitgliedstaaten (und auf welchen Märkten) die jeweilige zulässige Marktpraxis anwendbar ist (Art. 13 Abs. 9 VO Nr. 596/2014)183.
XV. Überwachung und Bericht durch die ESMA (Art. 13 Abs. 10 VO Nr. 596/2014) Art. 13 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 verpflichtet die ESMA die Anwendung der zulässigen Marktpraxis zu über- 119 wachen und der Europäischen Kommission jährlich einen Bericht über deren Anwendung auf den betreffenden Märkten vorzulegen184.
XVI. Übermittlung und Fortgeltung der vor dem 2.7.2014 festgelegten zulässigen Marktpraxis (Art. 13 Abs. 11 VO Nr. 596/2014) Die zuständigen Behörden haben der ESMA die zulässigen Marktpraktiken zu übermitteln, die sie vor dem 120 2.7.2014 festgelegt haben (Art. 13 Abs. 11 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014). Die Übermittlung musste inner180 Allgemein zu unionsrechtlichen Einflüssen auf die Klagebefugnis und zu deren Objektivierung im öffentlichen Interesse Wahl/Schütz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Juli 2021, Vor § 42 VwGO Rz. 114 ff.; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 VwGO Rz. 165 ff.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2021, § 14 Rz. 80. In der Praxis hat dieser Einfluss insbesondere im Umweltrecht Bedeutung, s. etwa EuGH v. 25.7.2008 – C-237/07, NVwZ 2008, 984. 181 Tendenziell auch Schmolke in Klöhn, Art. 13 MAR Rz. 26 zum öffentlich-rechtlichen Anspruch auf beurteilungsfehlerfreie Entscheidung. 182 Vgl. BVerwG v. 31.8.1995 – 5 C 11/94, BVerwGE 99, 158 ff.; Brenner in Sodann/Ziekow, 5. Aufl. 2018, § 75 VwGO Rz. 25. 183 Liste abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/databases-library/esma-library/%2522Accepted%2520Market% 2520practices%2522. Dazu auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 62. 184 Letzter Bericht: ESMA, Report to the European Commission on the application of accepted market practices, ESMA70156-4859, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-156-4859_report_on_the_ application_of_accepted_market_practices_2021.pdf.
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Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 120 | Zulässige Marktpraxis halb von drei Monaten nach dem Inkrafttreten der in Art. 13 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 genannten technischen Regulierungsstandards durch die Kommission am 11.6.2016, also bis zum 11.9.2016 erfolgen. Auf der Website der ESMA185 wird nicht ersichtlich, ob alle zuständigen Behörden dieser Pflicht nachgekommen sind. Für den Zeitraum ab dem 2.7.2014 und vor der erstmaligen Anwendung der MAR am 3.7.2016 (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 51) hätten die jeweils zuständigen Behörden zwar auf Basis der MAD I-Umsetzung in den Mitgliedstaaten weiterhin noch zulässige Marktpraktiken anerkennen können, haben in dieser Phase aber davon abgesehen. 121 Die in Art. 13 Abs. 11 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten zulässigen Marktpraktiken gelten nach der
Übergangsregelung in Art. 13 Abs. 11 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 in dem betreffenden Mitgliedstaat weiter, bis die zuständige Behörde auf der Grundlage der Stellungnahme der ESMA gem. Art. 13 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 einen Beschluss hinsichtlich ihrer Weiterführung gefasst hat. So soll ein reibungsloser Übergang zur Anwendung der MAR erleichtert werden (Erwägungsgrund 76 VO Nr. 596/2014). Die Übermittlung im Zeitraum zwischen dem 11.6.2016 und dem 11.9.2016 ist dabei aber Voraussetzung, da Art. 13 Abs. 11 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 explizit auf die in Art. 13 Abs. 11 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 genannte zulässige Marktpraxis abstellt. Dies bestätigt auch Erwägungsgrund 76 VO Nr. 596/2014, wonach für die Geltung der Übergangsregelung erforderlich ist, dass die „Marktpraxis der ESMA innerhalb eines vorgeschriebenen Zeitraums notifiziert wird“.
XVII. Abschluss von Liquiditätsverträgen (Art. 13 Abs. 12 und 13 VO Nr. 596/2014) 122 Ein Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind
(Rz. 125), darf für seine Aktien einen Liquiditätsvertrag schließen (Rz. 124), wenn die in Art. 13 Abs. 12 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Voraussetzungen (Rz. 127) erfüllt sind. Werden diese erfüllt, liegt im Abschluss des Liquiditätsvertrags keine handelsgestützte Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (Rz. 129).
1. Anwendungsbereich 123 Der sachliche Anwendungsbereich des Tatbestandsausschlusses des Art. 13 Abs. 12 Unterabs. 1 VO Nr. 596/
2014 erfasst auf Aktien bezogene Liquiditätsverträge (Rz. 124), wobei die Aktien zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sein müssen (Rz. 125).
124 Einen auf Aktien bezogenen Liquiditätsvertrag beschreibt Erwägungsgrund 7 Satz 3 VO 2019/2115 als ei-
nen Vertrag zwischen einem Emittenten und einem Dritten, bei dem Letzterer sich verpflichtet, im Namen des Emittenten Liquidität für dessen Aktien bereitzustellen.
125 Ein KMU-Wachstumsmarkt ist gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 RL 2014/65/EU (MiFID II)
ein in Einklang mit Art. 33 RL 2014/65/EU (MiFID II) als KMU-Wachstumsmarkt registriertes MTF. Die Vorgaben des Art. 33 RL 2014/65/EU (MiFID II) wurden in Deutschland in § 76 WpHG umgesetzt (näher § 76 WpHG Rz. 1 ff.). In Deutschland wurden bislang lediglich die Freiverkehrssegmente Scale und ScaleOFF-BOOK bei der Frankfurter Wertpapierbörse als KMU-Wachstumsmarkt registriert.
126 Der persönliche Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung erstreckt sich auf die Emittenten der auf
einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassenen Aktien. Ein Emittent ist gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/ 2014 eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt (näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 30). Ob die Zulassungsentscheidung eines Marktbetreibers aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahrens ergeht oder aber aufgrund eines privatrechtlichen Antragsverfahrens, ist unerheblich, und das gilt erst recht für deren Bezeichnung, etwa als „Einbeziehung“ in § 48 Abs. 3 BörsG. Mithin werden auch in ein MTF – etwa den Freiverkehr186 an den deutschen Börsen – „einbezogene“ Werte vom Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung erfasst, jedenfalls dann, wenn der Emittent selbst einen entsprechenden Antrag gestellt hat oder ein sonstiges, von ihm angestoßenes Verfahren vorausgegangen ist.
185 Alle Stellungnahmen sind abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/databases-library/esma-library/%2522Ac cepted%2520Market%2520practices%2522. 186 Die Freiverkehrssegmente der deutschen Börsen gelten nach Art. 48 Abs. 3 Satz 2 BörsG als MTF. Wichtige MTFs in Deutschland sind daneben die Eurex Bonds GmbH und Eurex Repo GmbH. Eine Liste aller MTF ist auf der Website der ESMA abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/databases-library/registers-and-data.
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Zulässige Marktpraxis | Rz. 129 Art. 13 VO Nr. 596/2014
2. Tatbestandsvoraussetzungen Für das Eingreifen der Ausnahmebestimmung gem. Art. 13 Abs. 12 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist tat- 127 bestandlich die Erfüllung aller folgenden Voraussetzungen erforderlich: a) Die Bedingungen des Liquiditätsvertrags entsprechen den in Art. 13 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 und den in der DelVO 2016/908 festgelegten Kriterien (dazu näher Rz. 42 ff.); b) der Liquiditätsvertrag wird gem. dem in Absatz 13 des vorliegenden Artikels genannten Unionsmuster erstellt (Rz. 128); c) der Liquiditätsgeber wurde von der zuständigen Behörde gem. der RL 2014/65/EU (MiFID II) ordnungsgemäß zugelassen und ist beim Marktbetreiber oder der Wertpapierfirma, die den KMU-Wachstumsmarkt betreibt, als Marktteilnehmer registriert; d) der Marktbetreiber oder die Wertpapierfirma, die den KMU-Wachstumsmarkt betreibt, bestätigt dem Emittenten gegenüber schriftlich, eine Kopie des Liquiditätsvertrags erhalten zu haben und den Bedingungen dieses Vertrags zuzustimmen187. Der in Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes genannte Emittent muss jederzeit nachweisen können, dass die Bedingungen, unter denen der Vertrag abgeschlossen wurde, jederzeit erfüllt sind. Dieser Emittent und der Marktbetreiber oder und die Wertpapierfirma, die den KMU-Wachstumsmarkt betreibt, legen den jeweils zuständigen Behörden auf Verlangen eine Kopie des Liquiditätsvertrags vor. Die ESMA hatte gem. Art. 13 Abs. 13 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 Entwürfe technischer Regulierungsstan- 128 dards auszuarbeiten, in denen das für den Abschluss eines Liquiditätsvertrags gem. Art. 13 Abs. 12 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu verwendende Vertragsmuster festgelegt wird. Diese Entwürfe waren der Europäischen Kommission bis zum 1.9.2020 zu übermitteln und sind dieser mit einem Final Report vom 27.10.2020 übermittelt worden188. Auf Basis der Vorschläge hat die EU-Kommission am 13.7.2022 die Delegierte VO (EU) 2022/1959 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung eines Vertragsmusters für Liquiditätsverträge für die Aktien von Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, veröffentlicht im Amtsblatt der EU am 18.10.2022, erlassen189.
3. Rechtsfolge Bei Einhaltung aller genannten und durch die DelVO 2022/1959 (Rz. 128) weiter spezifizierten Vorausset- 129 zungen, liegt in dem Abschluss des Liquiditätsvertrags und auch in dem darauf basierenden Handel kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 (Tatbestandsausschlussgrund, Rz. 18 f.)190.
187 In dem jüngst von der EU-Kommission veröffentlichen Listing Act Package, das im Zusammenhang mit der Kapitalmarktunion steht, schlägt diese die Streichung des Zustimmungserfordernisses in Abs. 12 lit. d vor. Zutreffend weist die Kommission darauf hin, dass der Betreiber eines KMU-Wachstumsmarktes keine Partei eines Liquiditätskontrakts ist, und die Anforderung, dass dieser den Bedingungen des Liquiditätskontrakts zugestimmt haben muss, zu übermäßiger Komplexität führt. Um diese Komplexität zu beseitigen und die Liquiditätsvorsorge auf diesen KMU-Wachstumsmärkten zu fördern, ist es daher angebracht, das Zustimmungserfordernis zu streichen. S. European Commission. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, COM(2022) 762 final, S. 66 Rz. 37 und Erwägungsgrund 57 des Vorschlags. 188 ESMA, Final Report: On the amendments to the Market Abuse Regulation for the promotion of the use of SME Growth Markets, 27 October 2020, ESMA70-156-3581, abrufbar unter: esma70-156-3581_final_report_on_sme _gms_rts-its_under_mar_0.pdf (europa.eu). 189 ABl. EU Nr. L 270 v. 18.10.2022, S. 4. 190 So auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 13 MAR Rz. 69.
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Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Verbot von Insidergeschäften
Art. 14 VO Nr. 596/2014 Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen Folgende Handlungen sind verboten: a) das Tätigen von Insidergeschäften und der Versuch hierzu, b) Dritten zu empfehlen, Insidergeschäfte zu tätigen, oder Dritte dazu zu verleiten, Insidergeschäfte zu tätigen, oder c) die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320). Schrifttum: Beneke/Thelen, Die Schutzgesetzqualität des Insiderhandelsverbots gem. Art. 14 Marktmissbrauchsverordnung, BKR 2017, 12. S. im Übrigen Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgehalt – Insiderverbote . . . . . . . . . . II. Normentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 14 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 5
1. Strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwaltungsrechtliche Folgen und Sanktionen
5 9 16
I. Regelungsgehalt – Insiderverbote 1 Art. 14 VO Nr. 596/2014 (MAR) verbietet Insidergeschäfte und die unrechtmäßige Offenlegung von Insider-
informationen. Dazu formuliert die Vorschrift drei Verbote (kurz: Insiderhandelsverbote), deren Tatbestandsmerkmale – ohne in den Verboten selbst zitiert zu werden – aber in anderen Bestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung enthalten sind: – Art. 11 lit. a VO Nr. 596/2014 verbietet das Tätigen von Insidergeschäften und den Versuch hierzu. Die danach verbotenen Insidergeschäfte sind Gegenstand der Regelung des Art. 8 Abs. 1, 3–5 und Art. 9 VO Nr. 596/2014. – Art. 11 lit. b VO Nr. 596/2014 verbietet es, Dritten zu empfehlen, Insidergeschäfte zu tätigen, oder Dritte dazu zu verleiten, Insidergeschäfte zu tätigen. Die hiernach verbotenen Handlungen sind Gegenstand der Regelung in Art. 8 Abs. 2, 4 und 5 VO Nr. 596/2014. – Art. 11 lit. c VO Nr. 596/2014 verbietet die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und überlässt es Art. 10 bzw. 11 VO Nr. 596/2014 zu regeln, unter welchen Voraussetzungen eine unrechtmäßige bzw. rechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen vorliegt. Der für sämtliche Verbote maßgebliche Begriff der Insiderinformation ist – gleichsam vor die Klammer gezogen – mit seinen verschiedenen Begriffskomponenten in Art. 7 VO Nr. 596/2014 definiert.
2 Die Trennung der Insiderhandelsverbote in die Verbotsnorm des Art. 14 VO Nr. 596/2014 (Blankettnorm,
bei der es sich wegen des Verweises durch ein- und desselben Normgeber, um ein sog. unechtes Blankett handelt) einerseits und die die einzelnen Verbote tatbestandlich festlegenden Ausfüllungsnormen der Art. 7–11 VO Nr. 596/2014 andererseits, wiederholt sich – als echtes Blankett – auf der Sanktionsebene: Die straf- bzw. bußgeldrechtlichen (i.S.v. Art. 30 VO Nr. 596/2014 verwaltungsrechtlichen) Sanktion für Verstöße gegen die verschiedenen Insiderhandelsverbot sind in § 119 Abs. 3 Nr. 1–3 und Abs. 4 bzw.in § 120 Abs. 14 WpHG geregelt, wobei die letztere, ordnungswidrigkeitsrechtliche Bestimmung ihrerseits in einem Blankettverweis auf die strafrechtliche Bestimmung und besteht und regelt, ordnungswidrig handele, wer eine in § 119 Abs. 3 und 4 WpHG bezeichnete Handlung leichtfertig begehe.
II. Normentwicklung 3 Art. 14 VO Nr. 596/2014 entspricht funktional und in seiner Regelungsstruktur der Vorgängervorschrift im
deutschen Recht in Gestalt von § 14 WpHG a.F. Zur historischen Entwicklung des europäischen Insiderrechts als Richtlinienrecht und einer Umsetzung in Deutschland hin zur in allen Mitgliedstaaten geltenden Regelung in der Marktmissbrauchsverordnung s. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 1 ff. Wie bisher werden die Insiderhandelsverbote, wie vorstehend beschrieben, blankettartig formuliert und in Ausfüllungsnormen ausgeführt. 472 | Assmann
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Verbot von Insidergeschäften | Rz. 9 Art. 14 VO Nr. 596/2014
Dabei werden die Insiderhandelsverbote allerdings, abweichend von der bisherigen Verbotsregelung in § 14 Abs. 1 WpHG a.F. neu gruppiert und formuliert (näher hierzu Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 19). Die ursprünglich im ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1, 25 f., veröffentlichte Fassung von Art. 14 lit. b VO 4 Nr. 596/2014 ist in ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320, 322, zur heutigen Fassung dieser Vorschriften berichtigt worden. Dabei ist die Formulierung „Dritte anzustiften“ durch die Formulierung „Dritte dazu zu verleiten“ ersetzt worden.
III. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 14 VO Nr. 596/2014 1. Strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformatio- 5 nen nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 sowie gegen die Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1, 2, 4, 5 und 8 VO Nr. 596/2014 unterliegen nach Maßgabe der RL 2014/57/EU vom 16.4.2014 (Rz. 15) ausgestalteten strafrechtlichen Sanktionen und den sich aus Art. 30 VO Nr. 596/ 2014 ergebenden verwaltungsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen. Der deutsche Gesetzgeber hat Verstöße gegen die Verbote des Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 mit § 119 6 Abs. 3 und 4 WpHG bzw. § 120 Abs. 14 WpHG ausschließlich mit strafrechtlichen bzw. ordnungswidrigkeitsrechtlich Sanktionen belegt1 und dabei keine Differenzierung zwischen Geschäften von Primärinsidern und Sekundärinsidern vorgenommen (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 27; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9; Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 8). Strafbar nach § 119 Abs. 3 WpHG ist lediglich vorsätzliches Handeln. Dazu ist es erforderlich, dass sich der Vorsatz – d.h. das Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestands – auf alle Merkmale des gesetzlichen objektiven Tatbestands bezieht (näher hierzu Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9). Nach § 119 Abs. 4 WpHG ist auch der Versuch strafbar. Ordnungswidrig handelt nach § 120 Abs. 14 WpHG nur, „wer eine in § 119 Abs. 3 Nr. 1–3 bezeichnete Handlung leichtfertig begeht“, d.h. leichtfertig gegen eines der Insiderhandelsverbote nach Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 verstößt. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 9). Zu weiteren Einzelheiten der straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktion von Verstößen gegen Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 10 ff.; Art. 10 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 69 sowie die Erläuterungen in § 119 WpHG Rz. 87 ff. und § 120 WpHG Rz. 337 f. Durch die Neufassung von § 38 Abs. 3 Nr. 1 WpHG (a.F.) über die Strafbarkeit von nach Art. 14 VO 7 Nr. 596/2014 verbotenen Insidergeschäften und § 39 Abs. 3d Nr. 2 WpHG (a.F.) über die Strafbarkeit einer nach Art. 15 VO Nr. 596/2014 verbotenen Marktmanipulation durch das 1. FiMaNoG zum 2.7.2016 (entsprechend Art. 39 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) einerseits bei Gültigkeit von Art. 14 bzw. 15 VO Nr. 596/2014 erst zum 3.7.2016 (Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) andererseits ist es zu keiner Lücke in der Ahndbarkeit von Insiderhandel und Marktmanipulation gekommen; dazu Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 17. Die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 8 VO Nr. 596/2014) 8 kann auch eine unzulässige Offenbarung eines Geheimnisses nach § 404 AktG darstellen und nach Maßgabe dieser Vorschrift strafbar sein.
2. Zivilrechtliche Folgen Ein Verstoß gegen die Verbotsbestimmungen des Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 kann auch zivilrechtliche 9 Konsequenzen haben2. Fraglich ist zunächst, ob die Geschäfte in Insiderpapieren, die unter Verstoß eines Insiders gegen Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 zustande kamen, nach § 134 BGB nichtig sind. Das ist zu verneinen3. Es darf als unstreitig gelten, dass nicht jedes gesetzlich verbotene oder unter Verstoß gegen ein 1 Zu sehr mittelbaren „verwaltungsrechtlichen Folgen“ eines Verstoßes gegen die Insiderhandelsverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 s. Szesny, DB 2016, 1420, 1425. 2 Zu den zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG a.F. Steinhauer, S. 73 ff., 111: „Keine zivilrechtlichen Haftungsansprüche gegen Insider wegen der Vornahme von Insidergeschäften“; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 160 ff.; Wolf in FS Döser, S. 255 ff. 3 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 301; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 444; Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 116; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 14 MAR Rz. 48; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 72; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 100.
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Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 | Verbot von Insidergeschäften gesetzliches Verbot zustande gekommene Rechtsgeschäft als nichtig zu betrachten ist. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt vielmehr nur dann ein, wenn Sinn und Zweck des in Frage stehenden Verbotsgesetzes dies verlangen4. Das wird schon regelmäßig für den Fall verneint, dass sich das Verbot nicht gegen beide Vertragsparteien richtet, sondern nur gegen eine derselben5. Dies gilt für Geschäfte, deren Vornahme gegen ein Strafgesetz verstößt, wie es das Insiderhandelsverbot nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 119 Abs. 3 und 4 WpHG darstellt, jedenfalls dann, wenn sich das strafrechtliche Verbot nur gegen eine der Vertragsparteien richtet und die anderen am Vertrag Beteiligten weder Kenntnis von dem Verstoß haben noch mit einem solchen rechnen6. Darüber hinaus hat das Verbot von Insidergeschäften auch nicht das Verbot des Gegenstands (des Inhalts) der fraglichen Wertpapiergeschäfte zum Gegenstand, so dass auch aus dieser Sicht von der vorgenannten Regel nicht abgewichen zu werden braucht7. 10 Gegenteilige Argumente8 lassen sich auch aus Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots nicht herleiten:
Weder wird durch den Verstoß gegen dieses Verbot ein Marktteilnehmer zu einem Wertpapiergeschäft mit schlechterdings nicht zu duldendem Inhalt verleitet, noch ist – wegen der straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen eines Insidergeschäfts die Nichtigkeitsfolge geboten, um eine auf andere Weise nicht erreichbare, für die Durchsetzung des Verbots aber zwingende Sanktion bereitzustellen. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsfolge solcher Geschäfte schon deshalb eine fragliche Konsequenz des Insiderhandelsverbots wäre, weil sich selbst nach der Änderung der AGB für Wertpapiergeschäfte, welche den Selbsteintritt der Kreditinstitute (i.S.d. Selbsteintritts des Kommissionärs nach § 400 HGB) zugunsten von dokumentationspflichtigen Kommissionsgeschäften (§§ 383, 384 Abs. 2 HGB i.V.m. § 666 BGB) oder Festpreisgeschäften als Kaufgeschäfte nach § 433 BGB ausschließen (Nr. 1 Abs. 1 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte der Banken bzw. Bedingungen für Wertpapiergeschäfte der Sparkassen)9, nur schwer wird feststellen lassen, welcher Marktteilnehmer Insiderpapiere an den Insider verkauft oder von ihm erworben hat. Die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge liefe damit überwiegend leer und würde zudem den Wertpapierhandel mit unüberschaubaren Risiken sowie Rückabwicklungsproblemen belasten und verunsichern. Hinzu kommt, dass es ohnehin mehr oder weniger Zufall ist, wer unter den kauf- oder verkaufswilligen Aktionären gerade Vertragspartner des Insiders oder eines anderen Marktteilnehmers wurde. Diese Gesichtspunkte wird man umso eher zu vernachlässigen bereit sein, als sich – nicht zu erkennen – straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen kapitalmarktrechtlicher Verhaltenspflichten im Allgemeinen und des Insiderrechts im Besonderen im Rückzug befinden. Wäre dies der Fall, mag man unter Hintanstellung rechtsdogmatischer Bedenken zu dem Ergebnis gelangen, dem Schutzbedürfnis des einzelnen Anlegers und des Kapitalmarkts insgesamt müsse dadurch Rechnung getragen werden, dass die verbotswidrigen Rechtsgeschäfte (d.h. das regelmäßig zwischen Banken als Kommissionären zustande kommende Erwerbs- oder Ausführungsgeschäft sowie das Kommissionsgeschäft zwischen Insider und Bank) gem. § 134 BGB als nichtig anzusehen seien, was dem Anleger erlauben würde, das vom Insider verbotswidrig Erlangte (d.h. Aktien und Kaufpreis) im Wege der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung herauszuverlangen und dadurch seine Verluste wieder auszugleichen10.
11 Die vorstehenden Erwägungen tragen auch das Urteil, ein Insidergeschäft sei nicht als solches sittenwidrig
i.S.v. § 138 BGB und damit nichtig11. Wenn sich ein Insidergeschäft „in derart unerträglicher Weise gegen den Vertragspartner“ richten würde, wie dies behauptet wird12, müsste dies – da es nicht um den Schutz eines individuellen Vertragspartners geht, sondern um die Vertragspartner von Insidergeschäften eines Insiders generell – schon die Nichtigkeit nach § 134 BGB zur Folge haben. Hinzu kommt der Umstand, dass 4 St. Rspr., etwa BGH v. 5.5.1992 – X ZR 134/90, BGHZ 118, 182, 188 m.w.N.; Armbruster in MünchKomm. BGB, 9. Aufl. 2021, § 134 BGB Rz. 177; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 160. Für die Insiderverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 116. 5 Ellenberger in Grüneberg (vormals Palandt), 81. Aufl. 2022, § 134 BGB Rz. 9 m.w.N. 6 Ellenberger in Grüneberg (vormals Palandt), 81. Aufl. 2022, § 134 BGB Rz. 8, 9. 7 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 301; Krauel, S. 308; Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 116; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.202; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 423, 440; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 73; Schäfer in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 96; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.106; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 4; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 160; Steinhauer, S. 90. 8 Zu solchen namentlich Wolf in FS Döser, S. 255, 260 f. 9 Abgedruckt u.a. in Hopt, HGB, (8a) bzw. (9a). 10 Wolf in FS Döser, S. 255, 260 ff. 11 Für die Insiderverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 302; Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 117; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 48. 12 Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 427. Für eine „Umstandssittenwidrigkeit“ des Insidergeschäfts auch Steinhauer, S. 94.
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Verbot von Insidergeschäften | Rz. 12 Art. 14 VO Nr. 596/2014
sich die Vertragspartner des Geschäfts mit Insiderpapieren regelmäßig nicht kennen und eine persönliche Täuschung des – die Vorenthaltung der Insiderinformation gegenüber dem Markt hinweggedacht – transaktionswilligen Gegenüber ausscheidet. Wenn schon die aktive Täuschung des dem Täuschenden bekannten Vertragspartners nicht zur Sittenwidrigkeit eines Geschäfts führen soll13, so ist schwerlich zu erkennen, wie sich ein Insidergeschäft im Kontext anonymer Marktgeschäfte in „unerträglicher Weise“ gegen den Vertragspartner richten soll14. Auch eine Anfechtung des Insidergeschäfts durch den Nichtinsider nach § 119 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB15 oder § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB16 scheidet nach ganz h.M. aus. Im ersten Fall liegt weder ein Erklärungsirrtum als Irrtum in der Erklärungshandlung noch ein Inhaltsirrtum als Irrtum über die Geschäftsart oder den Inhalt des Erklärungsinhalts noch ein Irrtum über eine Person oder die erworbene Sache vor17. Im zweiten Fall kommt allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen unter Verletzung einer Aufklärungspflicht in Betracht, doch handelt es sich bei der Offenlegungspflicht von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 nicht um eine auf Zwei-Parteien-Austauschbeziehungen zugeschnittene Aufklärungspflicht18. Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Haftung des Insiders aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 und 3, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB) aus19. Das ist in Markttransaktionen nicht anders als in Zwei-Personen-Verhältnissen, auch als Face-to-face-Geschäfte bezeichnet, wie etwa beim Unternehmenskauf, beim Erwerb einer bedeutenden Beteiligung oder beim Paketerwerb20. Umstritten ist die Frage, ob das Insiderhandelsverbot des Art. 14 VO Nr. 596/2014 ein Schutzgesetz i.S.d. 12 § 823 Abs. 2 BGB ist, dessen Verletzung gegenüber dem durch den Verstoß geschädigten Anleger schadensersatzpflichtig macht. Diese Frage wird ist nach wie vor zu verneinen. Die Marktmissbrauchsverordnung gibt keinen Grund zu der Annahme, mit den Insiderhandelsverboten des Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 sollte, anders als bisher21, mehr als das überindividuelle Rechtsgut der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte geschützt werden22. Für Art. 14 lit. a–c VO Nr. 596/2014 gilt diesbezüglich das Gleiche wie zur Veröffent-
13 Nach BGH v. 14.12.1987 – II ZR 166/87, NJW 1988, 902, 903, ist es „zutreffend ..., daß ein zweiseitiges Rechtsgeschäft dann nicht gem. § 139 I BGB nichtig ist, wenn die Sittenwidrigkeit ausschließlich in der Täuschung des Vertragspartners besteht“. 14 I.E. ebenso Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 516; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 161. 15 Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 118; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 48. Vorsichtiger, aber i.E. ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 303 (Voraussetzungen „werden nur in Ausnahmefällen vorliegen“); Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 101. 16 Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 518; Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 119; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 48; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.108; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 161. I.E. auch Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 430 ff.; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 101. Vorsichtiger, aber i.E. ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 303 (Voraussetzungen „werden nur in Ausnahmefällen vorliegen“). 17 Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 517; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 429 (in Bezug auf Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB). 18 Dagegen soll nach Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 161 bei Face-to-face-Geschäften „eine arglistige Täuschung des Anlegers durch den Insider in Frage kommen“. 19 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 305; Wolf in FS Döser, S. 255, 257 f. Soweit eine Haftung aus cic nicht generell ausgeschlossen wird, wird sie aber allenfalls bei face-toface-Geschäften für denkbar gehalten: Klöhn in Klöhn, Art. 10 MAR Rz. 120; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 161; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 104 („wenn ein Anleger geltend macht, dass er das Geschäft bei Kenntnis der Insiderinformation nicht getätigt hätte“). 20 A.A. Kaiser, WM 1997, 1557, 1558 f.; Mennicke, S. 624 f.; Mennicke in Fuchs, § 14 WpHG Rz. 433; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 161. 21 S. dazu Assmann in 6. Aufl., Vor § 12 WpHG Rz. 49 und § 14 WpHG Rz. 7 und 208. Gegen die Schutzgesetzeigenschaft von § 14 WpHG a.F.: Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14. Zu § 14 WpHG a.F. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, 47, 57; Caspari, ZGR 1994, 530, 532; Dickersbach, S. 198 f.; J. Hartmann, S. 249; F. Immenga, ZBB 1995, 197, 205; Kaiser, WM 1997, 1557, 1559 f.; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 521; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.67 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.198; Mennicke, S. 618 ff.; Pawlik in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 14 WpHG Rz. 3; Schwark/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 14 WpHG Rz. 4 ff.; Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 162; Steinhauer, S. 108. A.A.: anfänglich Assmann, AG 1994, 196, 204, aufgegeben; Claussen, AG 1997, 306, 307; Hopt in Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 6; Krauel, S. 307; Schwark in Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, Vor § 12 WpHG Rz. 9 (aufgegeben); Trüg, S. 194. 22 Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 307; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 446; Klöhn in Klöhn, MAR, Einl. Rz. 72, Art. 14 MAR Rz. 9 („dienen die Insiderverbote nicht dem
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Art. 14 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 | Verbot von Insidergeschäften lichung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 (Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 11; Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 308 f.). Nicht wegen fehlender Schutzgesetzeigenschaft des § 263 StGB, sondern mangels Aufklärungspflicht (Rz. 10) scheidet auch eine Haftung des Insiders gegenüber dem Anleger nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB aus23. 13 Dagegen kann die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen (Art. 14 lit. c i.V.m. Art. 8 VO
Nr. 596/2014) eine unzulässige Offenbarung eines Geheimnisses nach § 404 AktG darstellen und wegen des Schutzgesetzcharakters dieser Bestimmung24 zu Schadensersatzpflichten zumindest gegenüber der Gesellschaft und ihren Aktionären führen25.
14 Eine Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ist allenfalls im Rahmen von
Transaktionen im Zwei-Personen-Verhältnis (bei sog. Face-to-face-Geschäften) denkbar26, nicht aber im Regelfall der Abwicklung von Geschäften in Insiderpapieren über Handelsmärkte, bei denen die Verwendung von Insiderinformationen und der Verstoß gegen ein Insiderhandelsverbot nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 die Absicht sittenwidriger Schädigung nicht zu begründen vermag27.
15 Der straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlich zu ahndende Verstoß etwa eines Wertpapierhändlers oder
eines Vermögensverwalters gegen eines der Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 wird regelmäßig, neben Ansprüchen aus Vertragspflichtverletzung, auch ein außerordentliches Kündigungsrecht des Unternehmens auslösen, in dem dieser angestellt ist oder für das dieser tätig wird. Im Falle der Insidertat eines Organmitglieds wird in der Regel ein Verstoß gegen §§ 76, 93, 116 AktG in Betracht kommen28.
3. Verwaltungsrechtliche Folgen und Sanktionen 16 Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 übertragen die Mitgliedstaaten – unbeschadet strafrecht-
licher Sanktionen und unbeschadet der Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörden nach Art. 23 VO Nr. 596/2014 – im Einklang mit nationalem Recht den zuständigen Behörden die Befugnis, angemessene verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen in Bezug unter anderem auf Art. 14 VO Nr. 596/2014 zu ergreifen. Dabei haben die Mitgliedstaaten gem. Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden im Einklang mit dem nationalen Recht über die Befugnis verfügen, im Falle von Verstößen unter anderem gegen die vorgenannten Bestim-
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individuellen Anlegerschutz“), 22 und 122; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 03. I.E. ebenso, aber zurückhaltender Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 51 („Frage, ob Art. 14 MAR ein Schutzgesetz darstellt, [ist] auch unter der neuen Rechtslage weiterhin offen“, aber eher zweifelhaft). A.A. Beneke/Thelen, BKR 2017, 12, 14 ff.; Poelzig, NZG 2016, 492, 501: Dass der europäische Gesetzgeber „nunmehr auch den Schutz des einzelnen Anlegers ausdrücklich als Regelungszweck anerkennt (s. auch [Erwägungsgrund] 47 S[atz] 4 MAR), spricht in Zusammenschau mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz und dem Grundsatz der funktionalen Subjektivierung für eine Interpretation der Marktmissbrauchsregelungen als Schutzgesetze“, ebenso Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 76. Ebenso Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 310; schon Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 163. Unstreitig, s. etwa Oetker in K. Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2020, § 404 AktG Rz. 1. Hierzu und zur möglichen Verletzung weiterer Geheimnisschutzvorschriften Kaiser, WM 1997, 1557, 1561 f.; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 104. Mit Einschränkung (geschützt ist in der Regel das Unternehmen, nicht aber der „individuelle Anleger“) Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 310, und Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 448. Zu den mit Insiderhandeln verbundenen Geheimnispflichtverletzungen von Wirtschaftsprüfern s. Hopt in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 87 f. Anders Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 8 Rz. 163 unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu bewusst fehlerhaften Ad-hoc-Meldungen und diesbezüglichem Verweis auf Sethe in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 140 ff. Ebenso Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 521; Klöhn in Klöhn, Art. 14 MAR Rz. 122 (Sittenwidrigkeit kann „nicht allein mit dem Verstoß gegen das Insiderverbot begründet werden“); Poelzig in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 8–14 MAR Rz. 77; Schäfer in Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 14.109. Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 11 MAR Rz. 49 („in der Regel [fehlt es] an der nötigen Kausalität“). Zurückhaltender Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 311 („kann vorliegen“); Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 447 (Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen – v.a. Schädigungsvorsatz und Kausalität zwischen Insiderhandeln und Anlegerschaden – wird, selbst wenn man Verwenden einer Insiderinformation als eine sittenwidrige Schädigung des Anlegers ansehen wollte, selten gelingen). Hopt in Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 90 ff. bzw. 83 f. und 3. Aufl. 2007, § 107 Rz. 119.
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Verbot der Marktmanipulation | Art. 15 VO Nr. 596/2014
mungen die in Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a–j VO Nr. 596/2014 aufgeführten verwaltungsrechtlichen Sanktionen und die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu verhängen bzw. zu ergreifen. Zuständig für die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen sind gem. Art. 22 Satz 1 VO Nr. 596/2014 – unbeschadet der Zuständigkeiten der Justizbehörden – eine von jedem Mitgliedstaat zu benennende („einzige“) Behörde, die über die in Art. 23 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zur Wahrnehmung ihrer sich aus der Marktmissbrauchsverordnung ergebenden Aufgaben erforderlichen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse verfügen muss und diese nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 wahrzunehmen hat. Zuständige Behörde i.S.d. Art. 22 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ist nach § 6 Abs. 5 Satz 1 WpHG die BaFin. Die Voraussetzungen für die Verhängung bzw. Wahrnehmung der in Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a–j VO 17 Nr. 596/2014 aufgeführten verwaltungsrechtlichen Sanktionen bzw. Maßnahmen in Bezug auf Verstöße gegen die Insiderverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 sind im deutschen Recht vor allem in § 6 WpHG zu finden. Die Befugnis der zuständigen Behörde nach Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, eine Anordnung zu erlassen, wonach die für einen Verstoß verantwortliche Person die Verhaltensweise einzustellen und von einer Wiederholung abzusehen hat, folgt für die BaFin als nach § 6 Abs. 5 Satz 1 WpHG zuständiger Behörde etwa aus und nach Maßgabe von § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Weitere Befugnisse der BaFin im Falle von Verstößen gegen die Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 ergeben sich etwa aus § 6 Abs. 2 Satz 4 WpHG (demzufolge die BaFin den Handel mit einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten vorübergehend untersagen oder die Aussetzung des Handels in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten an Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, anordnen kann, soweit dies zur Durchsetzung u.a. der Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 oder zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen nach § 6 Abs. 1 WpHG geboten ist), aus § 6 Abs. 7 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG (demzufolge die BaFin es einer natürlichen Person, die für einen Verstoß gegen Art. 14 VO Nr. 596/2014 verantwortlich ist, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren untersagen kann, Geschäfte für eigene Rechnung in den in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Finanzinstrumenten und Produkten zu tätigen), aus § 6 Abs. 8 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG (demzufolge die BaFin einer Person, die bei einem von ihr beaufsichtigten Unternehmen tätig ist, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren die Ausübung der Berufstätigkeit untersagen kann, wenn diese Person vorsätzlich gegen unter anderem ein Verbot des Art. 14 VO Nr. 596/2014 oder gegen eine Anordnung der BaFin, die sich auf diese Vorschriften bezieht, verstoßen hat und dieses Verhalten trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt fortsetzt) oder aus § 6 Abs. 9 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG (demzufolge die BaFin bei einem Verstoß gegen unter anderem Art. 14 VO Nr. 596/2014 oder eine von ihr erlassene vollziehbare Anordnung, die sich auf diese Vorschrift bezieht, auf ihrer Internetseite eine Warnung unter Nennung der natürlichen oder juristischen Person oder der Personenvereinigung, die den Verstoß begangen hat, sowie der Art des Verstoßes veröffentlichen kann). Darüber hinaus kann die BaFin die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften oder zur Erbringung von Finanzdienstleistungen i.S.v. § 32 KWG nach § 35 Abs. 2 Nr. 7 KWG aufheben, wenn das jeweilige Institut nachhaltig unter anderem gegen Art. 14 VO Nr. 596/2014 oder sich auf diese Bestimmungen beziehende Anordnungen der BaFin verstoßen hat. Zur Verfolgung von Verstößen gegen Art. 14 VO Nr. 596/2014 stehen der BaFin etwa Auskunfts- und Durchsuchungsrechte, Rechte zur Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen und Herausgaberechte nach Maßgabe von § 6 Abs. 3 Satz 2, Abs. 12 Sätze 1, 3 und 4, Abs. 13 Satz 1, § 7 Abs. 1 und 2 sowie § 8 WpHG zu. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die BaFin nach § 6 Abs. 17 WpHG bei Ermittlungen oder Überprüfungen auch Wirtschaftsprüfer oder Sachverständige einsetzen. Entsprechend Art. 34 VO Nr. 596/2014 verpflichtet § 125 Abs. 1 Satz WpHG die BaFin zur Bekannt- 18 machung von Maßnahmen und Sanktionen wegen Verstößen gegen die Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/ 2014. Danach macht die Aufsichtsbehörde Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen, die wegen Verstößen unter anderem gegen die Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 erlassen wurden, unverzüglich nach Unterrichtung der natürlichen oder juristischen Person, gegen die die Maßnahme oder Sanktion verhängt wurde, auf ihrer Internetseite nach Maßgabe von § 125 Abs. 2 ff. WpHG bekannt. Dies gilt nach § 125 Abs. 1 Satz 2 WpHG nicht für Entscheidungen über Ermittlungsmaßnahmen.
Art. 15 VO Nr. 596/2014 Verbot der Marktmanipulation Marktmanipulation und der Versuch hierzu sind verboten. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1). Schrifttum: S. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014.
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Verbot der Marktmanipulation I. II. 1. 2. 3. III. IV. V. 1. 2.
Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu Art. 12 VO Nr. 596/2014 . . . . . Verhältnis zu Ausnahmetatbeständen . . . . . . Verhältnis zur CRIM-MAD und zum nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot der Marktmanipulation und deren Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versuch einer Marktmanipulationshandlung nach Art. 12 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . a) Versuch einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 . b) Versuch einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 . . . . . . c) Versuch einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 . . . . . . d) Versuch der zwingenden Beispiele einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanktionierungssystem der §§ 119, 120 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen der Reform des Marktmissbrauchsrechts für Alt-Taten (Generalamnestie?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsrechtliche Sanktionierung . . . . . . . 3. Verhältnis von straf- und aufsichtsrechtlicher Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zivilrechtliche Sanktionierung . . . . . . . . . . . a) Ansprüche geschädigter Anleger . . . . . . . . aa) Kein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung nach § 826 BGB . . . . . . . . . . . cc) Haftung nach § 98 WpHG . . . . . . . . . . b) Ansprüche geschädigter Unternehmen/ Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (§ 134 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kein Rechtsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Regelungsgegenstand 1 Der mit „Verbot der Marktmanipulation“ überschriebene Art. 15 VO Nr. 596/2014 verbietet Marktmanipu-
lationen und Versuche hierzu. Begrifflich rekurriert Art. 15 VO Nr. 596/2014 auf die Definition der Marktmanipulation in Art. 12 VO Nr. 596/2014, wobei zudem die Einschränkungen durch die Art. 5, 6 und 13 VO Nr. 596/2014 zu berücksichtigen sind. Verboten sind sowohl die erfolgte Marktmanipulation (Rz. 14) als auch deren Versuch (Rz. 15 ff.). Durchgeführt ist eine Marktmanipulation, wenn alle Handlungen, Erfolge und etwaigen subjektiven Voraussetzungen, die in Art. 12 VO Nr. 596/2014 genannt sind, voll erfüllt sind. Ein Versuch kann vorliegen, wenn eine in Art. 12 VO Nr. 596/2014 genannte Verhaltensweise begonnen, aber nicht zu Ende geführt wird bzw. werden kann. Durch die Erstreckung des Verbotsregimes auf den Versuch einer Marktmanipulation wurde das MAR-Regime im Vergleich zur RL 2003/6/EG (MAD I) verschärft1.
II. Regelungssystematik 1. Verhältnis zu Art. 12 VO Nr. 596/2014 2 Der Art. 15 VO Nr. 596/2014 ist die zentrale Verbotsvorschrift des Marktmanipulationsrechts. Sachlich aus-
gefüllt wird das Verbot durch die in Art. 12 VO Nr. 596/2014 enthaltene Legaldefinition der Marktmanipulation2. Nach diesem umfasst der Begriff „Marktmanipulation“ für die Zwecke der MAR nämlich die in Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Handlungen. Zudem gelten als Marktmanipulation die in Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 genannten Handlungen. Damit formt erst Art. 12 VO Nr. 596/2014 aus, welche Handlungsweisen Art. 15 VO Nr. 596/2014 konkret verbietet.
2. Verhältnis zu Ausnahmetatbeständen 3 Unter den allgemeinen Bestimmungen der MAR (Art. 1–6 VO Nr. 596/2014), und damit vor die Klammer
gezogen, stehen die Safe-Harbour-Bestimmungen zu Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen nach Art. 5 VO Nr. 596/2014, die gleichermaßen für die Insiderverbote und für das Marktmanipulationsverbot gelten. Eine Verhaltensweise, die die Voraussetzungen eines safe harbour erfüllt, stellt weder einen Verstoß gegen Art. 14 noch gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 dar. Gleiches gilt für die Bereichsausnahme für
1 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 295; Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 8. 2 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 1.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 6 Art. 15 VO Nr. 596/2014
Maßnahmen der Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung sowie der Klima- und Agrarpolitik nach Art. 6 VO Nr. 596/2014. Unmittelbar nur das Marktmanipulationsregime betreffend – im systematischen Zusammenhang mit der Definitionsnorm des Art. 12 VO Nr. 596/2014 – enthält Art. 13 VO Nr. 596/2014 Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Verbotstatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 im Falle des Handelns nach einer zulässigen Marktpraxis.
3. Verhältnis zur CRIM-MAD und zum nationalen Recht Art. 5 RL 2014/57/EU (CRIM-MAD) verpflichtet die Mitgliedstaaten – anders als noch die RL 2003/6/EG 4 (MAD I) – dazu, jedenfalls (Mindestharmonisierung) schwerwiegende und vorsätzliche Marktmanipulationen strafrechtlich zu ahnden (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 38 f.)3. Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU enthält eine eigene Definition der Marktmanipulation4. Dieser lautet in der deutschen Fassung: (2) Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff der Marktmanipulation folgende Handlungen: 5 a) Vornahme einer Transaktion, Erteilung eines Handelsauftrags oder jegliche sonstige Handlung, die Folgendes umfasst: i) Geben falscher oder irreführender Signale hinsichtlich des Angebots oder des Preises eines Finanzinstruments oder damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder der Nachfrage danach oder ii) Beeinflussung des Preises eines oder mehrerer Finanzinstrumente oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts, um ein anormales oder künstliches Preisniveau zu erzielen5, es sei denn, die Person, die die Transaktion getätigt oder den Handelsauftrag erteilt hat, kann sich auf einen rechtmäßigen Grund stützen und die Transaktion oder der Handelsauftrag stehen im Einklang mit der zugelassenen Marktpraxis auf dem betreffenden Handelsplatz; b) Vornahme einer Transaktion, Erteilung eines Handelsauftrags oder jegliche sonstige Tätigkeit oder Handlung, die den Preis eines oder mehrerer Finanzinstrumente oder eines damit verbundenen WarenSpot-Kontrakts beeinflusst, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung; c) Verbreitung von Informationen über die Medien, einschließlich des Internets, oder mithilfe sonstiger Mittel, die falsche oder irreführende Signale hinsichtlich Angebot, Nachfrage oder Preis eines Finanzinstruments oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts aussenden oder den Preis eines oder mehrerer Finanzinstrumente oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts beeinflussen, um ein anormales oder künstliches Preisniveau zu erzielen, sofern die Personen, die diese Informationen verbreitet haben, durch die Verbreitung dieser Informationen einen Vorteil oder Gewinn für sich selbst oder für Dritte erzielen, oder d) Übermittlung falscher oder irreführender Informationen, Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten, oder jede andere Handlung, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird. Im Ausgangspunkt wollte der europäische Gesetzgeber der MAR und der CRIM-MAD eine übereinstim- 6 mende Definition vorgeben. Für die Definition in Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU hat er im Wesentlichen auf Textbausteine aus der MAR zurückgegriffen. So heißt es in der deutschen Sprachfassung des Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU: „Für die Zwecke dieser Verordnung [sic!] umfasst der Begriff Marktmanipulation ...“6. Insgesamt sind die beiden Definitionen – wenn auch in den unterschiedlichen Sprachfassungen kleinere Abweichungen bestehen – jedenfalls in der Regel deckungsgleich auszulegen7. Allerdings ist der Tatbestand der Marktmanipulation nach Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU teils enger gefasst als Art. 12 Abs. 1 VO Nr. 596/ 20148. So stellen auf Emissionszertifikaten beruhende Auktionsobjekte kein taugliches Tatobjekt i.S.d. Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU dar9. Zudem reicht dessen Wortlaut die Wahrscheinlichkeit eines falschen oder irreführenden Signals, der Erzielung eines anormalen oder künstlichen Preisniveaus bzw. der Preisbeeinflussung in den Varianten des Abs. 2 lit. a–c – anders als bei Art. 12 Abs. 1 lit. a–c VO Nr. 596/2014 – nicht aus10. 3 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 51. 4 Dazu Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 15 Rz. B.15.08; Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 50 ff.; Schmolke, AG 2016, 434, 437; Kudlich, AG 2016, 459, 461 f.; Poelzig, NZG 2016, 492, 495. 5 Die deutsche Übersetzung der Subvariante divergiert von der englischen Sprachfassung „secures the price of one or several financial instruments or a related spot commodity contract at an abnormal or artificial level“, die kein subjektives Element („um“) enthält. Dazu Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 54. 6 Kudlich, AG 2016, 459, 462. 7 Poelzig, NZG 2016, 492, 495. 8 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 52. 9 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 53. 10 de Schmidt in Just/Voß/Ritz/Becker, § 20a WpHG Rz. 396; Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 54 ff.
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 6 | Verbot der Marktmanipulation Über Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 hinausgehend verlangt Art. 5 Abs. 2 lit. c RL 2014/57/EU, dass der Manipulator für sich oder einen anderen aus der Verbreitung der Informationen einen Vorteil oder Gewinn erzielen muss11. Schließlich sieht Art. 5 Abs. 2 lit. a RL 2014/57/EU – anders als Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 – für die zulässige Marktpraxis kein Nachweiserfordernis vor, was bei einem Straftatbestand auf erhebliche Bedenken stößt (näher Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 34 ff.). 7 Bei der Umsetzung der Vorgaben der RL 2014/57/EU in § 119 Abs. 1 WpHG entschied sich der deutsche
Gesetzgeber für einen (mittelbaren) Verweis auf die MAR, genauer auf Art. 15 VO Nr. 596/201412. Die Umsetzung ist weitestgehend richtlinienkonform (s. aber Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 34 ff.), da der europäische Gesetzgeber eine Übereinstimmung der Begriffsbestimmungen in der MAR und der CRIM-MAD anstrebte (Rz. 30). Soweit in dem Verweis auf Art. 15 VO Nr. 596/2014 eine Erweiterung liegt, ist dies aus Sicht der Vorgaben in der RL 2014/57/EU schon deshalb grundsätzlich unproblematisch, weil diese nur mindestharmonisierende Vorgaben macht (Rz. 4).
8 Im Verhältnis zu den Sanktionsnormen der §§ 119 Abs. 1, 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG handelt es sich bei
Art. 15 i.V.m. Art. 12 VO Nr. 596/2014 um blankettausfüllende Normen: Jene verweisen (im Falle des § 119 Abs. 1 WpHG mittelbar, nämlich über § 120 WpHG) auf diese.
9 Allerdings verlangt die Strafvorschrift des § 119 Abs. 1 WpHG weitergehend als Art. 15 i.V.m. Art. 12 VO
Nr. 596/2014 die tatsächliche Einwirkung auf den Marktpreis oder einen Referenzwert sowie Vorsatz. Erst über § 119 Abs. 4 WpHG, der die Strafbarkeit des Versuchs anordnet, kommt auch eine Strafbarkeit ohne tatsächliche Einwirkung auf den Marktpreis oder einen Referenzwert in Betracht (dazu § 119 WpHG Rz. 71 ff.). Die §§ 119, 120 WpHG begründen insgesamt keine gegenüber Art. 15, 12 f. VO Nr. 596/2014 andersartige Verhaltensnormen, sondern nur speziellere straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Normen, die zusätzliche Voraussetzungen aufstellen. Einen Einfluss auf die Auslegung und die Anwendung der aufsichtsrechtlichen Normen kommt ihnen nicht zu (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 50).
III. Regelungszweck 10 Zum allgemeinen Regelungszweck des Marktmanipulationsverbots s. die Kommentierung zu Art. 12 VO
Nr. 596/2014 Rz. 23 ff.
11 Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 verbietet den Versuch einer Marktmanipulation und schafft insofern eine
Neuerung gegenüber dem Regime unter der RL 2003/6/EG (MAD I)13. Erwägungsgrund 41 Satz 1 VO Nr. 596/2014 erläutert, dass die Erstreckung auf den Versuch der Ergänzung des Verbots der Marktmanipulation dient. Die Ausweitung der Verbotsvorschriften auf den Versuch zeigt, dass das europäische Recht potenziell schädliche Verhaltensweisen als solche und unabhängig von ihren Auswirkungen auf den Markt unterbinden will. Es ist sogar das erklärte Ziel des europäischen Gesetzgebers, nicht nur schädliche Einwirkungen auf den Markt zu verhindern, sondern bereits Verhaltensweisen, die eine Schädigungseignung aufweisen (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 54). Die sachliche Rechtfertigung für die Erstreckung auf den bloßen Versuch sieht der europäische Gesetzgeber darin, dass auch der Versuch einer Marktmanipulation (eines Marktmissbrauchs) negative Wirkungen für die Integrität der Finanzmärkte und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte haben kann (vgl. Erwägungsgrund 13 RL 2014/57/EU)14.
12 Durch die Ausweitung des Verbots auf den Versuch ist es Aufsichts- bzw. Strafverfolgungsbehörden ebenso
wie Gerichten möglich, frühzeitig einzugreifen bzw. schon ein Verhalten mit Schädigungseignung mit Sanktionen zu belegen (Erwägungsgrund 41 Satz 2 VO Nr. 596/2014). Deshalb sollen die zuständigen Behörden durch das Verbot der versuchten Marktmanipulation in die Lage zu versetzen werden, bereits bei entsprechenden Versuchshandlungen mit präventiven und repressiven Mitteln gegen Manipulatoren vorzugehen (Erwägungsgrund 41 Satz 4 VO Nr. 596/2014).
IV. Anwendungsbereich 13 Zum sachlichen, persönlichen, räumlichen und zeitlichen Anwendungsbereich bzw. Geltungsbereich des
Marktmanipulationsverbots s. die Kommentierung zu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 30 ff., 42 ff., 45 ff. und 51. 11 12 13 14
Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 56. Kudlich, AG 2016, 459, 461 f.; Poelzig, NZG 2016, 492, 495; Bator, BKR 2016, 1, 2. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 8. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 9.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 16 Art. 15 VO Nr. 596/2014
V. Verbot der Marktmanipulation und deren Versuch 1. Marktmanipulation Art. 15 Alt. 1 VO Nr. 596/2014 verbietet zunächst jede Marktmanipulation, womit die vollständige Durch- 14 führung einer der in Art. 12 Abs. 1 oder Abs. 2 VO Nr. 596/2014 genannten Handlung und der Eintritt der von diesen Normen jeweils vorausgesetzten Wirkungen/Erfolge gemeint ist. In strafrechtlicher Diktion würde man von einer Vollendung sprechen, wobei im kapitalmarktrechtlichen Zusammenhang die Strafrechtsdogmatik nicht entscheidend ist. Maßgeblich ist allein, dass alle Tatbestandsvoraussetzungen einer der Varianten des Art. 12 Abs. 1 lit. a-d VO Nr. 596/2014 bzw. der zwingenden Beispiele des Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 voll erfüllt sind. Hinsichtlich der Wirkungen – z.B. der Herbeiführung eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 84 ff.) – ist zu berücksichtigen, dass Art. 12 Abs. 1 lit. a–d VO Nr. 596/2014 jeweils auch die Wahrscheinlichkeit bzw. Eignung des Eintritts der Wirkung genügen lassen (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 54).
2. Versuch einer Marktmanipulationshandlung nach Art. 12 VO Nr. 596/2014 Das Vorliegen eines Versuchs i.S.d. Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 bestimmt sich einheitlich nach unions- 15 und kapitalmarktrechtlichen und nicht nach deutschen strafrechtsdogmatischen Maßstäben. Es handelt sich bei den Art. 15 und 12 VO Nr. 596/2014 um aufsichtsrechtliche, also öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen. Auch wenn sie in einem engen Zusammenhang mit den straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsvorschriften stehen, enthalten sie für sich genommen nur aufsichtsrechtliche Verbote, die nicht nur straf- oder bußgeldrechtlich, sondern auch verwaltungsrechtlich bedeutsam sind (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 50 f.). Der Versuch einer Marktmanipulation liegt nach diesen Maßstäben vor, wenn eine in Art. 12 Abs. 1 lit. a–d 16 bzw. Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 genannte Handlungsweise begonnen, aber noch nicht zu Ende geführt wurde, sie im Falle ihrer vollständigen Durchführung aber (hypothetisch) zum Eintritt einer von Art. 12 Abs. 1 oder 2 VO Nr. 596/2014 genannten Wirkung geführt bzw. eine Wahrscheinlichkeit oder Eignung zu dieser Wirkung gehabt hätte15. Dabei liegt ein Verstoß gegen Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 in der Regel nur vor, wenn die Durchführung aus nicht in der Sphäre des Manipulators liegenden Gründen scheiterte, nicht aber bei deren freiwilliger Aufgabe. Dies gilt jedenfalls, soweit die unvollständige Handlung nicht bereits vom jeweiligen Auffangtatbestand („sonstige Handlung“) der entsprechenden Manipulationsvariante erfasst wird16. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann von einer hinreichenden Gefahr für die Schutzgüter des Marktmanipulationsverbots ausgegangen werden, die die Erstreckung des Verbots auf den Versuch legitimieren (Rz. 10 ff.). Eine Abgrenzung zwischen Versuch und bloßer Vorbereitungshandlung ist bei dieser Auslegung entbehrlich17, da der Manipulator seinen Versuch regelmäßig schon „beendet“ hat. Zu weitgehend wäre es, den Versuch auch auf alle Fälle zu erstrecken, in denen die Handlung schon objektiv nicht dazu geeignet ist, den Erfolg herbeizuführen18. Der sog. „untaugliche Versuch“ ist vielmehr nicht erfasst19. Anhaltspunkte für dieses Verständnis liefert Erwägungsgrund 41 VO Nr. 596/2014. Nach dessen Satz 3 kann sich ein Versuch nämlich „unter anderem auf Situationen erstrecken, in denen die Aktivität begonnen, aber nicht vollendet wird, beispielsweise aufgrund technischen Versagens oder eines Handelsauftrags, der nicht ausgeführt wird“. Irrelevant ist, ob eine Handlung tatsächliche Auswirkungen etwa auf den Kurs eines Finanzinstruments hatte, da die durchgeführte Manipulation nach Art. 15 Alt. 1 VO Nr. 596/ 2014 in allen Varianten des Art. 12 VO Nr. 596/2014 auch die Eignung bzw. Wahrscheinlichkeit zu dieser Wirkung genügen lässt20.
15 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 59 f.; anders und teils weiter Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 13 ff. 16 In diesem Sinne auch Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 14 f., für den eine unvollständige Handlung nur bei Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 in Betracht kommt, da er die Auffangtatbestände des Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 besonders weit versteht. Gegen diese Auslegung spricht freilich auch Erwägungsgrund 41 VO Nr. 596/2014, den Schmolke als „unglücklich formuliert“ bezeichnet. 17 Zur Abgrenzung in seinem Konzept Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 25 f. 18 Insofern zutreffend Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 30. 19 A.A. wohl Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 59. 20 S. deutlich auch Erwägungsgrund 19 Satz 2 des Kommissionsvorschlags zur Marktmissbrauchsverordnung: „Der Versuch der Marktmanipulation sollte unterschieden werden von Situationen, in denen Handlungen nicht die gewünschte Wirkung auf den Kurs eines Finanzinstruments haben.“
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 | Verbot der Marktmanipulation 17 Im Ausgangspunkt unmaßgeblich für die Verwirklichung eines aufsichtsrechtlichen Verstoßes gegen Art. 15
Alt. 2 VO Nr. 596/2014 ist das Vorliegen eines subjektiven Elements beim Manipulator21. Insoweit ist nämlich eine von der nationalen und auch der unionalen Strafrechtsdogmatik unabhängige Auslegung geboten (Rz. 15 und Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 50 f.)22. Danach ist ein subjektives Element für den Versuch nicht stets erforderlich. Vielmehr gilt: soweit die Marktmanipulationstatbestände keine subjektiven Merkmale umfassen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 ff.), können diese auch nicht für den Versuchstatbestand erforderlich sei; beinhaltet der Grundtatbestand einer Marktmanipulation ein subjektives Element (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 ff.), muss dieses auch bei einem Versuch gegeben sein. Dass ein subjektives Element beim Versuch einer Marktmanipulation auch einmal fehlen kann, legt auch die Entstehungsgesichte der Vorschrift nahe. Die Europäische Kommission hatte mit der Erweiterung auf den Versuch in ihrem ursprünglichen Entwurfsvorschlag zwar durchaus vor Augen, gerade Fälle zu erfassen, in denen klare Beweise für die Absicht zur Manipulation vorlagen, es aber eben nicht zu einem Auftrag oder Geschäft kam23. In die finale Fassung der MAR haben diese Erwägungen aber keinen Eingang gefunden.
17a Was die Konsequenzen der vorstehend entfalteten Grundposition angeht, folgt daraus nicht, dass der Beweis
für eine klare Absicht kein Indiz für das Vorliegen eines Versuchs sein kann. Es muss aber immer geprüft werden, ob eine Handlung i.S.d. Art. 12 VO Nr. 596/2014 zumindest begonnen wurde und im Falle ihrer Durchführung auch tatsächlich oder wahrscheinlich zu einer der von Art. 12 VO Nr. 596/2014 genannten Wirkungen geführt hätte. Nach welchen Kriterien das Vorliegen eines verbotenen Versuchs einer Marktmanipulation konkret bestimmt wird, hängt ganz wesentlich von der jeweiligen Marktmanipulationsvariante nach Art. 12 Abs. 1 bzw. Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ab. Schließlich folgt aus dem Verzicht auf ein generelles kapitalmarktrechtliches Vorsatzerfordernis auch beim Versuch keineswegs, dass eine Sanktionierung – gleich ob verwaltungsrechtlich oder strafrechtlich – nicht vom Vorliegen subjektiver Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann bzw. sogar muss (vgl. Rz. 31 ff.)24.
18 Mit § 119 Abs. 4 WpHG, wonach der Versuch einer Marktmanipulation nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m.
§ 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG strafbar ist, setzt der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben in Art. 6 Abs. 2 RL 2014/57/EU um. Diese gesonderte Anordnung der Strafbarkeit des Versuchs ist trotz des Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 nicht entbehrlich, weil § 119 Abs. 1 WpHG für die Strafbarkeit zusätzliche, in den Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 nicht genannte Voraussetzungen aufstellt (Rz. 31 f.). Bei § 119 Abs. 4 WpHG sind – anders als für die Verwirklichung einer versuchten Marktmanipulation nach Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 – die strafrechtsdogmatischen Regeln des nationalen Strafrechts maßgeblich, jedenfalls soweit die RL 2014/57/EU keine vorrangingen Regelungen enthält. Entscheidend ist, dass der Täter den Tatentschluss gefasst und nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zu ihr angesetzt hat25. Nur in diesem Rahmen kommt auch ein Rücktritt vom Versuch als persönlicher Strafaufhebungsgrund26 in Betracht. Subjektiv muss der Täter auch die Erfolgsverwirklichung in seinen Vorsatz aufgenommen haben.
19 Der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG verweist vollumfänglich auf Art. 15
VO Nr. 596/2014: „wer … entgegen Artikel 15 eine Marktmanipulation begeht“. Er nimmt damit auch den Versuch einer Marktmanipulation gem. Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 in Bezug, so dass dieser als Ordnungswidrigkeit ahndbar ist. Erforderlich ist die Inbezugnahme auch des Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014, weil der Versuch einer Ordnungswidrigkeit nach § 13 Abs. 2 OWiG nur im Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ahndbar ist.
20 Zu den Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbeständen ausführlich §§ 119, 120 WpHG (§ 119 WpHG
Rz. 35 ff. bzw. § 120 WpHG Rz. 342) und knapp unten Rz. 31 ff.
a) Versuch einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 21 Tatbestandliche Handlung einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. a oder b VO Nr. 596/2014 ist
der Abschluss eines Geschäfts, die Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, die eine der genannten Wirkungen nach sich zieht bzw. eine Eignung dazu aufweist. Ein Versuch einer handelsgestützten Marktmanipulation nach Art. 15 Alt. 2, 12 Abs. 1 lit. a oder b VO Nr. 596/2014 kommt in Be21 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 31; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 60. 22 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 31 unter Verweis auch auf die unionale Strafrechtsdogmatik. 23 Vorschlag für Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)/* KOM/2011/0651 endgültig – 2011/0295 (COD), Begründung 3.4.1.4. und Erwägungsgrund 19. 24 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 31. 25 Vgl. Diversy/Knöpfle in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rz. 238. 26 Zu diesem Diversy/Knöpfle in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 38 WpHG Rz. 240 f.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 24 Art. 15 VO Nr. 596/2014
tracht, wenn es bei einem avisierten Geschäft (zum Begriff s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 52) gerade nicht zum Abschluss (zum Begriff s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 55 ff.) kommt, insbesondere weil Umstände außerhalb der Sphäre des Manipulators – z.B. wenn ein Geschäft wegen Manipulationsverdachts vom Skontoführer abgelehnt wird – den Geschäftsabschluss verhindert haben. Gleiches gilt, wenn ein Handelsauftrag abgegeben wird, es aber aus bestimmten, nicht in der Person des Manipulators liegenden, Gründen nicht zum Zugang des Handelsauftrags kommt. Das kann bei einem technischen Versagen der Übermittlungswege oder auch dann der Fall sein, wenn ein eingeschalteter Bote den Auftrag nicht übermittelt. Für die Versuchsalternative des Art. 15 VO Nr. 596/2014 ist neben der begonnenen Handlung erforderlich, dass das Geschäft bzw. der Handelsauftrag bei seinem gedachten Abschluss bzw. seiner Erteilung die von Art. 12 Abs. 1 lit. a bzw. b VO Nr. 596/2014 genannten Wirkungen bzw. eine Eignung zu ebendiesen gehabt hätte. Die Gefahrenschwelle für die Schutzgüter des Marktmanipulationsverbots wird in der Regel nur überschritten sein, wenn es aus Sicht des Manipulators nur vom Zufall abhing, dass es nicht zu einem Geschäftsabschluss kam oder der Handelsauftrag nicht eingegangen ist, nicht aber zum Beispiel, wenn er zwar einen entsprechenden Handelsauftrag einzugeben beabsichtigte und dazu auch Vorbereitungen traf, letztlich aber doch davon Abstand nahm27. b) Versuch einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 Die tatbestandliche Handlung im Rahmen einer informationsgestützten Marktmanipulation nach Art. 12 22 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 ist die Verbreitung von Informationen. Für das Verbreiten der Informationen genügt die Kundgabe gegenüber mindestens einer Person, weshalb über die Abgabe einer Erklärung hinaus auch deren Zugang bei mindestens einer Person erforderlich ist. Hierfür muss die Information in der Weise in den Herrschaftsbereich mindestens einer Person gelangen, dass diese von der Information Kenntnis nehmen kann (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 200). Eine versuchte Marktmanipulation i.S.d. Art. 15 Alt. 2, 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 kommt deshalb in Betracht, wenn die eine Information enthaltende Erklärung zwar abgegeben wird, aber nicht auch nur einer Person zugeht. Aus welchen Gründen es nicht zum Zugang kommt, etwa aufgrund eines technischen Defekts, ist grundsätzlich unerheblich. Wurde eine Erklärung mit einer Information, die die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 erfüllt, abgegeben und hätte dies im Falle des (gedachten) Zugangs die von Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 genannten Wirkungen bzw. eine Eignung oder Wahrscheinlichkeit hierzu aufgewiesen hätte, liegt darin eine versuchte Marktmanipulation. Wenn der Manipulator nach der Abgabe den Zugang durch Tätigwerden verhindert und damitin strafrechtlicher Diktion – zurücktritt, lässt dies den Verstoß gegen Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 nicht entfallen. Im Rahmen der Sanktionierung (Rz. 31 ff.) muss ein solches Verhalten aber zugunsten des Manipulators berücksichtigt werden. Nicht genügend für eine Verwirklichung des Versuchs ist aber auch hier (s. auch Rz. 16), wenn die verbreitete Information schon objektiv nicht dazu geeignet ist, auch nur wahrscheinlich ein irreführendes Signal zu senden oder ein anormales oder künstliches Kursniveau herbeizuführen28. c) Versuch einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 Als tatbestandliche Handlung verlangt Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 alternativ (die Übermittlung 23 falscher oder irreführender Angaben bezüglich eines Referenzwerts, die Bereitstellung falscher oder irreführender Ausgangsdaten bezüglich eines Referenzwerts oder eine sonstige Handlung, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird (ausführlich Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 221 ff.). Diese Handlungsweisen müssen jeweils geeignet sein, einen Referenzwert zu manipulieren, müssen aber nicht tatsächlich auf einen solchen einwirken (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 231)29. Subjektiv muss der Manipulator bei den ersten beiden Handlungsvarianten Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis davon haben, dass die Angaben bzw. Ausgangsdaten unrichtig oder irreführend sind, bei den sonstigen Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird, muss er vorsätzlich oder fahrlässig handeln (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 232 f.). Für den Versuch nach Art. 15 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 ist objektiv erforderlich, dass eine der genannten 24 Handlungsweisen begonnen aber nicht zu Ende geführt wurde30. Bei der ersten Handlungsvariante (Übermittlung) muss der Manipulator etwa mit der Übermittlung falscher oder irreführender Angaben begonnen haben, es darf aber nicht zum Zugang bei einem Dritten (dem Administrator) gekommen sein, der für die Übermittlung objektiv erforderlich ist (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 224). Die Handlungsweise der Bereit-
27 28 29 30
Weiter Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 13 ff. A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 17 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 59. A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 19 für Var. 3, die er als „klassisches Erfolgsdelikt“ bezeichnet. Insoweit auch Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 22.
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 24 | Verbot der Marktmanipulation stellung von falschen oder irreführenden Ausgangsdaten ist bereits dann voll verwirklicht, wenn der Manipulator aktiv Ausgangsdaten für Administratoren von Referenzwerten verfügbar macht, diese mithin auf die Daten selbständig zugreifen können (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 227). Nicht erforderlich ist, dass sie bereits auf die Daten zugegriffen haben. Ein Versuch kommt daher in Betracht, wenn z.B. eine Datenbank für den Zugriff der Administratoren beeinflusst wird und dort falsche oder irreführende Ausgangsdaten hinterlegt werden, die Administratoren aber trotz Zugangs noch nicht auf die Daten zugegriffen haben. Die Handlungsvariante der sonstigen Handlungen, durch die die Berechnung eines Referenzwerts manipuliert wird, erfasst jede andere Form der Beeinflussung eines Referenzwerts (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 230). Der Kreis der möglichen Handlungsweisen, die einen Versuch darstellen, ist deshalb sehr weit. Ob eine bestimmte Verhaltensweise bereits als Versuch einzuordnen ist, ist teleologisch danach zu beurteilen, ob die konkrete Handlung bereits eine derart große Gefahr für die Integrität des jeweiligen Referenzwerts bedeutet, dass ein aufsichtsbehördliches oder gar sanktionenrechtliches Einschreiten erforderlich ist, um die Integrität des Finanzmarkts und das Vertrauen der Anleger (Rz. 9) zu gewährleistet. Nicht genügend ist es auch für die Versuchsvariante des Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014, wenn die jeweilige Handlung schon objektiv ungeeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg (wahrscheinlich) zu erreichen31. 25 Da der Manipulationstatbestand des Art. 12 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014 in allen Varianten ein subjektives
Element erfordert, muss auch bei der Verwirklichung des Versuchstatbestands Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Unrichtigkeit oder Irreführungseignung der Angabe bzw. Vorsatz oder Fahrlässigkeit hinsichtlich der Manipulation durch eine sonstige Handlung vorliegen (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 232 f.).
d) Versuch der zwingenden Beispiele einer Marktmanipulation nach Art. 12 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 26 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. a VO Nr. 596/2014 gelten als Marktmanipulation alle Handlungen, die zur Siche-
rung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot oder die Nachfrage nach einem Finanzinstrument, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten, mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kaufs- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen führt oder hierzu geeignet ist (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 236 ff.). Die Manipulationshandlung ist die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot oder die Nachfrage von bzw. nach Finanzinstrumenten, damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten. Ein Versuch kann vorliegen, wenn der Manipulator mit Vorbereitungshandlungen zur Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung ansetzt und von diesen Vorbereitungshandlungen bereits eine Gefahr für die geschützten Rechtsgüter ausgeht. Zudem erfordert der Versuch, dass die hypothetische Durchführung der Sicherung auf die in der Norm genannten Instrumente bezogen wäre und zu der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge einer unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung des Kauf- oder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen führen würde oder hierzu geeignet wäre. Zur Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung bedarf es weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 240), weshalb sich auch die Versuchsverwirklichung allein nach objektiven Kriterien bestimmt.
27 Als Marktmanipulationen gelten gem. Art. 12 Abs. 2 lit. b VO Nr. 596/2014 der Kauf oder Verkauf von Fi-
nanzinstrumenten an einem Handelsplatz bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss mit der tatsächlichen oder wahrscheinlichen Folge, dass Anleger, die aufgrund der angezeigten Kurse, einschließlich der Eröffnungsund Schlusskurse, tätig werden, irregeführt werden. Tatbestandliche Handlung ist bei diesem zwingenden Beispiel einer Marktmanipulation der Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Handelsbeginn oder bei Handelsschluss (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 248 ff.). Der Kauf oder Verkauf wird nicht streng zivilrechtlich, sondern kapitalmarktrechtlich als Orders verstanden (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 248). Ein Versuch kommt in Betracht, wenn ein avisierter Kauf oder Verkauf nicht zustande kommt oder aber bereits ein Handelsauftrag nicht dem Empfänger zugeht (vgl. Rz. 21). Die Gründe für das Scheitern der Order müssen grundsätzlich außerhalb der Sphäre des Manipulators liegen (vgl. Rz. 16). Zudem ist für die Verwirklichung dieser Versuchsalternative des Art. 15 VO Nr. 596/2014 erforderlich, dass der Kauf bzw. Verkauf bei seinem gedachten Abschluss bzw. der Handelsauftrag bei seinem gedachten Eingang bzw. seiner Ausführung die tatsächliche oder wahrscheinliche Folge gehabt hätte, dass Anleger, die aufgrund der angezeigten Kurse, einschließlich der Eröffnungs- und Schlusskurse, tätig werden, irregeführt werden. Wie beim Grundtatbestand (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 251) ist ein subjektives Element auch für die Versuchsverwirklichung nicht erforderlich.
28 Nach Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 sind bestimmte Handlungsformen und -weisen im Hochfre-
quenz- und algorithmischen Handel als Marktmanipulation zu bewerten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 257 ff.). Als tatbestandliche Handlung fordert Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 die Kauf- oder Ver31 A.A. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 23.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 31 Art. 15 VO Nr. 596/2014
kaufsaufträge an einem Handelsplatz, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, mittels aller zur Verfügung stehenden Handelsmethoden, auch in elektronischer Form, beispielsweise durch algorithmische und Hochfrequenzhandelsstrategien. Für die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen sind auch hier nicht zivilrechtliche (im Sinne des bürgerlichen Auftrags- und Kaufrechts), sondern kapitalmarktrechtliche Maßstäbe anzulegen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 257). Ein Handelsauftrag ist erteilt, wenn er dem Adressaten zugegangen ist; nicht erforderlich ist, dass er bereits im Orderbuch eingestellt ist. Ein Versuch kann daher insbesondere vorliegen, wenn Handelsaufträge abgegeben werden, dem Adressaten aber nicht zugehen (vgl. Rz. 27), und die Kauf- oder Verkaufsaufträge im Falle ihrer erfolgreichen Erteilung die in Art. 12 Abs. 2 lit. c VO Nr. 596/2014 genannten Wirkungen entfaltet hätten. Wie beim Grundtatbestand (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 263) ist ein subjektives Element auch für die Versuchsverwirklichung nicht erforderlich. Nach Art. 12 Abs. 2 lit. d VO Nr. 596/2014 gilt als Marktmanipulation jede Ausnutzung eines gelegentli- 29 chen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument, einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt oder einem auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekt (oder indirekt zu dessen Emittenten), wobei zuvor Positionen in diesem Instrument eingegangen wurden und anschließend (nach der Stellungnahme) Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs dieses Finanzinstruments, eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts oder eines auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekts gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt ordnungsgemäß und wirksam mitgeteilt wird (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 267 ff.). Der Nutzen wird regelmäßig aus der gewinnbringenden oder verlustreduzierenden Auflösung der Position in dem betreffenden Instrument gezogen (Art. 12 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 266). Ein Versuch kommt in Betracht, wenn einzelne oder alle dieser Handlungen zwar begonnen, aber nicht zu Ende geführt wurden. Die Gefahrenschwelle für die Schutzgüter des Marktmanipulationsverbots wird in der Regel erst überschritten sein, wenn eine entsprechende Stellungnahme abgegeben wird und zuvor Positionen in dem Finanzinstrument eingenommen wurden, die anschließende Ausnutzung des Kurseffekts aber scheitert. Da bereits der Grundtatbestand Vorsatz erfordert (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 269, 277), ist dieses auch für den Versuch zu verlangen. Es muss mithin die Absicht bestanden haben, die Wirkungen der Stellungnahme auszunutzen. Nach Art. 12 Abs. 2 lit. e VO Nr. 596/2014 liegt eine Marktmanipulation im Kauf oder Verkauf von Emis- 30 sionszertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt vor der Versteigerung gemäß der VO Nr. 1031/2010 mit der Folge, dass der Auktionsclearingpreis für die Auktionsobjekte auf anormaler oder künstlicher Höhe festgesetzt wird oder dass Bieter, die auf den Versteigerungen bieten, irregeführt werden (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 280 ff.). Hinsichtlich Kauf und Verkauf gelten hier die Ausführungen oben Rz. 21, 27 ganz entsprechend, so dass ein Versuch in Betracht kommt, wenn Kauf- oder Verkaufsorders abgegeben werden, aber nicht zugehen, oder wenn der Kauf- oder Verkauf aus sonstigen, außerhalb der Sphäre des Manipulators liegenden Gründen scheitert. Ein subjektives Element muss dabei nicht zwingend vorliegen.
VI. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 1. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung a) Sanktionierungssystem der §§ 119, 120 WpHG Die Strafvorschriften des WpHG finden sich nach ihrer Reformierung durch das 1. und 2. Finanzmarkt- 31 novellierungsgesetz in § 119 WpHG. Nach § 119 Abs. 1 WpHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer eine in § 120 Abs. 2 Nr. 3 oder § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG bezeichnete vorsätzliche Handlung begeht und dadurch einwirkt auf 1. den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments, eines damit verbundenen WarenSpot-Kontrakts, einer Ware i.S.d. § 2 Abs. 5 oder eines ausländischen Zahlungsmittels i.S.d. § 51 des Börsengesetzes, 2. den Preis eines Finanzinstruments oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts an einem organisierten Markt, einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, 3. den Preis einer Ware i.S.d. § 2 Abs. 5 oder eines ausländischen Zahlungsmittels i.S.d. § 51 des Börsengesetzes an einem mit einer inländischen Börse vergleichbaren Markt in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder 4. die Berechnung eines Referenzwertes im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Mülbert | 485
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 32 | Verbot der Marktmanipulation 32 Für den Straftatbestand des § 119 Abs. 1 WpHG ist tatbestandsseitig der dortige Verweis auf § 120 Abs. 15
Nr. 2 WpHG maßgeblich. Nach diesem handelt ordnungswidrig, wer gegen die VO Nr. 596/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig entgegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 eine Marktmanipulation begeht. Da Art. 15 VO Nr. 596/2014 nur statuiert, dass Marktmanipulation und der Versuch hierzu verboten sind, ist für den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG und damit auch für den Straftatbestand des § 119 Abs. 1 WpHG die begriffliche Ausfüllung der Marktmanipulation durch Art. 12 VO Nr. 596/2014 maßgeblich (vgl. Rz. 2). Weder § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG noch § 119 Abs. 1 WpHG sind durch die Verweisungsketten auf Art. 15 VO Nr. 596/2014 und mittelbar auf Art. 12 VO Nr. 596/2014 unbestimmt32. Für die Verwirklichung des Straftatbestands des § 120 Abs. 1 WpHG genügt aber nicht allein der vorsätzliche Verstoß gegen § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG. Vielmehr bedarf es zusätzlich einer tatsächlichen Einwirkung auf eines der in den § 119 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 WpHG bezeichneten Manipulationsobjekte. Der Einwirkungserfolg ist nicht bloß objektive Strafbarkeitsbedingung und auch nicht im technischen Sinne des § 18 StGB eine Erfolgsqualifikation, sondern gehört zum strafrechtlichen Unrecht und muss seinerseits vom Vorsatz umfasst sein (§ 15 StGB)33. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nach § 119 Abs. 4 WpHG auch der Versuch strafbar ist (dazu § 119 WpHG Rz. 127 ff.).
33 Der deutsche Gesetzgeber setzt mit der Strafvorschrift des § 119 Abs. 1 Alt. 2 WpHG die Vorgaben des Art. 5
Abs. 1 bzw. Art. 6 Abs. 2 RL 2014/57/EU weitestgehend richtlinienkonform um (Rz. 5 f.)34. Art. 5 Abs. 1 RL 2014/57/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, sicherzustellen, dass Marktmanipulation gem. Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU zumindest in schweren Fällen und bei Vorliegen von Vorsatz eine Straftat darstellt; Art. 6 Abs. 2 RL 2014/57/EU verpflichtet sie dazu, sicherzustellen, dass auch der Versuch der in Art. 5 RL 2014/57/EU genannten Tat strafbar ist. Regelungstechnisch hat sich der deutsche Gesetzgeber bei der Sanktionierung des Marktmanipulationsverbots in den §§ 119, 120 WpHG für die Schaffung von Blanketttatbeständen entschieden, die tatbestandsseitig weitestgehend auf die Bestimmungen der VO Nr. 596/2014 verweisen35. Dies gilt auch für den Straftatbestand des § 119 Abs. 1 WpHG, der über den Verweis auf § 120 Abs. 2 Nr. 3 WpHG an Art. 15 VO Nr. 596/2014 anknüpft, obgleich die für die strafrechtliche Ahndung maßgebliche RL 2014/57/EU (CRIM-MAD), deren Umsetzung § 119 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 WpHG dient, eine eigene Definition der Marktmanipulation kennt (Rz. 4). Im Ergebnis ist der Verweis auf Art. 15 VO Nr. 596/2014 statt auf Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU aber unschädlich, da der europäische Gesetzgeber beiden Begriffsbestimmungen denselben Regelungsgehalt zumessen wollte, und die mit dem Verweis auf die Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 verbundenen Erweiterungen (Rz. 5 f.) grundsätzlich unschädlich sind, da Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU lediglich mindestharmonisierende Vorgaben macht (Rz. 5). Etwas anderes gilt nur für die zulässige Marktpraxis nach Art. 12 Abs. 1 lit. a letzter Halbs. VO Nr. 596/2014: Anders als die kapitalmarktrechtliche Norm des Art. 12 VO Nr. 596/2014 sieht nämlich Art. 5 Abs. 2 RL 2014/57/EU insoweit kein Nachweiserfordernis vor, was bei einem Straftatbestand auf erhebliche Bedenken stößt (näher Art. 13 VO Nr. 596/2014 Rz. 34).
34 Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung des Marktmanipulationsverbots enthält § 120 Abs. 15
Nr. 2 WpHG (näher § 120 WpHG Rz. 339 ff.). Mit ihr setzt der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 30 VO Nr. 596/2014 um (§ 120 WpHG Rz. 339)36. Nach § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG handelt ordnungswidrig, wer gegen die VO Nr. 596/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig entgegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 eine Marktmanipulation begeht. Dass ein bestimmter Erfolg eintritt, ist für den Ordnungswidrigkeitentatbestand nicht erforderlich. Der § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG hat zwei objektive und eine subjektive Voraussetzung. Objektiv muss der Manipulator gegen die VO Nr. 596/2014 gerade durch die Begehung einer Marktmanipulation nach Art. 15 MAR verstoßen. Fehlt es tatbestandlich an einem Verstoß gegen die MAR, kann auch keine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG vorliegen (Rz. 32). Subjektiv muss er mit Vorsatz oder leichtfertig37 (grob fahrlässig) gehandelt haben (§ 120 WpHG Rz. 342, 362 ff.). Näher § 120 WpHG Rz. 342 ff.
35 Bei § 120 WpHG ist der deutlich ausgeweitete Bebußungsrahmen besonders hervorzuheben (§ 120 WpHG
Rz. 376 ff.). Auch insoweit macht Art. 30 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 bereits konkrete Mindestvorgaben38. Ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation nach § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG kann gem. § 120 Abs. 18 Satz 1 WpHG gegen eine natürliche Person mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro geahndet 32 33 34 35
A.A. Bergmann/Vogt, wistra 2016, 347. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 94. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64; dazu auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 87. Begr. RegE, BT-Drucks. 18/7482, 64; s. dazu Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 10 ff. 36 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 38. 37 Zum Begriff im Kapitalmarktrecht ausführlich von Buttlar/Hammermaier, ZBB 2017, 1 ff. 38 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 38.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 37 Art. 15 VO Nr. 596/2014
werden39. Gegenüber einer juristischen Person oder Personenvereinigung kann nach § 120 Abs. 18 Satz 2 WpHG darüber hinaus eine höhere Geldbuße verhängt werden; diese darf den höheren der Beträge von fünfzehn Millionen Euro und (gemeint ist „oder“) 15 Prozent des Gesamtumsatzes, den die juristische Person oder Personenvereinigung im der Behördenentscheidung vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, nicht überschreiten, kann also bei einem entsprechend hohen Jahresumsatz auch deutlich über 15 Millionen Euro liegen (§ 120 WpHG Rz. 376 ff.)40. Dies gilt insbesondere wegen der Definition des Gesamtumsatzes in § 120 Abs. 23 WpHG. Soweit es sich bei der juristischen Person oder Personenvereinigung um ein Mutterunternehmen oder um eine Tochtergesellschaft handelt, ist nämlich nach § 120 Abs. 23 Unterabs. 2 WpHG anstelle des Gesamtumsatzes der juristischen Person oder Personenvereinigung der jeweilige Gesamtbetrag in dem Konzernabschluss des Mutterunternehmens maßgeblich41. Ferner kann nach § 120 Abs. 18 Satz 3 WpHG die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu dem dreifachen Betrag des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils geahndet werden. Der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und kann geschätzt werden (§ 120 Abs. 18 Satz 4 WpHG)42. Hierbei handelt es sich um eine – weil potenzierte – über § 17 Abs. 4 OWiG hinausgehende Möglichkeit der Vorteilsabschöpfung43. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 OWiG ist durch § 120 Abs. 25 Satz 1 WpHG ausdrücklich ausgeschlossen, so dass der Bußgeldrahmen auch bei einer fahrlässigen, genauer gesagt einer leichtfertigen (Rz. 32) Marktmanipulation nicht eingeschränkt ist. b) Auswirkungen der Reform des Marktmissbrauchsrechts für Alt-Taten (Generalamnestie?) Die Folgen der Reform des Marktmissbrauchsrechts durch das Inkrafttreten der MAR und das 1. FiMaNoG 36 für die Möglichkeit der Verfolgung bzw. Aburteilung von Alt-Taten sind Gegenstand einiger Kontroversen. Dabei sind drei Problemkomplexe zu unterscheiden: Erstens stellt sich die Frage, ob es aufgrund des zeitlich divergierenden Inkrafttretens des 1. FiMaNoG einerseits und der MAR andererseits am 2.7.2016 zu einer temporären Ahndungslücke für Verstöße gegen das Marktmanipulationsverbot kam (Rz. 37). Bei Bejahung einer solchen Ahndungslücke stellt sich vor dem Hintergrund des in § 2 Abs. 3 StGB normierten Lex-mitior-Grundsatzes zweitens die Frage nach einer Generalamnestie für Alt-Taten (Rz. 38). Unabhängig von der ersten Frage stehen drittens – ebenfalls vor dem Hintergrund des Lex-mitior-Grundsatzes – die Auswirkungen der nunmehr fehlenden Strafbarkeit eines Unterlassens für entsprechende Alt-Taten in Rede (Rz. 39 f.). Das 1. FiMaNoG ist bereits am 2.7.2016 in Kraft getreten und hat an diesem Tag die Straf- und Ordnungs- 37 widrigkeitentatbestände des WpHG geändert. Die von den geänderten Bestimmungen des WpHG in Bezug genommen Vorschriften der VO Nr. 596/2014 (insbesondere Art. 15) waren aber gem. Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 erst ab dem 3.7.2016 anwendbar. Dies soll nach einer Auffassung im Schrifttum dazu geführt haben, dass diejenigen straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Blankettregelungen des WpHG (§§ 38, 39 WpHG i.d.F. des 1. FiMaNoG), die am 2.7.2016 auf Vorschriften der VO Nr. 596/2014 verwiesen, ins Leere gingen (temporäre Ahndungslücke)44. Der 5. Strafsenat des BGH hat diese Auffassung mit anschließender Billigung durch das BVerfG45 schnell verworfen46. Er folgte damit seinerseits Stellungnahmen der BaFin47, der Bundesregierung48 und einer Stimme im Schrifttum49. Nach diesen hatten die Bezugnahmen in §§ 38 und 39 WpHG a.F. auf Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 am 2.7.2016 nicht zu einem Leerverweis, sondern vielmehr dazu geführt, dass diese Vorschriften der MAR vor ihrer unmittelbaren unionsrechtlichen Anwendbarkeit am 3.7.2016 in Deutschland bereits ab dem 2.7.2016 durch den Bundesgesetzgeber für anwendbar erklärt wurden50. Gleichwohl ist für den 2.7.2016 richtigerweise eine temporäre Ahnungslücke zu
39 Poelzig, NZG 2016, 492, 497. 40 Insoweit hat sich der deutsche Gesetzgeber richtlinienkonform dafür entschieden, auf den jeweils höheren Betrag als Obergrenze abzustellen, obgleich er sich nach der Richtlinie auch für einen einzigen Wert hätte entscheiden können. So auch Teigelack/Dolff, BB 2016, 387, 389; Poelzig, NZG 2016, 492, 498; Kudlich, AG 2016, 459, 464. 41 Kritisch dazu Poelzig, NZG 2016, 492, 498; siehe auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 78 f. 42 Poelzig, NZG 2016, 492, 499. 43 Poelzig, NZG 2016, 492, 499. 44 Ausführliche Übersicht und Einordnung bei Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 20. 45 BVerfG v. 3.5.2018 – 2 BvR 463/17, AG 2018, 675 = NZG 2018, 831; dazu auch Kämpfer in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, § 137 WpHG Rz. 1. 46 BGH v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16, WM 2017, 172 ff. = AG 2017, 153 ff. = NZG 2017, 236 mit Anm. Brand/Hotz. 47 BaFin, Keine Strafbarkeitslücke im Kapitalmarktrecht, Meldung vom 8.7.2016, abrufbar unter: https://www.bafin.de/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Pressemitteilung/2016/pm_160708_bz_keine_ahndungsluecke.html. 48 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/10936, 218 f. 49 Klöhn/Büttner, ZIP 2016, 1801 ff. 50 BGH v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16 Rz. 8, WM 2017, 172 = AG 2017, 153.
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 37 | Verbot der Marktmanipulation konstatieren. § 39 WpHG in der Fassung des 1. FiMaNoG setzt neben der Zuwiderhandlung gegen das in Art. 15 VO Nr. 596/2014 geregelte Verbot der Marktmanipulation nämlich ausdrücklich voraus, dass der Täter durch sein Verhalten gerade gegen die MAR verstößt. Dabei handelt es sich nicht lediglich um eine rechtlich irrelevante Formulierung51, sondern um ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, das neben dem Zuwiderhandeln gegen die in Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 formulierten Verbote ebenfalls erfüllt sein muss52. Die Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmals, des Verstoßes gegen die MAR, war am 2.7.2016 jedoch unmöglich, da die MAR an diesem Tag noch nicht anwendbar war, und gegen nicht anwendbares Recht nicht verstoßen werden kann53. 38 Die temporäre Ahndungslücke am 2.7.2016 (Rz. 38) führt wegen des in § 2 Abs. 3 StGB geregelten Lex-
mitior-Grundsatzes nicht lediglich zu einer 24-stündigen Ahndungslücke, sondern an sich zur Straflosigkeit bzw. zu einem Ahndungsverbot auch für denjenigen bzw. auch für diejenigen Verstöße, die vor dem 2.7.2016 begangen und bis zu diesem Tag nicht rechtskräftig abgeurteilt wurden (Generalamnestie)54. Um diese Rechtsfolge zu vermeiden hat der deutsche Gesetzgeber mit § 137 WpHG (§ 52 WpHG a.F.) – quasi vorsorglich55 – reagiert56. Dieser ordnet an, dass Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten nach § 119 bzw. § 120 WpHG in der bis zum Ablauf des 1.7.2016 geltenden Fassung, abweichend von § 2 Abs. 3 StGB, nach den zum Zeitpunkt der Tat geltenden Bestimmungen geahndet werden. Dieses Gesetz dürfte sowohl verfassungsals auch unionsrechtskonform sein, da das schützenswerte Vertrauen in diese versehentliche und nur kurzeitige Ahndungslücke kaum ins Gewicht fällt und die rückwirkende Außerkraftsetzung den Lex-mitiorGrundsatz auch nicht in seinem Wesen beeinträchtigt57.
39 Das neue europäische und nationale Marktmissbrauchsrecht hat neben der temporären Ahndungslücke am
2.7.2016 (Rz. 37) zudem dazu geführt, dass das pflichtwidrige Verschweigen kapitalmarktrelevanter Informationen überhaupt nicht mehr als Ordnungswidrigkeit oder Straftat ahndbar ist58. Seit dem 2.7.2016 existiert nämlich weder ein der Regelung des § 38 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 11, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG a.F. entsprechendes echtes Unterlassungsdelikt59, noch lässt sich eine Strafbarkeit wegen Marktmanipulation durch Unterlassen gem. § 119 Abs. 1, § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG, Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 – quasi ersatzweise – unter Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 13 Abs. 1 StGB konstruieren60. Dies ist eine zwingende Folge der unmittelbar anwendbaren und insoweit vollharmonisierenden Regelungen in Art. 15 und 12 VO Nr. 596/2014. Im Gegensatz zur vormals maßgeblichen nationalen Vorschrift des früheren § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG beschränkt die MAR den Tatbestand der Marktmanipulation nämlich ausdrücklich auf aktive Handlungen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 62, 152).
40 Vor dem Hintergrund des in § 2 Abs. 3 StGB, Art. 49 Abs. 1 Satz 3 GRC sowie in Art. 7 Abs. 1 EMRK gere-
gelten Lex-mitior-Grundsatzes führt diese unionsrechtlich bedingte Änderung des Marktmissbrauchsrechts dazu, dass sämtliche vor dem 3.7.2016 nicht rechtskräftig abgeurteilten Fälle eines pflichtwidrigen Verschweigens kapitalmarktrelevanter Umstände i.S.d. § 38 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 11, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG a.F. nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können/konnten. Diese Konsequenz wird auch nicht durch § 137 Abs. 1 WpHG vermieden, da die Unterlassenstrafbarkeit nicht nur temporär, sondern dauerhaft entfallen ist. Eine rückwirkende Aufhebung des Lex-mitior-Grundsatzes würde insofern jedenfalls an den Grenzen scheitern, die Art. 49 Abs. 1 Satz 3 und Art. 52 GRC dem Gesetzgeber ziehen61.
51 52 53 54
55 56 57 58 59 60 61
So aber BGH v. 10.1.2017 – 5 StR 532/16 Rz. 11, WM 2017, 172 = AG 2017, 153. Vgl. Bülte/Müller, NZG 2017, 205, 208 f. Vgl. Bülte/Müller, NZG 2017, 205, 208 f. So erstmals Rothenfußer, Generalamnestie im Kapitalmarktrecht?, in Börsen-Zeitung vom 7.7.2016, Ausgabe 128, S. 13; sodann Rothenfußer/Jäger, NJW 2016, 2689 ff.; Rossi, ZIP 2016, 2437 ff.; Lorenz/Zierden, HRRS 2016, 443 ff.; für das Marktmanipulationsverbot auch Bergmann/Vogt, wistra 2016, 347 ff.; Gaede, wistra 2017, 41 ff.; Bülte/Müller, NZG 2017, 205 ff. Ohne Bestehen einer temporären Ahndungslücke am 2.7.2016 (dazu Rz. 37) bliebe § 137 WpHG funktionslos, s. Kämpfer in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, § 137 WpHG Rz. 1. Kritisch, auch wegen „handwerklichen Fehlern“ Rönnau/Wegner in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 28 Rz. 22. Tendenziell auch Sajnovits/Wagner, WM 2017 Heft 25; a.A. Rossi, ZIP 2016, 2437, 2446 f.; Gaede, wistra 2017, 41, 48 f. Dazu ausführlich Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; dem zustimmend auch Saliger, WM 2017, 2329; Spoerr in § 119 WpHG Rz. 169. A.A. Schmolke in Klöhn, Vor Art. 12 MAR Rz. 149. Dazu ausführlich Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189; zustimmend auch Saliger, WM 2017, 2329; Spoerr in § 119 WpHG Rz. 169; a.A. etwa Böse, wistra 2018, 22 ff.; s. auch Richter, WM 2017, 1636, 1638 f. Dazu ausführlich Sajnovits/Wagner, WM 2017, 1189, 1198 zustimmend Kämpfer in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, § 137 WpHG Rz. 2.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 43 Art. 15 VO Nr. 596/2014
2. Aufsichtsrechtliche Sanktionierung Art. 30, 31 und 34 VO Nr. 596/2014 verlangen von den Mitgliedstaaten die Schaffung eines verwaltungs- 41 rechtlichen Sanktionensystems62, wobei die Norm Mindestregeln vorgibt63 Die Vorgaben der MAR in diesen Artikeln machten – ähnlich wie sonst Richtlinien – zahlreiche Umsetzungsaktivitäten der nationalen Gesetzgeber erforderlich. In Deutschland wurden die entsprechenden Vorschriften durch das 1. FiMaNoG in nationales Recht umgesetzt, wobei sich die Nummerierung des gesamten WpHG durch das 2. FiMaNoG geändert hat. Nach der Generalklausel des Art. 30 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 müssen die Mitgliedstaaten den Aufsichtsbehörden – unbeschadet strafrechtlicher Sanktionen (Rz. 31 ff.) – die Befugnis übertragen, angemessene verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen in Bezug auf Verstöße u.a. gegen das Marktmanipulationsverbot erlassen zu können. Zu diesen verwaltungsrechtlichen Sanktionen gehören aus Sicht des europäischen Gesetzgebers auch die Ordnungswidrigkeitentatbestände, die der deutsche Gesetzgeber in § 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG geregelt hat (Rz. 34 f.). Daneben kann die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde (Art. 22 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 Abs. 5 WpHG) nach § 6 Abs. 6 WpHG zur Verhinderung weiterer Verstöße gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren die Einstellung der den Verstoß begründenden Handlungen oder Verhaltensweisen verlangen. Nach § 6 Abs. 7 WpHG kann sie einer natürlichen Person, die für einen Verstoß gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 verantwortlich ist, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren sogar untersagen, Geschäfte für eigene Rechnung in den in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Finanzinstrumenten und Produkten zu tätigen. Weitergehend kann die BaFin nach § 6 Abs. 8 WpHG einer Person, die bei einem von der BaFin beaufsichtigten Unternehmen tätig ist, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren sogar die Ausübung der Berufstätigkeit untersagen, wenn diese Person vorsätzlich gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 verstoßen hat und dieses Verhalten trotz Verwarnung durch die BaFin fortsetzt. Näher § 6 WpHG Rz. 162 ff. Neben diesen „klassischen“ aufsichtsrechtlichen Sanktionsmechanismen setzt das neue Marktmissbrauchs- 42 recht verstärkt auf das sog. naming and shaming64. Gem. § 6 Abs. 9 WpHG kann die BaFin bei einem Verstoß gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 oder einem solchen gegen eine vollziehbare Anordnung, die sich auf diese Vorschriften bezieht, auf ihrer Internetseite eine Warnung unter Nennung der natürlichen oder juristischen Person oder der Personenvereinigung, die den Verstoß begangen hat, sowie der Art des Verstoßes veröffentlichen. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 WpHG (Umsetzung von Art. 34 VO Nr. 596/2014) muss die BaFin Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen – nicht solche über Ermittlungsmaßnahmen (§ 125 Abs. 1 Satz 2 WpHG) –, die wegen Verstößen gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 erlassen wurden, unverzüglich nach Unterrichtung der natürlichen oder juristischen Person, gegen die die Maßnahme oder Sanktion verhängt wurde, auf ihrer Internetseite bekannt machen. Nur unter besonderen Voraussetzungen (§ 125 Abs. 3 WpHG) kann die BaFin die Veröffentlichung aufschieben (§ 125 Abs. 3 Nr. 1 WpHG), anonymisieren (§ 125 Abs. 3 Nr. 2 WpHG) oder (vorläufig) sogar ganz unterlassen (§ 125 Abs. 3 Nr. 3 WpHG). Nach § 125 Abs. 4 WpHG hat die BaFin bei nicht bestands- oder nicht rechtskräftigen Entscheidungen einen Hinweis hinzuzufügen, woraus sich sogleich ergibt, dass sich die Bekanntmachungspflicht nach § 125 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch auf derartige Entscheidungen erstreckt. Für die Ermessensvorschrift des § 6 Abs. 9 WpHG bleiben damit nur Verstöße gegen vollziehbare Anordnungen.
3. Verhältnis von straf- und aufsichtsrechtlicher Sanktionierung Nach Erwägungsgrund 72 Satz 2 VO Nr. 596/2014 sind die Mitgliedstaaten in „Übereinstimmung mit dem 43 nationalen Recht ... nicht verpflichtet, für ein und dasselbe Vergehen sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen zu verhängen ... [;] dies steht ihnen jedoch frei, wenn dies nach ihrem jeweiligen nationalen Recht zulässig ist.“ Zugleich betont aber Erwägungsgrund 23 RL 2014/57/EU, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ zu verhindern65. Dieser in Art. 50 Europäische Grundrechtecharta und Art. 4 des 7. Zusatzprotokoll der EMRK niedergelegt Grundsatz verbietet auch eine Doppelbestrafung durch Strafsanktionen einerseits und die gleichzeitige Verhängung von Verwaltungssanktionen mit Strafcharakter andererseits66. Im deutschen Recht wird eine Doppelbestrafung be-
62 63 64 65 66
Näher auch Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 38 ff. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 41. Dazu ausführlich Nartowska/Knierbein, NZG 2016, 256; ferner Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 44 ff. S. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 74; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 99. EGMR v. 4.3.2014 – 18640/10 u.a. – Grande Stevens v. Italien, NJOZ 2015, 712; EuGH v. 26.2.2013 – C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, NJW 2013, 1415; dazu Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 75; Ventoruzzo, EBOR 16 (2015), 145 ff.; knapp auch Poelzig, NZG 2016, 492, 500 f.; Veil, ZGR 2016, 305, 308 f.
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 43 | Verbot der Marktmanipulation reits durch § 21 OWiG verhindert67. Die sonstigen Verwaltungssanktionen (Rz. 41 f.) haben regelmäßig keinen Strafcharakter. 44 Der EuGH hat in drei Judikaten im März 2018 entschieden, dass der Grundsatz ne bis in idem (Doppel-
bestrafungsverbot) zum Schutz der finanziellen Interessen der Union und ihrer Finanzmärkte auf Basis des Art. 52 Abs. 1 Europäische Grundrechtecharta beschränkt werden kann68. Insoweit könne „das Ziel, die Integrität der Finanzmärkte und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Finanzinstrumente zu schützen, eine Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen strafrechtlicher Natur, wie sie nach der in den Ausgangsverfahren fraglichen Regelung zulässig ist, rechtfertigen, wenn zur Erreichung eines solchen Ziels mit diesen Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen komplementäre Zwecke verfolgt werden, die gegebenenfalls verschiedene Aspekte desselben rechtswidrigen Verhaltens betreffen.“69 Voraussetzung dafür sei aber, dass die Beschränkung nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung dieser Ziele zwingend erforderlich sei70.
4. Zivilrechtliche Sanktionierung a) Ansprüche geschädigter Anleger aa) Kein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB 45 Der Verstoß gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 begründet für Anleger keinen Schadensersatzanspruch nach
§ 823 Abs. 2 BGB. Art. 15 VO Nr. 596/2014 ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Die Norm vermittelt weder Individualschutz, noch würde sich ein Schadensersatzanspruch in das kapitalmarktrechtliche Haftungssystem sinnvoll einfügen. Das Unionsrecht gebietet keine zwingende andere Beurteilung.
46 Auf Basis der tradierten Schutzgesetzdogmatik des § 823 Abs. 2 BGB vermittelt Art. 15 VO Nr. 596/2014
keinen Individualschutz. Gleiches wurde in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend auch zum früheren § 20a WpHG vertreten71. Art. 15 VO Nr. 596/2014 weist insofern keine wesentlichen Unterschiede zum früheren § 20a WpHG auf72. Die Auslegung des Art. 15 VO Nr. 596/2014 bzw. der diesen ausfüllenden Definitionsnorm des Art. 12 VO Nr. 596/2014, auch im Regelungsgefüge der MAR, ergibt vielmehr, dass die Norm keinen Individualschutz vermittelt. Während der Wortlaut von Art. 15, 12 VO Nr. 596/2014 und die Erwägungsgründe der VO Nr. 596/2014 noch indifferent sind und jedenfalls keine Hinweise für eine Individualschutzvermittlung enthalten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 27 ff.), sprechen systematische Erwägungen klar gegen eine intendierte Individualschutzvermittlung. Anders als etwa bei der VO Nr. 462/2013 (Ratingagenturen-VO) (Art. 35a) und der VO Nr. 1286/2014 (PRIIP-VO) (Art. 11), in denen der europäische Gesetzgeber unmittelbar anwendbare zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen normiert hat, setzt er beim Markt67 S. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 75. 68 EuGH v. 20.3.2018 – C-524/15, ECLI:EU:C:2018:197, EWS 2018, 107; EuGH v. 20.3.2018 – C-537/16, ECLI:EU: C:2018:193, RIW 2018, 357; EuGH v. 20.3.2018 – C-596/16 und C-597/16, ECLI:EU:C:2018:192, EuZW 2018, 301 = WM 2018, 1094. 69 EuGH v. 20.3.2018 – C-596/16 und C-597/16, ECLI:EU:C:2018:192, EuZW 2018, 301 = WM 2018, 1094 Rz. 42. 70 EuGH v. 20.3.2018 – C-596/16 und C-597/16, ECLI:EU:C:2018:192, EuZW 2018, 301 = WM 2018, 1094 Rz. 43. 71 BGH v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10 Rz. 19 ff. – IKB, BGHZ 192, 90 = AG 2012, 209; Mülbert/Steup in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 3. Aufl., § 41 Rz. 286; Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 31; Bachmann, JZ 2012, 578, 579; Fleischer, DB 2004, 2031, 2032 f.; Schmolke, ZBB 2012, 165, 168 f.; Groß, WM 2002, 477, 484; Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1864; Maier-Reimer/Paschos in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2. Aufl., § 29 Rz. 160; Möllers in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, § 69 Rz. 37; Barnert, WM 2002, 1473, 1483; Edelmann, BB 2004, 2031, 2032; Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 215; Schwark in Schwark/Zimmer, 4. Aufl., § 20a WpHG Rz. 7; Schwark in FS Kümpel, 2003, S. 485, 498 f.; Weber, NJW 2003, 18, 20; a.A. Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 487 f.; Altenhain, BB 2002, 1874, 1875; Ekkenga, ZIP 2004, 781 ff.; Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1066; Grüger, WM 2010, 247, 250 ff.; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 330; Hellgardt, DB 2012, 673, 678; Leisch, ZIP 2004, 1573, 578; Lenzen, ZBB 2002, 279, 284; Sprau in Palandt, 80. Aufl. 2021, § 823 BGB Rz. 72. 72 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 82 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 289 ff.; Seulen in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 29 Rz. 160a f.; Klöhn in Kalss/Fleischer/Vogt (Hrsg.), Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 2013, S. 229, 235 f.; auch Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 14; a.A. auch allein auf Basis der deutschen Schutzgesetzdogmatik Poelzig, ZGR 2015, 801, 829; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 4; Zetzsche, ZHR 179 (2015), 490, 494; Maume in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.11.2021, Art. 15 VO (EU) 596/2014 Rz. 41; tendenziell auch Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 424; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 607; Hellgardt, AG 2012, 154, 165 f.; offen gegenüber einer Einordnung als Schutzgesetz, ein unionsrechtliches Gebot zur privatrechtlichen Sanktionierung jedoch ablehnend Wagner in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 BGB Rz. 576, 579.
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Verbot der Marktmanipulation | Rz. 48 Art. 15 VO Nr. 596/2014
missbrauchsregime nämlich ausschließlich auf eine aufsichts- und sanktionenrechtliche Durchsetzung73. Hätte er einen zivilrechtlichen Schutz individueller Anleger angestrebt, hätte es nahegelegen, eine ausdrückliche Regelung aufzunehmen. Ein Schadensersatzanspruch würde sich – unabhängig von der Frage der Individualschutzvermittlung – 47 auch nicht sinnvoll in das kapitalmarktrechtliche Haftungsregime einfügen. Für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB fordert die ganz herrschende Meinung zusätzlich zur Individualschutzvermittlung des verletzten Gesetzes, dass sich der Schadensersatzanspruch in das haftungsrechtliche Gesamtsystem einfügen muss. Deliktischer Schutz vor primären Vermögensschäden wird im deutschen Deliktsrecht nur sehr zurückhaltend gewährt. Diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers würde konterkariert, führte der Verstoß gegen jedes Gesetz, das auch die Interessen Einzelner schützt, sogleich zu einer Haftung bei primären Vermögensschäden74. Dies zeigt sich im Kapitalmarktrecht besonders deutlich. Würde auch ein fahrlässiger Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot zu einer Haftung für primäre Vermögensschäden eines zunächst nicht begrenzten und begrenzbaren Kreises von Anspruchsstellern führen, verlören nicht nur die Haftung für vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB, sondern auch die spezialgesetzlichen Haftungstatbestände des Kapitalmarktrechts weitgehend an Bedeutung. Mit Blick auf die großen Überschneidungsbereiche zwischen informationsgestützten Marktmanipulationen und fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen würde insbesondere die haftungsbegrenzende Funktion der § 97 Abs. 2 und § 98 Abs. 2 WpHG ausgehebelt und die Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen allgemeinen kapitalmarktrechtlichen (Informations-)haftungstatbestand unterlaufen75. Das Unionsrecht zwingt zu keiner anderen Beurteilung76. In jüngerer Zeit wird im (deutschen) Schrifttum 48 zum Kapitalmarktrecht zwar zunehmend vertreten, dass das Unionsrecht eine zivilrechtliche Ahndung bestimmter Verstöße gebiete, wobei auf die Rechtsprechung des EuGH in den Sachen Courage, Manfredi und Muñoz sowie auf allgemeine Überlegungen zum unionsrechtlichen Gebot der effektiven Rechtsdurchsetzung und auf die gesamtgesellschaftlichen Vorzüge eines private enforcement verwiesen wird77. Für das Marktmanipulationsverbot können diese Überlegungen aber nicht durchgreifen. Der Grundsatz effektiver Durchsetzung des Unionsrechts – auch in seiner Konkretisierung durch den EuGH – gebietet keine pauschale und undifferenzierte Pflicht zur Gewährleistung zivilrechtlicher Schadensansprüche bei Verstößen gegen sämtliches europäisches (Verordnungs-)Recht. Die Erwägungen des EuGH in den genannten Urteilen können schon deshalb nicht vorbehaltlos auf das Marktmissbrauchsrecht übertragen werden, weil sich der europäische Gesetzgeber in der MAR in voller Kenntnis der Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit einer zivilrechtlichen Haftung und der damit verbundenen Einbindung Privater befasst hat, sondern Private etwa über Whistleblower-Systeme auf ganz andere Weise an der Rechtsdurchsetzung beteiligt78. Diese positive Entscheidung des europäischen Gesetzgebers ist zur Wahrung institutioneller Balance79 grundsätzlich auch vom EuGH zu akzeptieren80. Die ergänzenden Überlegungen zu gesamtgesellschaftlichen Vorzügen privater Rechtsdurchsetzungsmechanismen schließlich stützen sich für das Marktmissbrauchsrecht allenfalls auf Vermutungen und sind nicht empirisch belegt. All dies spricht gegen eine zwingende Einwirkung des Unionsrechts auf die Schutzgesetzdogmatik des § 823 Abs. 2 BGB.
73 S. Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 82 ff.; Schmolke, NZG 2016, 721; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 289 ff.; insoweit auch Poelzig, ZGR 2015, 801, 809; Zimmer/Bator in Schwark/Zimmer, Art. 15 MAR Rz. 14. 74 So auch Verse, ZHR 170 (2006), 398, 407 m.w.N. 75 So auch Bachmann in Bachmann/Casper/Schäfer/Veil, Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht, 2007, S. 93, 101 für bürgerlich-rechtliche Informationshaftung. Vgl. auch Verse, ZHR 170 (2006), 398, 407 im Zusammenhang mit der Durchgriffshaftung auf Organwalter, bei deren Bejahung über § 823 Abs. 2 BGB die gesetzgeberische Entscheidung für eine grundsätzliche Innenhaftung der Geschäftsleiterhaftung berücksichtigt werden müsse. 76 So auch Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 85 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 298 ff. 77 Poelzig, ZGR 2015, 801; Poelzig, NZG 2016, 492, 501; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 106; Seibt/ Wollenschläger, AG 2014, 593, 607; Beneke/Thele, BKR 2017, 12; Seibt, ZHR 177 (2013), 388, 424 f.; Tountopoulos, ECFR 2014, 297, 315 ff.; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 478 ff.; für informationsbezogene Manipulationen auch Hellgardt, AG 2012, 154, 163 ff.; offen Veil, ZGR 2016, 305, 322 ff. der sich für ein Eingreifen des Gesetzgebers ausspricht; Maume, ZHR 180 (2016), 358, 368; a.A. etwa Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 85 ff., 89 ff.; Schmolke, NZG 2016, 721, 723 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 298, 300 ff.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 11. Aufl. 2020, § 7 II Rz. 680 f., S. 203 f.; Spindler in BeckOGK, Stand: 1.5.2021, § 823 BGB Rz. 380. 78 So auch Schmolke, NZG 2016, 721, 727; Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 94. 79 Schmolke, NZG 2016, 721, 722 ff.; vgl. auch Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264, 275 ff.; W.-H. Roth, ZHR 179 (2015), 668, 674 ff., 684. 80 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 89 ff.; Sajnovits, Financial-Benchmarks, S. 300 f.; vgl. auch Rebhahn, ZfPW 2016, 281, 287.
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Art. 15 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 | Verbot der Marktmanipulation bb) Haftung nach § 826 BGB 49 Eine zivilrechtliche Haftung kommt bei einer Marktmanipulation kommt immerhin, aber auch nur nach
§ 826 BGB in Betracht. Dafür muss objektiv eine sittliche Verkehrspflicht81 zum Schutz fremden (individuellen) Vermögens verletzt sein. Da das Marktmanipulationsverbot gerade nicht dem Schutz fremden individuellen Vermögens dient (Rz. 46), genügt ein Verstoß gegen dieses für sich genommen nicht82. Ganz in diesem Sinne hat der BGH etwa im IKB-Urteil hervorgehoben, dass für „die Annahme der Sittenwidrigkeit weder der Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift noch die Tatsache eines eingetretenen Vermögensschadens [genügt]; vielmehr muss sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben“83. Neben dem Verstoß gegen die guten Sitten erfordert § 826 BGB den Vorsatz des Deliktstäters84. Das Vorsatzerfordernis des § 826 BGB bezieht sich auf die die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umständen, den Eintritt des Schadens sowie die Kausalität des schädigenden Verhaltens. cc) Haftung nach § 98 WpHG
50 Für eine zivilrechtliche Haftung gem. § 98 WpHG ist Raum, wenn eine informationsgestützte Marktmani-
pulation gem. Art. 12 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 zugleich eine Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen in einer Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 darstellt und die weiteren Voraussetzungen des § 98 WpHG erfüllt sind. Die unterlassene unverzügliche Veröffentlichung von Insiderinformationen, die nach § 97 WpHG zu einer Schadensersatzpflicht führen kann, ist unter dem neuen Marktmissbrauchsregime keine Marktmanipulation mehr (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 62 ff.), so dass es insoweit zu keinen Überschneidungen mehr kommt. b) Ansprüche geschädigter Unternehmen/Emittenten
51 Eine Marktmanipulation mit Bezug auf bestimmte Finanzinstrumente kann zudem zu einem Schaden beim
Emittenten des betreffenden Finanzinstruments führen, insbesondere wenn sich seine Kapitalkosten erhöhen, weil die Manipulationen eine erhöhte Volatilität der von ihm emittierten Instrumente zur Folge haben. Für den Emittenten kommen dann grundsätzlich ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb85, bei informationsgestützten Manipulationen ein Anspruch aus § 824 BGB wegen Kreditgefährdung86 und – ebenso wie bei Anlegern – ein Anspruch aus § 826 BGB in Betracht87. Ausscheiden muss wiederum (Rz. 45 ff.) ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, da das Marktmanipulationsverbot auch gegenüber Emittenten keinen Individualschutz vermittelt88. Vgl. Vor Art. 1 ff. VO Nr. 236/2012 Rz. 88 ff. im Zusammenhang mit Short-Seller-Attacken. c) Nichtigkeit von Rechtsgeschäften (§ 134 BGB)
52 Ein einseitiger Verstoß gegen das Verbot (handelsgestützter) Marktmanipulationen führt nicht zur Nichtig-
keit des jeweiligen Rechtsgeschäfts89. Maßgebliche Voraussetzung einer sich aus einem Verbotsgesetz ergebenden Nichtigkeit i.S.d. § 134 BGB ist, dass der Normzweck des Verbotsgesetzes die Nichtigkeit des jeweiligen Rechtsgeschäfts gebietet90. Der Normzweck des Marktmanipulationsverbots, der insbesondere darin be81 Vgl. Oechsler in Staudinger, Neubearbeitung 2018, § 826 BGB Rz. 36. 82 Vgl. BGH v 11.11.1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 236 f. = AG 1986, 76; Oechsler in Staudinger, Neubearbeitung 2018, § 826 BGB Rz. 54. 83 BGH v 13.12.2011 – XI ZR 51/10 Rz. 28 – IKB, BGHZ 192, 90, 101 f. = AG 2012, 209; vgl. auch BGH v 19.7.2004 – II ZR 402/02 – Infomatec II, BGHZ 160, 149, 157 = AG 2004, 546; Sprau in Palandt, § 826 BGB Rz. 4; kritisch Oechsler in Staudinger, Neubearbeitung 2018, § 826 BGB Rz. 58a ff., 72, der insoweit eine systemwidrige Vermischung mit dem Vorsatzerfordernis befürchtet und die Frage der verwerflichen Gesinnung im Rahmen der Prüfung eines Entschuldigungsgrundes stellen will. 84 BGH v 19.7.2004 – II ZR 402/02 – Infomatec I, BGHZ 160, 149 = AG 2004, 546. 85 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 498; Ekkenga, ZIP 2004, 781, 782. 86 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 500 ff.; Ekkenga, ZIP 2004, 781, 782. 87 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 504. 88 Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 499. 89 Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 103 f.; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 101; vgl. zum früheren § 20a WpHG Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20a WpHG Rz. 83. 90 Zur Unterscheidung zwischen Verbotsgesetzeigenschaft und Nichtigkeitssanktion Sack/Seibl in Staudinger, Neubearbeitung 2017, § 134 BGB Rz. 34, 57; Armbrüster in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2018, § 134 BGB Rz. 41 f., 119. Die Auslegung des Verbotsgesetzes ergibt auch, ob dieses die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts gebietet oder ein „geltungserhaltende Reduktion“ in Betracht kommt. Dazu eingehend Verse/Wurmnest, AcP 204 (2004), 855, 859 ff., 866 f. (zu EU-beihilferechtswidrigen Verträgen).
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Art. 16 VO Nr. 596/2014
steht, die Funktionsfähigkeit und die Integrität der Märkte sicherzustellen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 24 ff.), spricht bei einseitigen Verstößen klar gegen eine Nichtigkeit. Der reibungslose Ablauf des anonymen Markthandels würde nämlich erheblich gestört, müsset sich jeder Vertragspartner Gedanken darüber machen, ob das von ihm abgeschlossene Geschäft wegen eines Verstoßes der Gegenseite gegen Art. 15 VO Nr. 596/2014 ggf. nichtig sein könnte91. Ein beiderseitiger Verstoß, etwa bei der Vornahme von wash sales (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 122), wird dagegen regelmäßig die Nichtigkeit nach § 134 BGB zur Folge haben und sich im Einzelfall schon aus § 117 Abs. 1 BGB ergeben92. d) Kein Rechtsverlust Der Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot führt, auch wenn er durch den Erwerb von Finanzinstru- 53 menten erfolgt, bzw. sich dieser Erwerb bei einer informationsgestützten Marktmanipulation an die Verbreitung von Informationen anschließt, zu keinem Rechtsverlust bei den jeweiligen Finanzinstrumenten. Die Vorschriften zum Rechtsverlust im deutschen Recht, etwa § 20 AktG und § 44 WpHG, sind durchweg auf die Verletzung von Mitteilungspflichten bezogen und dienen dazu, Meldepflichtige dazu anzuhalten, ihren Pflichten nachzukommen, um so die (Kapitalmarkt-)Publizität zu erhöhen. (§ 125 Abs. 1 Satz 2 WpHG). nicht auf da Marktmanipulationsverbot übertragen. Die analoge Anwendung der Vorschriften über einen Rechtsverlust (z.B. § 44 WpHG) verbietet sich schon wegen der fehlenden Vergleichbarkeit. Ohne eine normative Anknüpfung lässt sich der schwerwiegende Eingriff in die privatrechtliche Rechtsposition, der in einem Rechtsverlust liegt, nicht rechtfertigen. Rechtspolitisch mag es dagegen durchaus bedenkenswert sein, für bestimmte Formen des Marktmissbrauchs einen Rechtsverlust anzuordnen.
Art. 16 VO Nr. 596/2014 Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch (1) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, haben gemäß Artikel 31 und 54 der Richtlinie 2014/65/EU wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren zur Vorbeugung und Aufdeckung von Insidergeschäften, Marktmanipulation, versuchten Insidergeschäften und versuchter Marktmanipulation zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Eine in Unterabsatz 1 genannte Personen meldet Aufträge und Geschäfte, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, die Insidergeschäfte, Marktmanipulationen oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulationen sein könnten, unverzüglich der zuständigen Behörde des Handelsplatzes. (2) Wer beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt, muss wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren zur Aufdeckung und Meldung von verdächtigen Aufträgen und Geschäften schaffen und aufrechterhalten. Wann immer die betreffende Person den begründeten Verdacht hat, dass ein Auftrag oder ein Geschäft in Bezug auf ein Finanzinstrument – wobei es unerheblich ist, ob dieser bzw. dieses auf einem Handelsplatz oder anderweitig erteilt oder ausgeführt wurde – Insiderhandel oder Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellt, so unterrichtet sie unverzüglich die zuständige Behörde nach Absatz 3. (3) Unbeschadet des Artikels 22 gelten für die Meldungen von Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie registriert sind oder in dem sie ihre Hauptniederlassung haben oder, bei Zweigniederlassungen, die Vorschriften des Mitgliedstaats ihrer Zweigniederlassung. Die Meldung erfolgt bei der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats. (4) Die zuständigen Behörden nach Absatz 3, denen verdächtige Aufträge und Geschäfte gemeldet werden, teilen dies unverzüglich den für die betreffenden Handelsplätze zuständigen Behörden mit. (5) Um eine durchgehende Harmonisierung dieses Artikels zu gewährleisten, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Regulierungsstandards aus, um Folgendes festzulegen: a) angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für die Einhaltung der Vorschriften in den Absätzen 1 und 2 durch Personen und 91 Ebenso Schmolke in Klöhn, Art. 15 MAR Rz. 103 f.; zum alten Recht Schäfer in Schäfer/Hamann, § 20a WpHG Rz. 83; Vogel in 6. Aufl., § 20a Rz. 32. 92 Vgl. auch Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 101. Zum früheren § 20a WpHG Vogel in 6. Aufl., § 20a WpHG Rz. 32; Fleischer in Fuchs, § 20a WpHG Rz. 155; Mock in KölnKomm. WpHG, § 20a WpHG Rz. 511 ff.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch b) die von Personen zur Einhaltung der Vorschriften in den Absätzen 1 und 2 zu nutzenden Mitteilungsmuster. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2016 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Regulierungsstandards nach Artikel 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), geändert durch Berichtigung vom 21.10.2016 (ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320) und Berichtigung vom 21.12.2016 (ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83). Delegierte Verordnung (EU) 2016/957 der Kommission vom 9. März 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die geeigneten Regelungen, Systeme und Verfahren sowie Mitteilungsmuster zur Vorbeugung, Aufdeckung und Meldung von Missbrauchspraktiken oder verdächtigen Aufträgen oder Geschäften Art. 1 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) „Meldung verdächtiger Geschäfte und Aufträge“ (Verdachtsmeldung) ist die gemäß Artikel 16 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu übermittelnde Meldung verdächtiger Geschäfte und Aufträge, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation sein könnten, einschließlich deren Stornierung oder Änderung. b) „elektronische Hilfsmittel“ sind elektronische Geräte für die Verarbeitung (einschließlich der digitalen Komprimierung), Speicherung und Übertragung von Daten über Kabel, Funk, optische Technologien oder andere elektromagnetische Verfahren; c) „Gruppe“ bezeichnet eine Gruppe im Sinne des Artikels 2 Absatz 11 der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (5); d) „Auftrag“ bezeichnet jeden Auftrag, einschließlich aller Quotes, unabhängig davon, ob ihr Zweck in der Ersterteilung, Änderung, Aktualisierung oder Stornierung eines Auftrags besteht sowie unabhängig von dessen Art. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 2 Allgemeine Anforderungen (1) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, schaffen und unterhalten Regelungen, Systeme und Verfahren zur Sicherung a) der wirksamen und fortlaufenden Überwachung aller eingegangenen und übermittelten Aufträge und aller ausgeführten Geschäfte für die Zwecke der Aufdeckung und Identifizierung von Aufträgen und Geschäften, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte bzw. versuchte Marktmanipulation darstellen könnten; b) der Übermittlung von Verdachtsmeldungen an die zuständigen Behörden entsprechend den Anforderungen dieser Verordnung und unter Verwendung des im Anhang enthaltenen Musters. (2) Die in Absatz 1 genannten Verpflichtungen gelten für Aufträge und Geschäfte im Zusammenhang mit allen Arten von Finanzinstrumenten, und sie gelten unabhängig a) von der Eigenschaften, in der jemand den Auftrag erteilt oder das Geschäft ausgeführt hat; b) von den Arten der Kunden, die betroffen sind; c) davon, ob die Erteilung der Aufträge oder die Ausführung der Geschäfte an einem Handelsplatz oder außerhalb eines Handelsplatzes erfolgt ist. (3) Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, schaffen und unterhalten Regelungen, Systeme und Verfahren zur Sicherung a) der wirksamen und fortlaufenden Überwachung aller eingegangenen Aufträge und aller ausgeführten Geschäfte für die Zwecke der Vorbeugung, Aufdeckung und Identifizierung von Insidergeschäften, Marktmanipulation sowie versuchten Insidergeschäften und versuchter Marktmanipulation; b) der Übermittlung von Verdachtsmeldungen an zuständige Behörden entsprechend den Anforderungen dieser Verordnung und unter Verwendung des im Anhang enthaltenen Musters. (4) Die in Absatz 3 genannten Verpflichtungen gelten für Aufträge und Geschäfte im Zusammenhang mit allen Arten von Finanzinstrumenten, und sie gelten unabhängig a) von der Eigenschaft, in der jemand den Auftrag erteilt oder das Geschäft ausgeführt hat; b) von den Arten der Kunden, die betroffen sind. (5) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, stellen sicher, dass die Regelungen, Systeme und Verfahren nach den Absätzen 1 und 3 a) geeignet sind und in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit stehen; b) regelmäßig bewertet werden, zumindest durch jährliche Audits und interne Überprüfungen, und dass gegebenenfalls eine Aktualisierung erfolgt;
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Art. 16 VO Nr. 596/2014 c) für die Zwecke der Einhaltung dieser Verordnung unmissverständlich schriftlich dokumentiert sind, einschließlich Änderungen und Aktualisierungen, und dass die dokumentierten Informationen für einen Zeitraum von fünf Jahren aufbewahrt werden. Die in Unterabsatz 1 genannten Personen stellen der zuständigen Behörde auf Anfrage die dort unter den Buchstaben b und c genannten Informationen zur Verfügung. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 3 Vorbeugung, Überwachung und Aufdeckung (1) Die Regelungen, Systeme und Verfahren nach Artikel 2 Absätze 1 und 3 a) ermöglichen einzelne und vergleichende Untersuchungen zu allen innerhalb der Systeme des Handelsplatzes und – im Fall von Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen – auch außerhalb eines Handelsplatzes ausgeführten Geschäften und erteilten, geänderten, stornierten oder abgelehnten Aufträgen; b) produzieren Warnmeldungen, mit denen Tätigkeiten angezeigt werden, die weitere Untersuchungen für die Zwecke der Aufdeckung von Insidergeschäften oder Marktmanipulation oder des Versuchs hierzu erforderlich machen; c) decken das gesamte Spektrum der Handelsaktivitäten der betreffenden Personen ab. (2) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, stellen der zuständigen Behörde auf Anfrage Informationen zur Verfügung, die die Eignung ihrer Systeme und deren angemessenes Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit belegen, einschließlich Informationen zum Grad der Automatisierung dieser Systeme. (3) In einem Umfang, der geeignet ist und in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit steht, setzen Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, Softwaresysteme und Verfahren ein, die die Vorbeugung und Aufdeckung von Insidergeschäften, Marktmanipulation oder versuchten Insidergeschäften oder versuchter Marktmanipulation unterstützen. Die in Unterabsatz 1 genannten Systeme und Verfahren umfassen eine Software zum verzögerten automatischen Lesen, Wiederabrufen und Analysieren von Orderbuchdaten, die über ausreichend Kapazität für den Einsatz im algorithmischen Handel verfügt. (4) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, schaffen und unterhalten Regelungen und Verfahren, die gewährleisten, dass bei der Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von Geschäften und Aufträgen, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte bzw. versuchte Marktmanipulation sein könnten, in angemessenem Umfang personelle Untersuchungen vorgenommen werden. (5) Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, schaffen und unterhalten Regelungen und Verfahren, die auch bei der Vorbeugung von Insidergeschäften, Marktmanipulation oder versuchten Insidergeschäften oder versuchter Marktmanipulation in angemessenem Umfang personelle Untersuchungen gewährleisten. (6) Eine Person, die gewerbsmäßig Geschäfte vermittelt oder ausführt, hat das Recht, die Wahrnehmung der Aufgaben im Zusammenhang mit der Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von Aufträgen und Geschäften, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte bzw. versuchte Marktmanipulation sein könnten, im Wege einer schriftlichen Vereinbarung auf eine juristische Person zu übertragen, die derselben Gruppe angehört. Die Person, die diese Aufgaben überträgt, bleibt in vollem Umfang für die Erfüllung aller ihr aus dieser Verordnung und aus Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erwachsenden Pflichten verantwortlich und muss sicherstellen, dass die Regelung eindeutig dokumentiert ist und die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugewiesen und abgestimmt wurden, einschließlich der Dauer der Übertragung. (7) Eine Person, die gewerbsmäßig Geschäfte vermittelt oder ausführt, kann die Analyse von Daten, einschließlich von Order- und Geschäftsdaten, und die Erstellung der Warnmeldungen, die sie benötigt, um Aufträge und Geschäfte, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation sein könnten, zu überwachen, zu entdecken und zu identifizieren, im Wege einer schriftlichen Vereinbarung auf einen Dritten („den Anbieter“) übertragen. Die Person, die diese Aufgaben überträgt, bleibt in vollem Umfang für die Erfüllung aller ihr aus dieser Verordnung und aus Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 erwachsenden Pflichten verantwortlich und erfüllt jederzeit die folgenden Bedingungen: a) Sie sorgt für die Erhaltung der Fachkenntnisse und der Ressourcen, die erforderlich sind, um die Qualität der erbrachten Dienstleistungen sowie die Angemessenheit der Organisationsstruktur der Anbieter zu bewerten, die Aufsicht über übertragene Dienste auszuüben und die mit der Übertragung verbundenen Risiken kontinuierlich zu steuern. b) Sie hat unmittelbaren Zugang zu allen relevanten Informationen betreffend die Datenanalyse und die Erstellung von Warnmeldungen. Die schriftliche Vereinbarung enthält die Beschreibung der Rechte und Pflichten der Person, die eine Übertragung der in Unterabsatz 1 genannten Aufgaben vornimmt, sowie der Rechte und Pflichten des Anbieters. Außerdem ist anzugeben, bei Vorliegen welcher Gründe die Person, die die Aufgaben überträgt, die Vereinbarung kündigen kann. (8) Im Rahmen der Regelungen und Verfahren nach Artikel 2 Absätze 1 und 3 tragen Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, dafür Sorge, dass die Informationen, die die in Bezug auf Aufträge und Geschäfte, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte bzw. versuchte Marktmanipulation sein könnten, durchgeführten Untersuchungen belegen und die Gründe für die Übermittlung oder Nichtübermittlung einer Verdachtsmeldung ausweisen, für einen Zeitraum von fünf Jahren aufbewahrt werden. Diese Informationen sind der zuständigen Behörde auf Anfrage vorzulegen.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch Die in Unterabsatz 1 genannten Personen stellen sicher, dass bei den Regelungen und Verfahren nach Artikel 2 Absätze 1 und 3 die Vertraulichkeit der in Unterabsatz 1 genannten Informationen garantiert wird und gewahrt bleibt. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 4 Schulung (1) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, organisieren und veranstalten effiziente und umfassende Schulungsmaßnahmen für das Personal, das an der Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von Geschäften und Aufträgen beteiligt ist, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellen könnten, wobei auch das mit der Bearbeitung von Aufträgen und Geschäften befasste Personal mit einbezogen wird. Die Schulungsmaßnahmen finden regelmäßig statt, sind für diese Zwecke geeignet und stehen in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art der Geschäftstätigkeit. (2) Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, bieten die in Unterabsatz 1 genannten Schulungen außerdem für Mitarbeiter an, die in die Vorbeugung von Insidergeschäften, Marktmanipulation oder versuchten Insidergeschäften oder versuchter Marktmanipulation einbezogen sind. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 5 Meldepflichten (1) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, schaffen und unterhalten wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren, mit deren Hilfe sie zwecks Übermittlung einer Verdachtsmeldung beurteilen können, ob ein Auftrag oder ein Geschäft ein Insidergeschäft, eine Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellen könnte. Gebührende Beachtung zu schenken ist dabei im Rahmen dieser Regelungen, Systeme und Verfahren den Merkmalen, die nach Artikel 8 und 12 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ein tatsächliches oder versuchtes Insidergeschäft bzw. eine tatsächliche oder versuchte Marktmanipulation ausmachen, wie auch den Indikatoren für Marktmanipulation, die in nicht erschöpfender Aufzählung in Anhang I dieser Verordnung genannt und in der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission weiter spezifiziert werden,. (2) Alle in Absatz 1 genannten Personen, die an der Bearbeitung ein und desselben Auftrags oder Geschäfts beteiligt sind, tragen die Verantwortung für die Entscheidung darüber, ob eine Verdachtsmeldung übermittelt wird. (3) Die in Absatz 1 genannten Personen gewährleisten, dass im Rahmen einer Verdachtsmeldung übermittelte Informationen auf Tatsachen und Untersuchungen basieren, wobei sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen. (4) Die in Absatz 1 genannten Personen sorgen für Verfahren, mit denen sie gewährleisten, dass die Person, zu der die Verdachtsmeldung übermittelt wurde, und andere Personen, die nicht aufgrund ihrer Funktion oder Position innerhalb der meldenden Person von der Übermittlung der Verdachtsmeldung Kenntnis haben müssen, nicht über die Tatsache unterrichtet werden, dass eine Verdachtsmeldung an die zuständige Behörde übermittelt wurde oder übermittelt werden wird bzw. übermittelt werden soll. (5) Die in Absatz 1 genannten Personen füllen die Verdachtsmeldung aus, ohne die Person, auf die sich die Verdachtsmeldung bezieht, und andere Personen, die nicht von der bevorstehenden Übermittlung einer Verdachtsmeldung Kenntnis haben müssen, darüber zu unterrichten, was für Auskunftsersuchen in Bezug auf die Person, auf die sich die Verdachtsmeldung bezieht, zum Zweck des Ausfüllens bestimmter Felder gilt. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 6 Zeitpunkt der Verdachtsmeldungen (1) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, stellen sicher, dass sie über wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren verfügen, um gemäß Artikel 16 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 bei Auftreten eines begründeten Verdachts auf ein tatsächliches oder versuchtes Insidergeschäft bzw. eine tatsächliche oder versuchte Marktmanipulation unverzüglich eine Verdachtsmeldung zu übermitteln. (2) Hat sich der Verdacht aufgrund von Folgeereignissen oder späteren Informationen ergeben, beinhalten die Regelungen, Systeme und Verfahren nach Absatz 1 die Möglichkeit der Übermittlung von Verdachtsmeldungen in Bezug auf Geschäfte und Aufträge aus der Vergangenheit. In solchen Fällen erläutern die Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, und die Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, der zuständigen Behörde in der Verdachtsmeldung die zeitliche Verzögerung zwischen dem mutmaßlichen Verstoß und der Übermittlung der Verdachtsmeldung unter Bezugnahme auf die spezifischen Umstände des Falls. (3) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, übermitteln der zuständigen Behörde alle zusätzlichen sachdienlichen Informationen, von denen sie nach der ursprünglichen Übermittlung der Verdachtsmeldung Kenntnis erhalten, und stellen alle von der zuständigen Behörde angeforderten Informationen und Unterlagen bereit. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1).
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Art. 16 VO Nr. 596/2014 Art. 7 Inhalt der Verdachtsmeldungen (1) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, verwenden bei Übermittlung einer Verdachtsmeldung das im Anhang enthaltene Muster. (2) Die in Absatz 1 genannten Personen, die eine Verdachtsmeldung übermitteln, füllen die für die gemeldeten Aufträge oder Geschäfte relevanten Informationsfelder eindeutig und detailliert aus. Die Verdachtsmeldung enthält zumindest die folgenden Angaben: a) eine Identifikation der Person, die die Verdachtsmeldung übermittelt, und im Fall von Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, auch die Eigenschaft, in der die die Verdachtsmeldung übermittelnde Person agiert, speziell bei Handel für eigene Rechnung oder bei Ausführung von Aufträgen im Namen von Dritten; b) eine Beschreibung des Auftrags oder des Geschäfts, einschließlich: i) Art des Auftrags und Art des Handels, insbesondere Blockgeschäfte, und wo die Tätigkeit in Erscheinung trat, ii) Preis und Volumen; c) die Gründe, weshalb der Verdacht besteht, dass der Auftrag oder das Geschäft ein Insidergeschäft, eine Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellt; d) die Mittel zur Identifizierung aller Personen, die an dem Auftrag oder Geschäft, der bzw. das ein Insidergeschäft, eine Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellen könnte, beteiligt sind, einschließlich der Person, die den Auftrag erteilt oder ausgeführt hat, und der Person, in deren Namen der Auftrag erteilt oder ausgeführt wurde; e) alle anderen Informationen und Belege, die für die Zwecke der Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Insidergeschäften, Marktmanipulation sowie versuchten Insidergeschäften und versuchter Marktmanipulation als für die zuständige Behörde relevant gelten könnten. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 8 Möglichkeiten der Übermittlung (1) Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, verwenden für die Übermittlung der Verdachtsmeldung, einschließlich aller Belege oder Anhänge, an die zuständige Behörde gemäß Artikel 16 Absätze 1 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/ 2014 die von dieser zuständigen Behörde angegebenen elektronischen Mittel. (2) Die zuständigen Behörden veröffentlichen auf ihrer Website die in Unterabsatz 1 genannten elektronischen Mittel. Diese elektronischen Mittel gewährleisten die Wahrung der Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen während der Übermittlung. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Art. 9 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 9.3.2016 (ABl. EU Nr. L 160 v. 17.6.2016, S. 1). Schrifttum: S. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014. I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Regelungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
III. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
IV. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich/Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumlicher Anwendungs-, Geltungs- und Zuständigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . .
9 9
V. Pflichten zur Vorbeugung, Überwachung und Aufdeckung von Marktmissbrauch (Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) . . . 1. Ausdrückliche Überwachungspflichten des Art. 16 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Proportionalitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . a) Dogmatische Einordnung des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . .
4.
12 15 18 VI. 19 19 20 21 22
1. 2. 3. 4.
b) Wirksame Vorbeugung . . . . . . . . . . . . . . c) Wirksame Überwachung und Aufdeckung d) Konkrete Ausgestaltung des Vorbeugungsund Überwachungssystems . . . . . . . . . . . e) Bewertung und Dokumentation . . . . . . . Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen (Art. 16 Abs. 2 Halbs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksame Überwachung und Aufdeckung b) Delegation innerhalb der Unternehmensgruppe und Ausgliederung . . . . . . . . . . . c) Bewertung und Dokumentation . . . . . . . Verdachtsmeldungen (Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meldepflichten (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . Pflicht zur Einrichtung von Meldesystemen . Zuständigkeit für Verdachtsmeldungen . . . . Voraussetzungen der Meldepflicht . . . . . . . . a) Bezugspunkt des Verdachts . . . . . . . . . . . b) Verdachtszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verdachtsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 25 26 31 35 36 37 40 41 42 44 46 47 48 51 52
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch
5. VII. 1. 2. 3.
d) Tatsachen und Untersuchungen als Grundlagen des begründeten Verdachts . . . . . . . Zeitpunkt der Verdachtsmeldung (Art. 6 DelVO 2016/957) . . . . . . . . . . . . . . . . Meldungsadressaten und Meldungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meldungsadressaten (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . Form und Inhalt der Verdachtsmeldung . . . . Übermittlung der Verdachtsmeldungen . . . . .
54 55 57 57 59 63
VIII. Umgang der zuständigen Behörde mit Verdachtsmeldungen – Weiterleitungspflicht (Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . IX. Konkretisierungsermächtigung (Art. 16 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . X. Aus- bzw. Durchführungsverbot . . . . . . . . XI. Rechtsfolgen bei Verstößen . . . . . . . . . . . . .
64 65 66 68
I. Regelungsgegenstand 1 Der mit „Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch“ überschriebene Art. 16 VO Nr. 596/2014 ist
die zentrale Norm der MAR für die Inpflichtnahme Privater zur Durchsetzung (enforcement) des Marktmissbrauchsregimes. Sie richtet sich an zwei unterschiedliche Personengruppen: an Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben (Abs. 1), und an Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen (Abs. 2). Die Mitwirkung dieser Privaten bei der Rechtsdurchsetzung vollzieht sich in zwei Stufen. Auf der ersten Stufe besteht die Pflicht der Normadressaten, angemessene Überwachungssysteme zur Aufdeckung und Überwachung von Verstößen gegen die Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 einzurichten und zu betreiben (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, trifft auf dieser Stufe zusätzlich die Pflicht, entsprechende Systeme auch zur Vorbeugung von Marktmissbrauch vorzuhalten. Auf der zweiten Stufe sind beide Personengruppen zur unverzüglichen Meldung festgestellter Verstöße (Verdachtsmeldung) an die jeweils zuständige Behörde verpflichtet (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014). Nähere Ausgestaltungsvorgaben zum Aufsichts- bzw. Vorbeugungssystem und zu den Verdachtsmeldungen enthält die gem. Art. 16 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 erlassene Delegierte Verordnung (EU) 2016/957 (DelVO 2016/957).
2 Für Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, erklärt Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 596/2014
partiell das nationale Recht des Mitgliedstaates, in dem sie ihre Hauptniederlassung oder, bei einer Zeitniederlassung, die Vorschriften des Mitgliedstaats ihrer Zweitniederlassung, für anwendbar. Abweichend von der allgemeinen Zuständigkeit im Zusammenhang mit der Überwachung des Marktmissbrauchsregimes verpflichtet Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 diese Personen nämlich dazu, die nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 erforderliche Verdachtsmeldung bei der nach dem nationalen Recht für ihre Aufsicht zuständigen Behörde vorzunehmen. Diese Behörde ist dann nach Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 verpflichtet, die Meldung unverzüglich der für den betreffenden Handelsplatz zuständigen Behörde mitzuteilen.
II. Regelungssystematik 3 Systematisch überzeugend steht Art. 16 VO Nr. 596/2014 am Ende des mit „Insiderinformationen, Insider-
geschäfte, unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen und Marktmanipulation“ überschriebenen Kapitel 2 der MAR. Die Vorschrift sucht Marktmissbrauch vorzubeugen und effektiv aufzudecken (Rz. 7), wie ihre Stellung in diesem Kapitel, das auch die Verbotsnormen der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 sowie die maßgeblichen Definitionsnormen für diese enthält, zeigt. Zugleich flankiert sie aber auch die Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse der zuständigen Behörden nach den Art. 22 ff. und Art. 30 ff. VO Nr. 596/ 2014 bzw. deren jeweiliger nationaler Umsetzung, da die Behörden sowohl bei der Aufdeckung als auch bei der anschließenden Sanktionierung auf die Verdachtsmeldungen und die sonstige Informationssammlung der Normadressaten angewiesen sind1. Parallele und ergänzende Meldepflichten im Zusammenhang mit potentiellem Marktmissbrauch enthalten auch andere Rechtsakte, etwa die VO Nr. 1031/2010 (Emissionszertifikate-VO), die VO Nr. 1227/2011 (REMIT) und die VO Nr. 2016/2011 (Benchmark-VO)2.
4 Art. 16 VO Nr. 596/2014 unterscheidet systematisch nach den jeweiligen Adressaten der Verhaltenspflich-
ten: Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben (Abs. 1), Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen (Abs. 2), und zuständige Behörden nach Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 (Abs. 4). Diese Regelungstechnik führt zu Wiederholungen, da sich die Meldepflichten für die 1 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 1. 2 Dazu Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 34.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 7 Art. 16 VO Nr. 596/2014
unterschiedlichen Personengruppen letztlich nicht unterscheiden (Rz. 42). Sinnvoll ist die Differenzierung hinsichtlich der Überwachungspflichten, da Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 an Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, strengere Pflichten adressiert. Die Meldepflicht für die zuständigen nationalen Behörden nach Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 unterscheidet sich sogar im Grundsätzlichen von den Pflichten nach Abs. 1 und 2. Verpflichtet wird eine Behörde – die je nach nationalem Verwaltungsaufbau von der MAR ansonsten überhaupt nicht adressiert wird (s. Rz. 57 f.) – dazu, die ihr zugegangenen Verdachtsmeldungen unverzüglich an die zuständige Behörde des betreffenden Handelsplatzes weiterzuleiten. Aufgrund der Sachnähe zu den Meldepflichten nach Art. 16 Abs. 3 und 4 VO Nr. 596/ 2014 ist ihr Regelungsstandort gleichwohl zu rechtfertigen. Die von der Europäischen Kommission auf Grundlage von Entwürfen der ESMA erlassene DelVO 2016/ 5 957 zur Festlegung angemessener Regelungen, Systeme und Verfahren für die Einhaltung der Vorschriften in den Abs. 1 und 2 des Art. 16 VO Nr. 596/2014 und der von Personen zur Einhaltung der Vorschriften in den Abs. 1 und 2 des Art. 16 VO Nr. 596/2014 zu nutzenden Mitteilungsmuster, unterscheidet systematisch nicht so deutlich wie Art. 16 VO Nr. 596/2014 nach den unterschiedlichen Adressaten. Nach den in Art. 1 DelVO 2016/957 enthaltenen allgemeinen Begriffsbestimmungen konkretisieren und präzisieren die Art. 2–4 DelVO 2016/957 die in Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Überwachungspflichten. Innerhalb der einzelnen Artikel unterscheidet zwar auch die DelVO 2016/957 zwischen den Adressaten des Art. 16 VO Nr. 596/2014, mithin zwischen (i) Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, und (ii) Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen. Inhaltlich werden – abgesehen von der Pflicht auch zur Vorbeugung, die nur Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, trifft – aber inhaltlich identische Anforderungen gestellt. Ohne eine Unterscheidung nach den in die Pflicht genommenen Personen machen sodann die Art. 5–8 DelVO 2016/957 präzisierende Vorgaben für die Verdachtsmeldungen nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014. Echte Level 3-Maßnahmen in Form von Leitlinien und Empfehlungen der ESMA liegen bislang zu Art. 16 6 VO Nr. 596/2014 nicht vor. Allerdings hat die ESMA Q&As veröffentlicht, die auch Art. 16 VO Nr. 596/ 2014 betreffen und ganz ähnlich wie Leitlinien und Empfehlungen zu einer weiteren – wenn auch nicht rechtlich bindenden – Präzisierung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben beitragen werden (s. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 43)3.
III. Regelungszweck Die Überwachungspflichten für Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, 7 sollen einheitliche Marktbedingungen für die der MAR unterfallenden Handelsplätze und Handelssysteme gewährleisten (Erwägungsgrund 45 VO Nr. 596/2014)4. Daneben lassen sie sich, ebenso wie die diesbezügliche Verpflichtung von Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, in den Kontext der Inpflichtnahme Privater zur Aufdeckung von Marktmissbrauch stellen (Erwägungsgrund 1 Satz 2 DelVO 2016/957)5. Die Überwachungspflichten gewährleisten, dass Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sowie Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, Marktmissbrauch überhaupt erkennen können und stellen damit eine wesentliche Voraussetzung für effektive Verdachtsmeldungen dar (Erwägungsgrund 1 Satz 3 DelVO 2016/957). Der Zweck ebendieser Verdachtsmeldungen besteht darin, den zuständigen Behörden, in Deutschland mithin der BaFin, die ihnen obliegende Überwachung der Einhaltung der Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 zu erleichtern6. Dabei geht es nicht nur um die Effektuierung der präventiven Überwachungsaufgabe der BaFin, aktuell bestehende Gefahren für die Integrität der Kapitalmärkte abwehren zu können7. Vielmehr gehört zu den Überwachungsaufgaben der jeweils zuständigen nationalen Behörde auch, dafür Sorge zu tragen, dass Verstöße straf- und bußgeldrechtlich verfolgt werden. Insoweit hat die Meldepflicht auch einen repressiven Hintergrund8. Eine Besonderheit stellt die Pflicht für Marktbetreiber zur präventiven Verhinderung von Markt3 ESMA, Questions and Answers on the Market Abuse Regulation, ESMA70-145-111, Version 15, Last updated on 6 August 2021, Q6, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-111_qa_on _mar.pdf. 4 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 4; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 2 f. 5 Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 32; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 514; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 1. 6 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 4; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 2. 7 Hierauf beschränkte Schwintek, WM 2005, 861, 863 den Zweck des § 10 WpHG a.F. 8 Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 4.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 7 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch missbrauch dar. Diese geht weiter als die Pflichten zur Aufdeckung und Meldung begangener Verstöße, da sie Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, zur (präventiven) Verhinderung von Marktmissbrauch instrumentalisiert und ihnen damit originär den zuständigen Behörden obliegende Aufgaben zuweist9. Insgesamt will die Regelung eine unionsweit einheitliche Methodik und Vorgehensweise fördern und stellt deshalb im Verordnungswege zwingend einheitliche Anforderungen an die Überwachungssysteme und an die Verdachtsmeldungen (Erwägungsgrund 2 DelVO 2016/957). 8 Art. 16 VO Nr. 596/2014 führt zu einer Inpflichtnahme Privater bei der staatlichen Überwachung des
Marktmissbrauchsrechts10. Da eine solche Inpflichtnahme bei den Adressaten Kosten verursacht, Ressourcen bindet und die Kundenbindung berührt, nämlich Interessenkonflikte begründen kann11, ist sie bereits im Rechtssetzungsprozess der MAD I auf Kritik insbesondere aus der Kreditwirtschaft gestoßen12. Im Zuge der Novellierung des Marktmissbrauchsregimes wurden verfassungsrechtliche Bedenken kaum noch vorgebracht und so enthält die MAR – anders als noch die MAD I – sehr weitgehende ausdrückliche Überwachungspflichten (Rz. 25, 36). Gleichwohl stößt die Inpflichtnahme Privater in Gestalt von Aufsichts- und Anzeigepflichten aber an grundrechtliche Grenzen, da sie in die Berufsfreiheit der Verpflichteten und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der von der Anzeige Betroffenen eingreift13. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass die grundrechtliche Beurteilung – vorbehaltlich der von der Solange-Rechtsprechung des BVerfG gezogenen Grenzen – nicht am Maßstab des Grundgesetzes, sondern an dem des europäischen Grundrechtsschutzes erfolgt (s. Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 55)14. Dieser ist seit dem Vertrag von Lissabon durch die Europäische Grundrechtecharta institutionalisiert. Das Unionsrecht ist seit längerem jedenfalls hinsichtlich der Einbindung Privater auch in die originäre Staatsaufgabe der Rechtsdurchsetzung großzügiger, als es einem verbreiteten deutschen Grundrechtsverständnis entspricht. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die in die Pflicht genommenen Finanzintermediäre aufgrund ihrer Funktion im Finanzmarkt eine besondere Verantwortung für die Integrität der Märkte haben, die es eher rechtfertigt, ihnen auch Pflichten aufzuerlegen. Hinzu kommt noch, dass sie faktisch die einzigen sind, die frühzeitig dazu in der Lage sind, Marktmissbrauch zu erkennen. Schließlich werden die von Art. 16 VO Nr. 596/2014 Verpflichteten (Rz. 12 f.) die zusätzlichen Kosten – jedenfalls zum Teil – an die Kunden weitergeben15. Die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – dieser ist auch beim Schutz nach der Europäischen Grundrechtecharta maßgeblich – Rechnung tragende Grenze liegt hinsichtlich der Überwachungspflichten im Proportionalitätsgebot (Rz. 20)16 und hinsichtlich der Verdachtsmeldungen in den Anforderungen an die Verdachtsschwelle (Rz. 52 f.). Dies steuert der vielbeschworenen Gefahr einer Flut unbegründeter Verdachtsanzeigen17 gegen, auch wenn die Zahl der Verdachtsmeldungen seit dem Inkrafttreten der MAR deutlich höher liegt als zuvor18. Eine Überforderung der BaFin ist gleichwohl nicht eingetreten, wohl auch deshalb, weil sie bei der Bearbeitung von Marktmissbrauchsverdachtsanzeigen einen zunehmend stärker risikobasierten Ansatz verfolgt, in dessen Rahmen sie zahlreiche Vorgänge bereits nach einer standardisierten Kurzanalyse einstellt19.
9 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 5. 10 Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 6; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 3; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 10 WpHG Rz. 4 mit Verweis auf Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 933; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 10 WpHG Rz. 2. 11 Vgl. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 933. 12 Instruktiv Schwintek, WM 2005, 861, 862 f. mit dortigen Fn. 7, 22 f. m.N. 13 S. aber Szesny, Finanzmarktaufsicht und Strafprozess, 2008, S. 209 ff., der den Eingriff für unverhältnismäßig hält und die Gefahr eines Verstoßes gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz sieht, wenn ein Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens durch die Verdachtsanzeige riskiere, selbst wegen Beihilfe verfolgt zu werden. Zum Nemo-tenetur-Grundsatz jüngst auch EuGH v. 2.2.2021 – C-481/19, AG 2021, 236 = NZG 2021, 295; dazu etwa Bekritsky, BKR 2021, 340; Meyer, NZWist 2022, 99. S. auch noch unten Rz. 50. 14 Zustimmend Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 6. 15 Dazu – durchaus kritisch – Bianchi/Di Noia/Gargantini in Meyer u.a., Finance and Investment – The European Case, S. 253, 262. 16 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 6. 17 Vgl. Szesny, Finanzmarktaufsicht und Strafprozess, 2008, S. 208 f. 18 S. BaFin, Jahresbericht 2018, 1.2, S. 129. Die Zahlen lauten wie folgt: 1.547 Meldungen 2020, 1.557 in 2019, 2.404 in 2018, 2.467 in 2017 und 1.274 in 2016 (Zahlen zu 2016 einschließlich der Verdachtsmeldungen zu Insiderverstößen). Vor Inkrafttreten des Art. 16 VO Nr. 596/2014 im Sommer 2016 gab es für das Jahr 2015 lediglich 547 Verdachtsmeldungen wegen Verstößen gegen das Marktmanipulations- und das Insiderverbot. 19 S. dazu BaFin, Jahresbericht 2019, 3.1.1., S. 91 f.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 11 Art. 16 VO Nr. 596/2014
IV. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich In sachlicher Hinsicht beziehen sich die Überwachungspflichten zur Vorbeugung und Aufdeckung auf (ver- 9 suchte) Insidergeschäfte und (versuchte) Marktmanipulationen. Welches Verhalten einen (versuchten) Insiderverstoß bzw. eine (versuchte) Marktmanipulation darstellt, wird allein durch die entsprechenden Begriffsbestimmungen der MAR in den Art. 7–13 VO Nr. 596/2014 bzw. durch die diese weiter präzisierenden Vorschriften festgelegt. Näher daher die dortige Kommentierung. Die Pflicht zur Verdachtsmeldung nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 bezieht sich auf Aufträ- 10 ge und Geschäfte, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, soweit sich – so ist zu ergänzen – die betreffende Transaktion auf ein vom sachlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 596/2014 erfasstes Instrument (dazu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 30 ff.) bezieht20. Entscheidend ist nur die jeweilige Transaktion, unabhängig davon, wer sie vorgenommen oder in Auftrag gegeben hat. Deutlicher kommt dieser sachliche Anwendungsbereich in Art. 2 Abs. 2 und 4 DelVO 2016/957 zum Ausdruck, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der vorgelagerten Überwachungspflicht stehen. Nach diesen Vorschriften gelten die Pflichten nach Art. 2 Abs. 1 und 3 DelVO 2016/957 für Aufträge und Geschäfte im Zusammenhang mit allen Arten von Finanzinstrumenten unabhängig von der Eigenschaft, in der jemand den Auftrag erteilt oder das Geschäft ausgeführt hat, und den Arten der Kunden, die betroffen sind. Gleiches muss für die Meldepflicht gelten. Der Begriff des Finanzinstruments muss allerdings weiter verstanden werden als dessen Definition in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 (dazu Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 ff.)21. Denn es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der die Verbotsvorschrift des Art. 15 VO Nr. 596/2014 ergänzende Art. 16 VO Nr. 596/2014 sich auf die Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmanipulationen in Finanzinstrumenten beschränken und die von Art. 15, 14 VO Nr. 596/2014 ebenfalls Manipulationen von mit Finanzinstrumenten verbundenen Waren-Spot-Kontrakten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 39), von auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 40) und von Referenzwerten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 41) ausklammern will. Eine Pflicht zur Verdachtsmeldung besteht daher auch, wenn ein Geschäft oder ein Auftrag in Bezug auf ebensolche Instrumente einen Marktmissbrauch darstellen könnte. Die Meldepflichten des Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und des Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 beziehen sich auf 11 Geschäfte und Aufträge, wobei nur Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 betont, dass nicht nur deren Abschluss bzw. deren Neuerteilung, sondern auch die Stornierung oder Änderung von Geschäften oder Aufträgen erfasst sind. Geschäfte sind alle Transaktionen mit Finanzinstrumenten, damit verbundenen WarenSpot-Kontrakten oder auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekten, was nicht nur deren Erwerb (Kauf) oder Veräußerung (Verkauf) meint, sondern etwa auch Sicherungsgeschäfte wie Sicherungszession, -übereignung, Treuhandschaften und Verpfändungen (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 55 ff.)22, ferner die Stornierung und Änderung der vorgenannten Geschäfte23. Unerheblich ist, ob das Geschäft an einem bestimmten Handelsplatz oder außerhalb (OTC) abgeschlossen wurde. Art. 16 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 hebt dies – anders als Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 – ausdrücklich hervor. Den Auftrag i.S.d. Art. 16 VO Nr. 596/2014 umschreibt Art. 2 lit. d DelVO 2016/957 – auch wenn es sich hierbei mangels einer Konkretisierungsermächtigung in der MAR nicht um eine verbindliche Definition handelt24 – wie folgt: „Auftrag“ bezeichnet jeden Auftrag, einschließlich aller Quotes, unabhängig davon, ob dessen Zweck in der Ersterteilung, Änderung, Aktualisierung oder Stornierung eines Auftrags besteht, und unabhängig von dessen Art. Diese Umschreibung stimmt mit dem allgemeinen Begriffsverständnis des Handelsauftrags i.S.d. Art. 12 VO Nr. 596/2014 überein, wonach die in Art. 12 Abs. 1 lit. a, b VO Nr. 596/2014 genannten Handelsaufträge nicht streng zivilrechtlich im Sinne des bürgerlichen Auftrags- und Kaufrechts, sondern kapitalmarktrechtlich als Orders zu verstehen sind (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 60). Art. 16 VO Nr. 596/2014 geht über Art. 12 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 aber insoweit hinaus, als unter den Auftrag auch eine bloße Stornierung fällt (vgl. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 61), was sich eindeutig aus dem Wortlaut des Art. 16 VO Nr. 596/2014 ergibt. Der Ort, an dem der Auftrag vorgenommen wird, ist auch insoweit unmaßgeblich.
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Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 11. So auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 9. Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 11. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 484; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 10. 24 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 11; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 11.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 12 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch
2. Persönlicher Anwendungsbereich/Normadressaten 12 Normadressaten des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sind Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen
Handelsplatz betreiben25. Der Begriff des Marktbetreibers richtet sich gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/ 2014 nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 RL 2014/65/EU (MiFID II), nach dem ein Marktbetreiber eine Person ist, die das Geschäft eines geregelten Marktes verwaltet und/oder betreibt und die auch der geregelte Markt selbst sein kann26. Eine Wertpapierfirma ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014 eine Wertpapierfirma i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU, mithin jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt. Normadressat des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist eine Wertpapierfirma nur, wenn sie einen Handelsplatz betreibt. Ein Handelsplatz bezeichnet nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 VO Nr. 596/2014 einen Handelsplatz i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 24 RL 2014/65/EU, mithin einen geregelten Markt, ein MTF oder ein OTF. Für das Betreiben gelten insoweit die gleichen Voraussetzungen wie für den Marktbetreiber, die Wertpapierfirma muss mithin das Geschäft eines Handelsplatzes verwalten und/oder betreiben oder der Handelsplatz selbst sein.
13 Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, werden durch Art. 16 Abs. 2 VO Nr. 596/2014
sowohl zur Einrichtung und Unterhaltung von Überwachungssystemen (Abs. 2 Satz 1) als auch zur Vornahme von Verdachtsmeldungen (Abs. 2 Satz 2) verpflichtet27. Gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 28 VO Nr. 596/2014 fällt unter den Begriff der „Person, die beruflich Geschäfte vermittelt oder ausführt“ eine Person28, die beruflich mit der Entgegennahme und Übermittlung von Aufträgen oder der Ausführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten befasst ist29. Für den Begriff der Geschäfte und Aufträge ist auf die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich Rz. 9 ff. zu verweisen. Die Definition der Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, ist aktivitätsbezogen und weist, anders als diejenige der Adressaten des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, keinen ausdrücklichen Bezug zur MiFID II auf30. Allgemein fallen unter den Tatbestand nicht bereits Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterfallende31 Wertpapierfirmen i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 RL 2014/65/EU (MiFID II), die Geschäfte ausführen oder vermitteln, was regelmäßig bei der Anlagevermittlung32 i.S.d. Anhang I Abschnitt A Nr. 1 RL 2014/65/EU und bei Wertpapierdienstleistungen i.S.d. Anhang I Abschnitt A Nr. 2 RL 2014/65/EU33 der Fall sein wird. Darüber hinaus werden ausweislich der ESMA Q&As (Rz. 6) Investment Managementfirmen wie AIFMD-Manager bzw. Firmen und UCITS-Management Firmen sowie professionelle Eigenhändler (proprietary traders) erfasst34. Es ist grundsätzlich auch denkbar, dass natürliche Personen Normadressaten sind35. Eine Überforderung ist bei alledem nicht zu 25 Die ursprüngliche Fassung der MAR – vor ihrer Konsolidierung durch die Berichtigung der Verordnung Nr. 596/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 287 v. 21.10.2016, S. 320 – verwendete statt des Begriffs Marktbetreiber noch den Begriff Betreiber von Märkten. Sie findet sich auch heute noch in der DelVO 2016/957. In dieser Kommentierung wird die Terminologie der konsolidierten MAR zugrunde gelegt. 26 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 13; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 6. 27 Die ursprüngliche Fassung der MAR – vor ihrer Konsolidierung durch die Berichtigung der Verordnung Nr. 596/ 2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83 – verwendete statt des Begriffs beruflich noch den Begriff gewerbsmäßig. Die alte Terminologie findet sich auch noch in der DelVO 2016/957. Unerfreulich ist, dass die DelVO 2016/957 bislang noch nicht angepasst wurde. In dieser Kommentierung wird die Terminologie der konsolidierten MAR zugrunde gelegt. 28 Gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff Person sowohl natürliche, als auch juristische Personen. 29 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 8 f.; Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 2. 30 ESMA, Questions and Answers on the Market Abuse Regulation, ESMA70-145-111, Version 15, Last updated on 6 August 2021, Section 1, Q6.1, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145111_qa_on_mar.pdf. 31 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 2. 32 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 2. 33 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 2; Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 514; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 15. 34 ESMA, Questions and Answers on the Market Abuse Regulation, ESMA70-145-111, Version 15, Last updated on 6 August 2021, Q&A 6.1, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma70-145-111_qa_ on_mar.pdf. 35 Gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 bezeichnet der Begriff Person sowohl natürliche, als auch juristische Personen.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 18 Art. 16 VO Nr. 596/2014
fürchten, da die Überwachungspflichten dem Proportionalitätsgebot folgend in ihrer Intensität dem Geschäftsumfang angepasst sind (Rz. 20). Die MAR macht keine Vorgaben dazu, welche Stellen und Personen innerhalb der juristischen Person 14 bzw. der Organisation, die als Marktbetreiber oder Wertpapierfirma ein Pflichtenadressat ist, für die Einrichtung und Unterhaltung der Überwachungssysteme und für die Verdachtsmeldungen zuständig sind. Ohne entsprechende unionsrechtliche Vorgaben richtet sich diese Zuständigkeit nach dem jeweils anwendbaren nationalen Unternehmensrecht bzw. sonstigen nationalen Korporationsrecht. Bei Kapitalgesellschaften ist das vertretungsberechtigte Organ berufen36.
3. Räumlicher Anwendungs-, Geltungs- und Zuständigkeitsbereich Der internationale kapitalmarktrechtliche Anwendungs- und Geltungsbereich des Art. 16 VO Nr. 596/2014 15 ist eine Frage des internationalen Kapitalmarktrechts und damit eine solche des internationalen Verwaltungsrechts, da die kapitalmarkt- und aufsichtsrechtliche Norm des Art. 16 VO Nr. 596/2014 zum Verwaltungsrecht zählt (öffentlich-rechtliches Gebot). Im Ausgangspunkt ist zwischen dem internationalen Anwendungs- und dem internationalen Geltungsbereich der Norm zu unterscheiden. Der Anwendungsbereich des Art. 16 VO Nr. 596/2014 im Sinne der räumlichen Verortung der Sachverhalte, auf welche die Norm anwendbar ist (jurisdiction to prescribe), ist demgegenüber nicht zwingend auf die Europäische Union beschränkt37. Vielmehr können Anwendungsbereiche öffentlich-rechtlicher Normen durchaus grenzüberschreitende Sachverhalte einschließen, was völkerrechtlich unbedenklich ist, wenn nur ein tragfähiger inländischer Anknüpfungspunkt (genuine link) besteht38. Der Geltungsbereich des Art. 16 VO Nr. 596/2014 im Sinne des Gebietes, in dem Gerichte und Behörden an Art. 16 VO Nr. 596/2014 gebunden sind und die Norm anzuwenden und durchzusetzen (jurisdiction to enforce) haben, ist auf die Europäische Union beschränkt39. Der Zuständigkeitsbereich richtet sich nach Art. 22 VO Nr. 596/2014 (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 47). Näher zum Ganzen Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 45 ff. Die Pflicht des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 trifft Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen 16 Handelsplatz betreiben. Entscheidend ist für beide Adressaten die Begriffsbestimmung der RL 2014/65/EU (MiFID II), die sowohl für Marktbetreiber, als auch für Wertpapierfirmen auf eine Niederlassung/einen Sitz in der Europäischen Union abstellt. Die ebenfalls von der MiFID II mit in die Pflicht genommenen Drittstaatenfirmen, die in der EU durch die Einrichtung einer Zweigniederlassung Wertpapierdienstleistungen erbringen oder Anlagetätigkeiten ausüben (Art. 39 ff. RL 2014/65/EU), werden von Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht in die Pflicht genommen, können aber unter Art. 16 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 fallen. Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 verpflichtet nur Marktbetreiber mit Sitz innerhalb der EU dazu, Überwachungs- und Vorbeugungssysteme einzurichten und Verdachtsmeldungen vorzunehmen. Für die den Verdachtsmeldungen zugrunde liegenden Geschäfte und Aufträge ist aber die weltweite Anwendbarkeit der Verbote der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 maßgeblich (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 48 ff.), so dass es nicht darauf ankommt, wo die entsprechenden Aufträge oder Geschäfte vorgenommen wurden. Hinsichtlich der Pflichten nach Art. 16 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ist der räumliche Anwendungsbereich weiter 17 gefasst. Die Vorschrift adressiert rein aktivitätsbezogen Personen, die innerhalb der Europäischen Union/ des EWR – so ist zu ergänzen – entsprechend beruflich tätig sind. Unerheblich ist, wo diese Personen ihren Sitz bzw., oder im Falle natürlicher Personen, ihren Wohnort haben. Auch der räumliche Anwendungsbereich wird durch die Tätigkeit bestimmt. Die Tätigkeit innerhalb der EU stellt den völkerrechtlich erforderlichen genuine link dar.
4. Zeitlicher Anwendungsbereich In zeitlicher Hinsicht sind die allgemeinen Vorgaben zum zeitlichen Anwendungsbereich der MAR (Art. 39 18 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) auch für Art. 16 VO Nr. 596/2014 maßgeblich, weshalb die in ihm an die Marktteilnehmer adressierten Pflichten seit dem 3.7.2016 gelten (Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 51). Lediglich Art. 16 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 gilt gem. Art. 39 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 bereits seit dem 2.7.2014. Die DelVO 2016/957 ist gem. Art. 9 DelVO 2016/957 an den Geltungsbeginn der Pflichten für die Marktteilneh36 37 38 39
Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 43. S. nur Mülbert, AG 1986, 1, 4 f.; Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 28 f. m.N. S. nur Mülbert, AG 1986, 1, 5; Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 94 f. m.N. Vgl. RegE, BT-Drucks. 12/6679, 54 (= RegE des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes) zu § 20a WpHG und der Beschränkung des Geltungsbereichs auf das Inland.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 18 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch mer angepasst. Daraus folgt, dass bereits seit dem 3.7.2016 alle von der Verordnung erfassten Adressaten den Vorgaben entsprechende Überwachungssysteme implementiert haben und Verdachtsmeldungen vornehmen müssen.
V. Pflichten zur Vorbeugung, Überwachung und Aufdeckung von Marktmissbrauch (Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) 1. Ausdrückliche Überwachungspflichten des Art. 16 VO Nr. 596/2014 19 Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 verpflichten ihre Adressaten (Rz. 12 f.) aus-
drücklich zur Schaffung und Aufrechterhaltung wirksamer Regelungen, Systeme und Verfahren zur Vorbeugung und Aufdeckung von Insidergeschäften, Marktmanipulation, versuchten Insidergeschäften und versuchter Marktmanipulation40. Damit statuiert die MAR zur Sicherstellung effektiver Verdachtsmeldungen – anders als noch § 10 WpHG a.F. – ausdrücklich Überwachungsvorgaben auch in Form von Organisationspflichten. Freilich entsprach es auch schon zu §§ 10 und 15 WpHG a.F. der h.M. im Schrifttum, dass den Melde- bzw. Mitteilungspflichten „Compliancepflichten“ vorgelagert sind41. D.h. die Adressaten mussten auch schon unter § 10 WpHG a.F. durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass sie ihrer Verpflichtung aus § 10 WpHG a.F. nachkommen können. Insoweit schaffen die ausdrücklichen Vorgaben des Art. 16 VO Nr. 596/2014 für die Marktteilnehmer/betreiber ein Stück weit Rechtssicherheit, wenngleich die nicht abschließend festgelegte und vom Einzelfall abhängige Ausgestaltung (Rz. 26 ff.) gewisse Rechtsunsicherheiten fortbestehen lässt.
2. Proportionalitätsgebot 20 Die Überwachungspflichten des Art. 16 VO Nr. 596/2014 genügen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, indem
sie die Einrichtung und den Betrieb von Überwachungssystemen nur insoweit gebietet, als diese erforderlich sind, um Marktmanipulationen und Insiderhandel aufzudecken, und es der Größe des Pflichtadressaten und dem Umfang seiner Geschäftstätigkeit entspricht42. Normativen Ausdruck findet das Proportionalitätsgebot bereits im Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 und des Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014, die beide von wirksamen Regelungen, Systemen und Verfahren sprechen. Das Attribut „wirksam“ bringt nicht nur eine Mindestanforderung zum Ausdruck. Vielmehr drückt es bereits aus, dass nicht mehr als erforderlich von den Adressaten eingefordert wird. Konkreter wird Art. 2 Abs. 5 DelVO 2016/957, wonach die Adressaten des Art. 16 VO Nr. 596/2014 sicherstellen müssen, dass ihre Regelungen, Systeme und Verfahren geeignet sind und in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit stehen (Art. 2 Abs. 5 lit. a DelVO 2016/957). Ferner verpflichtet Art. 3 Abs. 3 DelVO 2016/957 zur Einrichtung der Systeme in einem Umfang, „der geeignet ist und in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit steht, setzen Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, Softwaresysteme und Verfahren ein, die die Vorbeugung und Aufdeckung von Insidergeschäften, Marktmanipulation oder versuchten Insidergeschäften oder versuchter Marktmanipulation unterstützen.“ Das Proportionalitätsgebot verlangt von den Normunterworfenen, dass diese ihre Überwachungssysteme im Rahmen einer eigenen Risikoeinschätzung einrichten und aufrechterhalten43. Ein Verstoß gegen Art. 16 VO Nr. 596/2014 wird daher jedenfalls dann vorliegen, wenn die eigene Risikoeinschätzung zu dem Ergebnis führt, dass überhaupt kein (automatisiertes) Überwachungssystem vorgehalten werden muss44.
40 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 13; Mock in Ventoruzzo/Mock, Market Abuse Regulation, Article 16 Rz. B.16.03. 41 Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 39, 44; vgl. zu § 15 WpHG a.F. Sajnovits, WM 2016, 765, 768 f.; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 100; Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 252. 42 Dazu auch Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 5 f.; Kumpan/ Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 29; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 14. 43 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 6; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 29. 44 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 30; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 16 MAR Rz. 14; zumindest eine Darlegungspflicht bei Depot-A-Geschäften für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen fordernd: Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 6.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 24 Art. 16 VO Nr. 596/2014
3. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen gem. Art. 16 Abs. 1 Unter- 21 abs. 1 VO Nr. 596/2014 wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren zur Vorbeugung und Aufdeckung von Insidergeschäften, Marktmanipulation versuchten Insidergeschäften und versuchter Marktmanipulation gem. Art. 31 und 54 RL 2014/65/EU (MiFID II) schaffen und aufrechterhalten. Diese Vorgaben werden durch die DelVO 2016/957 konkretisiert, wobei die Art. 3, 4 DelVO 2016/957 insoweit auch konkrete Ausgestaltungsvorgaben vorsehen. Die DelVO 2016/957 enthält zudem Überprüfungs- und Dokumentationspflichten.
a) Dogmatische Einordnung des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 Der Verweis des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf die Art. 31 und 54 RL 2014/65/EU (MiFID II) ist nicht 22 lediglich deklaratorisch. Vielmehr bewirkt er, dass die an die Mitgliedstaaten adressierten richtlinienförmigen Umsetzungsvorgaben der Art. 31 und 54 RL 2014/65/EU im Anwendungsbereich der MAR unmittelbare Anwendung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union finden45. Die Regelungstechnik eines Verweises einer unmittelbar anwendbaren Verordnung auf Richtlinienvorgaben findet sich auch in Art. 5 VO Nr. 596/2014, der für Rückkaufprogramme auf Bestimmungen der RL 2017/1132 verweist (Art. 5 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 ff.). Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 führt aber nicht nur zur unmittelbaren Anwendbarkeit, sondern auch zu einer zeitlichen Vorverlagerung, da die in der MiFID II enthaltenen Vorgaben von den Adressaten des Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 bereits seit dem 3.7.2016 eingehalten werden mussten, während die Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Art. 31 und 54 RL 2014/65/EU bis zum 3.1.2018 Zeit hatten. Insgesamt treten die Pflichten zur Einrichtung und Unterhaltung eines Überwachungssystems neben sonstige spezialgesetzliche Compliancepflichten46. b) Wirksame Vorbeugung Die Pflichten von Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, hinsichtlich der 23 Vorbeugung von (versuchten) Insidergeschäften und (versuchter) Marktmanipulation konkretisiert Art. 3 Abs. 5 DelVO 2016/957 dahingehend, dass sie Regelungen und Verfahren betreiben, schaffen und unterhalten müssen, die auch bei der Vorbeugung in angemessenem Umfang personelle Untersuchungen gewährleisten. So soll sichergestellt werden, dass an den Handelsplätzen geeignete Handelsregeln gelten, die dazu beitragen, Marktmissbrauch bereits zu verhindern (Erwägungsgrund 5 Satz 1 DelVO 2016/957). Sie werden für Zwecke der Prävention stärker in die Pflicht genommen als Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, da Letztere nur verpflichtet sind, Überwachungssystemen zur Aufdeckung von Marktmissbrauch zu betreiben (Rz. 36). Diese Präventionspflichten gelten nach Art. 3 Abs. 4 DelVO 2016/957 für alle Aufträge und Geschäfte im Zusammenhang mit allen Arten von Finanzinstrumenten, und unabhängig von der Eigenschaft, in der jemand den Auftrag erteilt oder das Geschäft ausgeführt hat sowie von den Arten der Kunden, die betroffen sind. Die näheren Vorgaben für Ausgestaltung des Überwachungssystems zur Vorbeugung von Marktmissbrauch 24 in den Art. 3 und 4 DelVO 2016/957 stimmen mit denjenigen für die wirksame Überwachung und Aufdeckung überein (Rz. 25), weswegen die Konkretisierungen der DelVO 2016/957 für die drei Bereiche zusammen behandelt werden (Rz. 26 ff.). Darin spiegelt sich auch, dass die konkretisierenden Vorgaben der DelVO 2016/957, etwa der allgemeinere Art. 2 Abs. 3 lit. a DelVO 2016/957, wonach Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, auch zur Vorbeugung Regelungen, Systeme und Verfahren zur Sicherung einer wirksamen und fortlaufenden Überwachung aller eingegangenen Aufträge und aller ausgeführten Geschäfte betreiben, schaffen und unterhalten, wie auch die spezielleren Vorgaben zum Überwachungssystem in Art. 3 DelVO 2016/957 eher auf die Überwachung als auf die Vorbeugung von Marktmissbrauch zugeschnitten sind (Rz. 26 ff.). Für die effektive Vorbeugung wäre – wie Erwägungsgrund 5 Satz 1 Nr. 2016/957 immerhin andeutet – eher die Implementierung von Handelsregeln erforderlich, die schon die Erteilung bzw. die Vornahme marktmissbräuchlicher Aufträge bzw. Geschäfte erschweren oder zumindest eine spätere Identifizierung der Täter und eine Untersuchung der jeweiligen Vorgänge erleichtern. Insoweit enthalten aber weder die VO Nr. 596/2014 noch die DelVO 2016/957 präzisierende Vorgaben, so dass die konkreten Anforderungen für die Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, nur schwer zu bestimmen sind. 45 Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 512; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 18; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 16 MAR Rz. 18. 46 Vgl. Zetzsche in Gebauer/Teichmann, Europäisches Privat- und Unternehmensrecht, § 7 C. Rz. 33.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 25 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch c) Wirksame Überwachung und Aufdeckung 25 Kernstück der Pflichten des Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 sind die Vorgaben zur Einrichtung
und Unterhaltung von Systemen zur Überwachung des Marktgeschehens und zur Aufdeckung von (versuchtem) Marktmissbrauch. Die Verpflichtung des Art. 2 Abs. 3 lit. a DelVO 2016/957 zur Sicherung einer wirksamen und fortlaufenden Überwachung aller eingegangenen Aufträge und aller ausgeführten Geschäfte gilt nämlich insbesondere für die laufende Marktüberwachung. Die näheren Vorgaben für die Ausgestaltung des Überwachungssystems in den Art. 3 und 4 DelVO 2016/957 stimmen mit denen für die wirksame Vorbeugung von Marktmissbrauch (Rz. 23 f.) überein, weswegen die Konkretisierungen der DelVO 2016/957 für die drei Bereiche zusammen behandelt werden (Rz. 26 ff.). d) Konkrete Ausgestaltung des Vorbeugungs- und Überwachungssystems
26 Näher Vorgaben zur Ausgestaltung des Vorbeugungs- und Überwachungssystems enthalten die Art. 3 und 4
DelVO 2016/95747. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. a DelVO müssen die Überwachungssysteme nach Art. 2 Abs. 1 und 3 DelVO 2016/957 einzelne und vergleichende Untersuchungen zu allen innerhalb der Systeme des Handelsplatzes ausgeführten, erteilten, geänderten, stornierten oder abgelehnten Aufträgen und Geschäften ermöglichen. Die Überwachungssysteme müssen nach Art. 3 Abs. 1 lit. c DelVO 2016/957 das gesamte Spektrum der Handelsaktivitäten der betreffenden Personen abdecken, was Teil des Proportionalitätsgebots (Rz. 20) ist.
27 Das Vorbeugungs- und Überwachungssystem muss nach Art. 3 Abs. 1 lit. b DelVO 2016/957 zunächst ein-
gerichtet sein, dass es Warnmeldungen produzieren kann, mit denen verdächtige Tätigkeiten angezeigt werden. Nach Art. 3 Abs. 3 DelVO 2016/957 sind „Softwaresysteme“ und „Verfahren“ in einem Umfang einzusetzen, der geeignet ist und in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit steht. Ein gänzlicher Verzicht auf automatisierte Überwachungssysteme ist heutzutage nicht denkbar48. Erforderlich ist damit eine Automatisierung von Warnmeldungen, mithin die Einrichtung von IT-Systemen. Diese IT-Systeme müssen dazu in der Lage sein, verdächtige Geschäfte bzw. Aufträge zu erkennen und zu kennzeichnen (sog. Flagging oder Alert), und so deren nähere (persönliche) Untersuchung zu ermöglichen (Erwägungsgrund 1 Satz 4 DelVO 2016/957 und Art. 3 Abs. 3 DelVO 2016/957)49. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 DelVO 2016/957 präzisiert insoweit, dass die Softwaresysteme zum verzögerten automatischen Lesen, Wiederabrufen und Analysieren von Orderbuchdaten in der Lage sein und auch über ausreichend Kapazität für den Einsatz im algorithmischen Handel verfügen müssen50. Die Systeme müssen z.B. gewährleisten, dass im Zusammenhang mit Insidergeschäften ein Flagging von (großvolumigen) Aufträgen oder Geschäften erfolgt, die unmittelbar oder sehr kurz vor einer den jeweiligen Emittenten betreffenden Ad-hoc-Mitteilung abgeschlossen bzw. eingegeben werden. Solche Orders bzw. Geschäfte bergen nämlich häufig die Gefahr eines Insiderverstoßes. Wann ein Auftrag oder ein Geschäft großvolumig ist, lässt sich nicht absolut, sondern nur relativ mit Blick auf das Handelsvolumen und die Handelsfrequenz des jeweils betroffenen Finanzinstruments bestimmen. Insgesamt muss die Ausgestaltung des IT-Systems, wie die Ausformung der Überwachungspflichten generell, dem Proportionalitätsgebot (Rz. 20) genügen.
28 Neben der automatisierten Überwachung müssen Regelungen und Verfahren geschaffen, betrieben und un-
terhalten werden, die gewährleisten, dass bei der Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von Geschäften und Aufträgen, die einen Marktmissbrauch darstellen könnten, in angemessenem Umfang persönliche Untersuchungen vorgenommen werden (Art. 3 Abs. 4 DelVO 2016/957). Ebensolche personellen Untersuchungen müssen Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, nach Art. 3 Abs. 5 DelVO 2016/957 auch im Rahmen der Vorbeugung von Marktmissbrauch gewährleisten. Neben den IT-Systemen (Rz. 27) muss daher immer auch eine angemessene persönliche Überprüfung von verdächtigen Aufträgen und Geschäften stattfinden. Die persönliche Untersuchung knüpft, wie Erwägungsgrund 1 Satz 4 47 Dazu auch Renz/Schwarz, CB 2016, 431; Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 4 ff.; Renz/Leibold, CCZ 2016, 157. 48 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 24 nehmen an, dass in der Praxis jedenfalls im absoluten Regelfall ein Überwachungssystem einzurichten ist. A.A. Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 6, wonach beim Depot-A-Geschäft auch eine nichtautomatisierte Überwachung denkbar sei. Für das Depot-B-Geschäft weisen sie selbst darauf hin, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden dazu tendieren, dass jedes Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein automatisiertes Überwachungssystem vorzuhalten hat. 49 Frisch in Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, § 9 Rz. 308; vgl. auch Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 7; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 25. 50 Wertpapierdienstleistungsunternehmen mussten auch schon zuvor für den algorithmischen Handel entsprechende Vorkehrungen vorsehen. Dazu BaFin, Rundschreiben 6/2013 (BA) vom 18.12.2013, S. 13; Fuchs in Fuchs, § 33 WpHG Rz. 144j.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 33 Art. 16 VO Nr. 596/2014
DelVO 2016/957 andeutet, zwar zumeist an eine automatisierte Warnmeldung an. Darin dürfen sich die personellen Untersuchungen aber selbst bei einem den aktuellen technischen Standards genügenden IT-System nicht beschränken. Zusätzliche personelle Untersuchungen, etwa bei informellen oder formellen Eingaben von Marktteilnehmern, müssen auch neben der Auswertung der automatisierten Warnmeldungen noch vorgenommen werden. Im Umfeld besonderer Marktsituationen – etwa bei einem ungewöhnlich starken Kursverfall – kann die zusätzliche Überprüfung von großvolumigen Aufträgen oder Geschäften erforderlich sein. Schließlich müssen insgesamt auch stichprobenartig personelle Untersuchungen von Geschäften und Aufträgen erfolgen. Damit die Mitarbeiter von Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, (po- 29 tentiellen) Marktmissbrauch überhaupt erkennen und das Marktgeschehen effektiv überwachen können, müssen Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DelVO 2016/957 effiziente und umfassende Schulungsmaßnahmen für das Personal organisieren, das an der Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von Geschäften und Aufträgen beteiligt ist. Hierbei ist auch das Personal mit einzubeziehen, das mit der Bearbeitung von Aufträgen und Geschäften befasst ist51. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen entsprechende Schulungsmaßnahmen zudem für die Mitarbeiter anbieten, die bei den Maßnahmen zur Vorbeugung von Marktmissbrauch (Rz. 23 f.) einbezogen sind (Art. 4 Abs. 2 DelVO 2016/957). Die Schulungsmaßnahmen müssen regelmäßig stattfinden, geeignet sein und in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang, Größe und Art der Geschäftstätigkeit stehen (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DelVO 2016/957). Auch insoweit richtet sich der Pflichtenumfang des Art. 16 VO Nr. 596/2014 am Proportionalitätsgebot (Rz. 20) aus. In welchen Intervallen die Schulungsmaßnahmen vorzunehmen und wie intensiv sie durchzuführen sind, lässt sich daher nicht pauschal beantworten. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen gem. Art. 3 Abs. 2 DelVO 30 2016/957 der zuständigen Behörde, in Deutschland mithin der BaFin, auf Anfrage Informationen zur Verfügung stellen, welche die Eignung ihrer Systeme und deren angemessenes Verhältnis zu Umfang, Größe und Art ihrer Geschäftstätigkeit belegen. Diese Meldungen müssen auch Informationen zum Grad der Automatisierung der Systeme (Rz. 27) beinhalten. e) Bewertung und Dokumentation Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen nach Art. 2 Abs. 5 Unter- 31 abs. 1 lit. b DelVO 2016/957 sicherstellen, dass ihre Vorbeugungs- und Überwachungssysteme regelmäßig bewertet werden. Diese Bewertung erfordert zumindest ein jährliches Audit, mithin eine externe Überprüfung sowie zusätzliche interne Überprüfungen. Externe Überprüfungen müssen durch geeignete Stellen – Wirtschaftskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften – erfolgen. Soweit eine durchgeführte interne oder externe Bewertung dies veranlasst, müssen die bestehenden Überwachungs- und Vorbeugungssysteme aktualisiert werden. Der BaFin sind auf Anfrage die im Rahmen der Bewertung erlangten Informationen zum Überwachungssystem zur Verfügung zu stellen (Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 2 DelVO 2016/957). Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen gem. Art. 2 Abs. 5 Unter- 32 abs. 1 lit. c DelVO 2016/957 zudem sicherstellen, dass ihre Vorbeugungs- und Überwachungssysteme unmissverständlich schriftlich dokumentiert sind52. Diese Dokumentation hat auch alle Änderungen und Aktualisierungen zu enthalten, und ist insgesamt für einen Zeitraum von fünf Jahren aufzubewahren. Auch insoweit müssen Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, der BaFin auf Anfrage alle dokumentierten Informationen zur Verfügung stellen (Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 2 DelVO 2016/957).
Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, haben nach Art. 3 Abs. 8 DelVO 33 2016/957 alle Informationen über verdächtige Geschäfte oder Aufträge, die das Überwachungssystem erkennt, über die durchgeführten Untersuchungen und über die Gründe für die Übermittlung oder Nichtübermittlung einer Verdachtsmeldung für einen Zeitraum von fünf Jahren aufzubewahren53. Auch diese Informationen müssen der zuständigen Behörde auf Anfrage vorgelegt werden. Die Aufbewahrung und Zugänglichkeit der übermittelten Verdachtsmeldungen wie auch der Analysen, die zu verdächtigen Aufträgen und Geschäften durchgeführt wurden, letztlich aber nicht zu einer Verdachtsmeldung führten, ist ein wichtiger Bestandteil der Verfahren zur Aufdeckung eines Marktmissbrauchs (Erwägungsgrund 12 Satz 1 DelVO 2016/957). Zudem ist es nach Einschätzung des Unionsgesetzgebers auch für die Marktbetreiber und Wert51 Vgl. Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 17; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 32; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 33. 52 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 32. 53 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 18.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 33 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch papierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, bei der Beurteilung späterer verdächtiger Aufträge oder Geschäfte hilfreich, wenn sie die im Zusammenhang mit übermittelten Verdachtsmeldungen durchgeführten Analysen abrufen und so prüfen können, wie frühere verdächtige Aufträge und Geschäfte behandelt wurden (Erwägungsgrund 12 Satz 2 DelVO 2016/957). Ferner sind die zu verdächtigen Aufträgen und Geschäften durchgeführten Untersuchungen, bei denen im Anschluss keine Verdachtsmeldung übermittelt wurde, eine wertvolle Grundlage, um die Überwachungssysteme weiterzuentwickeln und um wiederholt auftretende Verdächtige frühzeitig zu erkennen (Erwägungsgrund 12 Satz 3 DelVO 2016/957). Schließlich dienen die genannten Unterlagen gegenüber der BaFin zum Nachweis der Erfüllung der Anforderungen der MAR und erleichtern Letzterer die Wahrnehmung ihrer Überwachungs-, Ermittlungs- und Durchsetzungsaufgaben (Erwägungsgrund 12 Satz 4 DelVO 2016/957). 34 Bei der gesamten Dokumentation haben Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz be-
treiben, nach Art. 3 Abs. 8 Unterabs. 2 DelVO 2016/957 sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit der gesammelten Informationen garantiert wird und gewahrt bleibt. Das erfordert, dass insbesondere personenbezogene Daten hinreichend vor unberechtigten Zugriffen auch innerhalb des Unternehmens gesichert werden.
4. Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen (Art. 16 Abs. 2 Halbs. 1 VO Nr. 596/2014) 35 Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen (Rz. 13), müssen wirksame Regelungen, Syste-
me und Verfahren zur Aufdeckung von verdächtigen Aufträgen und Geschäften schaffen und aufrechterhalten (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Anders als Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sind sie nicht dazu verpflichtet, Systeme für die Prävention einzurichten und zu unterhalten (vgl. zu diesen Rz. 23 f.). Die näheren Ausgestaltungsvorgaben finden sich in der DelVO 2016/957. Anders als bei Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, enthält die DelVO 2016/957 zudem ausdrückliche Bestimmungen zu einer möglichen Delegation und Ausgliederung von Überwachungspflichten. Zudem sieht die DelVO 2016/957 – ebenso wie für Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben – periodische Bewertungs- und Dokumentationspflichten vor. a) Wirksame Überwachung und Aufdeckung
36 Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, haben Systeme zur Überwachung des Markt-
geschehens und zur Aufdeckung von (versuchtem) Marktmissbrauch einzurichten und zu unterhalten (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Die Verpflichtung des Art. 2 Abs. 3 lit. a DelVO 2016/957 zur Sicherung einer wirksamen und fortlaufenden Überwachung aller eingegangenen Aufträge und aller (ausgeführten) Geschäfte gilt im Rahmen der laufenden Marktüberwachung auch für sie. Die nähere Ausgestaltung des Überwachungssystems zur wirksamen Überwachung und Aufdeckung in den Art. 3 und 4 DelVO 2016/957 verläuft ganz parallel zu jener bei Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, so dass auf die dortigen Erläuterungen zu den konkretisierenden Ausführungen der DelVO 2016/ 957 vollumfänglich verwiesen werden kann (Rz. 26 ff.)54. Bei Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, ist die Berücksichtigung des Proportionalitätsgebots (Rz. 20) von besonderer Bedeutung, da diese – anders als Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben – ganz regelmäßig in Art und Umfang kleinere Geschäftsbetriebe unterhalten werden55. Nur dem Umfang und der Art ihrer Geschäftstätigkeit müssen die Überwachungssysteme i.S.d. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 genügen. Dem tragen die Vorschriften zur Delegation und Auslagerung (Rz. 27 ff.) flankierend Rechnung. b) Delegation innerhalb der Unternehmensgruppe und Ausgliederung
37 Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, haben nach Art. 3 Abs. 6 Satz 1 DelVO 2016/
957 das Recht, die Wahrnehmung der Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von Aufträgen und Geschäften, die ein Marktmissbrauch sein könnten, im Wege einer schriftlichen Vereinbarung auf eine juristische Person, die derselben Gruppe angehört, zu delegieren56. Der Begriff Gruppe bezeichnet nach Art. 1 lit. c DelVO 2016/957 eine Gruppe i.S.d. Art. 2 Abs. 11 der RL 2013/34/EU (Bilanz-Richtlinie). Die Person, die diese Aufgaben überträgt, bleibt in vollem Umfang für die Erfüllung aller ihr aus der MAR und insbesondere aus Art. 16 VO Nr. 596/2014 erwachsenden Pflichten verantwortlich (Art. 3 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 Del54 Vgl. Grundmann in Grundmann, Bankvertragsrecht, 6. Teil, Rz. 514. 55 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 36; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 16 MAR Rz. 14. 56 Vgl. Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 14 ff.; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 38; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 27 ff.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 40 Art. 16 VO Nr. 596/2014
VO 2016/957)57. Die delegierende Person muss zudem sicherstellen, dass ihre Vereinbarungen einschließlich der Dauer der Delegation eindeutig dokumentiert sind und die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zugewiesen und abgestimmt wurden (Art. 3 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 DelVO 2016/957). Durch eine Übertragung soll es ermöglicht werden, Ressourcen gemeinsam zu nutzen, Überwachungssysteme zentral zu entwickeln und aufrechtzuerhalten und im Rahmen der Überwachung von Aufträgen und Geschäften neue Fähigkeiten zu entwickeln (Erwägungsgrund 4 Satz 2 DelVO 2016/957). Die zuständige Behörde muss in einem solchen Fall die Möglichkeit haben, die Tauglichkeit der Systeme, Regelungen und Verfahren der Person, der die Aufgaben übertragen werden, zu beurteilen (Erwägungsgrund 4 Satz 3 DelVO 2016/957). Die Delegation lässt die Meldepflichten (Rz. 41 ff.) sowie die Pflicht zur Einhaltung der Ge- und Verbote der MAR unberührt (Art. 3 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 DelVO 2016/957 und Erwägungsgrund 4 Satz 4 DelVO 2016/957). Bestimmte Tätigkeiten, die Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, nach Art. 16 Abs. 2 38 Satz 1 VO Nr. 596/2014 im Rahmen der Überwachung durchführen müssen, können nach Art. 3 Abs. 7 DelVO 2016/957 auf einen Dritten (Anbieter) ausgegliedert werden58. Ausgliedern lässt sich allerdings nur die Analyse von Daten, einschließlich von Order- und Geschäftsdaten, und die Erstellung der Warnmeldungen. Die Ausgliederung auf einen Dritten erfordert – ebenso wie die Delegation innerhalb der Gruppe (Rz. 37) – eine schriftliche Vereinbarung. Die schriftliche Vereinbarung muss die Beschreibung der Rechte und Pflichten der Person, die Aufgaben ausgegliedert hat, sowie der Rechte und Pflichten des Dritten, an den Aufgaben ausgegliedert wurden, enthalten (Art. 3 Abs. 7 Unterabs. 2 DelVO 2016/957)59. Enthalten muss sie ferner die Angabe der Gründe, die die Person, die die Aufgaben ausgliedert, zur Kündigung der Vereinbarung berechtigen (Art. 3 Abs. 7 Unterabs. 2 DelVO 2016/957). Keine Vorgaben finden sich zur Person des Anbieters60, so dass auch eine Ausgliederung auf eine natürliche Person denkbar ist61. Praktisch empfiehlt sich dies allenfalls dann, wenn der Auslagernde jederzeit in der Lage ist sicherzustellen, dass der Anbieter die auszugliedernden Tätigkeiten effektiv wahrnehmen kann (Rz. 39)62. Die Person, die die genannten Aufgaben (Rz. 38) ausgliedert bleibt nach Art. 3 Abs. 7 Unterabs. 1 Satz 2 39 DelVO 2016/957 in vollem Umfang für die Erfüllung aller ihr aus der MAR und aus Art. 16 VO Nr. 596/ 2014 erwachsenden Pflichten verantwortlich63. Sie muss zudem jederzeit für die Erhaltung der Fachkenntnisse und der Ressourcen sorgen, die erforderlich sind, um die Qualität der erbrachten Dienstleistungen sowie die Angemessenheit der Organisationsstruktur der Anbieter (Rz. 38) zu bewerten, die Aufsicht über übertragene Dienste auszuüben und die mit der Übertragung verbundenen Risiken kontinuierlich zu steuern (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 lit. a DelVO 2016/957). Zudem muss sie einen unmittelbaren Zugang zu allen relevanten Informationen betreffend die Datenanalyse und die Erstellung von Warnmeldungen haben (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 2 lit. b DelVO 2016/957). c) Bewertung und Dokumentation Im Rahmen der Bewertung und Dokumentation gelten die oben dargestellten Anforderungen für Markt- 40 betreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, ganz entsprechend (Rz. 31 ff.). Auch Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, müssen nach Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. b DelVO 2016/957 sicherstellen, dass ihre Überwachungssysteme regelmäßig bewertet werden. An die Bewertung müssen sich – soweit erforderlich – Aktualisierungen des Überwachungssystems anschließen. Der BaFin müssen auf Anfrage die im Rahmen der Bewertung erlangten Informationen zum Überwachungssystem zur Verfügung gestellt werden (Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 2 DelVO 2016/957). Zudem müssen auch Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, gem. Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. c DelVO 2016/957 sicherstellen, dass ihre Regelungen, Systeme und Verfahren zur Überwachung von Marktmissbrauch unmissverständlich schriftlich dokumentiert sind. Diese Dokumentation muss auch alle Änderungen und Aktualisierungen enthalten und insgesamt für einen Zeitraum von fünf Jahren aufbewahrt werden. Auch insofern müssen Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, der BaFin auf Anfrage alle dokumentierten Informationen zur Verfügung stellen (Art. 2 Abs. 5 Unterabs. 2 DelVO 2016/957). Neben der Dokumentation des eigenen Überwachungssystems verpflichtet Art. 3 Abs. 8 DelVO 2016/957 Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, dazu, alle Informationen über verdächtige Geschäfte oder Auf57 Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 30; Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 16. 58 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 16. 59 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 16. 60 Demgegenüber kann eine gruppeninterne Delegation nur an eine juristische Person erfolgen (Rz. 37). 61 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 39. 62 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 39. 63 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 16.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 40 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch träge, die das Überwachungssystem erkennt, über die durchgeführten Untersuchungen und über die Gründe für die Übermittlung oder Nichtübermittlung einer Verdachtsmeldung, für einen Zeitraum von fünf Jahren aufzubewahren. Bei der gesamten Dokumentation muss nach Art. 3 Abs. 8 Unterabs. 2 DelVO 2016/957 die Vertraulichkeit der gesammelten Informationen garantiert und gewahrt bleiben. Das erfordert eine hinreichende Sicherung auch innerhalb des Unternehmens vor unberechtigten Zugriffen vor allem auf personenbezogene Daten64.
VI. Verdachtsmeldungen (Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) 41 Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sowie Personen, die beruflich Ge-
schäfte vermitteln oder ausführen, sind nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 verpflichtet, verdächtige Geschäfte und Aufträge der jeweils zuständigen Behörde (Rz. 57 f.) zu melden65. Als Verdachtsmeldung definiert Art. 1 lit. a DelVO 2016/957 dementsprechend die gem. Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 „zu übermittelnde Meldung verdächtiger Geschäfte und Aufträge die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation sein könnten, einschließlich deren Stornierung oder Änderung.“ Nähere Vorgaben zu den sekundärrechtlichen Meldepflichten, insbesondere zu der Pflicht ein Meldesystem einzurichten, zu den Voraussetzungen der Meldepflicht und zum Zeitpunkt der Verdachtsmeldung finden sich in der DelVO 2016/957.
1. Meldepflichten (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014) 42 Die Meldepflicht sowohl für Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, als
auch für Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, folgt bereits unmittelbar aus Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 bzw. Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014. Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sind nach Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 dazu verpflichtet, Aufträge und Geschäfte, einschließlich deren Stornierung oder Änderung, unverzüglich der zuständigen Behörde des Handelsplatzes (Rz. 57) zu melden, soweit diese Insidergeschäfte, Marktmanipulationen oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulationen sein könnten. Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, müssen nach Art. 16 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 die zuständige Behörde nach Art. 16 Abs. 3 (Rz. 58) unverzüglich unterrichten, wenn immer sie den begründeten Verdacht haben, dass es sich bei einem Auftrag oder einem Geschäft in Bezug auf ein Finanzinstrument – wobei es unerheblich ist, ob dieser bzw. dieses auf einem Handelsplatz oder anderweitig erteilt oder ausgeführt wurde – um Insiderhandel oder Marktmanipulation oder den Versuch hierzu handelt.
43 Für die Meldepflicht unmaßgeblich ist die Art der Beteiligung an dem potentiell marktmissbräuchlichen Auf-
trag oder Geschäft66. Dies betont Art. 5 Abs. 2 DelVO 2016/957, nach dem alle in Art. 5 Abs. 1 DelVO 2016/ 957 genannten Personen, die an der Bearbeitung ein und desselben Auftrags oder Geschäfts beteiligt sind, jeder für sich die Verantwortung für die Entscheidung tragen, ob eine Verdachtsmeldung übermittelt wird.
2. Pflicht zur Einrichtung von Meldesystemen 44 Effiziente Verdachtsmeldungen erfordern angemessene Überwachungssysteme, die es den Meldepflichtigen
ermöglichen, verdächtige Aufträge oder Geschäfte zu erkennen. Neben dem Vorhandensein von Überwachungssystemen (Rz. 25 und 36) muss sichergestellt sein, dass verdächtige Geschäfte und Aufträge untersucht werden können, und dass in diesem Rahmen beurteilt werden kann, ob die betreffenden Geschäfte oder Aufträge eine Verdachtsmeldung tatsächlich erforderlich machen. Daher verpflichtet Art. 5 Abs. 1 DelVO 2016/957 Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sowie Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, dazu, wirksame Regelungen, Systeme und Verfahren zu schaffen und zu unterhalten, mit deren Hilfe sie beurteilen können, ob ein Auftrag oder ein Geschäft ein (versuchter) Marktmissbrauch sein könnte. Die Beurteilungen im Rahmen dieser Meldesysteme müssen sich an den Vorgaben der Art. 8 und 12 VO Nr. 596/2014 ausrichten. Unterstützend haben sich die Meldepflichtigen – ebenso wie die Aufsichtsbehörden – an der nicht abschließenden Auflistung von Indikatoren für 64 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 23. 65 Dazu auch Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 10 ff.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.97; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 5, 34 ff. 66 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 42.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 48 Art. 16 VO Nr. 596/2014
Marktmanipulation in Anhang I der MAR und deren weiterer Spezifizierung in der DelVO 2016/522 zu orientieren (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 DelVO 2016/957). Damit die effektive Aufklärung eines Marktmissbrauchs und eine sich ggf. anschließende Sanktionierung nicht 45 gefährdet ist, müssen die meldepflichtigen Personen gem. Art. 5 Abs. 4 DelVO 2016/957 gewährleisten, dass die Person, über die eine Verdachtsmeldung übermittelt wurde, und andere Personen, die nicht aufgrund ihrer Funktion oder Position innerhalb der meldenden Person von der Übermittlung der Verdachtsmeldung Kenntnis haben müssen, nicht über die getätigte oder geplante Verdachtsmeldung informiert werden. Dementsprechend hat jede Information der Person auf die sich die Verdachtsmeldung bezieht, über die Vornahme der Meldung und die einzelnen darin weitergegebenen Informationen (Rz. 62) zu unterbleiben, und dieses umfassende Verbot der Informationsweitergabe gilt auch hinsichtlich sonstiger Dritte, und zwar auch bei deren Unkenntnis von der bevorstehenden Übermittlung einer Verdachtsmeldung (Art. 5 Abs. 4 DelVO 2016/957).
3. Zuständigkeit für Verdachtsmeldungen Für Marktbetreiber oder Unternehmen enthält die VO Nr. 596/2014 keine Vorgaben dazu, welche Stelle und 46 Personen organisationsintern dafür zuständig sind, Verdachtsmeldungen vorzunehmen. Ohne entsprechende unionsrechtliche Vorgaben richtet sich diese Zuständigkeit nach dem jeweils anwendbaren Gesellschaftsrecht bzw. dem sonstigen nationalen Korporationsrecht. Bei Kapitalgesellschaften ist das geschäftsführende und vertretungsberechtigte Organ berufen67 (Rz. 14), bei einer Aktiengesellschaft mithin der Vorstand. Dieser – bzw. das bei anderen Rechtsformen entsprechend zuständige Organ – kann die Aufgabe aber delegieren. Es handelt sich bei der Verdachtsmeldung nämlich um eine Maßnahme der dem Vorstand zugewiesenen Geschäftsführung, die sich nach allgemeinen Grundsätzen68 nicht nur horizontal auf einzelne Vorstandsmitglieder, sondern auch in der Vertikale auf Entscheidungsgremien nachgeordneter Unternehmensebenen und sogar an Einzelpersonen delegieren lässt69.
4. Voraussetzungen der Meldepflicht Die Meldepflicht für Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, für Personen, 47 die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, haben nach dem jeweiligen Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 und des Abs. 2 VO Nr. 596/2014 durchaus unterschiedliche Voraussetzungen. In der Sache statuieren die beiden Absätze aber ganz parallele Anforderungen, wie auch die für Adressatenkreise identische Pflichtenlage im Rahmen der DelVO 2016/957 deutlich macht70. Voraussetzung einer Meldepflicht ist, dass ein Geschäft oder Auftrag als Bezugspunkt zu einem bestimmten Verdachtszeitpunkt einen begründeten Verdacht auf einen Verstoß gegen das Marktmissbrauchsrechts entstehen lässt71. Ein begründeter Verdacht wiederum setzt voraus, dass die Aktivitäten einen bestimmten Verdachtsgrad begründet72. a) Bezugspunkt des Verdachts Bezugspunkte des Verdachts können Aufträge oder Geschäfte, einschließlich deren Stornierung oder Än- 48 derung, in Bezug auf ein Finanzinstrument sein (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 VO VO Nr. 596/2014). Dabei muss der Begriff des Finanzinstruments weiter verstanden werden als nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014; Rz. 10. Es ist nicht ersichtlich, dass der die Verbotsvorschriften der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 ergänzende Art. 16 VO Nr. 596/2014 sich nur auf die Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch in Finanzinstrumenten beschränken und die von Art. 15 VO Nr. 596/2014 gleichermaßen geschützten mit Finanzinstrumenten verbundenen Waren-Sport-Kontrakte und die auf Emissionszertifikaten beruhenden Auktionsobjekte ausklammern will. Bezugspunkt eines Verdachts kann daher auch ein Geschäft oder ein Auftrag mit Bezug auf ebensolche Instrumente sein73. 67 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 43; vgl. auch Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 10; a.A. Schlette/Bouchon in Fuchs, § 10 WpHG Rz. 4: Compliance-Beauftragter. 68 Zu diesen nur Kort in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 76 AktG Rz. 34, 49; Fleischer in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 1 Rz. 52 ff. 69 Vgl. Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2003 zu Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014; Mülbert in FS Stilz, 2012, S. 411, 417 zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. 70 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 46. 71 Dazu auch FCA, Handbook, Release 26, March 2018, SUP 15/2, Section 15.10; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 46. 72 Vgl. FCA, Handbook, Release 26, March 2018, SUP 15/2, Section 15.10.4. 73 Wie hier Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 47.
Mülbert | 511
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch 49 In dem Bezugspunkt des Verdachts liegt die erste Begrenzung der Meldepflicht. Der Verdacht auf das Vor-
liegen eines Insiderverstoßes oder einer Marktmanipulation als solcher löst noch keine Meldepflicht aus. Der Verstoß muss vielmehr zusätzlich durch ein Geschäft oder einen Auftrag (Rz. 10 f.) mit Bezug zu einem Finanzinstrument erfolgt sein (transaktionsbezogene oder handelsgestützte Marktmissbrauchshandlungen74). Deshalb besteht keine Meldepflicht, wenn der Verdacht lediglich einen Verstoß gegen das insiderrechtliche Offenlegungs- und Empfehlungsverbot gem. Art. 14 lit. b bzw. lit. c VO Nr. 596/2014 oder eine handlungs- oder informationsgestützte Marktmanipulation i.S.d. Art. 12 Abs. 1 lit. b und c VO Nr. 596/ 2014 (Vor Art. 12 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 65, 57 ff.) zum Gegenstand hat. Diese Eingrenzung, die bereits der Rechtslage nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. entsprach, ist de lege lata nicht nur bußgeldrechtlich75 und aufsichtsrechtlich hinzunehmen76, sondern ist auch in der Sache berechtigt, da die vorgelagerte umfängliche Überwachungspflicht der meldepflichtigen Marktteilnehmer auch nur Fälle des Marktmissbrauchs durch Geschäfte oder Aufträge in Bezug auf Finanzinstrumente betrifft (Rz. 26 ff.). Nur insoweit verfügen bestimmte Private über einen privilegierten Informationszugang, der es rechtfertigt, ihnen originäre Behördenaufgaben zuzuweisen (vgl. Rz. 8).
50 Eine Meldepflicht besteht zudem nur, wenn der Meldepflichtige an dem Geschäft oder Auftrag selbst betei-
ligt ist, wobei die Art der Beteiligung unerheblich ist (vgl. Art. 5 Abs. 2 DelVO 2016/957)77. Mithin ist er dann nicht zur Meldung verpflichtet, wenn er zufällig Kenntnis von einem verdächtigen Geschäft oder einem verdächtigen Auftrag bei einem anderen Unternehmen, Institut oder Betreiber erlangt78. Selbst beteiligt ist der Meldepflichtige, wenn er durch einen Marktteilnehmer in die Ausführung des Geschäfts eingebunden ist oder etwa den Auftrag bzw. dessen Änderung oder Stornierung entgegennimmt79. Der Wortlaut des Art. 16 VO Nr. 596/2014 erfasst zudem marktmissbrauchsverdächtige Geschäfte oder Aufträge eines Organmitglieds oder Mitarbeiters eines Normadressaten80. Dies ist unproblematisch, wenn das Organmitglied oder der Mitarbeiter wie ein beliebiger Dritter Geschäfte oder Aufträge mit Bezug auf Finanzinstrumente unter Beteiligung eines Meldepflichtigen tätigt oder wenn er lediglich bei Gelegenheit der Arbeit marktmissbräuchliche Eigengeschäfte eingeht81. Vor dem Hintergrund des Nemo-tenetur-Grundsatzes wird allerdings seit längerem diskutiert, ob eine Meldepflicht auch dann besteht, wenn die marktmissbräuchlichen Geschäfte oder Aufträge dem Meldepflichtigen als eigene zuzurechnen wären und er sich deshalb durch die Verdachtsmeldung selbstbezichtigen müsste82. Richtigerweise ist der Nemo-tenetur-Grundsatz auf natürliche Personen beschränkt, so dass ein „delinquentes Unternehmen“ selbstanzeigepflichtig sein kann83. Natürliche Personen – soweit sie selbst nach Art. 16 VO Nr. 596/2014 meldepflichtig sind (Rz. 13 a.E.) – können sich demgegenüber auf den Nemo-tenetur-Grundsatz berufen84 und sind deshalb nicht zur Meldung eigener Verstöße verpflichtet bzw. es kann die Nichtmeldung eines eigenen Verstoßes gegen die MAR nicht eigens sanktioniert werden85.
74 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 49; so Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 10 WpHG Rz. 28 zu § 10 WpHG a.F. 75 Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 16. 76 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 49. Zum früheren § 10 WpHG wegen des generellen Verweises auf die §§ 14, 20a, 30h, 30j WpHG zweifelnd v. Hein in Schwark/Zimmer 4. Aufl., § 10 WpHG Rz. 15; kritisch auch Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 16. 77 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 50. 78 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 50; vgl. zu § 10 WpHG a.F. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 17; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 10 WpHG Rz. 29. 79 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 50. 80 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 50; vgl. zu § 10 WpHG a.F. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 17. 81 Ebenso Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 10 WpHG Rz. 29. 82 Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 2; vgl. zu § 10 WpHG a.F. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 17. 83 Die EuGH-Rechtsprechung ist insoweit nicht eindeutig. In der jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH v. 2.2.2021 – C-481/19, AG 2021, 236 = NZG 2021, 295 verwies der EuGH hinsichtlich Unternehmen auf seine Rechtsprechung zum Kartellrecht (sog. Orkem-Rechtsprechung), wonach Behörden Unternehmen zu einer sehr weitgehenden Mitwirkung an der Aufdeckung auch eigener Rechtsverstöße verpflichten können. In diesem Sinne auch das überwiegende Schrifttum Renz/Leibold in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 25 Rz. 2; zu § 10 WpHG a.F. Gebauer in GS Bosch, S. 31, 46 mit Verweis auf BVerfG v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/ 96, BVerfGE 95, 220, 242; ferner auch Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 17; vgl. auch zur Ad-hoc-Mitteilungspflicht Sajnovits, WM 2016, 765; a.A. Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, 2006, S. 196 ff. 84 EuGH v. 2.2.2021 – C-481/19, AG 2021, 236 = NZG 2021, 295; dazu etwa Bekritsky, BKR 2021, 340. 85 Vgl. Bekritsky in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 15.2.2022, Art. 30 VO (EU) 596/2014 Rz. 49.
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 53 Art. 16 VO Nr. 596/2014
b) Verdachtszeitpunkt Unerheblich ist der zeitliche Abstand zwischen dem sachlichen Bezugspunkt des Verdachts (Rz. 48) und 51 dessen späterer Entstehung86. Art. 16 Abs. 1, 2 VO Nr. 596/2014 lässt nicht erkennen, dass die Verdachtsfeststellung und das verdächtige Geschäft oder der verdächtige Auftrag zeitlich zusammenfallen oder jedenfalls im engen zeitlichen Zusammenhang stehen müssten. Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 spricht nur davon, dass Aufträge und Geschäfte, die ein Marktmissbrauch „sein könnten“, gemeldet werden müssen; zum Zeitpunkt der danach meldepflichtigen Aufträge oder Geschäfte besagt dies nichts. Gegenteiliges folgt auch nicht aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014, wonach eine Meldepflicht besteht, „[w]ann immer die ... Person den begründeten Verdacht hat, dass ein Auftrag oder ein Geschäft ... Insiderhandel oder Marktmanipulation oder einen Versuch hierzu darstellt“. Angesichts der Einleitung „wann immer“87 verbietet es sich, aus dem nachfolgenden Präsens „darstellt“ ein zwingendes zeitliches Zusammenfallen von Verdachtsbezugspunkt (Rz. 48) und Verdachtsfeststellung abzuleiten. Eine Meldepflicht besteht vielmehr auch, wenn sich der Verdacht lange nach einem Geschäftsabschluss bzw. dem Eingang eines Auftrags manifestiert88. Erwägungsgrund 11 DelVO 2016/957 lässt keinen Zweifel daran, dass eine Meldung auch dann zu erfolgen, wenn Folgeereignisse oder die spätere Verfügbarkeit der Informationen dazu führen, dass ein begründeter Verdacht auf Insidergeschäfte oder Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation erst geraume Zeit nach der verdächtigen Tätigkeit auftritt. Demgemäß gebietet Art. 6 Abs. 2 DelVO 2016/957, dass das Meldesystem (Rz. 44 f.) die Möglichkeit der Übermittlung von Verdachtsmeldungen in Bezug auf Geschäfte und Aufträge gerade auch für den Fall vorsehen muss, dass sich der Verdacht aufgrund von Folgeereignissen oder späteren Informationen ergibt. c) Verdachtsgrad Für Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, und für Personen, die beruf- 52 lich Geschäfte vermitteln oder ausführen, ist derselbe Verdachtsgrad maßgeblich, nämlich ein begründeter Verdacht89. Zwar spricht Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 von einer Meldepflicht für Aufträge und Geschäfte, die ein Marktmissbrauch „sein könnten“, während Art. 16 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 einen „begründeten Verdacht“ fordert90. Die Konkretisierungen der DelVO 2016/957 geben aber einen einheitlichen Verdachtsgrad für beide Adressatenkreise vor. Nach Art. 6 Abs. 1 DelVO 2016/957 haben beide sicherzustellen, dass sie eine Verdachtsmeldung bei Bestehen eines begründeten Verdachts übermitteln, und ganz ähnlich heißt es in Erwägungsgrund 10 Satz 1 DelVO 2016/957, dass Meldungen verdächtiger Aufträge und Geschäfte der jeweils zuständigen Behörde unverzüglich übermittelt werden sollten, sobald ein begründeter Verdacht vorliegt. Nicht im Widerspruch hierzu steht es, wenn Erwägungsgrund 9 DelVO 2016/957 beiden Adressatenkreisen gleichermaßen aufgibt, auf Einzelfallbasis zu beurteilen, ob „hinreichende Verdachtsgründe“ vorliegen. Denn um einen begründeten Verdacht anzunehmen, bedarf es des Vorliegens hinreichender Verdachtsgründe. Ein Verdacht liegt nach allgemeinen Grundsätzen vor, wenn es nach der Lebenserfahrung bezüglich Markt- 53 missbräuchen auf Kapitalmärkten konkret möglich erscheint, dass ein Insiderverstoß oder eine Marktmanipulation oder ein Versuch hierzu vorliegt. Die Kriterien für die Begründetheit eines Verdachts sind nunmehr anhand der Auslegungskriterien des Unionsrechts zu ermitteln, nicht etwa unter Anknüpfung an den strafprozessualen Anfangsverdacht nach § 152 StPO91. Um die zuständigen Behörden nicht mit letztlich unbegründeten Verdachtsmeldungen zu überschütten92, ist ein Verdacht im Ergebnis (nur) begründet, wenn der Meldepflichtige auf Einzelfallbasis, d,h., nach eingehender persönlicher Untersuchung eines Auftrags oder Geschäfts zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verstoß gegen Art. 14 oder 15 VO Nr. 596/2014 durch Verwirklichung aller Tatbestandsmerkmale überwiegend wahrscheinlich (> 50 %) ist93. Diese Schwelle wird bei den handelsgestützten Manipulationen nach Art. 12 Abs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 regelmäßig dann 86 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 51. 87 Zu § 10 Abs. 1 WpHG a.F. wurde wegen des Gesetzeswortlauts („Feststellung von Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft ... verstoßen wird“, nicht: „werden wird“ oder „worden ist“) vertreten, dass Verdachtsfeststellung und verdächtiges Geschäft zeitlich zusammenfallen müssten. S. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 23; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 10 WpHG Rz. 8. 88 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 51. 89 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 52; Poelzig in Fuchs/Zimmermann, Art. 15 MAR Rz. 36. 90 Die englische Sprachfassung lautet: „reasonable suspicion“. 91 Hierfür zum auf Grundlage des Art. 6 Abs. 9 RL 2003/6/EG (MAD I) erlassenen § 10 Abs. 1 WpHG a.F. etwa v. Hein in Schwark/Zimmer, 4. Aufl., § 10 WpHG Rz. 21; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 10 WpHG Rz. 5; demgegenüber schon wie hier Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 15a. 92 Vgl. auch Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 15a; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 53. 93 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 42 fordern eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“.
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch überschritten sein, wenn ein Verhalten die im Indizienkatalog nach Anhang I A. und B. zu Art. 12 VO Nr. 596/2014 genannten Umstände erfüllt (dazu Art. 12 Nr. 596/2014 Rz. 283 ff.). Nur durch eine solche restriktive Auslegung wird auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt (Rz. 6). d) Tatsachen und Untersuchungen als Grundlagen des begründeten Verdachts 54 Dem begründeten Verdacht (Rz. 52 f.) müssen Tatsachen und Untersuchungen zugrunde liegen, wobei auch
die Untersuchungen auf Tatsachen beruhen müssen94. Die Meldepflichtigen müssen nach Art. 5 Abs. 3 DelVO 2016/957 gewährleisten, dass im Rahmen einer Verdachtsmeldung übermittelte Informationen auf Tatsachen und Untersuchungen basieren, wobei sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen. Erwägungsgrund 10 Satz 2 DelVO 2016/957 pointiert dies dahingehend, dass die Untersuchung, ob ein Auftrag oder ein Geschäft als verdächtig anzusehen ist, nicht von Spekulationen oder Annahmen, sondern von Tatsachen auszugehen hat. Daraus folgt, dass Tatsachen, mithin konkrete in der Vergangenheit oder Gegenwart liegende Ereignisse, Vorgänge oder Zustände, die dem Beweis zugänglich sind, festgestellt werden müssen95. Prognosen, Gerüchte oder Vermutungen sind nicht genügend96. Festgestellt sind Tatsachen erst, wenn sie in objektiv nachvollziehbarer Weise zur Überzeugung einer Person feststehen, nicht aber, wenn noch gewichtige objektive Anhaltspunkte für Zweifel bestehen. Auch daraus folgt, dass eine Vermutung nicht genügt97. Aus Vermutungen und Gerüchten kann sich der begründete Verdacht deshalb nicht konstituieren. Allerdings bestehen bei entsprechenden Vermutungen Nachforschungspflichten, die dann die Vermutung nach entsprechenden Untersuchungen zu einem begründeten Verdacht verdichten können98.
5. Zeitpunkt der Verdachtsmeldung (Art. 6 DelVO 2016/957) 55 Meldungen verdächtiger Aufträge und Geschäfte müssen der jeweils zuständigen Behörde unverzüglich
übermittelt werden, sobald ein begründeter Verdacht vorliegt, dass diese Aufträge oder Geschäfte Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation sein könnten (vgl. Erwägungsgrund 10 Satz 1 DelVO 2016/957 sowie Art. 6 Abs. 1 DelVO 2016/957). Unverzüglich ist hier auch im unionsrechtlichen Kontext i.S.v. „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen99. Es kommt damit auf ein Kennen oder Kennenmüssen derjenigen Umstände an, die den begründeten Verdacht konstituieren. Sobald ein begründeter Verdacht nach oben Rz. 52 f. dargestellten Grundsätzen entsteht, muss die Verdachtsmeldung erfolgen.
56 Hat sich der Verdacht aufgrund von Folgeereignissen oder späteren Informationen ergeben, müssen die
Regelungen, Systeme und Verfahren zur Verdachtsmeldung ermöglichen, Verdachtsmeldungen in Bezug auf in der Vergangenheit liegende Geschäfte und Aufträge zu übermitteln (Rz. 54). In solchen Fällen müssen die Meldepflichtigen in der Verdachtsmeldung unter Bezugnahme auf die spezifischen Umstände des Falls erläutern, wie es zu der zeitlichen Verzögerung zwischen dem mutmaßlichen Verstoß und der Übermittlung der Verdachtsmeldung kam (Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 DelVO 2016/957). Zudem müssen die Meldepflichtigen gem. Art. 6 Abs. 3 DelVO 2016/957 der zuständigen Behörde auch alle zusätzlichen sachdienlichen Informationen, von denen sie nach der ursprünglichen Übermittlung der Verdachtsmeldung Kenntnis erhalten, übermitteln und ihr auch sonst alle angeforderten Informationen und Unterlagen bereitstellen.
VII. Meldungsadressaten und Meldungsmodalitäten 1. Meldungsadressaten (Art. 16 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014) 57 Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, müssen Verdachtsmeldungen
gegenüber der für den von ihnen betriebenen Handelsplatz jeweils zuständigen Behörde vornehmen. Entscheidend ist Ort der Belegenheit des jeweiligen Handelsplatzes. Es geht aber bei der Zuständigkeit nicht um die allgemeine Zuständigkeit für die Überwachung des Handelsplatzes, die etwa für Börsen bei den Börsen94 Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 54. 95 Vgl. zu § 10 WpGF a.F. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 12. 96 Vgl. zu § 10 WpHG a.F. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 12; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 10 WpHG Rz. 5; Ritz in Just/Voß/Ritz/Becker, § 10 WpHG Rz. 15. 97 Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 12. 98 Ganz ausdrücklich hebt ESMA hervor, dass Nachforschungspflichten bestehen. ESMA, Rz. 143: „where preliminary analysis is required, this should be conducted as quickly as practicable.“ 99 Im Ergebnis wie hier Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 16 MAR Rz. 55.
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 61 Art. 16 VO Nr. 596/2014
aufsichten liegt (§ 3 Abs. 1 BörsG), sondern um die Zuständigkeit i.S.d. Art. 22 VO Nr. 596/2014. Auf Basis der Ermächtigung des Art. 22 VO Nr. 596/2014 ist die BaFin die zuständige Behörde (§ 6 Abs. 5 WpHG). Näher Art. 22 VO Nr. 596/2014 Rz. 6. Bei Personen, die beruflich Geschäfte mit Finanzinstrumenten erteilen oder ausführen, kann der Mel- 58 dungsadressat abweichen. Maßgeblich für diese Meldepflichtigen sind, unbeschadet der Zuständigkeiten der für den Handelsplatz zuständigen Behörde (Rz. 57), die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie registriert sind oder in dem sie ihre Hauptniederlassung haben oder, bei Zweigniederlassungen, die Vorschriften des Mitgliedstaats ihrer Zweigniederlassung (Art. 16 Abs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014). Die Meldung muss gegenüber der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats erfolgen (Art. 16 Abs. 3 Satz 2 VO Nr. 596/2014). In Deutschland ist die BaFin die danach für diesen Personenkreis zuständige Behörde. Übermittelt eine der Aufsicht der BaFin unterstehende, nach Art. 16 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zur Meldung verpflichtete Person der BaFin eine Meldung über ein verdächtiges Geschäft, das auf einem Handelsplatz in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführt wurde, muss die BaFin die Meldung an die für den Handelsplatz zuständige Behörde unverzüglich weiterleiten (Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 596/2014).
2. Form und Inhalt der Verdachtsmeldung Verdachtsmeldungen müssen sowohl von Marktbetreibern und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz 59 betreiben, als auch von Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, unter Verwendung des in Anhang 1 zur DelVO 2016/957 enthaltenen Musters vorgenommen werden (Art. 7 Abs. 1 DelVO 2016/ 957). Diese sog. STORs (Suspicious Transaction and Order Reports) sind dabei möglichst vollständig und detailliert auszufüllen (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 DelVO 2016/957). Jede Verdachtsmeldung muss aber zumindest die Angaben nach Art. 7 Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/957 enthalten. Durch die Angaben in dem Muster sollen die zuständigen Behörden in die Lage versetzt werden, den Verdacht zu beurteilen und geeignete Maßnahmen einzuleiten (Erwägungsgrund 7 Satz 1 DelVO 2016/957). Durch die unionsweit vereinheitlichte Form der Meldung soll zudem ein effizienter Austausch zwischen den zuständigen Behörden unterschiedlicher Mitgliedstaaten im Fall von grenzüberschreitenden verdächtigen Geschäften oder Aufträgen erleichtert werden (Erwägungsgrund 6 Satz 1 und 2 DelVO 2016/957). Die Verdachtsmeldung muss nach Art. 7 Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/957 zumindest die folgenden Pflicht- 60 angaben enthalten: a) eine Identifikation der Person, die die Verdachtsmeldung übermittelt, und im Fall von Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, auch die Eigenschaft, in der die die Verdachtsmeldung übermittelnde Person agiert, speziell bei Handel für eigene Rechnung oder bei Ausführung von Aufträgen im Namen von Dritten; b) eine Beschreibung des (verdächtigen) Auftrags oder des Geschäfts, einschließlich: i. Art des Auftrags und Art des Handels, insbesondere Blockgeschäfte, und wo die Tätigkeit in Erscheinung trat, ii. Preis und Volumen; c) die Gründe, weshalb der Verdacht besteht, dass der Auftrag oder das Geschäft ein Insidergeschäft, eine Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellt; d) die Mittel zur Identifizierung aller Personen, die an dem Auftrag oder Geschäft, der bzw. das ein Insidergeschäft, eine Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellen könnte, beteiligt sind, einschließlich der Person, die den Auftrag erteilt oder ausgeführt hat, und der Person, in deren Namen der Auftrag erteilt oder ausgeführt wurde; e) alle anderen Informationen und Belege, die für die Zwecke der Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Insidergeschäften, Marktmanipulation sowie versuchten Insidergeschäften und versuchter Marktmanipulation als für die zuständige Behörde relevant gelten könnten. Damit die zuständige Behörde den Verdacht beurteilen und geeignete Maßnahmen einleiten kann, müssen 61 insbesondere personenbezogene Daten übermittelt werden, anhand derer die Identifizierung der an den verdächtigen Aufträgen und Geschäften beteiligten Personen erfolgen kann (Erwägungsgrund 7 Satz 3 DelVO 2016/957). Alle Informationen sollten zudem von Beginn an zur Verfügung gestellt werden, so dass sich die zuständige Behörde im Verlauf der Untersuchung nicht erneut mit Auskunftsersuchen an den Meldepflichtigen wenden muss (Erwägungsgrund 7 Satz 4 DelVO 2016/957). Damit die Übermittlung aller relevanten Daten möglichst einfach ist, können die Meldepflichtigen zusammen mit dem Muster auch alle weiteren als notwendig erachteten Unterlagen und Materialien in Form eines Anhangs einreichen (Erwägungsgrund 8 DelVO 2016/957). Mülbert | 515
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 62 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch 62 Die Meldungen müssen durch Ausfüllen des folgenden Musters (STOR) erfolgen:
Muster für Verdachtsmeldungen Abschnitt 1 – Identität des Unternehmens/der Person, das/die die Verdachtsmeldung übermittelt Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen/Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben – In jedem Fall genau anzugeben: Name der natürlichen Person
[Vorname(n) und Nachname(n) der natürlichen Person, die beim meldenden Unternehmen für Verdachtsmeldungen zuständig ist.]
Position innerhalb des meldenden Unternehmens
[Position der natürlichen Person, die beim meldenden Unternehmen für Verdachtsmeldungen zuständig ist.]
Name des meldenden Unternehmens
[Vollständiger Name des meldenden Unternehmens, einschließlich für juristische Personen: – Rechtsform entsprechend der Eintragung im Register des Landes, nach dessen Recht es gegründet wurde, falls zutreffend, und – Rechtsträger-Kennung (Legal Entity Identifier, LEI) entsprechend LEI-Code nach ISO 17442, falls zutreffend.]
Name des meldenden Unternehmens
[Vollständige Anschrift (z.B. Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Stadt, Bundesland/Provinz) und Land.]
Eigenschaft, in der das Unternehmen in Bezug auf die Aufträge und Geschäfte gehandelt hat, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation darstellen könnten
[Beschreibung der Eigenschaft, in der das meldende Unternehmen in Bezug auf den Auftrag/die Aufträge und das Geschäft/ die Geschäfte gehandelt hat, bei dem/denen es sich um Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation handeln könnte, z.B. Auftragsausführung für Kunden, Eigenhandel, Betrieb eines Handelsplatzes, systematischer Internalisierer.]
Art der Handelstätigkeit des meldenden Unternehmens (Marktpflege, Arbitrage usw.) und Art des von ihm gehandelten Instruments (Wertpapiere, Derivate usw.)
(sofern verfügbar)
Verhältnis zu der Person, auf die sich die übermittelte Verdachtsmeldung bezieht
[Beschreibung aller unternehmensbezogenen, vertraglichen oder organisatorischen Regelungen bzw. Umstände oder Beziehungen]
Ansprechpartner für weitere Auskunftsersuchen
[Ansprechpartner innerhalb des meldenden Unternehmens für weitere Auskunftsersuchen in Bezug auf diese Meldung (z.B. Compliance-Beauftragter) und entsprechende Kontaktangaben: – Vorname(n) und Nachname(n); – Position des Ansprechpartners innerhalb des meldenden Unternehmens; – dienstliche E-Mail-Adresse.]
Abschnitt 2 – Geschäft/Auftrag Beschreibung des Finanzinstruments:
[Beschreibung des Finanzinstruments, das Gegenstand der Verdachtsmeldung ist, mit folgenden genauen Angaben: – vollständige Bezeichnung oder Beschreibung des Finanzinstruments; – Kennzeichen des Finanzinstruments (Code) gemäß einer gegebenenfalls nach Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 angenommenen Delegierten Verordnung der Kommission oder andere Codes; – Art des Finanzinstruments entsprechend der zur Klassifizierung des Finanzinstruments verwendeten Taxonomie und damit verbundener Code (ISO 10962 CFI-Code).] [Zusätzliche Elemente für Aufträge und Geschäfte in Bezug auf OTC-Derivate] (Die nachstehende Datenliste ist nicht erschöpfend.) – Identifizierung des Typs des OTC-Derivats (z.B. Differenzkontrakte (CFD), Swaps, Kreditausfalloptionen (CDS) und Freiverkehrsoptionen (OTC-Optionen) unter Verwendung der Typen nach Art. 4 Abs. 3 Buchstabe b der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1247/2012 der Kommission.
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 62 Art. 16 VO Nr. 596/2014 – Beschreibung der Merkmale des OTC-Derivats mit zumindest folgenden Angaben, sofern für den speziellen Derivatetyp relevant: – Nominalwert (Nennwert); – Kurswährung, Stückelung; – Fälligkeitstermin; – Premium(kurs); – Zinssatz. – Beschreibung zumindest nachfolgender Aspekte, sofern für den speziellen Typ von OTC-Derivat relevant: – Spanne, Zahlung bei Abschluss und Nominalgröße oder -wert des zugrunde liegenden Finanzinstruments; – Geschäftskonditionen wie Ausübungspreis, Vertragsbedingungen (z.B. Spread-Betting-Gewinne oder -Verluste je Tick-Bewegung). – Beschreibung des dem OTC-Derivat zugrunde liegenden Finanzinstruments mit folgenden genauen Angaben: – Vollständige Bezeichnung des zugrunde liegenden Finanzinstruments oder Beschreibung des Finanzinstruments; – Kennzeichen des Finanzinstruments (Code) gemäß der gegebenenfalls nach Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 anzunehmenden Delegierten Verordnung der Kommission oder andere Codes; – Art des Finanzinstruments entsprechend der zur Klassifizierung des Finanzinstruments verwendeten Taxonomie und damit verbundener Code (ISO 10962 CFI-Code).] Datum und Uhrzeit von Geschäften oder [Angabe des Datums/der Daten und der Uhrzeit(en) des Auftrags/ Aufträgen, die Insidergeschäfte, Marktmani- der Aufträge oder des Geschäfts/der Geschäfte unter Angabe der pulation oder versuchte Insidergeschäfte Zeitzone.] oder versuchte Marktmanipulation darstellen könnten Markt, auf dem der Auftrag oder das Geschäft getätigt wurde
[Genaue Angabe von: – Name und Code zur Identifizierung des Handelsplatzes, des systematischen Internalisierers oder der organisierten Handelsplattform außerhalb der Union, wo der Auftrag erteilt und das Geschäft ausgeführt wurde (gemäß der nach Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 angenommenen Delegierten Verordnung der Kommission) oder – wenn der Auftrag an keinem der oben genannten Plätze erteilt oder das Geschäft an keinem dieser Plätze ausgeführt wurde, bitte Angabe von „außerhalb eines Handelsplatzes“.]
Ort (Land)
[Vollständiger Name des Landes und ISO-3166-1-Ländercode aus zwei Buchstaben.] [Genaue Angabe von: – Ort der Auftragserteilung (sofern verfügbar); – Ort der Auftragsausführung.]
Beschreibung des Auftrags oder des Geschäfts
[Beschreibung zumindest der folgenden Merkmale des Auftrags/ der Aufträge oder des Geschäfts/der Geschäfte, zu dem/denen die Meldung übermittelt wurde – Referenznummer des Geschäfts/Auftrags; Bezugsnummer (sofern vorhanden); – Datum und Zeitpunkt der Abrechnung; – Ankaufspreis/Verkaufspreis; – Volumen/Menge der Finanzinstrumente [Gibt es mehrere Aufträge oder Geschäfte, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation darstellen könnten, können genaue Angaben zu deren Preisen und Volumen der zuständigen Behörde in einem Anhang zur Verdachtsmeldung übermittelt werden.]
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 62 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch – Information zur Auftragserteilung unter Angabe zumindest folgender Punkte: – Art des Auftrags (z.B. „Kauf mit Obergrenze xEUR“); – Art und Weise der Auftragserteilung (z.B. elektronisches Orderbuch); – Zeitpunkt der Auftragserteilung; – Person, die den Auftrag tatsächlich erteilt hat; – Person, die den Auftrag tatsächlich erhalten hat; – Art und Weise der Auftragsübermittlung. – Information zur Auftragsstornierung oder -änderung (falls zutreffend): – Uhrzeit der Änderung oder Stornierung; – Person, die den Auftrag geändert oder storniert hat; – Art der Änderung (z.B. Änderung des Preises oder der Menge) und Umfang der Änderung; [Gibt es mehrere Aufträge oder Geschäfte, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation darstellen könnten, können genaue Angaben zu deren Preisen und Volumen der zuständigen Behörde in einem Anhang zur Verdachtsmeldung übermittelt werden.] – Art und Weise der Auftragsänderung (z.B. per E-Mail, Telefon usw.).] Abschnitt 3 – Beschreibung der Art des Verdachts Art des Verdachts
[Genaue Angabe der Art des Verstoßes, der bei den gemeldeten Aufträgen oder Geschäften vorliegen könnte: – Marktmanipulation; – Insidergeschäfte; – versuchte Marktmanipulation; – versuchte Insidergeschäfte.]
Gründe für den Verdacht
[Beschreibung der Tätigkeit (Geschäfte und Aufträge, Art und Weise der Auftragserteilung oder der Ausführung des Geschäfts und Merkmale der Aufträge und Geschäfte, die sie verdächtig machen) und der Umstände, unter denen die meldende Person auf die Angelegenheit aufmerksam wurde, sowie genaue Darlegung der Gründe für den Verdacht. Die Beschreibung könnte Folgendes umfassen (nicht erschöpfende Orientierungskriterien): – bei Finanzinstrumenten, die zum Handel zugelassen sind/oder an einem Handelsplatz zugelassen sind, eine Beschreibung der Orderbuch-Interaktion/-Geschäfte, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation darstellen könnten; – bei OTC-Derivaten detaillierte Angaben zu Geschäften oder Aufträgen in Bezug auf den zugrunde liegenden Vermögenswert und Informationen zu etwaigen Verbindungen zwischen Geldmarktgeschäften bezüglich des zugrunde liegenden Vermögenswertes und den gemeldeten Geschäften mit OTC-Derivaten.]
Abschnitt 4 – Identität der Person, deren Aufträge oder Geschäfte Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte bzw. versuchte Marktmanipulation darstellen könnten („verdächtige Person“) Name
[Für natürliche Personen: Vorname(n) und Nachname(n).] [Für juristische Personen: vollständiger Name, einschließlich Rechtsform entsprechend der Eintragung im Register des Landes, nach dessen Recht es gegründet wurde, falls zutreffend, und Rechtsträger-Kennung (Legal Entity Identifier, LEI) entsprechend LEI-Code nach ISO 17442, falls zutreffend.]
Geburtsdatum
[Nur für natürliche Personen.] [JJJJ-MM-TT]
Nationale Identifikationsnummer (falls zutreffend)
[Falls in dem betreffenden Mitgliedstaat zutreffend.] [Nummer und/oder Text]
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Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch | Rz. 63 Art. 16 VO Nr. 596/2014 Anschrift
[Vollständige Anschrift (z.B. Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Stadt, Bundesland/Provinz) und Land.]
Angaben zur Beschäftigung: – Ort – Position
[Angaben zur Beschäftigung der verdächtigen Person aus internen Informationsquellen des meldenden Unternehmens (z.B. Kontodokumentation im Fall von Kunden, Mitarbeiterinformationssystem im Fall von Beschäftigten des meldenden Unternehmens).]
Kontonummer(n)
[Nummern der Geld- und Wertpapierkonten, alle gemeinsamen Konten oder alle Vollmachten für das Konto des verdächtigen Unternehmens/der verdächtigen Person.]
Kundenkennzeichen im Rahmen der Meldung von Geschäften nach Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente (oder ein anderer Code zur Identifizierung)
[Falls die verdächtige Person Kunde des meldenden Unternehmens ist.]
Verhältnis zum Emittenten der betreffenden Finanzinstrumente (falls zutreffend und falls bekannt)
[Beschreibung aller unternehmensbezogenen, vertraglichen oder organisatorischen Regelungen oder Umstände oder Beziehungen]
Abschnitt 5 – Zusätzliche Informationen Hintergrundinformationen oder alle sonstigen Informationen, die nach Ansicht des meldenden Unternehmens für den Bericht von Belang sind [Die nachstehende Liste ist nicht erschöpfend. – die Position der verdächtigen Person (z.B. Kleinanleger, Institutionen); – die Art der Intervention des verdächtigen Unternehmens/der verdächtigen Person (für eigene Rechnung, im Auftrag eines Kunden, Sonstiges); – die Größe des Portfolios des verdächtigen Unternehmens/der verdächtigen Person; – das Datum der Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden, sofern das verdächtige Unternehmen/ die verdächtige Person Kunde der meldenden Person/des meldenden Unternehmens ist; – die Art der Tätigkeit des Trading Desk, sofern vorhanden, des verdächtigen Unternehmens; – Muster der Handelstätigkeit des verdächtigen Unternehmens/der verdächtigen Person. Als Orientierung nachfolgend einige Beispiele für Informationen, die nützliche sein könnten: – Handelsgewohnheiten des verdächtigen Unternehmens/der verdächtigen Person in Bezug auf den Einsatz von Hebelfinanzierung und Leerverkäufe, und Häufigkeit der Nutzung; – Vergleichbarkeit des Umfangs des gemeldeten Auftrags/Geschäfts mit dem durchschnittlichen Umfang der von dem verdächtigen Unternehmen/der verdächtigen Person in den vergangenen 12 Monaten erteilten Aufträgen/ausgeführten Geschäften; – Gewohnheiten des verdächtigen Unternehmens/der verdächtigen Person bezüglich der Emittenten, deren Wertpapiere es/sie in den vergangenen 12 Monaten gehandelt hat, oder bezüglich der in diesem Zeitraum gehandelten Art von Finanzinstrumenten, speziell der Aspekt, ob sich der gemeldete Auftrag/das gemeldete Geschäft auf einen Emittenten bezieht, dessen Wertpapiere das verdächtige Unternehmen/die verdächtige Person im vorangegangenen Jahr gehandelt hat. – Andere Unternehmen/Personen, die bekanntermaßen in die Aufträge oder Geschäfte einbezogen sind, die Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation darstellen könnten: – Namen; – Tätigkeit (z.B. Auftragsausführung für Kunden, Eigenhandel, Betrieb eines Handelsplatzes, systematischer Internalisierer usw.).] Abschnitt 6 – Beigefügte Unterlagen [Auflistung der zusammen mit dieser Verdachtsmeldung übermittelten Belege und Materialien. Beispielsweise gehören zu diesen Unterlagen E-Mails, Gesprächsaufzeichnungen, Auftrags-/Geschäftsunterlagen, Bestätigungen, Brokerberichte, Vollmachten und Medienkommentare, sofern zutreffend. Werden die in Abschnitt 2 dieses Musters genannten detaillierten Informationen zu den Aufträgen/Geschäften in einem separaten Anhang bereitgestellt, ist der Titel dieses Anhangs anzugeben.]
3. Übermittlung der Verdachtsmeldungen Die Übermittlung der Verdachtsmeldung hat unter Verwendung der von der jeweils zuständigen Behörde 63 bereitgestellten elektronischen Mittel zu erfolgen (Art. 8 Abs. 1 DelVO 2016/957). Die jeweils zuständigen Behörden müssen diese elektronischen Mittel auf ihrer Website veröffentlichen (Art. 8 Abs. 2 Satz 1 DelVO Mülbert | 519
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Art. 16 VO Nr. 596/2014 Rz. 63 | Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch 2016/957). Diese elektronischen Mittel haben die Wahrung der Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen während der Übermittlung zu gewährleisten (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 DelVO 2016/957). Die BaFin stellt auf ihrer Website für die Übermittlung der STORs das elektronische Fachverfahren „Verdachtsmeldungen nach MAR“ über das MVP-Portal zur Verfügung100. Die elektronische Einreichung der STORs ist erst ab der Freischaltung eines Meldepflichtigen zum Fachverfahren „Verdachtsmeldungen nach MAR“ möglich. Dafür ist der im MVP-Portal101 auszufüllende Antrag unterschrieben mit den im Infoblatt aufgeführten weiteren Unterlagen an die BaFin zu senden.
VIII. Umgang der zuständigen Behörde mit Verdachtsmeldungen – Weiterleitungspflicht (Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) 64 Die zuständige Behörde nach Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 (Rz. 58) hat die ihr gemeldeten verdächtigen
Aufträge und Geschäfte unverzüglich der für den betreffenden Handelsplatz zuständigen Behörde (Rz. 57) mitzuteilen (Art. 16 Abs. 4 VO Nr. 596/2014). Hierfür ist die gesamte Verdachtsmeldung inklusive aller mitübersandten zusätzlichen Materialien und Informationen zu übersenden. Unverzüglich heißt auch vorliegend ohne schuldhaftes Zögern und wird in der Regel eine Übersendung am gleichen Tag erfordern. Stimmt die nach Art. 16 Abs. 3 VO Nr. 506/2014 zuständige Behörde mit der für den jeweiligen Handelsplatz zuständigen Behörde überein (Rz. 58), bedarf es keiner gesonderten Übermittlung.
IX. Konkretisierungsermächtigung (Art. 16 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) 65 Art. 16 Abs. 5 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 überträgt der ESMA die Befugnis zur durchgehenden Harmoni-
sierung des Art. 16 VO Nr. 596/2014 Entwürfe technischer Regulierungsstandards auszuarbeiten. In diesen müssen angemessene Regelungen, Systeme und Verfahren für die Einhaltung der Vorschriften in den Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 (Art. 16 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) sowie die von meldepflichtigen Personen zur Einhaltung der Vorschriften in den Art. 16 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 zu nutzenden Mitteilungsmuster (Art. 16 Abs. 5 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) festgelegt werden. Diese Entwürfe hatte die ESMA der Europäischen Kommission nach Art. 16 Abs. 5 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 bis zum 3.7.2016 vorzulegen. Der Europäischen Kommission überträgt sodann Art. 16 Abs. 5 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 die Befugnis, die genannten technischen Regulierungsstandards nach Art. 10–14 VO Nr. 1095/2010 zu erlassen. Letzteres ist durch den Erlass der DelVO 2016/957 geschehen.
X. Aus- bzw. Durchführungsverbot 66 Kapitalmarktrechtlich besteht grundsätzlich kein Verbot, marktmissbrauchsverdächtige Aufträge oder Ge-
schäfte aus- bzw. durchzuführen102. Dass der europäische Gesetzgeber sich zu dieser Frage nicht eindeutig positioniert hat, sorgt aber zumindest für Rechtsunsicherheit. Der mit der Ausführung eines verdächtigen Auftrags oder Geschäfts Beauftragte steht vor dem Dilemma, dies entweder abzulehnen, was zivilrechtliche Konsequenzen haben kann, oder aber den Auftrag bzw. das Geschäft auszuführen und dadurch Gefahr zu laufen, sich an einem Verstoß gegen die Marktmissbrauchsverbote der MAR zu beteiligen103. Im Rechtssetzungsverfahren der MAR ist kein Vorschlag zu einem ausdrücklichen Ausführungsverbot in Entwurfsfassungen und erst recht nicht in die endgültige Fassung eingegangen. Der Kommissionsvorschlag zur MAD I sah zwar ein Ausführungsverbot für Finanzintermediäre vor, dieses wurde aber im weiteren Verfahren wieder gestrichen104. Ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage kann aus der bloßen Meldepflicht keinesfalls auch eine weitergehende Einschränkung der vertraglichen Abschlussfreiheit hergeleitet werden105. Davon 100 S. https://www.bafin.de/DE/DieBaFin/Service/MVPportal/Verdacht_MAR/verdacht_mar_node.html. 101 S. https://portal.mvp.bafin.de/MvpPortalWeb/app/login.html. 102 Ebenso Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 10 WpHG Rz. 55; Schlette/Bouchon in Fuchs, § 10 WpHG Rz. 17; s. auch bereits Rz. 5. 103 Vgl. zu § 10 WpHG a.F. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 46; Spindler, NJW 2004, 3449, 3450; Stellungnahme Nr. 26/ 04 des Handelsrechtsausschusses des DAV (abrufbar unter: http://www.anwaltverein.de/03/05/2004/26–04.pdf). 104 Instruktiv Schwintek, WM 2005, 861, 866. Art. 6 Nr. 5 des Kommissionsvorschlages der Marktmissbrauchsrichtlinie (KOM [2001] 281 endgültig v. 30.5.2001) hatte noch bestimmt, dass Finanzintermediäre marktmissbrauchsverdächtige „Geschäfte nicht durchführen dürfen und entsprechende Aufträge von Kunden ablehnen müssen“. 105 Vgl. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 46; zur verfassungsrechtlichen Problematik des geldwäscherechtlichen „Stillhaltegebots“ s. Fülbier in Fülbier/Aepfelbach/Langweg, § 11 GwG Rz. 153 ff.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014
zu unterscheiden ist die Frage, ob die Aus- bzw. Durchführung dringend verdächtiger Aufträge oder Geschäfte die Zuverlässigkeit des Unternehmens beeinträchtigen kann, woran sich ggfs. aufsichtsrechtliche Konsequenzen knüpfen können106. Ein Aus- bzw. Durchführungsverbot kann im Einzelfall wegen der straf. bzw. ordnungswidrigkeitenrecht- 67 lichen Flankierung der Marktmissbrauchsverbote der MAR in den §§ 119, 120 WpHG bestehen. Stellt sich nämlich die Aus- bzw. Durchführung selbst als straf- bzw. ahndbare Beteiligung an einem Marktmissbrauch dar, ist diese dem Finanzintermediär selbst (auch) verboten107. Das führt zu der schwierigen Frage, wann professionsadäquates Verhalten straf- bzw. bußgeldrechtlich relevant sein kann108. Dies ist jedenfalls dann unstreitig zu bejahen, wenn der Beteiligte sicher weiß, dass er an einer Straf- bzw. Ordnungswidrigkeit beteiligt ist109. Umstritten ist, ob und wann bedingter Vorsatz oder nur Fahrlässigkeit zu einer Beteiligungsstrafbarkeit führen können. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob das erkannte Risiko derart hoch ist, dass die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters bereits in der Tatbeteiligung angelegt ist110. Für die Frage, ob eine Förderung in der Tatbeteiligung bereits angelegt ist, muss freilich die kapitalmarktrechtliche Wertung, dass es kein ausdrückliches Aus- bzw. Durchführungsverbot gibt, berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, dass es nicht als entsprechende Förderung gewertet werden darf, wenn ein verdächtiger Auftrag oder ein verdächtiges Geschäft im normalen Geschäftsgang durchgeführt wird und unmittelbar eine allen Anforderungen entsprechende Verdachtsmeldung abgegeben wird111.
XI. Rechtsfolgen bei Verstößen Verstöße gegen Art. 16 Abs. 1, 2 VO Nr. 596/2014 werden bei Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit als 68 Ordnungswidrigkeit gem. § 120 Abs. 15 Nr. 3–5 WpHG mit einem Bußgeld geahndet. Näher § 120 WpHG Rz. 343 f.
Kapitel 3 Offenlegungsvorschriften (Art. 17–21 VO Nr. 596/2014)
Art. 17 VO Nr. 596/2014 Veröffentlichung von Insiderinformationen (1) Ein Emittent gibt der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die unmittelbar diesen Emittenten betreffen, unverzüglich bekannt. Der Emittent stellt sicher, dass die Insiderinformationen in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die der Öffentlichkeit einen schnellen Zugang und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung ermöglicht, und dass sie gegebenenfalls in dem amtlich bestellten System gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates veröffentlicht werden. Der Emittent darf die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten verbinden. Der Emittent veröffentlicht alle Insiderinformationen, die er der Öffentlichkeit mitteilen muss, auf seiner Website und zeigt sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren an. Dieser Artikel gilt für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat beantragt oder genehmigt haben, bzw. im Falle von Instrumenten, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen 106 107 108 109 110 111
Vgl. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 46. Vgl. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 47. Vgl. Vogel in 6. Aufl., § 10 WpHG Rz. 47. BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107; BGH v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34. BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107; BGH v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34. Schwintek, WM 2005, 861, 867.
Mülbert und Assmann | 521
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 | Veröffentlichung von Insiderinformationen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben. (2) Jeder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate gibt Insiderinformationen in Bezug auf ihm gehörende Emissionszertifikate für seine Geschäftstätigkeit, darunter Luftverkehr gemäß Anhang I der Richtlinie 2003/87/EG und Anlagen im Sinne von Artikel 3 Buchstabe e jener Richtlinie, die der betreffende Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen besitzt oder kontrolliert und für dessen betriebliche Angelegenheiten der Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen vollständig oder teilweise verantwortlich ist, öffentlich, wirksam und rechtzeitig bekannt. In Bezug auf Anlagen umfasst diese Offenlegung die für deren Kapazität und Nutzung erheblichen Informationen, darunter die geplante oder ungeplante Nichtverfügbarkeit dieser Anlagen. Unterabsatz 1 gilt nicht für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, wenn die Emissionen der Anlagen oder Luftverkehrstätigkeiten in ihrem Besitz, unter ihrer Kontrolle oder ihrer Verantwortlichkeit im Vorjahr eine bestimmte Kohlendioxidäquivalent-Mindestschwelle nicht überschritten haben und, sofern dort eine Verbrennung erfolgt, deren thermische Nennleistung eine bestimmte Mindestschwelle nicht überschreitet. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 35 zur Anwendung der im Unterabsatz 2 dieses Absatzes vorgesehenen Ausnahme delegierte Rechtsakte zur Festlegung einer Kohlendioxidäquivalent-Mindestschwelle und einer Mindestschwelle für die thermische Nennleistung zu erlassen. (3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 35 zur Festlegung der zuständigen Behörde für die Mitteilungen gemäß den Absätzen 4 und 5 des vorliegenden Artikels zu erlassen. (4) Ein Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, kann auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen für die Öffentlichkeit aufschieben, sofern sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind: a) die unverzügliche Offenlegung wäre geeignet die berechtigten Interessen des Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zu beeinträchtigen, b) die Aufschiebung der Offenlegung wäre nicht geeignet, die Öffentlichkeit irrezuführen, c) der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate kann die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen. Im Falle eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der aus mehreren Schritten besteht und einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, kann ein Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen zu diesem Vorgang vorbehaltlich des Unterabsatzes 1 Buchstaben a, b und c aufschieben. Hat ein Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Offenlegung von Insiderinformationen nach diesem Absatz aufgeschoben, so informiert er die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde unmittelbar nach der Offenlegung der Informationen über den Aufschub der Offenlegung und erläutert schriftlich, inwieweit die in diesem Absatz festgelegten Bedingungen erfüllt waren. Alternativ können Mitgliedstaaten festlegen, dass die Aufzeichnung einer solchen Erläuterung nur auf Ersuchen der gemäß Absatz 3 festgelegten zuständigen Behörde übermittelt werden muss. Abweichend von Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes legt ein Emittent, dessen Finanzinstrumente lediglich zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, der gemäß Absatz 3 festgelegten zuständigen Behörde nur auf Verlangen eine schriftliche Erläuterung vor. Solange der Emittent in der Lage ist, den beschlossenen Aufschub zu begründen, darf nicht von ihm verlangt werden, dass er über diese Gründe Aufzeichnungen führt. (5) Zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems kann ein Emittent, bei dem es sich um ein Kreditinstitut oder ein Finanzinstitut handelt, auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen, einschließlich Informationen im Zusammenhang mit einem zeitweiligen Liquiditätsproblem und insbesondere in Bezug auf den Bedarf an zeitweiliger Liquiditätshilfe seitens einer Zentralbank oder eines letztinstanzlichen Kreditgebers, aufschieben, sofern sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind: a) die Offenlegung der Insiderinformationen birgt das Risiko, dass die finanzielle Stabilität des Emittenten und des Finanzsystems untergraben wird; 522 | Assmann
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014
b) der Aufschub der Veröffentlichung liegt im öffentlichen Interesse; c) die Geheimhaltung der betreffenden Informationen kann gewährleistet werden, und d) die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde hat dem Aufschub auf der Grundlage zugestimmt, dass die Bedingungen gemäß Buchstaben a, b, und c erfüllt sind. (6) Für die Zwecke des Absatzes 5 Buchstaben a bis d setzt der Emittent die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde von seiner Absicht in Kenntnis, die Offenlegung der Insiderinformationen aufzuschieben, und legt Nachweise vor, dass die Voraussetzungen gemäß Absatz 5 Buchstaben a, b, und c vorliegen. Die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde hört gegebenenfalls die nationale Zentralbank oder, falls eingerichtet, die makroprudenzielle Behörde oder andernfalls die folgenden Stellen an: a) falls es sich bei dem Emittenten um ein Kreditinstitut oder eine Wertpapierfirma handelt, die gemäß Artikel 133 Absatz 1 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates benannte Behörde; b) in anderen als den in Buchstabe a genannten Fällen jede andere für die Aufsicht über den Emittenten zuständige nationale Behörde. Die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde stellt sicher, dass der Aufschub für die Offenlegung von Insiderinformationen nur für den im öffentlichen Interesse erforderlichen Zeitraum gewährt wird. Die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde bewertet mindestens wöchentlich, ob die Voraussetzungen gemäß Absatz 5 Buchstaben a, b und c noch vorliegen. Wenn die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde dem Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht zustimmt, muss der Emittent die Insiderinformationen unverzüglich offenlegen. Dieser Absatz gilt für Fälle, in denen der Emittent nicht beschließt, die Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Absatz 4 aufzuschieben. Verweise in diesem Absatz auf die gemäß Absatz 3 festgelegte zuständige Behörde in diesem Absatz lassen die Befugnis der zuständigen Behörde, ihre Aufgaben gemäß Artikel 23 Absatz 1 wahrzunehmen, unberührt. (7) Wenn die Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Absatz 4 oder 5 aufgeschoben wurde und die Vertraulichkeit [der] dieser Insiderinformationen nicht mehr gewährleistet ist, muss der Emittent die Öffentlichkeit so schnell wie möglich über diese Informationen informieren. Dieser Absatz schließt Sachverhalte ein, bei denen ein Gerücht auf eine Insiderinformation Bezug nimmt, die gemäß Absatz 4 oder 5 nicht offengelegt wurden, wenn dieses Gerücht ausreichend präzise ist, dass zu vermuten ist, dass die Vertraulichkeit dieser Information nicht mehr gewährleistet ist. (8) Legt ein Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder eine in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Person im Zuge der normalen Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder der normalen Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Artikel 10 Absatz 1 Insiderinformationen gegenüber einem Dritten offen, so veröffentlicht er diese Informationen vollständig und wirksam, und zwar zeitgleich bei absichtlicher Offenlegung und unverzüglich im Fall einer nicht absichtlichen Offenlegung. Dieser Absatz gilt nicht, wenn die die Informationen erhaltende Person zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt. (9) Insiderinformationen in Bezug auf Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, können auf der Website des Handelsplatzes anstatt der Website des Emittenten angezeigt werden, falls der Handelsplatz sich für die Bereitstellung dieser Möglichkeit für Emittenten auf jenem Markt entscheidet. (10) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels sicherzustellen, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards zur Festlegung a) der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß den Absätzen 1, 2, 8 und 9 und b) der technischen Mittel für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß den Absätzen 4 und 5 aus. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Durchführungsstandards bis zum 3. Juli 2016 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. Assmann | 523
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 | Veröffentlichung von Insiderinformationen (11) Die ESMA gibt Leitlinien für die Erstellung einer nicht abschließenden indikativen Liste der in Absatz 4 Buchstabe a genannten berechtigten Interessen des Emittenten und von Fällen heraus, in denen die Aufschiebung der Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Absatz 4 Buchstabe b geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/ 2115 vom 27.11.2019 (ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1). Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften (Auszug) Art. 1 Gegenstand und Anwendungsbereich Diese Verordnung legt detaillierte Bestimmungen im Hinblick auf Folgendes fest: 1. die Ausdehnung der Ausnahme von den in der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 festgelegten Verpflichtungen und Verboten auf bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten bei der Ausübung ihrer Geld- und Wechselkurspolitik und Politik zur Staatsschuldenverwaltung; 2. ... 3. die Schwellenwerte für die Offenlegung von Insiderinformationen durch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; 4. die zuständige Behörde, der ein Aufschub bei der Offenlegung von Insiderinformationen zu melden ist; 5. ... 6. ... In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 2 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Dividendenwert“ die in Artikel 4 Absatz 1 Nummer 44 Buchstabe a der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates genannte Klasse übertragbarer Wertpapiere. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 5 Kohlendioxidäquivalent-Mindestschwelle und Mindestschwelle für die thermische Nennleistung 1. Für die Zwecke von Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 liegt a) die Kohlendioxidäquivalent-Mindestschwelle bei 6 Mio. Tonnen pro Jahr; b) die Mindestschwelle für die thermische Nennleistung bei 2 430 MW. 2. Die in Absatz 1 festgelegten Mindestschwellen sollten auf Konzernebene gelten und sich auf alle Geschäftstätigkeiten beziehen, einschließlich Luftverkehrstätigkeiten oder Anlagen, die der betreffende Akteur des Emissionszertifikate-Marktes, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen besitzt oder kontrolliert und für dessen betriebliche Angelegenheiten der Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen vollständig oder teilweise verantwortlich ist. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 6 Festlegung der zuständigen Behörde 1. Die zuständige Behörde, der ein Emittent von Finanzinstrumenten den Aufschub bei der Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absätze 4 und 5 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 melden muss, ist in jedem der folgenden Fälle die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Emittent registriert ist: a) wenn und solange Dividendenwerte des Emittenten zum Handel zugelassen sind oder mit seinem Einverständnis gehandelt werden oder der Emittent für sie die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz in dem Mitgliedstaat beantragt hat, in dem er registriert ist; b) wenn und solange keine Dividendenwerte des Emittenten zum Handel zugelassen sind oder mit seinem Einverständnis gehandelt werden oder der Emittent für sie keine Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz in einem Mitgliedstaat beantragt hat, vorausgesetzt, es existieren andere Finanzinstrumente des Emittenten, die zum Handel zugelassen sind oder mit seinem Einverständnis gehandelt werden oder für die er die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz in dem Mitgliedstaat beantragt hat, in dem er registriert ist. 2. In allen anderen Fällen, einschließlich solchen, in denen der Emittent in einem Drittstaat eingetragen ist, ist die zuständige Behörde, der ein Emittent von Finanzinstrumenten den Aufschub bei der Offenlegung von Insiderinformationen melden muss, die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem a) Dividendenwerte des Emittenten zum Handel zugelassen sind oder mit seinem Einverständnis gehandelt werden oder der Emittent für diese erstmals die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz beantragt hat;
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014 b) andere Finanzinstrumente des Emittenten zum Handel zugelassen sind oder mit seinem Einverständnis gehandelt werden oder für die er erstmals die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz beantragt hat, wenn und solange keine Dividendenwerte des Emittenten zum Handel zugelassen sind oder mit seinem Einverständnis gehandelt werden oder der Emittent für diese keine Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz in einem Mitgliedstaat beantragt hat. Sind die maßgeblichen Finanzinstrumente des Emittenten zum Handel zugelassen oder werden mit seinem Einverständnis gehandelt oder hat der Emittent für sie gleichzeitig die erstmalige Zulassung zum Handel an Handelsplätzen in mehr als einem Mitgliedstaat beantragt, so meldet er den zu erwartenden Aufschub der zuständigen Behörde des Handelsplatzes, der im Hinblick auf die Liquidität der relevanteste Markt im Sinne der gemäß Artikel 26 Absatz 9 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zu erlassenden Delegierten Verordnung der Kommission ist. 3. Für die Zwecke der Meldungen nach Artikel 17 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 meldet ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate den Aufschub bei der Offenlegung von Insiderinformationen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate registriert ist. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 11 Inkrafttreten und Geltung Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union [veröffentlicht am 5.4.2016] in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 der Kommission vom 29. Juni 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. EU Nr. L 173 vom 30.6.2016, S. 47) Art. 1 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung gilt folgende Begriffsbestimmung: „Elektronische Hilfsmittel“ sind elektronische Geräte für die Verarbeitung (einschließlich der digitalen Komprimierung), Speicherung und Übertragung von Daten über Kabel, Funk, optische Technologien oder andere elektromagnetische Verfahren. In der Fassung vom 29.6.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47). Art. 2 Mittel für die Bekanntgabe von Insiderinformationen (1) Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate geben Insiderinformationen mithilfe technischer Mittel bekannt, die gewährleisten, a) dass Insiderinformationen folgendermaßen verbreitet werden: i) nichtdiskriminierend an eine möglichst breite Öffentlichkeit; ii) unentgeltlich; iii) zeitgleich in der gesamten Union. b) dass Insiderinformationen unmittelbar oder über einen Dritten an die Medien übermittelt werden, bei denen die Öffentlichkeit vernünftigerweise davon ausgeht, dass sie die Informationen tatsächlich verbreiten. Diese Übermittlung erfolgt mit elektronischen Hilfsmitteln, die die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen bei der Übertragung gewährleisten. Dabei wird Folgendes unmissverständlich klar: i) die übermittelten Informationen sind Insiderinformationen; ii) die Identität des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate: der vollständige rechtsgültige Name; iii) die Identität der mitteilenden Person: Vorname, Nachname, Position beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; iv) der Gegenstand der Insiderinformationen; v) Datum und Uhrzeit der Übermittlung an die Medien. Die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate tragen Sorge für die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit, indem ein eventueller Ausfall oder eine eventuelle Unterbrechung der Übermittlung der Insiderinformationen unverzüglich behoben wird. (2) Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, die gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichtet sind, können die zum Zweck der Bekanntgabe von Insiderinformationen in dieser Verordnung vorgesehenen technischen Mittel zur Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 nutzen, sofern die offenzulegenden Insiderinformationen im Wesentlichen den gleichen Inhalt haben und die für die Offenlegung verwendeten technischen Mittel gewährleisten, dass die Insiderinformationen an die einschlägigen Medien übermittelt werden. In der Fassung vom 29.6.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47).
Assmann | 525
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Art. 3 Anzeigen von Insiderinformationen auf einer Website Die in Artikel 17 Absatz 1 und 9 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Websites müssen folgende Anforderungen erfüllen: a) Die auf ihnen angezeigten Insiderinformationen müssen für die Nutzer diskriminierungsfrei und unentgeltlich zugänglich sein; b) die Nutzer der Website müssen die Insiderinformationen in einem leicht auffindbaren Abschnitt der Website ausfindig machen können; c) sie müssen gewährleisten, dass die offengelegten Insiderinformationen eindeutige Angaben zu Datum und Uhrzeit der Bekanntgabe enthalten und dass die Informationen in chronologischer Reihenfolge aufgelistet werden. In der Fassung vom 29.6.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47). Art. 4 Mitteilung der aufgeschobenen Offenlegung von Insiderinformationen und schriftliche Erläuterung (1) Zum Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 nutzen die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate technische Mittel, mit denen für folgende Informationen auf einem dauerhaften Datenträger Zugänglichkeit, Lesbarkeit und Pflege gewährleistet sind: a) Datum und Uhrzeit: i) des erstmaligen Vorliegens der Insiderinformationen beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; ii) der Entscheidung über den Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen; iii) der wahrscheinlichen Bekanntgabe der Insiderinformationen durch den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; b) Identität der Personen beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate mit Zuständigkeit für: i) die Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe und den Beginn und das voraussichtliche Ende des Aufschubs; ii) die Gewährleistung der fortlaufenden Überwachung der Bedingungen für den Aufschub; iii) die Entscheidung über die Bekanntgabe der Insiderinformationen; iv) die Vorlage der geforderten Informationen über den Aufschub und der schriftlichen Erläuterung bei der zuständigen Behörde; c) Nachweis für die in Artikel 17 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannte erstmalige Erfüllung der Bedingungen und für jegliche Änderung dieser Erfüllung während des Aufschubs, einschließlich i) intern und gegenüber Dritten herbeigeführte Informationshindernisse, um den Zugang zu Insiderinformationen durch andere Personen als diejenigen zu verhindern, die sie für die normale Ausübung ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate benötigen; ii) der getroffenen Vorkehrungen zur schnellstmöglichen Bekanntgabe der einschlägigen Insiderinformationen, wenn keine Vertraulichkeit mehr gewährleistet ist. (2) Die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate setzen die zuständige Behörde schriftlich über einen Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen in Kenntnis und übermitteln die schriftliche Erläuterung dieses Aufschubs über die bei der zuständigen Behörde bestehende bzw. von ihr benannte Anlaufstelle unter Verwendung der von der zuständigen Behörde festgelegten elektronischen Hilfsmittel. Die zuständigen Behörden veröffentlichen jeweils auf ihrer Website die bei der zuständigen Behörde bestehende bzw. von ihr benannte Anlaufstelle und die elektronischen Hilfsmittel nach Unterabsatz 1. Durch diese elektronischen Hilfsmittel wird die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen bei der Übertragung gewährleistet. (3) Die in Absatz 2 genannten elektronischen Hilfsmittel gewährleisten, dass die Mitteilung eines Aufschubs der Bekanntgabe von Insiderinformationen folgende Informationen enthält: a) die Identität des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate: den vollständigen rechtsgültigen Namen; b) die Identität der mitteilenden Person: Vorname, Nachname, Position beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; c) die Kontaktangaben der mitteilenden Person: dienstliche E-Mail-Adresse und Telefonnummer; d) Angaben zu den offengelegten Insiderinformationen, die aufgeschoben wurden: Titel der Aufschuberklärung; Referenznummer, sofern im System zur Verbreitung der Insiderinformationen eine vorhanden ist; Datum und Uhrzeit der Bekanntgabe der Insiderinformationen; e) Datum und Uhrzeit der Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen; f) die Identität aller für die Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen verantwortlichen Personen. (4) Wird die schriftliche Erklärung eines Aufschubs der Offenlegung von Insiderinformationen nur auf Ersuchen der zuständigen Behörde gemäß Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vorgelegt, stellen die in Absatz 2 dieses Artikels genannten elektronischen Hilfsmittel sicher, dass diese schriftliche Erklärung die in Absatz 3 dieses Artikels genannten Informationen umfasst. In der Fassung vom 29.6.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47).
526 | Assmann
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014 Art. 5 Mitteilung der Absicht, die Offenlegung von Insiderinformationen aufzuschieben (1) Für die Zwecke des Aufschubs der Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absatz 5 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 legt ein Emittent, bei dem es sich um ein Kreditinstitut oder ein Finanzinstitut handelt, der zuständigen Behörde über die bei der zuständigen Behörde bestehende bzw. von ihr benannte Anlaufstelle eine schriftliche Mitteilung vor, in der er seine Absicht erklärt, die Offenlegung von Insiderinformationen im Interesse der Wahrung der Stabilität des Finanzsystems aufzuschieben, wobei die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewährleistet wird. Übermittelt der Emittent die Mitteilung gemäß Unterabsatz 1 elektronisch, verwendet er dafür die in Artikel 4 Absatz 2 dieser Verordnung genannten elektronischen Hilfsmittel. (2) Die zuständige Behörde teilt dem Emittenten ihre Entscheidung darüber mit, ob sie anhand der gemäß Absatz 1 übermittelten schriftlichen Informationen, deren Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit gewährleistet wird, dem Aufschub der Offenlegung zustimmt oder nicht. (3) Der Emittent verwendet dieselben technischen Hilfsmittel wie bei der Übermittlung der in Absatz 1 genannten Mitteilung an die zuständige Behörde, um die zuständige Behörde über neue Informationen in Kenntnis zu setzen, die ihre Entscheidung bezüglich des Aufschubs der Offenlegung von Insiderinformationen beeinflussen könnten. In der Fassung vom 29.6.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47). Art. 6 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 29.6.2016 (ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47). Schrifttum: Ackermann, Grundrechte juristischer Personen im kartellrechtlichen Sanktionenverfahren: Ein Reformhindernis?, NZKart 2015, 17; van Aerssen, Erwerb eigener Aktien und Wertpapierhandelsgesetz: Neues von der Schnittstelle Gesellschaftsrecht/Kapitalmarktrecht, WM 2000, 391; Arnold, Verantwortung und Zusammenwirken des Vorstands und Aufsichtsrats bei Compliance-Untersuchungen, ZGR 2014, 76; Assmann, Die Konzernfinanzierung und das Kapitalmarktrecht, in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Konzernfinanzierung, 1998, S. 332; Assmann, Erwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz aus der Sicht der Bietergesellschaft, AG 2002, 114; Assmann, Übernahmeangebote im Gefüge des Kapitalmarktrechts, insbesondere im Lichte des Insiderrechts, der Ad hoc-Publizität und des Manipulationsverbots, ZGR 2002, 697; Assmann, Ad-hoc-Publizitätspflichten im Zuge von Enforcementverfahren zur Überprüfung der Rechnungslegung nach §§ 342b ff. HGB und §§ 37n ff. WpHG, AG 2006, 261; Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarktrecht, ZHR 172 (2008), 635; Bacher/Dörner, Ad-hoc-Publizität nach dem WpHG samt Verbesserungsvorschläge, StB 2002, 52; Bachmann, Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, ZHR 172 (2008), 597; Bachmann, Ad-hoc-Publizität nach „Geltl“, DB 2012, 2206; Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995; BaFin, Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs), Stand 31.1.2019, abrufbar unter https://www.lw. com/admin/Upload/Documents/dl_faq_mar_art_17_Ad-hoc.pdf-jsessionid_BF51BA21C4A454DA7590CD085FB6FCF 1.2_cid381.pdf; BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen durch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (FAQs), Stand 21.12.2017, abrufbar http://www.co2-sachverstaendiger.de/pdf/BaFin%20FAQ% 20MAR%20Art_17%20Dezember%202017.pdf; BaFin, Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2009, abrufbar unter file:///C:/Users/assmann/AppData/Local/Temp/dl_emittentenleitfaden_2009.pdf; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, unter Eingabe der Suchbegriffe „Emittentenleitfaden 2013“; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C,, v. 23.4.2020, abrufbar über die Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Emittentenleitfaden Modul C“ oder direkt unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Leitfaden/WA/dl_emittentenleitfa den_modul_C.pdf?__blob=publicationFile&v=4; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hocPublizitätspflichten und Aufschubmöglichkeiten für Kredit- und Finanzinstitute betreffend bankaufsichtliches Handeln und Abwicklung, Stand 31.5.2021, abrufbar über die Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Leitlinien zur Bestimmung“ oder direkt unter file:///C:/Users/assmann/AppData/Local/Temp/dl_emittentenleitfa den_modul_C_ergaenzende_leitlinien.pdf; Bartmann, Ad-hoc-Publizität im Konzern, 2017; Bayer, Erkrankungen von Vorstandsmitgliedern – Rechtlicher Rahmen, empirische Studie, Empfehlungen an Praxis und Regelsetzer, in FS Hommelhoff, 2012, S. 87; BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 1998; Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, 1995; Bedkowski, Der neue Emittentenleitfaden der BaFin, BB 2009, 394; Bednarz, Pflichten des Emittenten bei einer unterlassenen Mitteilung von Directors' Dealings, AG 2005, 835; Behn, Ad-hoc-Publizität und Unternehmensverbindungen – Informationszugang des Emittenten im faktischen Konzern, 2012; Bekritsky, Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Ad-Hoc-Publizität, BKR 2020, 382; Bekritsky, Wissen und Ad-Hoc-Publizität, 2022; Benzinger, Zivilrechtliche Haftungsansprüche im Zusammenhang mit Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 2008; Bernards, Verpflichtung zur sofortigen Veröffentlichung nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, WPrax 1995, 383; Bodenhöfer-Alte, Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. § 15 Abs. 3 WpHG, 2016; Bosse, Melde- und Informationspflichten nach dem Aktiengesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien, ZIP 1999, 2047; Bosse, Wesentliche Neuregelungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, 39; Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Braun/Rotter, Können Ad-hoc-Mitteilungen Schadensersatzansprüche im Sinne der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung auslösen?, BKR 2003, 918; Buck-Heeb, Informationsorganisation im Kapitalmarktrecht – Compliance zwischen Informationsmanagement und Wissensorganisationspflichten, CCZ 2009,
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 18; Buck-Heeb, Wissenszurechnung, Informationsorganisation und Ad-hoc-Mitteilungspflicht bei Kenntnis eines Aufsichtsratsmitglieds, AG 2015, 801; Buck-Heeb, Wissenszurechnung und Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsratsmitgliedern, WM 2016, 1469; Buck-Heeb, Neuere Rechtsprechung zur Haftung wegen fehlerhafter oder fehlender Kapitalmarktinformation, NZG 2016, 1125; Buck-Heeb/Dieckmann, Informationsdeliktshaftung von Vorstandsmitgliedern und Emittenten, AG 2008, 681; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Büche, Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität als Baustein eines integrierten Finanzmarkts, 2005; Bunz, Ad-hoc-Pflichten im Rahmen von Compliance-Audits, NZG 2016, 1249; Burgard, Ad-hoc-Publizität bei gestreckten Sachverhalten und mehrstufigen Entscheidungsprozessen, ZHR 162 (1998), 51; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Cahn, Entscheidungen des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, WM 1998, 272; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Cahn/Götz, Ad-hoc-Publizität und Regelpublizität, AG 2007, 221; Caspari, Die Problematik der erheblichen Kursbeeinflussung einer publizitätspflichtigen Tatsache, in Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995, S. 65; CESR, Market Abuse Directive, Level 3 – Second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market (CESR/06-562b), July 2007, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/06_562b.pdf; CESR, Market Abuse Directive, Level 3 – Third set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market (CESR/09-219), 15 May 2009, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/09_219.pdf; Claussen, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 1996; Claussen/Florian, Der Emittentleitfaden, AG 2005, 753; Diehl/Loistl/Rehkugler, Effiziente Kapitalmarktkommunikation, 1998; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Drechsler, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei personalbezogenen Umständen im Sport, BKR 2021, 562; Dreher, Leniency-Anträge und Kapitalmarktrecht, WuW 2010, 731; Dreyling, Erste Erfahrungen mit dem WpHG – Ad-hoc-Publizität, Insiderrecht, Verfahrensnormen, in Bankrechtstag 1995: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 1996, S. 158; Dreyling, Die Umsetzung der Marktmissbrauchs-Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, Der Konzern 2005, 1; Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität: Praxis und Entwicklungstendenzen, 2001; Edelmann, Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen – Besprechung der Infomatec-Urteile des BGH, BB 2004, 2031; Eichner, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2009; Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998; Ekkenga, Die Ad hoc-Publizität im System der Marktordnungen – Plädoyer für eine kapitalmarktrechtliche statt gesellschaftsrechtliche Interpretation des § 15 WpHG, ZGR 1999, 165; Ekkenga, Individuelle Entscheidungsprozesse im recht der Ad-hoc-Publizität, NZG 2013, 1081; Engelhardt, Wissensverschulden – Eine Systematisierung und Begrenzung der Wissenszurechnung im Unternehmen, 2019; Ensthaler/Bock/Strübbe, Publizitätspflichten beim Handel von Energieprodukten an der EEX – Reichweite des geänderten § 15 WpHG, BB 2006, 733; ESMA, Final Report – Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28. September 2015, ESMA/2015/8/ 1455, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2015-esma-1455_-_final_report_ mar_ts.pdf; ESMA, Final Report – Guidelines on the Market Abuse Regulation – market soundings and delay of disclosure of inside information, 13. July 2016, ESMA/2016/1130, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/2016-1130_final_report_on_mar_guidelines.pdf; ESMA, Leitlinien Alternative Leistungskennzahlen (APM), 5.10.2015, ESMA/2015/1415, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/10/2015-es ma-1415de.pdf; ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen, 20.10.2016 – ESMA/ 2016/1478 DE, abrufbar unter https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma-2016-1478_de.pdf; ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation, ESMA70-145-111, Version 15, Last updated on 6 August 2021; ESMA, Questions and answers, ESMA Guidelines on Alternative Performance Measures (APMs), Stand 17.4.2020, ESMA32-51-370; Feddersen, Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, ZHR 161 (1997), 269; Fiedler/Seibt, Publikationspflichten in der Krise, in Rübenstahl/Hahn/Voet van Mormizeele (Hrsg.), Kartell Compliance, 2020, Kapitel 21, S. 761; Fietz, Wissenszurechnung gegenüber juristischen Personen, 2021; Findeisen, Die Bedeutung der haftungsbegründenden Kausalität einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung für die Anlageentscheidung des Schadensersatzklägers, NZG 2007, 692; Findeisen/Backhaus, Umfang und Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Haftung nach § 826 BGB für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, WM 2007, 100; Fink, Gilt „nemo tenetur se ipsum accusare“ auch für juristische Personen?, wistra 2014, 457; Fleischer, Adhoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden, NZG 2007, 401; Fleischer, Zur zivilrechtlichen Teilnehmerhaftung für fehlerhafte Kapitalmarktinformation nach deutschem und US-amerikanischen Recht, AG 2008, 265; Fleischer, Schwere Erkrankung des Vorstandsvorsitzenden und Ad-hoc-Publizität, in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 333; Fleischer/Schmolke, Gerüchte im Kapitalmarktrecht, AG 2007, 841; Florstedt, Fehlerhafte Ad-hoc-Publizität und Anspruchsberechtigung, AG 2017, 557; Forst, die ad-hoc-pflichtige Massenentlassung, DB 2009, 607; Franken, Das Spannungsverhältnis der allgemeinen Publizität zum Auskunftsrecht des Aktionärs, in FS Budde, 1995, S. 214; Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität zur Vermeidung von Insiderkriminalität, 2000; Fürhoff, Neuregelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf europäischer Ebene – Auswirkungen auf § 15 WpHG und systematische Einordnung, AG 2003, 80; Fürhoff/Wölk, Aktuelle Fragen zur Ad-hoc-Publizität, WM 1997, 449; Gansmeier, Ad-hoc-Publizität und Informationshaftung, 2022; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz, 1997; Gelhausen/Hönsch, Das neue Enforcement-Verfahren für Jahres-Konzernabschlüsse, AG 2005, 511; Gerke/Bank/Lucht, Die Wirkungen des WpHG auf die Informationspolitik der Unternehmen, Die Bank 1996, 612; Goertz/Fischer, Bußgeldverfahren und -praxis der BaFin bei Verstößen gegen WpHG-Meldepflichten, Der Konzern 2014, 485; Götze, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Zulassung einer Due Diligence durch AG-Vorstand?, BB 1998, 2326; Götze/Carl, Konzernrechtliche Aspekte der Transparenzpflichten nach der EUMarktmissbrauchsverordnung, Der Konzern 2016, 529; Gottschalk, Die deliktische Haftung für fehlerhafte Ad-hocMitteilungen, DStR 2005, 1648; Graßl, Die neue Marktmissbrauchsverordnung der EU, DB 2015, 2066; Grimme/von Buttlar, Neue Entwicklungen in der Ad-hoc-Publizität, WM 2003, 901; Groß, Haftung für fehlerhafte oder fehlende
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014 Regel- oder ad-hoc-Publizität, WM 2002, 477; Groß, Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 385; Groß/Royé, EU-Marktmissbrauchsverordnung: Ergebnisse einer Umfrage und Versuch einer Präzisierung, BKR 2019, 272; Grub/Streit, Börsenzulassung und Insolvenz, BB 2004, 1397; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, ZGR-Sonderheft 15, 1999; Gruson/Wiegmann, Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach amerikanischem Recht und die Auslegung von § 15 WpHG, AG 1995, 173; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008; Gunßer, Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht bei zukunftsbezogenen Sachverhalten, NZG 2008, 855; Guntermann, Die Publizitätspflicht gem. § 111c AktG und ihr Zusammenspiel mit Art. 17 MAR, ZIP 2020, 1290; Habbe/Gieseler, Beweislerleichterungen bei (angeblich) fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen, NZG 2016, 454; Habermann, Mitteilungs- und Bekanntmachungspflichten im Zusammenhang mit Konzernumstrukturierungsmaßnahmen im Versicherungsbereich, VersR 1998, 801; Habersack, Verschwiegenheitspflicht und Wissenszurechnung – insbesondere im Konzern und mit Blick auf die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, DB 2016, 1551; Habersack, Marktmissbrauchsrecht und Aktienrecht – Zielkonflikte im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 217; Happ/Semler, Ad-hoc-Publizität im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht und Anlegerschutz – Zum Begriff der „Tatsache“ in § 15 WpHG bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, ZGR 1998, 117; Harbarth, Adhoc-Publizität beim Unternehmenskauf, ZIP 2005, 1898; Harm, Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Emittenten von Finanzinstrumenten, 2008; Heider/Hirte, Ad-hoc-Publizität hoc-Publizität bei zeitlich gestreckten Vorgängen, GWR 2012, 429; Heidmeier, Die Ad-hoc-Publizität gemäß § 44a BörsG im System der Berichtspflichten für börsennotierte Aktiengesellschaften, AG 1992, 110; Hemeling, Gesellschaftsrechtliche Fragen der Due Diligence beim Unternehmenskauf, ZHR 169 (2005), 274; Hemeling, Editorial – Ad-hoc-Publizität nach dem neuen Emittentenleitfaden der BaFin – Ist das Ende der Fahnenstange erreicht?, ZHR 184 (2020), 397; Henze, Der Schadensersatzanspruch des Anlegers bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen in der Rechtsprechung des BGH, in FS Schwark, 2009, S. 425; Herfs, Weiter im Blindflug – Zur Ad-hoc-Pflicht bei gestreckten Geschehensabläufen aus Sicht der Praxis, DB 2013, 1350; Hirte, Die Ad-hoc-Publizität im System des Aktien- und Börsenrechts, in Bankrechtstag 1995 – Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 1996, S. 47; Hirte, Ad-hoc-Publizität und Krise der Gesellschaft. Aktuelle Fragen im Grenzbereich zwischen Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht, ZInsO 2006, 1289; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, in FS Heinsius, 1991, S. 289; Hopt, Zum neuen Wertpapierhandelsgesetz – Stellungnahme für den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages, WM-Festgabe für Thorwald Hellner vom 9. Mai 1994, S. 29; Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135; Hopt, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen, in FS Lutter, 2000, S. 1361; Hopt, Transparenz und Marktmissbrauchsrecht – Ausgewählte Probleme beim Beteiligungsaufbau und bei Übernahmen, in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I, S. 538; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Hutter/Kaulamo, Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der Regelpublizität und das neue Veröffentlichungsregime für Kapitalmarktinformationen, NJW 2007, 550; Hutter/Stürwald, EM.TV und die Haftung für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen, NZG 2005, 2428; Ihrig, Ad-hoc-Pflicht bei gestreckten Geschehensabläufen aus Sicht der Praxis, DB 2013, 1350; Ihrig, Ad-hoc-Pflicht bei gestreckten Geschehensabläufen – Praxisfragen aus dem „Gelt“-Urteil des EuGH, in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012, 2013, S. 113; Ihrig, Wissenszurechnung im Kapitalmarktrecht – untersucht anhand der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität gemäß Art. 17 MAR, ZHR 181 (2017), 381; Ihrig/Kranz, Das Geltl/Daimler-Verfahren in der nächsten Runde – Keine abschließende Weichenstellung des BGH für die Ad-hoc-Publizität bei gestreckten Geschehensabläufen, AG 2013, 515; Ihrig/Kranz, EuGH-Entscheidung Geltl/Daimler: „Selbstbefreiung“ von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, BB 2013, 451; Jürgens/Rapp, Ad-hoc-Publizität: Ablauf und Technik, Die Bank 2/1995, 97; Kaserer/Nowak, Die Anwendung von Ereignisstudien bei Ad-hoc-Mitteilungen, ZfB 71 (2001), 1353; Kersting, Der Neue Markt der Deutsche Börse AG, AG 1997, 222; Kersting, Das Erfordernis des Gleichlaufs von Emittenten- und Anlegerinteresse als Voraussetzung für den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation, ZBB 2011, 442; Kiefner/Krämer/Happ, Ad-hoc-Publizität und Insiderrecht nach dem neuen Modul C des Emittentenleitfadens, DB 2020, 1386; Kiem/Kotthoff, Ad-hoc-Publizität bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, DB 1995, 1999; Klein, Praktische Erfahrungen eines Weltkonzerns mit Vorschriften der Ad-hoc-Publizität in Deutschland und im Ausland, in Bankrechtstag 1995: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 1996, S. 95; Kleinmann, Die Ausgestaltung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, 1998; Kleinmann, Die Wirkung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, Finanz Betrieb 1999, 254; von Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität: Zwischen europäischer Vorgabe und nationaler Umsetzung und zwischen Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht, 1999; Klöhn, Die Regelung selektiver Informationsweitergabe gem. § 15 Abs. 1 Satz 4 u. 5 WpHG – eine Belastungsprobe, WM 2010, 1869; Klöhn, Der Aufschub der Ad-hoc-Publizität wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen des Emittenten (§ 15 Abs. 3 WpHG), ZHR 198 (2014), 55; Klöhn, Kollateralschaden und Haftung wegen fehlerhafter Ad-hoc-Publizität, NZG 2015, 53; Klöhn, Ad-hoc-Publizität und Insiderverbot nach „Lafonta“, NZG 2015, 809; Klöhn, Kapitalmarktinformationshaftung für Corporate-Governance-Mängel, ZIP 2015, 1145; Klöhn, Ad-hoc-Publizität und Insiderverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, AG 2016, 423; Klöhn, Der Aufschub der Ad-hoc-Publizität zum Schutz der Finanzstabilität, ZHR 181 (2017), 746; Klöhn, Die (Ir-)Relevanz der Wissenszurechnung im neuen Recht der Ad-hoc-Publizität und des Insiderhandelsverbots, NZG 2017, 1285; Klöhn/ Schmolke, Der Aufschub der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 4 MAR zum Schutz der Unternehmensreputation, ZGR 2016, 866; Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität, DB 2005, 267; Koch, die Ad-hoc-Publizität nach dem Kommissionsentwurfs einer Marktmissbrauchsverordnung, BB 2012, 1365; Koch, Wissenszurechnung aus dem Aufsichtsrat, ZIP 2015, 1757; Koch, Beschlusserfordernis und rechtmäßiges Alternativverhalten bei der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG, in FS Köndgen, 2016, S. 329; Koch, Die Ad-hoc-Publizität: Veröffentlichungs- oder Wissensorganisationspflicht?, AG 2019, 273; Kocher, Ad-hoc-Publizität und Insiderhandel bei börsennotierten Anleihen, WM 2013, 1305; Kocher/Sebastian Schneider, Zuständigkeitsfragen im Rahmen der Ad-hoc-Publizität; ZIP 2013, 1607; Kocher/Widder, Ad-hoc-Publizität in Unternehmenskrise und Insolvenz, NZI 2010, 925; Kocher/Widder, Ad-hoc-
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Publizität bei M&A-Transaktionen, CFL 2011, 88; Köndgen, Die Ad hoc-Publizität als Prüfstein informationsrechtlicher Prinzipien, in FS Druey, 2002, S. 791; Körner, Infomatec und die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche ad hoc-Mitteilungen, NJW 2004, 3386; Kort, Die Haftung der AG nach §§ 826, 31 BGB bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen, NZG 2005, 496; Krämer/Kiefner, Ad-hoc-Publizität nach dem Final report der ESMA, AG 2016, 621; Krämer/ Teigelack, Gestaffelte Selbstbefreiungen bei gegenläufigen Insiderinformationen?, AG 2012, 20; Kraft, Das nemo tenetur-Prinzip und die sich daraus ergebenden Rechte des Beschuldigten in der polizeilichen Vernehmung, 2002; Krause, Ad-hoc-Publizität und haftungsrechtlicher Anlegerschutz, ZGR 2002, 799; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung, CCZ 2014, 248; Krause/Brellochs, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität bei M&A- und Kapitalmarkttransaktionen im europäischen Rechtsvergleich – ein Beitrag zum Begriff der Insiderinformation im kommenden EU-Marktmissbrauchsrecht, AG 2013, 309; Kremer, Kooperation des Unternehmens mit der Staatsanwaltschaft im Compliance-Bereich, in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 701; Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz? Rechtsvergleichende Überlegungen zu den „stillen Reserven“, ZHR 159 (1995), 550; Kümpel, Aktuelle Fragen der Ad hoc-Publizität, AG 1997, 66; Kumpan, Ad-hoc-Publizität nach der Marktmissbrauchsverordnung, DB 2016, 2039; Kumpan/Misterek, Haftung wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht beim Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen, AG 2022, 484; Kuntz/Rathert, Ad-hoc-Publizität – Befreiung, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 599; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Lebherz, EmittentenCompliance-Organisation zur Sicherstellung eines rechtskonformen Publizitätsverhaltens, 2008; Lebherz, Publizitätspflichten bei der Übernahme börsennotierter Unternehmen, WM 2010, 154; Leis/Nowak, Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, 2001; Lettl, Die wettbewerbswidrige Ad hoc-Mitteilung, ZGR 2003, 853; Letzel, Ad-hoc-Publizität: Änderungen durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2003, 1757; Leuering, Die Ad-hoc-Pflicht auf Grund der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 15 I 3 WpHG), NZG 2005, 12; Leuering, Behandlung zukünftiger Umstände im Recht der Ad-hoc-Publizität, DStR 2008, 1287; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, in VGR (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008, 2009, S. 171; Leuschner, Zum Kausalitätserfordernis des § 826 BGB bei unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen, ZIP 2008, 1050; Leyendecker-Langner/Kleinhenz, Emittentenhaftung für Insiderwissen im Aufsichtsrat bei fehlender Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG, AG 2015, 72; Leyens, Ad-hoc-Information der Anleger: Zwischenschritte und Compliance-Vorfälle als Insiderinformation, ZGR 2020, 256; Liekefett, Due diligence bei M&A-Transaktionen, 2005; Loistl, Empirisch fundierte Messung kursrelevanter Tatsachen, Die Bank 4/1995, S. 232; Matusche, Insider und Insidertatsachen im Wertpapierhandelsgesetz, in Herrmann/Bergen/Wackerbarth (Hrsg.), Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 100; Markworth, Marktmissbrauchsverordnung und effet utile, ZHR 183 (2019), 46; Mayer-Uellner, Kapitalmarktrechtliche Unternehmenspublizität über soziale Medien, NZG 2013, 1052; Mennicke, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei gestreckten Entscheidungsprozessen und die Notwendigkeit einer Befreiungsentscheidung des Emittenten, NZG 2009, 1059; Mennicke, Steine statt Brot – weiterhin keine Rechtssicherheit zur Ad-hoc-Publizität bei sog. gestreckten Entscheidungsprozessen, ZBB 2013, 244; Merkner/Sustmann, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden der BaFin“, NZG 2005, 729; Merkner/Sustmann, Reform des Marktmissbrauchsrechts: die Vorschläge der europäischen Kommission zur Verschärfung des Insiderrechts, AG 2012, 315; Merkner/Sustmann/ Retsch, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen Emittentenleitfaden der BaFin, AG 2019, 621; Merkner/Sustmann/Retsch, Update: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen (und nun finalen) Emittentenleitfaden der BaFin, AG 2020, 477; Merkner/Sustmann/Retsch, Das Spannungsverhältnis zwischen der kapitalmarktrechtlichen Ad-hoc-Publizitätspflicht und kartellrechtlichen Kronzeugenprogrammen, NZG 2021, 1198; Messerschmidt, Die neue Ad-hoc-Publizitätspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Ist der Aufsichtsrat damit überflüssig?, BB 2004, 2538; Mock, Berichts-, Auskunfts- und Publizitätspflichten des besonderen Vertreters, AG 2008, 839; Mock, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei der Auf- und Feststellung von Unternehmensabschlüssen, WPg 2018, 1584; Möller, Verfassungsrechtliche Überlegungen zum „nemo-tenetur“-Grundsatz und zur strafmildernden Berücksichtigung von Geständnissen, JR 2005, 324; Möllers, Anlegerschutz durch Aktien- und Kapitalmarktrecht, ZGR 1997, 334; Möllers, Das europäische Kapitalmarktrecht im Umbruch, ZBB 2003, 390; Möllers, Die unterlassene Ad-hoc-Mitteilung als sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB, WM 2003, 2393; Möllers, Wechsel von Organmitgliedern und „key playern“: Kursbeeinflussungspotential und Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, NZG 2005, 459; Möllers, Insiderinformation und Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, WM 2005, 1393; Möllers, Zur „Unverzüglichkeit“ einer Ad-hoc-Mitteilung im Kontext nationaler und europäischer Dogmatik, in FS Horn, 2006, S. 473; Möllers, Der BGH, die BaFin und der EuGH: Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, NZG 2008, 330; Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, 2003; Monheim, Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2007; Mülbert, Die Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG durch den Aufsichtsrat, in FS Stilz, 2014, S. 411; Mülbert/Sajnovits, Der Aufschub der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Internal Investigations, WM 2017, 2001 (Teil I), 2041 (Teil II); Mülbert/Sajnovits, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im anbrechenden ESGZeitalter, WM 2020, 1557; Nießen, Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Nietsch, Schadensersatzhaftung wegen Verstoßes gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BB 2005, 785; Nikoleyczik, Ad-hoc-Publizität bei zukunftsbezogenen Sachverhalten – der Fall „Schrempp“, GWR 2009, 82; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Nowak, Ad hoc-Publizität bei M&A-Transaktionen, DB 1999, 601; Nowak, Eignung von Sachverhalten in Ad-hoc-Mitteilungen zur erheblichen Kursbeeinflussung, ZBB 2001, 449; Ott, Der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“, (Zürich u.a.) 2012; Pache, Das europäische Grundrecht auf einen fairen Prozess, NVwZ 2001, 1342; Pananis, Zur Abgrenzung von Insidertatsache und ad-hoc-publizitätspflichtigem Sachverhalt bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, WM 1997, 460; Park/Wagner, Strafbare Marktmanipulation durch unterlassene Ad-hoc-Meldung trotz Vorliegens der Selbstbefreiungsvoraussetzungen gem. § 15 Abs. 3 WpHG a.F. bzw. Art. 17 Abs. 4 S. 1 MAR?, wistra 2019, 306; Parmentier, Ad-hoc-Publizität bei Börsengang und Aktienplatzierung,
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014 NZG 2007, 407; Pattberg/Bredohl, Der Vorgang der Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht, NZG 2013, 87; Pavlova, Anlassbezogene Informationspflichten der Emittenten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2008; Pellens, Adhoc-Publizitätspflicht des Managements börsennotierter Unternehmen nach § 44a BörsG, AG 1991, 62; Pellens/Fülbier, Publizitätspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, DB 1994, 1381; Pellens/Fülbier, Ad-hoc-Publizität, DBW 1995, 255; Pellens/Fülbier, Gestaltung der Ad-hoc-Publizität unter Einbeziehung internationaler Vorgehensweisen, in Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995, S. 23; Petsch, Kapitalmarktrechtliche Informationspflichten versus Geheimhaltungsinteressen des Emittenten, 2012; Pfitzer/Streib, Bestimmungen über die Unternehmenspublizität im Rahmen des Wertpapierhandelsgesetzes, BB 1995, 1947; Pirner/Lebherz, Wie nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz publiziert werden muss, AG 2007, 19; Poelzig, Insider- und Marktmanipulationsverbot im neuen Marktmissbrauchsrecht, NZG 2015, 528; Poelzig, Die Neuregelung der Offenlegungsvorschriften durch die Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 761, Pötzsch, Der Diskussionsentwurf des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, AG 1997, 193; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, 2005; Rattunde/Berner, Insolvenz einer börsennotierten Aktiengesellschaft, WM 2003, 1313; Renz/Leibold, Die neuen strafrechtlichen Sanktionsregelungen im Kapitalmarktrecht, CCZ 2016, 157; Renzenbrink/Holzner, Das Verhältnis von Kapitalerhaltung und Ad-hoc-Haftung, BKR 2002, 434; Retsch, Die Selbstbefreiung nach der Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 1201; Rickert/Heinrichs, Wissenszurechnung und Wissensorganisation im Aufsichtsrat, GWR 2017, 112; Riedel, Falsche Ad-hoc-Mitteilungen, wistra 2001, 447; Röder, Die Informationswirkung von Ad hoc-Mitteilungen, ZfB 70 (2000), 567; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 268; Rodewald-Siems, Haftung für die „frohe Botschaft“ – Rechtsfolgen falscher Adhoc-Mitteilungen, BB 2001, 2437; Rogall, die Selbstbelastungsfreiheit vor neuen Herausforderungen, in FS Werner Beulke, 2015, S. 973; Roth, Das Verhältnis zwischen verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten und dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare, ZStrR 2011, 296; Rubel, Erfüllung von WpHG-Pflichten in der Insolvenz durch Insolvenzverwalter oder Vorstand?, AG 2009, 615; Rützel, Der aktuelle Stand der Rechtsprechung zur Haftung bei Ad-hoc-Mitteilungen, AG 2003, 69; Sajnovits, Ad-hoc-Publizität und Wissenszurechnung, WM 2016, 765; Sangiovanni, Die Ad-hocPublizität im deutschen und italienischen Recht, 2003; Schander/Lucas, Die Ad-hoc-Publizität im Rahmen von Übernahmevorhaben, DB 1997, 2109; Schlitt/Mildner, Ad-hoc-Publizität Zusammenhang mit (vorläufigen) Geschäftszahlen und Prognosen, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363; Schlitt/Schäfer, Alte und neue Fragen im Zusammenhang mit 10 %Kapitalerhöhungen, AG 2005, 67; Schlittgen, Die Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, 2000; Sven H. Schneider, Befreiung des Emittenten von Wertpapieren von der Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG, BB 2001, 1214; Sven H. Schneider, Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, BB 2005, 897; Uwe H. Schneider, Ad-hoc-Publizität im Konzern, in FS Kronke, 2020, S. 1825; Uwe H. Schneider/Gilfrich, Die Entscheidung des Emittenten über die Befreiung von der Ad-hoc-Publizität, BB 2007, 53; Schockenhoff, Geheimhaltung von Compliance-Verstößen, NZG 2015, 409; Schockenhoff/Wagner, Ad-hoc-Publizität beim Aktienrückkauf, AG 1999, 548; Scholz, Ad-hoc-Publizität und Freiverkehr, NZG 2016, 1286; Sönke Schröder, Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG, 2011; Schruff/Nowak/Feinendegen, Ad-hoc-Publizitätspflicht des Jahresergebnisses gemäß § 15 WpHG: Wann muss veröffentlicht werden?, BB 2001, 719; Schürnbrand, Wissenszurechnung im Konzern – unter besonderer Berücksichtigung von Doppelmandaten, ZHR 181 (2017), 357; Schütt, Europäische Marktmissbrauchsverordnung und Individualschutz, 2019; Schumacher, Ad-hoc-Publizitätspflichten börsennotierter Fußballclubs, NZG 2001, 769; Schumacher/Schwartz/Lüke, Investor Relations Management und Ad-hoc-Publizität, 2001; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041; Schwarze, Ad-hoc-Publizität und die Problematik der Notierungsaussetzung, in Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Adhoc-Publizität, 1995, S. 97; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Schwintowski, Die Zurechnung des Wissens von Mitgliedern des Aufsichtsrats in einem oder mehreren Unternehmen, ZIP 2015, 617; Seibold, Der Fall Götze – Transfermarkt und Ad-hoc-Publizität, NZG 2013, 809; Seibt/Bremkamp, Erwerb eigener Aktien und Ad-hoc-Publizitätspflicht, AG 2008, 469; Seibt/Cziupka, Rechtspflichten und Best Practices für Vorstands- und Aufsichtsratshandeln bei der Kapitalmarktrecht-Compliance, AG 2015, 93; Seibt/Wollenschläger, Revision des Marktmissbrauchsrechts durch Marktmissbrauchsverordnung und Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Marktmanipulation, AG 2014, 593; Simon, Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, 13; Sladeczek, Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. § 15 WpHG, BuW 2000, 456; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität nach Anlegerschutzverbesserungsgesetz: rechtliche Grundlagen und ausgewählte Fragen in einem veränderten kapitalmarktrechtlichen Gewand, 2009; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Spindler/Speier, Die neue Ad-hoc-Publizität im Konzern, BB 2005, 2031; Staake, Die Vorverlagerung der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Hemmnis oder Gebot einer guten Corporate Governance?, BB 2007, 1573; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 1999; Steinrück, Das Interesse des Kapitalmarkts am Aufschub der Ad-hoc-Publizität, 2018; Strieder, Abgrenzung der Regelberichterstattung von Ad-hoc-Publizität, Finanz Betrieb 2002, 735; Struck, Ad-hocPublizitätspflicht zum Schutz der Anleger vor vermögensschädigendem Wertpapierhandel, 2003; Szesny, Finanzmarktaufsicht und Strafprozess, 2008; Szesny, § 4 Abs. 3 WpPG: Mitwirkungspflicht trotz Selbstbelastungsgefahr?, BB 2010, 1995; Teigelack, Ad-hoc-Mitteilungspflicht bei Zivilprozessen, BB 2016, 1604; Thelen, Schlechte Post in eigener Sache: Die Pflicht des Emittenten zur Ad-hoc-Mitteilung potentieller Gesetzesverstöße, ZHR 182 (2018), 66; Thomale, Wissenszurechnung im Gesellschaftsstrafrecht – deutsche Unternehmen vor französischen Strafgerichten, AG 2015, 641; Thomale, Kapitalmarktinformationshaftung ohne Vorstandswissen, NZG 2018, 1007, 1008; Thomale, Rechtsquellen des Kapitalmarktdeliktsrechts – Eine Neuvermessung, NZG 2020, 328; Thümmel, Haftung für geschönte Ad-hoc-Meldungen: Neues Risikofeld für Vorstände oder ergebnisorientierte Einzelfallrechtsprechung?, DB 2001, 2331; Thümmel, Haftung für fehlerhafte oder fehlende Regel- oder Ad-hoc-Publizität, WM 2002, 477; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 5. Aufl. 2016; Tilp/Weiss, Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Adhoc-Publizitätspflichten, WM 2016, 914; Tippach, Das Insiderhandelsverbot und die besonderen Rechtspflichten der Banken, 1995; Tollkühn, Die Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 2215; Vaupel, Zum Tatbestandsmerkmal der erheblichen Kursbeeinflussung bei der Ad hoc Publizität, WM 1999, 521; Vaupel/Oppe-
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 | Veröffentlichung von Insiderinformationen nauer, Zur Strafbarkeit eines unterlassenen, verspäteten oder verfrühten Aufschubs von der Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht, AG 2019, 502; Veil, Die Ad-hoc-Publizitätshaftung im System kapitalmarktrechtlicher Informationshaftung, ZHR 167 (2003), 365; Veil, Europäisches Insiderrecht 2.0 – Konzeption und Grundsatzfragen der Reform durch MAR und CRIM-MAD, ZBB 2014, 85; Veil/Gumpp/Templer/Voigt, Personalbezogene Ad-Hoc-Meldungen nach Art. 17 MAR – eine rechtstatsächliche und rechtsdogmatische Analyse, ZGR 2020, 2; Veith, Die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 III WpHG, NZG 2005, 254; Verse, Doppelmandate und Wissenszurechnung im Konzern, AG 2015, 413; J. Vetter/Engel/Lauterbach, Zwischenschritte als ad-hoc-veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen, AG 2019, 160; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache – Eine Untersuchung zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unter Berücksichtigung der Ad-hoc-Publizität im Vereinigten Königreich, 2002; Warmer, Börsenzulassung und Insolvenz der Aktiengesellschaft, 2009; Weisgerber, Neue Informationskultur durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1995, 19 f.; U. Weiß, Selbstbezichtigungsfreiheit und vollstreckungsrechtliche Vermögensauskunft, NJW 2014, 503; W. Weiß, Haben juristische Personen ein Aussageverweigerungsrecht?, JZ 1998, 289; W. Weiß, Der Schutz des Rechts auf Aussageverweigerung durch die EMRK, NJW 1999, 2236; Wertenbruch, Die Ad-hoc-Publizität bei der Fußball-AG, WM 2001, 193; Widder, Vorsorgliche Ad-hoc-Meldungen und vorsorgliche Selbstbefreiungen nach § 15 Abs. 3 WpHG, DB 2008, 1480; Widder, Befreiung von der Ad-hoc-Publizität ohne Selbstbefreiungsbeschluss?, BB 2009, 967; Widder, Adhoc-Publizität bei gestreckten Sachverhalten – BGH legt Auslegungsfragen dem EuGH vor, GWR 2011, 1; Widder/Bedkowski, Ad-hoc-Publizität im Vorfeld öffentlicher Übernahmen – Kritische Überlegungen zu § 15 WpHG im übernahmerechtlichen Kontext, BKR 2007, 405; Widder/Gallert, Ad-hoc-Publizität infolge der Weitergabe von Insiderinformationen – Sinn und Unsinn von § 15 I 3 WpHG, NZG 2006, 451; Wilken/Hagemann, Compliance-Verstöße und Insiderrecht, BB 2016, 67; Wilsing, Ad hoc-Information der Anleger: Zwischenschritte und Compliance-Vorfälle als Insiderinformation, ZGR 2020, 276; Wittich, Erfahrungen mit der Ad-hoc-Publizität in Deutschland, AG 1997, 1; Wittich, Übernahmen und die Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes, in v. Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 377; Wölk, Ad-hoc-Publizität – Erfahrungen aus der Sicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, AG 1997, 73; Wünsche, Kommentar zu BGH-Urt. vom 7.1.2008, II ZR 229/05 (ComROAD VI), BB 2008, 691; Wüsthoff, Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach § 131 Aktiengesetz zwischen Insider-Verboten und Ad-hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2000; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537; Zimmer, Die Selbstbefreiung: Achillesferse der Ad-hoc-Publizität?, in FS Schwark, 2009, S. 669. S. auch Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 und Art. 11 VO Nr. 596/2014 sowie das Allgemeine Schrifttumsverzeichnis. I. Regelungsgegenstand der Vorschrift . . . . . . 1. Ad-hoc-Publizität und weitere Veröffentlichungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungszweck, Schutzgut und Stellung der Ad-hoc-Publizität im System von Publizitäts- und Transparenzvorschriften . . 3. Normentwicklung und Rechtsquellen . . . . . II. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Adressat der Veröffentlichungspflicht . . . . . a) Emittent als Verpflichteter . . . . . . . . . . . . . b) Ausführung der Emittentenpflicht . . . . . . . 2. Insiderinformation mit unmittelbarem Emittentenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen im Einzelnen . . . . . . aa) Im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Insiderinformationen . . . bb) Von außen kommende Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Insiderinformationen ohne unmittelbaren Emittentenbezug . . . . . . . (2) Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug . . . . . . c) Kenntnis der Insiderinformationen und Wissenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wissen und Wissenszurechnung . . . . . bb) Zurechnung unternehmensintern vorhandenen Wissens und Wissenszurechnung im Konzern . . . . . . . . . . . cc) Zurechnung unternehmensexternen Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 7 13 18 19 19 25 30 30 35 36 40 41 45 50 50 52 60
3. Unverzügliche Veröffentlichung . . . . . . . . . . 4. Ausschluss der Veröffentlichungspflichten . . a) Spezialgesetzlicher Ausschluss . . . . . . . . . . b) Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Selbstbelastungsverbot (Nemo teneturGrundsatz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufschub der Ad-hoc-Publizität (Art. 17 Abs. 4–7, 10 und 11 VO Nr. 596/2014) . . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufschub der Veröffentlichung durch Emittenten (Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . aa) Aufschub auf eigene Verantwortung – Zuständigkeit – Zeitraum . . . . . . . . . . bb) Für alle Emittenten geltende Aufschubgründe (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . (1) Eignung zur Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Emittenten (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . (a) Kriterium und Rechtsquellen . . . . (b) Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Regelbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . (e) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Irreführung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gewährleistung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Klarstellung: Zeitlich gestreckter Vorgang (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . .
532 | Assmann
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63 70 71 72 73 76 88 88 89 89 100
101 101 105 108 120 121a 122 125 130
Veröffentlichung von Insiderinformationen | Art. 17 VO Nr. 596/2014 cc) Aufschubgrund „Wahrung der Stabilität des Finanzsystems“ für Kreditinstitute oder Finanzinstitute (Art. 17 Abs. 5 und 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . 131 dd) Die Ausnahmen vom Verbot der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahme im Falle des Aufschubs der Offenlegung nach Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 . . . . . . 134b c) Überprüfung und Wegfall der Aufschubgründe – Information der BaFin über den Aufschub (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Wegfall der Aufschubgründe . . . . . . . . 135 bb) Aufschubmitteilung an die BaFin (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 d) Wegfall einer Insiderinformation während des Aufschubs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6. Veröffentlichung von Insiderinformationen 152 a) Veröffentlichung von eingetretenen Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Anforderungen an Inhalt und Sprache der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (2) Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (3) Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174a bb) Verfahren zur Herbeiführung der Offenlegung und Art und Weise der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Vorabmitteilung an BaFin und Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (3) Medien der Veröffentlichung . . . . 185 (4) Veröffentlichung auf der Website des Emittenten (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3, Abs. 9 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (5) Komplementäre Pflichten und Verantwortlichkeiten des Emittenten . 193 b) Erneute Veröffentlichung bereits veröffentlichter, aber erheblich veränderter Insiderinformationen (Aktualisierung einer Ad-hoc-Mitteilung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Berichtigung einer Veröffentlichung von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . 202 d) Veröffentlichung bei Wegfall der Aufschubberechtigung und Mitteilung der Aufschubgründe an die BaFin (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . 207 e) Veröffentlichungspflicht bei berechtigter Weitergabe von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . 210 7. Veröffentlichungspflichten in besonderen Anwendungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nicht dem WpÜG unterfallende Anteilserwerbe (Mergers & Acquisitions) . . . . . . . c) Squeeze-out (§§ 327a ff. AktG) . . . . . . . . . d) Aktienrückkauf nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und Aktienrückkaufprogramme . . . . e) Außerordentliche Erträge oder Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.
III.
1. 2. 3.
4.
211 211 218 222 224 227
IV.
f) Wechsel von Organmitgliedern und Personen in Schlüsselpositionen . . . . . . . . . . . . . 228 g) Informationen über Organmitglieder sowie über strafbare Handlungen und Ordnungswidrigkeiten des Emittenten und im Emittentenunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 h) Verwaltungs- und Gerichtsverfahren . . . . . 237 i) Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 33 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 j) Eigengeschäfte von Führungskräften („Managers' Transactions“ – Art. 19 VO Nr. 596/2014, § 111c AktG) . . . . . . . . . . . . 243 k) Enforcement-Verfahren (§§ 106 ff. WpHG) 244 Veröffentlichungspflichten von Kredit- und Finanzinstituten in Zusammenhang mit bankaufsichtlichem Handeln und bei Abwicklung 253a a) Aufsichtsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . 253b b) Sanierungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253c c) Maßnahmen der Bankenaufsicht . . . . . . . . 253e aa) Vorfeldmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 253f bb) Präventive Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 253h cc) Maßnahmen bei Verletzung aufsichtlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253i dd) Frühinterventionsmaßnahmen . . . . . . 253j d) Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253k aa) Erstellung eines Abwicklungsplans . . . 253l bb) Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 253m cc) Feststellung der Bestandsgefährdung . . 253n dd) Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253o ee) Erlass einer Abwicklungsanordnung . . 253p ff) Unternehmensveräußerung im Rahmen einer Abwicklungsanordnung . . . . . . . 253q e) Aufschub der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . 253r Pflicht von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Adressat der Veröffentlichungspflicht (Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) 255 Offenzulegende Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Sätze 1 und 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Aufschub der Offenlegung (Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Voraussetzungen des Aufschubs . . . . . . . . . 261 b) Wegfall des Aufschubs und Offenlegung der Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . 267 Veröffentlichung von Insiderinformationen . 270 a) Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Veröffentlichung nach Aufschub (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 7 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Aktualisierung und Berichtigung von Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 d) Veröffentlichungspflicht bei berechtigter Weitergabe von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . 284 Veröffentlichungspflicht bei berechtigter Weitergabe von Insiderinformationen gegenüber Dritten (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) 285
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 1 | Veröffentlichung von Insiderinformationen V. Ermächtigungen der Kommission und der ESMA (Art. 17 Abs. 3, 10 und 11 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 VI. Verstöße und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 298 1. Strafbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298a 2. Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Erfasste Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Verantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
3. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung von Organmitgliedern . . . . . . . . . 4. Fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung als Wettbewerbshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwaltungsrechtliche Folgen und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
307 307 312 313 314
I. Regelungsgegenstand der Vorschrift 1. Ad-hoc-Publizität und weitere Veröffentlichungstatbestände 1 Art. 17 VO Nr. 596/2014 hat die Veröffentlichung von Insiderinformationen durch den Emittenten zum
Gegenstand. Der Kern der Vorschrift ist in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 in nur wenigen Worten beschrieben: Ein Emittent hat der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich bekannt zu geben. Nicht minder knapp und prägnant beschreibt Erwägungsgrund 49 VO Nr. 596/2014 Sinn und Zweck sowie den Regelungsgehalt von Art. 17 VO Nr. 596/2014: „Die öffentliche Bekanntgabe von Insiderinformationen durch Emittenten ist von wesentlicher Bedeutung, um Insidergeschäften und der Irreführung von Anlegern vorzubeugen. Die Emittenten [werden] daher verpflichtet ..., der Öffentlichkeit Insiderinformationen so bald wie möglich bekanntzugeben. Diese Verpflichtung kann jedoch unter besonderen Umständen den berechtigten Interessen des Emittenten abträglich sein. Unter solchen Umständen [ist] eine aufgeschobene Offenlegung erlaubt ..., vorausgesetzt, eine Irreführung der Öffentlichkeit durch den Aufschub ist unwahrscheinlich und der Emittent kann die Geheimhaltung der Informationen gewährleisten. Der Emittent ist nur verpflichtet, Insiderinformationen offenzulegen, wenn er die Zulassung des Finanzinstruments zum Handel beantragt oder genehmigt hat.“
2 Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 stimmt im Wesentlichen mit dem überein, was zuvor in § 15
Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. geregelt war und spätestens seit der Einführung dieser Bestimmung durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz im Jahre 19941 zur Umsetzung der Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte2 als Ad-hoc-Publizität bezeichnet wurde und auch weiterhin als solche bezeichnet werden darf. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 weitgehend wortgleich, lautete § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG (a.F.) in seiner letzten die Ad-hoc-Publizitätspflicht regelnden Fassung: „Ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen“. Der weitgehend gleiche Wortlaut Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 und § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. einerseits sowie der Umstand, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. der Umsetzung der EU-Richtlinien zum Insiderrecht diente, deren Grundgedanke auch mit der Marktmissbrauchsverordnung weiterverfolgt wird, andererseits, erlauben und verlangen zugleich eine Kontinuität in der Anwendung der Rechtsgrundsätze zur Ad-hoc-Publizität3. Diese hat allerdings auch ihre Grenzen, denn Art. 17 VO Nr. 596/2014, die zu dieser Bestimmung auf Level 2 und Level 3 der europäischen Rechtssetzung ergangenen Regelungen, der auf diese Vorschriften bezogene § 26 WpHG und die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeigeverordnung – WpAV) unterscheiden sich hinsichtlich zahlreicher Details nicht unerheblich von den Vorschriften von § 15 WpHG a.F. und der u.a. für dessen Anwendung maßgeblichen Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) a.F. 1 BGBl. I 1994, 1749. Zur Ad-hoc-Publizität, wie sie im Zuge der Umsetzung der Börsenzulassungsrichtlinie 79/ 279/EWG vom 5.3.1979 (ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21) durch die Börsengesetznovelle 1986 (Börsenzulassungs-Gesetz vom 16.12.1986, BGBl. I 1986, 2478) zunächst in § 44a BörsG a.F. geregelt war, sowie zur Weiterentwicklung der Ad-hoc-Publizität nach ihrer Überführung in § 15 WpHG (a.F.), namentlich zu ihrer Neugestaltung im Zuge der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 (ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16) und der zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70) durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630), s. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 1 ff., 8 ff. (Normentwicklung § 15 WpHG a.F.), 20 ff. (Entwicklung der Ad-hoc-Publizität). Ebd. auch zur Stellung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG a.F. im System der Kapitalmarktpublizität. 2 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 3 Zur Übertragbarkeit der „bisherigen Überlegungen zu § 15 WpHG a.F. ... auf Art. 17 MAR“ auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 494; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 134; Kumpan, DB 2016, 2039; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 8.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 7 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Auch wenn die Voraussetzungen zur unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation vorliegen, kann 3 die Pflicht zur Veröffentlichung unter den Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 88 ff.) aufgeschoben werden oder aus gesetzlichen oder rechtlichen Gründen entfallen (dazu Rz. 70 ff.).
Über die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 hinaus enthält Art. 17 VO 4 Nr. 596/2014 – auch darin § 15 WpHG a.F. vergleichbar4 – zwei weitere Offenlegungstatbestände, die sich allerdings als Annex zu Ersterer darstellen: (1) Wenn die Offenlegung von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben wurde und die Vertraulichkeit der dieser Insiderinformationen nicht mehr gewährleistet ist, muss der Emittent die Öffentlichkeit nach Art. 17 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 so schnell wie möglich über diese Informationen informieren. (2) Legt ein Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder eine in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Person im Zuge der normalen Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder der normalen Erfüllung ihrer Aufgaben gem. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 Insiderinformationen gegenüber einem Dritten offen, so muss er diese Informationen nach Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vollständig und wirksam veröffentlichen: bei absichtlicher Offenlegung zeitgleich mit derselben und im Fall einer nicht absichtlichen Offenlegung unverzüglich nach deren Entdeckung. Diese Offenlegungspflicht entfällt nach Art. 17 Abs. 8 Satz 2 VO Nr. 596/ 2014 in beiden Varianten allerdings dann, wenn die Person, die die Informationen erhält, zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt. Auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 erlaubt keine freiwillige Ad-hoc-Publizität5: sei es, indem ein Emittent die 5 Veröffentlichung von Informationen, die keine Insiderinformationen sind, als Ad-hoc-Meldung tituliert, oder sei es, dass ein nicht der Ad-hoc-Publizität unterliegender Emittent Veröffentlichungen im Stile von Ad-hoc-Mitteilungen vornimmt. Eine Ad-hoc-Mitteilung darf vielmehr nur dann veröffentlicht werden, wenn einer der in Rz. 1 und Rz. 4 angeführten Veröffentlichungstatbestände erfüllt ist und eine Pflicht zur Veröffentlichung der Insiderinformation besteht. Die Veröffentlichung dieser Insiderinformation muss vom Emittenten als Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 2 DurchfVO 2016/1055 (Rz. 16), § 3a WpAV und § 26 Abs. 1 WpHG vorgenommen werden (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 51). Zum Veröffentlichungsverfahren s. Rz. 175 ff.). Veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilungen waren gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG a.F. nach Inkrafttreten des 6 WpPG zum 1.7.2015 und der Aufhebung der Vorschrift zum 1.7.20126 in ein sog. Jährliches Dokument aufzunehmen, das dem Publikum nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG a.F. zur Verfügung zu stellen und nach § 10 Abs. 2 WpPG a.F. bei der BaFin zu hinterlegen war. Die Vorschrift, die auf europarechtliche Vorgaben zurückging, ist auch unter dem Regelungsregime der Marktmissbrauchsverordnung nicht wiederbelebt worden.
2. Regelungszweck, Schutzgut und Stellung der Ad-hoc-Publizität im System von Publizitäts- und Transparenzvorschriften Wenn der an früherer Stelle (Rz. 1) zitierte Erwägungsgrund 49 VO Nr. 596/2014 die Bedeutung von Art. 17 7 VO Nr. 596/2014 vor allem darin sieht, Insidergeschäften und der Irreführung von Anlegern vorzubeugen, so bringt dies den Zweck der Ad-hoc-Publizität als insiderrechtliche Präventivmaßnahme zum Ausdruck, der ihre Bedeutung als Publizitätsinstrument im Gefüge der kapitalmarktrechtlichen Publizitäts- und Transparenzpflichten7 zur Seite steht. Der Ad-hoc-Publizität kommt damit auch unter der VO Nr. 596/2014 eine Doppelfunktion als Publizitäts- und Präventionsinstrument zu8: 4 Über die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität in § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WpHG a.F. hinaus, musste nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. derjenige, der als Emittent oder als eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht, die Information zeitgleich veröffentlichen, es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Des Weiteren verpflichtete § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. den Emittenten oder die Person, die einem anderen befugtermaßen, aber unwissentlich eine Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht hat, die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen. Näher Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 40. 5 Zu § 15 WpHG a.F. s. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 40. 6 Art. 1 Nr. 11 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 26.6.2012, BGBl. I 2012, 1375, 1378. 7 Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 3 ff. 8 Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 3; Gansmeier, S. 12; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 6 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 14 ff.; Kuntz/Rathert in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 599, 606; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht,
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 8 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 8 Als insiderrechtliche Präventivmaßnahme soll die Ad-hoc-Publizität verhindern, dass die mit den publizi-
tätspflichtigen Sachverhalten vertrauten Insider missbräuchliche Vorteile aus ihrem Informationsvorsprung ziehen können9. Die unverzügliche Veröffentlichung der publizitätspflichtigen Insiderinformation entzieht dem Insiderhandel den Boden. Mit der Publizierung werden die kursrelevanten Sachverhalte öffentlich bekannt und verlieren dadurch ihre Rechtsqualität als Insiderinformationen. Darüber hinaus soll die Ad-hocPublizität verhindern, dass das Anlegerpublikum irregeführt wird und Finanzinstrumente zu Kursen kauft oder verkauft, welche die publizitätspflichtigen Sachverhalte nicht widerspiegeln. Aufgrund der mit dem 4. FFG vom 21.6.200210 neu in das WpHG eingefügten und fortgeltenden §§ 37b und 37c WpHG a.F. (heute §§ 97 bzw. 98 WpHG), denen zufolge unterlassene, verspätete oder unwahre Ad-hoc-Veröffentlichungen schadensersatzpflichtig machen, ist die Funktion der Ad-hoc-Publizität, mit den Insiderhandelsverboten (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 29) zur informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer11 beizutragen, erheblich aufgewertet worden.
9 Als Publizitätsinstrument ergänzt die Ad-hoc-Publizität die Regelpublizität von Emittenten und steht
selbstständig neben derselben12. Vor der Regelung in Art. 17 VO Nr. 596/2014 noch direkt im Anschluss an die Insiderhandelsverbote nach § 14 WpHG a.F. geregelt und den insiderhandelspräventiven Charakter der Ad-hoc-Publizität herausstellend, ist diese in der Marktmissbrauchsverordnung in einem eigenen Kapitel über Offenlegungsvorschriften platziert und unterstreicht dadurch die Rolle der Ad-hoc-Publizität als Publizitätsinstrument. Heute ist es – anders als noch bei Einführung der Ad-hoc-Publizität zunächst in § 44a BörsG a.F. und dann in § 15 WpHG a.F.13 – im Hinblick auf die Ergänzungsfunktion der Ad-hoc-Publizität selbstverständlich, dass „Ereignisse, die im Rahmen der Regelpublizität darzustellen sind, ... unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor der Veröffentlichung im Rahmen der Regelpublizität der in § 15 WpHG [a.F.] geregelten Ad-hoc-Publizität unterliegen“14. Dementsprechend kann mit der Veröffentlichung von Informationen, die – wie etwa Informationen über Geschäftsergebnisse – auch Gegenstand der Regelpublizität sind, nicht bis zum nächsten Regelpublizitätstermin gewartet werden, wenn es sich um Informationen handelt, die für sich genommen nicht öffentlich bekannt und kurserheblich und damit ad-hoc-publizitätspflichtig sind15. Im Rahmen der Ad-hoc-Publizität ist dann allerdings „lediglich die Insiderinformation, also die Information, welcher erhebliches Preisbeeinflussungspotential zukommt, zu veröffentlichen, nicht jedoch der gesamte Jahresabschluss, Quartals- oder Zwischenbericht“16. Umgekehrt steht außer Frage, dass die Regelpublizität die Ad-hoc-Publizität nicht ersetzen kann17.
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Rz. 12.331, 12.336 (Prävention) und 12.333 f. („tragende Säule kapitalmarktrechtlicher Publizität“). Zur Ad-hocPublizität unter § 15 WpHG a.F. s. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 7. Ausführlich Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 7 und v.a. Rz. 32 ff. und Vor § 12 WpHG Rz. 38 f.; Kübler/ Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, S. 487. Zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 459, 461; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 488; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 133; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 16. BGBl. I 2002, 2010. Im Gegensatz zur Gewährleistung von Chancengleichheit durch Beseitigung von Informationsvorsprüngen (als Element der Insiderhandelsprävention) wurde dies auch als „positiver“ Schutz der Chancengleichheit der Anleger verstanden. S. Hopt, ZHR 159 (1995), 147; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 5; Pananis, WM 1997, 460 ff. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.6 S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 55. Ausführlich dazu Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 1 f. und v.a. Rz. 35 ff.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 460; Veil in Veil, Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 19; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 15, 22; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.333; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 10. I.E. auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 38 („Ad-hoc-Publizität und Regelpublizität stehen in Idealkonkurrenz zueinander, das heißt, sie verdrängen einander nicht“). Dazu Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 35 f. Bekanntmachung des seinerzeitigen BAWe zum Verhältnis von Regelpublizität und Ad-hoc-Publizität vom 9.7.1996, BAnz. v. 19.7.1996, S. 8167. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.6 S. 35 (Geschäftsergebnis und Geschäftsvorfälle, „sofern es sich um Insiderinformationen handelt, [lösen] schon vor der Veröffentlichung im Rahmen der Regelpublizität die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus“); Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 5. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.6 S. 35 („Daher lösen Geschäftsvorfälle, sofern es sich um Insiderinformationen handelt, schon vor der Veröffentlichung im Rahmen der Regelpublizität die Ad-hoc-Publizitätspflicht aus. Gleiches gilt für Geschäftsergebnisse“); Cahn/Götz, AG 2007, 221, 222; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 450; Hirte, S. 51 (Pflicht zur „‚Vorab‘-Mitteilung“); Kümpel, AG 1997, 66, 70; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 324; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 8; Wölk, AG 1997, 73, 76. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 55 (Hervorhebung im Eingangszitat hinzugefügt). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.6 S. 35.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 11 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Auch gegenüber anderen „Pflichten zur Kapitalmarkttransparenz bzw. -kommunikation (z.B. Mitteilung 10 bedeutender Stimmrechtsveränderungen, Publizitätsvorschriften nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz oder dem Wertpapierprospektgesetz, Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang mit Aktienrückkaufprogrammen, Transparenzvorschriften hinsichtlich der Erhebung einer Anfechtungsklage)“ hat die Ad-hoc-Publizität Vorrang18, es sei denn, in den fraglichen Vorschriften – wie etwa in § 10 Abs. 6 WpÜG19 im Hinblick auf die Pflicht zur Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Wertpapiererwerbs- oder Übernahmeangebots20 – ist ein anderes bestimmt. Der der Umsetzung der übernahmerechlichen Publizitätspflichten nach der Übernahmerichtlinie dienende § 10 Abs. 6 WpÜG ist keine Bereichsausnahme21 zu Art. 17 VO Nr. 596/2014, sondern eine den Besonderheiten von Wertpapiererwerbsangeboten – speziell von Übernahmeangeboten – geschuldete Sonderregelung in Bezug auf die Veröffentlichung der Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Wertpapiererwerbsangebots. Europarechtlich fundiert, stellt sie keinen deutschen, von Art. 17 VO Nr. 596/2014 verdrängten Sonderweg dar22. Auch die BaFin sieht in § 10 Abs. 6 WpÜG eine Ausnahme von der Regel, dass die eingangs dieser Randzahl angeführten Pflichten zur Kapitalmarkttransparenz und -kommunikation keine Transparenzvorschriften darstellen, die gegenüber der Ad-hoc-Publizität vorrangig sind oder diese gar ersetzen23: Ein Emittent, der seine Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots oder die Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft im Wege des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 4 WpÜG veröffentliche, müsse danach keine zusätzliche gleichlautende Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen. Dabei entfällt die Veröffentlichung der Insiderinformation nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 allerdings lediglich in dem Umfang, in dem die Veröffentlichung nach § 10 WpÜG vorgenommen wurde24. Nicht von § 10 Abs. 6 WpÜG erfasst sind auch die Vorgänge im Vorfeld der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots oder Kontrollerwerbs, die, wenn sie Insiderinformationen darstellen, ad-hoc-publizitätspflichtig sind. In diesem Fall kommt aber der Aufschub der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 in Betracht. Da Adressat der Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 6, § 35 Abs. 1 Satz 4 WpÜG allein der Bieter ist, finden diese Vorschriften auf die Zielgesellschaft keine Anwendung25, d.h. diese muss im Hinblick auf alle Informationen, die sie um die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots erhält, prüfen, inwieweit diese für sie ad-hoc-veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen darstellen. In beiderlei Hinsicht – Ad-hoc-Publizität sowohl als Publizitäts- als auch als Präventionsinstrument (Rz. 7) 11 – ist Normzweck der Ad-hoc-Publizität nicht der Schutz der Individualinteressen der Anleger, sondern ausschließlich die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Daran hat sich weder im Zuge der Entwicklung der Ad-hoc-Publizität unter § 15 WpHG a.F.26 noch in Bezug auf Art. 17 VO Nr. 596/201427
18 Zu § 15 WpHG a.F. s. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 38 f. Zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 134. 19 § 10 Abs. 6 WpÜG – in ihrer auf Art. 16 Abs. 6 Nr. 1 Erstes Finanzmarktförderungsgesetz vom 30.6.2016, BGBl. I 2016, 1514, zum Zwecke der Anpassung der Vorschrift an die VO Nr. 596/2014 zurückgehenden Fassung – bestimmt, dass Art. 17 VO Nr. 596/2014 „nicht für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebots“ gilt. 20 Im Ausgangspunkt zu § 15 WpHG a.F. unstreitig. Die Vielzahl von Fällen, in denen sich die Frage stellt, inwieweit die Ad-hoc-Publizität neben oder ergänzend zu den im WpÜG geregelten Informationspflichten tritt, wird von dieser Vorschrift allerdings nicht berührt. So vertreten etwa der RegE zum WpÜG (BT-Drucks. 14/7034, 40) und die h.M. – Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 615; Hirte in KölnKomm. WpÜG, § 10 WpÜG Rz. 102; Wackerbarth in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2021, Bd. 6, § 10 WpÜG Rz. 83; Walz in Haarmann/Schüppen, FrankfurtKomm. WpÜG, § 10 WpÜG Rz. 62 – die Ansicht, dass Eckdaten eines beabsichtigten Angebots, welche in einer Veröffentlichung nach § 10 WpÜG nicht aufgeführt werden müssen (weil sie in diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht feststehen) und auch tatsächlich nicht aufgeführt wurden, „bei ihrem Vorliegen nach § 15 WpHG [a.F.] zu veröffentlichen“ seien. Näher hierzu Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 83. 21 So aber Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 5: „Aufgrund des Vorrangs des Europarechts geht der Ausschluss gem. § 10 Abs. 6 WpÜG freilich ins Leere ... Der deutsche Gesetzgeber kann ohne europarechtliche Opt-out-Möglichkeit keine Bereichsausnahme von einer EU-Verordnung schaffen. Art. 17 wird daher nicht durch §§ 10 Abs. 6, 35 Abs. 2 WpÜG verdrängt“. 22 Zum Verhältnis von Art. 10 Abs. 6 WpÜG und Art. 17 VO Nr. 596/2014 ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 155. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 5: „Verhältnis ungeklärt“: Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 13. 23 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.5 S. 35. Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 55. 24 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.5 S. 35. 25 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.5 S. 35. 26 Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 28. 27 Streitig ist weiter allein, ob es bei der Ad-hoc-Publizität als Publizitäts- und Präventionsinstrument (Rz. 7) allein um die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts geht und ob Individualschutz lediglich ein Reflex der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts darstellt und auf die Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformationen nach §§ 97 und 98 WpHG beschränkt ist. Zum Zweck der Ad-hoc-Publizität als In-
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 11 | Veröffentlichung von Insiderinformationen etwas geändert. Wie § 15 WpHG a.F.28 dient auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 nur dem Schutz des „Vertrauen [s] der Öffentlichkeit in die Märkte“ (etwa Erwägungsgrund 2, 32, 44 VO Nr. 596/2014) und des „Vertrauens der Investoren“ (etwa Erwägungsgrund 23, 24 VO Nr. 596/2014) – synonym Vertrauen der Marktteilnehmer (Erwägungsgrund 58 VO Nr. 596/2014) oder Anleger (etwa Erwägungsgrund 55 VO Nr. 596/2014) und damit des Anlegerpublikums als Gesamtheit der potentiellen Anleger29. Gegenstand der Marktmissbrauchsverordnung ist es nach ausdrücklicher Bestimmung des Art. 1 VO Nr. 596/2014, „die Integrität der Finanzmärkte in der Union sicherzustellen und den Anlegerschutz und das Vertrauen der Anleger in diese Märkte zu stärken“. Deshalb handelte bzw. handelt es sich bei § 15 WpHG a.F. – woran sich auch im Hinblick auf Art. 17 VO Nr. 596/2014 nichts geändert hat – um kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (näher Rz. 308). Schutzgut dieser Vorschriften war bzw. ist, anders lassen sich die vorstehenden Äußerungen nicht deuten, allein die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts30. Wo ein individueller Anlegerschutz gewollt ist, ist dieser weiterhin Gegenstand spezieller mitgliedstaatlicher Vorschriften in Umsetzung entsprechenden Gemeinschaftssekundärrechts, wie in Deutschland der §§ 97 und 98 WpHG. Schon von daher kann auch ein Versäumnis der BaFin als zuständige Behörde zur Überwachung der Einhaltung der Adhoc-Publizität keine Amtspflichtverletzung i.S.d. § 839 BGB darstellen, die geeignet wäre, eine Staatshaftung zu begründen (Art. 34 GG). Darüber hinaus nimmt die BaFin die ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr (§ 4 Abs. 4 FinDAG). 12 Nicht zum Normzweck des Art. 17 VO Nr. 596/2014 gehört das Interesse der Aktionäre des Emittenten,
aufgrund der Veröffentlichung von Insiderinformationen Compliance-Kontrolle ausüben zu können31. Wäre dem so, wäre es unverständlich, warum nur kurserhebliche Insiderinformationen und nicht alle einem Emittenten nachteilige Compliance-Verstöße zu veröffentlichen wären. Der Versuch, die die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 um einen solchen Schutzgegenstand anzureichern, zielt vor allem auf eine Einschränkung von Geheimhaltungsinteressen von Emittenten und eine zweckwidrige Einschränkung des Rechts zum Aufschub von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014.
3. Normentwicklung und Rechtsquellen 13 Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 und Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 beruhen auf einer im ABl. EU Nr. L 287
v. 21.10.2016, S. 320, 323 vorgenommenen Berichtigung. Dabei wurde die Formulierung in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 „Die Emittenten stellen sicher, dass die Insiderinformationen in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, schnell auf sie zuzugreifen, falls vorhanden, und sie vollständig, korrekt und rechtzeitig zu bewerten, und dass sie in dem amtlich bestellten System ...“ durch die Formulierung „Die Emittenten stellen sicher, dass die Insiderinformationen in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, schnell auf sie zuzugreifen und sie vollständig, korrekt und rechtzeitig zu bewerten, und dass sie gegebenenfalls in dem amtlich bestellten System ...“ ersetzt. In
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strument der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 2; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, S. 487; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.335. Ebenso etwa Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 459; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 3 („nach überzeugender Auffassung ... nicht primär auf das individuelle Anlegerinteresse, sondern auf den Kapitalmarkt in toto gerichtet“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 133; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 5 („Marktschutz“); Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 14 ff. Für diese Vorschrift kam dies schon in den Gesetzesmaterialien zu ihrer Erstfassung zum Ausdruck, namentlich im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum 2. FFG, demzufolge die Ad-hoc-Publizität dazu beitragen solle, dass sich keine unangemessenen Marktpreise infolge mangelhafter oder fehlender Information bildeten und die für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte notwendige Markttransparenz hergestellt werde. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, 102. Ebenso etwa Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.249; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 53 ff.; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 6, 135. Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 390; Klöhn in Klöhn, Vor Art. 17 MAR Rz. 35 ff., Art. 17 MAR Rz. 5. Nach Hopt/ Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 168, bezweckt Art. 17 VO Nr. 596/2014 auch den Individualschutz. Zu § 15 WpHG a.F. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, 245. So aber inbesondere Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 101 („Compliance-Dimension“ der Ad-hocPublizität), 200 („verbesserte Kontrolle des Vorstands“), 202 („Aufdeckung von Missmanagement und Treupflichtverstößen“); Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 13; Klöhn, ZHR 198 (2014), 55, 68 ff., 79 f. Ablehnend wie hier Fietz, S. 30; Gansmeier, S. 13; Grigoleit in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 78 AktG Rz. 49; Habersack in FS 25 Jahre WpHG, S. 217, 226; Koch, AG 2019, 273, 278 ff.; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 2.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 17 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 traten an die Stelle der Worte „beantragt oder erhalten haben,“ die Worte „beantragt oder genehmigt haben“. Dieser Berichtigung folgend, wurden in ABl. EU Nr. L 348 v. 21.12.2016, S. 83, 84/85 weitere Berichtungen 14 vorgenommen, die Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 betrafen: Zum einen wurde Unterabs. 1 dahingehend berichtigt, dass die Formulierung „Emittenten geben der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die unmittelbar den diesen Emittenten betreffen, so bald wie möglich bekannt“ durch die Formulierung „Ein Emittent gibt der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die unmittelbar diesen Emittenten betreffen, unverzüglich bekannt“ ersetzt wurde32. Zum anderen trat an die Stelle der Formulierung des Unterabs. 2 „Die Emittenten stellen sicher, dass die Insiderinformationen in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die es der Öffentlichkeit ermöglicht, schnell auf sie zuzugreifen und sie vollständig, korrekt und rechtzeitig zu bewerten, und dass sie gegebenenfalls in dem amtlich bestellten System gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ... veröffentlicht werden. Die Emittenten dürfen die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung ihrer Tätigkeiten verbinden. Die Emittenten veröffentlichen alle Insiderinformationen, die sie der Öffentlichkeit mitteilen müssen, auf ihrer Website und zeigen sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren an.“ die Formulierung „Der Emittent stellt sicher, dass die Insiderinformationen in einer Art und Weise veröffentlicht werden, die der Öffentlichkeit einen schnellen Zugang und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung ermöglicht, und dass sie gegebenenfalls in dem amtlich bestellten System gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates veröffentlicht werden. Der Emittent darf die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten verbinden. Der Emittent veröffentlicht alle Insiderinformationen, die er der Öffentlichkeit mitteilen muss, auf seiner Website und zeigt sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren an.“ Durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2019/2115 vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten33 wurde Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 4 angefügt.
Zahlreiche Bestimmung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 bauen auf solchen der Marktmissbrauchsrichtlinie 15 2003/6/EG auf34: Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 entspricht Art. 6 Abs. 1 und (in seinem Unterabs. 3) Art. 9 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG. Art. 17 Abs. 4, 17 Abs. 8 und 17 Abs. 10 VO Nr. 596/ 2014 entsprechen Art. 6 Abs. 2, Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 und 2 bzw. Art. 6 Abs. 10 Spiegelstriche 1 und 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003. Der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 2 und 3 VO Nr. 596/2014 folgend, ist die Delegierte Verordnung (EU) 16 2016/522 der Kommission vom 17.12.201535 zur Ergänzung der Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick u.a. auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Schwellenwerte für die Offenlegung sowie die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, ergangen. Der Text der Delegierten Verordnung ist nach dem Text von Art. 17 VO Nr. 596/2014, in den für die Anwendung dieser Vorschrift einschlägigen Teilen wiedergegeben. Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 sicherzustellen, hat die Kommission aufgrund der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 die Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 vom 29.6.201636 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards hinsichtlich der technischen Mittel für die angemessene Bekanntgabe von Insiderinformationen und für den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen erlassen. Der Text der Durchführungsverordnung ist nach demjenigen von Art. 17 VO Nr. 596/2014 und dem Text der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 wiedergegeben. Die Vorschriften sowohl der Delegierten Verordnung wie der Durchführungsverordnung werden im Folgenden, ohne weitere Angabe von deren Fundstelle, unter Nennung der Verordnungsnummer zitiert. Bei der Anwendung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 sowie der zu dieser Vorschrift ergangenen Delegierten Ver- 17 ordnung und der Durchführungsverordnung (Rz. 16) sind die MAR-Leitlinien der ESMA zum Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen vom 20.10.201637 und die FAQs – Frequently Asked Questions – der 32 Die ursprüngliche Fassung war eine wörtliche Übersetzung des englischen Texts (Hervorhebung hinzugefügt) „An issuer shall inform the public as soon as possible of inside information which directly concerns that issuer“. Sie entsprach der Formulierung in Art. 6 Abs. 1 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16): „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben“. 33 ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1. 34 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. S. dazu die Entsprechungstabelle in Anhang II der RL 2003/6/EG vom 28.1.2003. 35 ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1. 36 ABl. EU Nr. L 173 v. 30.6.2016, S. 47. 37 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 | Veröffentlichung von Insiderinformationen BaFin zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Stand 31.1.201938) zu beachten. Die ESMA-Leitlinien enthalten, entsprechend dem Auftrag in Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014, eine nicht abschließende indikative Liste der in Art. 17 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten berechtigten Interessen des Emittenten und von Fällen, in denen die Aufschiebung der Offenlegung von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 4 lit. b VO Nr. 596/2014 geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen. Die Leitlinien sind, was ihre Einordnung in die Rechtsquellen angeht, ungeachtet der Erwähnung ihrer Geltung „für zuständige Behörden und Emittenten“ in den Leitlinien39, nicht mehr als die zuständigen Behörden40 bindende41, aber für die Gerichte unverbindliche Regeln (s. schon Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 75). Entsprechendes gilt für die FAQ-Dokumente der BaFin in Gestalt von „Art. 17 MAR – Veröffentlichung von Insiderinformationen (FAQs)“ und von „Adhoc-Publizität: Fragen und Antworten zu Veröffentlichungen von Insiderinformationen zu Emissionszertifikaten“ (Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 37 und Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 – Schrifttum). 17a Am 7.12.2022 hat die Europäische Kommission den Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer Verordnung
u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014)42 – nebst Anhängen vorgelegt (Einl. Rz. 51). Mit dieser Gesetzesinitiative sollen die Vorschriften über die Börsenzulassung und die Zulassungsfolgepflichten vereinfacht werden, um die öffentlichen Kapitalmärkte für EU-Unternehmen attraktiver zu machen und KMU den Kapitalzugang zu erleichtern (näher Einl. Rz. 51). Dazu sind nicht nur Änderungen der EU-Prospektverordnung zur Erleichterung der Prospekterstellung vorgesehen, sondern auch solche der Marktmissbrauchsverordnung im Hinblick auf den (dem Insiderhandelsrecht nach Art. 7–11, 14 VO Nr. 596/2014 zugrunde liegenden) Insiderbegriff nach Art. 7 VO Nr. 596/2014 und die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/ 2014. Die Vorschläge zur Änderung des Publizitätsregimes der Marktmissbrauchsverordnung im Besonderen bezwecken, die Kosten desselben für Emittenten zu reduzieren, es für Investoren verlässlicher zu gestalten und effektivere Preisinformationen hervorzubringen43. Auf die nach dem Verordnungsvorschlag zu erwartenden Änderungen des Art. 17 VO Nr. 596/2014 wird in den nachfolgenden Erläuterungen hingewiesen. Im Einzelnen sind folgende Änderungsvorschläge hervorzuheben: – Eine der für die Ad-hoc-Publizität von Insiderinformationen folgenreiche Änderung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 bestünde in derjenigen von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 in Gestalt der Hinzufügung eines neuen Satzes 2. Dieser sieht vor, dass die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sich nicht auf Zwischenschritte in einem gestaffelten Entscheidungsvorgang erstreckt, wenn diese der Herbeiführung einer Reihe von Umständen oder Ereignissen dienen (s. Rz. 31a). Dementsprechend entfiele der bisherige Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 über die Befreiung von der Offenlegung zeitlich gestreckter Vorgänge. – Ein vorgeschlagener neuer Art. 17 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 soll die Kommission ermächtigen, im Wege eines Delegierten Rechtsaktes eine nicht erschöpfende Liste potenziell veröffentlichungspflichtiger Insiderinformationen („relevant information“) zu erstellen und in Bezug auf jede dieser Informationen darzulegen, in welchem Zeitpunkt erwartet werden kann, dass der Emittent sie offenlegt („the moment when the issuer can be reasonably expected to disclose it“); s. Rz. 34a. – Vorgeschlagen wird des Weiteren ein neuer Art. 17 Abs. 1b VO Nr. 596/2014, der sicherstellen soll, dass die Insiderinformation bis zu Ihrer Veröffentlichung vertraulich bleibt und im Falle einer Vertraulichkeitslücke unverzüglich veröffentlicht wird; s. Rz. 34a.
38 BaFin, Art. 17 MAR (FAQs). 39 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 3 Rz. 1 (Hervorhebung hinzugefügt). 40 Mit Schreiben vom 6.12.2016 (WA 27-Wp 2001-2016/0058), abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/ Veroeffentlichungen/DE/Anlage/161205_Aufschub_Insiderinformationen_ESMA.html, hat die BaFin der ESMA – entsprechend ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nach Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 2 VO Nr. 1095/2010 (Rz. 1) – mitgeteilt, diesen Leitlinien nachzukommen. 41 Art. 16 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 1095/2010 (Rz. 1) lautet: „Um innerhalb des ESFS kohärente, effiziente und wirksame Aufsichtspraktiken zu schaffen und eine gemeinsame, einheitliche und kohärente Anwendung des Unionsrechts sicherzustellen, gibt die Behörde Leitlinien und Empfehlungen für die zuständigen Behörden und die Finanzmarktteilnehmer heraus.“ 42 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, Brussels, 7.12.2022, COM(2022) 762 final, 2022/0411 (COD), abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b213de69-770d11ed-9887-01aa75ed71a1.0001.02/DOC_1&format=PDF. 43 Verordnungsvorschlag (vorherige Fn.), S. 7: „Jointly, these amendments seek to make the MAR disclosure regime less costly to comply with by issuers, more predictable from the investors’ point of view and more conducive to effective price formation“.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 20 Art. 17 VO Nr. 596/2014
– Mit der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 sollen die Voraussetzungen verdeutlicht werden, unter denen ein Emittent die Veröffentlichung einer Insiderinformation hinauszögern kann. Dazu wird der bisherige Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 durch eine Liste von Anforderungen an die Insiderinformation ergänzt, deren Veröffentlichung hinausgezögert werden soll. Schließlich stellt der als Unterabs. 2 neugefasste bisherige Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/ 2014 neue Anforderungen zur zeitgerechten Unterrichtung der nationalen Aufsichtsbehörde über die Hinausschiebung der Veröffentlichung einer Insiderinformation. S. Rz. 100a, 124a, 130a und 149a. – Weitere Vorschläge betreffen Änderungen der in Art. 17 Abs. 5 (s. Rz. 134a), Abs. 7 Unterabs. 2 (s. Rz. 138 a.E.) und Abs. 11 (s. Rz. 297 a.E.) VO Nr. 596/2014 enthaltenen Regelung von Sonderfällen einer Ad-hocVeröffentlichung.
II. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 muss ein Emittent der Öffentlichkeit Insiderinformatio- 18 nen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich bekanntgeben. Zur entsprechenden Pflicht von Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 254 ff.
1. Adressat der Veröffentlichungspflicht a) Emittent als Verpflichteter Ad-hoc-publizitätspflichtig ist nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nur ein Emittent von Fi- 19 nanzinstrumenten und nicht das Geschäftsführungsorgan, seine Mitglieder oder einzelne seiner Mitglieder44. Ein Emittent ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 – unbeschadet der hierauf aufbauenden Konkretisierung in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 – eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, die Finanzinstrumente emittiert oder deren Emission vorschlägt, wobei der Emittent im Fall von Hinterlegungsscheinen, die Finanzinstrumente repräsentieren, der Emittent des repräsentierten Finanzinstruments ist. Können Emittenten nur juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sein, scheiden Personen(handels)gesellschaften als Emittenten aus45. Ein Finanzinstrument im Sinne dieser Vorschrift ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 ein Finanzinstrument i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (MiFID II)46. Diese Vorschrift verweist zur Bestimmung des Begriffs „Finanzinstrumente“ ihrerseits auf die in Anhang I Abschnitt C der vorgenannten Richtlinie angeführten und in Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff. wiedergegebenen Instrumente, und umfassen vor allem übertragbare Wertpapiere (wie Aktien, Aktienzertifikate, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine), Geldmarktinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen, Optionen, Terminkontrakte (Futures) und Termingeschäfte (Forwards) sowie Emissionszertifikate, für die sich in Art. 17 Abs. 2 und 4 VO Nr. 596/2014 Sondervorschriften zur Ad-hoc-Publizität finden. Schon aus der Bestimmung des Anwendungsbereichs der Marktmissbrauchsverordnung in Art. 2 Abs. 1 VO 20 Nr. 596/2014 ergibt sich, dass sich diese nur auf Finanzinstrumente bezieht, für die ein Markt vorhanden ist. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 spezifiziert dies für den Anwendungsbereich der Ad-hocPublizität nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 (Alt. 1) VO Nr. 596/2014 dahingehend, dass diese nur Emittenten trifft, die entweder für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat beantragt oder genehmigt haben, oder – im Falle von Instrumenten, die ausschließlich auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden – für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten oder für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben. Im Hinblick auf die Zulassung von Finanzinstru44 Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 4, 14; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 48; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 58, 60; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 30. 45 Kumpan, DB 2016, 2039; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.11; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 22. A.A. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 32, 160. 46 ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 349.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 | Veröffentlichung von Insiderinformationen menten zum Handel an einem geregelten Markt kommt neben einem Zulassungsantrag des Emittenten selbst auch der Antrag eines Dritten in Frage, den der Emittent veranlasst oder den er nachträglich genehmigt hat. Dabei muss die Genehmigung über die bloße Kenntnisnahme der Zulassung zum Handel hinausgehen und ist nur dann gegeben, wenn der Emittent dem Handel wissentlich und willentlich zugestimmt hat47. In Bezug auf Finanzinstrumente, die allein auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, reicht nur im Falle der geplanten Zulassung zu einem multilateralen Handelssystem der Antrag auf Zulassung aus; im Falle des geplanten Handels von Finanzinstrumenten in einem organisierten Handelssystem setzt eine Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten erst mit der Zulassung zum Handel ein. Nach alledem bestimmt sich der Normadressat der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 allein danach, auf welchem Markt in der EU die von ihm emittierten Finanzinstrumente zugelassen sind oder gegebenenfalls eine Zulassung beantragt ist48. Darin weicht die Vorschrift vom bisher geltenden Herkunftslandsprinzip49 ab, in dessen Umsetzung in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. nur ein „Inlandsemittent“ – d.h. ein Emittent, für den (nach den fortgeltenden Vorschriften von § 2 Abs. 13 und 14 WpHG) „die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat“ war50 – der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität unterlag. 21 Geregelter Markt i.S.v. Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014 ein
geregelter Markt i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 RL 2014/65/EU (Rz. 19), d.h. ein von einem Marktbetreiber i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/2014 „betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie eine Zulassung erhalten hat und ordnungsgemäß und gemäß Titel III dieser Richtlinie funktioniert“. Zu Einzelheiten s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 f. In Deutschland finden sich geregelte Märkte nur in Form der regulierten Märkte der Börsen, die mehrere Marktsegmente (Teilbereiche des regulierten Markts, § 42 BörsG) aufweisen können. Von Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 werden allerdings nur solche Emittenten erfasst, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat selbst beantragt oder die Beantragung durch Dritte genehmigt haben (Rz. 20).
22 Ein multilaterales Handelssystem i.S.v. Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO
Nr. 596/2014 ein multilaterales Handelssystem (auch Multilateral Trading Facility – MTF) i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 22 RL 2014/65/EU (Rz. 19) und – dieser Bestimmung entsprechend – § 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG, d.h. ein von einer Wertpapierfirma i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 VO Nr. 596/2014 oder einem Marktbetreiber i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 5 VO Nr. 596/2014 betriebenes „multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt“. Näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 15. In Deutschland stellt der zumeist an einer Börse eingerichtete Freiverkehr ein multilaterales Handelssystem dar. Anders als bisher51, unterliegen damit auch Emittenten, deren Finanzinstrumente ausschließlich im Freiverkehr gehandelt werden oder die einen Antrag auf Zulassung zum (Einbeziehung in den) Freiverkehr gestellt haben (Rz. 20), der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/201452.
23 Ein organisiertes Handelssystem (auch Organised Trading Facility – OTF) i.S.v. Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/
2014 ist nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 ein System oder eine Fazilität in der Union i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 RL 2014/65/EU (Rz. 19), d.h. „ein multilaterales System, bei dem es sich nicht um einen geregelten Markt [Rz. 21] oder ein MTF [Rz. 22] handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf 47 Entsprechend heißt es in Erwägungsgrund 49 Satz 5 VO Nr. 596/2014: „Der Emittent ist nur verpflichtet, Insiderinformationen offenzulegen, wenn er die Zulassung des Finanzinstruments zum Handel beantragt oder genehmigt hat“; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.1 S. 26; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.339. 48 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 493 („unabhängig vom Sitz, allein auf Grund der Zulassung der von ihm emittierten Effekten“). 49 Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 42 f. 50 Zur Anknüpfung der Ad-hoc-Publizität an den Begriff des Inlandsemittenten und zu dessen Bestimmung s. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 44 ff. 51 Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. i.V.m. § 2 Abs. 7 i.V.m. Abs. 6 WpHG a.F. beschränkte sich die Ad-hoc-Publizität auf die Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handeln an einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG zugelassen waren, weshalb der keinen organisierten Markt darstellende Freiverkehr i.S.v. § 48 BörsG nicht erfasst wurde. Einer Ad-hoc-Publizitätspflicht unterlagen in den Freiverkehr einbezogene Unternehmen allenfalls kraft entsprechenden Regelwerks des Trägers des an der jeweiligen Börse eingerichteten Freiverkehrs. S. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 43, 46. 52 Etwa Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 410; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 137.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 25 Art. 17 VO Nr. 596/2014
und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems in einer Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag gemäß Titel II dieser Richtlinie führt“. Näher Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 17. Die Bestimmung des Art. 17 VO Nr. 596/2014 kennt keine die Ad-hoc-Publizität in Konzernen betreffende 24 Konzernklausel53, wie sie noch die Definition des Primärinsiders in § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. in seiner ursprünglichen, durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (AnSVG)54 geänderten Fassung, zumindest ansatzweise kannte und die bestimmte Konzernunternehmen aufgrund ihrer bloßen Konzernzugehörigkeit einer Ad-hoc-Publizitätspflicht unterwerfen würde. Das bedeutet, dass jedes Konzernunternehmen auch im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität als rechtlich selbstständiges Unternehmen zu betrachten ist, das nur dann der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unterliegt, wenn es selbst Emittent und als solcher von der Insiderinformation unmittelbar betroffen ist55. Daran fehlt es etwa bei der Konzernmuttergesellschaft, die keine Emittentin i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014 ist, wenn sie über Insiderinformationen verfügt, die eine börsennotierte Tochtergesellschaft betreffen56. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Konzernunternehmen, das kein Emittent i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014 ist, Wertpapiere anbietet, die Rechte zum Bezug von im Inland börsenzugelassenen Wertpapieren eines anderen Konzernunternehmens mit Emittenteneigenschaft gewähren; Emittent der Papiere, deren Bezug dadurch ermöglicht wird, ist allein das an dem inländischen organisierten Markt notierte Unternehmen57. Zur Frage, wann Insiderinformationen Konzernunternehmen i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 unmittelbar betreffen, s. Rz. 49. b) Ausführung der Emittentenpflicht Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 25 trifft den Emittenten. Wahrzunehmen hat sie, „da es sich um eine Leitungsaufgabe“58 handelt, dessen Vorstand59. Für ihre ordnungsgemäße Erfüllung haftet der Vorstand ordnungswidrigkeitsrechtlich nach § 9 OWiG bzw. subsidiär nach § 130 OWiG (Rz. 304) und zivilrechtlich nach § 93 Abs. 2 AktG (Rz. 312) gegenüber der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat ist zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht befugt60, hat allerdings, wenn zu erkennen ist, dass die Offenlegung durch den Vorstand bereits hätte erfolgen müssen, auf die Pflichterfüllung durch den Vorstand hinzuwirken61. Zur Diskussion um Veröffentlichungspflichten des Aufsichtsrats s. Rz. 57 und zur Entscheidungsbefugnis desselben über den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 89 ff. Entsteht die Insiderinformation an einer Stelle des Unternehmens, „die nicht berechtigt ist, über die Veröffentlichung zu entscheiden, muss durch die unternehmensinterne Organisation sichergestellt sein, dass die Information unverzüglich der entscheidungsberechtigten Stelle zur Kenntnis gebracht und auf ihre Ad-hoc-Pflicht geprüft wird“62. Fehlt es hieran, begründet dies jedoch keine Verletzung der Pflicht zur Offenlegung einer Insiderinformation nach Art. 17 VO Nr. 596/2014, sondern stellt eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 AktG dar. Ein offenes inländisches 53 Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 58; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 151; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 29; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 411; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 7; Uwe H. Schneider in FS Kronke, S. 1825, 1827: „Es gibt kein Konzernprivileg für die Ad-hoc-Publizität“; Waldhausen, S. 172, 197. 54 BGBl. I 2004, 2630. 55 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 138; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 411; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 59; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 34 f. 56 Assmann in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.43; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 151; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 350; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 9. Zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, § 86 Rz. 135; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 34, 70. 57 Vgl. Assmann in Lutter/Scheffler/Uwe H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.43; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 91. 58 So – also nicht nur „Geschäftsführungsaufgabe“ – die Einordnung durch die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.6 S. 33, was zwangsläufig auch für den Aufschub der Offenlegung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 und5 VO Nr. 596/2014 sowie die Delegation dieser Aufgaben Konsequenzen haben muss (Leitungsaufgaben sind nicht delegierbar; unstr., s. etwa Koch, § 76 AktG Rz. 8), welche die BaFin aber nicht konsequent zieht, s. Rz. 92. 59 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.6 S. 33; Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 AktG Rz. 55, 65 (m.w.N.); Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 60; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 31. 60 Etwa Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 AktG Rz. 65; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 155; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 31. 61 Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 116 AktG Rz. 54. 62 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.6 S. 33.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 25 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Sondervermögen kann nach § 91 Abs. 1 KAGB als Investmentaktiengesellschaft (mit veränderlichem Kapital) i.S.v. § 108 Abs. 1 und 2 KAGB oder als Sondervermögen i.S.v. Art. 1 Abs. 10 KAGB betrieben werden. Ist Letzteres der Fall, hat die das Sondervermögen verwaltende Kapitalverwaltungsgesellschaft i.S.v. Art. 17 KAGB die Offenlegungspflicht des Sondervermögens nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 wahrzunehmen63. 26 Die Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen endet nicht mit der Insolvenz des
Emittenten64. Sie besteht vielmehr als vom Vorstand zu erfüllende Pflicht des Emittenten fort, wobei der Insolvenzverwalter den Vorstand nach § 24 WpHG zu unterstützen65 und v.a. die zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen hat66. Streng genommen endet die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht einmal mit der Einstellung der Notierung der im regulierten Markt zugelassenen Finanzinstrumente des Emittenten, weil – wie sich aus § 39 Abs. 1 BörsG ergibt – die Einstellung der Notierung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG nicht mit der Beendigung der Zulassung der Finanzinstrumente zum Börsenhandel nach § 39 BörsG gleichzusetzen ist, die fraglichen Instrumente also nach wie vor zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind. Dem ist allerdings nicht zu folgen67, weil die Einstellung der Notierung im regulierten Markt nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG eine endgültige und – anders als die bloße Aussetzung des Handels nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG – nicht nur zeitweilige Beendigung der Notierung sowie des Börsenhandels darstellt und die Geschäftsführung der Börse nach § 39 Abs. 1 Alt. 1 BörsG gleichzeitig zum Widerruf der Zulassung ermächtigt. Auch wenn die Geschäftsführung von ihrem diesbezüglichen Ermessen noch keinen Gebrauch gemacht hat, setzt die (zum Widerruf der Zulassung berechtigende) Einstellung der Notierung doch voraus, dass ein ordnungsgemäßer Börsenhandel mit den fraglichen Instrumenten nicht mehr gewährleistet ist. Bereits mit der Einstellung der Notierung und nicht erst mit dem Widerruf der Zulassung der fraglichen Instrumente wird dem Publikum unmissverständlich vor Augen geführt, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines Börsenpreises für die fraglichen Papiere und damit auch ein wesentlicher Bezugspunkt zur Ermittlung der Kurserheblichkeit einer Insiderinformation entfallen sind, kurz: dass die Emittentenpapiere keine Insiderpapiere mehr darstellen. 27 Ebenso wenig wie der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Inlandsemittenten zum Adressaten der Adhoc-Publizität wird, wird es auch der nach § 147 Abs. 2 AktG von der Hauptversammlung oder einem nach § 14 AktG zuständigen Gericht auf Antrag von Aktionären zur Geltendmachung der in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft bestellte besondere Vertreter68. Mit seiner Bestellung wird der besondere Vertreter zwar gesetzlicher Vertreter und damit Organ der Gesellschaft, doch beschränken sich seine Aufgaben und Rechte auf die Geltendmachung der Ersatzansprüche und nur in diesem Aufgabenbereich verdrängt er die anderen Vertretungsorgane und namentlich den Vorstand69. Die Pflicht des Emittenten aus Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 wird damit durch die Bestellung eines besonderen Vertreters ebenso wenig berührt wie die Pflicht des Vorstands, für Erfüllung der Emittentenpflicht zu sorgen. 63 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.6 S. 33. 64 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.5 S. 32; von Buttlar, BB 2010, 1355, 1355; Geibel/Schäfer in Schäfer/ Hamann, § 15 WpHG Rz. 30; Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1399; Hirte, ZInsO 2006, 1289, 1292; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 62; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 4, 14; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 77, 157; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 265 f.; Rattunde/Berner, WM 2003, 1313, 1314; Rubel, AG 2009, 615, 616; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 29; Warmer, S. 101 ff.; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 20. 65 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.5 S. 32; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 62. Im Ausgangspunkt ebenso Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 32, doch soll der Insolvenzverwalter für die Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen zuständig sein, wenn diese einen Massebezug aufweisen. Zur Auseinandersetzung vor der Einfügung des § 11 WpHG a.F. über die Verpflichtung des Insolvenzverwalters durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10 – heute § 24 WpHG – s. Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1408 f.; Hirte, ZInsO 2006, 1289, 1295 ff.; Mock in Uhlenbruck, 14. Aufl. 2015, § 80 InsO Rz. 38; Rattunde/Berner, WM 2003, 1313, 1315 ff.; Warmer, S. 100 f. A.A. von Buttlar, BB 2010, 1355, 1356: „keine abschließende Zuständigkeitsverteilung“; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 267 ff. (Pflicht des Insolvenzverwalters). 66 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.5 S. 32. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 62; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 157 f.; Veil in Veil, Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 37; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 32. 67 Ebenso Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 30. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 61; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 77. 68 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 60; Kocher/Sebastian Schneider, ZIP 2013, 1607, 1612; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 156; i.E. auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 33. A.A. Mock, AG 2008, 839, 847 f. 69 S. statt vieler Koch, § 147 AktG Rz. 23; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 147 AktG Rz. 23. Zur Organstellung des besonderen Vertreters schon BGH v. 18.12.1980 – II ZR 140/79, AG 1981, 223; LG München v. 6.9.2007 – 5HK O 12570/07, AG 2007, 756, 757.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 31 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es um Insiderinformationen geht, welche im Zusammenhang 28 mit der Geltendmachung der Ersatzansprüche durch den besonderen Vertreter entstehen und von denen der besondere Vertreter auch oder gar ausschließlich Kenntnis erlangt. In beiden Fällen ist es zur Geltendmachung der Ersatzansprüche nicht erforderlich, dass die Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen von dem besonderen Vertreter statt von dem Vorstand des Emittenten vorgenommen wird. Selbst wenn man mit der überwiegenden Ansicht eine Auskunfts- und Berichtspflicht des besonderen Vertreters gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Gesellschaft im Hinblick auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Ansprüche ablehnen wollte70, würde dies den besonderen Vertreter doch nicht hindern, die fragliche Information zum Zwecke ihrer Veröffentlichung oder der Prüfung der Voraussetzungen einer verzögerten Veröffentlichung an den Vorstand weiterzugeben. Eine solche Weitergabe entspräche einer gesetzlichen Pflicht des besonderen Vertreters, wäre zudem unerlässlich, um die Veröffentlichung durch den Emittenten herbeizuführen und träfe zudem auf Adressaten, die ihrerseits einer besonderen gesetzlichen Vertraulichkeitspflicht und den haftungsbewehrten Insiderhandelsverboten des Art. 14 VO Nr. 596/2014 unterliegen71. Dessen ungeachtet ist es in der Sache auch nur der Vorstand und nicht der besondere Vertreter, der die Verhältnisse des Emittenten so kennt, dass er umfassend und verlässlich prüfen kann, ob ein Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 in Betracht kommt. Eine Gefahr für die Geltendmachung der Ersatzansprüche kann sich damit nicht verbinden: zum einen wegen der vorstehend angeführten Pflichten des Vorstands im Umgang mit der Information und zum anderen, weil den Betroffenen die Information im Falle ihrer unverzüglichen Veröffentlichung durch den besonderen Vertreter ohnehin zeitnah bekannt würde. Im Übrigen ist die Situation dem Fall der gesetzlichen Vertretung des Emittenten durch den Aufsichtsrat 29 (etwa § 111 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 112, § 246 Abs. 2 Satz 2, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG) vergleichbar72. Auch dieser erlangt durch die Wahrnehmung seiner Aufgabe nicht eine ausschließliche Annexkompetenz und -pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen, die etwa dann entstehen können, wenn der Aufsichtsrat über die Wahrnehmung seiner Aufgabe einen Beschluss fasst73.
2. Insiderinformation mit unmittelbarem Emittentenbezug a) Regel Die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität setzt eine Insiderinformation voraus. Unter welchen Vorausset- 30 zungen eine Information eine Insiderinformation darstellt, ist Art. 7 VO Nr. 596/2014 zu entnehmen. Doch muss ein Emittent nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht jede Insiderinformation, die er besitzt, veröffentlichen, sondern nur eine solche, die ihn unmittelbar betrifft. Der Begriff der Insiderinformation ist damit für Art. 17 VO Nr. 596/2014 kein anderer als der in Art. 7 VO Nr. 596/2014 umschriebene und für die Insiderhandelsverbote nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 geltende74. Vielmehr schränkt Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 lediglich den Kreis von Insiderinformationen ein, die ein Emittent ad hoc zu veröffentlichen hat (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 73). Durch das Erfordernis des unmittelbaren Emittentenbezugs der zu veröffentlichenden Information wird eine Universalzuständigkeit von Emittenten – d.h. eines jeden Emittenten – zur Veröffentlichung von Insiderinformationen über Emittenten oder die von ihnen emittierten Finanzinstrumente vermieden. Darüber hinaus wird damit dem Emittenten ein Vorrang im Umgang mit ihn betreffenden Insiderinformationen eingeräumt, der etwa gem. Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 das Recht umfasst, die Veröffentlichung solcher Insiderinformationen aufzuschieben. Einschränkungen der Pflicht von Emittenten zur Ad-hoc-Veröffentlichung von Insiderinformationen fanden 31 sich im europäischen und angeglichenen mitgliedstaatlichen Insiderrecht von Anfang an. Die EG-Insider70 LG München v. 6.9.2007 – 5HK O 12570/07, AG 2007, 756, 760. H.M., s. etwa, jeweils m.w.N., Kling, ZGR 2009, 190, 219; Koch in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2022, § 147 AktG Rz. 36; Mock, AG 2008, 839 ff.; Spindler in K. Schmidt/Lutter, § 147 AktG Rz. 28. 71 Noch zu §§ 14 und 15 WpHG a.F. anders Mock, AG 2008, 839, 848, der seine Ansicht „nicht zuletzt“ auf die fehlende Auskunfts- und Berichtspflicht des besonderen Vertreters stützt. 72 S. etwa Koch, § 112 AktG Rz. 2 f. Soweit ein besonderer Vertreter für die Verfolgung von Ersatzansprüchen bestellt worden ist (§ 147 Abs. 2 AktG), liegt allerdings die Vertretungszuständigkeit allein bei ihm. 73 Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 124/125. S. auch Rz. 96; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 31. 74 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 63; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.17; Veil, ZBB 2014, 85, 93; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 35.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 | Veröffentlichung von Insiderinformationen richtlinie vom 13.11.198975 umsetzend, waren nach der ursprünglichen Fassung von § 15 WpHG (a.F.) nur Tatsachen ad-hoc-publizitätspflichtig, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten und nicht öffentlich bekannt waren, vorausgesetzt sie waren wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, zu beeinträchtigen. Diese Anforderungen an eine ad-hocpublizitätspflichtige Tatsache hatte vor allem zur Folge, dass nicht jede emittenten- und wertpapierbezogene Insiderinformation auch der Ad-hoc-Publizität unterlag und der Begriff der ad-hoc-publizitätspflichtigen Tatsache erheblich enger war als derjenige der Insidertatsache76. Dieses Defizit wurde mit der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 15) und der zu dieser ergangenen Durchführungsrechtsakte77 behoben. Mit der Umsetzung der Richtlinien in deutsches Recht durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (Rz. 24) schränkte § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. die Ad-hoc-Publizitätspflicht eines Emittenten von da an auf solche Insiderinformationen ein, die ihn selbst unmittelbar betrafen. Diese Beschränkung hat Art. 17 VO Nr. 596/2014 übernommen, weshalb zu deren Anwendung weitgehend auf die Grundsätze zurückgegriffen werden kann, die sich zu diesem Merkmal unter § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. herausgebildet hatten. 31a Eine veritable Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zur Ver-
öffentlichung von Insiderinformationen brächte allerdings der am 7.12.2022 von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag des sog. Listing Act – d.h. einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014), s. Rz. 17a – mit sich. Die Ergänzung von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 um einen Satz 2 hätte zur Folge, dass Zwischenschritte auf dem Weg zur Herbeiführung eines zukünftigen Ereignisses oder zukünftiger Umstände („intermediate steps in a protracted process“) nicht mehr ad hoc zu veröffentlichen wären (näher dazu schon Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 59a). Die vorgeschlagene Änderung von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 lautet gem. Art. 2 Abs. 38 des Verordnungsvorschlags (Rz. 17a): „An issuer shall inform the public as soon as possible of inside information which directly concerns that issuer. That requirement shall not apply to intermediate steps in a protracted process as referred to in Article 7(2) and (3) where those steps are connected with bringing about a set of circumstances or an event.“ Zur Begründung wird im Verordnungsvorschlag angeführt, zum einen seien Informationen über Zwischenschritte eines gestaffelten Vorgangs („intermediate steps of a protracted process“) zu vorläufig und nicht ausgereift genug, um als Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 veröffentlicht zu werden („too preliminary and hence not mature enough for disclosure“)78, und zum anderen verursache das bisherige Regelungsregime betreffend Zwischenschritte nicht nur hohe Kosten bei der Prüfung einer Publikationspflicht nach Art. 17 VO Nr. 596/2014, sondern sei auch geeignet, im Falle einer zu frühen Veröffentlichung von Zwischenschrittsinformationen Investoren irrezuführen79.
32 Unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass eine Insiderinformation einen Emittenten un-
mittelbar betrifft, ist in Art. 17 VO Nr. 596/2014 nicht näher geregelt. Dagegen bestimmte § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F., eine Insiderinformation betreffe den Emittenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände beziehe, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sei. Fraglos und ganz unabhängig von dieser Vorschrift ist davon auszugehen, dass dies auch unter Art. 17 VO Nr. 596/2014 der Fall ist80. Da § 15 75 Richtlinie des Rates vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 76 Dazu Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 51 und ausführlich 3. Aufl., Rz. 36. 77 S. dazu Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 11. Im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung: Richtlinie 2003/ 124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG (Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen [...]), ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 78 Verordnungsvorchlag (Rz. 17a), S. 7. 79 Verordnungsvorchlag (Rz. 17a), S. 5: „As a consequence, issuers incur high compliance costs to understand which steps of a protracted process may constitute inside information and when a certain piece of information is mature enough to be disclosed … Too early disclosure of information could mislead investors and trigger action on his/ her part that could prove to be suboptimal in hindsight (e.g., divesting the stock too soon or not divesting soon enough), thus increasing the opportunity cost for investors.“ 80 Implizit BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C,I.1.2.2.2. S. 33. Für die Fortgeltung der unter dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze auch Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 494, 498 ff.; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 140; Kumpan, DB 2016, 2039, 2041; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 54; Veil, ZBB 2014, 85, 93.
546 | Assmann
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 34a Art. 17 VO Nr. 596/2014
Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. aber nur ein Regelbeispiel für eine Insiderinformation mit unmittelbarem Emittentenbezug anführt, stand81 und steht aber ebenso außer Zweifel, dass auch Insiderinformationen, die nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind und mithin von außen kommen, einen Emittenten unmittelbar betreffen können82. Insiderinformationen, die sich auf die von einem Emittenten begebenen Finanzinstrumente beziehen, muss 33 der Emittent ebenfalls nur dann ad hoc veröffentlichen, wenn diese Informationen ihn unmittelbar betreffen83. Erforderlich ist mithin, dass Insiderinformationen über Finanzinstrumente „außerdem den Emittenten selbst und nicht nur die von ihm emittierten Finanzinstrumente betreffen“84. Ein solcher Emittentenbezug fehlt, wenn es um Insiderinformationen über Finanzinstrumente geht, welche für den Emittenten nur dadurch von Bedeutung sind, dass sie die Marktverhältnisse für die Emission oder den Handel solcher Finanzinstrumente beeinflussen. Das ist etwa der Fall, wenn der Emittent nicht öffentlich bekannte Informationen über die Veränderung der Besteuerung bestimmter Finanzinstrumente oder über Aufträge Dritter erhält, die von ihm emittierte Finanzinstrumente betreffen. Außer Frage stand dagegen schon immer, dass im Falle derivativer Finanzinstrumente – d.h. von Instrumenten, deren Preis sich unmittelbar oder mittelbar auf andere Finanzinstrumente bezieht (Art. 7 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014, § 2 Abs. 3 WpHG) – der Emittent dieser Instrumente nur zur Veröffentlichung derjenigen Insiderinformationen verpflichtet, die ihn selbst betreffen, und nicht etwa auch solcher Insiderinformationen, die sich lediglich auf den Basiswert („underlying“) – d.h. das Finanzinstrument, auf das sich das fragliche derivative Instrument bezieht – oder auf dessen Emittenten beziehen85. Umgekehrt ist nach den Ausführungen der BaFin der Emittent einer Aktie oder Anleihe nicht unmittelbar von solchen Insiderinformationen betroffen, „die keine erhebliche Reaktion des Aktien- oder Anleihekurses erwarten lassen, auch wenn eine solche Reaktion bei einzelnen, von Dritten emittierten Derivaten, die auf diese Aktien oder Anleihen bezogen sind, gegeben ist“86.
Veröffentlichen kann der Emittent eine ihn unmittelbar betreffende Insiderinformation nur dann, wenn sie 34 ihm bekannt ist (zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 als „Wissensnorm“ s. Rz. 51). Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn der auch zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht tätig werdende Vorstand bzw. einzelne Mitglieder desselben (Rz. 25) Kenntnis der Insiderinformation haben. Wie anderes Wissen auch, so ist dem Emittenten nach den Art. 17 VO Nr. 596/2014 angepassten Grundsätzen der Wissenszurechnung an juristische Personen unter bestimmten Voraussetzungen aber auch das Wissen der Mitglieder anderer Organe und Mitarbeiter zurechenbar (s. Rz. 52 ff.). Ist eine dem Vorstand eines Emittenten nicht bekannte, aber dem Emittentenwissen zurechenbare Insiderinformation nicht veröffentlicht worden, so hat dies zur Folge, dass der Emittent gegen seine Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verstieß und er darüber hinaus nach Maßgabe von § 97 und § 98 WpHG zum Schadensersatz verpflichtet ist. Die über die Zurechnung von Vorstandswissen hinausgehende Wissenszurechnung ist in Bezug auf die Erfüllung der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht unbedenklich, entspricht aber ganz herrschender Ansicht, die das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Kenntnis des Emittenten von einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformationen als Bestandteil der Pflicht des Emittenten zur unverzüglichen Veröffentlichung der Insiderinformationen ansieht. Näher hierzu bei Rz. 50. Im Zusammenhang mit den Änderungen, die der Kommissionsvorschlag einer Verordnung u.a. zur Ände- 34a rung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) in Bezug auf die nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 81 Schon RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, 35; Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 55. 82 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 140; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 55. Zu § 15 Abs. 1 WpHG Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 55, 63 ff. 83 Soweit die in den Vorauflagen zu § 15 WpHG – zuletzt 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 56 – vertretene Ansicht, auch Insiderinformationen über Finanzinstrumente des Emittenten, die diese nicht nur als reine Marktinformationen betreffen, könnten einen Emittentenbezug aufweisen, dahingehend verstanden werden können, damit sei der unmittelbare Emittentenbezug solcher Informationen entbehrlich oder per se gegeben, wird diese in vorstehendem Sinne konkretisiert. 84 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.1.2.2.2 S. 33. So auch schon Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 88; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 59; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 161; Sönke Schröder, S. 72 f.; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 50; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 58, 76 („Bezug gerade zum Emittenten“ erforderlich); Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 34. 85 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 34. Schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 57; Eichner, S. 102; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 178. i.E. wohl ebenso Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 504. 86 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 34. Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 479, sehen darin eine zu begrüßende Klarstellung.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 34a | Veröffentlichung von Insiderinformationen 596/2014 zu veröffentlichende Insiderinformation vorsieht (s. Rz. 17a), wird auch eine Ergänzung des Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 um neue Absätze 1a und 1b vorgeschlagen. Zu den mit diesen verbundenen Neuregelungen s. Rz. 17a Spiegelstriche 2 und 3. b) Den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen im Einzelnen 35 Zur Beantwortung der Frage, welche Insiderinformationen den Emittenten unmittelbar betreffen, bietet sich
auch unter Art. 17 VO Nr. 596/2014 die Unterscheidung zwischen Insiderinformationen an, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretenen sind und solchen, die von außen kommen. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil die Ersteren – darin ist den zu § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 3 WpHG a.F. entwickelten Grundsätzen zu folgen – den Emittenten stets unmittelbar betreffen. Gleichwohl sind begriffliche Anstrengungen zur trennscharfen Abgrenzung der im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretenen von den von außen kommenden Insiderinformationen müßig. Sie waren es schon unter § 15 WpHG a.F., da auch dieser im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Insiderinformationen in § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. nur als Regelbeispiel für den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformationen aufführte (Rz. 32), und sie ist es erst unter Art. 17 VO Nr. 596/2014, da dieser kein vorstehender Bestimmung entsprechendes Regelbeispiel enthält. Insiderinformationen, von denen sich nicht eindeutig sagen lässt, ob sie im Tätigkeitbereich des Emittenten eingetreten sind, sind dann daraufhin zu überprüfen, ob sie, als von außen kommend, den Emittenten unmittelbar betreffen. Unerheblich ist im Übrigen, ob ein innerer oder von außen kommender Vorgang den in- oder ausländischen Tätigkeitsbereich des Emittenten unmittelbar betrifft87. aa) Im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Insiderinformationen
36 Zu den klassischen Vorgängen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind, zählen die Maß-
nahmen der Geschäftsführung und die Akte anderer Organe des Emittenten, gleich ob sie im räumlichbetrieblichen Bereich des Unternehmens oder außerhalb desselben vorgenommen wurden. Dazu zählen etwa Beschlüsse des Vorstands jedweder Art88, dessen Entscheidung, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zur Durchführung eines Rückkaufprogramms Gebrauch zu machen89, Vertragsabschlüsse durch ein Vorstandsmitglied oder einen Bevollmächtigten des Unternehmens, der Beschluss des Aufsichtsrats zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds, die Billigung oder Ablehnung eines zustimmungspflichtigen Geschäfts durch den Aufsichtsrat, dessen Feststellung des Jahresabschlusses usw. Auch die (Feststellung der) Fehlerhaftigkeit einer Pressemeldung ist – Kurserheblichkeit der diesbezüglichen Information vorausgesetzt – eine im Unternehmensbereich eingetretene Insiderinformation, die im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung zu berichtigen ist90. Darüber hinaus können auch bloße Absichten, Pläne oder Vorhaben des Vorstands eine Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht auslösen, wenn sie die übrigen Voraussetzung einer Insiderinformation erfüllen (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 ff.).
37 Spätestens seit der Geltl-Entscheidung des EuGH vom 28.6.201291 steht außer Frage, dass auch nicht abge-
schlossene unternehmensinterne Entwicklungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse der Ad-hoc-Publizität unterliegen. Das bedeutet vor allem, dass jede einzelne Stufe eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses Gegenstand einer vom Emittenten ad hoc zu publizierenden Insiderinformation sein kann (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 ff.). Bei zukunftsbezogenen Informationen die hinreichende Wahrscheinlichkeit zum Eintritt derselben (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 56 ff.) sowie im Übrigen und bei Informationen über eingetretene Tatsachen auf jeder Entscheidungsstufe die Kurserheblichkeit92 der jeweiligen Information unterstellt, kann so schon der schiere Plan des Vorstands eine der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterworfene Insiderinformation darstellen (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20 ff. und Rz. 52). Will der Emittent die mit einer solch frühzeitigen Information verbundenen Nachteile vermeiden, ist er auf den Weg des Aufschubs der Veröffent-
87 So schon zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 451; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 37. 88 Etwa Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 82; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, § 86 Rz. 140. 89 Entgegen Claussen/Florian, AG 2005, 753, 754, kann diese auch eine Insiderinformation darstellen, denn das Marktpublikum kennt zwar die Entscheidung der Hauptversammlung, nicht aber den Zeitpunkt, zu dem sich der Vorstand entschließt, von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen und das Rückkaufsprogramm einzuleiten. 90 OLG München v. 15.12.2014 – Kap. 3/10 – HRE Musterentscheid, juris Rz. 448 ff., in den Fundstellen NZG 2015, 399 und ZIP 2015, 689 nicht abgedruckt. 91 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555. 92 Allgemein Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 78 ff. und für Informationen über zukünftige Umstände oder Ereignisse i.S.v. Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014: Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 46, 80 und 90.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 40 Art. 17 VO Nr. 596/2014
lichung nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 verwiesen93. Allein der Umstand, dass noch der erforderliche Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats aussteht, ist damit noch kein hinreichender Grund, um die Veröffentlichung einer Information aufzuschieben, die sich auf einen dem Beschluss vorausgehenden Planungsakt oder Vorstandsbeschluss bezieht und eine Insiderinformation darstellt, kann dies aber unter besonderen Umständen sein (s. auch Rz. 110). Entsprechend heißt es in Erwägungsgrund 50 VO Nr. 596/ 2014 zu b): „vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten getroffene Entscheidungen oder abgeschlossene Verträge, die der Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten bedürfen, um wirksam zu werden, sofern die Struktur eines solchen Emittenten die Trennung zwischen diesen Organen vorsieht und eine Bekanntgabe der Informationen vor der Zustimmung zusammen mit der gleichzeitigen Ankündigung, dass die Zustimmung noch aussteht, die korrekte Bewertung der Informationen durch das Publikum gefährden würde“ (Hervorhebung hinzugefügt)94. Zum Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation, die einen Umstand betrifft, der der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, s. im Einzelnen Rz. 110, 112 f. Im Unternehmensbereich des Emittenten eingetreten sind auch Beschlüsse und Handlungen des Aufsichts- 38 rats, wie etwa dessen Beschluss, gegen ein aktuelles oder ehemaliges Vorstandsmitglied eine Schadensersatzklage geltend zu machen sowie die Einreichung einer solchen Klage95. Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob und wer diese Information, wenn es sich bei ihr um eine Insiderinformation handelt, nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen oder gegebenenfalls eine Befreiungsentscheidung nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 zu treffen hat; dazu unten Rz. 57 ff. und 96 f. Eindeutig im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind auch unternehmensbezogene Handlungen von Angestellten und Vorgänge, die sich im räumlich-betrieblichen Bereich des Unternehmens zugetragen haben. Dazu gehören etwa Erfindungen, die Entwicklung neuer Produkte, Unfälle, Unterschlagungen, Veruntreuungen und namentlich Compliance-Verstöße etwa in Gestalt von Schmiergeldzahlungen. Die BaFin hat in ihren Emittentenleitfaden 2013 (S. 53) einen als „Empfehlung“ und keinesfalls als erschöp- 39 fend oder abschließend zu verstehenden Katalog von Umständen und Ereignissen aufgenommen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten und ad hoc zu veröffentlichen sind. Der Katalog, der nicht in den Emittentenleitfaden, Modul C, übernommen wurde, aber in der Sache nicht durch die in Letzterem dargelegten Positionen der BaFin überholt ist und deshalb nach wie vor herangezogen werden kann, ist in Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 95 wiedergegeben und kann auch für die Anwendung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 herangezogen werden96. Bei den in diesem angeführten Sachverhalten handelt es sich um solche, die typischerweise auch kurserheblich sind, über deren tatsächliche Kursrelevanz im konkreten Fall damit jedoch noch nichts ausgesagt ist. So sind in Bezug auf die Beurteilung der Kurserheblichkeit eines der in dem Katalog genannten Sachverhalte vor allem Faktoren wie die Größe und Struktur des Unternehmens, die Verhältnisse der betroffenen Branche, die für das Unternehmen maßgebliche Wettbewerbssituation und die sich daraus ergebenden Markterwartungen zu berücksichtigen. Der Katalog ist selbst in den ihm so gezogenen Grenzen rechtlich unverbindlich und vermag, da er nur potentiell ad-hoc-publizitätspflichtige Vorgänge benennt, nicht einmal Bindungswirkungen für die Aufsichtsbehörde zu entfalten. bb) Von außen kommende Insiderinformationen Ebenfalls vom Emittenten ad hoc zu publizieren sind Insiderinformationen in Bezug auf Umstände oder 40 Ereignisse, die nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind, sondern von außen kommen, ihn aber gleichwohl unmittelbar betreffen. Nach den Erfahrungen der BaFin in Bezug auf die Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. betreffen nur wenige von außen kommende Umstände den Emittenten unmittelbar97, was darauf zurückzuführen sein mag, dass sich die die ganz überwiegende Zahl der diesbezüglich in Frage kommenden Informationen sich nur auf die Wettbewerber und Marktteilnehmer sowie entsprechend nur die Wettbewerbs- und Marktverhältnisse des Emittenten bezieht und diesen damit nur mittelbar betrifft. Lässt sich im bloßen Wettbewerbs- und Marktbezug von Informationen ein abstraktes Kriterium für Informationen, die einen Emittenten nur mittelbar betreffen, sehen, so ist es gleichwohl sinnvoll, eine fallgruppenweise Präzisierung des Merkmals der unmittelbaren Betroffenheit eines Emittenten vorzunehmen98. 93 Schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 60 zur Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG a.F. 94 Dieses Erfordernis übernimmt auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38 („Voraussetzung ist, dass die unverzügliche Offenlegung dieser Informationen vor einer endgültigen Entscheidung die korrekte Bewertung der Informationen durch das Publikum gefährden würde“). 95 OLG Frankfurt v. 20.8.2014 – 23 Kap. 1/08, AG 2015, 37, 38 Rz. 114 ff. bzw. 142 ff. 96 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 141. 97 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 51. 98 Ebenso Spindler, NJW 2004, 3449, 3451.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 40 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Diese kann, neben dem vorstehend angeführten Kriterium, auch auf dasjenige von der BaFin angeführte und auf die Nähe von Insiderhandelsverboten und Ad-hoc-Publizität abstellende zurückgreifen, nach dem „grundsätzlich immer dann eine Ad-hoc-Publizitätspflicht anzunehmen [ist], wenn eine unmittelbar den Emittenten betreffende Information einen solchen Konkretisierungsgrad erlangt hat, dass sie ein Insiderhandelsverbot auslöst“99. Die Argumentationslinie fortsetzend, kann man es als Indiz für die unmittelbare Betroffenheit eines Emittenten durch eine von außen kommende Information ansehen, wenn ein verständiger Anleger diese Information als für die Finanzinstrumente eines bestimmten Emittenten kurserheblich ansehen, d.h. die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung in Bezug auf die Finanzinstrumente dieses Emittenten nutzen würde (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 78). (1) Insiderinformationen ohne unmittelbaren Emittentenbezug 41 Von außen kommend und den Emittenten nicht unmittelbar betreffend sind Umstände und Ereignisse, die
zu den allgemeinen Marktdaten zu rechnen sind und damit die für jeden Marktteilnehmer maßgeblichen Wirtschafts- und Wettbewerbsverhältnisse bestimmen100. Bei solchen Informationen fehlt es mitunter schon an einer präzisen und vor allem kursspezifischen Information i.S.d. Art. 7 VO Nr. 596/2014 und damit an der Eigenschaft, Insiderinformation zu sein (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 61 f.). Haben einzelne Marktdaten dagegen spezifische kurserhebliche Auswirkungen auf einen oder eine Gruppe von Emittenten, so kann es sich bei diesen durchaus um den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen handeln101. Die Entwicklung einzelner Rohstoffpreise dürfte deshalb nur in seltenen Fällen Gegenstand einer den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformation sein, nämlich dann, wenn sie für den fraglichen Emittenten einen gerade ihn betreffenden außergewöhnlichen Produktionskostenfaktor darstellen, der dessen Preisgestaltung nachhaltig beeinflusst102. Der Umstand allein, dass ein Marktteilnehmer vor allen anderen von der bevorstehenden Veränderung von Marktdaten erfährt, ist nicht ausreichend, um seine unmittelbare Betroffenheit zu begründen103. Bei Marktdaten dürfte es sich aber regelmäßig um öffentlich, zumindest bereichsspezifisch bekannte Informationen handeln.
42 Auch Markterwartungen des Emittenten, die von diesem ad-hoc oder auf andere Weise veröffentlichten
Prognosen (zu Prognosen als ad-hoc-publizitätspflichtige Informationen Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 28 ff.) abweichen, sind allein dadurch keine den Emittenten unmittelbar betreffenden Informationen und scheiden schon von daher und ungeachtet des Umstands, dass solche Markterwartungen i.d.R. keine öffentlich unbekannten Informationen darstellen dürften, aus dem Kreis der ad-hoc-publizitätspflichtigen Informationen aus104. Markterwartungen Dritter oder die Beurteilung des Emittenten durch professionelle Marktteilnehmer, z.B. in Ratings für Anleihen oder in Analysen/Researchberichten betreffend Aktien, sind grundsätzlich „als ein den Emittenten nur mittelbar betreffender Umstand zu werten, und zwar auch dann, wenn sie konkrete Schätzungen zu Geschäftszahlen oder ein Kursziel für“ die Finanzinstrumente des Emittenten
99 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 51. 100 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 51; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649; Bressler in BuB, Rz. 7/779i; Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Eichner, S. 103; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 17; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 84; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1903; Holzborn/Israel, WM 2004, 1952; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 82, 26; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 81, 89; Veil in Veil, Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 43; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.343; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.17; Simon, Der Konzern 2005, 13, 17; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.71; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216; Ziemons, NZG 2004, 537, 541; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 38. Im Grundsatz wie hier, aber im Detail anders Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 85 ff. 101 Beispiel in Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 61. Auch Büche, S. 181 f.; Eichner, S. 103; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 6 (Marktdaten sind nicht veröffentlichungspflichtíg, unter Umständen aber deren Folgen für den Emittenten); Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.343; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.17; Simon, Der Konzern 2005, 13, 17. A.A. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 61; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 88. 102 I.E. ebenso Simon, Der Konzern 2005, 13, 17; Ziemons, NZG 2004, 537, 541. A.A. Versteegen in KölnKomm. WpHG, 2. Aufl. 2014, § 15 WpHG Rz. 88, der allerdings ohne Grund insinuiert, die hier vertretene Ansicht wolle Marktdaten bereits dann Emittentenbezug zuschreiben, wenn sie für den Emittenten „von großer Bedeutung“ sei. 103 Ebenso Eichner, S. 103. Anders aber wohl Simon, Der Konzern 2005, 13, 17, der Marktdaten für vom Emittenten zu veröffentlichen ansieht, wenn dieser „Vorabkenntnisse von solchen unternehmensexternen Umständen“ erlangt, wie bspw. als Teilnehmer an einer „Kanzlerrunde“. 104 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.5.1 S. 15 und ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 56.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 44 Art. 17 VO Nr. 596/2014
enthalten und zu einer Änderung der Markterwartung führen105. In diesem Fall soll der Emittent aber zu prüfen haben, ob sich durch das Ergebnis des Ratings oder der Empfehlung Änderungen in seiner Geschäftsentwicklung ergeben können, etwa weil Refinanzierungskosten steigen werden, da diese Information den Emittenten unmittelbar betreffe und bei Kurserheblichkeit eine Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auslöse106. Nach den – freilich zu keiner Zeit rechtsverbindlichen, die Prüfung der Veröffentlichungspflicht im Einzelfall 43 keineswegs ersetzenden, aber zumindest Fingerzeige selbst für die aufsichtsrechtliche Praxis gebenden – Empfehlungen des Komitees der europäischen Aufsichtsbehörden (CESR)107, der Vorgängerorganisation der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, handelt es sich bei folgenden Informationen, auch wenn sie Insiderinformationen darstellen, um den Emittenten lediglich mittelbar betreffende Informationen: – allgemeine Marktstatistiken, – zukünftig zu veröffentlichende Ratingergebnisse, Research-Studien, Empfehlungen oder Vorschläge, die den Wert der börsennotierten Finanzinstrumente betreffen, – allgemeine Zinssatzentwicklungen, Zinssatzentscheidungen, – Entscheidungen der Regierungsbehörden bezüglich der Besteuerung, der Regulierung, des Schuldenmanagements, – Entscheidungen über Regeln zur Marktaufsicht, – wichtige Verfügungen durch Behörden oder andere öffentliche Institutionen (z.B. löst die Information, die Aufsicht habe Untersuchungen in Aktien des Emittenten wegen des Verdachts der Verletzung wertpapierhandelsrechtlicher Vorschriften aufgenommen, keine Ad-hoc-Publizitätspflicht aus), – Entscheidungen über die Regeln der Indexzusammensetzung und -berechnung, – Entscheidungen der Börsen, der Betreiber außerbörslicher Handelsplattformen und von Behörden zur jeweiligen Marktregulierung, – Entscheidungen der Wettbewerbs- und Marktüberwachungsbehörden hinsichtlich börsennotierter Unternehmen, – Kauf- und Verkaufsaufträge in den Finanzinstrumenten des Emittenten, – Veränderung in den Handelsbedingungen (u.a. Wechsel des Zulassungs- oder Handelssegments, Wechsel des Handelsmodells z.B. vom fortlaufenden Handel in das Einzelauktionsmodell, Wechsel des Market Makers). Darüber hinaus geht die BaFin in folgenden Fällen regelmäßig von einer nur mittelbaren Betroffenheit des 44 Emittenten aus108: – Informationen über allgemeine Wirtschaftsdaten, politische Ereignisse, Arbeitslosenzahlen, Naturereignisse oder z.B. die Ölpreisentwicklung, – Information über eine für den Emittenten relevante Veränderung der Situation des Konkurrenten (z.B. bevorstehende Insolvenz eines Konkurrenten), – Informationen, die nur das Finanzinstrument selbst betreffen, z.B. Erwerb oder Veräußerung eines größeren Aktienpaketes im Rahmen von außerbörslichen Transaktionen ohne strategische Zielsetzungen. Im Emittentenleitfaden 2013 waren in dieser Aufstellung auch Aktiensplits aufgeführt109. Im aktuellen Emittentenleitfaden ist dies nicht mehr der Fall, weil Aktiensplits zwar als aus dem Tätigkeitsbereich des Unternehmens stammende Informationen zu beurteilen sind, den Emittenten jedoch nur dann unmittelbar betreffen, wenn sie sich auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens auswirken110.
105 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.3 S. 34. 106 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.3 S. 34. Ähnlich Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.344. 107 CESR, Market Abuse Directive, Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the Directive to the market (CESR/06-562b), July 2007, S. 8 Rz. 1.16, nachfolgend wiedergegeben in der Übersetzung der Empfehlungen in BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33 f. 108 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S.34. Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 52. Kritisch zu den im Letzteren (und wohl auch den in den CESR-Empfehlungen, s. Rz. 43) aufgeführten Fällen mittelbarer Betroffenheit Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 103 f. 109 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 52. 110 Nach BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33.
Assmann | 551
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 45 | Veröffentlichung von Insiderinformationen (2) Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug 45 Zu den von außen kommenden und den Emittenten unmittelbar betreffenden Informationen über Um-
stände oder Ereignisse sind vor allem solche zu zählen, die ihre Quelle zwar nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten haben, diesen aber ausschließlich oder maßgeblich betreffen. Dazu gehören etwa: die Information, dass ein Emittent einen Großauftrag erhalten hat111 mit einem solchen bedacht werden soll, vorausgesetzt, es handelt sich um eine diesem bekannt gewordene präzise Information i.S.d. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014112; Informationen über die Änderung eines externen Ratings des Emittenten, namentlich eine Herabstufung113; oder die Entscheidung einer Behörde in Angelegenheiten des Emittenten, wie bspw. die Entscheidung einer Finanz- oder Verwaltungsbehörde, welche die Bildung von Rückstellungen oder eine preiserhebliche Prognosekorrektur verlangt114. Darüber hinaus betrifft nicht nur die Einreichung und Zustellung der Klage eines Dritten gegen den Emittenten115 den Emittenten unmittelbar, sondern auch die Entwicklung von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren116, namentlich von Zivilprozessen117 und unter diesen insbesondere solche, mit denen die Kläger erhebliche Schadensersatzforderungen gegen den Emittenten geltend machen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass jeder Verfahrensschritt als Zwischenschritt zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss bei entsprechender Kurserheblichkeit der Information eine Insiderinformation darstellen kann118, wobei die Gerichtsöffentlichkeit noch nicht die Öffentlichkeit i.S.d. der öffentlichen Bekanntheit eines Verfahrensvorgangs herstellt119. Zur Selbstbefreiung des Emittenten nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 88 ff. Entscheidungen Dritter oder externe Ereignisse, die den Emittenten nur reflexartig und wie andere Marktteilnehmer betreffen, sind keine Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug120.
46 Zu den von außen kommenden, den Emittenten unmittelbar betreffenden Umständen oder Ereignissen ge-
hören des Weiteren dem Emittenten bekanntwerdende Vorhaben zur Ausübung von Aktionärsrechten, vorausgesetzt, diese sind jeweils hinreichend wahrscheinlich und kurserheblich Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014). Dazu gehören vor allem Vorhaben eines Mehrheitsaktionärs etwa in Gestalt eines Entschlusses zur Einleitung eines „Squeeze-out“121, aber auch solche von Minderheitsaktionären, wie etwa das Verlangen einer Sonderprüfung nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG oder die Stellung eines Antrags nach § 148 Abs. 1
111 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33. 112 Droht eine frühzeitige Ad-hoc-Veröffentlichung das Zustandekommen des Geschäfts zu vereiteln, so kann der Emittent nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 die Veröffentlichung aufschieben. 113 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, 35; Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 27; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.274; Oulds in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 14.243; Simon, Der Konzern 2005, 13, 16, der zu und in Fn. 14 auf die frühere anderweitige Ansicht verweist; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 94. A.A. Geibel/ Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 87 i.V.m. Rz. 86; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 37. Allgemein zur Änderungen des Kreditratings als eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 92, 441 ff. Von den Umständen des Einzelfalls abhängig: Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.343 (Ob ein „Kreditrating“ eine Insiderinformation darstellt, ist hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Refinanzierungsmöglichkeiten des Emittenten zu beurteilen), unter Berufung auf vergleichbare Erwägungen in BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.3 S. 34 (s. Rz. 42). 114 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33 („Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die sich unmittelbar auf die Bildung von Rückstellungen auswirken oder eine Prognosekorrektur in erheblichem Ausmaß erforderlich machen“). Schon Simon, Der Konzern 2005, 13, 16. 115 Bei entsprechender Eintrittswahrscheinlichkeit auch der dem Emittenten mitgeteilte Entschluss; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 95. 116 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.5.8 S. 20. 117 Teigelack, BB 2016, 1604, 1607 ff., zur unmittelbaren Betroffenheit eines Emittenten S. 1608. 118 Teigelack, BB 2016, 1604, 1608. 119 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.1 S. 10. 120 Eichner, S. 103; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 79; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.274. Besondere Hervorhebung bei Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 37, obwohl, soweit erkennbar, niemand Gegenteiliges behauptet. 121 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33 („Mitteilung des Großaktionärs über die Durchführung eines Squeeze-Out gegenüber dem Emittenten ..., etwa weil damit eine Restrukturierung, strategische Neuausrichtung oder Verschmelzung verbunden ist oder ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird“); Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 472; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 934; Frowein/Berger in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 16; 38 (häufig, aber nicht zwingend); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 140; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 92, 398 ff.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 62; Simon, Der Konzern 2005, 13, 16; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 95. S. auch Rz. 83 ff.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 49 Art. 17 VO Nr. 596/2014
AktG auf Zulassung, im eigenen Namen die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend machen zu dürfen. Weniger eindeutig als diese Vorgänge sind solche, die eine eingetretene oder vernünftigerweise zu erwartende 47 Veränderung in der Aktionärsstruktur des Emittenten zum Gegenstand haben. Zu verneinen ist das bei „einfachen“ Veränderungen in der Struktur der Anteilseigner, die keine Kontrollmehrheit begründen122, vorhandene Mehrheiten oder Minderheiten nicht berühren und damit auch keine Änderung bei der Wahrnehmung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Mehrheits- oder Minderheitenrechte erwarten lassen123. Dagegen sind von außen kommende Informationen über die Veränderungen der Aktionärsstruktur des Emittenten, die in Bezug auf den Emittenten als kurserheblich und damit als Insiderinformationen zu qualifizieren sind, als diesen auch unmittelbar betreffend anzusehen124. Diese Verbindung der Kurserheblichkeit der Information und der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten durch dieselbe stellt allerdings nur dann keine „Vermischung“125 dieser Voraussetzungen der Offenlegungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 dar, wenn die Kurserheblichkeit gerade deshalb zu bejahen ist, weil von ihr ein Einfluss auf die Unternehmensleitung und eine daraus resultierende Kurserheblichkeit zu erwarten ist. Das kommt auch in den Anforderungen zum Ausdruck, welche die BaFin an die Qualifizierung einer Information über die Umplatzierung von Aktien, d.h. den Wechsel eines größeren Aktienpakets, als eine den Emittenten unmittelbar betreffende Information stellt: Letzteres sei „nur in besonderen Konstellationen“ anzunehmen, wie etwa „dann, wenn mit der Umplatzierung ersichtlich strategische Zielsetzungen verfolgt werden, die Einfluss auf die künftige Entwicklung des Emittenten haben werden, und dem Emittenten diese strategische Zielsetzung bekannt ist, oder wenn mit der Umplatzierung potenzielle Auswirkungen auf die Unternehmensführung zu erwarten sind“126.
Sofern die übrigen Voraussetzungen einer Insiderinformation gegeben sind, ist dementsprechend auch die 48 Kenntnis des Emittenten als Zielgesellschaft von einem bevorstehenden Wertpapiererwerbsangebot und erst recht von einem bevorstehenden Übernahmeangebot127 auf von ihm emittierte Aktien – anders als Informationen über Aufträge Dritter zum Verkauf oder Erwerb von Wertpapieren des Emittenten (Rz. 33) – als Kenntnis einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation anzusehen. Ist der Emittent ein verbundenes Unternehmen (i.S.d. § 15 AktG), so können ihn auch zahlreiche Vorgänge 49 im Konzern unmittelbar betreffen (s. schon Rz. 24), denn ohne die Berücksichtigung der Einordnung eines Emittenten in den Konzernverbund ist eine zutreffende Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage nicht möglich128. Das ist insbesondere bei Ereignissen der Fall, die bei einer „voll konsolidierten Tochter“ (s. §§ 290 ff. 122 Das Erfordernis der Erlangung einer Kontrollmehrheit als Voraussetzung einer den Emittenten unmittelbar berührenden Information in Bezug auf die Veränderung der Aktionärsstruktur wird überwiegend abgelehnt. Vgl. etwa Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 23; Simon, Der Konzern 2005, 13, 16. A.A. Nietsch, BB 2005, 785, 786. 123 So Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 656 f. Ähnlich Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 93. 124 Auch (i.E.) Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 90; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952. Enger Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 657: Kontrollwechsel ähnliche strategische Beteiligung und nicht bloß reine Finanzbeteiligung; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 23 (jedenfalls bei signifikanten „Machtverschiebungen oder Umgruppierungen im Aktionärskreis“, zur Schwelle nach unten aber offen); Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 15 (allerdings mit dem Vorbehalt: „... kommt auf die konkrete Fallkonstellation an“). A.A. im Grundsatz Zimmer/Kruse in Schwark/ Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 41, mit Anerkennung einer Ausnahme (in Rz. 42) für den Fall, dass „im Bereich der Unternehmensverwaltung Entscheidungen mit Bezug zu der Veränderung der Aktionärsstruktur bzw. zu der Abgabe [eines] Übernahmeangebots getroffen werden (müssen)“. 125 Diesen Vorwurf erhoben schon Gunßer, S. 160; Kuthe, ZIP 2004, 883, 884. 126 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33 (Hervorhebung hinzugefügt); Meyer in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.342. 127 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, 35; BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.2 S. 33; schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 51, 53, 59; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 654 f.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 491; Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 934; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 15; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 95; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 505; Gunßer, S. 141; Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 140, 146; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 133; Simon, Der Konzern 2005, 13, 16; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 93. 128 Bei Differenzen im Detail i.E. ebenso Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 96; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 30 f.; Eichner, S. 105 („Im Konzern gilt, dass jedes Unternehmen, für welches eine Insiderinformation kurserheblich ist, grundsätzlich der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegt“); Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449, 451 f.; Geibel/Schäfer in Schäfer/ Hamann, § 15 WpHG Rz. 98 f.; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 151; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 138; von Klitzing, S. 108 ff.; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 51, 90, 94;
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 | Veröffentlichung von Insiderinformationen HGB) des ad-hoc-publizitätspflichtigen Emittenten eintreten129. Als veröffentlichungspflichtige Insiderinformation kommen weiter Ereignisse in Betracht, die bei der Muttergesellschaft oder einer Schwestergesellschaft des Emittenten eingetreten sind130, vorausgesetzt es handelt sich um für die Papiere des Letzteren kurserhebliche Informationen. Die Überlegung, eine der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegende Tochtergesellschaft sei nicht ad-hoc-publizitätspflichtig, wenn die börsennotierte Muttergesellschaft ad-hoc-publizitätspflichtig sei131, fand schon in § 15 WpHG a.F. keine Grundlage und ist deshalb abzulehnen132. Ist die Information aber von der Ersteren ad hoc publiziert, ist sie öffentlich bekannt und verliert damit ihre Eigenschaft als Insiderinformation. Im Übrigen will aber auch die Ansicht, die eine der Ad-hoc-Publizität unterliegende Tochtergesellschaft einer nicht börsennotierten Muttergesellschaft grundsätzlich nicht unmittelbar von Umständen betroffen sieht, die bei der Muttergesellschaft eingetreten sind, Ausnahmen von dieser Regel zulassen133. Zu diesen sollen etwa Umstände zählen, welche die Fähigkeiten des Mutterunternehmens betreffen, seinen Verpflichtungen gegenüber der Tochtergesellschaft nachzukommen134. c) Kenntnis der Insiderinformationen und Wissenszurechnung aa) Wissen und Wissenszurechnung 50 Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 34) ausgeführt, ist eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insider-
information von diesem nur dann nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen, wenn er von der Insiderinformation Kenntnis hat. Dabei handelt es sich um ein ungeschriebenes pflichtenbegründendes Tatbestandsmerkmal135, das dem Umstand Rechnung trägt, dass ein Emittent nur – wie es
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Nietsch, BB 2005, 785, 786; Waldhausen, S. 198 ff.; Wölk, AG 1997, 73, 77. A.A. Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 96 (mit Ausnahmen Rz. 96 f.). Zur Darstellung der Konzernproblematik Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 389 ff. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 470; Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 31; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 13; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 92; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 97; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 65; Oulds in Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 14.243; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bankund Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 13; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 207 f.; Simon, Der Konzern 2005, 13, 16; Spindler/Speier, BB 2005, 2031; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 63; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 45. Ebenso (aber auch über den Konsolidierungskreis hinausgehend) Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 98 i.V.m. Rz. 99. Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 13; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 209; Simon, Der Konzern 2005, 13, 16 f.; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2034; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 72. I.E. auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 103 bzw. 104. A.A. im Grundsätzlichen Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 100; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 66; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216 f.; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 97. Nach Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 48, ist die Tochtergesellschaft von Ereignissen bei der Muttergesellschaft oder einer Schwestergesellschaft (von wenigen Ausnahmen abgesehen) immer nur mittelbar betroffen. Möllers, ZBB 2003, 390, 391; erwogen von Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2034, aber i.E. ebenfalls verworfen. Ebenso Eichner, S. 104; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 97; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 69. A.A. Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.18. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 100; Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 506; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2216 f.: Ereignisse bei der Muttergesellschaft haben „in der Regel keine Auswirkungen“ auf die Tochter; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 68; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 97 (unmittelbare Betroffenheit der Tochter nur in Ausnahmefällen). Vgl. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 100. Auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 68 („... wenn sich die Solvenz der Muttergesellschaft erheblich verschlechtert und die Tochtergesellschaft aufgrund eines bestehenden Cash-Pools von dieser Entwicklung betroffen ist“). H.M. Ausführlich Bekritzky, S. 188 ff., 245, 382; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 385, 412. Weiter Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 20; Buck-Heeb, AG 2015, 801; Ekkenga, NZG 2013, 1081, 1085; i.E. ebenso, aber nicht nur von einem ungeschriebenen pflichtenbegründenden Tatbestandsmerkmal ausgehend, Fiedler/Seibt, Publikationspflichten in der Krise, S. Rz. 11; Habersack, DB 2016, 1551, 1554; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 385; Ihrig in FS Krieger, S. 437, 440; Gansmeier, S. 25 f., 191 („positives Wissen“ erforderlich); Grigoleit in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 78 AktG Rz. 48, mit der treffenden Kritik an den Gegenauffassungen und deren „personale Erweiterung der zurechenbaren Wissensträger“. Deren „Argumente laufen auf eine pauschale Maximierung ökonomischer Postulate hinaus, denen es sowohl an einer methodisch stichhaltigen Verknüpfung mit dem positivrechtlichen Befund als auch an einem regelhaften Ergebnis mangelt, das als operabel und systematisch vertretbar erachtet werden könnte“; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 98; Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72, 76; Pfüller in Fuchs, § 15 Rz. 328;
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 51 Art. 17 VO Nr. 596/2014
in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 heißt – „bekannt geben“ kann, was ihm selbst bekannt ist. Es braucht deshalb nicht des Rückgriffs auf die Verpflichtung zur „unverzüglichen“ Veröffentlichung136 nebst deren Umschreibung als „ohne schuldhaftes Zögern“137 (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) – näher dazu Rz. 63 ff. – und damit der Heranziehung eines Merkmals, das sich ersichtlich nur auf die rechtzeitige138 Erfüllung einer eingetretenen Erfüllung und nicht auf die Begründung der zu erfüllende Pflicht selbst bezieht. Gleiches gilt für den – durchweg ebenfalls im Zusammenhang mit dem Erfordernis unverzüglicher Ver- 51 öffentlichung erörterten – Umstand, dass im Hinblick auf das Wissen von Emittenten i.S.v. Art. 17 VO Nr. 596/2014 und damit das Wissen einer „juristischen Person des privaten oder öffentlichen Rechts“ (zum Emittentenbegriff Rz. 19) eine Wissenszurechnung stattfindet, die sich nach verbandsrechtlichen Grundsätzen139 richtet: Das ist keine Frage des Verschuldens und des Kennenmüssens der juristischen Person oder ihrer Organe140, sondern eine verbandsrechtliche Frage der Zurechnung von Wissen an eine juristische Person. Deshalb gibt auch der Hinweis auf die Verschuldensregelung der § 97 Abs. 2 und § 98 Abs. 2 WpHG – demzufolge ein Emittent nicht auf Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von
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Sajnovits, WM 2016, 765 f. Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 385. Nach anderer Ansicht tritt die Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem diese objektiv vorliegt: so (Hellgardt) § 98 WpHG Rz. 89; Braun in Möllers/Rotter, § 8 Rz. 47; Klöhn, NZG 2017, 1285 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 105 mit hanebüchener Deutung des Merkmals „unmittelbar betroffen ist“ („Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, der – anders als Artt. 8, 10 – gerade nicht verlangt, dass der Emittent über eine Insiderinformation verfügt, sondern nur, dass er von einer Insiderinformation unmittelbar betroffen wird“; Hervorhebung im Original), mit welchem der Kreis von Insiderinformationen beschränkt wird, im Hinblick auf die der einzelne Emittent veröffentlichungspflichtig sein soll; Lebherz, S. 102; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 16 (mit der Begründung, dahinterstehe „die Erwägung, dass der Emittent die betreffenden Informationen als least cost information provider zu den geringsten Kosten ermitteln, analysieren und zur Verfügung stellen“ könne, aber dem caveat, „rechtspolitisch überzeug[e] diese weitreichende kenntnisunabhängige Pflicht angesichts der strengen Sanktionen jedoch nicht“); Schäfer in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.20 (Pflicht zur Ad-hoc-Publizität „enthält kein kognitives Element“; unabhängig von einer Kenntnis des Vorstandes entsteht die Ad-hoc-Publizitätspflicht daher – soweit die übrigen Voraussetzungen gegeben sind –, wenn die Insiderinformation objektiv entsteht); Uwe H. Schneider in FS Kronke, S. 1825, 1830; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2032; Thomale, NZG 2018, 1007, 1008; Ziemons, NZG 2004, 537, 541. Differenzierend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR, die (ebd. Rz. 78) zwar davon ausgehen, die „Pflicht eines Emittenten zur Ad-hoc-Publizität entsteh[e] grundsätzlich unabhängig von der Kenntnis der Insiderinformation“, aber (ebd. Rz. 85) konzedieren, dass „ohne Wissen um eine Information ... diese auch nicht veröffentlicht werden“ könne, um daraus abzuleiten, Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 enthalte „ein Wissenselement als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“, zwinge indes (ebd. Rz. 86) zur Einrichtung einer „Wissensorganisation“ – und landen damit wieder bei der hier vertretenen Ansicht mit ihrer Zurechnung unternehmensintern vorhandenen Wissens aufgrund wissensbezogener Organisationpflichten (Rz. 52 ff.). Die ganz herrschende Meinung im Schrifttum behandelt das Problem der Wissenszurechnung, systematisch verfehlt, als ein solches der Pflicht zur unverzüglichen Offenlegung einer Insiderinformation. Namentlich Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 20, 22; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 99 ff., 103 ff.; Klöhn, NZG 2017, 1285, 1289; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 105; Pfüller in Fuchs, § 15 Rz. 400 ff.; Sajnovits, WM 2016, 765, 765/766; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 119 f. Sachlich folgenreich ist die Differenz in der Deutung des Merkmals „unverzüglich“ nicht, da auch nach der h.M. das aus dem Merkmal abgeleitete „Kennenmüssen“ auf die Frage einer wertenden Wissenszurechnung hinausläuft, obwohl Wissenmüssen und Wissenszurechnung nicht deckungsgleich sind. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42. In der ursprünglichen Fassung der Vorschrift in wortgetreuer Übersetzung der englischen Fassung der Vorschrift („as soon as possible“) mit der Formulierung „so bald wie“ übersetzt, wurde die Übersetzung anschließend in „unverzüglich“ berichtigt (Rz. 14). Im Schrifttum wurde die ursprüngliche Fassung so ausgelegt, dass sich in der Sache nichts gegenüber der § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. und dem Erfordernis einer „unverzüglichen“ Veröffentlichung geändert habe. So Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, 8. Aufl. 2016, Rz. 395; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 150; Kumpan, DB 2016, 2039, 2042; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.347; Poelzig, NZG 2016, 761, 766; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.75; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 195. Für die berichtigte Fassung Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 116. Dem wäre auch hier gefolgt worden. Unberichtigt hätte die Formulierung der Rechtsanwendung in Deutschland aber den verwirrenden Rückgriff auf § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Deutung des in Europa singulären Erfordernisses „ohne schuldhaftes Zögern“ im Hinblick auf die damit verbundenen Verschuldensanforderungen erspart. Ebenso Bekritzky, S. 209 ff., 245, 382, mit dem Hinweis, dass alle anderen Sprachfassung von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 keinen Zweifel daran lassen, dass es sich bei dem Erfordernis der Unverzüglichkeit nur um eine „Zeitvorgabe“ (ebd. S. 245, 382) handelt; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 258 („Die Unverzüglichkeit bestimmt die Rechtzeitigkeit“). Ekkenga, NZG 2013, 1081, 1085. Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 393.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 51 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Insiderinformationen oder wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen in Anspruch genommen werden kann, wenn er nachweist, dass die Unterlassung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht bzw. dass er die Unrichtigkeit der Insiderinformation nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht – nichts für die Beantwortung der Frage her, ob überhaupt und welches Wissen, das im Vorstand oder einzelnen Vorständen des Emittenten nicht vorhanden ist, dem Emittenten zuzurechnen ist: In beiden Fällen wird im Hinblick auf den objektiven Tatbestand der Schadensersatznormen vorhandenes oder zugerechnetes Wissen bzw. Nichtwissen bereits vorausgesetzt, einerseits im Hinblick auf die Unterlassung der unverzüglichen Veröffentlichung einer objektiv zu veröffentlichenden Insiderinformationen bzw. andererseits im Hinblick auf die Unwahrheit einer veröffentlichten Insiderinformation. Darüber hinaus ist das für die zivilrechtliche Haftung nach diesen Vorschriften maßgebliche Verschulden ohnehin von der Beurteilung der Frage zu unterscheiden, wann eine unverzügliche Veröffentlichung hätte erfolgen müssen141. Nach alledem ist die Frage, ob ein Emittent Kenntnis einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformationen hat, nur durch Wissenszurechnung zu beantworten142. Dabei ist zwischen der Zurechnung unternehmensintern vorhandenen Wissens (Rz. 52 ff.) und der Zurechnung des Wissens Dritter (Rz. 60 ff.) zu unterscheiden, die für den Emittenten tätig werden. bb) Zurechnung unternehmensintern vorhandenen Wissens und Wissenszurechnung im Konzern 52 In Bezug auf die Zurechnung unternehmensintern vorhandenen Wissens ist heute, bei Unterschieden in
der Zurechnungsgrundlage143 und Differenzierungen im Detail, grundsätzlich anerkannt, dass der Emittent sich das Wissen des Vorstands, d.h. aller Vorstände, aber auch einzelner Vorstandsmitglieder als organschaftliche Vertreter zurechnen lassen muss144. Soweit es sich um privat erlangtes Wissen handelt, ist dieses dem Emittenten – jedenfalls außerhalb des rechtsgeschäftlichen Bereichs145 – allerdings nur zurechenbar, wenn gegenüber dem Emittenten eine Pflicht zur Weiterleitung des Wissens besteht146. Bei rein privatem Wissen (etwa im Falle der Rücktrittsabsicht, die die noch nicht über den engen persönlichen Bereich hinausgelangt ist) handelt es sich schon nicht um eine Insiderinformation (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 21), weshalb – auch wenn im Ergebnis zu verneinen147 – die Frage müßig ist, ob ein solches privates Wissen eines Organmitglieds dem Emittenten zuzurechnen ist. Im Übrigen wird die Zurechnung von unternehmensintern vorhandenem Wissen im Gefolge der Entscheidung des BGH vom 2.2.1996148 entlang wissensbezoge141 Ebenso Sajnovits, WM 2016, 765, 766, 773. 142 A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 111 ff., der in der Manier des Entdeckers eines unter anderem Namen längst bekannten Kontinents behauptet, es gehe nicht um Wissenszurechnung, sondern um Informations- und Wissensorganisationspflichten, als seien diese, die rechtskonforme organbezogene Wissenszurechnung ergänzend, nicht längst Bestandteil der heute ganz h.M. 143 Nach überwiegender Ansicht § 31 BGB analog: Etwa Fleischer in Spindler/Stilz, § 78 AktG Rz. 53; Habersack/Foerster in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 78 AktG Rz. 38; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 5. Aufl. 2020, 5. Kapitel § 23 Rz. 31; Koch, § 78 AktG Rz. 24; Sajnovits, WM 2016, 765, 770; K. Schmidt Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 10 V 2b (S. 286 f.); Spindler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 78 AktG Rz. 94; Weber in Hölters, § 78 AktG Rz. 15. Nach a.A., v.a. in der Kommentarliteratur zum GmbHG, § 166 Abs. 1 und 2 BGB. Vgl. etwa, jeweils m.w.N., Beurskens in Noack/Servatius/Haas, 23. Aufl. 2022, § 35 GmbHG Rz. 63; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 35 GmbHG Rz. 123; Stefan/ Tieves in MünchKomm. GmbHG, § 35 GmbHG Rz. 216. Die insoweit pragmatisch verfahrende Rechtsprechung – namentlich BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, NJW 1990, 975, 976, und BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1340 = AG 1996, 220 – betont, die Frage der Wissenszurechnung von Organvertretern juristischer Personen lasse sich nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz, sondern nur in wertender Beurteilung entscheiden. 144 Etwa, jeweils m.w.N., BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, NJW 1990, 975, 976; BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1340 = AG 1996, 220; BGH v. 12.11.1998 – IX ZR 145/98, NJW 1999, 284, 286 m.w.N. zu Rechtsprechung und Schrifttum. In Bezug auf die Ad-hoc-Publizität Fiedler/Seibt, Publikationspflichten in der Krise, Rz. 11; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 395; Sajnovits, WM 2016, 765, 770. 145 Zur Zurechnung des privat erlangten Wissens eines Vorstandsmitglieds, der an einem Geschäft mitwirkt, für das dieses Wissen von Bedeutung ist, Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 5. Aufl. 2020, 5. Kapitel § 23 Rz. 32 m.w.N. 146 H.M.: Habersack/Foerster in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2015, § 78 AktG Rz. 38; Koch, § 78 AktG Rz. 24; Mertens/ Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 76 AktG Rz. 88; Sajnovits, WM 2016, 765, 770; Spindler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 78 AktG Rz. 98; Hoffmann-Becking in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, 5. Aufl. 2020, 5. Kapitel § 23 Rz. 31. A.A., aber ohne nähere Begründung und unter unzutreffender Berufung, BGH v. 8.12.1989 – V ZR 246/87, NJW 1990, 975, 976; Weber in Hölters, 3. Aufl. 2017, § 78 AktG Rz. 16. Im Grundsätzlichen im Hinblick auf Art. 17 VO Nr. 596/2014 weitergehend Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 397 ff., 398: sowohl rein privates Wissen als auch privat erlangtes Wissen zum Emittenten, aber (ebd., S. 399) – wie hier – eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht als Schranke für die Wissenszurechnung anerkennend. 147 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 400 f. 148 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 = AG 1996, 220.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 54 Art. 17 VO Nr. 596/2014
ner Organisationpflichten vorgenommen. Danach muss eine juristische Person so organisiert sein, dass (1) „Informationen, deren Relevanz für andere Personen innerhalb dieser Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an jene Personen weitergegeben“ („Informationsweiterleitungspflicht“149), (2) diese Informationen, soweit als speicherungsbedürftig einzustufen150, gespeichert (Informationsspeicherungspflicht), und (3) im maßgeblichen Zeitpunkt nachgefragt („Informationsabfragepflicht“) werden151. Bei der heute üblichen Ausrichtung der Zurechnung von Wissen an juristische Personen an diesen Grundsätzen wird übergangen, dass sie für das Auftreten juristischer Personen im rechtsgeschäftlichen Bereich geschaffen sind und gewährleisten sollen, dass ein Vertragspartner, der mit einer juristischen Person einen Vertrag schließe, „im Prinzip nicht schlechter gestellt [werde], als wenn er es nur mit einer einzigen natürlichen Person zu tun hätte“152. Entsprechend werden die vorstehend angeführten Wissensorganisationspflichten auch zur Zurechnung des in einem Emittentenunternehmen vorhandenen Wissens übertragen153. Damit zusammenhängend wird vernachlässigt, dass Wissenszurechnung normorientiert vorzunehmen 53 ist154 und Wissensorganisationspflichten als Grundlage von Wissenszurechnung sich an der in Frage stehenden Norm, für deren Anwendung es auf Wissen der juristischen Person ankommt, und den Normzusammenhang, in dem diese Norm steht, auszurichten hätten, so wie es das Gericht im Falle der vorstehenden Entscheidung auch seinerseits tatsächlich – bewusst oder unbewusst – getan hat. Das von diesem als Grundlage für die „Pflicht zur ordnungsgemäßen Kommunikation“ verwandte „Gleichstellungsargument“155 etwa mag bei juristischen Personen und Organisationen für deren Teilnahme am Rechtsverkehr und für die Verletzung von Aufklärungspflichten angebracht sein, passt aber nur sehr beschränkt für die Wissenszurechnung an einen Emittenten in Bezug auf die Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten156. Statt auf das Gleichstellungsargument ist hier vielmehr darauf abzustellen, dass es einem Emittenten nicht zugutekommen soll, dass in seinem Unternehmen vorhandenes Wissen über den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen aus weder verbands- noch kapitalmarktrechtlich anzuerkennenden Gründen nicht zu denen gelangen, die – würden sie über diese verfügen – diese veröffentlichen müssten oder über die Aufschiebung einer Veröffentlichung zu befinden hätten. Allein dies sicherzustellen und zu vermeiden, dass Insiderinformationen nicht in den Vorstand gelangen und diesen zur Entscheidung über deren Veröffentlichung zwingen, ist Gegenstand der hier in Frage kommenden Organisationspflicht. Entsprechend heißt es im Emittentenleitfaden der BaFin 2013, versteckt in Ausführungen zu Emittenten- 54 organisationspflichten zur Schaffung der Voraussetzungen für eine unverzügliche Veröffentlichung von Insiderinformationen: „Wenn die Insiderinformation an einer Stelle des Unternehmens entsteht, die nicht berechtigt ist, über die Veröffentlichung zu entscheiden, muss durch die unternehmensinterne Organisation sichergestellt sein, dass die Information unverzüglich einer entscheidungsberechtigten Person oder Gremium zugeleitet wird“157. Dabei wird die diesbezügliche Organisationspflicht weitgehend auf eine Instruktionspflicht von Mitarbeitern zu beschränken sein und unter diesen wiederum auf solche, die an zentraler betrieblicher Stelle des Unternehmens tätig werden. Was die Ausgestaltung der Instruktionspflicht angeht, ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es nicht diese Mitarbeiter, sondern die Vorstände sind, die über die Qualifikation einer Information als Insiderinformation zu befinden haben. Diese wird deshalb Teil der 149 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 = AG 1996, 220. 150 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 zu aa) = AG 1996, 220: Ob eine Information speicherungsbedürftig war, d.h. „überhaupt gespeichert werden mußte, hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie später rechtserheblich werden konnte. Zu beurteilen ist das nach dem Zeitpunkt der Wahrnehmung und nicht nach einem erst später erreichten Wissensstand.“ 151 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1341 zu bb) = AG 1996, 220: „Wissen kann man den Inhalt von Speichern [und damit der juristischen Person] daher nur zurechnen, soweit ein besonderer Anlaß besteht, sich seiner in der konkreten Situation (noch) zu vergewissern. Auch das richtet sich nach der Zumutbarkeit: Maßgeblich sind auch hier vor allem die Bedeutung des Anlasses und die Schwierigkeit der Suche“. 152 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1340 zu C.2.a) = AG 1996, 220. 153 Namentlich Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 23 f. Auch noch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 1. Aufl. 2018, § 10 Rz. 19 f., 25 ff. Anders Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 2. Aufl. 2022, § 10 Rz. 14 ff. Dort heißt es, nach Ansicht der Verfasser offenbar Zurechnungsfragen gäntlich ausschließend, Rz. 17: „Richtigerweise knüpft die Ad-hoc-Publizitätspflicht ausschließlich an objektive Merkmale an und erfordert kein Wissen des Emittenten“. Begründet wird dies mit der bloßen Behauptung, dies folge „aus dem Wortlaut von Art. 17 MAR, einer Zusammenschau mit Art. 8, 9 MAR, die explizit“ voraussetzten, dass eine Person über Insiderinformationen verfüge bzw. in deren „Besitz“ sei, und aus dem Sinn und Zweck der Ad-hoc-Publizität. 154 Ebenso Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 390 f. Auch Bekritzky, S. 383 („Auslegung der infrage stehenden Vorschrift“). 155 BGH v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, NJW 1996, 1339, 1340/1341 = AG 1996, 220. 156 Ebenso Bekritzky, S. 256; Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 390; Koch, AG 2019, 273, 278 f. 157 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.6 S. 33, Hervorhebungen hinzugefügt.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 54 | Veröffentlichung von Insiderinformationen im Hinblick auf ihre Befolgung zu überwachenden organisatorischen Anweisung sein, Informationen, die auch auf der in Frage kommenden Stufe oder Sparte des Emittenten vernünftigerweise als für die Unternehmensleitung erheblich einzustufen sind, an die Unternehmensleitung und von dieser gegebenenfalls hierfür eingerichteten Abteilung oder Stabsstelle – auch ihrerseits unverzüglich, aber unter Einräumung einer angemessenen Prüfungsfrist – weiterzuleiten. Ohne auf das Argument einzugehen, eine Wissensorganisationspflicht sei bei normorientierter Auslegung des Art. 17 VO Nr. 596/2014 als Vehikel der Wissenszurechnung anzuerkennen, um die Berufung auf eine Unternehmensorganisation auszuschließen, die nicht zu gewährleisten vermag, dass im Unternehmen vorhandene Insiderinformationen in den Vorstand gelangen, um diesen zu einer Entscheidung über deren Veröffentlichung zu veranlassen, lehnt ein Teil des Schrifttums eine Übertragung von Wissensorganisationspflichten auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht ab158. Dafür wird vor allem und ausgehend vom Wortlaut dieser Vorschrift geltend gemacht, das Verständnis der Pflicht zur Adhoc-Publizität als Wissensorganisationspflicht führe „im Zusammenspiel des europäischen und des nationalen Rechts dazu, dass an einen weitgehend entgrenzten Tatbestand ein ausgesprochen scharfes Rechtsfolgenregime geknüpft“ werde, „ohne dass eine solche Lesart im Wortlaut der einschlägigen Vorschrift oder sonstigen Auslegungsmerkmalen einen Anhaltspunkt“ finde159. Weiter wird gerügt, die in einem „rechtsgeschäftliche[n] Kontext“ begründete Wissensorganisationspflicht sei nicht auf „aufsichtsrechtlich konturierte“ Adhoc-Publizitätspflichten übertragbar160. Über die Wissensorganisationspflicht hinaus besteht jedoch keine Verpflichtung zur Informationsbeschaffung im Sinne einer Pflicht, im Unternehmen oder außerhalb desselben nach Insiderinformationen zu forschen, die das Unternehmen als Emittenten betreffen161. 55 Die Wissensorganisationspflicht ist Teil der Pflicht des Vorstands zur Organisation des Unternehmens, die
er mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vorzunehmen hat (§ 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG). Ist der Wissensorganisationspflicht Genüge getan, können dem Emittenten Insiderinformationen, über die Personen verfügen, die keine Organmitglieder sind, nicht zugerechnet werden. Das gilt insbesondere für Wissen über Gesetzesverstöße (Compliance-Verstöße) unterhalb der Vorstandsebene. Umgekehrt steht außer Frage, dass die Nichtveröffentlichung einer dem Emittenten aufgrund einer unzureichenden Wissensorganisationspflicht zuzurechnenden Insiderinformation gegen die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung einer Insiderinformation verstößt.
56 Wissen, das Mitarbeiter eines Emittenten aufgrund einer Tätigkeit erlangt haben, die sie gesetzlich zur ver-
traulichen Behandlung desselben zwingt, kann dem Emittenten nicht zugerechnet werden. Das gilt namentlich für Wissen, das ein Mitarbeiter oder Organ des Emittenten (sog. Doppelmandat) oder eine vom Emittenten entsandte Person im Aufsichtsrat eines anderen Unternehmens erlangt hat und das nach § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG vertraulich zu behandeln ist. Bei der Pflicht des Aufsichtsrats zur vertraulichen Behandlung der in diesem Amt erlangten Informationen handelt es sich um eine solche, die gegenüber allen Personen gilt, mit Ausnahme derjenigen, die zu den Organmitgliedern der Gesellschaft gehören, um deren Aufsichtsrat es sich handelt162. Eine Aufsichtsratsmitglied kann nicht im Vorhinein generell
158 Bekritzky, S. 246 ff., 383; Koch, AG 2019, 273, 278 ff. Von den Argumenten der Gegenansicht werden, soweit ersichtlch, im Wesentlichen nur solche aufgegriffen und (mit guten Gründen) zurückgewiesen, die eine Übertragung von Wissensorganisationspflichten auf die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf Gedanken des Vertrauens- und Verkehrsschutzes, Überlegungen zur (Haftungs-)Risikozuweisung und Gleichstellungsargumente stützen. In Bezug auf die Informationshaftung nach §§ 97, 98 WpHG auch Gansmeier, S. 25 f., 191 (nur „positives Wissen“ unterliegt der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und der Haftung nach §§ 97, 98 WpHG; es besteht keine „Informationsorganisationspflicht“). 159 Koch, AG 2019, 273, 281 ff., 288. 160 Bekritzky, S. 249 ff. und 383. Ähnlich Koch, AG 2019, 273, 288 („Dabei verbietet es schon die Herkunft der Norm aus dem europäischen Aufsichtsrecht, sie nach nationalen Regeln vertraglicher Wissenszurechnung auszulegen“). 161 Bekritzky, S. 231 f., 246, 382. 162 BGH v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, AG 2016, 493, 495 Rz. 32 m.w.N., mit der Begründung (in Rz. 32 und 33): „[32] Nur wenn diese Verschwiegenheitsverpflichtung absolut gilt, ist gewährleistet, dass der Aufsichtsrat seine gesetzliche Überwachungs- und Beratungsfunktion erfüllen kann, da diese das notwendige Korrelat zu den umfassenden Informationsrechten des Aufsichtsrats bildet ... und der Vorstand den Aufsichtsrat frühzeitig über sensible Vorfälle, Daten und Vorhaben informieren kann, ohne dass er die Weitergabe – speziell an das finanzierende Kreditinstitut oder die Hausbank – und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile für das Unternehmen befürchten muss... [33] Eine Kollision der Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber seinem Arbeitgeber und der Gesellschaft, in deren Aufsichtsrat er gewählt oder entsandt wurde, rechtfertigt eine Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht nicht, da diese wegen der meist nebenberuflichen Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ganz bewusst im System angelegt ist und dieses Spannungsfeld vom Gesetzgeber gesehen und, wie der Straftatbestand des § 404 I Nr. 1 AktG deutlich belegt.“ Aus dem Schrifttum Verse, AG 2015, 413, 417; Koch, § 78 AktG Rz. 25; Thomale, AG 2015, 641, 649 f.; Buck-Heeb, AG 2015, 801,810 f.; Koch, ZIP 2015, 1757, 1762 f. A.A. Schwintowski, ZIP 2015, 617, 621 ff.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 59 Art. 17 VO Nr. 596/2014
oder für bestimmte Themenbereiche von der Verschwiegenheitspflicht entbunden werden163, so dass sich auch in einem solchen Falle das erlangte Wissen dem Emittenten nicht zurechnen lässt. Vor allem im Zusammenhang mit der Untersuchung von Compliance-Verstößen, die der Aufsichtsrat 57 veranlasst und überwacht, weil der Vorstand in die Verstöße verstrickt ist oder sein könnte164, kann es dazu kommen, dass der Aufsichtsrat oder einzelne seiner Mitglieder (insbesondere Mitglieder eines dazu gebildeten Ausschusses oder Mitglieder des Präsidiums) den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen erhalten. Ist dies der Fall, stellt sich die Frage, ob dem Emittenten das Wissen des Aufsichtsrats oder einzelner seiner Mitglieder zuzurechnen ist. Das wird im Schrifttum im Grundsatz nahezu einhellig verneint und nur auf den Ausnahmefall beschränkt, dass das Insiderwissen sich auf eine Maßnahme des Aufsichtsrats bezieht, für die dieser ausschließlich vertretungs- und geschäftsführungsbefugt ist165. Dabei hat die ganz herrschende Meinung vor allem Maßnahmen im Bereich der Personalkompetenz des Aufsichtsrats und im Vorfeld endgültiger Personalentscheidungen vor Augen, doch unterliegen entsprechende Informationen in diesem Stadium dem Vertraulichkeitsgebot und sind schon deshalb, wie sich aus dem Folgenden (Rz. 58) ergibt, dem Emittenten nicht zurechenbar. Gegen die Zurechnung spricht, dass der Aufsichtsrat nicht zu denen gehört, die dem Vorstand als Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan des Emittenten Wissen zur Erfüllung rechtsgeschäftlicher oder anderweitiger rechtlicher Verpflichtungen zu liefern haben und auf die Lieferung solchen Wissens gerichtete Wissensorganisationspflichten allein den Vorstand treffen166. In verfehlter normzweckorientierter und effet utile-orientierter Auslegung sowie unter Negierung der von dem Gebot einer autonomen Auslegung europäischen Verordnungsrechts überhaupt nicht betroffenen und insoweit europarechtlich respektierten verbandsrechtlichen Gegebenheiten des dualistischen Organsystems von Vorstand und Aufsichtsrat wird neuerdings in Bezug auf Art. 17 VO Nr. 596/2014 allerdings die Auffassung vertreten, dass „Insiderinformationen, die genuin im Aufsichtsrat oder seinen Ausschüssen entstehen oder dort erstmals bekannt werden, dem Emittenten zuzurechnen sind und dessen Verpflichtung zur unverzüglichen Offenlegung begründen“167. Zur Frage des Aufschubs der Veröffentlichung („Selbstbefreiung“) von Insiderinformationen, die – wie vorstehend als Ausnahmefall der Zurechnung behandelt – nur dem Aufsichtsrat bekannt und dem Emittenten ausnahmsweise zurechenbar sind, s. Rz. 95.
Scheidet damit eine Zurechnung von Wissen des Aufsichtsrats an den Emittenten schon aufgrund der ver- 58 bandsrechtlichen Stellung des Aufsichtsrats aus, so steht der Wissenszurechnung auch das diese Stellung sichernde Vertraulichkeitsgebot entgegen. In dem Umfang, in dem die Wahrung von Vertraulichkeit verbandsrechtlich verlangt und geschützt wird, kann nicht gleichzeitig eine Wissenszurechnung aufgrund gegenläufiger verbandsrechtlicher Pflichten, allen voran eine diesbezügliche Wissensorganisationspflicht, erfolgen. Dementsprechend ist mit der ganz herrschenden Meinung davon auszugehen, dass eine Wissenszurechnung spätestens dort ihre Grenze finden muss, wo die Zurechnung von Wissen gegen eine organschaftliche Pflicht zur Verschwiegenheit verstoßen würde168. Nach Rechtsprechung und Literatur lässt sich auch das Wissen einer Konzerngesellschaft nicht allein wegen 59 der Einbindung der Unternehmen in einen Konzern (i.S.v. §§ 15 ff. AktG) einer anderen Konzerngesellschaft zurechnen169. Das gilt sowohl für faktische Konzerne wie Vertragskonzerne, insbesondere reicht auch ein Beherrschungsvertrag, trotz des sich aus § 308 Abs. 2 Satz 1 AktG ergebenden Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens, nicht für eine einseitige oder wechselseitige Zurechnung von Wissen aus170. Für eine Wissenszurechnung zwischen Konzernunternehmen bedarf es vielmehr eines über die Konzernierung hi163 BGH v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15 (OLG München), AG 2016, 493, 495/496 Rz. 34; Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540, 2542. 164 Etwa Arnold, ZGR 2014, 76, 103 und 106. 165 Koch, ZIP 2015, 1757, 1765: Zurechnung nur dann, „wenn es um Maßnahmen aus seinem originären gesetzliche Aufgabenbereich geht“; Leyendecker-Langner/Kleinhenz, AG 2015, 72, 73: Insiderwissen, das „innerhalb seines originären gesetzlichen Aufgabenbereichs entstanden ist“; Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 116 AktG Rz. 47; Ihrig/Kranz, BB 2013, 451, 456; Mülbert in FS Stilz, S. 411, 422; Rickert/Heinrichs, GWR 2017, 112, 113/114. A.A. allein Schwintowski, ZIP 2015, 617. 166 Zu letzterem Aspekt namentlich Koch, ZIP 2015, 1757, 1761. 167 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 407; auch Ihrig in FS Krieger, S. 437, 440, 443 ff. 168 BGH v. 26.4.2016 – XI ZR 108/15, AG 2016, 493, 495 Rz. 32 f.; Verse, AG 2015, 413, 417; Koch, § 78 AktG Rz. 25; Mülbert/Sajnovits, NJW 2016, 2540, 2541; Thomale, AG 2015, 641, 649 f.; Buck-Heeb, AG 2015, 801, 810 f.; Koch, ZIP 2015, 1757, 1762 f. A.A. Schwintowski, ZIP 2015, 617, 621 ff. 169 S. etwa, m.w.N. Fleischer in Spindler/Stilz, 4. Aufl. 2019, § 78 AktG Rz. 56b. In Bezug auf Art. 17 VO Nr. 596/2014 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 411. 170 Fleischer in Spindler/Stilz, 4. Aufl. 2019, § 78 AktG Rz. 56b; Spindler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 78 AktG Rz. 103.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 59 | Veröffentlichung von Insiderinformationen nausgehenden Zurechnungsgrunds171. Einen solchen hat die Rechtsprechung bisher in zwei Fällen angenommen: Zum einen für den Fall, dass eine Gesellschaft ihr obliegende Aufgaben durch eine andere, wissende Konzerngesellschaft erledigen lässt172; und zum anderen für denjenigen, dass eine Konzerngesellschaft auf einen Datenbestand der anderen Konzerngesellschaft ohne weiteres zugreifen konnte und auch konkreten Anlass hatte, auf diesen zuzugreifen173. Nach davon abweichender Ansicht soll demgegenüber eine Wissenszurechnung im Konzern entscheidend davon abhängen, „ob und inwieweit der Emittent die Herrschaftsmacht hat, die von Art. 17 MAR geforderte Wissensorganisation auf andere Konzernunternehmen zu erstrecken und diese in das System der Identifizierung und Weiterleitung insiderrelevanter Informationen einzubeziehen“174. cc) Zurechnung unternehmensexternen Wissens 60 Wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt, ist Hinblick auf das Wissen eines Emittenten das in einem
anderen Konzernunternehmen vorhandene Wissen aufgrund des konzernrechtlichen Trennungsbetriebs als unternehmensexternes Wissen zu betrachten und dem Emittenten in der Regel nicht zuzurechnen (Rz. 59). Auch im Übrigen gilt der Grundsatz, dass einem Emittenten unternehmensexternes Wissen im Hinblick auf das Wissen des Emittenten von ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformationen und der Veröffentlichung solcher Informationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht zurechenbar ist175, es sei denn es liegen besondere Zurechnungsgründe vor.
61 Ein solcher besonderer Zurechnungsgrund wird darin gesehen, dass eine unternehmensexterne Person, die
der Emittent mit einem Auftrag oder einer Geschäftsbesorgung betraut, im Rahmen dieses Auftrags oder dieser Geschäftsbesorgung typischerweise über Insiderinformationen verfügt176. Dem gleichzustellen wäre der Fall, dass die mit dem Auftrag oder der Geschäftsbesorgung betraute Person im Zuge der Ausführung des Auftrags oder der Geschäftsbesorgung typischerweise Insiderinformationen erlangt. Diese wenig wahrscheinlichen Szenarien der Wissenszurechnung müssen im Übrigen auch der Bewältigung durch Wissensorganisation zugänglich sein, etwa dergestalt, dass der Emittent verlangt, dass ihm vorhandenes oder erlangtes, ihn betreffendes Insiderwissen unverzüglich offenbart wird.
62 Erlangen eine unternehmensexterne Person oder ein unternehmensexternes Unternehmen, die vom Vor-
stand mit der Untersuchung von einzelnen Unternehmenssparten oder Compliance-Verstößen beauftragt wurden, im Zuge ihrer Tätigkeit den Emittenten betreffende und dem Vorstand bislang unbekannte Insiderinformationen, so handelt es sich auch hierbei um keine untypische oder nicht vorhersehbare und damit zurechenbare Wissenserlangung. Diese kann durchaus von Bedeutung werden, wenn der Emittent seine Wissensorganisationspflichten erfüllt hat und ihm das den Beauftragten bekannt gewordene Wissen von Mitarbeitern nicht als eigenes Wissen zuzurechnen ist. Doch auch hier müssen sich die Risiken einer solchen Wissenszurechnung durch entsprechende wissensorganisationsbezogene Absprachen mit den Beauftragten beherrschen lassen. Wird die Untersuchung – was bei Untersuchungen von Compliance-Verstößen naheliegt – durch den Aufsichtsrat veranlasst und ist nur diesem zu berichten, so wäre auf vorstehende Weise erlangtes Wissen der Beauftragten dem Aufsichtsrat zur Kenntnis zu bringen. Aufgrund der Vertraulichkeit der vom Aufsichtsrat erlangten Informationen (Rz. 57) ist damit das Wissen der Beauftragten weder direkt noch indirekt – in Gestalt von dem Aufsichtsrat mitgeteiltem Wissen – dem Emittenten zuzurechnen.
3. Unverzügliche Veröffentlichung 63 Ein Emittent muss der Öffentlichkeit Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, nach Art. 17
Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverzüglich bekannt geben. In der ursprünglichen Fassung der Vor-
171 Zu solchen möglichen Zurechnungsgründen s. Fleischer in Spindler/Stilz, 4. Aufl. 2019, § 78 AktG Rz. 56d–56 f. Ablehnend Uwe H. Schneider in FS Kronke, S. 1825, 1831, der entgegenhält, die „Geschäftsleitung des herrschenden Unternehmens [sei] vielmehr im Rahmen der Konzernleitung zu einer konzernweiten KapitalmarktrechtsCompliance verpflichtet“, weshalb es keiner weiteren Zurechnungsgründe bedürfe. 172 BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360. 173 BGH v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92, NJW 1993, 2807 f.; BGH v. 13.12.1989 – IVa ZR 177/88, NJW-RR 1990, 285, 286. 174 Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 411. Diese Auffassung beruht auf der in der nachfolgenden Fußnote wiedergegebenen Prämisse über die Wissenszurechnung an juristische Personen. 175 Ihrig, ZHR 181 (2017) 381, 394 f., 395: „Das Wissen Dritter, die nicht in die Wissensorganisation des Emittenten einbezogen sind und die er ohne deren Mitwirkungsbereitschaft selbst bei äußerster Ausnutzung seiner rechtlichen Gestaltungsbefugnisse auch nicht einbeziehen kann, kann dem Emittenten nicht zugerechnet werden. Zu Wissen des Emittenten kann dieses Wissen erst dann werden, wenn es in seine Unternehmenssphäre gelangt ist“. 176 Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 405.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 65 Art. 17 VO Nr. 596/2014
schrift wurde – in wortgetreuer Übersetzung der englischen Fassung der Vorschrift („as soon as possible“) – verlangt, der Emittent habe die ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen „so bald wie“ möglich bekannt zu geben, um danach – der Fassung von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. entsprechend – zur heutigen Formulierung „unverzüglich“ berichtigt zu werden177. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass der Emittent die ihm bekannten Insiderinformationen nicht immer sofort, sondern unverzüglich und damit „ohne schuldhaftes Zögern“178 (s. schon Rz. 50) – d.h. hier nach den Umständen nicht gerechtfertigtes Zögern179 – vornimmt, um die Ziele der Ad-hoc-Publizität – Prävention von Insidergeschäften und Marktpublizität (Rz. 7 ff.) – effektiv durchzusetzen. Die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung gilt auch für die dem Emittenten, d.h. dem Vorstand oder einzelnen Vorständen, nicht bekannten, ihn aber unmittelbar betreffenden und ihm im Wege der verbandsrechtlichen Wissenszurechnung zurechenbaren Insiderinformationen. Die Vorschrift ist – auch was das den Umstand angeht, dass nicht schuldhaft mit der Veröffentlichung gezö- 64 gert werden darf – dem objektiven Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zugehörig und hat m.a.W. pflichtenkonkretisierenden Charakter180. Das Merkmal „unverzüglich“ hat damit weder etwas mit dem Verschuldenserfordernis (Vorsatz oder Leichtfertigkeit) im Hinblick auf die bußgeldrechtliche Sanktion eines Verstoßes gegen Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG zu tun noch mit demjenigen aus § 97 Abs. 2 und § 98 Abs. 2 WpHG in Bezug auf die Schadensersatzansprüche gegen den Emittenten wegen unterlassener, verspäteter oder unwahrer Ad-hoc-Veröffentlichungen nach § 97 Abs. 1 und § 98 Abs. 1 WpHG. Sie ist aber, entgegen dem Verständnis der ganz herrschenden Meinung, nicht in dem Sinne pflichtenbegründend, dass sich dem Merkmal entnehmen ließe, dass und unter welchen Voraussetzungen der Emittent ihm unbekanntes Wissen hätte kennen müssen, um ihm dies als bekannt zuzurechnen (dazu schon Rz. 50 f.). Wenn zur Konkretisierung der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung einer den Emittenten unmittelbar 65 betreffenden Insiderinformation auf die die Frist zur Anfechtung von Willenserklärungen regelnde Bestimmung des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgegriffen wird181, nach der unverzüglich „ohne schuldhaftes Zögern“ bedeutet (Rz. 50, 63), so handelt es sich dabei nicht um ein Verschuldensregelung in Bezug auf die Veröffentlichungspflicht182 und ihre unterschiedliche Sanktionierung im Falle ihrer Verletzung (vorstehend Rz. 64), sondern um die objektive Pflicht zur rechtzeitigen183 Bekanntgabe der Insiderinformation. Dem tragen de facto auch die Anforderungen Rechnung, wie sie unter § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. an die unverzügliche Veröffentlichung von Insiderinformationen gestellt wurden, weshalb diese auch bei der gebotenen autonomen Auslegung184 der Verordnungsvorschrift des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 weiter herangezogenen werden können. Danach ist eine dem Emittenten oder die einer Person bekannt gewordene und dem Emittenten zurechenbare und diesen unmittelbar betreffende Insiderinformation sofort zu veröffentlichen, es sei denn, 177 S. dazu Rz. 14 und Rz. 50. 178 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.347. 179 Damit lässt sich dem Einwand von Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 72, Rechnung tragen, diese Auslegung von „unverzüglich“ dürfe bei autonomer Auslegung des in Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und an anderen Stellen des Art. 17 VO Nr. 596/2014 verwandten Begriffs kein Verschuldenselement enthalten, sondern sei „objektiv“ hinsichtlich der „zeitlichen Dimension“ der Ad-hoc-Publizität auszulegen. Denn fraglos hat das „Verschuldenselement“ im deutschen Recht in der Definition von „unverzüglich“ in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB praktisch keine andere Funktion, als dem Emittenten sachlich zwingende oder vertretbare Verzögerungen – wie etwa die Prüfung der Eigenschaft einer Information als Insiderinformation unter Einholung externen Rats – nicht als Pflichtverletzung vorhalten zu können. Für eine autonome Auslegung des Begriffs, aber ohne deren inhaltliche Ausführung, auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 476 (wegen des Erfordernisses der autonomen Auslegung, könne „grds. nicht auf § 121 Abs. 1 BGB zurückgegriffen“ werden, wobei „umstritten“ sei, „ob der Emittent dennoch seiner Pflicht ohne schuldhaftes Zögern“ nachkommen müsse). Für objektive Auslegung und Beibehaltung der ursprünglichen Formel „so bald wie möglich“ auch Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 17. 180 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 258; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 100. 181 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42; schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 70. Ganz herrschende Meinung. Zur Rechtfertigung etwa Buck-Heeb, CCZ 2009, 18, 20. Zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 107. 182 Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 258 („kein gesondertes Verschuldensmerkmal“); Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 100. 183 Bekritzky, S. 209 ff., 245, 382 („Zeitvorgabe“); Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 258 („Die Unverzüglichkeit bestimmt die Rechtzeitigkeit“). 184 So schon die zutreffende Forderung von Lebherz, S. 87 ff., in Bezug auf die Auslegung des – Art. 6 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16) – umsetzenden § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F., allerdings übersehend, dass man die Auslegung dieser Vorschrift auch unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB i.E. durchaus als deckungsgleich mit einer autonomen Auslegung betrachten konnte.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 65 | Veröffentlichung von Insiderinformationen die Umstände des Einzelfalls rechtfertigen eine Verzögerung der Veröffentlichung und die Veröffentlichung erfolgt damit ohne schuldhaftes Zögern oder, synonym, so bald wie nach den Umständen möglich. 66 Zu den Umständen, die eine Verzögerung der Veröffentlichung rechtfertigen, gehört regelmäßig die dem
Emittenten obliegende Prüfung der Frage, ob eine Information eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation darstellt und eine Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 eingetreten ist. Hierzu ist dem Emittenten – sowohl im Hinblick auf eine gegebenenfalls erforderliche Sachverhaltsaufklärung als auch in Bezug auf die rechtliche Beurteilung – stets ein angemessener Prüfungszeitraum einzuräumen185, der auch den für die Prüfung einer Befreiungsentscheidung für den Fall des Vorliegens einer veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation und gegebenenfalls die Heranziehung externer Berater186 erforderlichen Zeitrahmen (dazu Rz. 93) einschließt. Allerdings darf weder die Vornahme der Prüfung selbst noch deren Dauer „missbräuchlich sein und muss unverzüglich in Auftrag gegeben bzw. begonnen werden“187. Was im Einzelfall ein angemessener Prüfungszeitraum ist, richtet sich nach der Kompliziertheit und Komplexität des jeweiligen Sachverhalts. Nach Ablauf dieser Frist, die bei offenkundig ad-hocpublizitätspflichtigen Insiderinformationen auch völlig entfallen kann, ist die fragliche Information allerdings ohne weiteres Zögern bekannt zu geben. Dabei ist es unerheblich, ob die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache in- oder außerhalb von eventuellen Handelszeiten, namentlich Börsenhandelszeiten, eingetreten ist und bei unverzüglicher Veröffentlichung in vorstehendem Sinne in- oder außerhalb bestehender Handelszeiten der Bereichsöffentlichkeit bekannt (gegeben) würde188 (s. auch Rz. 68 a.E.).
67 Sind dem Emittenten, d.h. seinem Vorstand oder einzelnen seiner Vorstände, ihn unmittelbar betreffende
Insiderinformationen nicht bekannt geworden, ihm aber im Wege der Wissenszurechnung zurechenbar (Rz. 50 ff.), so fehlt es vom Zeitpunkt der Zurechenbarkeit an deren unverzüglicher Veröffentlichung. Das ist eine zwangsläufige Folge der Wissenszurechnung und des Zurechnungsgrunds unzureichender Wissensorganisation. Letzteres hat wohl die BaFin im Auge, wenn sie ausführt, falls die Insiderinformation an einer Stelle des Unternehmens entstehe, die nicht berechtigt sei, über die Veröffentlichung zu entscheiden, müsse durch die unternehmensinterne Organisation sichergestellt sein, dass die Information unverzüglich einer entscheidungsberechtigten Person oder Gremium zugeleitet werde189.
68 Im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob eine Veröffentlichung unverzüglich vorgenommen wurde,
kann sich der Emittent im Übrigen nicht darauf berufen, er sei nicht darauf vorbereitet gewesen, eine Veröffentlichungspflicht zu erkennen, zu prüfen und vorzunehmen oder der Möglichkeit eines Aufschubs der Veröffentlichung nachzugehen, denn der Emittent ist verpflichtet, alle hierfür erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, so dass er seine Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten unverzüglich wahrnehmen kann190. Dies konkretisierend heißt es im Emittentenleitfaden der Ba185 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 122 ff., 129 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 73. Zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 107; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 122; Happ/Semler, ZGR 1998, 117, 129; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 150; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 103; Klöhn, AG 2016, 423, 430; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.325; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.352; Poelzig in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 17 („angemessener Zeitraum ..., um das Bestehen seiner Veröffentlichungspflicht in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise“ prüfen zu können); Renz/ Rippel, BuB, Rz. 7/747; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 122; Waldhausen, S. 46; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 49. 186 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.352. Zu § 15 WpHG a.F. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 60; schon RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, 48; Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 249; Eichner, S. 129; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 107; Hopt in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 107 Rz. 106. 187 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36. 188 Schon BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 70; noch konkreter BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42. Ausführlich dazu schon das Schreiben der BaFin vom 8.2.2002, in den hierfür maßgeblichen Teilen wiedergegeben bei Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 250. Ebenso Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 125; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 125; auch Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 51. 189 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 70. 190 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 107; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 103; Meyer in Kümpel/Mülbert/ Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.347; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 901; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 18 ff.; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 119; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 50.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 69 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Fin191: „Hierzu gehört, dass der Emittent potenzielle Insiderinformationen so schnell wie möglich identifiziert und auf eine Ad-hoc-Pflicht prüft. Ferner hat der Emittent bei vorhersehbaren Insiderinformationen Vorarbeiten zu leisten, die eine zeitliche Verzögerung weitestgehend vermeiden wie z.B. die Fertigung von Entwürfen einer Ad-hoc-Mitteilung, die rechtzeitige Einberufung von Ad-hoc-Gremien, die Kontrolle der Funktionsfähigkeit der für die Veröffentlichung genutzten Systeme sowie der ausreichende Einsatz von in der Veröffentlichung geschultem Personal. Der Emittent ist verpflichtet, unklare Sachverhalte weiter aufzuklären und mögliche Auswirkungen eines Ereignisses sorgfältig daraufhin zu prüfen, ob ein veröffentlichungspflichtiger Umstand vorliegt. Notfalls ist der Emittent angehalten, sich des Rates von Experten zu bedienen. Eine Grenze für die Dauer einer solchen Aufklärung und Prüfung ist bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu ziehen“. Eventuell erforderliche Übersetzungen – sei es der Ad-hoc-Mitteilung selbst oder sei es von Teilen derselben – dürfen die Veröffentlichung nicht verzögern192. Soweit in Börsenordnungen von Wertpapierbörsen eine zeitgleiche Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung auch in englischer Sprache zu veröffentlichen und der Emittent nicht gem. § 3b WpAV befugt ist, die Ad-hoc-Mitteilung in englischer Sprache zu veröffentlichen, betrachtet die BaFin diese Regelungen als gegenüber dem Unverzüglichkeitserfordernis des Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nachrangig und keine Verzögerung der Offenlegung rechtfertigend193. Trägt der Emittent dem Rechnung, so bedarf eine „spätere Veröffentlichung in englischer bzw. anderssprachiger Fassung [zwar] nicht mehr der Form einer Ad-hoc-Meldung, weil die Information zu diesem Zeitpunkt bereits öffentlich bekannt ist“, doch sieht die BaFin die spätere Meldung als Ad-hoc-Meldung nicht als unzulässig an, wenn sie innerhalb von 24 Stunden nach der ersten Veröffentlichung erfolgt194. Sowohl die Veröffentlichung selbst als auch die erforderlich Vorabmitteilung müssen, um als unverzüglich vorgenommen zu gelten, unabhängig von den Börsenhandelszeiten erfolgen195. Die Beantwortung der lange Zeit umstrittenen Frage, was ein erster Schritt und was ein Zwischenschritt in 69 einem gestreckten Sachverhalt ist sowie unter welchen Voraussetzungen und wann er vom Emittenten zu veröffentlichen ist, richtet sich nach der Geltl-Entscheidung des EuGH196 und den auf dieser basierenden Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 VO Nr. 596/2014 (dazu ausführlich Art. 7 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 23 f. und 49 ff.). Nach ersterer kann jeder „Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs ... selbst eine Reihe von Umständen oder ein Ereignis in dem diesen Begriffen im Allgemeinen zugeschriebenen Sinn“ und damit eine präzise Information darstellen197, was Art. 7 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 in die Regel fasst, dass „im Fall eines zeitlich gestreckten Vorgangs, der einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, dieser betreffende zukünftige Umstand bzw. das betreffende zukünftige Ereignis und auch die Zwischenschritte in diesem Vorgang, die mit der Herbeiführung oder Hervorbringung dieses zukünftigen Umstandes oder Ereignisses verbunden sind, in dieser Hinsicht als präzise Information“ zu betrachten sind. Deren Qualifikation als Insiderinformationen hängt dann als Information über den eingetretenen Zwischenschritt von ihrer Kursrelevanz (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 und Rz. 54 f.) und als zukunftsbezogene Information von ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und Kursrelevanz ab (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 und Rz. 56 ff.), was Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 in die eher redundante Formulierung packt, ein Zwischenschritt in einem gestreckten Vorgang sei als eine Insiderinformation zu betrachten, falls er für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen gem. Art. 7 VO Nr. 596/2014 erfülle. Zu Einzelheiten zu den Voraussetzungen, unter denen dies der Fall ist, s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 53 ff. Wann immer ein (erster oder weiterer) Zwischenschritt eine Insiderinformation darstellt, die den Emittenten unmittelbar betrifft, hat der Emittent den jeweiligen Zwischenschritt nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverzüglich offenzulegen oder – wie sich auch Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 entnehmen lässt – nach Maßgabe und unter den Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 die Offenlegung aufzuschieben. Die vorstehend erörterte Problematik würde obsolet, würde der am 7.12.2022 von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag des sog. Listing Act mit der in diesem vorgeschlagenen Änderung von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 angenommen (s. dazu Rz. 17a). Diese hätte zur Folge, dass Zwischenschritte auf dem Weg zur Herbeiführung
191 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42. 192 In Bezug auf die Veröffentlichung einer Insiderinformation in mehreren Sprachen BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S.42/43: „Wird eine Insiderinformation in mehreren Sprachen veröffentlicht, darf die Übersetzung die Veröffentlichung nicht verzögern, d.h. mit der Veröffentlichung darf nicht abgewartet werden, bis eine oder alle Übersetzungen der Mitteilung vorliegen“. 193 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42. 194 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 43. 195 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42 („Nach derzeitigem Kenntnisstand bieten mehrere auf dem Gebiet der Ad-hoc-Publizität tätige Dienstleister zu jeder Zeit die Möglichkeit, eine Veröffentlichung zu veranlassen“). 196 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555. 197 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555 Ls. 1, 556 Rz. 31.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 69 | Veröffentlichung von Insiderinformationen eines zukünftigen Ereignisses oder zukünftiger Umstände („intermediate steps in a protracted process“) nicht mehr ad hoc zu veröffentlichen wären (s. dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 59a).
4. Ausschluss der Veröffentlichungspflichten 70 Auch wenn die Voraussetzungen einer Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/
2014 gegeben sind, können Gesetz und Recht einer solchen entgegenstehen und nicht lediglich ein Recht auf Aufschub der Veröffentlichung gewähren.
a) Spezialgesetzlicher Ausschluss 71 Ein spezialgesetzlicher Ausschluss der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen findet sich
allein in § 10 Abs. 6 WpÜG, demzufolge Art. 17 VO Nr. 596/2014 nicht für Entscheidungen eines Bieters zur Abgabe eines Angebots gilt. Deren Veröffentlichung richtet sich vielmehr ausschließlich nach dem auch unter der Marktmissbrauchsverordnung anwendbaren (s. dazu Rz. 10) § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. b) Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitsschutz
72 Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014
ist nicht generell ausgeschlossen, weil es sich bei diesen um Informationen handelt, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse oder vertrauliche Informationen darstellen. Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung oder am Schutz der Vertraulichkeit einer Insiderinformation können, auf welcher rechtlichen Grundlage sie auch immer beruhen, nur im Rahmen des Rechts zum Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 WpAV (Text der Vorschrift bei Rz. 104) Berücksichtigung finden (Rz. 88 ff.). Nach diesen Bestimmungen setzt die Befreiung des Emittenten von der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen jedenfalls voraus, dass die Veröffentlichung geeignet ist, seine berechtigten Interessen zu beeinträchtigen (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014), wobei nach § 6 Satz 1 WpAV allgemein dann von einem berechtigten Interesse des Emittenten auszugehen ist, wenn seine Interessen an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen (Rz. 105). c) Persönlichkeitsrecht
73 Anders als der Geheimnis- und der Vertraulichkeitsschutz kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht die
Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 generell ausschließen. Dabei kann sich ein Emittent allerdings weder darauf berufen, schon die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen oder von bestimmten Insiderinformationen an sich verletzte sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als Emittent. Dem steht schon entgegen, dass das BVerfG den personellen Schutzbereich dieses Rechts – wegen des Bezugs von Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG als Grundlage desselben zur natürlichen Person – nicht generell auf juristische Personen erstreckt198 und auch die Zivilgerichte ein allgemeine Persönlichkeitsrecht juristischer Personen nur eingeschränkt in dem Umfang anerkennen, „als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen“, was bislang nur für den Fall angenommen wurde, dass „sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden“199. Schon das ist indes bei der Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht zu erkennen.
74 Das schließt es allerdings nicht aus, dass mit der Veröffentlichung einer Insiderinformation das allgemeine
Persönlichkeitsrecht einer natürlichen Person nach Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – etwa das eines Organmitglieds, auf die sich die Insiderinformation bezieht – verletzt würde und die Veröffentlichung schon deshalb ausgeschlossen ist200. Eine solche Verletzung ist etwa dann anzunehmen, wenn personenbezogene Informationen – wie beispielsweise die 198 Ausdrücklich abgelehnt in Bezug auf das Verbot der Selbstbezichtigung in BVerfG v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 241 = NJW 1997, 1841 Ls. 2, 1844; dazu Rz. 77. Auch wenn es an einer generellen Ablehnung der Einbeziehung von juristischen Personen in den persönlichen Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das BVerfG fehlt, wird doch generell angenommen, dass eine solche nur auf „abgesenktem Schutzniveau“ erfolgen könne. S. dazu di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand: Juli 2021, Art. 2 GG Rz. 224. 199 BGH v. 3.6.1986 – VI ZR 102/85, NJW 1986, 2951, 2952 m.w.N. 200 Allgemein Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 149; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 379 ff.; Veil in Veil, Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 53; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 193, mit starker Betonung der Rechtfertigung eines Eingriffs in das
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 75 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Feststellung einer schweren Erkrankung des Vorsitzenden des Vorstands des Emittenten oder eines herausragenden Spielers eines Fußballclubs mit Emittenteneigenschaft201 – als kurserheblich zu betrachten sind und nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 veröffentlicht werden202. Dabei versteht sich von selbst, dass die Veröffentlichung einer schweren Erkrankung überhaupt nur in Frage kommt, wenn das Wissen hierüber den engen persönlichen Bereich des Erkrankten verlassen hat (nur dann kommt überhaupt eine diesbezügliche Insiderinformation in Betracht, Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 21) und damit – etwa weil die Erkrankung dem Vorstand bekannt wurde – dem Emittenten zurechenbar ist203. Auch wenn die Veröffentlichung der Insiderinformation einer schweren Erkrankung durch den Emittenten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vorstandsvorsitzenden in Gestalt namentlich von dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, so stünde dies doch einer Veröffentlichung der Insiderinformation nicht unter allen Umständen entgegen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird nicht schrankenlos gewährt, sondern unterliegt der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung und daher einem einfachen Gesetzesvorbehalt204. Einschränkungen des Rechts auf „informationelle Selbstbestimmung“ sind nach der Rechtsprechung des BVerfG nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig: „Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.“205 Diese Voraussetzungen sind in der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 für den Fall als erfüllt anzusehen, dass die Abwägung zwischen einerseits Informationsinteressen der Allgemeinheit an funktionsfähigen Kapitalmärkten und der informationellen Chancengleichheit des Marktpublikums mit andererseits den Geheimhaltungsinteressen und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Person, auf die sich die Insiderinformation bezieht, zugunsten der Ersteren ausfällt und der mit der Veröffentlichung verbundene Eingriff sich angesichts der zu erwartenden Folgen des zu veröffentlichenden Umstands oder Ereignisses für das Unternehmen als verhältnismäßig erweist206. Kommt der Emittent zu dem Befund, der Persönlichkeitsschutz der Person, auf die sich Insiderinformation be- 75 zieht, überwiege die Interessen der Allgemeinheit und des Marktpublikums an der Veröffentlichung der Information, kann die Veröffentlichung unterbleiben, ohne dass es des Aufschubs derselben nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 bedarf207. Gelangt er zum gegenteiligen Ergebnis, kann er sich von der Veröffentlichung der Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 befreien, vermag dabei allerdings nicht geltend zu machen, dies im Interesse der betroffenen Person zu tun, um ihr Persönlichkeitsrecht zu respektieren und ihr Beeinträchtigungen durch die Veröffentlichung zu ersparen. Vielmehr kann er die Veröffentlichung nur aufschieben, wenn diese seine berechtigten Interessen beeinträchtigen würde (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 WpAV). Die Interessen Dritter darf er dabei nur berücksichtigen, soweit deren Verletzung die Beeinträchtigung seiner berechtigten Interessen nach sich zöge (dazu Rz. 105 und Rz. 121). Dessen ungeachtet steht einer Veröffentlichung der fraglichen Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nichts entgegen, wenn die von dieser betroffene Person der Veröffentlichung zustimmt208.
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Persönlichkeitsrecht im Interesse der Vorbeugung von Insiderhandel und der Markteffizienz, weil die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte im öffentlichen Interesse liege. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 149; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 379 f.; Fleischer in FS Uwe H. Schneider, S. 333, 348 ff.; Schumacher, NZG 2001, 776; Wertenbruch, WM 2001, 193. Dazu etwa Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 151; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 380 f.; Kumpan/ Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 110. Ebenso Ihrig, ZHR 181 (2017), 381, 401 f. S. di Fabio in Dürig/Herzog/Scholz, Stand: Juli 2021, Art. 2 GG Rz. 133 m.w.N. BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, BVerfGE 61, 1, 44 = NJW 1984, 419 Ls. 2, 422; BVerfG v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 29, 256, 269 = NJW 1989, 891, 892: „Das Grundrecht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Es kann nach Art. 2 Abs. 1 GG nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung ausgeübt werden. Insbesondere ist die gerichtliche Klärung der eigenen Abstammung nur aufgrund gesetzlicher Ausgestaltung möglich. Diese verletzt Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erst dann, wenn der Gesetzgeber dabei einen verfassungswidrigen Zweck verfolgt oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.“ Ebenso Bayer in FS Hommelhoff, S. 87, 95; Fleischer in FS Uwe H. Schneider, S. 333, 350; 351: „... dürfte eine Ad-hocPublizitätspflicht über einen drohenden krankheitsbedingten Ausfall jedenfalls bei Vorstandsvorsitzenden von DAX30-Unternehmen nicht von vornherein unverhältnismäßig sein“; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 336; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 382; Petsch, S. 313. Ähnlich Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 193 (Fn. weggelassen): „In der konkreten Abwägung der konkurrierenden Interessen wird man die Intensität des Eingriffs (am stärksten geschützt ist die Intimsphäre) und die Sensibilität der Insiderinformation (iSd Judikatur des EuGH in der Rechtssache Grøngaard und Bang) zu berücksichtigen haben“. So auch Veil in Veil, Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 53; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 86. Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 379 (Ein „Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht [ist] möglich, da dieses Recht grundsätzlich zur Disposition des Grundrechtsinhabers steht“).
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 76 | Veröffentlichung von Insiderinformationen d) Selbstbelastungsverbot (Nemo tenetur-Grundsatz) 76 Ein rechtlicher Grund für den Ausschluss einer Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO
Nr. 596/2014 ist der Nemo tenetur-Grundsatz, d.h. der Rechtsgrundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare). Greift dieser Grundsatz ein, entfällt eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten, ohne dass er von der Möglichkeit des Aufschubs der Pflicht zur Veröffentlichung der dafür in Betracht kommenden Insiderinformation Gebrauch machen müsste209, was ihn allerdings nicht von den Verboten des Art. 14 VO Nr. 596/2014, namentlich der unbefugten Weitergabe der Insiderinformation, befreit210. Das schließt es nicht aus, dass der Emittent und seine Rechtsberater, schon um möglichen Folgen einer anderweitigen rechtlichen Beurteilung des Ausschlusses des Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 durch den Rechtsgrundsatz vorzubeugen, den Weg des Aufschubs der Offenlegung der in Betracht kommenden Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 beschreiten, um sich hinsichtlich der berechtigten Interessen des Emittenten am Aufschub auf den Nemo tenetur-Grundsatz zu berufen. Auch in diesem Fall, in dem die Bestimmungen des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 und die Folgepflichten eines Aufschubs zu beachten sind, kommt es in Bezug auf die berechtigten Interessen des Emittenten am Aufschub vor allem, und nachfolgend näher behandelt, auf die Geltung und den Anwendungsbereich des Nemo tenetur-Grundsatzes in Europa und Deutschland an. Der Nemo tenetur-Grundsatz kommt vor allem im Zusammenhang mit der Aufdeckung von und dem Verdacht auf Compliance-Verstöße beim Emittenten und der damit aufkommenden Frage in Betracht, ob der Emittent zur Offenlegung der diesbezüglichen Erkenntnisse als Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verpflichtet ist. Dabei ist davon auszugehen, dass bereits der Verdacht auf Compliance-Verstöße eine Insiderinformation darstellen kann (dazu und zu den diesbezüglichen Voraussetzungen Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 ff.).
77 Der Nemo tenetur-Grundsatz ist auch dem deutschen Recht als allgemeiner Rechtsgrundsatz bekannt211.
Er hat sich im sowohl im Strafgesetzbuch (Anzeigepflicht von Straftaten nach § 138 StGB212), in der StPO (Aussageverweigerungsrecht eines Zeugen wegen Gefahr der Selbstbezichtigung nach §§ 55 Abs. 1 StPO und des Beschuldigten nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) niedergeschlagen213 und hat seine Grundlage und Verankerung im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)214 sowie – vielfach übersehen oder vernachlässigt – im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 GG)215 und seinen Ausprägungen (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3, 101 und 103 Abs. 1 GG). Wegen des Bezugs der in Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zur natürlichen Person, der mangelnden Strafbarkeit juristischer Personen sowie den Annahme, der Konflikt der Selbstbezichtigung treffe allein diese, hat das BVerfG unter Berufung auf Art. 19 Abs. 3 GG („Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.“) allerdings entschieden, dass der vom GG
209 Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 100 f., geht (S. 100) zwar davon aus, der Geschäftsleitung komme im Falle einer im Rahmen von „Internal Investigations“ erfolgenden Aufdeckung eines wirtschaftlich und für den Aktienkurs bedeutsamen Compliance-Verstoßes („selbst auch bei Compliance-Verstößen durch aktives Handeln von Vorstandsmitgliedern“, S. 101), der der den zuständigen Verwaltungs- und Strafbehörden bislang unbekannt geblieben sei, „in der Regel (Ausnahme: Nacherklärungs- und Berichtigungspflichten im Steuerrecht) ein unternehmerisches Ermessen im Sinne der Business Judgement Rule (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) bei Beantwortung der Frage zu, ob das Unternehmen den Compliance-Verstoß der zuständigen Verwaltungs- und/oder Strafbehörde meldet“. Gleichwohl scheint er (S. 101) auch bei Eingreifen des Nemo tenetur-Grundsatzes am Erfordernis eines Aufschubs der Veröffentlichung eines als Insiderinformation zu qualifizierenden Compliance-Verstoßes festzuhalten, wenn er folgert, dann sei „es aber auch wertungskonsequent, die Veröffentlichung einer wirtschaftlich bedeutsamen Compliance-Verletzung, die an sich als Insiderinformation qualifiziert, aufschieben zu können ..., und zwar nötigenfalls bis die Qualifikation als Insiderinformation deshalb [wegfalle], weil Verwaltungssanktionen bzw. Schadenersatzansprüche Dritter verjährt“ seien. 210 Schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 91; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 284. A.A. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 160 mit dem verfehlten Hinweis, der „Konflikt“ mit dem Nemo tenetur-Grundsatz folge „nämlich nicht aus der Ad-hoc-Publizitätspflicht selbst, sondern aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht“. 211 BGH v. 4.8.1992 – 1 StR 382/92, NStZ 1993, 50, 51, Hervorhebung hinzugefügt, Nachweise weggelassen): „Der Umstand, daß derjenige, der an einer Tat beteiligt (oder dessen zumindest verdächtig) ist, wegen der Nichtanzeige dieser Tat nicht bestraft werden kann ..., ändert daran nichts. Dieses Ergebnis beruht nicht etwa darauf, daß bei dem Täter ... kein Verhalten vorläge, das nicht auch die Merkmale des Tatbestands § 138 StGB erfüllen würde, sondern ist Ausfluß des Rechtsgrundsatzes, daß niemand sich selbst belasten muß ...“. Zum Nemo-tenetur-Grundsatz im Zivil- und Gesellschaftsrecht BGH v. 18.9.2008 – II ZR 152/17, AG 2018, 893, 896 f. Rz. 36 ff. 212 S. Kremer in FS Uwe H. Schneider, S. 701, 713. 213 S. etwa Möller, JR 2005, 324, 325. 214 BVerfG v. 15.10.2004 – 2 BvR 1316/04, NJW 2005, 352. S. auch Fink, wistra 2014, 457, 459; Kraft, S. 142 ff.; Queck, S. 121 ff.; U. Weiß, NJW 2014, 503, 504. 215 BVerfG v. 6.2.2002 – 2 BvR 1249/01, NJW 2002, 1411, 1412. S. auch Fink, wistra 2014, 457, 458.
566 | Assmann
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 78 Art. 17 VO Nr. 596/2014
gewährte Schutz vor Selbstbezichtigung nur natürlichen Personen zukommt216. Nach der Feststellung des EuGH in einem Urteil aus dem Jahre 1989217 entspricht dies der Rechtslage in den übrigen (der seinerzeitigen) Mitgliedstaaten der EU. Ob das BVerfG zu einem anderen Urteil gelangen würde, wenn sich die juristische Person durch eine rechtlich gebotene Veröffentlichung nach ausländischem Strafrecht, das – wie die Schweiz gem. Art. 102 des schweizerischen StGB – die Strafbarkeit juristischer Personen kennt und diese nicht auf Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz beschränkt218, strafbar machte, ist offen. Zu denken ist etwa an Compliance-Verstöße in Gestalt von Korruption in der hundertprozentigen schweizerischen Tochter eines deutschen Emittenten, der dafür in der Schweiz mit Strafe zu rechnen hätte. Eine Modifikation der Rechtsprechung des BVerfG erscheint hier einerseits – wegen der Begründung der Nichtanwendbarkeit des Nemo tenetur-Grundsatzes auf juristische Personen mit deren mangelnden Strafbarkeit – zwar angezeigt, ist aber andererseits – weil das BVerfG das Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung zugleich nicht unmaßgeblich mit der Menschenwürde in Verbindung bringt219 – nicht zwingend. Eine Ausprägung des Nemo teneturGrundsatzes fand sich im Übrigen auch in § 4 Abs. 9 WpHG a.F.220 und findet sich heute in § 6 Abs. 15 WpHG, doch beschränkt sich das aus diesen Vorschrift folgende Auskunftsverweigerungsrecht ausschließlich auf Auskunftsrechte und Auskunftsersuchen der BaFin, kann also nicht den Ausschluss der Offenlegung einer Insiderinformation begründen oder den Aufschub derselben rechtfertigen. Können sich auf den vom GG gewährten Schutz vor Selbstbezichtigung nur natürlichen Personen berufen, 78 so steht ein aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) abzuleitender Schutz vor Selbstbezichtigung auch juristischen Personen zu. Zwar genießen die in der EMRK niedergelegten Rechte keinen Verfassungsrang, doch ist die EMRK nach der Rechtsprechung des BVerfG Teil des positiven Rechts Deutschlands und mithin auch dann anwendbar, wenn die von der EMRK gewährten Rechte weiter gehen als grundgesetzlich eingeräumte Schutzpositionen221. Darüber hinaus bestimmt die EMRK als geltendes deutsches Recht nicht nur die Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes222, sondern auch die Auslegung von Gesetzen, um diese „im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden, selbst wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein geltender völkerrechtlicher Vertrag“223. Die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ergebenden Rechte werden durch die Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) nicht verdrängt224. Nach der weitesten Lesart von Art. 52 Abs. 3 GRC kommt es über dessen Satz 1 nicht nur zu einem Schrankentransfer, sondern auch zu einer Übernahme der entsprechenden EMRK-Bestimmungen in toto225. 216 BVerfG v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 241 = NJW 1997, 1841 Ls. 2, 1844. Kritisch dazu und anders etwa Ackermann, NZKart 2015, 17, 19 f.; Rogall in FS Werner Beulke, S. 973, 983 ff.; Szesny, S. 82 f.; W. Weiß, JZ 1998, 289 ff.; W. Weiß, Der Schutz des Rechts auf Aussageverweigerung durch die EMRK, NJW 1999, 2236, 2237. 217 EuGH v. 18.10.1989 – C-374/87, EuZW 1991, 412, 414 Rz. 29, in Bezug auf das Recht zur Verweigerung der Zeugenaussage gegen sich selbst. 218 Zum Fall der Alstom SA (mit Sitz in Frankreich) etwa Nadelhofer do Canto, Millionenbusse gegen Alstom-Tochter wegen ungenügender Vorkehren gegen Bestechung Besprechung des Strafbefehls der Schweizerischen Bundesanwaltschaft gegen die Alstom Network Schweiz AG vom 22.11.2011, GesKR (Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Zürich) 2012, 129, 133. 219 BVerfG v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, NJW 1997, 1841, 1843/1344. 220 Zum Auskunftsverweigerungsrecht als Ausdruck des Nemo tenetur-Grundsatzes s. Szesny, BB 2010, 1995. 221 Schon BVerfG v. 15.12.1965 – 1 BvR 513/65, NJW 1966, 243, 244; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2011, Einleitung Rz. 33; Queck, S. 108 f. m.w.N. 222 BVerfG v. 26.3.1987 – 2 BvR 589/79 u.a., BVerfGE 74, 358, 370 = NJW 1987, 2427, mit dem Vorbehalt, „sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt“. Das ist hier allerdings auszuschließen ist, weil Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK in Bezug auf den auch für juristische Personen geltenden Nemo tenetur-Grundsatz über den Schutz des GG hinausgeht. 223 BVerfG v. 26.3.1987 – 2 BvR 589/79 u.a., BVerfGE 74, 358, 370 = NJW 1987, 2427 – mit dem Hinweis, ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers müsse klar bekundet worden sein. Beispielhaft wird die StPO angeführt, doch bestehen keine Zweifel, dass dies auch für andere Gesetze und deren Bestimmungen gilt, die – wie die Ad-hoc-Publizitätspflicht eines Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. und Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 – den Träger eines Rechts nach der EMRK zu Informationen veranlassen oder zwingen, mit denen er sich selbst einem straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfahren aussetzen würde. Entsprechend hat sich auch das BVerwG bei der Ausübung seines Verfahrensermessens bei der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO für verpflichtet angesehen, die Artikel der Menschenrechtskonvention – im konkreten Fall Art. 6 Abs. 1 EMRK – vorrangig zu beachten. Aus dem Schrifttum Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2011, Einleitung Rz. 33; Queck, S. 109. 224 S. Art. 52 Abs. 1–3 GRC. Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 52 Rz. 29 f. 225 Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 52 Rz. 30 m.w.N. in Fn. 11.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 79 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 79 Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene straf-
rechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird226. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) umfasst das in dieser Vorschrift statuierte „Recht auf ein faires Verfahren“ den Nemo tenetur-Grundsatz, das heißt das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen227. Zu dem aus dem Nemo tenetur-Grundsatz folgenden Schweigerecht gehört neben dem Aussageverweigerungsrecht, dem Auskunftsverweigerungsrecht und dem Recht zur Verweigerung der Vorlage freiwillig angefertigter Unterlagen228 auch das Recht, entgegen einer gesetzlichen Publizitätsvorschrift von der Veröffentlichung selbstbelastender Informationen abzusehen.
80 Das Erfordernis der „strafrechtlichen Anklage“ („criminal charge“) in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist kon-
ventionsautonom auszulegen229, unter Anwendung der vom EGMR entwickelten Kriterien, „nämlich erstens, wie das innerstaatliche Recht das Verfahren qualifiziert, zweitens die Art der Zuwiderhandlung und drittens die Art und Schwere der dem Betroffenen drohenden Sanktion.“230
81 Nicht erforderlich, dass eine formelle Anklage erhoben oder ein zur Anklage führendes Verfahren eingeleitet
worden ist231. Vielmehr greift das Schweige- oder Geheimhaltungsrecht schon dann ein, wenn der Betreffende aufgrund einer Auskunft, Aussage oder Offenlegung „damit rechnen muss, strafrechtlich belangt zu werden.“232 Damit schützt der Nemo tenetur-Grundsatz des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK eine Person generell davor, Informationen preisgeben zu müssen, mit denen sie „aktiv“233 an einer späteren Verurteilung einschließlich der Festsetzung einer Geldbuße mitwirken würde234. Als eine solche Mitwirkung ist auch die sichere Veranlassung entsprechender Verfahren aufgrund der im Wege einer Ad-hoc-Veröffentlichung zu verbreitenden Information über Compliance-Verstöße anzusehen.
82 Auch das Erfordernis der strafrechtlichen Anklage ist autonom auszulegen. Ob eine strafrechtliche Sanktion
vorliegt, hängt nicht von der nationalstaatlichen rechtlichen Qualifikation der Rechtsfolge, sondern von der „Art und Schwere der dem Betroffenen drohenden Sanktion“ ab235 und umfasst auch Geldbußen236. Eine „strafrechtliche Anklage“ ist mithin auch dann gegeben, wenn der Betreffende Informationen preisgäbe, die ordnungswidrigkeitsrechtliche gravierende bußgeldbewehrte Sanktionen nach sich ziehen würde. Ungeachtet des im Einzelfall vorliegenden Compliance-Verstoßes kommt diesbezüglich vor allem die Einleitung eines
226 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK lautet: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“ 227 EGMR v. 3.5.2001 – 31827/96, NJW 2002, 499 Ls. 3: „Auch wenn das in Art. 6 I EMRK nicht ausdrücklich gesagt ist, entspricht das Recht, zu schweigen und sich nicht selbst zu beschuldigen, international allgemein anerkannten Grundsätzen und ist ein Kernstück des von Art. 6 I EMRK garantierten fairen Verfahrens.“ S. auch Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rz. 131 m.w.N.; Ott, S. 106 f.; Queck, 2005, S. 106 f. Ungeachtet der vorstehend widergegebenen Rechtsprechung des EGMR und mit nicht überzeugenden Gründen zweifelnd Fink, wistra 2014, 457, 462. 228 EGMR v. 3.5.2001 – 31827/96, NJW 2002, 499, 501 Rz. 64. S. auch Kruse, Compliance und Rechtsstaat – Zur Freiheit von Selbstbelastung bei International Investigations, 2014, S. 22 f.; Ott, Der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“, (Zürich u.a.) 2012, S. 112 ff.; Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, 2005, S. 106. 229 EGMR v. 3.5.2001 – 31827/96, NJW 2002, 499 Ls. 1. S. dazu auch W. Weiß, NJW 1999, 2236. 230 Ständige Rechtsprechung, etwa EGMR v. 3.5.2001 – 31827/96, NJW 2002, 499, 500 Rz. 44 m.w.N. 231 Ott, S. 100 f.; W. Weiß, NJW 1999, 2236. 232 Roth, ZStrR 2011, 296, 311 m.w.N.; ebenso Ott, S. 111. So hat der EGMR bereits die Verpflichtung einer Person, bei einem Verhör durch eine Finanzbehörde anwesend zu sein, um Fragen zum Tatvorwurf zu beantworten, als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK angesehen, wenn die Finanzbehörden die Informationen an die strafrechtlichen Ermittlungsbehörden weitergeben dürfen; EGMR v. 4.10.2005 – 6563/03 – Shannon, abrufbar unter www.hrr-strafrecht.de/hrr/egmr/03/6563-03.php. 233 Roth, ZStrR 2011, 296, 312. 234 S. auch EGMR v. 25.3.2015 – 54648/09DE, NStZ 2015, 412, 414 Rz. 49 ff., 415 Rz. 59 ff. 235 EGMR v. 3.5.2001 – 31827/96, NJW 2002, 499 Ls. 1, 500 Rz. 44; EGMR v. 4.3.2014 – 18640/10, 18647/10, 18663/ 10, 18668/10, 18698/10, Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOT) 2015, 712, 714 f. Rz. 94 ff., insb. Rz. 97 – beck-online. 236 EGMR v. 21.2.1984 – ohne Az. – Öztürk, NJW 1985, 1273 f. Rz. 50 ff., insb. Rz. 53 Abs. 2: „Mögen die Geldbußen in mancher Hinsicht weniger belastend erscheinen als Geldstrafen, so haben sie dennoch den Charakter einer Bestrafung beibehalten, durch den sich strafrechtliche Sanktionen gewöhnlich auszeichnen“; EGMR v. 3.5.2001 – 31827/96, NJW 2002, 499 Ls. 2; EGMR v. 4.3.2014 – 18640/10, 18647/10, 18663/10, 18668/10, 18698/10, Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOT) 2015, 712, 715 Rz. 97 f.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 86 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Ordnungswidrigkeitsverfahrens und die Verhängung einer Geldbuße gegen den Emittenten nach § 30 Abs. 1 OWiG (mit Geldbußen nach Maßgabe von § 30 Abs. 2 OWiG) in Betracht. Dass sich auch juristische Personen des Privatrechts auf den Nemo tenetur-Grundsatz aus Art. 6 Abs. 1 83 Satz 1 EMRK und das aus diesem folgende Schweigerecht berufen können, ist heute allgemein anerkannt237. Inwieweit dies auch für juristische Personen als Adressaten der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. und der Offenlegungspflicht aus Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 gilt, weil sie im Falle der Wahrnehmung ihrer Pflichten der straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung ausgesetzt sein könnte, ist im Schrifttum bislang unerörtert238. Dafür ist aber im Ergebnis anerkannt, dass sich ein Vorstandsmitglied, das sich durch eine von ihm zu veranlassende Ad-hoc-Mitteilung des Emittenten der Gefahr einer straf- oder bußgeldrechtlichen Verfolgung aussetzen würde, anders als die Vorstandsmitglieder, bei denen dies nicht der Fall ist, auf den Nemo tenetur-Grundsatz berufen und von der Vornahme der Veröffentlichung absehen kann239. Es ist nicht erkennbar, weshalb dies im Hinblick auf die einen Emittenten direkt treffende Pflicht zur Ad-hoc-Publizität und eine für diesen Fall zu erwartende straf- oder bußgeldrechtlichen Verfolgung anders sein sollte. Der Nemo tenetur-Grundsatz Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK wird auch durch Garantenpflicht oder andere 84 gesetzliche Pflichten desjenigen, der sich auf den Grundsatz beruft, nicht zurückgedrängt. In einer Entscheidung vom 29.11.1963 hat der 4. Strafrechtssenat des BGH240 zwar ausgeführt, der Verpflichtete müsse – ungeachtet des Umstands, dass er sich dadurch der Gefahr gerichtlicher Verfolgung aussetze – seine Warnoder Anzeigepflicht (nach § 138 StGB) erfüllen, wenn er eine diesbezügliche Garantenpflicht habe, doch standen dem Gericht dabei nur solche Garantenpflichten vor Augen, die auf einer besonders engen Beziehung zwischen der verpflichteten Person und derjenigen beruhen, zugunsten deren die Pflicht besteht. Eine solche Garantenpflicht kann hier aber weder zwischen Emittenten noch dem Vorstand zu denjenigen angenommen werden, deren Interessen oder Schutz die Ad-hoc-Publizität dient, wie insbesondere zu Aktionären des Emittenten oder zum Marktpublikum. Zu anderweitigen Einschränkungen des Nemo tenetur-Grundsatzes s. Rz. 87a. Besteht ein Recht des Emittenten, unter Berufung auf den Nemo tenetur-Grundsatz nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 85 EMRK die Veröffentlichung einer Insiderinformation zu verweigern, so ist es jedenfalls für die Ausübung dieses Rechts unschädlich, wenn darüber entscheidende Vorstände (auch) Eigeninteressen verfolgen (wie etwa die Vermeidung der eigenen strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung). Eine – im Hinblick auf die Anforderungen aus § 93 AktG – pflichtwidrige Entscheidung über die Nichtveröffentlichung einer Insiderinformation unter Berufung auf das Recht des Emittenten zur Unterlassung der Veröffentlichung241 vermag das Recht des Emittenten nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht zu infizieren. Ebenso wenig steht der Berufung auf den Nemo tenetur-Grundsatz nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ent- 86 gegen, dass die unterbleibende Veröffentlichung von Insiderinformationen dazu führt, Dritten – wie etwa in Korruptionsfällen den durch diese nicht zum Zuge gekommenen Wettbewerbern – die Möglichkeit der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche (etwa aus § 33 GWB) zu nehmen. Das ist, wie die unterbleibende behördliche Verfolgung eines Compliance-Verstoßes und die unterbleibende Information aktueller oder potentieller Anteilseigner des Emittenten, eine zwangsläufige Folge des dies bezüglich vorrangigen Nemo teneturGrundsatzes.
237 S. etwa EuGH v. 18.10.1989 – C-374/87, EuZW 1991, 412 Rz. 30: „Was Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention angeht, so ist zwar einzuräumen, daß sich ein Unternehmen, gegen das eine Untersuchung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts durchgeführt wird, auf diese Vorschrift berufen kann“. Aus dem Schrifttum Fink, wistra 2014, 457, 461 m.w.N.; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rz. 138; Queck, Die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zugunsten von Unternehmen, 2005, S. 107 f.; W. Weiß, JZ 1998, 289, 291 f.; W. Weiß, NJW 1999, 2236,2237. 238 Eine Ausnahme mögen Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 103, bilden, wenn diese ausführen: „Fallen delinquentes Verhalten und interne Zuständigkeit für die Mitteilung allerdings auseinander, sind sowohl der Emittent als auch die intern für die Mitteilung zuständigen Führungskräfte von der Ad-hoc-Mitteilung entbunden“. Allerdings ist die Logik von deren Argumentation nicht recht zu erkennen, da sie für den Fall, in dem das intern für Ad-hoc-Veröffentlichungen zuständige Organmitglied für den Compliance-Verstoß verantwortlich ist, eine Verpflichtung zur Vornahme der Ad-hoc-Publizität annehmen und lediglich davon ausgehen, die Unterlassung der Veröffentlichung könne keine „ordnungswidrigkeitsrechtliche Bebußung“ auslösen. 239 Altenhain in KölnKomm. WpHG, § 39 WpHG Rz. 30; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 160; Klöhn, ZIP 2015, 1145, 1154; Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 103. I.E. auch, ohne explizite Berufung auf den Nemo teneturGrundsatz, Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 91. 240 BGH v. 29.11.1963 – 4 StR 390/63, NJW 1964, 731, 732. 241 Vgl. zu dem dabei zu beachtenden Koordinatensystem Kremer in FS Uwe H. Schneider, S. 701, 713 f.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 87 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 87 Der Nemo tenetur-Grundsatz nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ist auch Bestandteil der Charta der Grundrechte
der Europäischen Union (GRC). Gemäß den Erläuterungen des Präsidiums des Konvents entspricht Art. 47 Abs. 2 GRC242 dem Art. 6 Abs. 1 EMRK243. Da der Nemo tenetur-Grundsatz nach Art. 47 Abs. 2 GRC aber keineswegs weiter geht als der sich aus Art. 6 Abs. 1 EMRK ergebende, kommt es durch die erstgenbannte Vorschrift weder zu einer Erweiterung noch des Anwendungsbereichs des Nemo tenetur-Grundsatzes nach der Letztgenannten. Zudem werden die sich aus der EMRK ergebenden Rechte durch die Rechte der GRC nicht verdrängt244. Ob Art. 47 GRC auch auf juristische Personen Anwendung findet, kann deshalb dahinstehen. Entsprechendes gilt für den Nemo tenetur-Grundsatz wie er in Art. 14 Abs. 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)245 verankert ist. Viel spricht dafür, dass dieser den gleichen Anwendungsbereich wie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat, doch kann dies dahinstehen, weil der auf Art. 14 Abs. 3 IpbpR gestützte Nemo tenetur-Grundsatz weder hinsichtlich seines Anwendungsbereichs noch hinsichtlich seiner Ausprägung weiter geht als derjenige aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK246.
87a Da Selbstbezichtigungen vor allem dann einen schwerwiegenden Eingriff darstellen, wenn sie strafrechtliche
oder gravierende ordnungswidrigkeitsrechtliche Auswirkungen haben, „wurden Schutzvorkehrungen vor allem dort entwickelt, wo die Aussage speziell strafrechtlichen oder ähnlichen Zwecken dient“247. Soweit eine Selbstbezichtigung lediglich zur Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche durch Dritte – namentlich Ansprüche auf Schadensersatz oder Rückzahlungsansprüche – gegen den sich auf den Nemo-tenetur-Grundsatz Berufenden (Auskunfts-, Anzeige-, Melde- oder auf sonstige Weise Handlungspflichtigen) zur Folge hätte, ist eine Beschränkung auf schwerwiegende zivilrechtliche Folgen einer Selbstbezichtigung naheliegend. Der BGH hat die Einschränkung des Nemo-tenetur-Grundsatzes jedoch nicht an der Schwere der zivilrechtliche Folgen festgemacht, sondern an den Auswirkungen, die eine Berufung auf den Grundsatz im Einzelfall auf die Rechte und Interessen Dritter habe248. Art und Umfang dieses Verbots der Selbstbezichtigung hingen „daher auch davon ab, ob und inwieweit andere auf die Information der Auskunftsperson angewiesen [seien] und ob insbesondere die verweigerte Auskunft Teil eines durch eigenen Willensentschluss übernommenen Pflichtenkreises“ sei249. Handele es sich um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, sei der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Er könne dabei berücksichtigen, dass es im Privatrechtsverkehr nicht allein um ein staatliches oder öffentliches Informationsbedürfnis, sondern zugleich um die Interessen eines Geschädigten geht. Bei dieser Abwägung sei auch zu bedenken, ob die Zubilligung eines Auskunftsverweigerungsrechts unter Umständen zulasten geschädigter Dritter gerade denjenigen ungerechtfertigt bevorzugen würde, der zum Nachteil der
242 ABl. EG Nr. C 364 v. 18.12.2000, S. 1. Art. 47 Abs. 2 GRC lautet: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.“ 243 S. Eser in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 47 Rz. 20; Pache, NVwZ 2001, 1342, 1343 f. 244 S. Art. 52 Abs. 1-3 GRC; Borowsky in Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Aufl. 2014, Art. 52 Rz. 29 f. 245 Deutsche Fassung abgedruckt in BGBl. II 1973, 1534. 246 Auch nach Ott, S. 164, können Art. 14 Abs. 3 IPbpR jedenfalls keine über Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hinausgehenden Garantien entnommen werden. 247 BVerfG v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, NJW 1981, 1431. 248 Nach BGH v. 18.9.2008 – II ZR 152/17, AG 2018, 893, 897 Rz. 42 lässt sich die „Frage, ob das Verbot einer Pflicht zur Selbstbezichtigung der Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Auskunfts- oder Handlungspflicht eines Gesellschaftsorgans entgegensteht, ... nicht generell beantworten, sondern hängt von der jeweiligen Pflicht und den Umständen des Einzelfalls ab“. Dabei gelte das aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG „abgeleitete Verbot der Selbstbezichtigung ... nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze an den Rechten anderer“ (ebd. 897 Rz. 43). In der Sache ähnlich, aber wesentlich allgemeiner und ohne Bezug auf die vorstehende Entscheidung des BGH, OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 169: „Danach wäre es zwar unzumutbar, eine Person einem Zwang zu unterwerfen, durch ihre eigenen Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen. Etwas anderes gilt aber dort, wo Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses dienen, denn dann ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Er kann dabei zum Beispiel berücksichtigen, dass es nicht allein um ein staatliches oder öffentliches Informationsbedürfnis, sondern zugleich um die Interessen Dritter geht ...“. Und konkreter Rz. 65: „Zudem ist eine etwaige Ad-hoc-Mitteilung hier Teil des von den Organmitgliedern durch eigenen Willensentschluss übernommenen Pflichtenkreises; sie soll gerade nicht innerhalb eines Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahrens gegeben werden. Vom Bundesverfassungsgericht wurde aber in solchen Fällen keine Einschränkung der Pflichtenlage des sich selbst Belastenden anerkannt, sondern auf die Lösung des Konflikts über ein Verwendungsverbot im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren verwiesen“. 249 Diese und die folgenden Ausführungen nach BGH v. 18.9.2008 – II ZR 152/17, AG 2018, 893, 897 Rz. 43.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 89 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Gläubiger besonders rechtswidrig oder gar verwerflich gehandelt habe. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte das zur Folge, dass „jedenfalls im vorliegenden Fall das persönliche Interesse des Bekla[gten], sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, hinter seiner Pflicht, als Aufsichtsrat im Interesse der Gesellschaft Ansprüche gegen den Vorstand zu verfolgen, zurückzustehen“ hatte250. Daraus darf gefolgert werden, dass der BGH die Nichtvornahme einer Ad-hoc-Mitteilung durch den Vorstand etwa unter Berufung darauf, diese würde die Geltendmachung erheblicher Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen gegen die Vorstandsmitglieder nach sich gezogen haben, angesichts des durch die Marktmissbrauchsverordnung fraglos noch stärker in den Vordergrund getretenen und geschützten Interessen der Anleger, nicht als durch den Nemo-tenetur-Grundsatz gedeckt ansehen würde. Dagegen scheint das OLG Braunschweig die Anwendung des Nemo tenetur-Grundsatzes im Zusammenhang 87b mit der Ad-hoc-Publizität nicht durch eine Interessenabwägung im Einzelfall einschränken zu wollen, sondern – insoweit nicht haltbar251 – generell abzulehnen, wenn es in seinem Hinweisbeschluss vom 18.11.2021 festhält, der Grundsatz stehe „einer Ad-hoc-Pflicht im Sinne des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. nicht entgegen“, und ausführt: „Die Rechtsordnung kennt kein ausnahmsloses Gebot, nach dem niemand zu Auskünften oder zu sonstigen Handlungen verpflichtet sein kann, durch die er eine von ihm begangene strafbare Handlung offenbaren muss… Die Ad-hoc-Publizitätspflicht dient der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (...) und damit auch dem Schutz individueller Anleger vor Anlageentscheidungen auf Basis unzutreffender Marktinformationen, also beispielsweise dem Schutz von Neuaktionären, die Aktien des Emittenten andernfalls ‚zu teuer‘ kauften im Sinne des § 37b WpHG a.F. Nur durch eine uneingeschränkte Ad-hoc-Mitteilungspflicht kann verhindert werden, dass die Aktien eines Emittenten zu solchen nicht korrekten Preisen gehandelt werden. Billigte man dem Emittenten oder seinen Organmitgliedern ein Auskunftsverweigerungsrecht zu, bevorzugte man den Emittenten – in dessen Sphäre es zu dem Compliance-Verstoß gekommen ist – gerade zu Lasten dieser Neuaktionäre“252.
5. Aufschub der Ad-hoc-Publizität (Art. 17 Abs. 4–7, 10 und 11 VO Nr. 596/2014) a) Übersicht Die Bestimmungen des Art. 17 Abs. 4–7 sowie 10 und 11 VO Nr. 596/2014 über den Aufschub der Veröffent- 88 lichung von Insiderinformationen unterscheiden zwischen Emittenten und Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate. Im Hinblick auf Emittenten, die Kreditinstitute oder Finanzinstitute i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VO Nr. 596/2014 sind, erweitert Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 die für alle Emittenten geltenden Befreiungsgründe des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 um einen solchen zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems, erlaubt den damit begründeten Aufschub gem. Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 allerdings nur mit Zustimmung der BaFin. Dagegen gibt es für alle anderen Emittenten und Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate weder eine Verpflichtung, die Zustimmung der BaFin für einen Aufschub einzuholen, noch eine solche, die Aufsichtsbehörde vom Aufschub in Kenntnis zu setzten. Dafür sind sie – wie die Emittenten, die Kreditinstitute oder Finanzinstitute sind und die Veröffentlichung von Insiderinformationen mit Zustimmung der BaFin aufgeschoben haben, im Übrigen auch – nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 dazu verpflichtet, die BaFin unmittelbar nach Offenlegung der vom Aufschub betroffenen Insiderinformationen zu informieren und schriftlich zu erläutern, inwieweit die Voraussetzungen eines Aufschubs erfüllt waren. Die BaFin hat allerdings kundgegeben, dass sie auch weiterhin – wie dies zuvor verlangt war – eine Vorabmitteilung mit der Mitteilung des Aufschubs und der Erläuterung der Aufschubgründe vor der Offenlegung der Insiderinformationen akzeptiert (dazu Rz. 147). Ad-hoc-Veröffentlichungspflichten speziell von Kredit- und Finanzinstituten nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 im Zusammenhang mit bankaufsichtlichem Handeln und bei Abwicklung sowie die Möglichkeiten, die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 aufzuschieben, werden als adressaten- und anlassspezifische Veröffentlichungspflichten und Aufschubbefugnisse nachfolgend unter II.8. Rz. 253a ff. gesondert behandelt.
b) Aufschub der Veröffentlichung durch Emittenten (Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) aa) Aufschub auf eigene Verantwortung – Zuständigkeit – Zeitraum In Bezug auf die Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. war umstritten, ob 89 diese eine Befreiungsentscheidung des Emittenten voraussetzte oder eine Legalausnahme für den Fall darstell250 Diese und die folgenden Ausführungen nach BGH v. 18.9.2008 – II ZR 152/17, AG 2018, 893, 897 Rz. 44. 251 Zustimmend, aber ohne Begründung Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 194. Ablehnend dagegen, mit ausführlicher Begründung, Kumpan/Misterek, AG 2022, 484, 488. 252 OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 159 (Hervorhebung hinzugefügt).
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 89 | Veröffentlichung von Insiderinformationen te, dass die in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen gegeben waren253. Diesem Streit soll nun durch Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014 der Boden entzogen sein: Während § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. noch bestimmte, der Emittent sei von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. solange befreit, wie die Voraussetzungen einer Befreiung gegeben seien, werden nunmehr zum einen die Formulierung des Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014, ein Emittent könne „auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen für die Öffentlichkeit aufschieben, sofern sämtliche nachfolgenden Bedingungen erfüllt seien“, zum zweiten diejenige des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 („Hat ein Emittent ... die Offenlegung von Insiderinformationen nach diesem Absatz aufgeschoben“), sowie zum dritten diejenige des Art. 4 Abs. 1 lit. b Nr. 1 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16), in dem von einer „Entscheidung über den Aufschub“ die Rede ist, als eindeutige Belege für das Erfordernis einer bewussten („aktiven“) Befreiungsentscheidung durch den Emittenten gesehen254. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014 weitgehend die Formulierung von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/ 6/EG vom 28.1.2003 übernimmt255, die mit § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. in deutsches Recht umgesetzt werden sollte. Dieses wiederum hätte bei richtlinienkonformer Auslegung ohne weiteres zur Annahme führen müssen, die Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. verlange eine Befreiungsentscheidung des Emittenten, hätte die Richtlinie solches bestimmt, was aber nach Auslegung der Richtlinienvorschrift durch die Mitgliedstaaten Europas mit den elaboriertesten Kapitalmärkten – etwa in Frankreich, Großbritannien und Schweden, aber auch in der Schweiz – nicht der Fall war256. Diese deuteten Art. 6 Abs. 2 Satz 2 RL 2003/6/EG vielmehr als Legalausnahme. Auch soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 gehe „ebenso wie Art. 4 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) klar davon aus“, dass eine Befreiungsentscheidung erforderlich sei, wird allerdings eingeräumt, „weder die MAR noch Art. 4 DurchführungsVO (EU) 2016/1055“ enthielten eine klare Vorgabe dahingehend, „dass die Rechtsfolge des fehlenden Beschlusses zwingend im Fortfall des Geheimhaltungsprivilegs gem. Art. 17 Abs. 4 bestünde“257. 90 Diejenigen, die den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VO
Nr. 596/2014 nur unter der Voraussetzung einer bewussten („aktiven“) Befreiungsentscheidung durch den Emittenten als zulässig betrachten, können sich, über ihre bisherigen Argumente hinaus, nun allenfalls darauf berufen, dass die BaFin als zuständige nationale Aufsichtsbehörde an ihrer bisherigen Deutung im Sinne des Erfordernisses einer Befreiungsentscheidung festhält258 und auch die ESMA als europäische Auf-
253 Dazu ausführlich Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 165a ff. Zur Rechtsprechung und zum Meinungsstand vor dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung s. Mülbert in FS Stilz, S. 411, 412 ff. 254 OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 167 f.; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 490; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 57; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 151; Koch in FS Köndgen, S. 329, 337; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 184 („Die besseren Gründe sprechen nach wie vor gegen einen automatischen Ausschluss der Befreiungsmöglichkeit allein wegen des fehlenden Beschlusses“); Kumpan, DB 2016, 2039, 2039 f.; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 180; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.361; Mülbert in FS Stilz, S. 411, 413 f.; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2003; Poelzig, NZG 2016, 761, 765; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 33; Renz/Rippel, BuB, Rz. 7/753; Retsch, NZG 2016, 1201, 1205; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.29; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.77; Seibt/Wollenschläger AG 2014, 593, 600; Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 103: „Aus dem Tatbestandsmerkmal ‚auf eigene Verantwortung‘ ist zu folgern, dass ein aktives Handeln des Emittenten erforderlich ist“; Söhner, BB 2017, 259, 261; Teigelack, BB 2016, 1604, 1607; Veil, ZBB/JBB 2014, 85, 92/93; Vaupel/Oppenauer, AG 2019, 502, 510; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 150. Graßl, DB 2015, 2066, 2069, sieht keine Festlegung der Marktmissbrauchsverordnung auf eine bewusste Entscheidung, weist aber darauf hin, die ESMA habe sich für das Erfordernis einer aktiven Entscheidung ausgesprochen. Noch zu § 15 WpHG a.F. a.A., kein Beschlusserfordernis annehmend: Bodenhöfer-Alte, Selbstbefreiung, S. 141 ff., 153; Ihrig, Ad-hoc-Publizität-hoc-Publizität, S. 113, 129; Ihrig/Kranz, BB 2013, 451, 453; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 224, 315 ff.; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Nietsch, BB 2005, 785, 786; Zimmer/ Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 54. 255 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16, 21. Die Vorschrift lautet: „Ein Emittent darf die Bekanntgabe von Insider-Informationen gemäß Absatz 1 auf eigene Verantwortung aufschieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten“. 256 Ausführlich Bodenhöfer-Alte, Selbstbefreiung, S. 157 ff., 182 ff. 216 f., zur Schweiz S. 176 ff.; Krause/Brellochs, AG 2013, 309, 321 (Großbritannien), 324 (Niederlande), 330 (Italien). 257 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 182 bzw. 183. 258 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36 („Für den wirksamen Aufschub der Veröffentlichung ist ein Beschluss des Emittenten herbeizuführen. Der Aufschub muss daher aktiv beschlossen werden, vgl. Art. 17 Abs. 4 Satz 1 MAR. Wird eine Insiderinformation nicht unverzüglich veröffentlicht und wurde kein Aufschub nach
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 92 Art. 17 VO Nr. 596/2014
sichtsbehörde eine Befreiungsentscheidung für geboten erachtet259. Allerdings geht auch die vom Bundesministerium der Finanzen erlassene WpAV – nicht anders als die von ihr abgelöste WpAIV unter § 15 Abs. 3 WpHG a.F.260 – implizit von einer Befreiungsentscheidung des Emittenten aus261. Das ist Grund genug, Emittenten zu empfehlen, sich nicht auf den geschilderten Streit einzulassen, und, ungeachtet aller Zweifel über die Qualifizierung einer Information als Insiderinformation, die Möglichkeit zum Aufschub einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014 so zu deuten, dass sie eine Befreiungsentscheidung verlangt. Das bedeutet, dass „für den wirksamen Aufschub der Veröffentlichung ... ein Beschluss des Emittenten herbeizuführen“ ist, d.h. der Aufschub „aktiv beschlossen werden“ muss262. Wurde kein Aufschub beschlossen und die Insiderinformation nicht unverzüglich veröffentlicht, soll dies einen Verstoß gegen Art. 17 VO Nr. 596/2014 darstellen, „selbst wenn theoretisch die Möglichkeit eines Aufschubs bestanden hätte“263. Tatsächlich war der Streit um das Erfordernis einer Befreiungsentscheidung nicht über das Bemühen ent- 91 standen, diejenigen, die aus Nachlässigkeit eine Insiderinformation übersehen haben, deren Veröffentlichung aber de iure hätte aufgeschoben werden dürfen und vielleicht zwischenzeitlich gar nicht mehr existiert, vor den Folgen ihrer Nachlässigkeit zu bewahren. Misslich erschien das Erfordernis einer Befreiungsentscheidung vielmehr vor allem in dem Fall, dass ein Emittent – nach Prüfung der Sach- und Rechtslage – mit guten Gründen und bona fide davon ausgingen, es läge keine Insiderinformation vor, dementsprechend keinen Bedarf sah, die Veröffentlichung der fraglichen Information vorzunehmen, aber die Voraussetzungen für einen Aufschub vorlagen. Der Bedarf, solche Emittenten vor den Folgen ihrer Falschbeurteilung zu schützen, scheint entfallen, nachdem der BGH in seiner Daimler-Entscheidung vom 23.4.2013 in einem obiter dictum feststellte264, ein Emittent könne sich darauf berufen, sich in Kenntnis der Qualifikation einer Information als Insiderinformation für einen Aufschub entschieden zu haben, wenn die weiteren Voraussetzungen zum Aufschub tatsächlich vorgelegen haben. Der Schädiger könne mithin geltend machen, „dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre“. Unter diesen Voraussetzungen wäre der Emittent zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit vor Schadensersatzansprüchen wegen unterlassener oder verspäteter Veröffentlichung einer Insiderinformation geschützt265, nicht aber – wie der Fall Schrempp (Daimler) gezeigt hat266 – der verantwortliche Vorstand vor den bußgeldrechtlichen Folgen seines Verhaltens. Nicht allein deshalb und ungeachtet der Empfehlung, dem Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation eine Befreiungsentscheidung vorausgehen zu lassen, ist daran festzuhalten, dass die Marktmissbrauchsverordnung eine solche nicht verlangt und die Einordnung von Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 als Legalausnahme auch praktikabel ist. Auf die diesbezüglichen, entsprechend geltenden Ausführungen in der 6. Auflage des Kommentars267 zu § 15 WpHG a.F. ist zu verweisen. Geht man als Emittent zur Vermeidung von Risiken vom Erfordernis einer Befreiungsentscheidung aus, so 92 stellt sich die Frage, wann diese zu treffen ist, wer diese zu treffen hat und in welcher Form sie vorzunehmen
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260 261 262 263 264 265 266 267
Art. 17 Abs. 4 MAR beschlossen, stellt dies einen Verstoß gegen Art. 17 MAR dar, selbst wenn theoretisch die Möglichkeit eines Aufschubs bestanden hätte“). Schon BaFin, Art. 17 MAR (FAQ), S. 4 f. unter III.1. Zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. Emittentenleitfaden 2013 der BaFin, S. 59 („Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 WpHG könnte so verstanden werden, dass eine Befreiung automatisch erfolgt. Bezieht man jedoch § 8 Abs. 5 WpAIV mit ein, ergibt sich, dass die Befreiung aktiv in Anspruch genommen werden muss“). ESMA, Final Report – Draft technical standards, S. 52 Rz. 239, ohne Begründung, aber klarer Ansage, in einem rechtlich unverbindlichen Report: „MAR specifies that the disclosure is delayed under the issuer's responsibility. Delays in disclosure of inside information are decided by the issuers themselves. The issuers are therefore expected to have in place a minimum level of organisation and a process to conduct a prior assessment whether an information is an inside information, whether its disclosure needs to be delayed and for how long“. Klöhn, AG 2016, 423, 431, sieht darin allerdings (zu Recht) keine Festlegung der ESMA in Bezug auf die Frage, „ob der Emittent auch dann nicht gegen Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 verstößt, wenn er die Meldung gem. Art. 17 Abs. 4 MAR aufschieben könnte, dies aber gleichwohl nicht bewusst tut“. § 8 Abs. 5 WpAIV a.F.; dazu Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 165b, 165d. Die Vorschrift wurde nicht in die WpAV übernommen. Etwa § 1 Nr. 5, § 3a Abs. 5 Nr. 1, § 7 Nr. 2 WpAV. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36; Hopt in FS Karsten Schmidt, 2019, Bd. I S. 527, 538; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 181; Poelzig, NZG 2016 761, 765; Veil/Brüggemeier in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 150. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36. BGH v. 23.4.2013 – II ZB 7/09, AG 2013, 518, 521 Rz. 33. Das ist für Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.28, der Grund dafür, dem Streit um die rechtliche Qualifikation der Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen keine allzu große Bedeutung beizumessen. Zum Verlauf des Bußgeldverfahrens s. BaFin-Journal 3/09, S. 4, abrufbar unter https://www.bafin.de/DE/Publika tionenDaten/BaFinJournal/AlleAusgaben/bafinjournal_alle_node.html?cms_gtp=7952436_unnamed%253D11. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 165e f.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 92 | Veröffentlichung von Insiderinformationen ist. Was den Zeitpunkt betrifft, zu dem die Befreiungsentscheidung zu treffen ist, ist diese spätestens zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem der Emittent die Insiderinformation veröffentlichen müsste, kurz: unverzüglich nachdem die Insiderinformation dem Vorstand bzw. einem der Vorstände bekannt wurde oder, falls es daran mangels ordnungsgemäßer Wissensorganisation fehlt, dem Emittenten zugerechnet wird268. Aber auch hier ist dem Emittenten, ohne dass darin ein schuldhaftes Zögern läge, ein angemessener Zeitraum zur Prüfung der Möglichkeit zum Aufschub der Offenlegung und gegebenenfalls zur Heranziehung externen Sachverstands zu geben269. Die Befreiungsentscheidung ist Sache des Vorstands kraft seiner Leitungsaufgabe (Rz. 25), kann aber „auf ein untergeordnetes, vom Vorstand zu kontrollierendes Ad-hoc-Gremium oder ein ordentliches Mitglied des Vorstands“ delegiert werden270, wobei die BaFin bisher davon ausging, dass dies nur in der Weise geschehen kann, dass mindestens ein Vorstandsmitglied an der Entscheidung beteiligt ist271. Nunmehr heißt es zurückhaltender, „bei einer Entscheidung eines Gremiums über den Aufschub sollte mindestens ein ordentliches Vorstandsmitglied mitwirken“272. Daraus wird man folgern können, dass die BaFin die Beteiligung zumindest eines Vorstandsmitglieds nicht mehr als zwingend ansieht, obwohl dies der Annahme widerspricht, die Veröffentlichung und der Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation gehöre zu den Leitungsaufgaben des Vorstands (Rz. 25)273. Die Praxis, die sich auf ein solches Erfordernis eingestellt hatte274, tut aber weiter gut daran, diesem nachzukommen, zumal die ganz überwiegende Ansicht keine Probleme hatte, dieses als verbandsrechtlich unbedenklich, wenn nicht geboten zu betrachten275. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass diese Entscheidung oder eine solche ausschließlich des Vorstands von einer nicht mit einem Vorstand besetzten Ad-hoc-Kommission o.Ä. vorbereitet wird276. Darin, dass die
268 Zu § 15 WpHG a.F. verlangten Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53, 55 f., die Entscheidung müsse zeitnah zur Entstehung der Veröffentlichungspflicht getroffen werden. 269 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36. 270 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 59; Groß/Royé, BKR 2019, 272, 277; Kocher/Sebastian Schneider, ZIP 2013, 1607, 1608 ff.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 183; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.361 („Delegation auf ein ordentliches Vorstandsmitglied oder ein vom Vorstand zu kontrollierendes Ad-hoc-Gremium“); Mülbert in FS Stilz, S. 411, 412 ff.; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2003; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 425; Retsch, NZG 2016, 1201, 1205 f.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.30; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.77; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 1. Aufl. 2018, § 10 Rz. 155, mit Vorbehalt jetzt aber Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 155 (Fn. weggelassen): „Richtig ist, dass es nach der Legalordnung der AG zulässig ist, dass ein Ad-hoc-Gremium (auch Disclosure Committee genannt) die Aufschubentscheidung vorbereitet. Die Entscheidung über eine Leitungsangelegenheit ist allerdings nicht delegierbar. Sofern der Aufschub als eine solche zu qualifizieren ist, muss die Entscheidung vom Vorstand getroffen werden“. 271 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, IV.3 S. 59; BaFin, MAR (FAQ) S. 4/5 zu III.1. 272 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36. 273 Kritisch auch Kraack, ZIP 2020, 1389, 1397 unter zutreffendem Hinweis auf das Verbot der Delegation von Leitungsaufgaben. 274 Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 481 Rz. 19. 275 Der Ansicht der BaFin folgend oder zumindest ebenso: Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 151 m.w.N. (auf einen mit Vorstandsmitgliedern und Externen besetzten Ausschuss delegierbar); Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.361, zugleich die verbandsrechtliche Begründung nachreichend. Vor allem aber, so war und ist diese Auffassung zu ergänzen, ist – auch bei Vorliegen der vom Vorstand zu prüfenden rechtlichen Voraussetzungen – die Inanspruchnahme einer Befreiung von der Ad-hoc-Veröffentlichung einer Insiderinformation eine unter Vorstandsbeteiligung zu treffende unternehmerische Entscheidung. Zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. ebenso Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 600; Kumpan, DB 2016, 2039, 2043. Zu Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 auch Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 100. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 186 („Die zwingende Mitwirkung eines Vorstandsmitglieds ist aus kapitalmarktrechtlicher Sicht nicht erforderlich“), 191 (auch gesellschaftsrechtlich nicht geboten); Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 103; Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2019, 621, 632 und Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 481 Rz. 19, gesellschaftsrechtlich nicht als zwingende Voraussetzung zu begründen. 276 So noch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 135. Jetzt aber differenzierend Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 155 (Fn. weggelassen, Hervorhebung im Original): „Eine Delegation der Aufgaben auf ein dem Vorstand untergeordnetes Gremium ist nach allgemeinen aktienrechtlichen Regeln zulässig. Die BaFin meint, dass im Falle einer Delegation zumindest ein Vorstandsmitglied an der Aufschubentscheidung ‚beteiligt sein sollte‘. Richtig ist, dass es nach der Legalordnung der AG zulässig ist, dass ein Ad-hoc-Gremium (auch Disclosure Committee genannt) die Aufschubentscheidung vorbereitet. Die Entscheidung über eine Leitungsangelegenheit ist allerdings nicht delegierbar. Sofern der Aufschub als eine solche zu qualifizieren ist, muss die Entscheidung vom Vorstand getroffen werden. Das Ad-hoc-Gremium ist befugt, diese Entscheidung auszuführen“. Dass eine unter Beachtung des Legalitätsprinzips zu treffende Aufschubentscheidung je als eine Entscheidung in einer Leitungsangelegenheit anzusehen sein könnte, ist allerdings zu bezweifeln.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 93 Art. 17 VO Nr. 596/2014
ESMA277, wie die BaFin selbst bemerkt, lediglich von einer verantwortlichen Person zur Entscheidung bezüglich der Selbstbefreiung spricht und ein Vorstandsmitglied in diesem Zusammenhang als Beispiel anführt, sieht die BaFin keinen Grund für eine Änderung ihrer Verwaltungspraxis und führt dafür an, die Ausführungen der ESMA richteten sich „in erster Linie an das ‚one-tier-system‘„(monistisches System). Das lässt sich den Ausführungen allerdings ebenso wenig entnehmen wie es, was die BaFin suggeriert, in einem „two-tier-system“ (dualistischem System) wie dem deutschen keineswegs zwingend ist, dass der Vorstand des Emittenten die Befreiungsentscheidung selbst oder unter Beteiligung eines seiner Mitglieder treffen müsse und nicht einem von ihm eingesetzten, kompetent besetzten, instruierten und überwachten Gremium überlassen könnte. Solche Vorbehalte waren auch dem Schrifttum zur Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG a.F. fremd. In diesem herrschte die Meinung vor, die Befreiungsentscheidung könne der Compliance- oder Rechtsabteilung übertragen werden278 und sei lediglich einer Pflicht zur Dokumentation der Selbstbefreiungsentscheidung279 unterworfen. Daran soll auch in Bezug auf Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 festzuhalten sein280. Da eine Befreiungsentscheidung, auch wenn festgestellt wurde, dass die rechtlichen Voraussetzungen einer solchen vorliegen, immer noch eine die Vor- und Nachteile des Aufschubs abwägende unternehmerische Entscheidung verlangt, und darüber hinaus für den Fall, dass eine Befreiung beschlossen wurde, eine Reihe organisatorischer Vorkehrungen und Maßnahmen zur Geheimhaltung der fraglichen Insiderinformationen zu treffen sind, die ihrerseits erhebliche Haftungsrisiken mit sich bringen, sprechen allerdings pragmatische Gründe für die Beteiligung mindestens eines Vorstands. Hinsichtlich der Form der Befreiungsentscheidung enthalten weder das Gesellschaftsrecht noch Art. 17 VO Nr. 596/2014 Vorgaben, so dass diese auch formlos und damit auch konkludent erfolgen kann281. Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Aufsichtsrat eine Selbstbefreiungsentscheidung treffen muss, s. Rz. 95 f. Wer auch immer die Befreiungsentscheidung zu treffen befugt ist: Die dafür vorgesehene Person oder das 93 dafür vorgesehen Gremium muss zur Wahrung des Unverzüglichkeitserfordernisses, sowohl für den Fall der Entscheidung für eine Veröffentlichung als auch für denjenigen für eine Befreiung, stets erreichbar sein bzw. zusammentreten können282. Die Person bzw. das Gremium sind schon im Hinblick auf die Folgepflichten einer Befreiungsentscheidung nach Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 596/2014, namentlich in Gestalt der Pflicht zur Geheimhaltung der Insiderinformationen sowie der Offenlegungspflichten nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014, und § 7 WpAV zur Dokumentation ihrer Befassung bzw. ihres Zusammentretens und ihrer Entscheidung gehalten (dazu auch Rz. 99). Im Hinblick auf die von Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 verlangte Mitteilung gegenüber der BaFin nach der Beendigung des Aufschubs der Veröffentlichung von Insiderinformationen und die hierbei zu unterbreitenden Informationen nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 1 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) und von § 7 WpAV empfiehlt es sich, die Dokumentation an diesen Anforderungen – auf die hier zu verweisen ist – auszurichten. Zwingend ist die Dokumentation nicht, denn die im Hinblick auf die Mitteilungspflicht gegenüber der BaFin erforderlichen Angaben können auch ohne eine solche nachträglich erstellt werden. Das kann schon im Hinblick darauf nicht anders sein, dass – das gilt im Hinblick auf Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 wie zuvor zu § 15 WpHG a.F. – auch eine konkludente Befreiungsentscheidung für ausreichend erachtet wird (Rz. 92 a.E.). Eine Form für die Befreiungsentscheidung ist ohnehin nicht vorgesehen283. Die Befreiungsentscheidung kann im Übrigen auch vor-
277 ESMA, Final Report – Draft technical standards, S. 52 Rz. 239: „There should be person(s) appointed within the issuer responsible for taking such decision. This person(s) should be clearly identified within the issuer and should have the necessary decision-making power (e.g. a managing board member or a senior executive director), considering the major importance of the decision. ESMA does not consider appropriate to specify which positions such person(s) should have within the issuer, considering the variety of organisational structures issuers may have, but the issuer should ensure that a person responsible for the delay is always clearly identified. In addition, before taking a decision allowing the delay of publication of inside information, this person(s) should conduct an assessment on whether the three conditions set forth in Article 17(4) for delaying are fulfilled.“ 278 Groß in FS Uwe H. Schneider, S. 385, 392; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 900. Auch Frowein in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 75; Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53, 56. 279 Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53, 56. 280 Sehr weitgehend und ohne Einschränkungen Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 510 (m.w.N.): „Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Aufschubentscheidung innerhalb des Emittenten trifft, sofern es nur derjenige ist, der nach den unternehmensinternen Regelungen zuständig ist“; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 59. 281 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 151; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 192. Zu § 15 WpHG a.F. Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Mennicke, NZG 2009, 1059, 1062; Mülbert in FS Stilz, 2014, S. 411, 422; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 900; Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 103; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 157. 282 Ähnlich ESMA, Final Report – Draft technical standards. S. 51 Rz. 232. 283 Hopt/Kumpan in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 151.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 | Veröffentlichung von Insiderinformationen sorglich bei Zweifeln über das Bestehen einer Veröffentlichungspflicht – namentlich bei Zweifeln darüber, ob es sich bei einer Information um eine Insiderinformation handelt – getroffen werden284, wohingegen eine vorsorglich für die mögliche zukünftige Kenntnis einer Insiderinformation getroffene Vorratsentscheidung schon deshalb unzulässig ist, weil die Umstände, die bei Kenntniserlangung der Insiderinformation einen Aufschub der Veröffentlichung rechtfertigen oder einem solchen entgegenstehen, nicht vorhersehen sind285. 94 Wenn Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 davon spricht, ein Emittent könne „auf eigene Verant-
wortung“ die Offenlegung von Insiderinformationen für die Öffentlichkeit aufschieben, so steht dies vor allem dafür, dass der Emittent selbst zu prüfen hat, ob die Befreiungsvoraussetzungen gegeben sind und für die Rechtmäßigkeit des Aufschubs haftet. Weder ist die Berechtigung des Aufschubs davon abhängig, dass die BaFin von der Absicht eines solchen informiert wird und sie ihre diesbezügliche Zustimmung erteilt, noch davon, dass ihr der Aufschub mitgeteilt wird. Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin greifen nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vielmehr erst dann ein, wenn der Emittent die aufgrund des Aufschubs nicht veröffentlichten Insiderinformationen nach Wegfall eines der Befreiungsgründe bei Fortbestehen der Insiderinformationen veröffentlicht. Einen der möglichen Fälle des Wegfalls eines Befreiungsgrunds führt Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 auf: Ist die Vertraulichkeit von Insiderinformationen, deren Offenlegung aufgeschoben wurde, nicht mehr gewährleistet, muss der Emittent die Öffentlichkeit so schnell wie möglich über diese Informationen in Kenntnis setzen.
95 Ausnahmsweise soll der Aufsichtsrat für eine Befreiungsentscheidung zuständig sein, wenn die Insider-
information dadurch entsteht, dass das Insiderwissen eine Entscheidung des Aufsichtsrats in einem Bereich betrifft, in dem dieser ausschließlich vertretungs- und geschäftsführungsbefugt ist286 (zur entsprechenden Frage der Zurechnung solchen Wissens schon Rz. 57). Dazu wird vor allem auf Maßnahmen bei der Personalkompetenz des Aufsichtsrats im Vorfeld endgültiger Personalentscheidungen hingewiesen; hierunter fallen aber auch Beschlüsse über die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen einen gegenwärtigen oder ehemaligen Vorstand. Entsprechend soll nach der BaFin bei „originärer sachlicher Aufsichtsratszuständigkeit (etwa Bestellung und Abberufung des Vorstands gem. § 84 AktG) von einer abschließenden Annexkompetenz des Aufsichtsrats hinsichtlich der Entscheidung über den Aufschub auszugehen“ sein287. Jedoch ist nicht zu erkennen, inwieweit hier ein Bedarf für eine Befreiungsentscheidung besteht, da solches Wissen des Aufsichtsrats der Vertraulichkeit unterliegt (Rz. 56 f. und Rz. 58), von daher dem Emittenten nicht zugerechnet wird288 und folglich auch keine Pflicht desselben zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 auslösen kann. 284 Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 91 a.E.; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1907; Ihrig in VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2012, 2013, S. 113, 132 f.; Ihrig/Kranz, BB 2013, 451, 457 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 187 („für den Fall, dass eine hinreichend konkret bezeichnete adhoc-pflichtige Information vorliegt“); Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 189; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 474 ff.; Merkner/Sustmann/Retsch, NZG 2021, 1198, 1203 f.; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2042; Pattberg/Bredol, NZG 2013, 87, 88 f.; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.32; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 154; Widder, BB 2007, 572, 573; Widder, DB 2008, 1480, 1481 ff.; Wilsing, ZGR 2020, 276, 285. Kritisch Fleischer, NZG 2007, 402, 404. A.A. Gunßer, S. 87 f.; Gunßer, NZG 2008, 855, 856. 285 Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 16; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 192; Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53, 55. Ebenso für den Fall, dass noch keine hinreichenden Informationen vorliegen, Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 91; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1907; Ihrig/Kranz, BB 2013, 451, 456; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 35 (ohne Bezug zu einer konkreten Information unzulässig); Veil/ Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 154. A.A. Bedkowski, BB 2009, 394, 398; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 900. 286 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 193; Mülbert in FS Stilz, S. 411, 420 ff.; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2003; Retsch, NZG 2016, 1201, 1206; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 155. 287 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 58; Ihrig in FS Krieger, S. 437, 445/446; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 193; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 184; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2003; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 155. 288 Das wird nahezu durchweg übersehen, um dann zwangsläufig einen Bedarf für eine Selbstbefreiung durch den Aufsichtsrat anzunehmen: Groß in FS Uwe H. Schneider, S. 385, 392; Kocher/Sebastian Schneider, ZIP 2013, 1607, 1611; Retsch, NZG 2016, 1201, 1206. Das Argument aufgreifend („dogmatisch interessanter und überlegenswerter Ansatz“), aber dennoch als „zweifelhaft“ ansehend („weil in den Fällen von Personalentscheidungen diese entweder vom Vorstand ausgeht,,, oder jedenfall ab einem bestimmten Stadium auch ein Gespräch mit dem betroffenen Vorstandsmitglied ... stattfinden wird, dessen Kenntnis in diesem Zusammenhang der Gesellschaft zugerechnet wird und damit die Ad-hoc-Publizitätsflicht auslöst“) Groß/Royé, BKR 2019, 272, 277; dieselben (ebd. m.w.N.) für
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 98 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Dafür, dass der Aufsichtsrat – um die Durchsetzung des Zwecks der Ad-hoc-Publizität auch hier nicht an 96 den Besonderheiten des dualistischen Systems für Aktiengesellschaften scheitern zu lassen – für diese Fälle als Emittent und Veröffentlichungspflichtiger zu betrachten sei, gibt Art. 17 VO Nr. 596/2014 nichts her (Rz. 25). Da aber dem EuGH und der von ihm rigoros verfolgten Effet-utile-Methode der Auslegung europäischen Rechts (dazu Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 28) solche Schritte weitaus eher zuzutrauen sind als die Auslegung von Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 als Legalausnahme (Rz. 89 f.), ist dem Aufsichtsrat zu raten, unter hier in Frage stehenden Umständen vorsorglich auch eine Befreiungsentscheidung zu treffen. Diese ist „im Rahmen eines Aufsichtsratsbeschlusses zu treffen, mit der Möglichkeit der Delegation auf ein untergeordnetes, vom Aufsichtsrat zu kontrollierendes Ad-hoc-Gremium oder ein ordentliches Mitglied des Aufsichtsrats“, wobei nach der BaFin auch hier „bei einer Entscheidung eines Gremiums über den Aufschub ebenfalls mindestens ein ordentliches Aufsichtsratsmitglied mitwirken“ sollte289. Im Schrifttum wird im Hinblick auf den Wegfall der Befreiungsvoraussetzungen verlangt, der Aufsichtsrat290 bzw. der – aufgrund geringer Sitzungsfrequenzen des Aufsichtsrats und der Schwierigkeiten bei der kurzfristigen Einberufung dieses Gremiums – zur Prüfung des Fortbestands der Befreiungsvoraussetzungen bei fortbestehender Insiderinformation berufene Aufsichtsratsvorsitzende oder das Aufsichtsratspräsidium habe den Vorstand unverzüglich zu informieren und damit die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3, Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 einzuleiten291. Dementsprechend geht auch die BaFin davon aus, dass es für die „spätere Veröffentlichung“ der Insiderinformation bei der Zuständigkeit des Vorstands nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG bleibt, weshalb „unternehmensintern sicherzustellen [sei], dass die betreffenden Insiderinformationen unverzüglich nach Wegfall der Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 MAR vom Aufsichtsrat an den Vorstand weitergeleitet werden“292. Eine Durchbrechung des Verbots der Delegation von Maßnahmen der Geschäftsführung auf den Aufsichtsrat, und um eine solche handelt es sich bei der Veröffentlichung einer Insiderinformation, wäre systemwidrig und auch sachlich nicht hilfreich: zum einen verfügt der Aufsichtsrat nicht über die hierfür erforderliche und Vertraulichkeit bis zur Veröffentlichung sichernde Infrastruktur und zum anderen lässt sich die spätere unverzügliche Veröffentlichung durch den Vorstand vom Aufsichtsrat vorbereiten. Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 enthält keine Vorgaben über die Dauer (Zeitraum) der Befreiung oder eine 97 Höchstgrenze derselben293. Letztere ergibt sich allerdings mittelbar daraus, die die Befreiung nur solange anhalten darf wie der Befreiungsgrund und die einzelnen Befreiungsvoraussetzungen gegeben sind. Wenn in Erwägungsgrund 50 lit. b VO Nr. 596/2014 davon die Rede ist, „die Bekanntgabe von Informationen [könne] für einen befristeten Zeitraum verzögert werden“ (Hervorhebung hinzugefügt), so bezieht sich dies erkennbar nur auf den Fall, dass es um einen Aufschub der Veröffentlichung geht, weil „die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten stark und unmittelbar gefährdet ist“, und stellt keine allgemein gültige Zeitgrenze des Aufschubs dar294. Erst recht gibt Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nichts für die Annahme her, die Befreiung sei „auf das knappestmögliche Maß“ zu reduzieren295. Die Befreiungsentscheidung setzt keine zeitgleiche vorsorgliche Anfertigung einer „Notfall-Ad-hoc-Mit- 98 teilung“ voraus und ist deshalb auch nicht Bestandteil der Aufschubmitteilung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 (s. Rz. 143 ff., 145). Um aber gegebenenfalls rasch reagieren und die Veröffentlichung der hinsichtlich ihrer Offenlegung aufgeschobenen Insiderinformationen nach Wegfall eines der Aufschubgründe so schnell wie möglich (Rz. 139) veröffentlichen zu können, ist es erforderlich, Struktu-
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„originäre Zuständigkeit des Aufsichtsrats in allen Fällen ..., in denen im Unternehmen veröffentlichungspflichtige Informationen existieren, der Gesamtvorstands hiervon aber im Gegensatz zum Aufsichtsrat keine Kenntnis hat“. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36. Zu Recht kritisch zu den delegationsbegrenzenden Aussagen der BaFin Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 482 Rz. 21. Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.31. Auch Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.31, geht von der Pflicht zur Veröffentlichung durch den Vorstand aus. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.1 S. 36/37. Ebenso Bekritsky, BKR 2020, 382, 386 ff.; Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 482 Rz. 20. Kritisch („inkonsequent“) Kiefner/Krämer/Happ, DB 2020, 1386, 1392; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.361. Für Erstreckung der Annexkompetenz auf die Veröffentlichung Kiefner/Krämer, DB 2020, 1386, 1392. Zu Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 291; Veil/Brüggemeier in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 160. Das übersehen Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2005, die im Übrigen aber – wie hier – von keiner zeitlichen Befreiungsgrenze ausgehen. Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 512. Die hierfür angeführte Verlautbarung von BAWe/ Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 1998, S. 47 und 53, sowie das weitere hier angeführte Schrifttum sind überholt. Von einer zeitlichen Beschränkung des Aufschubs ist schon in den Emittentenleitfäden der BaFin, namentlich derer von 2009 (S. 66 ff.) und 2013 (S. 59 ff.) zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F., nichts zu finden.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 98 | Veröffentlichung von Insiderinformationen ren zu schaffen und Vorkehrungen zu treffen, die eine sofortige Veröffentlichung ermöglichen296. Dazu sollte nach der BaFin auch der Entwurf eines Veröffentlichungstextes gehören, der gemäß dem jeweiligen Stand zügig angepasst werden könne. Dabei müsse auch sichergestellt werden, dass der Text zum Veröffentlichungszeitpunkt schnell freigegeben und veröffentlicht werden könne. 99 Die Dokumentation aller Schritte eines Aufschubs der Offenlegung von Insiderinformationen einschließlich
der Aufschubgründe für den Aufschub und die Intervalle der Überprüfung der fortdauernden Erfüllung der Aufschubvoraussetzungen ist keine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des Aufschubs oder eine diesen begleitende Pflicht des Emittenten. Zu empfehlen ist ihre Vornahme gleichwohl, weil sie schon im Hinblick auf die Aufschubmitteilung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 als Teil der Sorgfaltspflichten der Organmitglieder des Emittenten anzusehen ist. Zu diesen gehört es auch, regelmäßig zu prüfen, ob die Befreiungsvoraussetzungen nach wie vor gegeben sind297. Ist dies nicht der Fall und liegt nach wie vor eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation vor, so ist die Veröffentlichung unverzüglich vorzunehmen (s. näher Rz. 207, 268, 279). Ist die Insiderinformation während des Aufschubs weggefallen, muss die Veröffentlichung der fraglichen Information im Wege der Ad-hoc-Publizität unterbleiben, es sei denn, der Wegfall stellt seinerseits eine Insiderinformation dar (s. nachfolgend Rz. 150 f., 280). bb) Für alle Emittenten geltende Aufschubgründe (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014)
100 Nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 kann ein Emittent auf eigene Verantwortung die Offenle-
gung von Insiderinformationen für die Öffentlichkeit aufschieben, sofern sämtliche der in lit. a–c dieser Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Das ist der Fall, wenn – kumulativ – (1) die unverzügliche Offenlegung geeignet wäre, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen, (2) die Aufschiebung der Offenlegung nicht geeignet wäre, die Öffentlichkeit irrezuführen, und (3) der Emittent die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen kann. Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 stellt klar, dass ein Emittent auch im Falle eines zeitlich gestreckten Vorgangs unter den vorstehend angeführten Voraussetzungen auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen zu diesem Vorgang aufschieben kann (Rz. 130).
100a Im Zusammenhang mit den Änderungen, die der Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Ände-
rung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 in Bezug auf die nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichende Insiderinformation vorsieht (Rz. 17a), werden auch eine Reihe von Änderungen des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 vorgeschlagen. S. dazu im Einzelnen Rz. 124a, 130a und 149a.
(1) Eignung zur Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Emittenten (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) (a) Kriterium und Rechtsquellen 101 Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 RL 2003/6/EG (Rz. 15) hat der Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformatio-
nen durch den Emittenten zur Voraussetzung, dass die „Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte“. Diese Vorschrift setzte § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. mit der Bestimmung um, der Emittent sei von der „Pflicht zur Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1 ... solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erforder[e]“. Nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a VO Nr. 596/2014 darf der Emittent nunmehr die „Offenlegung von Insiderinformationen“ aufschieben, sofern die unverzügliche Offenlegung „geeignet [wäre] die berechtigten Interessen des Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zu beeinträchtigen“. Die Formulierungen unterscheiden sich dem Wortlaut nach, doch ist ihnen gemeinsam, dass berechtigte Interessen des Emittenten einen Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen rechtfertigen. Gegenüber der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG unterscheidet sich Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a VO Nr. 596/2014 im Wesentlichen nur insoweit, als dort die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Interessen des Emittenten verlangt wurde, während hier auf die Eignung zur Interessenbeeinträchtigung abgestellt wird. In der Sache macht dies aber keinen Unterschied. Diese Regelungen wiederum unterscheiden sich dem Wortlaut und dem Regelungsansatz nach von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. nur insofern, als Letzterer den Aufschub – eher strenger – nur gewähren wollte, wenn er zum Schutz der Interessen erforderlich sei. Im Hinblick auf die Frage, was berechtigte Interessen des Emittenten zum Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen sein könnten, beschränken sich die Erwägungsgründe zur VO Nr. 596/
296 Hierzu und zum Folgenden BaFin, MAR (FAQ), IV.6. S. 9. Auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 162. 297 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 103 Art. 17 VO Nr. 596/2014
2014 auf einige „nicht erschöpfende Fallbeispiele“ (Erwägungsgrund 50 VO Nr. 596/2014), lassen in deren Zusammenhang aber erkennen, dass die berechtigten Interessen des Emittenten aus den „Interessen der vorhandenen und potenziellen Aktionäre“298 abzuleiten sind. Diese Sichtweise entspricht fraglos nicht dem Stand des deutschen Verbandsrechts zur Bestimmung des Unternehmensinteresses299, doch ist bei der Bestimmung des Emittenteninteresses i.S.v. Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nicht dieses, sondern – in autonomer Auslegung dieser Verordnung – die europäische kapitalmarktrechtliche Deutung desselben zugrunde zu legen300. Dabei ist die Ableitung des berechtigten Emittenteninteresses aus den „Interessen der vorhandenen und potenziellen Aktionäre“ als Bezugnahme auf die Interessen der Aktionäre des die Veröffentlichung der Insiderinformation aufschiebenden Emittenten zu betrachten301. Dagegen sind die Interessen der potenziellen Aktionäre – d.h. letztlich des Marktpublikums oder gar, verdinglicht, des Kapitalmarkts302 – im Rahmen der nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 erforderlichen eine Interessenabwägung zwischen berechtigten Interessen des Emittenten und Interessen des Kapitalmarkts (dazu Rz. 105) zur Geltung zu bringen.
Abgesehen davon, dass die Frage der Erforderlichkeit richtlinienkonform auszulegen war und Art. 17 Abs. 4 102 Unterabs. 1 Satz 1 lit. a VO Nr. 596/2014 den Einsatz des Schutzes der Interessen des Emittenten durch den Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen eher großzügiger formuliert, sowie angesichts des Umstands, dass es allen vorgenannten Vorschriften um den Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten am Aufschub geht, kann deshalb weitgehend auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, wie sie sich im Hinblick auf die Auslegung des fraglichen Merkmals in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. herausgebildet hatten. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich diese Grundsätze ihrerseits an § 6 WpAIV a.F. ausrichteten303. Das ist indes weniger bedenklich als der Übernahme der Grundsätze zur Bestimmung des berechtigten Interesses von Emittenten am Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen sogar förderlich: Zum einen entsprach § 6 WpAIV a.F. im Wesentlichen Art. 3 Abs. 1 der DurchfRL 2003/124/EG vom 22.12.2003304 und hatte damit eine Grundlage im Gemeinschaftsrecht; zum anderen sind die Bestimmungen des § 6 WpAIV a.F., bis auf geringe Änderungen, wortgleich in den zur Auslegung dessen, was berechtigte Interessen für eine aufgeschobene Veröffentlichung sind, maßgeblichen § 6 WpAV übernommen worden. Dabei versteht sich von selbst, dass § 6 WpAV, der konkretisiert, wann berechtigte Interessen für eine ver- 103 zögerte Veröffentlichung von Insiderinformationen vorliegen, nur insoweit zur Anwendung kommt, als er der Marktmissbrauchsverordnung sowie der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522, der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 (beide Rz. 16) und den nach Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 ergangenen 298 Erwägungsgrund 50 VO Nr. 596/2014 zum Fallbeispiel unter lit. a: „... kann die Bekanntgabe von Informationen für einen befristeten Zeitraum verzögert werden, sollte eine derartige Bekanntgabe die Interessen der vorhandenen und potenziellen Aktionäre erheblich gefährden ...“; Hervorhebung hier und in der Rz. nicht im Original. Im vorstehend hervorgehobenen Satzteil wortgleich ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 5 Rz. 8 unter lit. b. Hieran anknüpfend auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 146; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 203; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2004; Steinrück, S. 108 f.; Veil/Brüggemeier in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz.103. 299 S. zur Übersicht etwa Fleischer in Spindler/Stilz, 4. Aufl. 2019, § 76 AktG Rz. 24 ff. und Spindler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 76 AktG Rz. 67 ff. 300 I.E. ebenso Bartmann, S. 343 ff.; Klöhn/Schmolke, ZGR 2016, 866, 874 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 146 ff.; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2004; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 103. 301 Im Ausgangspunkt auch Klöhn, ZHR 178 (2014), 55, 75, und Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 146, der – in Anknüpfung an die Benennung „potenzieller Aktionäre“ in Erwägungsgrund 50 VO Nr. 596/2014 und in ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 5 Rz. 8 lit. b – auch die Interessen derjenigen Aktionäre, „die während der Geheimhaltungsphase Aktien des Emittenten erwerben“, berücksichtigt sehen möchte. Dagegen spricht schon, dass die differenzierende Ermittlung von Interessen von Aktionären, die bei dem Aufschub Aktionäre des Emittenten waren, und solchen, die während des Aufschubs Aktionäre wurden, sowie die Zusammenführung dieser Interessen zum Emittenteninteresse sowohl theoretisch fragwürdig als auch praktisch nicht zu leisten ist. A.A. Steinrück, S. 95 ff., der – insb. S. 108 f. und S. 112 ff. – das Interesse „potenzieller Anleger“ als „Kapitalmarktinteressen“ deutet, dessen damit verbundene Intention sich aber wesentlich besser und ohne begriffliche Artistik in der nach diesseitiger Ansicht weiterhin erforderlichen Interessenabwägung – s. Rz. 105 – verwirklichen lässt, wie sie Steinrück denn auch selbst – ebd. S. 112 – vor Augen hat. Nach Kuntz/Rathert in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 599, 609, gibt es jedenfalls keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür, der Gesetzgeber erachte einen Aufschub nur dann für zulässig, wenn dieser im Kapitalmarktinteresse liege oder Emittenten- und Anlegerinteressen gleichliefen; das „Normziel“ sei einzig der Schutz von berechtigten Emittenteninteressen. 302 Steinrück, S. 95 ff., 108, 112. 303 Zur Fortgeltung des WpAIV nach dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung und zu ihrer Neufassung als WpAV s. Vor Art. 7 ff. VO Nr. 596/2014 Rz. 42. 304 ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 103 | Veröffentlichung von Insiderinformationen „MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen“ der ESMA305 nicht widerspricht. Das ist indes prima facie schon deshalb anzunehmen, weil die vorgenannten Rechtsquellen keine inhaltlichen Vorgaben zu „berechtigten Interessen des Emittenten“ enthalten und § 6 WpAV auch mit den Ausführungen in Erwägungsgrund 10 VO Nr. 596/2014 in Einklang steht. 104 § 6 WpAV lautet: „1Berechtigte Interessen, die nach Artikel 17 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 von der Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung nach Artikel 17 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 befreien können, liegen vor, wenn die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. 2Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn 1. das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde, oder 2. durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere getroffene Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde, wenn der Emittent dafür gesorgt hat, dass die endgültige Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird.“
(b) Regel 105 Bei der Beantwortung der Frage, welches berechtigte Interessen des Emittenten sind, ist allein von den Inte-
ressen des Emittenten selbst auszugehen; Interessen Dritter sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Näher hierzu Rz. 121. Nach § 6 Satz 1 WpAV ist als Regel immer dann von einem berechtigten Interesse des Emittenten auszugehen, wenn seine Interessen an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. Im Gegensatz dazu wird Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 im Schrifttum teils so verstanden, dass in Bezug auf die Berechtigung eines Aufschubs ausschließlich auf die Interessen des Emittenten abzustellen sei und eine Interessenabwägung zwischen berechtigten Interessen des Emittenten und Interessen des Kapitalmarkts entfalle306, teils wird die Ansicht vertreten, ein berechtigtes Aufschubinteresse des Emittenten bestehe nur dann, wenn der Aufschub im Interesse des Kapitalmarkts307 oder zumindest auch im Interesse desselben liege308. Ausweislich § 6 Satz 1 WpAV309 beurteilt dies der Gesetzgeber jedoch offenkundig anders und sieht sich durch 305 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, s. Schrifttum zu Art. 17 VO Nr. 596/2014. 306 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 493; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 62; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 153; Klöhn, AG 2016, 423, 430; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 167 ff.; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 209; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 24; Mülbert/ Sajnovits, WM 2017, 2001, 2003; Poelzig, NZG 2016, 761, 764; Retsch, NZG 2016, 1201, 1202; Schäfer in MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.33. Zu den Positionen in der Auseinandersetzung um die Frage, ob nach altem Recht (§ 15 WpHG a.F.) und nach neuem Recht (unter Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) eine Interessenabwägung erforderlich sei, s. ausführlich Steinrück, S. 82 f., 88 ff. 307 Steinrück, S. 95 ff., 109 „Maßgeblichkeit des Kapitalmarktinteresses“, 199 „Ex-ante-Interesse sämtlicher Kapitalmarktteilnehmer“. Nach dieser Ansicht (S. 157) kommt der Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 nur noch „in Ausnahmekonstellationen in Betracht“, wie etwa „dann, wenn die unverzügliche Offenlegung der Insiderinformation aller Wahrscheinlichkeit nach (i) die Ausnutzung eines eigen erarbeiteten Wettbewerbsvorsprungs des Emittenten gefährden würde [S. 114 ff.], (ii) die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten gefährden würde [S. 116 ff.] oder (iii) zur Entwertung der Insiderinformation führen würde [S. 128 ff.]“. Darüber hinaus soll ein Aufschub der Ad-hoc-Publizität zwar auch dann in Frage kommen, „wenn ein kursrelevanter Vorstandsbeschluss noch der endgültigen Genehmigung des Aufsichtsrats“ bedürfe „und der Vorstand dessen Zustimmungswahrscheinlichkeit nicht vernünftigerweise einschätzen“ könne. Letzteres sei allerdings auf der „Tatbestandsebene des Art. 17 MAR“ zu entscheiden (S. 146 ff.). 308 Kersting, ZBB 2011, 442 ff.: Vor dem Hintergrund der seinerseits h.M., die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung müssten diejenigen des Kapitalmarkts überwiegen, ist der Autor der Auffassung, sowohl die Interessen des Emittenten als auch diejenigen der Anleger müssten für einen Aufschub streiten. Zustimmend Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 608 mit Fn. 58. 309 Steinrück, S. 84 (erörtert wird das dort noch im Hinblick auf den § 6 Satz 1 WpAV entsprechenden § 6 Satz 1 WpAIV a.F., ist aber auf die erstgenannte Bestimmung voll übertragbar) kritisiert, dass man sich „aufgrund des vollharmonisierenden Charakters“ der VO Nr. 596/2014 nicht auf „die eigenständige Regelungswirkung“ des § 6 Satz 1 WpAV berufen könne, um daraus das Erfordernis einer Interessenabwägung abzuleiten. Er hält damit diese Vorschrift wohl für nicht europarechtskonform, weil es allein dem „Willen des europäischen Gesetzgebers“ vorbehalten sei, „den unbestimmten Rechtsbegriff des berechtigten Aufschubinteresses näher zu konkretisieren“ (S. 83).
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 107 Art. 17 VO Nr. 596/2014
keine der in Betracht kommenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsquellen (s. Rz. 103) daran gehindert, entsprechend der früheren Regelung in § 6 Satz 1 WpAIV (a.F.) und gestützt auf seine ihm durch § 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 WpHG eingeräumte Verordnungsermächtigung eine Interessenabwägung zu verlangen310. Dabei kann er sich darauf berufen, dass auch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 RL 2003/6/EG (Rz. 15), der durch § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. umgesetzt wurde und die Vorlage für Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 bildet (Rz. 101), selbst keine solche Interessenabwägung verlangte und § 6 Satz 1 WpAIV a.F. nicht als richtlinienwidrig betrachtet wurde. Dafür konnte von jeher das Argument streiten, dass nur „berechtigte“ Interessen des Emittenten geschützt werden: Bezogen auf die Verpflichtung des Emittenten zur Offenlegung von Insiderinformation und den Schutzzweck der Ad-hoc-Publizität bedeutet dies, dass jede Ausweitung der Interessen des Emittenten als berechtigte Interessen auf Kosten der Interessen des Kapitalmarkts als Gesamtheit der Interessen der Marktteilnehmer und insbesondere der Anleger geht. Die Qualifizierung von Interessen des Emittenten als hinsichtlich des Aufschubs der Offenlegung von Insiderinformationen berechtigt ist dementsprechend nicht ohne eine Beurteilung der durch den Offenlegungsaufschub beeinträchtigten Interessen vor allem aktueller und potenzieller Anteilseigner möglich. Regelmäßig ist ein berechtigtes Interesse des Emittenten am Aufschub der Offenlegung einer Insiderinfor- 106 mationen dann anzunehmen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit („eher als nicht“)311 die Veröffentlichung einerseits den Erfolg, den Eintritt oder die Durchführbarkeit des Ereignisses, auf das sich die Insiderinformation bezieht, gefährden oder andererseits den Eintritt bzw. die Herbeiführung von für den Emittenten negativer, aber durch geeignete Maßnahmen abwendbarer konkreter Ereignisse bzw. Umstände herbeiführen würde und dem Emittenten daraus ein nicht unerheblicher Nachteil entstünde312. Nicht ausreichend ist es, wenn der Emittent davon ausgeht, die Veröffentlichung der Insiderinformationen, namentlich im Falle negativer Insiderinformationen, würde seiner Geschäftsentwicklung nicht förderlich sein313. Deshalb wird die Schwelle für die Anerkennung berechtigter Interessen zu niedrig angesetzt, wenn es für ein berechtigtes Interesse am Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation bereits ausreichen soll, dass durch eine Veröffentlichung der Information unternehmerische Ziele oder Entwicklungen vereitelt, gefährdet oder erheblich beeinträchtigt würden314. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung der Interessen des Emittenten ist auch hier (wie bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Insiderinformation, Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 78 ff.) aus der Sicht eines verständigen, mit den Marktgegebenheiten vertrauten Anlegers zu beurteilen315. Der Aufschub der Offenlegung von Informationen, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften zu 107 veröffentlichen sind, kann nicht auf berechtigte Interessen des Emittenten gestützt werden. Dazu gehört etwa der Verlust der Hälfte des Grundkapitals des Emittenten nach § 92 Abs. 1 AktG316.
310 Auch Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.349; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.74, 38.79; Veil/Brüggemeier in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 8. Unabhängig von der Ableitung aus § 6 Satz 1 WpAV und § 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 WpHG hält der für eine Aufschubberechtigung allein bei entsprechendem Interesse des Kapitalmarkts eintretende Steinrück (S. 109, 199) diese, auf die Auslegung des Merkmals „der berechtigten Interessen“ des Emittenten zu stützende Auffassung für „gut begründbar“ (S. 105). 311 Ähnlich Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 898: es reicht, wenn die Veröffentlichung den berechtigten Interessen schaden könnte. 312 Ebenso Sönke Schröder, S. 92; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 104. 313 Ähnlich Simon, Der Konzern 2005, 13, 20: schlechte Geschäftsentwicklung, negative Kennzahlen; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 22. 314 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 152; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 783; Kumpan, DB 2016, 2039, 2044; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 207; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 34 ff.; Simon, Der Konzern 2005, 13, 19; Veith, NZG 2005, 254, 257. 315 Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 64; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 105; Zimmer in FS Schwark, S. 669, 672; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 56, 61. Noch geringere, allerdings wenig präzise Anforderungen stellt Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 13: „gewisse (nicht notwendig überwiegende) Wahrscheinlichkeit“. Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 132, verlangen „ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit“. Das Kriterium der überwiegenden Wahrscheinlichkeit entspricht der Formulierung der ESMA in ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 3 Rz. 2, wonach die Beeinträchtigung „aller Wahrscheinlichkeit nach“ zu erwarten sein muss. 316 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 159; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 245.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 108 | Veröffentlichung von Insiderinformationen (c) Regelbeispiele 108 Den Auftrag von Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 ausführend, hat die ESMA „eine nicht abschließende
indikative Liste der berechtigten Interessen des Emittenten, die von einer unverzüglichen Offenlegung von Insiderinformationen aller Wahrscheinlichkeit nach beeinträchtigt wären“317. Die „Leitlinien sollen den Emittenten bei ihrer Entscheidung, die Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absatz 4 der MAR aufzuschieben, durch Beispiele Hilfestellung leisten“. Die Leitlinien in Bezug auf berechtigte Interessen des Emittenten für den Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen lauten318: „Für die Zwecke von Artikel 17 Absatz 4 Buchstabe a der MAR können sich die Fälle, in denen die unverzügliche Offenlegung von Insiderinformationen geeignet wäre, die berechtigten Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen, auf folgende nicht erschöpfende Umstände beziehen: a. Der Emittent führt Verhandlungen, deren Ergebnis durch die unverzügliche öffentliche Bekanntgabe wahrscheinlich gefährdet würde. Beispiele für solche Verhandlungen sind Verhandlungen über Fusionen, Übernahmen, Aufspaltungen und Spin-offs, Erwerb oder Veräußerung wesentlicher Vermögenswerte oder Unternehmenszweige, Umstrukturierungen und Reorganisationen. [Näher Rz. 109] b. Die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten ist stark und unmittelbar gefährdet – auch wenn er noch nicht unter das geltende Insolvenzrecht fällt –, und die unverzügliche Bekanntgabe von Insiderinformationen würde die Interessen der vorhandenen und potentiellen Aktionäre erheblich beeinträchtigen, indem der Abschluss der Verhandlungen gefährdet würde, die eigentlich zur Gewährleistung der finanziellen Erholung des Emittenten gedacht sind. [Näher Rz. 113] c. Die Insiderinformationen beziehen sich auf vom Geschäftsführungsorgan eines Emittenten getroffene Entscheidungen oder abgeschlossene Verträge, die gemäß dem innerstaatlichen Recht oder den Statuten des Emittenten der Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten (abgesehen von der Hauptversammlung der Aktionäre) bedürfen, um wirksam zu werden, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: i. Die unverzügliche Offenlegung dieser Informationen vor einer endgültigen Entscheidung würde die korrekte Bewertung der Informationen durch das Publikum gefährden und ii. der Emittent hat dafür gesorgt, dass die endgültige Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird. [Näher Rz. 110, 112] d. Der Emittent hat ein Produkt entwickelt oder eine Erfindung getätigt, und die unverzügliche Offenlegung dieser Information würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Rechte des geistigen Eigentums des Emittenten gefährden[319]. e. Der Emittent plant den Erwerb oder Verkauf einer wesentlichen Beteiligung an einem anderen Unternehmen, und die Offenlegung dieser Information würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Durchführung dieses Plans gefährden. f. Ein zuvor angekündigtes Geschäft unterliegt der Genehmigung durch eine staatliche Behörde, wobei diese Genehmigung von weiteren Anforderungen abhängt, und die unverzügliche Offenlegung dieser Anforderungen wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Fähigkeit des Emittenten, diese Anforderungen zu erfüllen, auswirken und somit den Erfolg des Geschäfts letztendlich verhindern.“
109 Das Beispiel „Gefährdung laufender Vertragsverhandlungen“ in lit. a. der vorstehend wiedergegebenen
MAR-Leitlinien folgt Erwägungsgrund 50 lit. a Teilsatz 1 VO Nr. 596/2014 und ist identisch mit dem Regelbeispiel in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAV (Rz. 104), das in seinem Wortlaut – Ersetzung der Formulierung „wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt“ in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV a.F. durch „wahrscheinlich beeinträchtigt“ – dem Beispiel der Leitlinien angepasst wurde320. Erfasst sind erkennbar auf Vertragsabschlüsse gerichtete Verhandlungen jedweder Art, die für das Unternehmen von solcher Bedeutung sind, dass sie Gegenstand von 317 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 3 Rz. 2. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38: „Die in den Leitlinien genannten Umstände sind Beispiele und nicht abschließend zu verstehen“. 318 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 4 f. Rz. 8. Zur Vorbereitung und Behandlung der Selbstbefreiungsfälle in ESMA, Final Report – Guidelines, aus denen diese Leitlinien hervorgegangen sind, s. Krämer/ Kiefner, AG 2016, 621 ff. Die MAR-Leitlinien finden sich auch in BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 37 f. 319 Der bei der Bestimmung eines „berechtigten Interesses“ am Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen allein auf Kapitalmarktinteressen abstellende Steinrück zählt (S. 114 ff., 157, 199), diesen Aufschubgrund zu den wenigen, dies diesem Kriterium genügen können. 320 Auch dieser Aufschubgrund gehört zu den wenigen, die Steinrück (S. 128 ff., 157, 199) der bei der Ermittlung „berechtigter Interessen“ am Aufschub nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 allein Kapitalmarktinteressen (zur Vermeidung der „Entwertung der Insiderinformation“) für berücksichtigungsfähig hält.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 111 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Insiderinformationen sein können321, darüber hinaus aber auch Verhandlungen mit Behörden in Bezug auf Compliance-Verstöße322. Eine wahrscheinliche Beeinträchtigung ist auch hier als überwiegende Wahrscheinlichkeit anzusehen (Rz. 106). Wenn davon abweichend in lit. a der MAR-Leitlinien von „wahrscheinlich gefährdet“ die Rede ist, so ist damit nicht nur die Gefährdung (etwa im Sinne des Abbruchs oder des Scheiterns) eingeleiteter Verhandlungen gemeint, sondern jede Beeinträchtigung derselben323. Die Annahme, die „Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung der Verhandlungen [hingen] davon ab, wie hoch der drohende Verlust der Geschäftschance“ sei324, ist aus der Luft gegriffen. Darüber hinaus entspricht das auch in Erwägungsgrund 50 lit. b VO Nr. 596/2014 angeführte und in lit. c 110 der MAR-Leitlinien übernommene Beispiel „Ausstehende Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten“ dem Regelbeispiel in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV. Diese Bestimmung wurde, durch Ergänzung der ursprünglichen Fassung in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV a.F. um den letzten Satzteil, dem einschlägigen Teil der MAR-Leitlinie angepasst. Besonderer Beachtung bedarf der Umstand, dass das in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV angeführte Regelbeispiel nicht deshalb einen Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung gestattet, weil die Respektierung der Entscheidungsfreiheit anderer Organe – in der Regel des Aufsichtsrats – dieses verlangt. Vielmehr macht das Regelbeispiel den Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung allein davon abhängig, dass der in der Veröffentlichung anzubringende Hinweis auf die ausstehende Zustimmung eines anderen Organs die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde325. Ohne dass dies in den einschlägigen Teilen des Emittentenleitfadens Modul C der BaFin (dazu Rz. 112 f.) hinreichend zum Ausdruck kommt326, bedeutet dies, dass nicht per se jede noch ausstehende Zustimmung eines anderen Organs den Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV erlaubt (dazu schon Rz. 37). Zur Frage, ob dessen ungeachtet ein Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation – aufgrund der allgemeinen Befreiungsregel des § 6 Satz 1 WpAV – allein wegen noch erforderlichen Zustimmung eines anderen Organs zulässig ist, s. Rz. 112. Des Weiteren verlangt die Ausnahme, dass der Emittent dafür gesorgt hat, dass die endgültige Entscheidung so schnell wie möglich getroffen wird (Rz. 112a). Das heißt, im Zeitpunkt des Aufschubs müssen bereits Vorkehrung getroffen sein oder spätestens mit dem Aufschub dahingehend getroffen werden, dass die Entscheidung, die abzuwarten ist, zu dem nach Recht, Gesetz und Satzung sowie nach nicht änderbaren äußeren Umständen nächstmöglichen Zeitpunkt getroffen werden. Soweit es im Hinblick auf die nach lit. c der MAR-Leitlinien (Rz. 108) und § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV noch 111 ausstehende „Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten“ geht, d.h. in der Regel um die noch ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrats, hält ein Teil des noch zur entsprechenden Bestimmung des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV a.F. publizierten Schrifttums die Gefahr einer nicht sachgerechten Bewertung der Veröffentlichung durch das Publikum dann als ausgeräumt, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats als wahrscheinlich gelten dürfe327. Sehr viel weitergehend ist sogar geltend gemacht worden, die Veröffentlichung dürfe nur dann unterbleiben, wenn mit einem ablehnenden Votum „ernsthaft zu rechnen“ sei328. Sehr viel enger dagegen ist die Ansicht, der Aufschubtatbestand sei nur dann nicht erfüllt, wenn die Zustimmung des
321 Zum Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2042 f. 322 Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 240; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2043; Seibt/Cziupka, AG 2015, 93, 101, 103 f. 323 So schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 140. Ausdrücklich weist die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 37 in Fn. 61, unter Verweis auf Erwägungsgrund 50, darauf hin, nach ihrer Auffassung könne auch „bei lediglich einer Störung des Ablaufs der normalen Verhandlungen ein berechtigtes Interesse des Emittenten gegeben sein“. 324 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 199. 325 Ebenso Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 457; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.74; Sönke Schröder, S. 209; Staake, BB 2007, 1573, 1575; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 39, 41. 326 Kraack, ZIP 2020, 1389, 1398 hält der BaFin vor, für „die weitere Aufschubvoraussetzung der Gefährdung der korrekten Marktbewertung bei Offenlegung vor Entscheidung des Aufsichtsrats wäre ein Hinweis ... hilfreich gewesen, dass es nach dem (zweifelhaften) restriktiven Verständnis der ESMA [in den MAR-Leitlinien, oben Rz. 108 lit. c i.] wesentlich auf das Irreführungspotential aus der Marktperspektive ankommt, nicht hingegen (primär) auf eine etwaige Unsicherheit über die Zustimmung des Aufsichtsrats oder auf die Gefährdung von dessen Entscheidungsfreiheit durch die vorzeitige Veröffentlichung“. 327 Veith, NZG 2005, 254, 256. Ebenfalls Prognosen verlangend, aber andere Wahrscheinlichkeitsurteile zugrunde legend: Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905 (Der Aufschub ist nur dann unberechtigt, wenn die Entscheidung des Aufsichtsrats als „sicher“ anzusehen ist); Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 899 („Möglichkeit eines ablehnenden Beschlusses“ ist Aufschubgrund). 328 Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 633 zu VI.1., 610 ff. Dagegen Assmann, ZHR 172 (2008), 635, 648 ff. Dem kommt i.E. nahe Staake, BB 2007, 1573, 1575 ff.: Veröffentlichungspflicht regelmäßig mit Vorstandsbeschluss.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 111 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Aufsichtsrats sicher sei329. Das würde so oder so den für die Entscheidung über eine Ad-hoc-Veröffentlichung verantwortlichen Vorstand dazu zwingen, eine „Prognose darüber anzustellen, wie wahrscheinlich eine Weigerung des Aufsichtsrats ist, einer bestimmten Maßnahme des Vorstands seine Zustimmung zu erteilen“330. Solchen Konsequenzen ist jedoch im Interesse der Funktionsfähigkeit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung und der betroffenen Emittenten zu begegnen: Die zustimmende oder ablehnende Haltung des Aufsichtsrats zu einer Entscheidung des Vorstands ist (gerade bei börsennotierten Unternehmen wie den erfassten Emittenten) selbst dann nicht sicher prognostizierbar, wenn alle Mitglieder oder Gruppen Zustimmung signalisieren. Aber um eine solche auch nur halbwegs sichere Prognose zu erhalten, könnte der Vorstand des Emittenten zu sondierenden Gesprächen mit dem Aufsichtsrat gezwungen sein, welche entweder nur Teile des Aufsichtsrats einbeziehen oder den Aufsichtsrat zu einer unsorgfältigen und/oder verfrühten Befassung mit einem Sachverhalt zwingen: weder das eine noch das andere ist rechtlich hinnehmbar. Jenseits solcher Fälle wäre eine Prognose dem Vorstand schon deshalb schlechterdings nicht zuzumuten, weil dies eine Beurteilung des Verhaltens des Gremiums und seiner Mitglieder verlangen würde, welches die gedeihliche Zusammenarbeit der Organe beschädigen und das Gegenteil dessen hervorrufen würde, was prognostiziert wurde. Und schließlich würde eine solche Prognose, wie auch immer sie ausfällt, die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder des Aufsichtsorgans erheblich beeinträchtigen. 112 Lit. c der MAR-Leitlinien (Rz. 108) und § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV enthalten keine abschließende Antwort auf
die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Emittent wegen einer noch ausstehenden Zustimmung eines anderen Organs auch ohne mögliche Irreführung des Publikums für den Fall der Veröffentlichung einer Insiderinformation zum Aufschub der Offenlegung derselben berechtigt sein soll331. Das kam schon vor dem Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung und noch zu § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV a.F. in der Ansicht der BaFin zum Ausdruck, ein berechtigtes Interesse des Emittenten könne „z.B. auch dann vorliegen, wenn die Veröffentlichung einer bereits vom Geschäftsführungsorgan getroffenen Maßnahme die ausstehende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder die Durchführbarkeit der Maßnahme gefährden würde“332. Dem ist auch unter Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu folgen333. Dabei ist dieser Ansicht durch das Geltl-Urteil des EuGH334 nicht der Boden entzogen worden, denn die Feststellung, jeder der erforderlichen Zustimmung durch ein Organ des Emittenten vorausgehende Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Vorgangs könne eine Insiderinformation darstellen, besagt nichts über die Berechtigung zum Aufschub der den Zwischenschritt betreffenden Insiderinformation. Auch wenn dies einer Besonderheit des dualistischen Systems des Verbandsrecht geschuldet ist, das aber die Anerkennung durch das Gemeinschaftsrecht gefunden hat335, ist deshalb weiterhin davon auszugehen, dass die Veröffentlichung einer Insiderinformation über einen Vorgang, der noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, vor der Entscheidung des Organs regelmäßig – und ohne dass es insoweit eines Urteils über die wahrscheinliche Abstimmung des Gremiums oder dessen wahrscheinlichen Umgangs mit einer möglichen Vorabveröffentlichung bedürfte – geeignet ist, den Erfolg, den Eintritt oder die Durchführbarkeit des Ereignisses, auf das sich die Insiderinformation bezieht, zu gefährden. Deshalb ist mit der BaFin festzuhalten, dass eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht „angesichts der dem Aufsichtsrat nach dem Aktienrecht zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben zur Überwachung des Vorstands ... bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen ... regelmäßig zulässig“ ist336. Im Emit-
329 Gunßer, S. 91 f., 94. 330 So Veith, NZG 2005, 254, 256. Eine solche verlangt auch Steinrück (S. 146 ff., 157), der allerdings einen Grund zum Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation darin sieht, dass „ein kursrelevanter Vorstandsbeschluss noch der endgültigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf und der Vorstand die Wahrscheinlichkeit einer Genehmigung nicht vernünftig einschätzen kann“ (S. 199). 331 Dies unterstellend, rügt Messerschmidt, BB 2004, 2538, zu Recht, das Abwarten der Zustimmung des Aufsichtsrats nur in Einzelfällen stehe im Widerspruch zum Aktiengesetz. 332 So BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 60, mit dem Hinweis S. 61: „Bei einer Befreiung sollte jedoch im Hinblick auf die erforderliche Vertraulichkeit eine endgültige Entscheidung in einem angemessenen Zeitraum herbeigeführt werden. Ggf. sollte die Entscheidung in entsprechenden Ausschüssen erfolgen, um eine zeitnahe Veröffentlichung herbeizuführen.“ S. auch Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 23. 333 Erwägungsgrund 50 lit. b VO Nr. 596/2014; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 154; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 226 f. 334 EuGH (2. Kammer) v. 28.6.2012 – C-19/11, ECLI:EU:C:2012:397 – Geltl, AG 2012, 555. 335 Art. 38–42 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1. 336 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 61. Im Grundsatz auch Eichner, S. 114; Geibel in Schäfer/Hamann, § 14 WpHG Rz. 66 („indizielle Wirkung“); Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Lebherz, S. 114 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 737; Möllers, WM 2005, 1393, 1396; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 899; Veith, NZG 2005, 254, 256. Enger Sönke Schröder, S. 214 ff., 217 (nicht pauschal und ohne zusätzliche Voraussetzungen möglich, aber „in relativ weitem Maße“ zulässig). Kritisch Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 608 ff. und gegen dessen Kritik
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 112a Art. 17 VO Nr. 596/2014
tentenleitfaden Modul C der BaFin ist nunmehr aber, im Unterschied zum Emittentenleitfaden 2013, ausdrücklich davon die Rede, der Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformation zwecks Beteiligung des Aufsichtsrats setze voraus, dass „der Aufsichtsrat dem jeweiligen Sachverhalt zwecks Wirksamkeit zustimmen muss“337. Mit dieser Abweichung übernimmt die BaFin weitgehend den Wortlaut des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV, der diesbezüglich gegenüber dem des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV a.F. unverändert blieb. Das legt die Vermutung nahe, sie wolle damit nur solche Geschäfte erfassen, deren rechtsgeschäftliche Wirksamkeit von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhänge. Damit wäre der Aufschub einer Zustimmung des Aufsichtsrats in Bezug auf Geschäfte ausgeschlossen, die nur deshalb zustimmungsbedürftig sind, weil dies die Satzung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bestimmt, und bei denen die nicht erteilte Zustimmung – mit Konsequenzen ausschließlich für das Innenverhältnis – nicht zur rechtsgeschäftlichen Unwirksamkeit der trotz der fehlenden Zustimmung des Aufsichtsrats geschlossenen Geschäfte führt. Sollte dies als Auslegung von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV gemeint sein, so ist dem entgegenzutreten, weil auch in den Fällen, die lediglich der Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG unterliegen, die Gefahr besteht, die Entscheidung des Aufsichtsrats zu präjudizieren, die Durchführung des Geschäfts zu behindern und den Aufsichtsrat zur Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegen den Vorstand nach § 93 Abs. 2 AktG zu zwingen338. Das ist auch auf solche Zustimmungsvorbehalte zu erstrecken339, die der Aufsichtsrat „ad hoc“ in Bezug auf sich abzeichnende einzelne Geschäfte gesetzt hat340, und kann selbst für solche Fälle Gültigkeit beanspruchen, in denen der Vorstand seine „noch nicht beschlossene Entscheidung unter den Vorbehalt einer abschließenden inhaltlichen Abstimmung mit dem Aufsichtsrat stellt, die Maßnahme also nicht ohne jedenfalls zustimmende Kenntnisnahme des Aufsichtsrats vornehmen will“341. Lit. c der MAR-Leitlinien (Rz. 108) stellt im Übrigen, übereinstimmend mit der dazu bisher schon einhelligen Ansicht342 – explizit klar, dass vergleichbare Überlegung im Hinblick auf die ausstehende Zustimmung der Hauptversammlung nicht in Frage kommen. Dessen ungeachtet ist es erforderlich, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats so schnell wie möglich (zu 112a diesem Zeitmaß Rz. 63) herbeigeführt wird. Dementsprechend sollte nach den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden „bei Vorliegen einer Insiderinformation der Beschluss unverzüglich gefasst und auch außerhalb der nächsten turnusmäßigen Sitzung herbeigeführt werden, so z.B. im Rahmen einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung oder im Umlaufverfahren“; gegebenenfalls könne „die Entscheidung auch in entsprechenden Ausschüssen erfolgen, um eine zeitnahe Veröffentlichung herbeizuführen“343. Da die Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand als nach §§ 242, 246 HGB und § 170 AktG selbstständiger Akt – anders als die Feststellung des Jahresabschlusses gem. § 172 AktG nach vorheriger Prüfung desselben durch den Aufsichtsrat – nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats unterliegt, kann eine sich aus dem aufgestellten Jahresabschluss ergebende Insiderinformation344 nicht bis zur Feststellung des Jahresabschlusses im Wege der Billigung desselben durch den Aufsichtsrat nach § 172 AktG aufgeschoben werden345. In der Konsequenz können Dividendenvorschläge nach § 285 Nr. 34 HGB, die der Vorstand der Hauptversammlung für die Verwendung des Bilanzgewinns zu machen und nach § 170 Abs. 2 Satz 1 AktG dem Auf-
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wiederum Assmann, ZHR 172 (2008), 635, 648 ff.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 934 f.; Messerschmidt, BB 2004, 2538, 2539; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 74: „nur in Ausnahmefällen“; Staake, BB 2007, 1573, 1577 f.; Ziemons, NZG 2004, 537, 541. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38 (Hervorhebung hinzugefügt). Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 74 (Aufschubinteresse besteht selbst für Situationen, „die zwar formal keiner Zustimmungspflicht unterliegen, die Gefahr einer Präjudizierung der Aufsichtsratsentscheidung aber ebenso wahrscheinlich erscheinen lassen“ wie bei einer zwingenden Aufsichtsratsentscheidung). Ablehnend auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 117. Kraack, ZIP 2020, 1389, 1398. Solche Zustimmungsvorbehalte sind nach Rechtsprechung und allgemeiner Meinung zulässig, s. nur Drygala in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 111 AktG Rz. 58; Habersack in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 111 AktG Rz. 115; Koch, § 111 AktG Rz. 62. Kraack, ZIP 2020, 1389, 1398. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 146. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38. Auch Ereignisse, die im Rahmen der Regelpublizität darzustellen sind, oder Daten des Jahresabschlusses können bereits vor der Veröffentlichung im Rahmen der Regelpublizität der Ad-hoc-Publizität unterliegen; s. Rz. 9. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38. In diesem Falle soll zudem – ohne Hinzutreten besonderer Umstände – nicht davon auszugehen sein, dass die Ankündigung der noch ausstehenden Entscheidung durch den Aufsichtsrat die sachgerechte Bewertung der Information durch das Anlegerpublikum gefährden würde. Kritisch dazu Kraack, ZIP 2020, 1389, 1398: „Bezeichnenderweise ist die BaFin der Auffassung, dass die einzige Maßnahme, deren Wirksamkeit tatsächlich der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, nämlich die Feststellung des Jahresabschlusses, nicht aus diesen Gründen aufschubfähig ist. Ihr zufolge kommt es in diesem Kontext nicht auf die Feststellung, sondern die nicht unter Aufsichtsratsvorbehalt stehende Aufstellung des Abschlusses an“.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 112a | Veröffentlichung von Insiderinformationen sichtsrat vorzulegen hat, und die – etwa, weil sie erheblich von den Markterwartungen abweichen – als Insiderinformation zu qualifizieren sind, nicht nach Art. 17 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV bis zur Feststellung des Jahresabschlusses aufgeschoben werden346. 113 Beispiel b. der MAR-Leitlinien „Gefährdung der finanziellen Überlebensfähigkeit des Emittenten“ entspricht Erwägungsgrund 50 lit. b VO Nr. 596/2014 und dem in Art. 3 Abs. 1 lit. a Satz 1 DurchfRL 2003/124/ EG (Rz. 102) aufgeführten Fallbeispiel347. Angesprochen sind Informationen über die Sanierungsbedürftigkeit eines Unternehmens sowie Sanierungsmaßnahmen. An ihrer Geheimhaltung durch Aufschub der Veröffentlichung diesbezüglicher Insiderinformationen wurde dem Emittenten schon bisher ein berechtigtes Interesse für den Fall zugestanden, dass ernsthafte Sanierungsaussichten bestehen348. Dessen ungeachtet kann ein berechtigtes Interesse für einen Aufschub der Offenlegung einer Insiderinformation aber auch bei Maßnahmen bestehen, die der kurzfristigen finanziellen Erholung des Emittenten dienen349. Zum Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen im Zusammenhang mit bankaufsichtlichem Handeln und der Abwicklung von Instituten bei Gefährdung der finanziellen Überlebensfähigkeit eines Instituts s. Rz. 253s. 114 Über die in den MAR-Leitlinien der ESMA (Rz. 108) und in § 6 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 WpAV gegebenen Regelbeispiele hinaus, lassen sich als weitere Beispiele für ein berechtigtes Interesse des Emittenten an einem Aufschub von Insiderinformationen anführen: – Entdeckung von Rohstoffvorkommen, wobei die Abbaurechte oder der Erwerb der von Grundstücken zur Ausbeutung derselben erst noch zu sichern sind350. – Als Folge der Veröffentlichung drohen dem Emittenten erhebliche Wettbewerbsnachteile oder unverhältnismäßigen Kostensteigerungen351. Letzteres kann etwa der Fall sein bei der Veröffentlichung der Entdeckung einer Rohstoffquelle, wenn die zum Abbau notwendigen Grundstücke noch zu erwerben sind. – Aufschub der Veröffentlichung von unerwarteten Geschäftszahlen oder Prognoseabweichungen bis zum Zeitpunkt einer nach dem Finanzkalender des Emittenten unmittelbar bevorstehenden Regelberichterstattung352. Zu veröffentlichungspflichtigen Prognosen, Prognoseabweichungen und Prognosekorrekturen s. Rz. 115. – Stellung von Leniency-Anträgen (im Rahmen eines Kronzeugenprogramms) auf Erlass oder Ermäßigung einer Geldbuße im Zusammenhang mit der unternehmensinternen Aufdeckung und Anzeige von Kartellverstößen im Hinblick auf die Gewährleistung der von den Wettbewerbsbehörden verlangte Vertraulichkeit353 (s. auch Rz. 239). – Wechsel in Schlüsselpositionen, namentlich in Vorstand und Aufsichtsrat, wenn der Wechsel planvoll vollzogen werden soll und zwar die ausscheidende Person oder die als Neubesetzung vorgesehen Person bekannt sind, nicht aber der jeweilige Gegenpart und die Modalitäten des Wechsels einschließlich von 346 Kraack, ZIP 2020, 1389, 1398 rät Vorstand und Aufsichtsrat deshalb, „frühzeitig Einvernehmen über eine Gewinnverwendung zu erzielen und etwaige insiderrelevante Abweichungen der Dividende oder der Dividendenpolitik vor Finalisierung des Jahresabschlusses ad hoc zu melden“. 347 Auch der bei der Bestimmung eines „berechtigten Interesses“ am Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen allein auf Kapitalmarktinteressen abstellende Steinrück hält – S. 116 ff., 118, 157, 199 – die Gefährdung der finanziellen Überlebensfähigkeit des Emittenten für einen seinem Kriterium genügenden Aufschubgrund. 348 Etwa Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 261; Kocher/Widder, NZI 2010, 925, 928 f.; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 261 f. 349 ESMA, Final Report – Guidelines on the Market Abuse Regulation, Annex IV, S. 53, Rz. 116 („ESMA would like to highlight that the decision of not including a reference to the ‘long-term’ financial recovery of the issuer (present in the examples given in Recital 50 of MAR) was indeed driven by the fact that also the ‘short-term’ financial recovery of the issuer could be a possible legitimate interest“). Darauf weist die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 37 in Fn. 62 ausdrücklich hin. 350 Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 102; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 155; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 234; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 135. 351 Auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 155; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2218; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 49; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 135; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 62. 352 A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 244; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 244. 353 Dreher, WuW 2010, 731, 738 ff., 739: Abwägungsrelevant sei „der voraussichtliche finanzielle Erfolg eines Leniency-Antrags in Form der Herabsetzung einer Geldbuße nach unternehmensinterner Aufdeckung des Kartellsachverhalts“ als Folge einer Kooperation mit der Kartellbehörde; Fiedler/Seibt, Publikationspflichten in der Krise, Rz. 29; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 240; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2043; Merkner/Sustmann/Retsch, NZG 2021, 1198, 1203 ff.; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 135.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 115a Art. 17 VO Nr. 596/2014
dessen Bereitschaft zur Veränderung354, dies aber nur für den Fall, dass bei Veröffentlichung einer diesbezüglich eingetretenen Insiderinformationen – etwa der Bereitschaft eines Vorstandsvorsitzenden, unter gewissen Voraussetzungen und Nachfolgeregelungen aus dem Vorstand des Emittenten auszuscheiden – der Wechsel gefährdet wäre355. Zur Ad-hoc-Publizität beim Wechsel von Organmitgliedern und Personen in Schlüsselpositionen s. auch Rz. 37 und 228 ff. – Dagegen lässt sich der Aufschub von Insiderinformationen nicht abstrakt mit einem Interesse am Schutz der Unternehmensreputation begründen356. Ein solches Aufschiebinteresse kann allein im Hinblick auf den Vorgang beurteilt werden, der einen solchen Repuationsverlust mit sich brächte. Vor allem im Hinblick auf die Pflicht zur Veröffentlichung von Prognosen, Prognoseabweichungen und 115 Prognosekorrekturen verdient die Verwaltungspraxis der BaFin besondere Aufmerksamkeit, wobei zur Behandlung derselben einschließlich Unternehmensplandaten auf die Ausführungen in Art. 7 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 25 ff. und Rz. 28 ff. zu verweisen ist. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Kreation von Insiderinformationen und die Verpflichtung zur Veröffentlichung derselben durch die Postulierung einer – wider eigenem Bekunden permanenten – Pflicht zur Beobachtung des Marktes und des eigenen Geschäfts im Hinblick auf aufgestellte Prognosen357. Im Einzelnen verlautbart die BaFin zur Veröffentlichungspflicht unter Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014358: „Hat der Emittent eine Prognose erstellt, so muss sie, wenn sie erheblich kursrelevant ist, veröffentlicht werden. In der Folgezeit ist der Emittent nicht verpflichtet, seine Prognose fortlaufend zu überprüfen. Allerdings muss er einzelne bedeutende Geschäftsvorfälle zum Anlass nehmen zu prüfen, ob er die Prognose aufrechterhalten kann. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Geschäftsvorfälle selbst Insiderinformationen sein können. Kommt er bei der Prüfung der Geschäftsvorfälle zu dem Ergebnis, dass er die ursprüngliche Prognose aufrechterhalten kann, dann bedarf es keiner Veröffentlichung nach Art. 17 MAR darüber. Stellt er aber fest, dass er sein Ergebnisziel wahrscheinlich deutlich verfehlt/übertrifft, sodass sich hieraus ein erhebliches Preisbeeinflussungspotential ableiten lässt, so muss er die Prognose im Wege einer Veröffentlichung nach Art. 17 MAR aktualisieren. Weicht die Markterwartung in der Folge von seiner Prognose ab, so muss er diese nicht mittels Veröffentlichung nach Art. 17 MAR korrigieren, sofern er an seiner Prognose festhält. Anderes gilt aber, wenn der Emittent durch Signale, zum Beispiel durch Aussagen zum Geschäftsverlauf für den restlichen Prognosezeitraum beispielsweise in Interviews oder Analystenmeetings in Bezug auf das prognostizierte Ergebnis, diese Markterwartung erkennbar selbst verursacht hat. Hat der Emittent lediglich eine Jahresprognose veröffentlicht und stellt er bei der Aufstellung unterjähriger Geschäftszahlen fest, dass diese von der Markterwartung oder den vergleichbaren Vorjahreszahlen abweichen, können diese Ergebnisse auch dann eine Pflicht zur Veröffentlichung nach Art. 17 MAR auslösen, wenn an der ursprünglichen Jahresprognose festgehalten wird. Vergleichsmaßstab ist dann je nach Aktualität das jeweilige Vorjahresergebnis oder die Markterwartung diesbezüglich. Umgekehrt kann die Veröffentlichung von Quartalszahlen oder Halbjahreszahlen eine Pflicht zur Korrektur der Jahresprognose auslösen, wenn trotz des noch andauernden Geschäftsjahres und ausstehender Geschäftsvorfälle dennoch nicht damit gerechnet werden kann, die Jahresprognose zu halten.“ In einer Verlautbarung vom 24.3.2020359 hat die BaFin dargelegt, wie aus ihrer Sicht mit Prognoseänderun- 115a gen infolge der gegenwärtigen Entwicklung rund um das Corona-Virus umzugehen ist. Dabei geht sie davon aus, dass der Emittent an seiner alten Prognose so lange festhalten darf als die Auswirkungen des Corona-Virus noch nicht vorhersehbar sind. Dieser zutreffende Ausgangspunkt muss selbstredend für alle Prognosen gelten, die im Verlauf der Corona-Pandemie in oder vor einer neuen Etappe oder Welle derselben aufgestellt wurden und der Gefahr ausgesetzt sind, durch die Entwicklung eingeholt zu werden. Für den Fall einer vom Emittenten vorgenommenen und noch nicht öffentlich bekannten Prognoseänderung soll zu berücksichtigen sein, dass diese erst dann ad hoc veröffentlicht werden muss, wenn sie hinreichend präzise 354 Krämer/Kiefner, AG 2016, 621, 626. A.A. Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 248 m.w.N. und unter Berufung auf ESMA, Final Report – Guidelines on the Market Abuse Regulation, Annex IV, S. 53, Rz. 126. 355 Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 133. 356 So aber Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 235 ff.; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 135. 357 Auch Schlitt/Mildner in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 363, 374. 358 BaFin, Art. 17 MAR (FAQs), III.7. S. 12. Nachfolgende Hervorhebungen nicht im Original. 359 BaFin, FAQ vom 24.3.2020 – II. Wie ist mit Prognoseänderungen als Insiderinformationen infolge der gegenwärtigen Entwicklung rund um das Corona-Virus umzugehen?, abrufbar über die Website der BaFin www.bafin.de unter Eingabe der Suchbegriffe „Prognoseänderungen als Insiderinformationen“.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 115a | Veröffentlichung von Insiderinformationen und das Prognostizierte hinreichend wahrscheinlich ist. Dabei soll eine Prognoseänderung nicht erst dann präzise sein, wenn die exakten Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bereits vollständig bestimmt werden können. Das entspricht den Grundsätzen zur Beurteilung von Prognosen des Emittenten über seine zukünftige Geschäftsentwicklung und gilt schon deshalb für alle Phasen der Corona-Pandemie. Muss der Emittent dagegen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass eine bestehende und marktbekannte Prognose deutlich verfehlt wird, so soll dies eine Insiderinformation darstellen, die mittels einer Ad-hoc-Mitteilung aus dem Markt zu nehmen sei. Dem ist ebenso zuzustimmen wie der Ansicht, dass hier eine ad hoc zu publizierende Insiderinformation auch dann gegeben ist, wenn der Emittent noch keine konkrete neue Prognose abgeben kann. Problematisch dagegen ist die Aussage, der Emittent habe, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt eine konkrete Prognose formulieren könne, diese in der Regel ebenfalls unverzüglich per Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Die darin insinuierte Pflicht zur Erstellung einer neuen Prognose für den Fall, dass eine alte zurückgenommen werden musste, gibt es nicht360. Beizupflichten wäre der BaFin dagegen, sollte vorstehende Aussage dahingehend zu verstehen sein, dass der Emittent, der an einer neuen Prognose arbeitet, diese per Ad-hoc-Mitteilung offenzulegen hat, sobald sie die Voraussetzungen einer Insiderinformation erfüllt (dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 28 ff.). 116 Im Hinblick auf Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote nach dem WpÜG ist regelmäßig ein be-
rechtigtes Interesse des Bieters an der Nichtveröffentlichung eines diesbezüglichen Vorhabens bis zu dem Zeitpunkt einer nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichenden Entscheidung über die Abgabe eines Angebots anzunehmen361. Dabei darf die Zustimmung des Aufsichtsrats abgewartet werden, soweit sie für die Wirksamkeit eines Angebots erforderlich ist (arg. ex § 10 Abs. 1 Satz 2 WpÜG)362. Der dafür maßgebliche Grund – der Umstand, dass eine der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots vorausgehende Meldung über ein bevorstehendes Angebot den Erfolg desselben nachhaltig gefährden oder die Kosten desselben erheblich vergrößern kann – vermag den Aufschub entsprechender Veröffentlichungspflichten bei Anteilsund Unternehmenserwerbsvorgängen („M&A-Transaktionen“) allerdings regelmäßig nicht zu begründen363. Hier müssen vielmehr konkrete Umstände vorliegen, die die Annahme als wahrscheinlich erscheinen lassen, eine Veröffentlichung werde die diesbezüglichen Verhandlungen und damit den Erfolg der Transaktion gefährden oder nicht akzeptable Preisveränderungen nach sich ziehen364. Jedenfalls kann auch hier die Veröffentlichung des Vertragsabschlusses bis zu einer eventuell erforderlichen Zustimmung des Aufsichtsrats des Emittenten365 oder ggf. auch der anderen Partei aufgeschoben werden.
117 Erfährt die Zielgesellschaft von einem bevorstehenden Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebot, so
sollte sie, auch wenn es sich dabei um eine Insiderinformation handeln sollte, entsprechend § 10 Abs. 6 WpÜG so lange keiner Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung unterliegen, wie der Bieter von einer Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG befreit ist366. Im Übrigen kann sie aber auch – davon unabhängig – ein berechtigtes Interesse am Aufschub einer eventuellen Verpflichtung zur Ad-hoc-Veröffentlichung haben. Insbesondere kann sie ein eigenes berechtigtes Interesse an der Abgabe eines Angebots oder an dessen Scheitern haben. Das gilt auch für den Fall, dass Dritte über Transaktionen in Bezug auf Wertpapiere der Zielgesellschaft verhandeln und das Wissen darüber eine Insiderinformation in Bezug auf die Zielgesellschaft darstellt.
118 Besteht der nicht öffentlich bekannte Verdacht, dass es beim Emittenten zu Compliance-Verstößen gekom-
men ist, so ist der Emittent nach dem Nemo tenetur-Grundsatz und im Rahmen von dessen Anwendungsbereichs im Einzelfall (Rz. 77 ff.) nicht zur Veröffentlichung seiner Erkenntnisse als Insiderinformationen verpflichtet (Rz. 76). Das schließt es nicht aus, dass der Emittent und seine Rechtsberater, etwa um den möglichen Folgen einer anderweitigen rechtlichen Beurteilung des Ausschlusses des Art. 17 VO Nr. 596/2014 360 So i.E. auch die Kritik von Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477, 481 Rz. 17. 361 Vgl. Assmann, AG 2002, 114, 117; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 65; Gunßer, S. 137; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 238; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 448; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 134; Zimmer in FS Schwark, S. 669, 673. 362 Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 16 ff. 363 Ähnliche Vorbehalte bei Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 653/654; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 97; Gunßer, S. 97. 364 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 59; Gunßer, S. 97; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 66; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 39; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 448; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 50; Zimmer in FS Schwark, S. 669, 674. 365 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 654. 366 Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 65; Gunßer, S. 144; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 40; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 450.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 120 Art. 17 VO Nr. 596/2014
durch den Rechtsgrundsatz aus dem Wege zu gehen, einen Aufschub der Offenlegung nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 vorziehen und sich hinsichtlich der berechtigten Interessen des Emittenten am Aufschub auf den Nemo tenetur-Grundsatz berufen. Auch unabhängig vom Eingreifen des Nemo tenetur-Grundsatzes wird im Schrifttum ein berechtigtes Inte- 119 resse des Emittenten anerkannt, nicht öffentlich bekannte Compliance-Verstöße geheim zu halten und nicht ad hoc veröffentlichen zu müssen, wenn nur eine vernünftige Aussicht auf deren dauerhafte Geheimhaltung oder Geheimhaltung bis zur Verjährung von möglichen Schadensersatzansprüchen oder Bußgeldern gegenüber dem Emittenten verjährt sind367. Gleiches gilt für die Einleitung interner oder externer Untersuchungen (Internal oder External Investigations) zur Aufdeckung von nicht bereits öffentlich bekannten Compliance-Verstößen368 oder des eine Insiderinformation darstellenden Verdachts auf solche. Abgesehen davon, dass der bloße Verdacht von Compliance-Verstößen, auch wenn er bereits als solcher als Insiderinformation anzusehen ist (dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 40), im Falle seiner Veröffentlichung das Marktpublikum irreführen und dem Emittenten schaden kann, wird eine solche die Aufdeckung durch den Emittenten und gegebenenfalls auch durch Behörden beeinflussen und in der Regel erschweren. Vor allem kann sie dazu führen, dass die Betroffenen durch die auch ihnen dazu offenbarten Informationen Beweismaterial manipulieren oder beseitigen. Nach den Ausführungen des OLG Braunschweig in einem noch zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. ergangenen, aber auf entsprechende Rechtsfragen unter Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 übertragbaren Hinweisbeschluss vom 18.11.2021, „dürfte bei Compliance-Verstößen und entsprechenden internen und/oder behördlichen Ermittlungen regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Emittenten bestehen, eine Ad-hoc-Meldung jedenfalls nicht vor dem Zeitpunkt veröffentlichen zu müssen, zu dem sich aus den internen Ermittlungen ein einigermaßen verlässlicher Überblick über den Sachstand ergibt und/oder dem Emittenten der Stand der behördlichen Ermittlungen in groben Zügen bekannt ist“369. Im Falle behördlicher Ermittlungen soll allerdings die Kooperationsbereitschaft des Emittenten Voraussetzung dafür sein, dass das Geheimhaltungsinteresse berechtigt ist und das Veröffentlichungsinteresse überwiegen könne: „Ein Emittent, der behördliche Ermittlungen verzögert oder Teile des Geschehens verschleiert, kann sich nicht auf ein berechtigtes Interesse im obigen Sinne berufen, da er die Befreiungsmöglichkeit zweckwidrig nicht zur Aufklärung der Vorgänge und darauf basierenden (späteren) fundierten Information des Kapitalmarktes nutzt, sondern gerade dazu, dies zu verhindern oder zumindest über die eigentlich zur Aufklärung erforderliche Zeit hinaus zu verzögern“370. Bei der Entscheidung über einen Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen über die Einleitung interner oder externer Untersuchungen sollte der Emittent auf jeden Fall bedenken, dass sich die Vertraulichkeit der Informationen im Verlauf der Durchführung solche Untersuchungen – etwa der Befragung von Mitarbeitern – immer schwieriger gewährleisten lassen. (d) Interessenabwägung Um die sofortige Veröffentlichung von Insiderinformationen aufschieben zu können, müssen nach § 6 Satz 1 120 WpAV die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen. Bei der hierfür auch weiterhin (dazu Rz. 105) vorzunehmenden Interessenabwägung371 sind die Folgen, die eine nicht zeitnahe Ver367 Klöhn/Schmolke, ZGR 2016, 866, 877; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2042; Schockenhoff, NZG 2015, 409, 413: „... solange die Aufdeckungswahrscheinlichkeit unterhalb der 50 %-Schwelle liegt“. 368 Bunz, NZG 2016, 1249, 1255; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 319; Klöhn/Schmolke, ZGR 2016, 866, 877; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 483, 493 ff.; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2042; Wilken/Hagemann, BB 2016, 67, 71. 369 OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 168: „Eine frühere Veröffentlichung bärge die Gefahr in sich, auf dem Aktienmarkt eher Unsicherheit zu verursachen als fundiert zu informieren, und könnte letztlich unnötige Kursbewegungen verursachen. Auch dürfte ein berechtigtes Interesse daran bestehen, zunächst eine einvernehmliche Lösung mit den ermittelnden Behörden anzustreben, um die Insiderinformation sodann gemeinsam mit einem Plan zur Lösung des Problems veröffentlichen zu können. Insgesamt dürfte zudem gelten: Je geringer der Grad des ‚Tatverdachts‘ ist, desto eher ist das Geheimhaltungsinteresse berechtigt und geeignet, die Interessen des Kapitalmarktes an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung zu überwiegen“. 370 OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 168. 371 Zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. war dies ganz h.M., Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 136 ff. Dazu sowie zu den hierbei zu beachtenden Grundsätzen BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 60; Cahn/Götz, AG 2007, 221, 223; Hopt, ZHR 159 (1995), 133, 157; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 34; Lebherz, S. 115 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.297; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469, 473; Renz/Rippel, BuB, Rz. 7/755; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 898; Simon, Der Konzern 2005, 13, 19; Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2033; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2218; Veil in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 7 Rz. 102; Veith, NZG 2005, 254, 256 f.; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 57, 58. A.A. Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 17 f.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 120 | Veröffentlichung von Insiderinformationen öffentlichung der Insiderinformation für den Kapitalmarkt, und das heißt namentlich für die aktuellen und potenziellen Anteilseigner des Emittenten, mit sich bringen würde, in Rechnung zu stellen. Bestehen zwar berechtigte Erwartungen am Erfolg von Maßnahmen zur Beseitigung eines negativen ad-hoc-publizitätspflichtigen Ereignisses (etwa einer Illiquidität des Emittenten), so kann doch gleichwohl das Interesse des Kapitalmarkts an zeitnahen Informationen einem Aufschub der zu veröffentlichenden Insiderinformation entgegenstehen, wenn der Eintritt des Erfolges nicht kurzfristig zu erwarten ist372. Allein der Umstand, dass jede verspätete Veröffentlichung einer Insiderinformation für den Zeitraum des Veröffentlichungsaufschubs einen „falschen Kurs“ mit sich bringt, ist eine zwangsläufige Folge des Aufschubs und vermag nicht bereits als solche das Interesse des Emittenten am Aufschub der Veröffentlichung entfallen zu lassen (Rz. 122). 121 Bei der Interessenabwägung sind nur die berechtigten Interessen des Emittenten zu berücksichtigen und
nicht die Interessen, die dritte Personen – wie Verhandlungspartner, Vertragspartner, Anteilseigner oder sonstige Dritte – an einer Verzögerung der Ad-hoc-Mitteilung haben können373. Allerdings ist zu beachten, dass es ein schutzwürdiges Interesse des Emittenten darstellen kann, dass die Interessen Dritter durch eine Ad-hoc-Veröffentlichung nicht verletzt werden374. So würde die Veröffentlichung des Umstands, dass demjenigen, der den Erwerb eines Pakets von Wertpapieren des Emittenten plant, die Möglichkeit einer „Due-diligence-Prüfung“ eingeräumt wurde, nicht nur die Interessen der potenziellen Vertragsparteien, sondern auch diejenigen des Emittenten am Zustandekommen der Transaktion verletzen. Gleiches gilt für Konzernsachverhalte: Konzerninteressen und Interessen eines Konzernunternehmens können zugleich diejenigen des Emittenten als Konzernspitze oder konzerneingebundenes Unternehmen sein, denn die Konzernierung ist Merkmal der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Emittenten375. Im Hinblick auf die Ermittlung des Emittenteninteresses geht die BaFin376 „unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 50 der MAR“ davon aus, dass das Emittenteninteresse regelmäßig dem Interesse der vorhandenen und potenziellen Aktionäre entspricht. Dabei könne es aber für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht darum gehen, „einen Aufschub nur deshalb herbeizuführen, um Kursschwankungen zu vermeiden oder etwaige negative Auswirkungen, die auf jeden Fall unabhängig von Maßnahmen im Aufschubzeitraum mit der unverzüglichen Veröffentlichung der Insiderinformation einhergehen, zu verzögern wie z.B. bei reinen Reputationsschäden“377.
(e) Dokumentation 121a Auf die Bestimmung des berechtigten Interesses und die nach § 6 Satz 1 WpAV erforderliche Interessen-
abwägung (vorstehend Rz. 120 f.) sollte nach der BaFin erhöhte Aufmerksamkeit verwandt und die hierbei angestellten Erwägungen umfassend dokumentiert werden; eine „pauschale Feststellung des Vorliegens eines berechtigten Interesses“ genüge diesen Anforderungen nicht378.
372 A.A. Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 14, 16. 373 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 152; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 212; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 107. 374 Ähnlich Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649: Verhandlungen Dritter über Sachverhalte, die den Emittenten unmittelbar betreffen, an denen er aber nicht beteiligt ist, können berechtigtes Interesse an Nichtveröffentlichung auslösen; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 105. 375 Eichner, S. 115; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 88; Hopt/ Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 153; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 212; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 209, 211; Sönke Schröder, S. 103 (S. 100 ff. umfassend zu den berechtigten Interessen des Emittenten im Konzern); Spindler/Speier, BB 2005, 2031, 2033 (für eine „konzernweite Interpretation“ des Merkmals berechtigter Interessen); Veil in Veil, Europäisches und deutsches Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 59; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 107; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 12. 376 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 152; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 130; Oulds in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 14.251; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 438; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 898; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 107; Veith, NZG 2005, 254, 257; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 12. 377 Die Berücksichtigung eines Reputationsinteresses als berechtigtes Interesse am Aufschub der Offenlegung einer Insiderinformation wird im Schrifttum allerdings „in dem seltenen Fall“ für möglich gehalten, „dass das Informations- und Kontrollinteresse der Anteilseigner hinter [dem] Geheimhaltungsinteresse [des Emittenten] zurücktritt“, Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 155 a.E. m.w.N. 378 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.2 S. 38.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 123 Art. 17 VO Nr. 596/2014
(2) Keine Irreführung der Öffentlichkeit Auch wenn die Interessen des Emittenten an der Geheimhaltung der Information berechtigt sind und die 122 Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen, darf die Aufschiebung der Offenlegung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 doch nur erfolgen, wenn sie nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit – d.h. dem Zweck der Bestimmung entsprechend: der Kapitalmarktöffentlichkeit i.S.d. Teilnehmer an diesem Markt und damit nicht nur einer Bereichsöffentlichkeit379 – irrezuführen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Irreführung zu befürchten ist, ist eine Ex-ante-Betrachtung erforderlich380: Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Eintritts der Veröffentlichungspflicht381. Eine Irreführung ist nicht bereits darin zu sehen, dass wegen des Aufschubs der Veröffentlichung der Insiderinformation ein Informationsungleichgewicht besteht382 und sich wegen der Nichteinbeziehung der Insiderinformation in den Preis der betroffenen Wertpapiere ein „falscher Kurs“ bildet383. Beides ist die zwangsläufige Folge eines jeden Aufschubs der Veröffentlichung384. Im Übrigen warf das Irreführungsverbot schon in Bezug auf § 15 Abs. 3 Satz WpHG a.F. einige Zweifel an 123 seiner Auslegung und seiner Funktion zur Selektion der Fälle eines zulässigen von denjenigen eines unzulässigen Aufschubs einer Ad-hoc-Veröffentlichung auf385. Der Versuch, das Merkmal durch die Differenzierung zwischen positiven und negativen Insiderinformationen zu konkretisieren386, wird im Schrifttum zu Recht ganz überwiegend abgelehnt387, denn mehr als die „Tendenzaussage“, bei positiven Insiderinformationen sei eine Irreführung eher zu verneinen, bei negativen Insiderinformationen dagegen eher zu bejahen, bringt er nicht hervor. Eine eigenständige Abgrenzungsfunktion war und ist dem Irreführungsverbot aber nicht abzuerkennen, wenn man anderweitige Marktinformationen oder anderweitiges Verhalten des Emittenten als Bezugspunkt wählt: Dann ist eine Irreführung immer dann anzunehmen, wenn dem Publikum Informationen vorliegen, die mit der zu veröffentlichenden Insiderinformation im Widerspruch stehen oder der Emittent durch sein sonstiges Verhalten, einschließlich seines anderweitigen Informationsverhaltens388, Vorstellungen weckt („Signale setz[t]“), die im Lichte der Insiderinformation unzutreffend sind389 oder „im 379 Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 249 („das breite Anlegerpublikum“); Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 249. 380 Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 81; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 249; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 477; Ziemons, NZG 2004, 537, 543. 381 Zustimmend Steinrück, S. 47. 382 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.3 S. 38; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 82; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 135; Hopt/Kumpan in Ellenberger/ Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 156; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 253; Kumpan/Schmidt in Schwark/ Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 249; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.302; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.357; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 139; Veith, NZG 2005, 254, 257 (mehr als bloßes Fehlen einer Information erforderlich). 383 OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap. 1/08, AG 2009, 454 Rz. 122 = ZIP 2009, 962, 970; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 156; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 291; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2004; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Teigelack, BB 2016, 1604, 1607; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 67. 384 Ebenso schon Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 477. Auch Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 249. 385 Simon, Der Konzern 2005, 13, 20: „Zweifelhaftes Tatbestandsmerkmal, das weder durch den europäischen noch den deutschen Gesetzgeber näher erläutert wurde“. Auch Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 135: Kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, „da das Verhalten des Emittenten bereits bei der Güterabwägung zwischen seinen berechtigten Interessen und dem Informationsinteresse des Kapitalmarktes zu berücksichtigen ist“. 386 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 649; Ziemons, NZG 2004, 537, 543. 387 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 505; Eichner, S. 116; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 110; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 1; Gunßer, S. 99 f.; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1905; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 249; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.357; Möllers, WM 2005, 1393, 1396; Oulds in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 14.253; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Sönke Schröder, S. 129; Veith, NZG 2005, 254, 257; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 156; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 67. 388 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.3 S. 38; Gunßer, S. 99; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.357; Ziemons, NZG 2004, 537, 543. 389 OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 168. I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.3 S. 38 („Der Emittent darf aber während des Aufschubzeitraums aktiv keine Signale setzen, die zu der noch nicht veröffentlichten Insiderinformation in Widerspruch stehen.“). Auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 505; Eichner, S. 116; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 135 (der Emittent hat durch „eigenes Zutun eine Nachrichten- oder Gerüchtelage geschaffen, auf Grund derer erhebliche Fehlvorstellungen in der Öffentlichkeit über die Umstände, die Gegenstand der Veröffentlichung sein sollen, entstanden
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 123 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Markt schon konkrete Informationen ‚gehandelt‘ werden, so dass ein weiteres Schweigen des Emittenten dazu in die Irre führt“390. Letzteres entspricht Leitlinie c) der nachfolgend Rz. 124 wiedergegebenen ESMALeitlinien zum Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen. 124 Letztgenannte Sachverhalte entsprechen auch dem, was die ESMA in den „MAR-Leitlinien – Aufschub der
Offenlegung von Insiderinformationen“ unter Rz. 9 lit. c („Fälle, in denen der Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen“) anführt, um damit zugleich die vorstehend ausgeführte Funktion des Merkmals zu bestätigen. Die auch hinsichtlich der aufgeführten Irreführungsfälle nicht abschließenden (s. Rz. 108), aber eine Befreiung ausschließenden391 Leitlinien lauten392: „Für die Zwecke von Artikel 17 Absatz 4 Buchstabe b der MAR umfassen die Fälle, in denen der Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, mindestens folgende Umstände: a. Die Insiderinformationen, deren Offenlegung der Emittent aufzuschieben beabsichtigt, unterscheiden sich wesentlich von der früheren öffentlichen Ankündigung des Emittenten hinsichtlich des Gegenstands, auf den sich die Insiderinformationen beziehen, oder b. die Insiderinformationen, deren Offenlegung der Emittent aufzuschieben beabsichtigt, betreffen die Tatsache, dass die finanziellen Ziele des Emittenten aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erreicht werden, wobei diese Ziele zuvor öffentlich bekanntgegeben worden waren, oder c. die Insiderinformationen, deren Offenlegung der Emittent aufzuschieben beabsichtigt, stehen im Gegensatz zu den Markterwartungen[393], wobei diese Erwartungen auf Signalen beruhen, die der Emittent zuvor an den Markt gesendet hatte, zum Beispiel durch Interviews, Roadshows oder jede andere Art der vom Emittenten organisierten oder genehmigten Kommunikation.“
124a Unbeschadet von den Änderungen des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014, die der Kommissionsvorschlag ei-
ner Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) mit sich brächte, blieben die bisherigen Vorschriften in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a und c VO Nr. 596/2014. Dagegen ist für Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 folgende Neuregelung in Bezug auf die Insiderinformation vorgesehen, deren Veröffentlichung der Emittent aufzuschieben beabsichtigt (den Eingangssatz von Abs. 4 Unterabs. 1 mitzitierend): „4. An issuer or an emission allowance market participant, may, on its own responsibility, delay disclosure to the public of inside information provided that all of the following conditions are met: … (b) the inside information that the issuer intends to delay meets the following conditions: (i) it is not materially different from the previous public announcement of the issuer on the matter to which the inside information refers to; (ii) it does not regard the fact that the issuer’s financial objectives are not likely to be met, where such objectives were previously publicly announced; (iii) it is not in contrast with the market’s expectations, where such expectations are based on signals that the issuer has previously sent to the
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sind“); Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 156; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 783; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 251; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 249; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.302; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2041, 2043 f.; Oulds in Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 14.253; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 480, 482; Schwintek, S. 34; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.35; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469, 477; Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 106; Simon, Der Konzern 2005, 13, 20; Steinrück, S. 157 ff.; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2218 f.; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 139; Veith, NZG 2005, 254, 257 f.; Ziemons, NZG 2004, 537, 543. Grundsätzlich zustimmend Sönke Schröder, S. 131 ff. Ablehnend und eine stärkere Berücksichtigung des Emittenteninteresses verlangend, für die Interessenabwägung aber wenig operationale Kriterien anbietend, Zimmer in FS Schwark, S. 669, 676 ff., 678. OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap. 1/08, AG 2009, 454 Rz. 122 = ZIP 2009, 962, 970; OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 168. Die Leitlinien sind in diesem Sinne nicht nur „indikativ“: Steinrück, S. 159; ebenso Veil/Brüggemeier in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 140. ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 5 f. Rz. 9. Ausführlich hierzu Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 106 f. S. 106: „Zwar können zur Bestimmung der Markterwartungen auch Umstände wie etwa die Einschätzungen von Finanzanalysten (insbes. anerkannte Analystenkonsensus) berücksichtigt werden... Jedoch ist auch in diesem Fall – und entgegen einer offenbar neuen BaFin-Verwaltungspraxis – notwendiger Anknüpfungspunkt das eigene Verhalten des Emittenten und dadurch am Markt gesetzte Signale..., z.B. durch eine ‚Vermarktung‘ bestimmter Finanzanalyseberichte oder eines von der Gesellschaft entwickelten oder ausdrücklich in Bezug genommen ‚Analysts‘ Consensus'; eine bloße Verlinkung von Drittanalysen auf der Website des Emittenten wird für eine eigene Signalgebung in der Regel nicht ausreichen. Eine Zurechnung des Auftretens Dritter am Markt zum Emittenten mit einer daraus folgenden ‚Sperrung‘ des Veröffentlichungsaufschubs ist somit nicht vorzunehmen“.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 127 Art. 17 VO Nr. 596/2014
market, including interviews, roadshows or any other type of communication organised by the issuer or with its approval;“. Damit soll das derzeit geltende allgemeine Erfordernis des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014, die Aufschiebung der Offenlegung dürfe nicht geeignet sein, die Öffentlichkeit irrezuführen, durch eine Liste spezieller Anforderungen an die Insiderinformation ersetzt werden, deren Veröffentlichung der Emittent aufschieben will. (3) Gewährleistung der Vertraulichkeit Die Aufschiebung der Offenlegung von Insiderinformationen ist nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c VO 125 Nr. 596/2014 schließlich nur unter der weiteren Voraussetzung gestattet, dass der Emittent die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen kann. Diese Bedingung übernimmt, mit nur geringer Abweichung im Wortlaut, diejenige des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 15). Deren Fassung – „sofern ... der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten“ – war auch sprachlich die Vorlage ihrer Umsetzung in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. Gefordert ist die Sicherstellung der Geheimhaltung dergestalt, dass Emittenten und Teilnehmer am Emissionszertifikatemarkt „etwa durch organisatorische Maßnahmen“ sicherstellen, dass die im Unternehmen vorhandenen Insiderinformationen während des Aufschubs nur an Personen weitergegeben werden, denen gegenüber die Offenlegung der Insiderinformationen nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 rechtmäßig ist, d.h. an Personen, die sie für die normale Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder für die normale Erfüllung von Aufgaben benötigen394. Über die diesbezüglichen sicherstellenden Vorkehrungen haben der Emittenten bzw. der Teilnehmer am Emissionszertifikatemarkt jeweils „im Rahmen der Erläuterung des Aufschubs gegenüber der zuständigen Behörde Nachweise zu erbringen, etwa indem [dargelegt wird], dass [sie] entsprechende Informationshindernisse“ entsprechend § 4 Abs. 1 lit. c i DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) eingerichtet haben395. Darüber hinaus haben der Emittent oder der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate „Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die einschlägige Insiderinformation schnellstmöglich bekannt gegeben werden kann, wenn keine Vertraulichkeit mehr gewährleistet ist, und hierfür im Rahmen der Erläuterung des Aufschubs gegenüber der zuständigen Behörde“ gem. § 4 Abs. 1 lit. c ii DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) Nachweise zu erbringen396.
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen anzunehmen ist, dass der Emittent die Geheimhaltung der hin- 126 sichtlich ihrer Veröffentlichung aufzuschiebenden Insiderinformationen sicherstellen kann, war § 7 Nr. 2 WpAIV a.F. zu entnehmen, dazu habe der Emittent wirksame Vorkehrungen dafür zu treffen, dass andere Personen als solche, deren Zugang zu Insiderinformationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten unerlässlich sei, keinen Zugang zu diesen Informationen erlangten. Der Verordnungsgeber übernahm in dieser Bestimmung Art. 3 Abs. 2 lit. a DurchfRL 2003/124/EG (Rz. 102). Eine entsprechende Vorschrift fehlt in der dem Art. 17 VO Nr. 596/2014 angepassten WpAV, was damit begründet wird, ihr Inhalt ergebe sich nunmehr unmittelbar aus Art. 17 Abs. 7 VO Nr. 596/2014. Dass dies gerade hinsichtlich der Bestimmung des § 7 Nr. 2 WpAIV a.F. nicht zutrifft, ist jedoch folgenlos, ist die seinerzeit von Art. 3 Abs. 2 lit. a DurchfRL 2003/124/EG und § 7 Nr. 2 WpAIV a.F. gegebene Antwort auf die Frage, wann die Vertraulichkeit einer Insiderinformation während der Befreiung von der Veröffentlichungspflicht gewährleistet ist, doch die im Hinblick auf die Verbote von Insidergeschäften nach Art. 14 VO Nr. 596/2014 und den Zweck des Insiderrechts Naheliegendste und kaum mehr als eine Klarstellung. Dabei braucht nicht einmal mehr über die Auslegung des Begriffs „unerlässlich“, wie er sich in Art. 3 Abs. 2 lit. a DurchfRL 2003/ 124/EG und § 7 Nr. 2 WpAIV a.F. fand, gestritten zu werden397, lässt sich der Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.2005398 im Hinblick auf das Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. und heutigen Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 doch entnehmen, dass die Weitergabe von Insiderinformationen innerhalb des Unternehmens und an Dritte nur dann als gerechtfertigt anzusehen ist, wenn sie für die Ausübung einer Beschäftigung oder eines Berufs oder für die normale Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich und verhältnismäßig ist, was bedeutet, dass ohne die Weitergabe eine Beschäftigung oder ein Beruf oder die Erfüllung einer Aufgabe nicht ordnungsgemäß ausgeübt werden kann und die jeweils in Frage stehende Tätigkeit darüber hinaus im Lichte einer Abwägung zwischen dem Zweck des Weitergabeverbots und dem Grund der Tätigkeit gerechtfertigt ist (dazu Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 20). Art. 3 Abs. 2 lit. b DurchfRL 2003/124/EG (Rz. 102) verlangte zusätzlich, der Emittent habe zum Zweck der 127 Kontrolle des Zugangs zu Insiderinformationen auch sicherzustellen, dass jede Person, die Zugang zu derlei Informationen hat, die sich daraus ergebenden rechtlichen sowie regulatorischen Pflichten anerkennt und sich 394 395 396 397 398
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. Dazu noch Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 162. EuGH v. 22.11.2005 – C-384/02, ECLI:EU:C:2005:708 – Grøngaard und Bang, NJW 2006, 133, 134 Rz. 34.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 127 | Veröffentlichung von Insiderinformationen der Sanktionen bewusst ist, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. bei einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Sanktionen verhängt werden. Dass sich ein solches Erfordernis weder in § 7 WpAIV a.F. fand noch in der WpAV zu finden ist und darüber hinaus auch für die Sicherstellung der Vertraulichkeit nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 nicht eigens zu verlangen ist, folgt daraus, dass dieses Anerkennungs- und Aufklärungserfordernis in § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. aufgenommen wurde und heute in Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 Eingang gefunden hat399. Letzterer verlangt, dass Emittenten oder in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Personen alle erforderlichen Vorkehrungen treffen, um dafür zu sorgen, dass alle auf der Insiderliste erfassten Personen400 die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften erwachsenden Pflichten schriftlich anerkennen und sich der Sanktionen bewusst sind, die bei Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen Anwendung finden. 128 Welche Vorkehrungen der Emittent zu treffen hat, um die Geheimhaltung der Insiderinformationen wäh-
rend des Aufschubs ihrer Veröffentlichung zu gewährleisten, hängt von seinen Verhältnissen und den konkreten Umständen im Zusammenhang mit dem Aufschub zusammen401. Er mag dazu „zumindest vorübergehend die Schaffung einer Compliance-Struktur mit der Einrichtung strikter Vertraulichkeitsbereiche und klarer Regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Insiderinformation in- und extern weitergegeben werden kann“402, sowie die Einrichtung einer Compliance Abteilung mit entsprechendem Leiter erwägen, doch ist dies nicht generell und zwingend erforderlich403. Beschränkt sich die Kenntnis von der Insiderinformation etwa auf den nur aus wenigen Mitgliedern bestehenden Vorstand des Emittenten, kann schon ein wechselseitiges Versprechen, die Information an niemanden weiterzugeben, ausreichen404. Eine Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Geheimhaltung der Insiderinformationen ist ebenfalls nicht zwingend geboten405, aber zum Zwecke des Nachweises der Erfüllung der Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung der Insiderinformationen und wegen der zivilrechtlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen eines unzulässigen Aufschubs der Veröffentlichung von Insiderinformationen anzuraten406. Des Zusammenhangs halber ist darauf hinzuweisen, dass die Personen, die Zugang zu über Insiderwissen haben, über ihre Pflichten im Umgang mit den Insiderinformationen sowie darüber zu belehren sind, welche Sanktionen bei Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen Anwendung finden (Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014)407.
129 Nicht nur die Einreichung und Zustellung der Klage eines Dritten gegen den Emittenten, sondern auch die
Entwicklung von gerichtlichen Verfahren, namentlich von Zivilprozessen, sind den Emittenten regelmäßig unmittelbar betreffende Informationen und können damit ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformatio399 I.E. zu § 15 Abs. 3 WpHG ebenso Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 115; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 136; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.305; Sönke Schröder, S. 147; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219; Veith, NZG 2005, 254, 258; Ziemons, NZG 2004, 537, 543; Zimmer in FS Schwark, S. 669, 678. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, 35, führt das Erfordernis als ein sich aus § 15 Abs. 3 WpHG ergebendes an, obwohl es weder im Wortlaut dieser Bestimmung noch in demjenigen des § 7 WpAIV einen Niederschlag gefunden hat. 400 Das sind nach Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 alle Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, wenn diese Personen für sie – d.h. die zur Führung einer Insiderliste Verpflichteten – auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig Aufgaben wahrnehmen, durch die diese Zugang zu Insiderinformationen haben, wie Berater, Buchhalter oder Ratingagenturen. 401 Ebenso Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.358 (keine bestimmte organisatorische Struktur erforderlich). 402 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650, als generelle Anforderung aber überzogen. 403 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 157; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 276; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 258; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.358; Oulds in Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rz. 14.254; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 164. A.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2218. 404 Im Grundsatz ebenso Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469, 478: dokumentiertes wechselseitiges Versprechen ist ausreichend. 405 Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 157; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 311; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 259 („Obliegenheit“). S. darüber hinaus das in der nachfolgenden Fn. angeführte Schrifttum. Anders Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 650, allerdings ohne Begründung, woraus sich diese Pflicht ergeben soll. Diesen folgend, aber ebenfalls ohne Begründung, Schwintek, S. 35. 406 Ebenso Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 116; Gunßer, S. 102; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 157; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 311; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 258; Simon, Der Konzern 2005, 13, 21; Sven H. Schneider, BB 2005, 902; Veith, NZG 2005, 254, 259; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 164. 407 Im Zusammenhang mit Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 278.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 131 Art. 17 VO Nr. 596/2014
nen darstellen (Rz. 45). Die Veröffentlichung solcher Insiderinformationen aufzuschieben, kann durchaus im berechtigten Interesse des Emittenten liegen, doch dürfte die Vertraulichkeit allenfalls bei kurserheblichen Verfahrensschritten zu gewährleisten sein, über die ausschließlich der Emittenten informiert wird. Das ist in Zivilprozessen nicht denkbar, so dass bei diesen mangels zu gewährleistender Vertraulichkeit der vorgenannten Insiderinformationen ein diese betreffender Veröffentlichungsaufschub regelmäßig ausscheidet408. (4) Klarstellung: Zeitlich gestreckter Vorgang (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014) Wenn Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 bestimmt, im Falle eines zeitlich gestreckten Vorgangs, 130 der aus mehreren Schritten besteht und einen bestimmten Umstand oder ein bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, könne ein Emittent auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen zu diesem Vorgang vorbehaltlich der Erfüllung der in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Voraussetzungen aufschieben, so handelt es sich dabei weder um eine weitere Bedingung für den Aufschub der Offenlegung einer Insiderinformation noch wird mit der Vorschrift eine zusätzliche Bedingung für den Aufschub einer Insiderinformation über einen Zwischenschritt eingeführt. Vielmehr handelt es sich bei Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 lediglich um eine Klarstellung: Kann jeder Zwischenschritt eines zeitlich gestreckten Sachverhalts eine Insiderinformation sein (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014, dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 ff.), so muss – wenn die Information über den konkreten Zwischenschritt „für sich genommen die Kriterien für Insiderinformationen ... erfüllt“ (Art. 7 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) und damit eine Insiderinformation darstellt – deren Offenlegung auch nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben werden können. Der Kommissionsvorschlag einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/ 130a 1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) sieht die Ergänzung von Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 um einen Satz 2 vor, der zur Folge hätte, dass Zwischenschritte auf dem Weg zur Herbeiführung eines zukünftigen Ereignisses oder zukünftiger Umstände („intermediate steps in a protracted process“) nicht mehr ad hoc zu veröffentlichen wären (Rz. 31a; Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 59a). Dementsprechend würde nach dem Vorschlag einer Neufassung des Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 in Art. 2 Abs. 38 lit. c des Kommissionsvorschlags die Vorschrift des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 über zeitlich gestreckte Vorgänge entfallen. cc) Aufschubgrund „Wahrung der Stabilität des Finanzsystems“ für Kreditinstitute oder Finanzinstitute (Art. 17 Abs. 5 und 6 VO Nr. 596/2014) Ist der Emittent ein ad-hoc-publizitätspflichtiges Kreditinstitut oder ein Finanzinstitut i.S.v. Art. 3 Abs. 1 131 Nr. 3 bzw. Nr. 4 VO Nr. 596/2014, so kann er die Veröffentlichung von Insiderinformationen, wie jeder andere Emittent auch, unter den in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Voraussetzungen aufschieben (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 4 VO Nr. 596/2014)409. Darüber hinaus kann er aber auch nach Art. 17 Abs. 5 lit. a–d VO Nr. 596/2014 die Offenlegung von Insiderinformationen – einschließlich von Informationen im Zusammenhang mit einem zeitweiligen Liquiditätsproblem und insbesondere in Bezug auf den Bedarf an zeitweiliger Liquiditätshilfe seitens einer Zentralbank oder eines letztinstanzlichen Kreditgebers – zur Wahrung der der Stabilität des Finanzsystems aufschieben, sofern sämtliche der in dieser Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen (Bedingungen) erfüllt sind410. Diese sind: erstens, dass die Offenlegung der Insiderinformationen das Risiko birgt, die finanzielle Stabilität des Emittenten und des Finanzsystems zu untergraben; zweitens, dass der Aufschub der Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegt; drittens, dass die Geheimhaltung der betreffenden Informationen gewährleistet werden; und viertens, dass die BaFin als 408 Auch Teigelack, BB 2016, 1604, 1609 f. 409 Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 316; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.38 (dieser Aufschubgrund verdrängt die Möglichkeit des Aufschubs nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht); Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 172. 410 Erwägungsgrund 52 Sätze 1 und 2 VO Nr. 596/2014 MAR: „Um das öffentliche Interesse zu schützen, die Stabilität des Finanzsystems zu wahren und um beispielsweise zu verhindern, dass sich Liquiditätskrisen von Finanzinstituten aufgrund eines plötzlichen Abzugs von Mitteln zu Solvenzkrisen entwickeln, kann es unter besonderen Umständen angemessen sein, Kreditinstituten und Finanzinstituten einen Aufschub der Offenlegung systemrelevanter Insiderinformationen zu gestatten. Dies kann insbesondere für Informationen im Zusammenhang mit zeitweiligen Liquiditätsproblemen gelten, bei denen Zentralbankkredite, einschließlich Krisen-Liquiditätshilfe seitens einer Zentralbank, erforderlich sind und die Offenlegung der Informationen systemische Auswirkungen hätte.“ BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2 S.41. S. auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 160: „Diese Befreiungsmöglichkeit ist vor dem Hintergrund der Bankenkrise von Northern Rock und der Société Générale sowie der im Zuge der Finanzmarktkrise durchgeführten Stresstests der Banken zu sehen“. Ebenso Klöhn, AG 2016, 423, 432; Klöhn, ZHR 181 (2017), 746 ff.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 313.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 131 | Veröffentlichung von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 festgelegte zuständige Behörde die vorgenannten Voraussetzungen als erfüllt betrachtet und dem Aufschub zugestimmt hat. 131a Wenn nach der ersten Voraussetzung des Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 die Offenlegung der Insiderinfor-
mationen das Risiko bergen muss, die finanzielle Stabilität des Emittenten und des Finanzsystems zu untergraben, so ist es zweifellos nicht erforderlich, dass der Krisenfall bereits eingetreten ist411. Vielmehr ist es erforderlich, „eine Prognose zu treffen, wie der Markt voraussichtlich die konkrete Information im Einzelfall bewertet und hierauf reagiert“, wobei „das Risiko eines Untergrabens der finanziellen Stabilität des Emittenten und des Finanzsystems ... dabei umso eher anzunehmen [ist], je größer die Auswirkungen der Schieflage des Kredit- oder Finanzinstituts für das Finanzsystem sind und eine Gesamtbetrachtung der eingetretenen und zukünftigen Umstände unter Berücksichtigung der jeweiligen Marktsituation nahelegt, dass es insgesamt zu erheblichen Verwerfungen im Finanzsystem kommen wird (z.B. bank run, fire sales oder Vertrauensverluste am Interbankengeldmarkt)“412. Was genau unter der „finanzielle[n] Stabilität des Emittenten“ und der „finanzielle[n] Stabilität des Finanzsystems“ zu verstehen ist, ist in der VO Nr. 596/2014 nicht geregelt. In letzterer Hinsicht – Untergrabung der Finanziellen Stabilität des Emittenten – finden sich allerdings Anhaltspunkte in Erwägungsgründen 52 und 53 VO Nr. 596/2014: Diesem zufolge gehören zu den im Interesse der finanziellen Stabilität des Finanzsystems aufzuschiebenden Insiderinformationen „systemrelevante Insiderinformationen“413, namentlich „Informationen im Zusammenhang mit zeitweiligen Liquiditätsproblemen ..., bei denen Zentralbankkredite, einschließlich Krisen-Liquiditätshilfe seitens einer Zentralbank, erforderlich sind und die Offenlegung der Informationen systemische Auswirkungen hätte“. In diesem Sinne „systemrelevant“ und aufschiebbar können nach Erwägungsgrund 53 auch Informationen über Finanzinstitute sein, die Zentralbankkredite einschließlich Krisen-Liquiditätshilfe erhalten. Zur Beantwortung der Frage, nach welchen Kriterien eine Untergrabung der finanziellen Stabilität des Emittenten durch die Offenlegung von Insiderinformationen anzunehmen sei, zieht die BaFin „als maßgebliches Kriterium das Risiko einer erheblichen Verschlechterung der Finanzlage und der Existenzfähigkeit heran“, was etwa „bei erheblichen Abflüssen an liquiden Mitteln oder einem erheblichen Abschmelzen des Eigenkapitals angenommen werden“ könne414. Gleiches könne aber auch in Betracht kommen, „wenn Maßnahmen nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) durchgeführt werden, z.B. wenn ein Emittent Maßnahmen gemäß seines Sanierungsplans ergreift bzw. ergreifen muss (vgl. §§ 12 ff. bzw. § 36 SAG), welche bei einem öffentlichen Bekanntwerden so nicht durchgeführt werden könnten, wie beispielsweise der marktkonforme Verkauf von Wertpapieren zur Reduzierung des Gesamtrisikobetrags... oder die Realisierung stiller Reserven“415.
131b Ist in konzernrechtlichen Zusammenhängen nicht die finanzielle Stabilität des Emittenten, sondern die ei-
ner nicht ad-hoc-publizitätspflichtigen systemrelevanten Tochtergesellschaft gegeben, ist Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 weder direkt noch analog416 anwendbar. Da es sich bei der finanziellen Instabilität einer sys411 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.1 S. 41; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 18 (III.2.1). 412 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.1 S. 41; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 18 (III.2.1). 413 Die BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.1 S. 41, misst hinsichtlich der Beurteilung der Gefährdung der finanziellen Stabilität des Finanzsystems dem Kriterium der „Systemrelevanz“ besondere Bedeutung zu: „Die Stabilitätsgefährdung von systemrelevanten Instituten (global systemrelevante Institute (G-SRIs) und anderweitig systemrelevante Institute (A-SRIs)) wird häufig eine Systemgefährdung nahelegen. Bei potenziell systemgefährdenden Instituten (PSIs) wird zu prüfen sein, aufgrund welcher Kriterien diese als potenziell systemrelevant eingestuft wurden und ob diese Kriterien im konkreten Fall betroffen sind. Eine Stabilitätsgefährdung kann danach insbesondere dann vorliegen, wenn ein Institut kritische Funktionen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 35 der Richtlinie 2014/59/EU (BRRD)... [ABl. EU Nr. L 73 v. 12.6.2014, S. 190, zuletzt geändert durch Richtlinie (EU) 2019/879, ABl. EU Nr. L 150 v. 7.6.2019, S. 296] bzw. § 2 Abs. 3 Nr. 38 SAG) wahrnimmt. Bei sonstigen Instituten ist im Grundsatz davon auszugehen, dass wegen fehlender Systemrelevanz keine Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems besteht. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ist eine solche Gefährdung aber auch hier nicht ausgeschlossen. Auch ESMA [Questions and Answers On the Market Abuse Regulation, Q5.3/A5.3 S. 14] betont, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankomme und die Bewertung nicht ausschließlich anhand vorab festgelegter (Aufsichts-)Kriterien erfolgen solle“; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 19 (III.2.1). 414 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.1 S. 41; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 19 (III.2.1). 415 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.1 S. 41; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 19 (III.2.1). 416 Ebenso Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 169. A.A. Klöhn, ZHR 181 (2017), 746, 753 f., 778; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 327: „Es darf vermutet werden, dass der MAR-Gesetzgeber die konzernweite Dimension der Norm schlicht übersehen hat“, doch ist dem zu widersprechen, da die Vorschrift erkennbar nur die systemrelevanten Solvenzkrisen eines Ad-hoc-Publizitätspflichten unterworfenen Emittenten und den Aufschub der Ad-hoc-Publizität zum Nachteil seiner Aktionäre und des Publi-
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 133a Art. 17 VO Nr. 596/2014
temrelevanten Tochtergesellschaft um eine Insiderinformation handelt, die auch den Emittenten unmittelbar betrifft, muss dieser die Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 veröffentlichen oder prüfen, ob er diese unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufschieben kann. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn die Veröffentlichung aufgeschoben werden soll, um die Beseitigung der finanziellen Instabilität der Tochter zu erreichen und konzernhaftungsrechtlichen Folgen des Scheiterns der Stabilisierung der Tochter zu vermeiden. Dass mit dieser Aufschiebung der Offenlegung die Öffentlichkeit irregeführt würde – eine Voraussetzung, die für den Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht erfüllt sein muss –, ist hier in Bezug auf den Emittenten, seine Finanzinstrumente und den Kapitalmarkt regelmäßig nicht zu erkennen. Der analogen Anwendung des Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 zum Aufschub veröffentlichungspflichtiger Insiderinformationen zum Schutz des öffentlichen Interesses der Stabilität bedarf es in solchen Fällen nicht. Um die Voraussetzung des Art. 17 Abs. 5 lit. d VO Nr. 596/2014 zu erfüllen und die Zustimmung der BaFin 132 zum Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen zu erhalten, muss der Emittent gem. Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 Satz 1 die die BaFin von seiner Absicht in Kenntnis setzen, die Offenlegung der Insiderinformationen aufzuschieben. Die Vorschrift verlangt, mit der Mitteilung Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Voraussetzungen gem. Art. 17 Abs. 5 lit. a-c VO Nr. 596/2014 erfüllt sind. Die Mitteilung der Absicht, die Offenlegung von Insiderinformationen aufzuschieben, muss im Übrigen nach Maßgabe von Art. 5 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) erfolgen. Die BaFin hört nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 in den dort angeführten Fällen die in der Vorschrift genannten Behörden an und stellt nach Art. 17 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sicher, dass der Aufschub für die Offenlegung von Insiderinformationen nur für den im öffentlichen Interesse erforderlichen Zeitraum gewährt wird. Darüber hinaus muss die BaFin als zuständige Behörde nach Art. 17 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 mindestens wöchentlich bewerten, ob die für den Aufschub nach Art. 17 Abs. 5 lit. a-c VO Nr. 596/2014 erforderlichen Voraussetzungen noch vorliegen. Zu den Voraussetzungen, die für die Zustimmung der BaFin zum Aufschub der Veröffentlichung von In- 133 siderinformationen i.S.v. nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 gegeben sein müssen, gehört, dass der Aufschub der Veröffentlichung im öffentlichen Interesse liegt (Art. 17 Abs. 5 lit. b VO Nr. 596/2014). Ein solches ist aber nur anzunehmen, wenn das „öffentliche und wirtschaftliche Interesse am Aufschub der Offenlegung gegenüber dem Interesse des Marktes am Erhalt der Informationen, die Gegenstand des Aufschubs sind, überwiegt“417. Für diesen Fall wird eine Irreführung der Öffentlichkeit und des Marktpublikums in Kauf genommen418. Zum Erfordernis der Gewährleistung der Geheimhaltung der betreffenden Informationen gelten die Ausführungen in Rz. 125 ff. entsprechend. Für den Fall, dass ein Kredit- oder Finanzinstitut beabsichtigt, die Offenlegung von Insiderinformation 133a nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 aufzuschieben, enthält der Emittentenleitfaden der BaFin folgende Hinweise zum Vorgehen419: „Beabsichtigt ein Kredit- oder Finanzinstitut, die Offenlegung der Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 5 MAR aufzuschieben, legt es der zuständigen Behörde eine schriftliche Mitteilung vor, in der es seine Absicht erklärt, die Offenlegung von Insiderinformationen im Interesse der Wahrung der Stabilität des Finanzsystems aufzuschieben, wobei die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen gewährleistet wird, Art. 5 Abs. 1 der DVO (EU) 2016/1055 [Rz. 16, Text vor den Erläuterungen zu Art. 17 wiedergegeben]. An welche Behörde der Antrag zu richten ist, bestimmt sich nach Art. 6 der DelVO (EU) 2016/522 [Rz. 16, Text vor den Erläuterungen zu Art. 17 wiedergegeben]. Gegenüber der BaFin kann die Mitteilung an folgende Fax-Nr. übersandt werden: +49 (0)228/4108-200. Mit Antragstellung gilt das Kredit- oder Finanzinstitut zunächst als befreit [dazu Rz. 134]. Die Zustimmung der Behörde erfolgt dabei auf der Grundlage, dass die in Art. 17 Abs. 5 Buchst. a) bis c) MAR genannten Bedingungen für den Aufschub gegeben sind. Hierzu informiert das Kredit- oder Finanzinstitut die zustänkums zum Gegenstand hat; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 22; Kuntz/Rathert in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 599, 612. 417 Erwägungsgrund 52 Satz 3 VO Nr. 596/2014. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.2 S. 42 („Es kommt daher nicht darauf an, ob der Aufschub im Interesse des Emittenten liegt“); BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 19 (II.2.). Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 162; Klöhn, ZHR 181 (2017), 746, 752, 762 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 348; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.367; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 180; Zetzsche in Gebauer/Teichmann, § 7 C. Rz. 185. 418 Ebenso Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.368. 419 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.4 S. 42.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 133a | Veröffentlichung von Insiderinformationen dige Behörde und legt Nachweise für das Vorliegen der Voraussetzungen vor. Die zuständige Behörde wiederum hört ggf. die nationale Zentralbank, die makroprudenzielle Behörde oder die sonst für die Aufsicht über das Institut zuständige nationale Behörde an, Art. 17 Abs. 6 MAR.“ 134 Der Emittent ist von der Ad-hoc-Veröffentlichung der Insiderinformation bis zur Entscheidung der Behörde
über die Zustimmung zum Aufschub der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014, welche als Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG ergeht, befreit420. Das gilt auch für den Fall, dass dem Aufschub die Zustimmung versagt wird, es sei denn, die Voraussetzungen des Aufschubs lagen offenkundig nicht vor421. Bei Versagung der Zustimmung muss der Emittent die Insiderinformationen unverzüglich nach Zustellung der diesbezüglichen Entscheidung offenlegen (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 3 i.V.m. Abs. 1 VO Nr. 596/2014). Das lässt sich nicht dadurch vermeiden, dass sich das Kredit- oder Finanzinstitut nach versagter Zustimmung auf die Aufschiebung der Offenlegung nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 beruft422. Bei Erteilung der Zustimmung ist der Emittent von der Veröffentlichung für den im öffentlichen Interesse erforderlichen Zeitraum (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) befreit423. Dabei überprüft – „bewertet“ (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014) – die Behörde allerdings mindestens wöchentlich, ob die Voraussetzungen gem. Art. 17 Abs. 5 lit. a, b und c VO Nr. 596/2014 noch vorliegen (Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014)424, um gegebenenfalls – ebenfalls als selbständiger Verwaltungsakt oder gegebenenfalls in Ausübung eines bei Erteilung der Zustimmung vorgenommenen Widerrufsvorbehalts – mitzuteilen, dass der Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung im öffentlichen Interesse nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 nicht mehr gerechtfertigt ist. In diesem Falle ist die aufgeschobene Insiderinformation entweder entsprechend der Anordnung der Behörde oder entsprechend Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 in ihrer zu diesem Zeitpunkt bestehenden Form zu veröffentlichen.
134a Art. 2 Abs. 38 lit. d des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektver-
ordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) sieht die Änderung von Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 betreffend den Aufschub von Ad-hoc-Mitteilungen zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems vor. Dieser ist derzeit nur einem Emittenten gestattet, bei dem es sich um ein Kreditinstitut oder ein Finanzinstitut handelt. Zukünftig sollen auch solche Emittenten aufschubberechtigt sein, bei denen es sich um Mutterunternehmen eines Kreditinstituts oder eines Finanzinstituts oder ein mit einem derselben verbundenen Unternehmens („an issuer that is a parent undertaking or related undertaking of such an institution“) handelt. dd) Die Ausnahmen vom Verbot der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahme im Falle des Aufschubs der Offenlegung nach Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014
134b In dem Zeitraum, in dem der Emittent die Offenlegung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 4 oder
Abs. 5 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben hat, kann er sich nicht auf die für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen geltenden Ausnahmen von den Verboten der Art. 14 und 15 VO Nr. 596/2014 berufen. Das ist auch dann ausgeschlossen, „wenn das Rückkaufprogramm unter Führung eines unabhängig handelnden Kreditinstituts durchgeführt wird, sofern der Vorstand bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung Kenntnis über die Insiderinformation hatte, vgl. Art. 4 Abs. 1 Buchst. c) der DelVO (EU) 2016/1052“425. 420 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.4 S. 42. 421 Im Ansatz wie Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 327, der sich für eine Ausnahme für „rechtsmissbräuchliche Anträge ..., dh für offensichtlich unbegründete Anträge“ ausspricht. Wenn darüber hinaus verlangt wird, dass ein Antrag „allein zu dem Zweck gestellt [wurde], die Befreiungswirkung während der Schwebezeit auszunutzen“, so stellt dies nur dann nicht vor unüberwindbare Beweisprobleme und ist damit nur dann akzeptabel, wenn man den objektiven Umstand eines offensichtlich unbegründeten Antrags als Nachweis dieses subjektiven Elements akzeptiert. 422 ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation, Q5.5/A5.5., S. 16 („Where the relevant conditions are not met, the NCA [National Competent Authority] cannot consent to the delay under Article 17(5) of MAR and, according to Article 17(6) of MAR, the credit/financial institution will have to disclose the inside information immediately. In that case, credit/financial institutions will not be able to resort to the delay of disclosure under Article 17(4) of MAR“. Unter Berufung hierauf auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.4 S. 42. 423 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.4 S. 42. 424 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.2.4 S. 42. 425 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85/86: „Art. 4 Abs. 2 Buchst. b) der DelVO (EU) 2016/1052 ist hier nicht einschlägig, da diese Rückausnahme voraussetzt, dass das Kreditinstitut auch den Zeitpunkt des Erwerbs unabhängig entscheidet. Mit der Beauftragung ist aber jedenfalls der mögliche Beginn des Erwerbszeitraums vom Emittenten festgelegt, sodass eine vollständige Unabhängigkeit nicht mehr vorliegt. Die Beauftragung muss also vor der Kenntniserlangung über Insiderinformationen erfolgen, damit die vorgenannte Rückausnahme greift“.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 138 Art. 17 VO Nr. 596/2014
c) Überprüfung und Wegfall der Aufschubgründe – Information der BaFin über den Aufschub (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014) aa) Wegfall der Aufschubgründe § 7 Nr. 1 WpAV lässt sich im Hinblick auf den Aufschub durch eine Befreiungsentscheidung entnehmen, 135 dass die Gründe, die für die Befreiung maßgeblich waren, regelmäßig zu überprüfen sind426. Der Aufschub für die Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 und Abs. 5 136 VO Nr. 596/2014 ist solange zulässig, wie die Gründe für die Befreiung gegeben sind427. Dabei geht der Verordnungsgeber offenbar davon aus, dass von den Befreiungsvoraussetzungen nachträglich nur das Erfordernis der Sicherstellung der Geheimhaltung dieser Informationen wegfallen kann und bestimmt in Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, dass der Emittent in diesem Fall die Öffentlichkeit so schnell wie möglich über diese Informationen in Kenntnis setzen muss428. Dabei ist – wenngleich seltener und damit praktisch weniger bedeutsam – durchaus denkbar, dass durch die Änderungen innerer und äußerer Umstände des Emittenten oder einer Kombination solcher Umstände auch andere der in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 genannten Bedingungen wegfallen können. Zu denken ist etwa daran, dass Vertragsverhandlungen mit Kreditinstituten zur Beseitigung eines eingetretenen Liquiditätsengpasses, um derentwillen die Offenlegung eines solchen zu Recht aufgeschoben wurden, scheitern und kein berechtigtes Interesse mehr am Aufschub der Offenlegung des Liquiditätsproblems besteht. Da sich solche Fälle in Nichts von dem geregelten Sachverhalt unterscheiden, sind auf diese Art. 17 Abs. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 entsprechend anwendbar. Die Vertraulichkeit der Insiderinformationen ist nicht mehr gewährleistet, wenn es Anhaltspunkte gibt, die die Lückenhaftigkeit der ergriffenen Maßnahmen, die nicht hinreichende Umsetzung geeigneter Maßnahmen oder die sonstige Ungeeignet eingeleiteter und umgesetzter Maßnahmen erkennen lassen. Das kann etwa durch Fälle der unzulässigen internen Weitergabe von Insiderinformationen zutage treten, doch muss es sich hierbei wie bei allen anderen Anhaltspunkten um Vorgänge handeln, deren Wiederholung nicht durch Nachbesserungen auszuschließen ist. Hierbei dürfte die Häufung von Vertraulichkeitsdefiziten oder die schon in einem nachweisbaren Einzelfall nicht feststellbare Ursache der Vertraulichkeitsverletzung ein Indiz dafür darstellen, dass die Vertraulichkeit nicht gewährleistet oder nicht mehr zu gewährleisten ist. Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verlangt nicht, dass der Emittent die Vertraulichkeit nicht mehr 137 gewährleisten kann, sondern lediglich, dass die Vertraulichkeit „nicht mehr gewährleistet ist“. Das bedeutet, dass es unerheblich ist, ob die Gründe für die nicht mehr zu gewährleistende Vertraulichkeit in der Sphäre des Emittenten zu suchen sind, oder der Sphäre unternehmensexterner Dritter entstammen, die wegen ihrer Beschäftigung, ihres Berufs oder ihrer Aufgabe Kenntnis der nicht veröffentlichten Insiderinformationen erhalten haben429. Ist es etwa zu einer unberechtigten Weitergabe der fraglichen Insiderinformationen gekommen, von der der Emittent auszuschließen kann oder zu können glaubt, dass sie nicht aus seiner Sphäre heraus vorgenommen wurde, so darf er, anders als etwa die BaFin dies noch im Hinblick auf § 15 Abs. 3 WpHG a.F. annehmen konnte430, den Aufschub der Veröffentlichung nicht ohne weiteres fortsetzen. Hier ist es dann allerdings an ihm, für die Gewährleistung der Vertraulichkeit zu sorgen, was in der Regel nur schwer gelingen und deshalb zur unverzüglich Veröffentlichung der Insiderinformationen zwingen dürfte.
Bezogen auf das Vorliegen und die Fortdauer der Gewährleistung der Vertraulichkeit der Insiderinformatio- 138 nen, deren Offenlegung aufgeschoben wurde, führt Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 einen besonderen Fall an, in dem davon auszugehen ist, dass die Vertraulichkeit von Insiderinformationen, deren Veröffentlichung aufgeschoben wurde, nicht mehr gewährleistet ist. Er bestimmt, dass diese Insiderinformationen so schnell wie möglich zu veröffentlichen sind, wenn sie Gegenstand eines Gerüchts sind, das aus426 Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 511; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 300; Kumpan/ Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 194; Retsch, NZG 2016, 1201, 1206; Veil/Brüggemeier in Meyer/ Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 160. 427 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 15, 135, 299; Renz/Rippel, BuB, Rz. 7/757 (Pflicht zur Veröffentlichung nach Ablauf des Befreiungszeitraums); Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 189. 428 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. 429 ESMA, Final Report – Draft technical standards, S. 53 Rz. 243; BaFin, MAR (FAQ), S. 5 zu III.2. Auch Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 157; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 784; Klöhn, AG 2016, 423, 431; Krause, CCZ 2014, 248, 256; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 317; Mülbert/Sajnovits, WM 2017, 2001, 2006; Retsch, NZG 2016, 1201, 1205; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.35; Seibt/Wollenschläger, AG 2015, 593, 600; Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 107. A.A. zu Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 Krause, CZZ 2014, 256. 430 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 61 a.E.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 138 | Veröffentlichung von Insiderinformationen reichend präzise ist, um die Vermutung zu rechtfertigen, die Vertraulichkeit dieser Information sei nicht mehr gewährleistet. Das entspricht der Definition der BaFin, die ein Gerücht dann als ausreichend präzise ansieht, wenn es einen Tatsachenkern enthält und einen konkreten Bezug zu einer Insiderinformation aufweist, wobei Letzteres anzunehmen sei, wenn die aus dem Gerücht abzuleitende Information darauf schließen lasse, dass ein Informationsleck entstanden sei, wobei es auf dessen Herkunft nicht ankomme, so dass die Vertraulichkeit nicht länger als gewahrt gelten könne (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 36). Das heißt nichts anderes als dass das Gerücht jedenfalls auch Informationen enthält, die sich weitgehend mit den nicht veröffentlichten Insiderinformationen decken431. Dies festzustellen bereitet indes weitaus weniger Schwierigkeiten als die Beantwortung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Emittent von der Existenz eines Gerüchts mit dem fraglichen Inhalt ausgehen muss, wobei zu bedenken ist, dass es zu den Charakteristika eines Gerüchts gehört, dass sein Inhalt unverbürgt und Zweifeln ausgesetzt ist, deshalb auch möglichen Veränderungen unterliegt, sich diffus verbreitet und hinsichtlich seiner Verbreitung in seinen möglichen verschiedenen Formen schwer festzustellen ist. Mit diesen Schwierigkeiten lässt sich bei der Anwendung von Art. 17 Abs. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 und der sich aus dieser Bestimmung ergebenden Pflicht zur schnellstmöglichen Offenlegung der hinsichtlich ihrer Veröffentlichung aufgeschobenen Insiderinformationen nur auf die Weise umgehen, dass dem Vorstand des Emittenten oder Personen, deren Wissen dem Vorstand zurechenbar ist, sichere Informationen darüber vorliegen, dass Dritte im oder außerhalb des Unternehmens Nachrichten erhalten haben und gegebenenfalls auch verbreiten, deren Inhalt sich mit den fraglichen Insiderinformationen weitgehend deckt. Art. 2 Abs. 38 lit. e des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) sieht eine Änderung von Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 vor, nach der das in dieser Vorschrift erfasste Gerücht nicht nur, wie derzeit genügend, „ausreichend präzise“, sondern auch „verlässlich“ („reliable“) sein muss. 139 Liegt ein ausreichend präzises Gerücht i.S.d. Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 vor (s. dazu § 7
VO Nr. 596/2014 Rz. 35 und 93a), so soll die Insiderinformation – nicht das Gerücht und die Insiderinformation auch nur so weit „wie das Gerücht inhaltlich reicht“432 – so schnell wie möglich zu veröffentlichen sein433. Das heißt, dass dem Emittenten weder die Möglichkeit bleibt geltend zu machen, er habe seinerseits alles getan, um die Vertraulichkeit der Insiderinformationen zu gewährleisten, noch die Möglichkeit, die Ursachen des „Informationslecks“ zu ergründen und Maßnahmen zur sicheren Wiederherstellung der Vertraulichkeit der hinsichtlich ihrer Veröffentlichung aufgeschobenen Insiderinformationen zu ergreifen434. Das Erfordernis „so schnell wie möglich“ ist im Übrigen nicht anders auszulegen als das Erfordernis einer unverzüglichen Offenlegung (dazu Rz. 63). In Bezug auf die Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 ist ein präzises Gerücht gegeben, „wenn die aus dem Gerücht abzuleitende Information darauf schließen lässt, dass ein Informationsleck entstanden und daher die Vertraulichkeit dieser Insiderinformation nicht mehr gewährleistet ist, also dann, wenn Teile der der Insiderinformation zugrunde liegenden Umstände kolportiert oder sogar Details oder die gesamte Information öffentlich bekannt werden“435. In solchen Fällen, die vom Emittenten auf Einzelfallbasis zu würdigen sind, wäre Schweigen des Emittenten oder eine „no-comment“-Politik nicht zulässig436.
140 Mit der BaFin ist des Weiteren davon auszugehen, dass die willkürliche Streuung diffuser Informationen,
die „einem Verbreiten von falschen oder irreführenden Informationen gleichkommt“ und in der Absicht er431 Ähnlich Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 157 („Von einem ausreichend präzisen Gerücht wird man ausgehen können, wenn das Gerücht wesentliche Umstände enthält, die in dem Fall, dass eine Ad-hoc-Mitteilung dazu erfolgen würde, in dieser Mitteilung enthalten sein müssten“); Kumpan, DB 2016, 2039, 2044; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 319. Im Ausgangspunkt auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 148. Weitergehend und grundlos ein normatives Element in die Feststellung eines objektiven Tatbestandsmerkmals bringend, Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 289 („Hinreichend präzise ist das Gerücht nicht bereits dann, wenn es wesentliche Umstände enthält, die auch in der Ad-hoc-Meldung enthalten sein müssten, ... sondern nur, wenn es den Schluss rechtfertigt, der Emittent habe seine Pflichten gem. Art. 17 Abs. 4 lit. c) [VO Nr. 596/2014] verletzt ... Es müssen also Informationen kursieren, über die typischerweise nur der Emittent verfügen kann“). 432 Seibt/Krack, BKR 2020, 313, 315. 433 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. 434 ESMA, Final Report – Draft technical standards, S. 53 Rz. 243; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, BankrechtsHandbuch, § 86 Rz. 157, i.E. auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 284 f., 290, Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 als „eine unwiderlegliche Vermutung der Pflichtverletzung gem. Art. 17 Abs. 4 lit. c)“ VO Nr. 596/ 2014 deutend; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 317; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.359. 435 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. 436 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1.4 S. 39. Zustimmend Seibt/Krack, BKR 2020, 313, 315.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 144 Art. 17 VO Nr. 596/2014
folgt, „dem Emittenten richtig stellende Informationen zu entlocken“, nicht als ausreichend präzise anzusehen sind437, geschweige denn ein Gerücht bilden. So präzise solche Distinktionen auch scheinen, so schwer wird es doch wiederum im Einzelfall sein, den Sachverhalt zu ermitteln, der es erlaubt, Gerüchte von der gezielten Streuung diffuser Informationen in provokativer Absicht zu unterscheiden. Sie erweisen sich damit als nutzlos. Insiderinformationen, deren Offenlegung aufgeschoben wurde, können unter Beendigung des Aufschubs 141 der Veröffentlichung – jedenfalls aus insiderrechtlicher Sicht – jederzeit veröffentlicht werden, auch wenn die Voraussetzungen für den Aufschub, namentlich die Sicherstellung der Geheimhaltung der Insiderinformationen, weiter gegeben sind. Dabei hat der Emittent allerdings – namentlich im Hinblick auf die Veröffentlichung der Insiderinformationen – die gleichen Vorschriften zu beachten, wie sie für den Wegfall der Aufschubgründe gelten. Die Insiderinformationen, deren Offenlegung gem. Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben 142 wurde und die nach Ablauf des Befreiungszeitraums, namentlich nach dem Wegfall eines Aufschiebungsgrunds nach Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, unverzüglich zu veröffentlichen ist, ist mit dem Inhalt zu veröffentlichen, den sie im Zeitpunkt der danach vorzunehmenden Veröffentlichung hat (Rz. 207). Wenn die BaFin ausführt, einer Beschreibung der Entwicklung der Insiderinformation im Aufschubzeitraum bedürfe es in der Ad-hoc-Mitteilung nicht438, so schließt dies eine solche allerdings nicht aus. Zu Einzelheiten zur Veröffentlichung der gemäß vorstehenden Ausführungen nach oder entsprechend Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 offenzulegenden Insiderinformationen s. Rz. 207 ff. bb) Aufschubmitteilung an die BaFin (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014) Unmittelbar nach der gem. Art. 17 Abs. 1 oder 7 VO Nr. 596/2014 vorgenommenen Offenlegung der In- 143 siderinformationen, die Gegenstand eines Aufschubs nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 waren, muss der Emittent oder ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 die zuständige Behörde über den Aufschub informieren und dieser schriftlich erläutern, inwieweit die in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 festgelegten Bedingungen erfüllt waren (sog. Aufschubmitteilung). Nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 können Mitgliedstaaten davon abweichend festlegen, dass die Aufzeichnung einer solchen Erläuterung nur auf Ersuchen der gem. Abs. 3 festgelegten zuständigen Behörde übermittelt werden muss. Davon hat Deutschland keinen Gebrauch gemacht, und es ist auch nicht zu erwarten, dass eine Regelung gewählt werden wird, die mit der bisherigen Praxis einer vom Emittenten ausgehenden Aufschubmitteilung bricht. Abweichend von Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 bestimmt Art. 17 Abs. 3 Unterabs. 4 VO Nr. 596/2014, welcher der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 3 VO (EU) 2019/2115 vom 27.11.2019 hinzugefügt wurde (s. Rz. 14), in seinem Satz 1, dass ein Emittent, dessen Finanzinstrumente lediglich zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt (Art. 3 Nr. 11 VO Nr. 596/2014; zum Begriff Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 20) zugelassen sind, der gem. Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 festgelegten zuständigen Behörde (s. Rz. 144) nur auf Verlangen eine schriftliche Erläuterung i.S.v. Art. 17 Abs. 3 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vorlegen muss. Und weiter ordnet Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 4 Satz 2 VO Nr. 596/2014 an, dass von diesem Emittenten nicht verlangt werden darf, über die Gründe des Aufschubs Aufzeichnungen zu führen, solange er in der Lage ist, den beschlossenen Aufschub zu begründen. Von den Emittenten und Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate in keinem Fall mitzuteilen, aber dauerhaft und in leicht zugänglicher Form bereitzuhalten, sind die in dem nach dem Text der VO Nr. 596/2014 wiedergegebenen Art. 4 Abs. 1 DurchfVO (EU) 2016/1055 aufgeführten Informationen. Der Aufschubmitteilung hat eine Vorabmitteilung nach § 26 Abs. 1 WpHG zur Veröffentlichung der Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 vorauszugehen, deren Offenlegung aufgeschoben war (s. Rz. 178 ff.). Zur Frage, welche Behörde zuständige Behörde i.S.v. Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ist, 144 führt die BaFin unter Bezugnahme auf Art. 6 DelVO 2016/522 (Rz. 16) aus439: „Art. 6 der DelVO (EU) 2016/522 legt fest, dass zuständig für die Entgegennahme der Aufschubmitteilung grundsätzlich die Behörde desjenigen Mitgliedstaates ist, in dem der Emittent registriert ist (vgl. Abs. 1 Buchst. a)). Hat der Emittent keine Finanzinstrumente in dem Mitgliedstaat zum Handel zugelassen, in dem er seinen Sitz hat, oder werden diese nicht mit seinem Einverständnis gehandelt und hat er auch keinen Antrag für die Zulassung zum Handel gestellt, stellt Art. 6 Abs. 2 Buchst. a) der DelVO (EU) 2016/522 in diesem Fall auf die Behörde des Staates ab, in dem die Finanzinstrumente erstmals zum Handel zugelassen sind oder mit Einverständnis des 437 BaFin, MAR (FAQ), III.3. S. 5. 438 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.4 S. 45. 439 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.9 S. 48.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 144 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Emittenten gehandelt werden oder der Emittent für diese erstmals die Zulassung zum Handel an einem Handelsplatz beantragt hat. Bei Zulassung zum Handel an Handelsplätzen an mehr als einem Mitgliedstaat richtet sich die Zuständigkeit nach dem liquidesten Markt, Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 der DelVO (EU) 2016/ 522. Für die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ist zuständig die Behörde des Mitgliedstaates, in dem der Teilnehmer registriert ist, vgl. Art. 6 Abs. 3 der DelVO (EU) 2016/522“. Für Emittenten, die – so der Regelfall des Art. 6 Abs. 1 DelVO 2016/522 (Rz. 16) – in Deutschland ihren Sitz haben. hier ins Handelsregister eingetragen sind und deren Dividendenwerte oder andere Finanzinstrumente zum Handel zugelassen sind, ist die danach zuständige Behörde die BaFin. 145 Die Mitteilung der Emittenten i.S.v. Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 (Rz. 143) an die
BaFin und die schriftliche Erläuterung haben der nach Art. 4 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) erforderlichen Art und Weise und mit den in Art. 4 Abs. 3 DurchfVO (EU) 2016/1055 genannten Angaben zu erfolgen. Die in die Mitteilung im Einzelnen aufzunehmenden Informationen sind der nach der VO Nr. 596/ 2014 wiedergegebenen Vorschrift zu entnehmen. § 7 WpAV verlangt „in Ergänzung zu den Vorschriften der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 folgende Angaben ...: 1. alle Zeitpunkte, an denen der Fortbestand der Gründe überprüft wurde, sowie 2. den Vor- und Familiennamen sowie die Geschäftsanschriften und Rufnummern aller Personen, die an der Entscheidung über die Befreiung beteiligt waren“. Über Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 – der eine schriftliche Erläuterung verlangt, inwieweit die in Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 festgelegten Bedingungen erfüllt waren – hinausgehend, ist nach Art. 4 Abs. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) eine schriftliche Mitteilung über die Selbstbefreiung sowie die Übermittlung der schriftlichen Erläuterung erforderlich. Darin ist nach Auffassung der BaFin „weniger ein Schriftformerfordernis im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches zu sehen als vielmehr eine Konkretisierung der in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 MAR geforderten ‚Information‘ der Behörde nach der Veröffentlichung“440. Da eine Befreiungsentscheidung nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 (s. Rz. 90) keine zeitgleiche Anfertigung einer „Notfall-Ad-hoc-Mitteilung“ voraussetzt (Rz. 98), ist eine solche auch nicht mit der Aufschubmitteilung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vorzulegen441. Im Hinblick auf die Anforderungen an die schriftliche Erläuterung zum Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen verlautbart die BaFin, diese – namentlich deren Umfang – hingen vom Einzelfall ab, doch grundsätzlich sollte die Begründung so aussagekräftig sein, dass sie die Rechtmäßigkeit des Aufschubs – namentlich die Gründe für die Annahme des berechtigten Interesses auf Seiten des Emittenten – ohne weitere Nachfragen nachvollziehen und bewerten könne, woraus folge, dass „pauschale Begründungen (z.B. Gremienvorbehalt, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrates abgewartet wurde) nicht ausreichend“ seien442.
146 Wenn Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 verlangt, die in der Vorschrift genannten Mitteilungen
hätten „unmittelbar nach“ der gem. Art. 17 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 vorgenommenen Offenlegung der Insiderinformationen zu erfolgen, so ist damit die unverzügliche Mitteilung gemeint443. Nach der Praxis der BaFin bedeutet dies, dass eine Übermittlung der Selbstbefreiung Stunden nach der Veröffentlichung der Adhoc-Meldung und insbesondere am nächsten Morgen in der Regel nicht rechtzeitig sein wird444. Im Einzelfall wird es aber als nicht völlig ausgeschlossen angesehen, dass eine verzögerte Übermittlung noch rechtzeitig erfolgt ist, doch bedürfe es hierzu allerdings einer besonderen Begründung für die Verzögerung445.
147 Nach § 15 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 WpHG a.F. waren Insiderinformationen, deren Offenlegung auf-
geschoben war, allgemein vor deren Veröffentlichung der BaFin mitzuteilen. An die Stelle einer solchen Verpflichtung ist die in Rz. 143 f. behandelte Aufschubmitteilung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 getreten. Diese Aufschubmitteilung hat nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 erst unmittelbar nach der Veröffentlichung der Insiderinformationen, die Gegenstand des Aufschubs nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 waren, zu erfolgen, während die Vorabmitteilung im Hinblick auf die Veröffentlichung der fraglichen Insiderinformationen nach § 26 Abs. 1 WpHG vor der Veröffentlichung erfolgen muss. Gleichwohl sieht die BaFin die Verpflichtung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 als erfüllt an, wenn die Aufschubmitteilung zeitgleich mit der Vorabmitteilung übersandt wird446. Sofern die Aufschubmitteilung, wie vorgesehen, erst nach der Vorabmitteilung und Veröffentlichung der Insiderinformation erfolgt, kann dies per Fax oder auf dem Postweg im unmittelbaren Anschluss an diese vorgenommen werden. Für die Übermittlung per Fax stellt die BaFin die folgende Fax-Nr. zur Verfügung: +49 (0)228/4108-200. 440 441 442 443 444 445 446
BaFin, MAR (FAQ), IV.7. S. 10. BaFin, MAR (FAQ), IV.6. S. 10. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.9 S. 48. Hierzu und zum Folgenden BaFin, MAR (FAQ), IV.4. S. 9. Auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 492. BaFin, MAR (FAQ), IV.6. S. 14. BaFin, MAR (FAQ), IV.6. S. 14. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.9 S. 49; BaFin, MAR (FAQ), IV.4. S. 9.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 150 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Für Inlandsemittenten, MFT-Emittenten und OTF-Emittenten ist eine separate Vorabmitteilung der zu veröffentlichenden Insiderinformationen nach § 26 Abs. 1 WpHG aber weiterhin erforderlich und dementsprechend mit den nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 erforderlichen Erläuterungen zu verbinden (Rz. 178 ff.). Art. 4 Abs. 3 lit. b DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) verlangt, dass die Aufschubmitteilung neben der 148 Identität des Emittenten auch „die Identität der mitteilenden Person: Vorname, Nachname, Position beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate“ enthält. Die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Emittent einen Dienstleister zur Veröffentlichung und Verbreitung der Ad-hoc-Meldung eingeschaltet hat (dazu Rz. 185 und Rz. 195) und ob in diesem Falle die Aufschubmitteilung auch von den im Sinne vorstehender Vorschrift „mitteilenden Personen ... beim Emittenten“ zu unterzeichnen ist, beantwortet die BaFin wie folgt447: „Die BaFin hat bereits darauf hingewiesen, dass – sofern der Emittent einen Dienstleister zur Veröffentlichung und Verbreitung der Ad-hoc-Meldung eingeschaltet hat – nach wie vor die gleichzeitige Übermittlung der Selbstbefreiung im Rahmen der Vorabmeldung gem. § 15 Abs. 1 WpHG [heute § 26 Abs. 1 WpHG] den Anforderungen aus Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 MAR ebenfalls gerecht wird. Im Rahmen der Vorabmeldung über den Dienstleister ist die Vorlage von pdf-Dokumenten nicht möglich, so dass insofern eine unterschriebene Mitteilung durch den Übermittelnden oder eine durch zumindest ein Vorstandsmitglied unterschriebene Begründung der Selbstbefreiung nicht möglich ist. In gleicher Weise ist auch bei Übermittlung einer Befreiung gem. Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 MAR unmittelbar nach der Veröffentlichung eine Unterschrift entbehrlich, falls dies aufgrund des gewählten Mediums nicht möglich ist. Gleichwohl muss selbstverständlich sichergestellt sein, dass erkennbar ist, von wem die Mitteilung stammt, Art. 4 Abs. 1b) DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16), und dass sich derjenige an das Mitgeteilte gebunden fühlt und dies verantwortet.“ Die Aufschubmitteilung soll nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 „unter Verwendung der von 149 der zuständigen Behörde festgelegten elektronischen Hilfsmittel“ erfolgen. Dazu hat die BaFin informiert, Aufschubmitteilungen seien weiterhin und „bis auf Weiteres entsprechend § 9 WpAIV“ – das heißt, nach Änderung der WpAIV, entsprechend § 9 Abs. 1 Satz 1 WpAV – „schriftlich mittels Telefax an die BaFin zu übersenden“448. In diesem Zusammenhang weist die BaFin darauf hin, dass auch die einschlägigen Newsprovider optional bei der Verarbeitung der Meldung über die Veröffentlichung der Insiderinformation weiterhin die Möglichkeit anböten, Informationen zur Selbstbefreiung vertraulich an die BaFin zu übermitteln. was ebenfalls weiterhin akzeptiert werde. Aufschubmitteilungen an die BaFin sollen an das Ad-hoc-PublizitätFAX 0228/4108-200 geschickt werden449. Art. 2 Abs. 38 lit. c des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektver- 149a ordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) sieht die Änderung von Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 betreffend die Aufschubmitteilung an die BaFin und den Wegfall von Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 4 VO Nr. 596/ 2014 betreffend die Mitteilungspflicht eines Emittenten, dessen Finanzinstrumente lediglich zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, vor. Die vorgeschlagene neue Regelung, die an die Stelle derjenigen des entfallenden Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 träte, lautet: „Where an issuer or emission allowance market participant intends to delay the disclosure of inside information under this paragraph, it shall inform the competent authority specified in accordance with paragraph 3 of its intention to delay the disclosure of inside information and shall provide a written explanation of how the conditions set out in this paragraph were met, immediately after the decision to delay is taken.“ Sie hätte eine Vorverlegung des Zeitpunkts zur Folge, in der nach geltendem Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 Mitteilungspflichten des Emittenten an die BaFin entstehen: Diese entstünden nicht erst „unmittelbar nach der Offenlegung der Informationen“, sondern bereits in dem Zeitpunkt, in dem der Emittent beabsichtigt, die Offenlegung der Insiderinformation zu verschieben. d) Wegfall einer Insiderinformation während des Aufschubs Der Emittent ist verpflichtet, regelmäßig zu prüfen, ob die Befreiungsvoraussetzungen nach wie vor gegeben 150 sind450. Verliert eine Information während des Aufschubs ihrer Veröffentlichung ihre Eigenschaft als Insiderinformation, etwa weil den Gegenstand des Aufschubs bildende Vorhaben oder Vertragsverhandlungen scheitern, so ist der Emittent nicht nur berechtigt, sondern zur Vermeidung der Irreführung der Öffent447 448 449 450
BaFin, MAR (FAQ), IV.7. S. 10/11. BaFin, MAR (FAQ), IV.9. S. 11. BaFin, MAR (FAQ), IV.8. S. 11. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36.
Assmann | 603
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 150 | Veröffentlichung von Insiderinformationen lichkeit und des Marktpublikums sogar verpflichtet, von der Veröffentlichung der Information abzusehen451. Ein Beispiel hierfür ist ein „Liquiditätsengpass, hervorgerufen durch die Kündigung einer Kreditlinie durch die Hausbank des Emittenten“, der als Insiderinformation zu veröffentlichen wäre und dessen Offenlegung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu Recht im Hinblick auf die Suche nach einem anderen Kreditgeber aufgeschoben wurde. Nimmt die Bank „schließlich die Kündigung der Kreditlinie zurück“, so ist der Liquiditätsengpass behoben und es liegt keine Insiderinformation mehr vor452. 151 Anders verhält es sich, wenn der Grund, der einer Information die Eigenschaft als Insiderinformation
nimmt, gleichzeitig eine neue Insiderinformation darstellt. Das ist etwa dann der Fall, wenn Gespräche zwischen einem Emittenten, der Interesse an einem „freundliches“ Übernahmeangebot hat, und der Zielgesellschaft – für beide eine sie unmittelbar betreffende Insiderinformation – abgebrochen werden, weil die Gesprächspartner über wesentliche Punkte der Übernahme keine Einigung erzielen können und der Bieter der Zielgesellschaft erklärt, unter diesen Umständen ein „feindliches“ Übernahmeangebot abzugeben. Eine solche Erklärung wäre als eine die Zielgesellschaft als Emittentin unmittelbar betreffende Information über ein zukünftiges Ereignis zu behandeln und als Insiderinformation zu qualifizieren, wenn vernünftigerweise zu erwartet wäre, dass es in Zukunft eintreten werde (Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) und nicht lediglich als eine nicht ernst zu nehmende Drohung während oder bei Abbruch der Gespräche qualifiziert werden könnte453. Sich auf die ihre Deutung des Vorhabens als ernst oder nicht ernst zu nehmend stützend, könnte die Zielgesellschaft von einer Veröffentlichung der Insiderinformation absehen, könnte umgekehrt aber auch – schon um verbotene Insidergeschäfte aus ihrer Sphäre heraus und das Problem der Geheimhaltung dieser Information zu verhindern – eine Veröffentlichung vornehmen, ohne daran durch ein verbandsoder übernahmerechtliches Vereitelungsverbot gehindert zu sein454.
6. Veröffentlichung von Insiderinformationen 152 Der Emittent einer nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverzüglich (Rz. 63 ff.) offenzulegen-
den Insiderinformation ist nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 verpflichtet, diese in einer Art und Weise zu veröffentlichen, die der Öffentlichkeit einen schnellen Zugang und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung ermöglicht. Wie die Veröffentlichung zu geschehen hat, damit die Öffentlichkeit einen schnellen Zugang zu derselben erfährt und wie sie aussehen muss, damit eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung ihrer Angaben – namentlich der offenzulegenden Insiderinformationen – möglich ist, regelt Art. 17 VO Nr. 596/2014 nicht selbst, sondern zahlreiche auf dieser Bestimmung und der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 fußende Bestimmungen.
451 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36 („Der Gesetzgeber hat bewusst in Kauf genommen, dass solche Insiderinformationen dann nicht mehr veröffentlicht werden und auch keine Mitteilung über die vorgenommene Befreiung gegenüber der BaFin erfolgt“); ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation, A5.2., S. 14. („Where the issuer has delayed the disclosure of inside information in accordance with Article 17(4) of MAR and the information subsequently loses the element of price sensitivity, that information ceases to be inside information and thus is considered outside the scope of Article 17(1) of MAR. Therefore, the issuer is neither obliged to publicly disclose that information nor to inform the competent authority in accordance with the last paragraph of Article 17(4) that disclosure of such information was delayed“); Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 301; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.373; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz.191. So schon zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 173 mit ausführlicher Begründung; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 611 ff.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 935; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 139; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906; Kumpan/Schmidt in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 263; Kuthe, ZIP 2004, 883, 886; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 45; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.308; Merkner/ Sustmann, NZG 2005, 729, 738; Pfüller in Fuchs, § 15 Rz. 495; Renz/Rippel, BuB, Rz. 7/757; Simon, Der Konzern 2005, 13 (22); Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.26, 15.37; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 901; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 193; Zimmer in FS Schwark, S. 669, 680. A.A. zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. Bürgers, BKR 2004, 424, 426; Gunßer, S. 106; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 328 (um der Aufsichtsbehörde eine Überprüfung des Aufschubs zu erlauben); Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2219 f. 452 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36. 453 Anders als hier behandelt Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 500, diesen Fall als solchen, in dem sich das Problem der Nachholung einer aufgeschobenen Ad-hoc-Publizität stellt. 454 Art. 10 Abs. 6 WpÜG bezieht sich nur auf Veröffentlichungspflichten des Bieters und § 33 WpÜG betrifft nur Handlungen des Vorstands der Zielgesellschaft nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Angebots.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 154a Art. 17 VO Nr. 596/2014
a) Veröffentlichung von eingetretenen Insiderinformationen aa) Anforderungen an Inhalt und Sprache der Veröffentlichung Der Inhalt (einschließlich Form und Stil) sowie die Sprache der Veröffentlichung von Insiderinformationen 153 sind in Art. 17 VO Nr. 596/2014 und den zu dieser Vorschrift ergangenen europäischen Rechtsakte nur rudimentär geregelt. In Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 findet sich nur das allgemeine Erfordernis, die Veröffentlichung habe „eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung“ ihrer Angaben zu ermöglichen, und Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 lässt sich darüber hinaus nur entnehmen, der Emittent dürfe die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten verbinden (dazu Rz. 159 f.). Auch in der vorwiegend mit der Herbeiführung und der Art und Weise der Veröffentlichung befassten Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 (Rz. 16) fehlen form-, sprach- und inhaltsbezogene Vorschriften. Um diese Lücke zu schließen und eine strukturierte Veröffentlichung zu gewährleisten, finden sich in § 3b bzw. § 4 WpAV Vorschriften zu Sprache bzw. zu Inhalt und Form. (1) Inhalt Nach dem „Inhalt der Veröffentlichung“ überschriebenen, aber auch Form und Stil der Veröffentlichung 154 ansprechenden § 4 Abs. 1 WpAV sind „1[in] der Veröffentlichung nach Artikel 17 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ... anzugeben: 1. in der Kopfzeile a) eine deutlich hervorgehobene Überschrift „Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014“, b) ein als Betreff erkennbares Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst, 2. zum Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate a) sein Name und b) seine Anschrift, 3. die internationalen Wertpapierkennnummern der vom Emittenten ausgegebenen Aktien, Options- und Wandelanleihen sowie Genussscheine mit Ausstattungsmerkmalen, die den Aktien vergleichbar sind, soweit sie zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für sie eine solche Zulassung beantragt wurde, sowie die Börse und das Handelssegment, für die die Zulassung besteht oder beantragt wurde; hat der Emittent weitere Finanzinstrumente ausgegeben, für die eine Zulassung besteht oder beantragt wurde, genügt die Angabe einer Internetadresse, unter der er die entsprechenden Angaben für diese Finanzinstrumente in einer stets aktuellen und vollständigen Datei bereitzustellen hat, wobei die Hauptseite einen deutlich erkennbaren Hinweis auf eine Seite mit Informationen für Anleger zu enthalten hat, unter der die Datei leicht aufzufinden sein muss, 4. die zu veröffentlichende Information, 5. Datum des Eintritts der der Information zugrunde liegenden Umstände, 6. eine kurze Erklärung, inwieweit die Information den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unmittelbar betrifft, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 ergibt, sowie 7. eine Erklärung, aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 ergibt. 2 Die Veröffentlichung soll kurz gefasst sein. 3Ist nach Artikel 17 Absatz 8 Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine Person, die im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate handelt, veröffentlichungspflichtig, so hat sie den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate hierüber unverzüglich zu informieren und in der Veröffentlichung durch Nennung ihres Namens und ihrer Anschrift ihre Urheberschaft kenntlich zu machen.“ Sind Verträge Gegenstand der Ad-hoc-Publizitätspflicht, so folgt aus dem Anforderungskatalog des § 4 Abs. 1 154a WpAV, dass die Eckpunkte des jeweiligen Vertrags offenzulegen sind. Dazu gehören Angaben über den Vertragsgegenstand, die Vertragspartner und die Vertragslaufzeit sowie über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag, d.h. in der Regel „der Kaufpreis bzw. der Verkaufserlös, der jeweils zumindest in seiner Größenordnung zu nennen ist, sofern diese nach Art und Umfang und vor dem Hintergrund der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten das Kursbeeinflussungspotenzial der in Rede stehenden Information Assmann | 605
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 154a | Veröffentlichung von Insiderinformationen zumindest mitbegründen“455. Entsprechendes gilt auch bei Unternehmenskäufen und -verkäufen. Im Falle eines bedeutenden Auftrags, namentlich eines Großauftrags, sind die Größenordnung des Auftrags, der Zeitpunkt oder die Zeitpunkte der Auftragserfüllung oder die Vertragslaufzeit anzuführen. Details eines Vertrags (wie Rabatte oder Sonderkonditionen) oder Auftrags sieht die BaFin nicht als offenlegungspflichtig an456. Alternativ zur bloßen Nennung der objektiven Vertrags- oder Auftragsdaten, können, wenn es der besseren Bewertbarkeit durch den Kapitalmarkt dienlich ist, auch „die unmittelbaren und zukünftigen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Emittenten erläutert werden (z.B. ein notwendiger Wertberichtigungsbedarf im Falle der Veräußerung eines Vermögensgegenstands oder erwartete künftige Mehreinnahmen – z.B. aufgrund von Synergieeffekten – und daraus ggf. resultierende Prognoseanpassungen)“457. Soweit sich dies nicht aus diesen und den verlangten Angaben ergibt, ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpAV zu erklären, „aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen“ (dazu Rz. 165). In keinem der vorgenannten Fälle vermag eine Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen den Vertragspartnern bzw. dem Auftraggeber und dem Auftragsempfänger den Emittenten von den vorgenannten Offenlegungspflichten zu entbinden458. Werden in einer Ad-hoc-Mitteilung Informationen zu Personalien veröffentlicht, so sind auch die Gründe anzugeben, die zu der Personalie geführt haben459. Im Falle von Ad-hoc-Mitteilung zu Kapitalerhöhungen sind die wesentlichen Konditionen nennen, insbesondere die Art und der Umfang der Kapitalerhöhung sowie Angaben zum Bezugsrecht bzw. dessen Ausschluss460. 155 Bezieht sich die Ad-hoc-Mitteilung auf Geschäftszahlen und auf diese bezogenen Prognosen oder auf An-
gaben über Dividenden, ist jeweils auch die relevante Vergleichs- oder Bezugsgröße mit anzugeben. Dabei sollte nach den Ausführungen der BaFin darauf hingewiesen werden, „ob sich gegenüber dem Vergleichszeitraum wesentliche Änderungen im Konsolidierungskreis des Emittenten ergeben haben oder ein Wechsel der Bilanzierungsmethode erfolgt ist“, da nur so sichergestellt sei, „dass Marktteilnehmer und Anleger die wesentlichen Informationen schnell erkennen, vergleichen und verarbeiten können“461. Werden in Ad-hocMitteilung Leistungskennzahlen genannt, so muss es sich um Kennzahlen handeln, die im Geschäftsverkehr üblich sind und einen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen462. Das war in § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG a.F. ausdrücklich angeordnet, wobei nur solche Kennzahlen als „üblich“ anzusehen waren, die von einer großen Zahl von Unternehmen über einen gewissen Zeitraum tatsächlich verwandt wurden463. Der Emittentenleitfaden der BaFin deutete dazu jedoch an, dass auch branchenspezifisch übliche Kennzahlen „übliche“ Kennzahlen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG sein können464. Erforderlich ist die Publikation von Kennzahlen als Insiderinformationen durch eine Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 allerdings nur dann, wenn der Kennzahl selbst – i.d.R. im Verhältnis zu derjenigen im vorausgegangenen Vergleichszeitraum – ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential zukommt465. Gleichwohl kann ihr auch im Hinblick auf die Illustration eines anderen Umstands oder Ereignisses eine Bedeutung zukommen, die ihre Nennung in einer Ad-hoc-Mitteilung rechtfertigt. Zum Umgang mit alternativen Leistungskennzahlen (APM) in Ad-hoc-Veröffentlichungen s. Rz. 158.
156 In ihrem Emittentenleitfaden 2013 hat die BaFin einen Katalog von Kennzahlen vorgelegt, die von Unter-
nehmen besonders häufig verwendet werden und – kraft ausdrücklichen Hinweises der BaFin (auch wenn in dem aktuellen Emittentenleitfaden Modul C, eine entsprechende Liste nicht enthalten ist) unter Art. 17 VO Nr. 596/2014 fortgeltend466 – als üblich anzusehen sind467. In diesem sind aufgeführt: 455 456 457 458 459 460 461 462
463 464 465 466 467
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44, mit dem Hinweis, zu beachten sei, dass „diese Gründe bereits für sich genommen Insiderinformationen sein können (z.B. im Falle einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 297 AktG)“. Dazu auch Veil/Gumpp/Templer/Voigt, ZGR 2020, 2, 10 f. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.2 S. 44. So § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG a.F. Dazu BaFin, Emittentenleitfaden 2013, IV.2.2.10 S. 56 f. Die diesbezüglichen Ausführungen gelten nach BaFin, MAR (FAQ), III.4. S. 5, auch unter Art. 17 VO Nr. 596/2014 fort und stehen mit den nachfolgend erwähnten APM-Leitlinien der ESMA in Einklang. Ausführlich zur Auslegung von § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG a.F.: § 15 WpHG Rz. 193 ff. Auch Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 391. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 57. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 57. BaFin, MAR (FAQ), III.4. S. 5. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 57. Der Katalog ist im Emittentenleitfaden Modul C der BaFin nicht mehr vorhanden.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 158 Art. 17 VO Nr. 596/2014
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„Umsatz (Umsatzerlöse, sales, revenue), Ergebnis pro Aktie (EPS – earnings per share), Jahresüberschuss (net profit), Cashflow, Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT – earnings before interest and taxes), Ergebnis vor Steuern (EBT – earnings before taxes), Dividende pro Aktie (dividends per share), Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA – earnings before interest, taxes, depreciation and amortization), Ergebnismarge (in Prozent der Umsätze), Eigenkapitalquote, Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, Betriebliches Ergebnis, Operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen.“
Auch zum Erfordernis der Vergleichbarkeit der verwandten Kennzahlen mit den zuletzt genutzten Kenn- 157 ziffern kann auf Verlautbarungen der BaFin in einem Schreiben vom 26.11.2002468 zurückgegriffen werden, das trotz seiner Aufhebung, aber bei weitgehend übernommenen Ausführungen im Emittentenleitfaden 2013 der BaFin469, hilfreiche und im Hinblick auf die heutige Rechtsquellenlage entsprechend anzuwendende Hinweise enthält: „Um die vom Gesetzgeber vorgesehene Vergleichbarkeit mit vorher verwendeten Kennzahlen sicherzustellen, sind in der Ad-hoc-Meldung neben den genutzten Kennzahlen die entsprechenden Zahlen des Vergleichszeitraumes und/oder die prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vergleichszeitraum anzugeben. Hierdurch wird auch die Verschleierung schlechter Ergebnisse durch den Wechsel der zuletzt verwendeten Kennzahlen verhindert. Zusätzlich sollte darauf hingewiesen werden, wenn sich gegenüber dem Vergleichszeitraum Änderungen im Konsolidierungskreis des Emittenten ergeben haben oder ein Wechsel der Bilanzierungsmethode erfolgt ist. Nur so ist eine Vergleichbarkeit möglich und sichergestellt, dass Marktteilnehmer die wesentlichen Informationen schnell erkennen und verarbeiten können. Im Übrigen wird empfohlen, in einer Ad-hoc-Meldung bzw. in den Erläuterungen zu einer Ad-hoc-Meldung mehrere Kennzahlen anzugeben, um den Kapitalmarktteilnehmern ein differenzierteres und aussagefähigeres Bild der Lage des Emittenten zu geben.“ Werden in Ad-hoc-Mitteilungen alternative am Kapitalmarkt allgemein geläufige Finanzkennzahlen ver- 158 wandt, müssen diese den Anforderungen der ESMA-Leitlinien für Alternative Leistungskennzahlen („APM-Leitlinien“), die auch auf Veröffentlichungen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 anzuwenden ist470, genügen471. Zu diesen gehört insbesondere, dass alternative Leistungskennzahlen in Ad-hoc-Veröffentlichung, die Finanzkennzahlen enthalten, zu erläutern sind. Zu erläutern sind zum einen die Verwendung von APM, um es den Benutzern zu ermöglichen, ihre Relevanz und Verlässlichkeit zu verstehen, und zum anderen, warum der Emittent der Ansicht ist, dass ein APM nützliche Informationen in Bezug auf die Finanzlage, Cashflows oder die finanzielle Leistung bietet und für welchen Zweck das spezifische APM verwendet wird472. Über diese Erläuterungen hinaus verlangen – in der Darstellung der BaFin473 – die APM-Leitlinien der ESMA, dass „Emittenten, die APM verwenden, ... diese sowie die Grundlage der angewendeten Berechnung zu definieren und die Definition klar und verständlich zu veröffentlichen ... Dabei [sei] darauf zu ach468 Schreiben der BaFin vom 26.11.2002 (WA 22-W-2310-18/2002): Konkretisierung üblicher Kennzahlen i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG. In diesem wird der nachfolgend aufgeführte Katalog ausdrücklich als „eine positive Festlegung solcher Kennzahlen ..., die derzeit den Anforderungen der von § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG geforderten Üblichkeit entsprechen“ bezeichnet. 469 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 57. 470 ESMA, Leitlinien Alternative Leistungskennzahlen (APM), S. 2 Rz. 3: 3 „Die vorliegenden Leitlinien finden Anwendung im Zusammenhang mit APM, die von Emittenten ... bei der Veröffentlichung vorgeschriebener Informationen ... offengelegt werden. Beispiele für vorgeschriebene Informationen sind ... Veröffentlichungen gemäß Artikel 17 der Marktmissbrauchsverordnung wie etwa Ad-hoc-Veröffentlichungen, die Finanzkennzahlen enthalten“. 471 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.3 S. 44; BaFin, MAR (FAQ), III.4. S. 5. 472 ESMA, Leitlinien Alternative Leistungskennzahlen (APM), S. 9 Rz. 33 und 34. 473 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.3 S. 45 im Hinblick auf Rz. 20, 21 sowie 35, 36 der APM-Leitlinien des ESMA.
Assmann | 607
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 158 | Veröffentlichung von Insiderinformationen ten, dass die Darstellung von APM nicht von der Darstellung der Kennzahlen, die direkt aus Abschlüssen stammen, ablenken“. Ergänzend zu ihren APM-Leitlinien und diese erläuternd hat die ESMA „Guidelines on Alternative Performance Measures“ veröffentlicht474. Weiter weist die BaFin auf die Möglichkeit der Erläuterungen durch Verweisung, d.h., dass „die nach den APM-Leitlinien erforderlichen Erläuterungen (vgl. insbesondere Ziff. 33, 34, 41-43) ... grundsätzlich im Wege der Verweisung vorgenommen werden (Ziff. 45) [können], beispielsweise durch Verweisung auf die Internetseite des Emittenten, auf der die Erläuterungen nachlesbar sind oder auf andere zuvor veröffentlichte Dokumente des Emittenten, die diese Veröffentlichungen der APM enthalten und für die Nutzer bereits verfügbar und leicht zugänglich sind. Der Text der Adhoc-Mitteilung selbst [sei], wie bisher, auf die wesentlichen veröffentlichungspflichtigen Informationen und Erläuterungen zu beschränken. Ein Verweis [sei] allerdings gem. Question 10 der ESMA Q&A nicht zulässig, sofern er sich auf Vergleichswerte für betreffende vorangegangene Zeiträume bezieh[e] (vgl. Rz. 46 der APM-Leitlinien). Ebenfalls unzulässig [sei] die Nutzung von Verweisen im Zusammenhang mit der Bezeichnung einer APM (vgl. Rz. 22 der APM-Leitlinien), der Darstellung von APM gegenüber Kennzahlen, die direkt aus Abschlüssen stammen (vgl. Rz. 35, 36 der APM-Leitlinien) sowie in Sachverhalten, bei denen durch einen Verweis die konsistente Darstellung über einen bestimmten Zeitraum beeinträchtigt würde (vgl. Rz. 41 der APM-Leitlinien)“475. Alternative Leistungskennzahlen, auf die sich die APM-Leitlinien des ESMA beziehen, sind „Finanzkennzahlen der vergangenen oder zukünftigen finanziellen Leistung, Finanzlage oder Cashflows, ausgenommen Finanzkennzahlen, die im einschlägigen Rechnungslegungsrahmen definiert oder ausgeführt sind“476. Dazu wiederum führt die BaFin erläuternd aus: „APM werden üblicherweise aus den in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Rechnungslegungsrahmen erstellten Abschlüssen abgeleitet oder beruhen auf diesen wie beispielsweise (vgl. Rz. 18 der APM-Leitlinien): operatives Ergebnis, Bareinnahmen, Ergebnis vor Einmalaufwendungen, Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibung und Amortisation (EBITDA), Nettoverschuldung, eigenständiges Wachstum oder ähnliche Bedingungen, die Anpassungen von Posten in Gesamtergebnisrechnungen, Bilanzen oder Kapitalflussrechnungen bezeichnen“477. 159 Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 darf der Emittent die Veröffentlichung von In-
siderinformationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten verbinden. Dementsprechend darf er in der Ad-hoc-Mitteilung weder die werbliche Darstellung etwa der Entwicklung seiner Geschäftsfelder oder einzelner Produkte vornehmen noch werbliche Öffentlichkeitsarbeit unterbringen, weil ein solches „Publizitätsverhalten ... es der Öffentlichkeit [erschweren würde], die wirklich bedeutsamen Informationen schnell zu erkennen und zu verarbeiten“478 (s. auch Rz. 174a). Das war auch unter § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F. nicht anders, nach dem sonstige Angaben, die die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. offensichtlich nicht erfüllen, d.h. keine Insiderinformationen darstellen und auch zu deren Verständnis aus der Sicht eines verständigen Anlegers nicht erforderlich sind, auch in Verbindung mit ad hoc veröffentlichungspflichtigen Informationen, nicht veröffentlicht werden durften479. Lässt man die speziellen, sich in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 nicht wiederfindenden Regelungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F. außer Betracht, können dessen Grundsätze auch für die Anwendung des Vermarktungsverbots herangezogen werden. So können etwa auch danach „Reaktionen auf Angriffe durch Mitbewerber des Unternehmens, die eigene Bewertung von Mitbewerbern oder die Kommentierung allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklungen nicht Gegenstand von Ad-hoc-Meldungen“ sein480. Ergänzend führt die BaFin aus, unzulässig seien u.a. auch „Reaktionen auf Angriffe durch Mitbewerber des Unternehmens, die eigene Bewertung von Mitbewerbern oder die Kommentierung allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklungen“ oder die „Veröffentlichung des eigenen Firmenprofils“481. Wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO 474 475 476 477
478 479 480 481
ESMA, Questions and answers, ESMA Guidelines on Alternative Performance Measures (APMs), Stand 17.4.2020. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.3 S. 45; auch BaFin, MAR (FAQ), III.4. S. 5/6. ESMA, Leitlinien Alternative Leistungskennzahlen (APM), S. 7 Rz. 17. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.3 S. 44. Ergänzend heißt es ebd. S. 44/45: „Keine Anwendung finden die APM-Leitlinien gemäß Rz. 4 der APM-Leitlinien bei bzw. nicht als APM anzusehen sind gemäß Rz. 19 der APM-Leitlinien: [1] Kennzahlen, die auf aufsichtlichen Vorgaben beruhen einschließlich Kennzahlen gemäß der Kapitaladäquanzverordnung und -richtlinie (CRR/CRD IV),... [2] Kennzahlen, die im einschlägigen Rechnungslegungsrahmen... definiert oder ausgeführt sind, wie etwa Umsatz, Gewinn und Verlust oder Ertrag pro Aktie, [3] physische oder nicht finanzielle Kennzahlen wie etwa die Anzahl an Mitarbeitern, die Anzahl an Zeichnern, der Umsatz pro Quadratmeter (wenn Verkaufszahlen direkt aus Abschlüssen bezogen werden) oder soziale und umweltbezogene Kennzahlen wie Treibhausgasemissionen, Aufschlüsselung der Belegschaft nach Vertragsart oder geografischer Lage, [4] Angaben zu bedeutenden Beteiligungen, dem Erwerb oder der Veräußerung eigener Anteile und der Gesamtzahl der Stimmrechte“. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.5 S. 45. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 199 ff. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.5 S. 45. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.5 S. 45.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 165 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Nr. 596/2014 die Veröffentlichung einer Insiderinformation mit einer Vermarktung seiner Tätigkeiten verbindet, handelt nach § 120 Abs. 15 Nr. 8 WpHG ordnungswidrig. Darüber hinaus lässt sich dem Vermarktungsverbot des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 160 aber auch – wie dies schon im Hinblick auf § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG a.F. erfolgte – der Grundsatz entnehmen, Veröffentlichungen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 seien ausschließlich „auf die vom Gesetzgeber vorgegebenen Inhalte zu beschränken“482. Diese können – wie sich schon aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5–7 WpAV folgern lässt – im Einzelfall durchaus Angaben verlangen, die über die bloße Mitteilung der Insiderinformationen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAV hinausgehen und zum inhaltlichem Verständnis der Insiderinformationen wie zu ihrem Verständnis als kurserhebliche Informationen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 WpAV) erforderlich sind. Die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 2 WpAV, die Veröffentlichung solle kurz gefasst sein, ist so zu verstehen, 161 dass sie in ihren nach § 4 Abs. 1 Satz 1 WpAV verlangten Angaben, die über die bloße Mitteilung der Insiderinformation nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAV hinausgehen, so kurz sein müssen, wie es zum Verständnis der Information und ihrer Eigenschaft als Insiderinformation im vorstehenden Sinne durch den verständigen Anleger erforderlich ist (s. auch Rz. 174a). Nach den Vorstellungen der BaFin zu der wortgleichen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 2 WpAIV a.F. sollte die Meldung „möglichst nicht mehr als 10 bis 20 Zeilen“ umfassen und keine Zitate von Organmitgliedern, Vertragspartnern oder anderen Personen enthalten483. Soweit sich aus den kapitalmarktrechtlichen Regelungen anderer Staaten, in denen ebenfalls Finanzinstrumente des Emittenten zum Handel zugelassen sind, die Notwendigkeit ergibt, bestimmte weitere Informationen (etwa Disclaimer) an den Wortlaut der Ad-hoc-Meldung anzufügen, wird dies von der BaFin allerdings nicht beanstandet, doch sollten diese Informationen nach deren Ausführungen nach Möglichkeit vom Wortlaut der Meldung getrennt werden484. Dagegen werden Emittenten, die zu solchen zusätzlichen Informationen nicht verpflichtet sind, aufgefordert, von deren Gebrauch abzusehen. Während § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a WpAIV a.F. die Kennzeichnung der Veröffentlichung durch die deut- 162 lich hervorgehobene Überschrift „Ad-hoc-Meldung nach § 15 WpHG“ verlangte, ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a WpAV in „der Veröffentlichung nach Artikel 17 Absatz 1 und 2“ VO Nr. 596/2014 – ebenfalls deutlich hervorgehoben – die Überschrift „Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014“ erforderlich. Wie die alte Vorschrift in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b WpAIV a.F. verlangt auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b 163 WpAV ein als Betreff erkennbares Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst. Zur alten Vorschrift hat die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden 2013485 einen dementsprechend fraglos übertragbaren und nicht abschließenden Katalog von Schlagworten aufgeführt: – „Liquiditätsprobleme/Überschuldung, Mergers & Acquisitions, – Geschäftszahlen, – Ausschüttungen, – Kooperationen/Zusammenarbeit, – Kapitalmaßnahmen, – Strategische Unternehmensentscheidungen, – Personal, – Recht/Prozesse, – Sonstiges.“ Eine kurze Erklärung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpAV, „inwieweit die Information den Emittenten oder 164 Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unmittelbar betrifft, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4“ – d.h. der Insiderinformation selbst – ergibt, ist regelmäßig nicht erforderlich, wenn die Insiderinformationen im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind. Hier ist in der Regel bereits aus der jeweiligen Insiderinformation erkennbar, dass es sich um eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation handelt. Dementsprechend verlangt § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpAV eine „Erklärung, aus welchen Gründen die Infor- 165 mation geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Finanzinstrumente oder den 482 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.5 S. 45. 483 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 63. Im Emittentenleitfaden Modul C der BaFin fehlen über die Aussage „Die Veröffentlichung sollte kurz gefasst sein“ (I.3.5.4 S. 45) hinausgehende Ausführungen hierzu. 484 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 63. 485 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 62.
Assmann | 609
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 165 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 [d.h. der Insiderinformation selbst] ergibt“. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn es sich um Umstände oder Ereignisse handelt, die als solche und ohne zusätzliche Informationen als gewichtig und kurserheblich erkennbar sind. Dagegen ist etwa bei Transaktionen jedweder Art die Bedeutung derselben für die Kursentwicklung des Emittenten nicht ohne Information über ihre Größenordnung oder anderweitige Erläuterungen erkennbar. So sind bei Unternehmenskäufen und -verkäufen „zumindest auch die Größenordnung des Kaufpreises“ und bei Unternehmenskäufen und -verkäufen „die Größenordnung des Volumens und die Vertragslaufzeit eines bedeutenden Auftrags“ anzugeben (dazu schon Rz. 154a). (2) Sprache 166 Wie der Inhalt ist auch die Sprache der Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Un-
terabs. 1 VO Nr. 596/2014 weder in der Marktmissbrauchsverordnung noch in den zu Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 ergangenen europäischen Rechtsakten geregelt. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Sprache der Veröffentlichung kapitalmarktbezogener Informationen, wie diejenige von Insiderinformationen, Gegenstand der Tansparenzrichtlinie – RL 2004/109/EG vom 15.12.2004486 – sowie einer diesbezüglichen DurchfRL 2007/14/EG vom 8.3.2007487 war. Bis zur Umsetzung dieser Richtlinie durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)488 waren Ad-hoc-Veröffentlichungen „in deutscher Sprache“ vorzunehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WpAIV a.F.). Das galt gleichermaßen für Emittenten mit Sitz im Inland wie für solche mit Sitz im Ausland. Eine zeitgleiche Fassung „in englischer Sprache“ war erlaubt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 WpAIV a.F.). Als Ausnahme von der Regel konnte die BaFin gestatten, dass Emittenten mit Sitz im Ausland die Veröffentlichung ausschließlich in englischer Sprache vornehmen, wenn dadurch eine ausreichende Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht gefährdet erschien (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WpAIV a.F.). Diese vergleichsweise unkomplizierte Regelung ist mit der Änderung der WpAIV durch Art. 2 TUG erheblich differenziert worden. Danach wurde sowohl die Transparenzrichtlinie als auch – in der Umsetzung der diese novellierenden Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie 2013/50/EU vom 22.10.2013489 durch Art. 11 des Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 20.11.2015 – § 3b WpAIV a.F. geändert490. Vorausgegangen war eine Änderung des § 3b WpAIV a.F. durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 26.6.2012491. Die letzte Fassung von § 3b WpAIV a.F. ging mit lediglich redaktionellen Änderungen zur Anpassung der Regelungen an die Marktmissbrauchsverordnung in § 3b WpAV über.
167 Nach § 3b Abs. 6 WpAV sind die allgemeinen Bestimmungen in § 3 Abs. 1–5 WpAV zur Sprache von An-
zeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem WpHG auch auf Veröffentlichungen nach Art. 17 Abs. 1, 2 und 6–9 VO Nr. 596/2014 anwendbar. Die Sprachregelung unterscheidet zwischen unterschiedlichen Klassen von Veröffentlichungspflichtigen. § 3b WpAV über die „Sprache der Veröffentlichung“ lautet: „(1) 1Emittenten, deren Sitz im Ausland ist, oder Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat nach § 2 Absatz 13 Nummer 2 des Wertpapierhandelsgesetzes ist oder die bei der Bundesanstalt einen Prospekt in englischer Sprache für die Wertpapiere, auf die sich die Information bezieht, hin-
486 Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 487 ABl. EU Nr. L 69 v. 8.3.2007, S. 27. 488 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. Die Umsetzung der Durchführungsrichtlinie erfolgte durch die Verordnung vom 13.3.2008 zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (TranspRLDV), BGBl. I 2008, 408. 489 Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl. EU Nr. L 294 v. 6.11.2013, S. 13. 490 BGBl. I 2015, 2029. 491 BGBl. I 2012, 1375.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 169 Art. 17 VO Nr. 596/2014
terlegt haben, können die Veröffentlichung ausschließlich in englischer Sprache vornehmen. 2Im Übrigen gelten die Absätze 2 bis 4. (2) 1Sind Wertpapiere eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland nach § 2 Absatz 13 des Wertpapierhandelsgesetzes der Herkunftsstaat ist, lediglich zum Handel an einem organisierten Markt im Inland zugelassen, so ist die Information in deutscher Sprache zu veröffentlichen. 2Sind die Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland und in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen, so ist die Information in deutscher oder englischer Sprache und nach Wahl des Emittenten in einer Sprache, die von den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der betreffenden Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum akzeptiert wird, oder in englischer Sprache zu veröffentlichen. (3) 1Ein Inlandsemittent im Sinne des § 2 Absatz 14 Nummer 2 des Wertpapierhandelsgesetzes muss die Information in deutscher oder in englischer Sprache veröffentlichen. 2Ein Emittent, der seinen Sitz im Inland hat und dessen Wertpapiere nicht im Inland, sondern in mehr als einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, hat die Information nach seiner Wahl in einer von den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der betreffenden Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum akzeptierten Sprache oder in englischer Sprache zu veröffentlichen; er kann sie zusätzlich auch in deutscher Sprache veröffentlichen. (4) Sind Wertpapiere eines Inlandsemittenten im Sinne des § 2 Absatz 14 des Wertpapierhandelsgesetzes mit einer Mindeststückelung von 100. 000 Euro oder einem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem oder mehreren Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen, so hat er die Information abweichend von den Absätzen 2 und 3 in englischer Sprache oder in einer Sprache zu veröffentlichen, die von der Bundesanstalt und im Falle der Zulassung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum von den zuständigen Behörden dieser Staaten akzeptiert wird. (5) Absatz 4 gilt entsprechend für Inlandsemittenten im Sinne des § 2 Absatz 14 des Wertpapierhandelsgesetzes von Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von 50. 000 Euro oder einem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung, die bereits vor dem 31. Dezember 2010 zum Handel an einem organisierten Markt in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen wurden, solange derartige Wertpapiere ausstehen. (6) Die Absätze 1 bis 5 gelten entsprechend für Veröffentlichungen nach Artikel 17 Absatz 1, 2 und 6 bis 9 und für Meldungen nach Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 der MTF-Emittenten im Sinne des § 2 Absatz 15 des Wertpapierhandelsgesetzes, der OTF-Emittenten im Sinne des § 2 Absatz 16 des Wertpapierhandelsgesetzes und der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate.“ Als Ausgangspunkt und Regelfall erfasst § 3b Abs. 2 Satz 1 WpAV Emittenten, für die Deutschland der 168 Herkunftsstaat i.S.v. § 2 Abs. 13 WpHG ist und deren Wertpapiere ausschließlich zum Handel „einem organisierten Markt im Inland“ – das ist am regulierten Markt i.S.v. § 32 BörsG – zugelassen sind. Sie müssen die Veröffentlichung in deutscher Sprache vornehmen492. Emittenten, für die Deutschland der Herkunftsstaat i.S.v. § 2 Abs. 13 WpHG ist, deren Wertpapiere aber 169 zusätzlich zur Notierung am regulierten Markt in einem oder mehreren anderen EU- oder EWR-Staaten zugelassen sind, haben nach § 3b Abs. 2 Satz 2 WpAV die Information in deutscher oder englischer Sprache zu veröffentlichen und zusätzlich zu der hiernach gewählten Sprache, nach Wahl des jeweiligen Emittenten, in einer von der Behörde des jeweiligen EU- oder EWR-Staats oder akzeptierten Sprache oder in der in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen englischen Sprache zu veröffentlichen493. Das kann dazu führen, dass der Emittent in Englisch veröffentlicht und auch als Wahlsprache die englische Sprache wählt, doch entspricht dies nicht der Intention des Gesetzes, das in diesen Fällen ganz offenbar eine zweisprachige Veröffentlichung erreichen will494. 492 Die Regelung entspricht Art. 20 Abs. 1 und 2 der diesbezüglich nicht geänderten Transparenzrichtlinie 2004/109/ EG (Rz. 166). 493 Auch diese Regelung entspricht Art. 20 Abs. 1 und 2 der diesbezüglich nicht geänderten Transparenzrichtlinie 2004/109/EG (Rz. 166). 494 In der Begründung zum RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, 50, heißt es, neben der ersten Wahl zwischen der deutschen und englischen Sprache müsse „außerdem“ in einer der anderen zur Wahl stehenden Sprachen erfolgen.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 170 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 170 Ein Inlandsemittent i.S.v. § 2 Abs. 14 Nr. 2 WpHG, d.h. ein Emittent, für den nicht nach § 2 Abs. 13
WpHG Deutschland, sondern ein anderer EU- oder EWR-Staat der Herkunftsstaat ist, dessen Wertpapiere aber ausschließlich zum Handel im regulierten Markt als einem inländischen organisierten Markt (Rz. 168) zugelassen sind (zum Begriff Rz. 179), muss die Insiderinformation nach § 3b Abs. 3 Satz 1 WpAV in deutscher oder in englischer Sprache veröffentlichen495.
171 Ein Emittent mit Sitz im Inland hat, dessen Wertpapiere aber nicht im Inland, sondern in mehr als einem
anderen EU- oder EWR-Staat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, hat die Information nach seiner Wahl in einer von den zuständigen Behörden der betreffenden EU- oder EWR-Staaten akzeptierten Sprache oder in englischer Sprache zu veröffentlichen (§ 3b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 WpAV). Dem Emittenten ist es jedoch freigestellt, die Veröffentlichung zusätzlich auch in deutscher Sprache vorzunehmen (§ 3b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 WpAV)496.
172 Sind Wertpapiere eines Inlandsemittenten i.S.v. § 2 Abs. 14 WpHG mit einer Mindeststückelung von
100.000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem oder mehreren EU- oder EWR-Staaten zugelassen, so hat der Emittent nach § 3b Abs. 4 WpAV die Information – abweichend von § 3b Abs. 2 und 3 WpAV – in englischer Sprache oder in einer Sprache zu veröffentlichen, die von der BaFin und im Falle der Zulassung in anderen EU- oder EWR-Staaten von den zuständigen Behörden dieser Staaten akzeptiert wird497. Weisen die Wertpapiere eine Mindeststückelung von nur 50.000 Euro auf, waren sie aber bereits vor dem 31.12.2010 zum Handel an einem der vorgenannten Märkte zugelassen, so gilt die vorstehende Regelung gem. § 3b Abs. 5 WpAV entsprechend498.
173 Emittenten mit Sitz im Ausland oder Emittenten, für die nach § 2 Abs. 13 Nr. 2 WpHG Deutschland der
Herkunftsstaat ist oder Emittenten, die bei der Bundesanstalt einen Prospekt in englischer Sprache für die Wertpapiere hinterlegt haben, auf die sich die Information bezieht, können die Veröffentlichung ausschließlich in englischer Sprache vornehmen (§ 3b Abs. 1 Satz 1 WpAV). Sofern sie diese Möglichkeit nicht in Anspruch nehmen, gelten die Regelungen in den Abs. 2–4 auch für sie (§ 3b Abs. 1 Satz 2 WpAV). § 3b Abs. 1 WpAV gilt für die Sprache der Veröffentlichung der Insiderinformationen und wirft die Frage auf, ob der Emittent, der die Veröffentlichung von Insiderinformationen ausschließlich in Englisch vornehmen kann, auch die Aufschubmitteilung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 in und nur in Englisch übermitteln darf. Die BaFin beantwortet sie dahingehend, dass sie zur Wahrung des Unmittelbarkeitsgebotes in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 die unverzügliche Übermittlung der Selbstbefreiungsentscheidung in englischer Sprache akzeptiert, jedoch eine deutsche Übersetzung nachzureichen ist499.
174 Auch wenn die Veröffentlichung der Insiderinformation in mehreren Sprachen vorzunehmen ist, hat sie un-
verzüglich zu erfolgen500. Deshalb sind Vorkehrungen zu treffen, dass allfällige Übersetzungen der unverzüglichen Veröffentlichung der Information nicht entgegenstehen501. Zum Erfordernis der unverzüglichen Veröffentlichung Rz. 63 ff. (3) Umfang
174a Zum Umfang der Ad-hoc-Veröffentlichung enthalten weder die VO Nr. 596/2014 noch die WpAV besondere
Vorgaben, die über die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 2 WpAV hinausgehen, demzufolge die Veröffentlichung „kurz gefasst“ sein soll (s. auch Rz. 161). Zumindest mittelbar umfangsbezogen ist darüber hinaus die Bestimmung in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014, nach der der Emittent die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten – und das heißt im Klartext: Werbung – verbinden darf (s. Rz. 159). Generell gilt, dass Ad-hoc-Mitteilungen auf die vom Gesetz-
495 Diese Regelung entspricht der Sonderregelung in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Unterabs. 1 der diesbezüglich nicht geänderten Transparenzrichtlinie 2004/109/EG (Rz. 166). 496 § 3b Abs. 3 Satz 2 WpAV entspricht Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 der diesbezüglich nicht geänderten Transparenzrichtlinie 2004/109/EG (Rz. 166) umgesetzt. 497 Die Vorschrift entspricht Art. 20 Abs. 6 der diesbezüglich nicht geänderten Transparenzrichtlinie 2004/109/EG (Rz. 166). 498 Diese Regelung geht zurück auf eine den Stückelungsbetrag von 50.000 auf 100.000 Euro erhöhende Änderung des § 3b Abs. 4 WpAV durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 26.6.2012 (Rz. 166). 499 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.11 S. 53; BaFin, MAR (FAQ), IV.5. S. 9/10. 500 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.11 S. 53: „Bei Veröffentlichungen der Insiderinformation in verschiedenen Sprachen ist das Gebot der Unverzüglichkeit zu beachten“. 501 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.4 S. 42/43: „Wird eine Insiderinformation in mehreren Sprachen veröffentlicht, darf die Übersetzung die Veröffentlichung nicht verzögern, d.h. mit der Veröffentlichung darf nicht abgewartet werden, bis eine oder alle Übersetzungen der Mitteilung vorliegen“.
612 | Assmann
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 177 Art. 17 VO Nr. 596/2014
geber verlangten Angaben zu beschränken sind. Dies konkretisierend, führt die BaFin im aktuellen Emittentenleitfaden Modul C zum Umfang einer Ad-hoc-Veröffentlichung aus: „Die Insiderinformation ist mit dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuellen Inhalt zu veröffentlichen; einer Beschreibung der Entwicklung der Insiderinformation im Aufschubzeitraum bedarf es in der Ad-hoc-Mitteilung nicht. Zitate von Organmitgliedern, Vertragspartnern etc. gehören grundsätzlich nicht in eine Ad-hoc-Mitteilung. Soweit sich aus den kapitalmarktrechtlichen Regelungen anderer Staaten, in denen Finanzinstrumente des Emittenten ebenfalls zum Handel zugelassen sind, die Notwendigkeit ergibt, bestimmte weitere Informationen (etwa Disclaimer) an den Wortlaut der Ad-hoc-Meldung anzufügen, wird dies von der BaFin nicht beanstandet. Allerdings sollten diese Informationen nach Möglichkeit vom Wortlaut der Meldung getrennt werden. Emittenten, die zu solchen zusätzlichen Informationen nicht verpflichtet sind, sollten von deren Gebrauch absehen“502. Des Weiteren betrachtet es die BaFin als unzulässig, wenn ein Emittent die Ad-hoc-Veröffentlichung nutzt, um ein Firmenprofil, Zwischenberichte oder Jahresabschlüsse in voller Länge wiederzugeben503. Bei zahlreichen Insiderinformationen sind über die Kerninformation hinaus Erläuterungen sinnvoll, bei manchen – wie etwa solchen zu Personalien, namentlich über den Wechsel in Führungspositionen, dazu Rz. 154 – gar geboten. Sie sind – abstrakt formuliert – zulässig, wenn sie dem Verständnis der Information als Insiderinformation dienen, die Kerninformation nicht verdecken oder verfälschen, im Hinblick auf diese nicht auf andere Weise irreführend sind, und nicht gegen das Werbeverbot Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 (Rz. 159 f.) verstoßen504. bb) Verfahren zur Herbeiführung der Offenlegung und Art und Weise der Veröffentlichung (1) Übersicht Ist der Emittent ein Inlandsemittent, ein MTF-Emittent oder ein OTF-Emittent (dazu Rz. 179 ff.), hat er 175 nach § 26 Abs. 1 WpHG die offenzulegenden Insiderinformationen vor ihrer Veröffentlichung im Wege einer Vorabmitteilung der BaFin und den Geschäftsführungen der Handelsplätze, an denen seine Finanzinstrumente zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen sind, mitzuteilen sowie unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S.d. § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln (Rz. 178 ff.). Unmittelbar nach der Veröffentlichung müssen diese Emittenten die Insiderinformationen dem Unternehmensregister i.S.v. § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln (Rz. 193). Zum Verfahren zur Herbeiführung der Offenlegung und zur Art und Weise der Veröffentlichung von 176 nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu publizierenden Insiderinformationen bestimmt Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 allgemein, diese müsse so erfolgen, dass sie der Öffentlichkeit einen schnellen Zugang und eine vollständige, korrekte und rechtzeitige Bewertung ermögliche. Um dies zu gewährleisten enthält Art. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) Vorschriften über die Bekanntgabe von Insiderinformationen. Zu diesen treten gem. § 3a Abs. 5 WpAV die in § 3a Abs. 1–4 WpAV enthaltenen Vorschriften hinzu, soweit sie diejenigen von Art. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) ergänzen505. Zusammen mit der ordnungsgemäßen Veröffentlichung von Insiderinformationen nach den vorgenannten 177 Bestimmungen muss der Emittent nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3 VO Nr. 596/2014 alle Insiderinformationen, die er der Öffentlichkeit mitzuteilen hat, auf seiner Website veröffentlichen und sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren anzeigen. Art. 3 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) bestimmt, welchen Anforderungen diese Website zu genügen hat. Zu den Anforderungen an die Website des Emittenten s. Rz. 190. Die Veröffentlichung von Insiderinformationen allein auf der Website des Emittenten ist unzureichend506. Im Hinblick auf die Veröffentlichung der Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 VO
502 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.4 S. 45. 503 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.5.5 S. 45: „Zwischenberichte und Jahresabschlüsse können zwar der Adhoc-Publizitätspflicht unterliegen, es sind aber nur die Insiderinformationen (z.B. signifikantes Gewinnwachstum) bzw. die relevanten Geschäftszahlen zu veröffentlichen, nicht jedoch der gesamte, möglicherweise mehrere Seiten umfassende Bericht“. 504 Ähnlich Veil/Gumpp/Templer/Voigt, ZGR 2020, 2, 10: „Nach der ratio legis ist Ornamentik [darunter verstehen die Verf. „Meldungsinhalt, der über meldepflichtige, mithin notwendige, Kerninformation hinausgeht“] im Rahmen der Meldung als zulässig anzusehen, sofern nicht der Zweck des Ausgleichs der Informationsasymmetrie konterkariert oder das Verbot der Werbung ... umgangen wird“. 505 Die Ergänzung wird vom Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für eine Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsverordnung (WpAIV) vom 9.5.2017 (abrufbar über die Website http://www. bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Verordnungen/2017-05-09-WpAIV.html), S. 13, als notwendig bezeichnet, weil die unmittelbar geltende Durchführungsverordnung (EU) 2016/1055 „den praxisrelevanten Bereich nicht umfassend regelt“. 506 BaFin, MAR (FAQ) IV.1. S. 8.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 177 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Nr. 596/2014 sowie der einschlägigen Bestimmungen der DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) und der WpAV kann der Emittent auf hierauf spezialisierte Dienstleister – unter diesen namentlich die Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität (DGAP) – zurückgreifen. (2) Vorabmitteilung an BaFin und Handelsplätze 178 Wenn es sich bei dem Emittenten um einen Inlandsemittenten, einen MTF-Emittenten oder einen OTF-
Emittenten handelt, hat dieser gem. § 26 Abs. 1 WpHG der BaFin und den Geschäftsführungen der Handelsplätze, an denen seine Finanzinstrumente zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen sind, die Insiderinformationen vor deren Veröffentlichung mitzuteilen. Zu einer solchen Mitteilung sind die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nicht verpflichtet. Vorabmitteilungen sind „bis auf weiteres“ entsprechend § 9 WpAV schriftlich mittels Telefax unter der Nummer +49 (0)228/4108-200 an die BaFin zu übersenden507. Die Vorabmitteilung soll 30 Minuten vor der Veröffentlichung an die BaFin und die Geschäftsführungen der inländischen Börsen übermittelt werden, an denen die vom Unternehmen emittierten Finanzinstrumente zugelassen oder einbezogen sind508. Zur Einhaltung und möglichen Abkürzung dieses Zeitraums zwischen Vorabmitteilung und Ad-hoc-Mitteilung führt die BaFin aus509: „Der Zeitraum vor der Veröffentlichung ist unbedingt erforderlich, damit die Geschäftsführungen der Börsen über die Aussetzung der Preisfeststellung entscheiden und die erforderliche Abstimmung zwischen den beteiligten Börsen herbeiführen können. Der Zeitraum darf nur mit Zustimmung der jeweils zuständigen Börsengeschäftsführung abgekürzt werden. Dabei ist zu beachten, dass eine Zustimmung nur während der üblichen Bürozeiten (60 Minuten vor Beginn des Börsenhandels und während der Börsenhandelszeit der jeweiligen Börse) möglich ist. Die Verkürzung des Zeitraumes zwischen Vorabmitteilung und Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Die zuständige Börse wird ihre Zustimmung nur in begründeten Fällen erteilen. Sollte eine Verkürzung des vorgenannten Zeitraumes ohne Zustimmung der Heimatbörse erfolgt sein, besteht die Gefahr, dass eine Kursaussetzung aufgrund des verkürzten Zeitraums ohne eingehende Prüfung erfolgt“.
179 Inlandsemittenten sind nach § 2 Abs. 14 WpHG sowohl Emittenten, für die Deutschland der Herkunftsstaat
ist510, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Wertpapiere nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR zugelassen sind511, als auch Emittenten, für die nicht Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen EU oder ein anderer Vertragsstaat des EWR der Herkunftsstaat ist512, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Zu Einzelheiten s. § 2 WpHG Rz. 229 ff.
180 Als MTF-Emittenten kommen nach § 2 Abs. 15 WpHG zwei Klassen von Emittenten von Finanzinstrumenten
in Betracht: Zum einen Emittenten, die ihren Sitz im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem513 im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR oder die Einbeziehung in den Freiverkehr beantragt oder genehmigt haben, wenn diese Finanzinstrumente nur auf multilateralen Handelssystemen oder im Freiverkehr gehandelt werden, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Finanzinstrumente nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR zugelassen sind, wenn sie in diesem anderen Staat den Anforderungen des Art. 21 RL 2004/109/EG unterliegen; und zum anderen diejenigen Emittenten, die ihren Sitz nicht im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem im Inland oder die Einbeziehung in den Freiverkehr beantragt oder genehmigt haben, wenn diese Finanzinstrumente nur auf multilateralen Handelssystemen im Inland oder im Freiverkehr gehandelt werden. Zu Einzelheiten s. § 2 WpHG Rz. 233 ff. 507 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8 S. 47. 508 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8.1 S. 47, mit dem Hinweis, die Ermittlung der Handelsplätze, an denen Finanzinstrumente der Emittenten zugelassen oder einbezogen sind, sei Sache der Emittenten. 509 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8.1 S. 47. 510 Das sind die in § 2 Abs. 13 WpHG genannten Emittenten. Näher hierzu § 2 WpHG Rz. 217 ff. 511 Letzteres allerdings nur, „soweit sie in diesem anderen Staat Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EU Nr. L 390, 38) unterliegen“. 512 Das sind alle Emittenten, für die nicht Deutschland der Herkunftsstaat i.S.v. § 2 Abs. 13 WpHG ist und die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR haben. 513 Das ist nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 8, Abs. 11 WpHG ein System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 186 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Auch in Bezug auf OTF-Emittenten ist nach § 2 Abs. 16 WpHG zwischen zwei Klassen von Emittenten von 181 Finanzinstrumenten unterscheiden: Bei der ersten handelt es sich um Emittenten von Finanzinstrumenten, die ihren Sitz im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Handelssystem im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beantragt oder genehmigt haben, vorausgesetzt diese Finanzinstrumente werden nur auf organisierten Handelssystemen gehandelt, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Finanzinstrumente nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, soweit sie in diesem Staat den Anforderungen des Art. 21 RL 2004/109/EG unterliegen. Bei der zweiten geht es um Emittenten von Finanzinstrumenten, die ihren Sitz nicht im Inland haben und die für ihre Finanzinstrumente nur eine Zulassung zum Handel an einem organisierten Handelssystem im Inland beantragt oder genehmigt haben. Zu Einzelheiten s. § 2 WpHG Rz. 239 ff. Im Hinblick auf die Handelsplätze, deren Geschäftsführungen die Vorabmitteilung zu erhalten haben, ist es 182 unerheblich, ob der Emittent die Zulassung oder die Einbeziehung i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 beantragt oder genehmigt hat514. Die Information der Geschäftsführungen anderer Handelsplätze als diejenigen, die kraft gesetzlicher Regelung des § 26 Abs. 1 WpHG vorab zu informieren sind, stellt ein Verstoß gegen das Weitergabeverbot des Art. 14 lit. c VO Nr. 596/2014 dar515. Zu den als Handelsplätze erfassten Märkten s. § 2 WpHG Rz. 259. In der Vorabmitteilung nach § 26 Abs. 1 WpHG sind nach § 8 Abs. 1 WpAV folgende Angaben zu machen: 183 „1. der Wortlaut der vorgesehenen Veröffentlichung, 2. der vorgesehene Zeitpunkt der Veröffentlichung und 3. ein Ansprechpartner des Emittenten mit Rufnummer“. Die BaFin weist darauf hin, es sei zwingend erforderlich, dass der in der Vorabmitteilung genannte Ansprechpartner auch ab dem Zeitpunkt der Übermittlung der Vorabmitteilung unter der genannten Telefonnummer erreichbar sei, um eventuell auftretende Fragen unverzüglich klären zu können516. Zu Art und Form der Vorabmitteilungen bestimmt § 9 WpAV:
184
„(1) 1Mitteilungen nach § 8 [WpAV, d.h. Vorabmitteilungen nach § 26 Abs. 1 WpHG] sind schriftlich mittels Telefax zu übersenden. 2Auf Verlangen der Bundesanstalt ist die eigenhändig unterschriebene Mitteilung auf dem Postweg nachzureichen. 3Gleiches können auch die Geschäftsführungen der Handelsplätze im Sinne des § 26 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes verlangen, sofern sie nach diesen Vorschriften eine Mitteilung erhalten. (2) Die Bundesanstalt kann die Möglichkeit eröffnen, die Mitteilungen nach § 8 [WpAV, d.h. Vorabmitteilungen nach § 26 Abs. 1 WpHG] im Wege der Datenfernübertragung zu übersenden, sofern dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit getroffen werden, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten gewährleisten, und sofern im Fall der Nutzung allgemein zugänglicher Netze dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsverfahren angewendet werden.“
(3) Medien der Veröffentlichung Die zu veröffentlichenden Insiderinformationen sind durch den Emittenten oder einen Dritten, dessen dies- 185 bezüglicher Dienstleistungen sich der Emittent bedient (dazu Rz. 195), Medien zuzuleiten (Art. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16), § 3a Abs. 1 Satz 1 WpAV). Diese Übermittlung muss mit elektronischen Hilfsmitteln erfolgen, die die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen bei der Übertragung gewährleisten (Art. 2 Abs. 1 lit. b Satz 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16)). Dabei gehen die Bestimmungen davon aus, dass es für die Erfüllung der in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 angeführten Veröffentlichungsziele nicht ausreicht, die Veröffentlichung der Insiderinformationen in nur einem Medium vorzunehmen; vielmehr ist dazu eine Veröffentlichung in einem Bündel von Medien (dazu Rz. 189) erforderlich ist517. Der den Medien zur Veröffentlichung zugeleitete, als Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichende Text muss aber stets derselbe sein. Zu den Medien, denen die Insiderinformationen zur Veröffentlichung zuzuleiten sind, müssen qualifizierte 186 Medien gehören, das heißt solche gehören, – bei denen mit der Öffentlichkeit vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie Insiderinformationen in der gesamten Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkom-
514 515 516 517
BaFin, MAR (FAQ), II.4. S. 5. BaFin, MAR (FAQ), II.4. S. 5. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8.1 S. 47. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.2 S. 50.
Assmann | 615
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 186 | Veröffentlichung von Insiderinformationen mens über den Europäischen Wirtschaftsraum tatsächlich verbreiten (Art. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16), § 3a Abs. 1 Satz 1 WpAV), und – die die Insiderinformationen so rasch und so zeitgleich wie möglich, nichtdiskriminierend an eine möglichst breite Öffentlichkeit und unentgeltlich für die Adressaten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aktiv verbreiten können (Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a i)–iii) DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16), § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpAV). 187 Im Hinblick auf alle Medien, denen die Insiderinformationen zur Veröffentlichung zugeleitet werden, muss
gewährleistet sein: – hinsichtlich der Art und Weise der Übermittlung des Texts der zu veröffentlichenden Insiderinformationen, dass (1) der Absender der Information sicher identifiziert werden kann, (2) ein hinreichender Schutz gegen unbefugte Zugriffe oder Veränderung der Daten besteht und die Vertraulichkeit und Sicherheit der Übersendung auch im Übrigen durch die Art des genutzten Übertragungswegs oder durch eine Verschlüsselung der Daten nach dem Stand der Technik sichergestellt ist, und (3) Übertragungsfehler oder -unterbrechungen unverzüglich behoben werden können, und – hinsichtlich des Inhalts der Übermittlung, dass gem. § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpAV und Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) mitgeteilt wird, (1) dass die übermittelten Informationen Insiderinformationen sind, (2) der Name des Emittenten als Veröffentlichungspflichtiger einschließlich seiner Anschrift, (3) ein als Betreff erkennbares Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst (§ 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. b; Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b iv) DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) spricht vom „Gegenstand der Insiderinformationen“), (4) das Ziel, die Insiderinformationen als eine vorgeschriebene Information europaweit zu verbreiten, (5) die die Identität der mitteilenden Person mit Angaben zu Vorname, Nachname und Position beim Emittenten, sowie (6) das Datum und die Uhrzeit der Übermittlung.
188 Zu den für die Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen
in Betracht kommenden Medien gehören – wie bisher und nach § 5 WpAIV a.F. obligatorisch – elektronisch betriebene Informationsverbreitungssysteme sowie News Provider, Nachrichtenagenturen, bedeutende nationale und europäische Zeitungen und Finanzwebseiten518. Veröffentlichungen allein auf der Website des Emittenten oder in sozialen Medien im Internet oder in nur regional verbreiteten Tageszeitungen vermögen die vorstehend aufgeführten Anforderungen an die Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht zu erfüllen. Ist die Veröffentlichung durch die in dieser Vorschrift sowie Art. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) und § 3a Abs. 1–4 WpAV vorgeschriebenen Medien ordnungsgemäß erfolgt, ist der Emittent frei, die Insiderinformationen auch anderweitig zu veröffentlichen.
189 Wie schon unter der durch die Marktmissbrauchsverordnung abgelösten WpAIV a.F. ist das zur Veröffent-
lichung einer Insiderinformationen zusammenzustellende Medienbündel, das heißt „die Zahl der unterschiedlichen Medienarten und der eingesetzten Medien einer Medienart ... nach den Besonderheiten des Einzelfalls“ zu bestimmen, „zu denen insbesondere die Aktionärsstruktur des Emittenten sowie Zahl und Ort seiner Börsenzulassungen gehören“519. Regelmäßig gehören nach der BaFin zu einem solchen Medienkanal: News-Provider, Nachrichtenagenturen, bedeutende nationale und europäische Zeitungen und Finanzwebseiten520. Hinsichtlich des Medienmixes sei allerdings dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es eine europaweit zeitgleiche Information des Marktpublikums zu erreichen gilt, was im Einzelfall aber auch durch den Einsatz nur eines, dafür aber geeigneten Medium erreicht werden könne. So habe ein „Emittent mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland und Börsenzulassung nur in Deutschland ... mit Zuleitung an deutsche Medien grundsätzlich seine Pflicht aus § 3a WpAV erfüllt, wenn ein Medium zur europaweiten Verbreitung in der Lage“ sei, während „der Emittent im Falle einer Börsenzulassung seiner Aktien in einem weiteren Mitgliedstaat der EU bzw. Vertragsstaat des EWR die Information auch an solche Nachrichtenagenturen, News Provider, Printmedien und Internetseiten für den Finanzmarkt übermitteln“ müsse, „die die Informa518 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.2 S. 50. Als in Betracht kommende Informationsverbreitungssysteme benennt Söhner, BB 2017, 259 etwa Bloomberg, Reuters, dpa-RFX, Dow Jones, vwd und DGAP. 519 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.2 S. 50. 520 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.2 S. 50.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 193 Art. 17 VO Nr. 596/2014
tion in dem Land der weiteren Börsenzulassung verbreiten können“. Entsprechend sei „in jedem weiteren Mitgliedstaat der EU bzw. Vertragsstaat des EWR, in dem eine Börsenzulassung besteht, mindestens ein nationales Printmedium und eine nationale Internetseite zu bedienen“521. (4) Veröffentlichung auf der Website des Emittenten (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3, Abs. 9 VO Nr. 596/2014) Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 3 VO Nr. 596/2014 muss der Emittent alle Insiderinformationen, die er 190 der Öffentlichkeit mitzuteilen hat, auf seiner Website veröffentlichen und sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren anzeigen. Diese Verpflichtung trifft ihn auch dann, wenn die Website nur eine Hauptseite aufweist522. Die Veröffentlichung von Insiderinformationen allein auf der Website des Emittenten ist unzureichend (Rz. 177). Gem. Art. 3 a–c DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) muss diese Website folgende Anforderungen erfüllen: a) Die auf ihnen angezeigten Insiderinformationen müssen für die Nutzer diskriminierungsfrei und unentgeltlich zugänglich sein; b) die Nutzer der Website müssen die Insiderinformationen in einem leicht auffindbaren Abschnitt der Website ausfindig machen können; c) es muss gewährleistet sein, dass die offengelegten Insiderinformationen eindeutige Angaben zu Datum und Uhrzeit der Bekanntgabe enthalten und dass die Informationen in chronologischer Reihenfolge aufgelistet werden. Die BaFin empfiehlt, auf der Website eine entsprechende Rubrik im Bereich Investor Relations einzurichten523. Weiter verlautbart die BaFin zur Website-Veröffentlichung524: Die Verpflichtung zur Anzeige für die Dauer von fünf Jahren ab Veröffentlichung erlösche nicht wegen eines zwischenzeitlich erfolgten Delisting, solange der Emittent weiter fortbestehe. Die Veröffentlichung auf der Website dürfe nicht vor der Veröffentlichung über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem erfolgen. Gleichzeitige zusätzliche Veröffentlichungen von Ad-hoc-Mitteilungen über soziale Netzwerke seien zulässig, könnten aber die Veröffentlichung nach Art. 2 Abs. 1 der DurchfVO (EU) 2016/1055 nicht ersetzen. Insiderinformationen in Bezug auf Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt (Art. 3 Nr. 11 VO Nr. 596/2014; zum Begriff Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 20) zugelassen sind, können nach Art. 17 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 auf der Website des Handelsplatzes anstatt der Website des Emittenten angezeigt werden, falls der Handelsplatz sich für die Bereitstellung dieser Möglichkeit für Emittenten auf jenem Markt entscheidet. Die Verpflichtung des Emittenten, die mitzuteilenden Insiderinformationen auf seiner Website veröffent- 191 lichen und sie dort während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren anzuzeigen gilt nur für Insiderinformationen, die ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der MAR – d.h. dem 2.7.2016 – veröffentlicht worden sind525. Insiderinformationen, die vor diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurden, unterfallen der bisherigen Anzeigepflicht von einem Monat (§ 5 Satz 1 Nr. 2 WpAV). Eine längere Anzeige ist aber möglich. Nach Art. 17 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 können Insiderinformationen in Bezug auf Emittenten, deren Finanz- 192 instrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt (Art. 3 Nr. 11 VO Nr. 596/2014; zum Begriff Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 20) zugelassen sind, auf der Website des Handelsplatzes anstatt der Website des Emittenten angezeigt werden, falls der jeweilige Handelsplatz sich für die Bereitstellung dieser Möglichkeit für Emittenten auf jenem Markt entscheidet. Das ist als weitere Maßnahme anzusehen, die als MTF ausgestalteten Wachstumsmärkte für kleine und mittlere Unternehmen attraktiver zu gestalten, um solchen Emittenten den Zugang zu Kapital zu erleichtern. (5) Komplementäre Pflichten und Verantwortlichkeiten des Emittenten Handelt es sich bei dem Emittenten um einen Inlandsemittenten, einen MTF-Emittenten oder einen OTF- 193 Emittenten (Rz. 179 ff.), hat er gem. § 26 Abs. 1 WpHG die offengelegten Insiderinformationen unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung, d.h. – entsprechend § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB – ohne schuldhaftes Zögern (Rz. 50), und keinesfalls vor der Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S.d. § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln526. S. dazu § 26 WpHG Rz. 12 f. Art. 17 VO Nr. 596/2014 und die zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsakte sehen nicht mehr vor, dass der BaFin und der Geschäftsführung der jeweils betroffenen Handelsplätzte Veröffentlichungsbelege unter Angabe des Textes der Veröffentlichung, der Medien, an 521 522 523 524 525 526
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.2 S. 50. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.3 S. 51. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.3 S. 51. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.3 S. 51. So und zum Folgenden BaFin, MAR (FAQ), IV.2. S. 9. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund der Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/ 2014 zu sehen, nach der der Emittent sicherstellt, „dass die Insiderinformationen ... gegebenenfalls in dem amtlich bestellten System gemäß Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates veröffentlicht werden“.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 193 | Veröffentlichung von Insiderinformationen die die Information gesandt wurde, sowie des genauen Zeitpunkts der Versendung an die Medien vorgelegt werden müssen. Dem trägt § 3c Satz 2 WpAV und der Umstand Rechnung, dass in die WpAV keine § 5a WpAIV a.F. vergleichbare Regelung aufgenommen wurde. 194 In Bezug auf die Herbeiführung und Vornahme der Veröffentlichung der Insiderinformationen muss der
Emittent nach § 3a Abs. 3 WpAV sechs Jahre lang in der Lage sein, der BaFin auf Anforderung mitzuteilen und hat dementsprechend zu dokumentieren und aufzubewahren527: Informationen über – die Person, die die Information an die Medien gesandt hat, – die verwandten Sicherheitsmaßnahmen für die Übersendung an die Medien, – den Tag und die Uhrzeit der Übersendung an die Medien, – das Mittel der Übersendung an die Medien und – gegebenenfalls alle Daten zu einer Verzögerung der Veröffentlichung.
195 Der Veröffentlichungspflichtige kann, wie bereits erwähnt (Rz. 185), die Herbeiführung der Veröffentlichung
in der Weise auf einen Dritten delegieren, dass er diesen – in der Regel einen auf die Erledigung solcher Aufgaben spezialisierten Dienstleister – mit der Veranlassung der Veröffentlichung beauftragt. In diesem Fall bleibt er aber nach § 3a Abs. 4 WpAV für die Erfüllung seiner Veröffentlichungspflicht verantwortlich. Das heißt, dass der Emittent in der Lage sein muss, der Aufsichtsbehörde die in § 3a Abs. 3 WpAV angeführten Angaben zu erteilen. Insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Dritte sich aus dem Geschäft zurückzieht oder nach einer Insolvenz wegfällt, muss der Veröffentlichungspflichtige dafür Sorge tragen, die fraglichen Informationen erteilen zu können. Dessen ungeachtet ist nach § 3a Abs. 4 Halbs. 2 WpAV auch der Dritte zur Erfüllung der Anforderungen aus § 3a Abs. 3 WpAV mit allen sich daraus insbesondere aufsichtsrechtlich ergebenden Konsequenzen verpflichtet.
196 Darüber hinaus muss der Emittenten nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) für
die „Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit“ der Zuleitung von Insiderinformationen an die Medien sorgen, die die Insiderinformationen veröffentlichen sollen, „indem ein eventueller Ausfall oder eine eventuelle Unterbrechung der Übermittlung der Insiderinformationen unverzüglich behoben wird“. Das setzt entsprechende Vorkehrungen voraus. Nicht verantwortlich ist der Emittenten dagegen für technische Systemfehler im Verantwortungsbereich der Medien, an die die Information versandt wurde (§ 3 Abs. 2 Satz 2 WpAV). Ebenso wenig ist er dafür verantwortlich, dass die einzelnen Medien die ihnen zugeleiteten Insiderinformationen auch tatsächlich veröffentlichen528.
197 Nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 darf der Emittent die Veröffentlichung von Insider-
informationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten verbinden. Das ist bei allen Angaben im Zusammenhang mit den zu veröffentlichenden Insiderinformationen der Fall, die für das Verständnis von deren Inhalt nicht erforderlich sind und eine werbliche Darstellung der Tätigkeit des Emittenten, wie etwa seiner Geschäftspolitik oder seiner Produkte, beinhalten. Dem Emittenten ist es mithin versagt, die Notwendigkeit der Veröffentlichung von Insiderinformationen mit der Chance zur Anleger- oder Kundenkommunikation zu nutzen, oder zu versuchen, negative Insiderinformationen durch anderweitige positive Botschaften auszugleichen. Näher hierzu bereits oben Rz. 159. b) Erneute Veröffentlichung bereits veröffentlichter, aber erheblich veränderter Insiderinformationen (Aktualisierung einer Ad-hoc-Mitteilung)
198 Wie schon § 15 WpHG a.F. enthält auch Art. 17 VO Nr. 596/2014 keine spezielle Bestimmung zur Aktuali-
sierung einer Ad-hoc-Mitteilung. Das ist auch insofern nicht erforderlich, als nicht öffentlich bekannten Umstände, die zu einer so wesentlichen Veränderung einer bereits veröffentlichten Insiderinformation geführt haben, dass diese als solche nicht mehr zutrifft, ihrerseits eine Insiderinformation darstellen können, die nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 oder Art. 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen ist529. Genau das ist der Inhalt von § 4 Abs. 2 WpAV, der – wie zuvor die entsprechende Bestimmung der WpAIV, Text bei Rz. 201 – den Inhalt einer Veröffentlichung von Insiderinformationen für den Fall regelt, dass wegen einer erheblichen Veränderung einer bereits veröffentlichten Insiderinformation erneut eine Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu erfol527 Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass die zuständige Behörde die Einhaltung der Transparenzpflichten des Veröffentlichungspflichtigen überwachen kann. Sie entspricht § 3a Abs. 3 WpAIV, die der Umsetzung von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 der Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie 2007/14/EG (Rz. 95) diente. 528 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.2 S. 50. 529 Ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.6 S. 46; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 104.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 201 Art. 17 VO Nr. 596/2014
gen hat530. Dabei enthält die Bestimmung selbst keine Angaben, unter welchen Voraussetzungen „erneut eine Veröffentlichung“ zu erfolgen hat, sondern setzt ganz offenbar voraus, dass sich die Beantwortung der Frage, ob die „Veränderung“ ad-hoc-publizitätspflichtig ist, wie eingangs dieser Rz. ausgeführt, an den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 auszurichten hat. Danach muss der neue Umstand, der die Veränderung zu dem bereits ad hoc publizierten bewirkt, selbst eine (den Emittenten unmittelbar betreffende) Insiderinformation darstellen531: sei es, weil die Abweichung des bereits gemeldeten vom neuen Sachverhalt, oder sei es, weil der neue Sachverhalt für sich genommen die Kurserheblichkeit der diesbezüglichen Information begründet. Kein neuer Umstand ist die auf eine Ad-hoc-Veröffentlichung folgende Reaktion des Marktes, wie auch immer sie der Emittent beurteilt532. In beiden der vorgenannten Fälle ist der zu meldende Umstand oder das mitzuteilende Ereignis eine eigen- 199 ständige, der Ad-hoc-Publizität unterliegende Insiderinformation, und das legt die Frage nahe, ob es auch hier nicht ausreicht, die zu veröffentlichenden Angaben im Wege einer Ad-hoc-Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 4 Abs. 1 WpAV zu publizieren. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht bestehen hierbei nach den Ausführungen der Aufsichtsbehörde offenbar keine Bedenken, wenn es im Emittentenleitfaden heißt, es sei „dem Emittenten in diesen Fällen unbenommen, die Angaben im Rahmen einer ‚normalen‘ Ad-hoc-Meldung“ statt in einer solchen nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 WpAV zu veröffentlichen533. Dagegen ist nichts einzuwenden, da außer in dem Falle, in dem das neue Ereignis auch ohne die frühere Meldung für sich genommen verständlich und kurserheblich ist, auch in einer „normalen“ Ad-hocMitteilung zum Verständnis der Information auf die mit ihr verbundene „Veränderung“ einzugehen wäre und damit keine anderen Angaben zu machen sind, als sie § 4 Abs. 2 WpAV verlangt. Deshalb ist zu empfehlen, jedenfalls immer dann eine Ad-hoc-Mitteilung nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 WpAV zu wählen, wenn die Umstände, über die die alte und die neue Meldung zu informieren hat, artgleich sind. Das wiederum darf, als Faustregel, immer dann angenommen werden, wenn in der neuen Meldung das gleiche Schlagwort (i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b und Abs. 2 Nr. 1 lit. b WpAV) zu verwenden wäre. Auch die Aktualisierungsmeldung kann aufgeschoben werden534, wenn die Voraussetzungen des Art. 17 200 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 erfüllt sind. Im Hinblick auf die Veröffentlichung einer Aktualisierungsmeldung gelten im Übrigen die Bestimmungen zur Sprache derselben nach § 3b WpAV (Rz. 166 ff.), zur Vorabmitteilung (Rz. 178) und zur nachträglichen Mitteilung (Rz. 193) nach § 26 Abs. 1 WpHG sowie zu den weiteren Pflichten des Emittenten bezüglich der Veröffentlichung einer Insiderinformation (Rz. 194 ff.). Zum Inhalt einer Aktualisierungsmeldung bestimmt § 4 Abs. 2 WpAV:
201
„(2) Hat wegen einer erheblichen Veränderung der bereits veröffentlichten Information erneut eine Veröffentlichung nach einer Insiderinformation nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2 oder Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu erfolgen, so muss sie enthalten: 1. in der Kopfzeile a) eine deutlich hervorgehobene Überschrift „Aktualisierung einer Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014“, b) ein Schlagwort im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b [d.h. ein Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst], 2. nach den Angaben im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 [d.h. nach den Angaben zu Name und Anschrift des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate sowie der internationalen Wertpapierkennnummern der vom Emittenten ausgegebenen Finanzinstru530 Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 168. 531 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.6 S. 45 („Die BaFin geht davon aus, dass eine Aktualisierung nur dann zu erfolgen hat, wenn der Aktualisierung ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial zukommt, also diese selbst wiederum eine Insiderinformation darstellt“). Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 104; Gunßer, S. 118; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1907; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.331; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.97; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 235. Zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 s. ESMA, Final Report, Rz. 223 („ESMA would like to remind that when there is a change in a published inside information, and the change itself constitutes a new inside information, this new information is covered by the inside information's provisions within MAR, and the full process of public disclosure would have to take place (again)“); Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 218. 532 Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 420; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 221. 533 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 64. In BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.6 S. 45, finden sich dazu keine Ausführungen, vielmehr wird hier ohne Weiteres von einer Veröffentlichung nach § 4 Abs. 2 WpAV ausgegangen. 534 Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 562; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 169; Veil/ Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 218.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 201 | Veröffentlichung von Insiderinformationen mente i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpAV sowie zur Börse und zum Handelssegment, für die die Zulassung besteht oder beantragt wurde], die Medien, an die die Information gesandt wurde, sowie den Zeitpunkt dieser Versendung, 3. die zu veröffentlichende Information über die veränderten Umstände und 4. die Angaben im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7 [d.h. (Nr. 5) Datum des Eintritts der der Information zugrunde liegenden Umstände, (Nr. 6) eine kurze Erklärung, inwieweit die Information den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unmittelbar betrifft, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 ergibt, sowie (Nr. 7) eine Erklärung, aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 ergibt].“
c) Berichtigung einer Veröffentlichung von Insiderinformationen 202 Unrichtige Informationen in Ad-hoc-Mitteilungen wurden von jeher als Ordnungswidrigkeiten erfasst
und werden dies auch weiterhin. Nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG handelt ordnungswidrig, „wer gegen die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig ... entgegen Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 oder Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 eine Insiderinformation nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig bekannt gibt“ (Hervorhebung hinzugefügt). Ungeachtet der präventiven Wirkungen der Bußgeldbewehrung von Falschmeldungen in Ad-hoc-Mitteilungen stellte § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG a.F. darüber hinaus sicher, dass „unwahre Tatsachen“ unverzüglich mittels einer Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG a.F. berichtigt werden. Eine vergleichbare Bestimmung findet sich in Art. 17 VO Nr. 596/2014 nicht, doch ist – ausweislich der Regelungen in § 4 Abs. 3 und § 8 Abs. 2 WpAV – auch weiterhin von der Verpflichtung zur Berichtigung fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen auszugehen535.
203 Gegenstand der Berichtigung sind unwahre Informationen in Veröffentlichungen von Insiderinformatio-
nen. Darunter fallen auch unwahre Informationen in solchen Veröffentlichungen, die nicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 als Insiderinformationen zu veröffentlichen waren und deren Veröffentlichung hätte unterlassen werden müssen536. Dementsprechend braucht es sich auch bei der Information, die im Wege der Berichtigung zu veröffentlichen ist, nicht um eine Insiderinformation zu handeln537. Unwahr sind nur solche Informationen oder Informationsbestandteile, die dem Beweis zugänglich sind, d.h. „nicht den Gegebenheiten entsprechen“538. Unwahre Informationen sind auch dann zu berichtigen, wenn ihre Unwahrheit bereits öffentlich bekannt wurde539.
204 Zum Inhalt einer Berichtigung bestimmt § 4 Abs. 3 WpAV: „(3) Die Berichtigung einer Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2 oder Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 hat zu enthalten: 1. in der Kopfzeile a) eine deutlich hervorgehobene Überschrift „Berichtigung einer Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014“, b) ein Schlagwort im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b [d.h. ein Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst], 2. nach den Angaben im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 den Inhalt der Veröffentlichung der unwahren Information, die Medien, an die die Information gesandt wurde, sowie den Zeitpunkt dieser Versendung, [d.h. nach den Angaben zu Name und Anschrift des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate sowie der internationalen Wertpapierkennnummern der vom Emittenten ausgegebenen Finanzinstru-
535 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 31; Kumpan in Hopt, HGB, (16a) Art. 17 MAR Rz. 13; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 164; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.46; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.96. Nach Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 222, folgt „eine Pflicht zur Berichtigung bereits aus Art. 17 Abs. 1 MAR [VO Nr. 596/2014]“. 536 Ebenso Eichner, S. 123; Grimme/von Buttlar, WM 2003, 901, 904; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 166; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.330; Renz/Rippel, BuB, Rz. 7/762 (Berichtigungspflichtig sind „falsche, erfundene oder übertriebene Meldungen unwahrer Informationen“); Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 243. Wohl auch Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 409. 537 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 166. 538 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 89 (zu Angaben i.S.v. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG a.F.); Kumpan/ Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 166. 539 Renz/Rippel, BuB, Rz. 7/762.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 207 Art. 17 VO Nr. 596/2014 mente i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 3 WpAV sowie zur Börse und zum Handelssegment, für die die Zulassung besteht oder beantragt wurde], 3. die wahre Information und 4. die Angaben im Sinn des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 5 bis 7, bezogen auf die wahre Information [d.h. (Nr. 5) Datum des Eintritts der der Information zugrunde liegenden Umstände, (Nr. 6) eine kurze Erklärung, inwieweit die Information den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unmittelbar betrifft, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 ergibt, sowie (Nr. 7) eine Erklärung, aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den Angaben zu Nummer 4 ergibt].“
Im Falle der Berichtigung einer Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 205 VO 596/2014 sind gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 WpAV in der Vorabmitteilung nach § 26 Abs. 1 WpHG nur in derjenigen an die BaFin „zusätzlich die Gründe für die Veröffentlichung der zu berichtigenden Information darzulegen“. Nach Ausführungen der BaFin sollte die Begründung „aussagekräftig genug sein, um [ihr] eine Bewertung des Sachverhaltes zu ermöglichen“540. Dem Nemo tenetur-Grundsatz – d.h. dem Rechtsgrundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare), s. Rz. 76 ff. – folgend erkennt die BaFin diesbezüglich an, dass ein Mitteilungspflichtiger „die Angabe der nach § 8 Abs. 2 WpAV geforderten Gründe für die Veröffentlichung der unwahren Information verweigern“ kann, wenn er dadurch „sich selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Angehörigen mit diesen Angaben der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) aussetzen würde“541. Darüber hinaus gilt gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 WpAV die Bestimmung des § 6 Abs. 15 Satz 1 WpHG über das Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend. Zu Art und Form der Mitteilung sind die Bestimmungen von § 9 WpAV zu beachten (Rz. 184). Der Verstoß gegen die Berichtigungspflicht selbst ist keine bußgeldrechtlich bewehrte Ordnungswidrigkeit 206 und kann deshalb allenfalls verwaltungsrechtliche Maßnahmen542 der BaFin (dazu Rz. 314 ff.) auslösen. d) Veröffentlichung bei Wegfall der Aufschubberechtigung und Mitteilung der Aufschubgründe an die BaFin (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014) Wurde die Offenlegung von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben 207 und fallen Aufschubgründe – namentlich die Gewährleistung der Vertraulichkeit der nicht offengelegten Insiderinformationen – weg, muss der Emittent nach Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 die Veröffentlichung nachholen, das heißt die Öffentlichkeit so schnell wie möglich (Rz. 139) über diese Insiderinformationen informieren543. Die Insiderinformation, deren Offenlegung gem. Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben wurde, ist mit dem Inhalt zu veröffentlichen, den sie im Zeitpunkt der danach vorzunehmenden Veröffentlichung hat544. Eine Beschreibung der Entwicklung der Insiderinformation im Aufschubzeitraum braucht die Ad-hoc-Mitteilung nicht zu enthalten (schon Rz. 142). Hat die Information während des Aufschubs ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren, so ist der Emittent nicht nur berechtigt, sondern zur Vermeidung der Irreführung der Öffentlichkeit und des Marktpublikums auch verpflichtet, von der Veröffentlichung der Information abzusehen (Rz. 150), jedoch kann der Grund, der einer 540 541 542 543 544
BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8.2.1 S. 47. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8.2.1 S. 47. Schon Grimme/von Buttlar, WM 2003, 901, 904. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.3.1 S. 36, I.3.5.4; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 300; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.373; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 190. Zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 60: „Liegt nach Ablauf des Befreiungszeitraums noch eine Insiderinformation vor, ist die Insiderinformation in ihrer zum Veröffentlichungszeitpunkt aktuellen Fassung zu veröffentlichen“); ebd. S. 62: „Sollte ein Befreiungssachverhalt ... vorliegen und verändern sich die zugrunde liegenden Umstände im Laufe des Befreiungszeitraums bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ad-hoc Mitteilung, ist hinsichtlich des Datums des Eintritts der Information auf diese geänderten Umstände abzustellen“. So auch die ganz h.M. zu § 15 Abs. 3 WpHG a.F.: Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 172 mit ausführlicher Begründung; Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 611 f.; Eichner, S. 121; Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 126; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1906 f.; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 100; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.308; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 738; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 495; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 901; Sönke Schröder, S. 175; Schwintek, S. 35; Simon, Der Konzern 2005, 13, 22; Veith, NZG 2005, 254, 258; Zimmer in FS Schwark, S. 669, 680; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 76. Ebenso zu Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 300; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 190. A.A. Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952; Tollkühn, ZIP 2004, 2215, 2220.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 207 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Information die Eigenschaft als Insiderinformation nimmt, zugleich Gegenstand einer neuen Insiderinformation und wie eine solche zu veröffentlichen sein (Rz. 151). Weiterhin entfällt, wenn die Information während des Aufschubs ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren hat, auch Pflicht eines Inlandsemittenten, eines MTF-Emittenten oder einen OTF-Emittenten nach § 26 Abs. 1 WpHG, der BaFin und den Geschäftsführungen der Handelsplätze, an denen seine Finanzinstrumente zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen sind, die Insiderinformationen vor deren Veröffentlichung mitzuteilen (zu dieser Pflicht Rz. 178). 208 Im Übrigen gelten für den Inhalt (Rz. 154), die Sprache545 (Rz. 166 ff.) und die Medien der Veröffentlichung
(Rz. 185) sowie die Verpflichtung des Emittenten zur Veröffentlichung der Insiderinformationen auf seiner Website (Rz. 190) und die in Rz. 194 ff. aufgeführten komplementären Pflichten und Verantwortlichkeiten des Emittenten, die Bestimmungen wie sie für eine solche ohne Aufschub der Offenlegung der Insiderinformationen anzuwenden gewesen wären546. Ist der Emittenten ein Inlandsemittent, ein MTF-Emittent oder ein OTF-Emittent (Rz. 178) gilt dies nach § 26 Abs. 1 WpHG auch für die Verpflichtung zu Vorabmitteilungen an die BaFin und die Geschäftsführung der betroffenen Handelsplätze (Rz. 179 ff.) und die Übermittlung der Insiderinformationen zur Speicherung an das Unternehmensregister unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung (Rz. 193).
209 Davon unabhängig muss nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 jeder Emittent, der die
Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben hat, unmittelbar nach der Offenlegung der Informationen die zuständige Behörde547 über den Aufschub der Offenlegung informieren und schriftlich erläutern, inwieweit die in diesem Absatz festgelegten Bedingungen erfüllt waren548. Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 147) ausgeführt, akzeptiert es die BaFin, wenn ein zur Vorabmitteilung nach § 26 Abs. 1 WpHG verpflichteter Inlandsemittent, MTF-Emittent oder OTFEmittent (vorstehend Rz. 207) diese Anforderungen bereits mit der Vorabmitteilung verbindet. Emittenten, die die Veröffentlichung von Insiderinformationen als Kreditinstitut oder Finanzinstitut nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 „zur Wahrung der Stabilität des Finanzsystems“ aufgeschoben haben, brauchten hierfür nach Art. 17 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 die Zustimmung der BaFin, haben dazu bereits die notwendigen Angaben und Nachweise übermitteln müssen und unterliegen deshalb keiner Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 vergleichbaren Pflicht zur Offenlegung und Erläuterung des Aufschubs. Hat eine Insiderinformation während des Aufschubs ihrer Veröffentlichung ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren und ist deshalb nicht mehr zu veröffentlichen (Rz. 150, Rz. 207), besteht auch keine Mitteilungspflicht nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 gegenüber der zuständigen Behörde549.
209a Für die Mitteilung des Aufschubs und die Erläuterung der Aufschubgründe nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3
Satz 1 VO Nr. 596/2014 enthält Art. 4 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) unter dem Titel „Mitteilung der aufgeschobenen Offenlegung von Insiderinformationen und schriftliche Erläuterung“ folgende Regelung:
„(1) Zum Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen gemäß Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 nutzen die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate technische Mittel, mit denen für folgende Informationen auf einem dauerhaften Datenträger Zugänglichkeit, Lesbarkeit und Pflege gewährleistet sind: a) Datum und Uhrzeit: i) des erstmaligen Vorliegens der Insiderinformationen beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; ii) der Entscheidung über den Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen; iii) der wahrscheinlichen Bekanntgabe der Insiderinformationen durch den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; b) Identität der Personen beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate mit Zuständigkeit für: i) die Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe und den Beginn und das voraussichtliche Ende des Aufschubs;
545 Hierzu speziell § 3b Abs. 6 WpAV: „Die Absätze 1 bis 5 [über die Sprache der Veröffentlichung] gelten entsprechend für Veröffentlichungen nach Artikel 17 Absatz 1, 2 und 6 bis 9 ... der Verordnung (EU) Nr. 596/2014.“ 546 Auch Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.37. 547 S. dazu die Festlegung der zuständigen Behörde in Art. 6 DelVO 2016/522 (Rz. 16); der Text der Vorschrift ist nach dem von Art. 17 VO Nr. 596/2014 wiedergegeben. 548 Die in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 2 VO Nr. 596/2014 vorgesehene Alternative ist in Deutschland nicht gewählt worden. 549 So zur Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 WpHG a.F. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 59; Sven H. Schneider, BB 2005, 897, 901; Veith, NZG 2005, 254, 258. Kritisch, aber i.E. ebenso, Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 193. A.A. Bachmann, ZHR 172 (2008), 597, 612 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 305; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 77; Zimmer in FS Schwark, 2009, S. 669, 680.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 210 Art. 17 VO Nr. 596/2014 ii) die Gewährleistung der fortlaufenden Überwachung der Bedingungen für den Aufschub; iii) die Entscheidung über die Bekanntgabe der Insiderinformationen; iv) die Vorlage der geforderten Informationen über den Aufschub und der schriftlichen Erläuterung bei der zuständigen Behörde; c) Nachweis für die in Artikel 17 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannte erstmalige Erfüllung der Bedingungen und für jegliche Änderung dieser Erfüllung während des Aufschubs, einschließlich i) intern und gegenüber Dritten herbeigeführte Informationshindernisse, um den Zugang zu Insiderinformationen durch andere Personen als diejenigen zu verhindern, die sie für die normale Ausübung ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate benötigen; ii) der getroffenen Vorkehrungen zur schnellstmöglichen Bekanntgabe der einschlägigen Insiderinformationen, wenn keine Vertraulichkeit mehr gewährleistet ist. (2) Die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate setzen die zuständige Behörde schriftlich über einen Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen in Kenntnis und übermitteln die schriftliche Erläuterung dieses Aufschubs über die bei der zuständigen Behörde bestehende bzw. von ihr benannte Anlaufstelle unter Verwendung der von der zuständigen Behörde festgelegten elektronischen Hilfsmittel. Die zuständigen Behörden veröffentlichen jeweils auf ihrer Website die bei der zuständigen Behörde bestehende bzw. von ihr benannte Anlaufstelle und die elektronischen Hilfsmittel nach Unterabsatz 1. Durch diese elektronischen Hilfsmittel wird die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen bei der Übertragung gewährleistet. (3) Die in Absatz 2 genannten elektronischen Hilfsmittel gewährleisten, dass die Mitteilung eines Aufschubs der Bekanntgabe von Insiderinformationen folgende Informationen enthält: a) die Identität des Emittenten oder des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate: den vollständigen rechtsgültigen Namen; b) die Identität der mitteilenden Person: Vorname, Nachname, Position beim Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate; c) die Kontaktangaben der mitteilenden Person: dienstliche E-Mail-Adresse und Telefonnummer; d) Angaben zu den offengelegten Insiderinformationen, die aufgeschoben wurden: Titel der Aufschuberklärung; Referenznummer, sofern im System zur Verbreitung der Insiderinformationen eine vorhanden ist; Datum und Uhrzeit der Bekanntgabe der Insiderinformationen; e) Datum und Uhrzeit der Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen; f) die Identität aller für die Entscheidung über den Aufschub der Bekanntgabe von Insiderinformationen verantwortlichen Personen. (4) Wird die schriftliche Erklärung eines Aufschubs der Offenlegung von Insiderinformationen nur auf Ersuchen der zuständigen Behörde gemäß Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vorgelegt, stellen die in Absatz 2 dieses Artikels genannten elektronischen Hilfsmittel sicher, dass diese schriftliche Erklärung die in Absatz 3 dieses Artikels genannten Informationen umfasst.“
Dauerhafter Datenträger, auf dem die von Art. 4 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) verlangten Informationen zu speichern sind, ist auch in diesem Zusammenhang, entsprechend der Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 10 RL 2011/83/EU550, jedes Medium, das es gestattet Informationen derart zu speichern, dass die Behörde sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht. Neben Papier kommen damit sämtliche gebräuchlichen elektronischen Datenträger in Betracht, Letztere jedoch nur insoweit, als die auf ihnen gespeicherten Informationen weder vom Speichernden noch vom Informationsempfänger inhaltlich verändert werden können. e) Veröffentlichungspflicht bei berechtigter Weitergabe von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014)
Zur Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen, die berechtigterweise weitergegeben wurden, 210 nach Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 285 ff. Zur Art und Weise bzw. zum Inhalt der Veröffentlichung nach § 3 Satz 1 WpAV bzw. § 8 Abs. 1 WpAV sowie zum Erfordernis der Vorabmitteilung an die BaFin nach § 26 Abs. 1 WpHG s. Rz. 291. 550 Art. 2 Nr. 10 Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64, bestimmt als dauerhaften Datenträger „jedes Medium, das es dem Verbraucher oder dem Unternehmer gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht“.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 211 | Veröffentlichung von Insiderinformationen
7. Veröffentlichungspflichten in besonderen Anwendungsfällen a) Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote 211 Die einzige Bestimmung des WpÜG in Bezug auf Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote, die sich
mit Pflichten zur Ad-hoc-Publizität beschäftigt551, ist der gem. § 34 WpÜG auf Übernahmeangebote anwendbare § 10 Abs. 6 WpÜG. Nach dieser Vorschrift ist Art. 17 VO Nr. 596/2014 auf Entscheidungen des Bieters als Emittent i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zur Abgabe eines Angebots nicht anwendbar (schon Rz. 10). Das bedeutet, dass die Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Angebots (samt aller in diesem Zusammenhang nach § 10 Abs. 1 und 3 WpÜG zu veröffentlichenden Angaben) ausschließlich nach den Vorschriften des § 10 WpÜG zu veröffentlichen ist und keine Ad-hoc-Meldepflicht des Bieters nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 auslöst.
212 Da Art. 17 VO Nr. 596/2014, wie zuvor nach herrschender Ansicht auch § 15 WpHG a.F.552, einen univer-
sellen Anwendungsbereich hat und nur in dem Umfang von anderen Publizitätsregelungen verdrängt wird als diesbezügliche Spezialbestimmungen dies vorsehen, darüber hinaus § 10 Abs. 6 WpÜG eine die Ad-hocPublizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 verdrängende Wirkung nur im Hinblick auf die nach § 10 Abs. 1 und 3 WpÜG vorzunehmenden Veröffentlichungen in Bezug auf die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zukommt, können auch alle dieser Entscheidung vorausgehenden Vorgänge Insiderinformationen sein und eine Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung auslösen553. Das bedeutet, dass schon das Vorhaben des Vorstands zur Abgabe eines Übernahmeangebots ein ad-hoc-publizitätspflichtiger Umstand sein kann und ein späterer Beschluss des Vorstands oder gar eine eventuell erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats der Bietergesellschaft nicht unter Berufung auf § 10 Abs. 6 WpÜG abgewartet werden dürfen. Der Bieter ist auch insoweit gehalten, die Möglichkeit des Aufschubs der Ad-hoc-Veröffentlichung des fraglichen Umstands nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu prüfen. Dabei darf er regelmäßig davon ausgehen, dass er an der Nichtveröffentlichung eines diesbezüglichen Vorhabens bis zu dem Zeitpunkt einer nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ein berechtigtes Interesse hat (dazu Rz. 116).
213 Erfährt die Zielgesellschaft von dem Vorhaben eines Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebots, d.h.
erlangt sie Kenntnis von demselben554, so kann diese Information, wie für jeden Dritten (Rz. 212), auch für sie eine von ihr ad hoc zu publizierende Insiderinformation darstellen (Rz. 48)555, doch sollte sie – entsprechend § 10 Abs. 6 WpÜG – solange keiner Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung unterliegen, wie der Bieter von einer Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG befreit ist (Rz. 117)556. Bedarf es nach dieser Ansicht keines Aufschubs der Veröffentlichung dieser Insiderinformationen, ist der Zielgesellschaft angesichts der diesbezüglichen rechtlichen Unsicherheit dennoch anzuraten, einen Aufschub der Veröffentlichung dieser sie betreffenden Insiderinformation vorzunehmen, wenn sie daran ein berechtigtes Interesse hat (Rz. 117), etwa weil sie Kenntnis von dem Vorhaben zusammen mit dem Angebot von Verhandlungen über dasselbe erhalten hat und willens ist, in diese einzutreten557.
214 Ob das Vorhaben oder der Entschluss des potenziellen Bieters, vor der Entscheidung über die Abgabe
eines Angebots Gespräche mit der potenziellen Zielgesellschaft aufzunehmen, schon für sich genommen eine nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 offenzulegende Insiderinformation darstellt, hängt davon ab, ob bereits aufgrund dieses Umstands die Abgabe des Angebots als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden darf, was regelmäßig zu verneinen ist558. Gleiches gilt, wenn lediglich ein „nicht bindendes Angebotsschreiben“ 551 Auch die Marktmissbrauchsrichtlinie und die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Rz. 1) sowie die Übernahmeangebotsrichtlinie (Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004, ABl. EG Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12) schweigen; s. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 651. 552 Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 75. 553 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 652; Eichner, S. 169; Gunßer, S. 135; Hopt/Kumpan, ZGR 2017, 765, 815; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 134. Auch Seibt, Bankrechtstag 2017, S. 81, 94, wenn er seine Aussage, „auch unter der Geltung der MAR“ dürften „bei bloßen Vorbereitungshandlungen und Verfahrensvereinbarungen (sog. Evaluierungsphase im Gegensatz zur sog. Beschlussphase) noch keine Insiderinformation vorliegen“ unter den Vorbehalt der „Umstände des Einzelfalls“ stellt. 554 Ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 390. 555 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 388 ff. 556 A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 392, der schon den Ausschluss der Veröffentlichungspflicht des Emittenten nach § 10 Abs. 6 WpÜG ablehnt (dazu bereits näher in Rz. 10). 557 Zur Aufschubmöglichkeit Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 391. 558 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 18: Bei der Bietergesellschaft „rein interne Entscheidung, mit einer potenziellen Zielgesellschaft Vorgespräche aufzunehmen, regelmäßig noch keine Insiderinformation, da es ohne Hinzutreten besonderer Umstände regelmäßig an einem erheblichen Kursbeeinflussungspotenzial sowohl dieses Zwischenschrittes als auch des Abschlusses des M&A-Prozesses als zukünftiges Ereignis fehlen wird. Glei-
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 215 Art. 17 VO Nr. 596/2014
(„non binding indicative offer letter“) vorliegt559. Und nicht anders verhält es sich, wenn die Zielgesellschaft dem potenziellen Bieter (oder später einem „White Knight“) die Möglichkeit einer Due Diligence Prüfung einräumt560, es sei denn außergewöhnliche Umstände sprechen dafür, dass diese Maßnahme bereits eine konkrete und kursrelevante Information im Hinblick auf die Angebotsabgabe darstellt561. Dagegen kann der Abschluss eines Letter of Intent, in dem bereits Eckpunkte eines Angebots, eines zukünftigen Vorgehens des Bieters nach einem erfolgreichen Angebot oder die Haltung des Managements der Zielgesellschaft zu einem Angebot festgeschrieben werden, eine Insiderinformation sowohl im Hinblick auf die Bietergesellschaft wie die Zielgesellschaft darstellen562. Vereinbarungen zwischen Bieter und Zielgesellschaft auf Vorstandsebene, die keiner Zustimmung der Aufsichtsräte der Beteiligten bedürfen, sind nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 offenzulegen, wenn sie als kurserheblich anzusehen sind. Für zustimmungsbedürftige Vereinbarung gelten die Regeln über mehrstufige Entscheidungsprozesse (Rz. 37; Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 ff.)563. Schließlich kann auch eine Information über den Abbruch von Gesprächen eine Insiderinformation darstellen, wenn sie aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls, namentlich zusätzlichen Informationen über das beabsichtigte weitere Vorgehen der Parteien, als kurserheblich anzusehen ist (dazu näher Rz. 151). Wegen „der Vielzahl von möglichen Fallgestaltungen“ hält die BaFin „eine schematische Darstellung, ab wann vom Vorliegen einer Zwischenschritt-Insiderinformation ausgegangen werden kann, nicht [für] möglich“, führt in ihrem Emittentenleitfaden Modul C aber gleichwohl eine Reihe von Umständen auf, die „mindestens ... zum Anlass genommen werden [sollten] zu prüfen, ob eine Insiderinformation in Form eines insiderrechtlich relevanten Zwischenschrittes eingetreten sein könnte“564. Diesse Liste ist in Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 93 f. wiedergegeben. Ist die Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Angebots ausschließlich nach den Vorschriften des 215 § 10 WpÜG zu veröffentlichen565, so stellen Informationen über Eckdaten eines beabsichtigten Angebots, die in einer Veröffentlichung nach § 10 WpÜG nicht aufgeführt werden müssen und die, weil sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung noch nicht vorlagen, auch tatsächlich nicht aufgeführt wurden, regelmäßig Insiderinformationen dar, die der Emittent nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 zu veröffentlichen hat566. Nicht anders soll es sich für alle übrigen nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots eintretenden Ereignisse verhalten: Sie sollen, sofern sie nur die
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ches gilt für rein interne organisatorische Maßnahmen wie Prüf- und Vorbereitungshandlungen, die erstmalige Beauftragung von Beratern (Rechtsanwälte, Banken, Unternehmensberater) oder eine erstmalige Kontaktaufnahme mit der Zielgesellschaft“. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 146; Kumpan/ Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 92. Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 23; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 146. Vorsichtiger und Einzelfallprüfung verlangend BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 18 f.: „Inwieweit hingegen bei sog. nicht bindenden Angebotsschreiben („non binding indicative offer letter“) davon ausgegangen werden kann, dass noch keine Insiderinformation entstanden ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Erfahrungsgemäß hängt der Erfolg einer Transaktion in diesem frühen Stadium von einer Vielzahl noch unbestimmter Faktoren ab. Gleiches gilt für Vorgespräche des potenziellen Bieters mit der Zielgesellschaft oder Aktionären der Zielgesellschaft. Dennoch ist zu prüfen, ob bereits in diesen Stadien eine präzise Information vorliegt und dieser Information Kursbeeinflussungspotenzial zukommt, etwa weil wichtige Eckpunkte einer möglichen Transaktion geklärt werden konnten oder ein Einigungswille erkennbar ist“. Speziell im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 96; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 285; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 146; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 42. Zur Zulässigkeit der Weitergabe von Insiderinformationen an ernsthaft als „White Knight“ in Betracht kommende Bieter s. Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 56. Zu solchen Umständen (etwa der Durchführung einer bloßen „confirmatory due diligence“) Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 25; vgl. auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 655; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 146. A.A. Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 248, der der Einräumung einer Due Diligence bereits als solcher („Vorbereitungshandlung“) Kursrelevanz zusprechen will. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 19; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 27; Gunßer, S. 112; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 146; Veith, NZG 2005, 254, 255. Undifferenziert Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 93, die eine Verpflichtung zur Ad-hoc-Mitteilung „in der Regel bereits mit Abschluss der entsprechenden Vereinbarungen auf Vorstandsebene“ annehmen (Hervorhebung hinzugefügt). BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.6 S. 19. A.A. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 393, der die Anwendbarkeit von § 10 Abs. 6 WpÜG ablehnt (dazu bereits näher in Rz. 10). Assmann in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 78. S. auch Kocher/Widder, CFL 2011, 88, 89.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 215 | Veröffentlichung von Insiderinformationen Voraussetzungen einer den Bieter betreffenden Insiderinformation erfüllen und ihre Veröffentlichung nicht nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben werden kann, vom Bieter ad hoc zu publizieren sein567. 216 Entsprechendes gilt für Pflichtangebote nach §§ 35 ff. WpÜG. Zwar erklärt § 35 Abs. 1 Satz 4 WpÜG im
Hinblick auf die sich aus § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ergebende Verpflichtung, die Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft zu veröffentlichen, u.a. § 10 Abs. 6 WpÜG für anwendbar, doch wird dadurch die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 nur in dem Umfange verdrängt als es um die Veröffentlichung der Kontrollerlangung geht. Vor oder nach derselben eingetretene Ereignisse sind, soweit kurserheblich und den Bieter als Emittenten betreffend, ganz unabhängig von anderweitigen übernahmerechtlichen Veröffentlichungs- und Meldepflichten gem. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen. Ein Aufschub der Veröffentlichung ist auch hier nur unter den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 möglich.
217 Da die Zielgesellschaft durch Kontrollerwerbsvorgänge i.S.v. § 35 WpÜG unmittelbar betroffen ist568, kön-
nen auch damit im Zusammenhang stehende Vorgänge die unmittelbare Betroffenheit der Zielgesellschaft begründen und eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslösen. Vielfach wird eine Pflicht der Zielgesellschaft aber schon deshalb entfallen, weil der Bieter den zu einem Pflichtangebot führenden Vorgang bereits seinerseits nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG öffentlich gemacht hat. b) Nicht dem WpÜG unterfallende Anteilserwerbe (Mergers & Acquisitions)
218 Plant ein Emittent den Aufbau oder die Erweiterung einer Beteiligung an einer Zielgesellschaft durch den
Erwerb von Finanzinstrumenten, ohne dass hierauf das WpÜG Anwendung findet, so können bereits diesbezügliche Informationen und erst recht solche über weitere Schritte zur Umsetzung dieses Vorhabens Insiderinformationen darstellen569. Dabei ist es unerheblich, dass der Emittent bei der Umsetzung seines Vorhabens durch entsprechende sog. M&A-Transaktionen selbst keine Insiderinformation verwendet und damit kein Insidergeschäft tätigt (Art. 9 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 und Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 23; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 32). Das gilt für kleinere börsliche oder außerbörsliche Transaktionen zum Ausbau einer bestehenden Beteiligung bis hin zum außerbörslichen Erwerb größerer Aktienpakete nicht anders als für den Fall des einem Gesamtplan folgenden sukzessiven Auf- oder Ausbau einer Beteiligung des Emittenten an einer Zielgesellschaft (Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 59). Dass der Emittenten hierbei keine Insiderinformationen nutzt, bedeutet indes nicht, dass es sich bei seinem Vorhaben – nicht nur für Dritte (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20; Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 59), sondern auch für ihn selbst (Art. 8 VO Nr. 596/ 2014 Rz. 64) – um eine Information handelt, die, Kurserheblichkeit vorausgesetzt, eine Insiderinformation darstellt, die er nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen hat. Anderweitige Veröffentlichungspflichten, wie etwa solche nach §§ 33 ff. WpHG, stehen einer Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung der Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht entgegen, die dieser allerdings nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 wird aufschieben können570. Eine entsprechende Veröffentlichungspflicht kann bei den in Frage stehenden Erwerbs- und Veräußerungsvorgängen aber auch den Verkäufer treffen, wenn dieser seinerzeit als Emittent der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unterliegt und die Veräußerung der Papiere, etwa als Aufgabe einer namhaften Beteiligung an der Zielgesellschaft, für die von ihm emittierten Finanzinstrumente als kurserheblich anzusehen ist.
219 Die Beantwortung der Frage, inwieweit nicht dem WpÜG unterfallende Anteilserwerbe in Gestalt von
M&A-Transaktionen auch eine Pflicht der über die Vorgänge informierten Zielgesellschaft zur Ad-hocPublizität auslösen können, wurde unter § 15 WpHG a.F. im Schrifttum bisweilen vom Umfang der frag567 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.5 S. 35: „Ein Emittent, der seine Entscheidung, ein Angebot zum Erwerb von Wertpapieren abzugeben, oder eine etwaige Kontrollerlangung im Wege des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 4 WpÜG veröffentlicht, muss danach keine zusätzliche gleichlautende Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen. Die Veröffentlichung der Insiderinformation nach Art. 17 MAR entfällt jedoch lediglich in dem Umfang, in dem die Veröffentlichung nach § 10 WpÜG vorgenommen wurde. Auch Umstände im Vorfeld der Entscheidung werden nicht von § 10 Abs. 6 WpÜG erfasst“. 568 Speziell zum Kontrollerwerb als Auslöser eines Pflichtangebots Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 653; Krause/ Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 35 WpÜG Rz. 183. 569 Ebenso Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 146; Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 92. 570 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, S. 4 f. Rz. 8 lit. e.; s. Rz. 108; Frowein/Berger in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 66; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 87.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 223 Art. 17 VO Nr. 596/2014
lichen Transaktion abhängig gemacht571. Dem war und ist auch unter der Geltung der Marktmissbrauchsverordnung weiterhin nicht zu folgen, denn für die Beantwortung dieser Frage kommt es allein darauf an, ob die von den fraglichen Vorgängen ausgehende Veränderung in der Aktionärsstruktur die Zielgesellschaft unmittelbar betrifft572, und dies hängt nicht vom Ausmaß der Änderung ab. Dieses ist vielmehr allein im Hinblick auf die Beurteilung der Kurserheblichkeit von Bedeutung. Erfährt die Zielgesellschaft, etwa indem sie von einer der Parteien um die Gewährung einer Due-diligence-Prüfung ersucht wird, von einer geplanten Transaktion in Bezug auf von ihr emittierte Wertpapiere, so kann diese nicht öffentlich bekannte Information mithin eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslösen, wenn die Durchführung des Geschäfts als hinreichend wahrscheinlich zu betrachten und kurserheblich ist und nicht nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgrund eigener berechtigter Interessen aufgeschoben werden kann.
Für Vorgänge im Vorfeld eines Entschlusses eines Emittenten zur Eingehung einer M&A-Transaktion – 220 etwa in Gestalt von Vorgesprächen mit dem potenziellen Verkäufer bzw. der Zielgesellschaft, einer dem potenziellen Erwerber (Emittenten) von der Zielgesellschaft eingeräumten Due Diligence Prüfung oder des Abschlusses eines Letter of Intent mit dem potenziellen Verkäufer – gelten die Ausführungen bei Rz. 214 entsprechend. Kommt es zwischen mehreren Beteiligten zu der Absprache, dass der Verkäufer dem in einem Auktionsverfahren oder in einem auktionsähnlichen Verfahren Meistbietenden die zu veräußernden Wertpapiere der Zielgesellschaft verkauft, so stellt dies, wegen des ungewissen Zustandekommens einer solchen Transaktion, für die Bieter-Emittenten regelmäßig keinen ad hoc zu publizierenden Umstand dar. Dagegen kann dies aus der Sicht der von der Transaktion betroffenen und von dem Verfahren Kenntnis erlangenden Zielgesellschaft eine Insiderinformation darstellen573. Wenn die Veröffentlichung ihres Wissens das in ihrem Interesse liegende Zustandekommen der Transaktion gefährden würde, kann sie sich jedoch nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 von deren Veröffentlichung befreien. Wird die Transaktion nach ihrem Zustandekommen veröffentlicht oder anderweitig öffentlich bekannt, verliert sie ihre Eigenschaft als Insiderinformationen, so dass die Pflicht zur nachholenden Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 entfällt (Rz. 207 f.), ohne dass es darauf ankommt, ob dem öffentlichen Bekanntwerden eine unberechtigte Weitergabe einer Insiderinformation zugrunde lag oder nicht. Der Abschluss eines Verschmelzungsvertrags stellt eine nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 221 veröffentlichungspflichtige Insiderinformation dar574. Aber auch Informationen über diesem vorausgehende und auf dessen Zustandekommen gerichtete Ereignisse können publizitätspflichtige Insiderinformationen darstellen: sei es als Informationen über eingetretene Ereignisse im Rahmen eines zeitlich gestreckten Vorgangs (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 20, 23) oder sei es als solche über den Vertrag als zukünftiges Ereignis (Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 22 bzw. Rz. 23). c) Squeeze-out (§§ 327a ff. AktG) Aufgrund von Art. 7 Ziff. 2 des am 1.1.2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung von öffentlichen 222 Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001575 ist das Aktienrecht um die §§ 327a–327f AktG über den „Ausschluss von Minderheitsaktionären“ erweitert worden. Die Vorschriften räumen einem Aktionär, dem 95 % des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft gehören, das Recht ein, die übrigen Minderheitsaktionäre durch Beschluss der Hauptversammlung gegen Zahlung einer Barabfindung zwangsweise aus der Gesellschaft auszuschließen. Die Entscheidung des Hauptaktionärs zur Durchführung eines „Squeeze-out“ kann nicht nur für den Ak- 223 tionär selbst, sondern auch – sobald sie Kenntnis von der Absicht des Hauptaktionärs erlangt – für die Zielgesellschaft (Emittenten)576 eine publizitätspflichtige Insiderinformation darstellen, denn aufgrund der mit dem Squeeze-out einhergehenden Folgen für die Aktionärsstruktur der Gesellschaft ist die Entscheidung ein sie 571 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 656 f.; Parmentier, NZG 2007, 407, 414, die die Beurteilung der Transaktion als die Zielgesellschaft unmittelbar betreffend von der dieser bekannten Erlangung oder Aufgabe einer Kontrollposition des Erwerbers und der von dem Erwerber beabsichtigten Veränderung in der strategischen Ausrichtung der Gesellschaft abhängig machen will. Auch Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 93. 572 Wie hier generell bejahend Kuthe, ZIP 2004, 883, 885. 573 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 58/59; Gunßer, S. 119. 574 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 53. 575 BGBl. I 2001, 3822, 3838 f. 576 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 59: „Der Beschluss des Hauptaktionärs, ein Squeeze-out durchzuführen, kann eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation sein, sobald der Emittent hiervon Kenntnis erlangt, (spätestens z.B. der Zugang des entsprechenden Verlangens des Hauptaktionärs beim Vorstand der Gesellschaft gemäß § 327a AktG)“; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 401.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 223 | Veröffentlichung von Insiderinformationen unmittelbar berührendes Ereignis577. Dabei dürfte die Entscheidung des Hauptaktionärs, von der die Zielgesellschaft spätestens durch die Unterbreitung des Verlangens eines Übertragungsbeschlusses der Gesellschaft nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG erfährt, für die Wertpapiere der Zielgesellschaft regelmäßig kurserheblich sein578. Ob sie dies auch für die Wertpapiere des Hauptaktionärs ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Schon zu einer frühen, durch das AnSVG (Rz. 24) geänderten Fassung von § 15 WpHG hieß es in einem Schreiben der Aufsichtsbehörde vom 26.4.2002 (Ad-hoc-Publizität und neues Übernahmerecht, zu Abs. 1 Satz 2): „Hierbei können auch steuerliche Vorteile für den Hauptaktionär zu berücksichtigen sein, wenn beispielsweise die vollständige Übernahme einer Tochtergesellschaft zu einer Neubewertung führt, da möglicherweise die Gewinne der Tochtergesellschaft steuermindernd mit den eigenen Verlusten verrechnet werden können. Die Entscheidung über die Durchführung des Squeeze-out oder die Festlegung der Höhe der Barabfindung wird jedoch nur in Ausnahmefällen geeignet sein, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere des Hauptaktionärs erheblich zu beeinflussen.“ Diese Ausführungen hatten weder für die bis zur Geltung der Marktmissbrauchsverordnung maßgebliche Fassung des § 15 WpHG579 noch haben sie für die Anwendung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 ihre Berechtigung verloren. Entsprechendes gilt für die Entscheidung über die Höhe der Barabfindung, wie sie auch schon in dem vorstehend zitierten Schreiben angesprochen ist.
d) Aktienrückkauf nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und Aktienrückkaufprogramme 224 Unter den vielfältigen Möglichkeiten des Emittenten, Aktien nach § 71 Abs. 1 AktG zurück zu erwerben,
kommt dem Erwerb eigener Aktien nach dem durch Art. 1 Nr. 5 lit. a des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998580 eingeführten § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, der keinerlei Zweckbezug des Aktienrückerwerbs vorgibt oder herzustellen verlangt, besondere Bedeutung zu. Da er aus komplexen Entscheidungszusammenhängen hervorgeht, wirft er auch im Hinblick auf Ad-hocPublizitätspflichten verschiedene Fragen auf, denen sich die Aufsichtsbehörde in ihrem (im Kern nach wie vor aktuellen) Schreiben vom 28.6.1999 zugewandt hatte581. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Vorgänge um den Erwerb eigener Aktien und Rückkaufprogramme Insiderinformationen und gegebenenfalls Insidergeschäfte darstellen s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 ff.
225 Der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG erfolgt auf der Grundlage eines entsprechenden
Beschlusses der Hauptversammlung, in dem der Vorstand u.a. ermächtigt werden kann, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluss einzuziehen. Nicht der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung582, sondern die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung eine Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG vorzuschlagen, stellen vor die Frage einer Ad-hoc-Publizitätspflicht. Eine solche ist indes regelmäßig zu verneinen, da keinem dieser Beschlüsse – selbst wenn man sie als präzise Information i.S.d. Art. 7 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 betrachten wollte – je für sich genommen Kurserheblichkeit zukommen wird, und zwar selbst dann nicht, wenn an der Zustimmung der Hauptversammlung keine Zweifel bestünden, denn auch in diesem Fall bliebe unsicher, wann und in welchem Umfang der Vorstand tatsächlich von der Ermächtigung Gebrauch macht583. 577 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.1 S. 33; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 38; Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 147; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 133; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 400, 402; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 252. A.A. Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 44, denen zufolge nur der aktienrechtliche Squeeze-out den „Emittenten (im weitesten Sinne) unmittelbar“ betrifft. 578 Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 38; i.E. ebenso Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 400. 579 Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 84. 580 BGBl. I 1998, 786, 792. 581 Schreiben des seinerzeitigen BAWe an die Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften betreffend den Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 vom 28.6.1999, abgedruckt in WM 2000, 438 unter 2.a. Zu diesem ausführlich van Aerssen, WM 2000, 391; Bosse, ZIP 1999, 2047. 582 Ebenso Bosse, ZIP 1999, 2047, 2048 f.; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 400; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 146; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 105; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 392; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 454; Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 548, 555. 583 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 40; Schreiben des BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438, unter Hinweis auf eine mögliche Ad-hoc-Publizitätspflicht für den Sonderfall, dass „schon zu einem früheren Zeitpunkt die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung der Aktienrückkaufsermächtigung besteht“. Ebenso Bosse, ZIP 1999, 2047, 2048; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 105; Oechsler in MünchKomm. AktG, 5. Aufl. 2019, § 71 AktG Rz. 392; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 453; Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 548, 553 f.; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 472; van Aerssen, WM 2000, 391, 401, aber kritisch zu der vom BAWe angeführten Ausnahme (ebd. S. 400).
628 | Assmann
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 227 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Dagegen ist der Beschluss des Vorstands, von der ihm durch die Hauptversammlung eingeräumten Ermäch- 226 tigung Gebrauch zu machen, eine zu veröffentlichende Insiderinformationen, vorausgesetzt er ist kurserheblich584. In der Veröffentlichung des Beschlusses ist – unter Bezugnahme auf die Ermächtigung der Hauptversammlung – der wesentliche Inhalt des Beschlusses anzugeben585. Verlangt der Ermächtigungsbeschluss für den Erwerb eigener Aktien durch den Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats, so liegt allein darin noch kein hinreichender Grund, die Veröffentlichung der Insiderinformation aufzuschieben (Rz. 37). Auch das in Erwägungsgrund 50 lit. b VO Nr. 596/2014 angeführte und in lit. c. der MAR-Leitlinien übernommene und darüber hinaus auch in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAV (Regel-)Beispiel einer für die Wirksamkeit eines Beschlusses noch ausstehende Zustimmung durch ein anderes Organ des Emittenten (Rz. 110) erlaubt einen Aufschub der Veröffentlichung wegen einer ausstehenden Entscheidung des Aufsichtsrats nicht per se, sondern setzt u.a. voraus, dass die unverzügliche Offenlegung des zustimmungsbedürftigen Beschlusses vor einer Entscheidung des Aufsichtsrats die korrekte Bewertung der Informationen durch das Publikum gefährden würde (näher Rz. 56)586. Auch wenn der Aktienrückkaufsbeschluss als Insiderinformation noch nicht veröffentlicht wurde, stellt dessen Durchführung, soweit diese nicht durch anderweitige zwischenzeitlich erlangte Insiderinformationen beeinflusst wird587, keine Nutzung einer Insiderinformation durch den Emittenten dar588. Die Beendigung des Aktienrückkaufs nach dem Rückkaufprogramm ist regelmäßig nicht als Insiderinformation zu qualifizieren und bedarf keiner Ad-hoc-Mitteilung589. Bei nicht plangemäßer Beendigung kann aber der Grund der Beendigung selbst eine Insiderinformation darstellen und ad-hoc-offenlegungspflichtig sein.
e) Außerordentliche Erträge oder Aufwendungen Ob außerordentliche Erträge oder Aufwendungen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu ver- 227 öffentlichen sind, ist im Wesentlichen eine Sache ihrer Kurserheblichkeit. Als außerordentliche Erträge oder Aufwendungen mit regelmäßig erheblichem Preisbeeinflussungspotential führt die BaFin im Emittentenleitfaden590 an: – „Gewinne/Verluste aus der Veräußerung ganzer Betriebe, wesentlicher Betriebsteile oder bedeutender Beteiligungen; – außerplanmäßige Abschreibungen auf Grund eines außergewöhnlichen Ereignisses, z.B. Stilllegung von Betrieben, Enteignung, Zerstörung von Betrieben durch Katastrophen; – außergewöhnliche Schadensfälle, etwa verursacht durch Unterschlagungen; – Erträge/Aufwendungen auf Grund des Ausgangs eines für das Unternehmen existentiellen Prozesses;
584 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 40, 53; Schreiben des seinerzeitigen BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438. Auch Bosse, ZIP 1999, 2047, 2049; Frowein/Berger in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 34; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 77; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 106; Leis/Nowak, S. 55; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 456 f.; Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 548, 555 f.; Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 12; van Aerssen, WM 2000, 391, 399 f., 401, 406. Nach a.A. ist diese Aussage zu pauschal: Seibt/ Bremkamp, AG 2008, 469, 470 f. 585 Schreiben des seinerzeitigen BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438. 586 Weiter Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 12: Veröffentlichung nach Beschluss des Vorstands würde „der Bedeutung der Aufsichtsratsentscheidung auch dann nicht gerecht, wenn mit der Zustimmung zu rechnen ist“. 587 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85, „denn in diesem Fall handelt das Unternehmen auch bei der Umsetzung des Aktienrückkaufs in Kenntnis der erlangten Insiderinformationen und verwendet diese i.S.d. Art. 8 Abs. 1 MAR“. Um dies und jeden Verdacht der Nutzung von Insiderinformationen bei der Umsetzung des Aktienrückkaufbeschlusses zu vermeiden, empfiehlt die BaFin (ebd.), „vor Ausführung der Transaktionen gegenüber der mit dem Rückkaufprogramm beauftragten Bank oder einem unabhängigen Dritten eine bindende rechtliche Verpflichtung zum Erwerb einer im Voraus festgelegten Menge Aktien über einen bestimmten Zeitraum auszusprechen. Übernimmt das beauftragte Institut oder der Dritte dann den Rückkauf in eigener Regie und kann diese Person insbesondere selbständig über den Zeitpunkt der Ordererteilung bestimmen, ist es unschädlich, wenn das Unternehmen vor der Ausführung z.B. der dritten oder vierten Order Kenntnis von Insiderinformationen erhält. Denn die rechtliche Verpflichtung zum Erwerb der Aktien lag hier bereits vor Kenntnis der Insiderinformationen. Die gesetzliche Vermutung des Nutzens von Insiderinformationen wäre dadurch widerlegt. Dies gilt aber nur, wenn die für die Ausführung der einzelnen Order verantwortlich zeichnende Person selbst über keine relevanten Insiderinformationen über die zu erwerbenden Aktien verfügt und die Verpflichtung des Unternehmens zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wurde, zu dem das Unternehmen über keine Insiderinformationen verfügte“. 588 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, IV.5 S. 85. Dafür, dass die Ausführung eines Vorhabens keine Verwertung einer Insiderinformation darstellt, s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 ff., 64, und Art. 9 VO Nr. 596/2014 Rz. 23. 589 Singhof in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 20 Rz. 13a. 590 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.5 S. 18.
Assmann | 629
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 227 | Veröffentlichung von Insiderinformationen – – – –
Entschädigungen bei Massenentlassungen; Gewinne/Verluste aus Umwandlungen; Erträge auf Grund eines allgemeinen Forderungsverzichts der Gläubiger (sog. Sanierungsgewinn), sowie einmalige Zuschüsse der öffentlichen Hand zur Umstrukturierung von Branchen.“
f) Wechsel von Organmitgliedern und Personen in Schlüsselpositionen 228 Beim Wechsel oder Ausscheiden von Organmitgliedern (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 94) ist die entschei-
dende Frage die der Kurserheblichkeit des Vorgangs, die eng mit der Stellung und dem Einfluss der jeweiligen Person im Unternehmen zusammenhängt591. Unerheblich ist dagegen, ob der Personalwechsel im Anhang zum Jahresabschluss (§ 285 Satz 1 Nr. 10 HGB) anzugeben ist oder nicht592. Dementsprechend ist auch nicht jeder Wechsel in der Position des Vorstandsvorsitzenden per Ad-hoc-Mitteilung offenzulegen593. Zur Ad-hoc-Publizitätspflicht in Bezug auf Personalveränderungen beim Emittenten innerhalb der Führungsebene heißt es im Emittentenleitfaden der BaFin594: „Personalveränderungen innerhalb der Führungsebene eines Unternehmens können in bestimmten Konstellationen eine Insiderinformation sein. Insbesondere wenn es sich um die überraschende Berufung oder Abberufung von Organmitgliedern in Schlüsselpositionen handelt, d.h. wenn es sich um Personen handelt, bei denen eine maßgebliche Einwirkung auf den Geschäftsverlauf zu erwarten ist oder bislang bestand, kann eine solche Veränderung eine Insiderinformation darstellen. So kann das überraschende Ausscheiden des Vorsitzenden oder des Sprechers eines Organs oder das Ausscheiden eines Gründungsmitglieds aus einem Organ eine Signalwirkung für den Kapitalmarkt haben. Bei Unternehmen, deren Entwicklung von der Innovationsfähigkeit oder Kreativität einzelner Personen abhängt, können dies auch Personalveränderungen außerhalb der Organe in für das Unternehmen wesentlichen Bereichen (z.B. Forschung und Entwicklung, Design, Vermögensverwaltung) sein“. Die zu erwartende „maßgebliche Einwirkung auf den Geschäftsverlauf“ kann vor allem dann eine erhebliche Rolle spielen, wenn die Neubestellung eines Vorstands, namentlich eines Vorstandsvorsitzenden ansteht und „mit der Konkretisierung auf eine bestimmte Person die Unsicherheit über die zukünftige Ausrichtung des Emittenten beendet ist“595. Zu einem zu erwartenden Ausfall oder Ausscheiden eines Organmitglieds oder einer Person mit Schlüsselstellung im Unternehmen infolge schwerer Erkrankung sowie einem möglichen Ausschluss der Veröffentlichung einer solchen Information durch das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen s. Rz. 74.
229 Was für den Wechsel von Organmitgliedern gilt, gilt entsprechend auch für den Wechsel anderer Schlüssel-
positionen im Unternehmen (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 94), denn die Kurserheblichkeit von Personalia ist zwar regelmäßig, nicht aber zwangsläufig und in jedem Fall an eine Organstellung des Betreffenden gebunden596. Dessen ungeachtet sind es vielfach weniger die Personalwechsel als solche, welche die Kurserheblichkeit einer Information ausmachen, als die Gründe und Umstände597, die diesen zugrunde liegen oder mit ihnen verbunden sind. Deshalb ist es auch unerheblich, ob man dem Spieler eines Fußballclubs, der 591 Das OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250, 252 ff., und der BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380, 382, haben die Frage, ob (die Absicht) des einvernehmlichen Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden der seinerzeitigen DaimlerChrysler AG ein ad hoc zu publizierender Vorgang sei, (zu Recht) nur implizit behandelt und lediglich von der Eintrittswahrscheinlichkeit des beabsichtigten zukünftigen Ereignisses als Bestandteil der Erfordernisse einer präzisen Information und der Kurserheblichkeit derselben abhängig gemacht. Dazu Fleischer, NZG 2007, 401, 402 f., der (ebd. S. 403) einige Aspekte für die Beurteilung der Kursrelevanz eines Organwechsels anführt und damit implizit die hier vertretene Ansicht bestätigt. Zu Art. 7, 17 VO Nr. 596/2014 auch Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 155 ff. Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 122 f., 124 f., mit Informationen (122) über die Meldpraxis börsennotierter Unternehmen im DAX und MDAX. 592 Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 76. Anders noch Zimmer in Schwark, KapitalmarktrechtsKommentar, 3. Aufl. 2004, § 15 WpHG Rz. 74. 593 Nach einer Erhebung von Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 122, haben denn auch nur 76 % der im DAX30 notierten Unternehmen die Bestellung eines neuen Vorstandsvorsitzenden per Ad-hoc-Mitteilung kommuniziert, während die Bestellung anderer Organmitglieder nur ausnahmsweise und regelmäßig nur „im Zuge einer personellen und organisatorischen Umstrukturierung, einem Wechsel des Vorstandsvorsitzenden oder bei (Wieder-)Bestellung mehrerer einfacher Vorstandsmitglieder mitgmeldet“ worden sei. 594 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.7 S. 19 (Hervorhebungen hinzugefügt). Auch Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 36; Ihrig in FS Krieger, S.137, 138 f. 595 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.7 S. 20. 596 Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 76; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 149; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 418; Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 150 f.; Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 122. Auch Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 51. 597 Fleischer, NZG 2007, 401, 403; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 37; Veil/Gumpp/Templer/Voigt, ZGR 2020, 2, 15 f.
630 | Assmann
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 232 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Emittent ist, eine Schlüsselposition beim Emittenten zuweist598, oder eine solche unter Hinweis auf ein diesbezügliches Erfordernis der Einbindung der betreffenden Personen in die Unternehmensorganisation ablehnt, denn auch im letzteren Fall handelt es sich bei der Verletzung oder dem anderweitigen Ausfall eines prominenten Spielers eines solchen Fußballclubs um eine präzise Information, die kurserheblich sein kann. In der Regel ist das aber bei personalbezogenen Informationen (zu Spielern oder Trainern) im Profifußball nicht der Fall, weil diese „aufgrund der vorhandenen Markterwartung sowie sich ausgleichender positiver und negativer Effekte ... keine Marktpreisrelevanz“ haben599. Neben dem Wechsel oder dem Ausscheiden von Organmitgliedern und Personen in Schlüsselpositionen 230 kann auch der Grund der Personalveränderung eine selbstständige Insiderinformation darstellen, die mit der bloßen Personalveränderung zu veröffentlichen ist600. Darüber hinaus kann auch der Wechsel oder das Ausscheiden von Organmitgliedern und Personen in Schlüsselpositionen Kurserheblichkeit erst aufgrund von Informationen über den Grund der Personalveränderung erlangen. In diesem Falle ist es erforderlich, dass mit der Veröffentlichung der Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAV gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAV (Text der WpAV-Bestimmungen in Rz. 154) auch bekannt gegeben wird, aus welchen Gründen der Information über die Personalveränderung Kurserheblichkeit zukommt601. Eine davon zu unterscheidende Frage ist die, ob der Anlass der Personalveränderung – etwa eine Erkrankung des Ausscheidenden – aus anderen Gründen nicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 (mit-)veröffentlicht werden muss. Nicht öffentlich bekannte und kurserhebliche Informationen über Personalwechsel, namentlich die Neu- 231 besetzung einer Schlüsselposition im Vorstand, sind spätestens nach dem diesbezüglichen Beschluss des zuständigen Organs, i.d.R. des Aufsichtsrats, unverzüglich ad hoc zu veröffentlichen. Bis es zu einem solchen Beschluss kommt, wird die fragliche Personalie jedoch vielfach Gegenstand der Erörterung im Unternehmen und seinen Organen gewesen sein. Typischerweise aus einem mehrstufigen Entscheidungsprozess hervorgehend602, ist mit jedem einzelnen Schritt desselben zu prüfen, ob eine Information über denselben eine Insiderinformation darstellt und per Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen ist. S. dazu Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 49 ff. i.V.m. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 22 f.). Ebenso kommt bei jedem Schritt hin zu einer endgültigen Personalentscheidung – etwa im Hinblick auf die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats – eine Befreiung von der Veröffentlichung einer diesbezüglichen Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 in Betracht. S. dazu Rz. 37 und 114. Für den Fall des Personalwechsels zwischen börsennotierten Unternehmen, d.h. dem eine Person betreffenden Wechsel, die sowohl bei dem Unternehmen, bei dem sie ausscheidet, als auch bei dem Unternehmen, in das sie eintritt, eine Schlüsselposition hatte, ist jedes dieser Unternehmen für sich ad-hoc-publizitätspflichtig, vorausgesetzt, bei dem Ausscheiden bzw. dem Eintritt handelt es sich für das jeweilige Unternehmen um eine Insiderinformation603. Ein berechtigter Grund zur Offenlegung der jeweiligen Insiderinformation zwischen den betroffenen Unternehmen zum Zweck der Koordination der Veröffentlichung der jeweiligen Insiderinformation, ist nicht zu erkennen604. Auch ein Aufschub der jeweils erforderlichen Ad-hoc-Mitteilung bis zu derjenigen des jeweils anderen Unternehmens nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 wird nur unter dem eher außergewöhnlichen Umstand in Frage kommen, dass der Wechsel der Person Gegenstand der Verhandlungen zwischen den betroffenen Emittenten ist und diese durch eine Ad-hoc-Mitteilung gefährdet würde (zu diesem Aufschubgrund Rz. 104, 108 und 109)605. g) Informationen über Organmitglieder sowie über strafbare Handlungen und Ordnungswidrigkeiten des Emittenten und im Emittentenunternehmen Über das Ausscheiden oder den Wechsel von Organmitgliedern und Personen in Schlüsselpositionen hinaus 232 steht außer Frage, dass auch andere Informationen über diese Personen präzise Informationen sein und, so598 Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 149; Kumpan/Grübler/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 293; Schumacher, NZG 2001, 776; Wertenbruch, WM 2001, 193. 599 Drechsler, BKR 2021, 562, 568. 600 Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 37; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 109; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 86. 601 A.A. Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 151, wobei aber unklar bleibt, ob dessen Ausführungen (zu der mit der angeführten Vorschrift der WpAV wortlautgleichen Bestimmung in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 WpAIV) nur für den Fall gelten sollen, dass es sich um eine krankheitsbedingte Personalveränderung handelt. 602 Zur Ad-hoc-Publizitätspflicht speziell hinsichtlich des regelmäßig zeitlich gestreckten Vorgangs der Neubestellung eines Vorstandsvorsitzenden s. Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 123 f. 603 Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 124 f. 604 Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 125 f. 605 Seibt/Danwerth, ZGR 2019, 121, 125.
Assmann | 631
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 232 | Veröffentlichung von Insiderinformationen weit sie den Umständen nach als kurserheblich zu betrachten sind, veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen darstellen können. Das gilt namentlich für schwere Erkrankungen von Personen in Organstellung (insbesondere den Vorstandsvorsitzenden) oder Schlüsselpositionen606, die – je nach den Umständen – erhebliche Nachteile für das Unternehmen erwarten lassen, sei es durch Leistungsminderung bis hin zu ihrem Ausfall oder sei es durch ein zu erwartendes Ausscheiden aus dem Amt oder der Position im Unternehmen. Solche für die Kurserheblichkeit der Information maßgeblichen Umstände sind Teil der Insiderinformation und mit nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen. So oder so ist im Hinblick auf die Veröffentlichung von Informationen über Krankheiten und ihre Auswirkungen für den Emittenten stets zu prüfen, inwieweit dieser das allgemeine Persönlichkeitsrecht der erkrankten Person nach Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegensteht (dazu Rz. 74). Wegen der Organ- oder Schlüsselstellung dieser Personen beim Emittenten und der zu erwartenden Folgen für dasselbe handelt es sich hierbei jedenfalls um Informationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen607. 233 Daneben sind aber auch andere personenbezogenen Informationen – etwa solche über steuerliche und
straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Ermittlungen gegen eine Person (zu speziellen Fall strafbarer Handlungen einer Person näher Rz. 234) – denkbar, die je nach den Umständen des Einzelfalls für die vom Emittenten ausgegebenen Finanzinstrumente kurserheblich sein können. Auch hier kann das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person, insbesondere in seiner Ausprägung als Recht zur informationellen Selbstbestimmung, einer Veröffentlichung diesbezüglicher Insiderinformationen entgegenstehen608 (dazu Rz. 74). Dabei ist der Schutz der Person, auf die sich die Information bezieht, „umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlicher Gewalt Achtung und Schutz beansprucht“609.
234 Auch pflichtwidriges Verhalten und namentlich strafbare Handlungen von Mitgliedern der Organe des
Emittenten, die diese im Rahmen ihrer Organtätigkeit begangen haben, oder strafbare Handlungen Dritter, die von Organen im Rahmen ihrer Organtätigkeit veranlasst wurden, sind regelmäßig als im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Ereignisse zu betrachten und kommen deshalb, sofern die diesbezügliche Information auch als kurserheblich anzusehen ist, als Gegenstand einer Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 in Betracht610. Auch in einer solchen kann ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person gesehen werden (Rz. 74), doch ist der Eingriff in Gestalt der Veröffentlichung in diesem Fall regelmäßig als verhältnismäßig zu betrachten. Auch können sich der Emittent und die nicht betroffenen Organmitglieder, die Veröffentlichungen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 für den Emittenten vorzunehmen haben, in diesem Fall nicht auf die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts berufen (Rz. 73 bzw. Rz. 74).
235 Anders ist die Rechtslage, wenn das Organmitglied, welches die Veröffentlichung vorzunehmen hätte, sich
damit einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde. In diesem Fall besteht für den Emittenten keine Pflicht zur Offenlegung, weil sich das betroffene Organmitglied auf den Nemo tenetur-Grundsatz – d.h. den Rechtsgrundsatz, dass niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare) – berufen kann, der hier bereits in seiner Verankerung im nationalen deutschen Recht eingreift (dazu Rz. 77)611.
236 Wiederum anders ist es, wenn sich der Emittent, aufgrund von Vorgängen in seinem Unternehmen oder
infolge von ihm nach § 31 BGB analog zurechenbaren Handlungen von Organmitgliedern, mit der Veröffentlichung derselben nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 einer Straftat oder einer mit gravierenden Bußgeldern bewehrten Ordnungswidrigkeit (Rz. 82) bezichtigen würde. Selbst in letzterem Falle steht dem Emittent nach hier vertretener Auffassung – dazu ausführlich Rz. 78 ff. – ein Recht zur Verweigerung nach dem Nemo tenetur-Grundsatz zu (schon Rz. 118), hier vor allem in seiner Verankerung in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), s. Rz. 78 ff., darüber hinaus aber auch in Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und Art. 14 Abs. 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), s. Rz. 87. Doch hat der Emittent, auch unabhängig vom Eingreifen des Nemo tenetur-Grundsatzes, ein berechtigtes Interesse, nicht öffentlich bekannte Compliance-Verstöße geheim zu halten und nicht ad hoc zu veröffentlichen, wenn nur eine ver606 607 608 609 610
Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 419; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 110. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 419. Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 111. BVerfG v. 24.6.1993 – 1 BvR 689/92, BVerfGE 89, 69, 82 f. = NZV 1993, 413, 414 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 424 f. (für die Verletzung von Sorgfalts- und Treuepflichten) und Rz. 428 f. (für strafbare Handlungen des Managements). 611 Die Anwendung des Grundsatzes im Zusammenhang mit Ad-hoc-Publizitätspflichten (mit nicht schlüssiger Begründung) ablehnend Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 429.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 239 Art. 17 VO Nr. 596/2014
nünftige Aussicht auf deren dauerhafte Geheimhaltung oder Geheimhaltung bis zur Verjährung von möglichen Schadensersatzansprüchen oder Bußgeldern gegenüber dem Emittenten verjährt sind (Rz. 119). Gleiches gilt für die die Einleitung interner oder externer Untersuchungen zur Aufdeckung von nicht bereits öffentlich bekannten Compliance-Verstößen oder des eine Insiderinformation darstellenden Verdachts auf solche (Rz. 119). h) Verwaltungs- und Gerichtsverfahren Ob Vorgänge im Zusammenhang mit einem den Emittenten betreffenden Verwaltungsverfahren oder Ge- 237 richtsverfahren – etwa Zivilprozessen612 – oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentliche sind, hängt davon ab, ob es sich bei diesen jeweils um eine Insiderinformation handelt613. Ist dies der Fall, so unterliegt der Emittent eine Veröffentlichungspflicht nur, wenn ihn die Information über ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren unmittelbar betrifft. Daran bestehen keine Zweifel, wenn der Emittent (oder ein Konzernunternehmen, Rz. 24 und Rz. 49) selbst ein solches Verfahren initiiert. Nichts anderes hat aber auch für den Fall zu gelten, dass das jeweilige Verfahren von Dritten in Gang gesetzt wurde und der Emittent (oder ein Konzernunternehmen) Verfahrensbeteiligter wird, den der Ausgang des Verfahrens (bspw. als Beklagter oder als Betroffener eines Bußgeldverfahrens) unmittelbar trifft614. Die Einreichung und Zustellung der Klage eines Dritten gegen den Emittenten betrifft den Emittenten un- 238 mittelbar. Gleiches gilt für die einzelnen Etappen des gerichtlichen Verfahrens, namentlich von Zivilprozessen, die namhafte Schadensersatzforderungen gegen den Emittenten zum Gegenstand haben. Zu Einzelheiten zu Vorstehendem s. Rz. 45. Soweit diesbezügliche Informationen Insiderinformationen sind, kommt zur Wahrung der berechtigten Interessen des Emittenten die Aufschiebung der Veröffentlichung der Insiderinformationen in Betracht, doch dürfte diese in der Regel ausscheiden, weil es sich – außer bei kurzfristigen Aufschüben – als schwer erweisen dürfte, angesichts zahlreicher Verfahrensbeteiligter und der Öffentlichkeit der einschlägigen Verfahren die Vertraulichkeit solcher Informationen zu gewährleisten (dazu Rz. 129). Sowohl die Stellung eines Antrags auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch einen Emittenten als Schuldner nach §§ 13, 15a, 17–19 InsO oder einen Gläubiger des Emittenten nach §§ 13, 14 InsO als auch der Eröffnungbeschluss durch das Insolvenzgericht nach § 27 InsO stellen, solang sie nicht öffentlich bekannt sind615, regelmäßig eine ad-hoc-publizitätspflichtige Information dar616. Schon im Vorfeld eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann es zahlreiche Ereignisse geben, wie Zahlungsstockungen oder Liquiditätsengpässe, die Vorboten einer kommenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind. Finanzielle Schwierigkeiten des Emittenten wie diese können Insiderinformationen darstellen, wenn sie „in diesem Ausmaß nicht im Kapitalmarkt bekannt“ sind617. Will der Emittent vermeiden, dass diese Finanzprobleme oder die ihnen geschuldeten Maßnahmen – wie etwa Verhandlungen über eine Kreditprolongierung, über eine Umschuldung oder andere Sanierungsmaßnahmen – öffentlich bekannt werden, weil dies ihren Erfolg gefährden würde, so bleibt ihm nur der Weg des Aufschubs der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 (s. Rz. 101 ff., insbes. 104, 109 und 113). Eine unmittelbare Betroffenheit des Emittenten ist nicht gegeben, wenn der Betreffende in einem Verfahren 239 lediglich (wie etwa in Verfahren vor den Kartellbehörden) Beigeladener ist und ihn die Entscheidung (etwa als Wettbewerber die Entscheidung über die Freigabe eines Zusammenschlussvorhabens) nur mittelbar trifft618. Dagegen ist die Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens – auch als Folge der Stellung eines sog. Leniency-Antrags (auf Erlass einer Geldbuße im Zusammenhang mit der unternehmensinternen Aufdeckung von Kartellverstössen und der damit faktisch verbundenen Selbstbezichtigung in Bezug auf einen Wettbewerbsverstoß)619 – als eine den Antragsteller unmittelbar betreffende ad-hoc-publizitätspflichtige Information zu betrachten620 (s. auch Rz. 114). In diesem Falle ist der Emittent darauf angewiesen, die für Leniency-Anträge von den Wettbewerbsbehörden verlangte Vertraulich612 613 614 615
616 617 618 619 620
Speziell zu Ad-hoc-Publizitätspflichten im Zusammenhang mit diesen Teigelack, BB 2016, 1604 ff. Dazu Krause in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 6 Rz. 169 ff. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 430; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 113. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.9 S. 20: „Inwieweit der Stellung des Insolvenzantrags und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst noch der Charakter einer Insiderinformation zukommt, dürfte vor allem davon abhängen, ob dem Markt das Vorliegen eines Insolvenzgrundes bereits bekannt war oder er davon ausgehen musste, dass ein solcher alsbald vorliegen würde“. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.9 S. 20; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 112. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.2.1.5.9 S. 20. Anders Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 90. Zu solchen Anträgen und den von ihnen aufgeworfenen kapitalmarktrechtlichen Fragen ausführlich Dreher, WuW 2010, 731 ff. S. auch Rz. 114. Anders in diesem Ausgangspunkt Dreher, WuW 2010, 731, 733, i.E. – ebd. S. 734 ff. – aber ebenso.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 239 | Veröffentlichung von Insiderinformationen keit durch den Aufschub der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/ 2014 herbeizuführen621. Ein solches Bedürfnis wird sich, je nach Einzelfall und der mit diesem verbundenen Kurserheblichkeit der Information, bereits in dem Zeitpunkt einstellen, in dem die Entscheidung zur Stellung eines Leniency-Antrags fällt oder der Emittent, unabhängig vom Verfahrensausgang, Maßnahmen ergreift, die für sich genommen (wie möglicherweise die Bildung von Rückstellungen)622 kurserheblich sind und damit Insiderinformationen darstellen. Im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist der Aufschub einer Veröffentlichung für die Stellung des Antrags und die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens grundsätzlich als zum Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erforderlich anzusehen623. Jedoch wird man in der Regel davon auszugehen haben, dass dieses Schutzinteresse nur bis spätestens zu dem Zeitpunkt besteht, in dem die Kartellbehörde mit Ermittlungen bei anderen Unternehmen (den Kartellbeteiligten) beginnt oder (aufgrund bereits vorhandener Erkenntnisse) erklärt, keinen Anlass zu solchen weiteren Ermittlungen zu sehen624. Kursiert über den Kartellverstoß oder über den Leniency-Antrag in Bezug auf einen solchen ein Gerücht, das ausreichend präzise ist, um zu vermuten, dass die Vertraulichkeit der Insiderinformationen, deren Veröffentlichung aufgeschoben wurde, nicht mehr gewährleistet ist („präzises Gerücht“, Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014), muss der Emittent die Öffentlichkeit so schnell wie möglich über diese Informationen informieren (Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, dazu Rz. 137 ff.). Zur Erfüllung der mit der Stellung eines LeniencyAntrags verbundenen Vertraulichkeitspflicht des Antragstellers wird in diesem Fall die Vorabinformation der Kartellbehörden als ausreichend betrachtet, eines ausdrücklichen Dispenses durch die Kartellbehörden bedürfe es nicht625. i) Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 33 ff. WpHG) 240 §§ 33 ff. WpHG, denen zufolge Veränderungen bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesell-
schaften melde- und veröffentlichungspflichtig sind (§§ 33 Abs. 1 Satz 1, §§ 38 ff. WpHG), waren weder lex specialis zu § 15 WpHG a.F.626 noch sind sie dies zu Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014. Meldepflichtige Emittenten, die Beteiligungen an einem anderen Unternehmen erwerben oder veräußern, müssen deshalb stets prüfen, ob die nach §§ 33 ff. WpHG meldepflichtige (§ 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG) Veränderung von Stimmrechten an einem börsennotierten Unternehmen eine sie betreffende nicht öffentlich bekannte, kurserhebliche und damit zu veröffentlichende Insiderinformation ist627.
241 In gleicher Weise steht – wie schon zu § 15 WpHG a.F. – außer Frage, dass die Anwendung von Art. 17
Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 auch auf von §§ 33 ff. WpHG nicht erfasste Veränderungen der Beteiligung eines Emittenten an einer nicht börsennotierten Gesellschaft in Betracht kommt628. Das kann selbst dann nicht anders sein, wenn man § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG als Sonderregelung zu Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 betrachten wollte, denn der Umstand, dass ein Emittent nicht der schematisch (nach dem Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten von Schwellenwerten) eingreifenden Veröffentlichungspflicht nach §§ 33 ff. WpHG unterliegt, schließt die Kurserheblichkeit von Informationen über solche Anteilsveränderungen und damit die Pflicht, diese nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 offenzulegen, nicht aus. Umgekehrt befreit die Veröffentlichung der Veränderung einer bedeutenden Beteiligung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 durch den nach § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG
621 622 623 624 625 626
Merkner/Sustmann/Retsch, NZG 2021, 1198, 1203 ff. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 57. S. auch Rz. 45; Merkner/Sustmann/Retsch, NZG 2021, 1198, 1202. S. die Nachweise zu Rz. 114 Spiegelstrich 4. Darin ist Dreher, WuW 2010, 731/739 f. mit weiteren Einzelheiten) zu folgen. Fiedler/Seibt, Publikationspflichten in der Krise, Rz. 29. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.2.5 S. 35: „Viele andere Rechtsvorschriften enthalten für Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Börsenhandel zugelassen sind, Pflichten zur Kapitalmarkttransparenz bzw. -kommunikation (z.B. Mitteilung bedeutender Stimmrechtsveränderungen, Publizitätsvorschriften nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) oder dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang mit Aktienrückkaufprogrammen und Transparenzvorschriften hinsichtlich der Erhebung einer Anfechtungsklage). Diese Veröffentlichungs- und Hinweispflichten stellen keine der Ad-hoc-Publizität vorrangigen oder sie gar ersetzenden Transparenzvorschriften dar“; Uwe H. Schneider in 6. Aufl., Vor § 21 WpHG Rz. 58; Burgard, ZHR 162 (1998), 51, 74; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 14; Parmentier, NZG 2007, 407, 413; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 135; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 15. A.A. Caspari in Baetge, S. 71; Schäfer in Dreyling/Schäfer, Rz. 326; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 11; Gehrt, S. 140. 627 Uwe H. Schneider in 6. Aufl., Vor § 21 WpHG Rz. 58. 628 Ebenso Caspari in Baetge, S. 71.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 243a Art. 17 VO Nr. 596/2014
meldepflichtigen Emittenten weder den Meldepflichtigen von seiner Meldepflicht noch den Emittenten, der Adressat der Meldung ist und diese nach § 38 WpHG zu veröffentlichen hat, von seiner diesbezüglichen Veröffentlichungspflicht629. Das nach § 38 WpHG veröffentlichungspflichtige Unternehmen, das zugleich Adressat des Art. 17 Abs. 1 242 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist, hat die Meldung nach § 33 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 2 WpHG sowohl nach Maßgabe von § 38 WpHG als auch nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, § 38 WpHG sei lex specialis zu Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014630. Allerdings ist zu beachten, dass die Veränderungsinformation, um eine Insiderinformation darzustellen und nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen zu sein, kurserheblich sein muss und nicht öffentlich bekannt sein darf. An Letzterem wird es aber möglicherweise fehlen, wenn die Meldung den nach § 38 WpHG veröffentlichungspflichtigen Emittenten erreicht. Sind dagegen beide Voraussetzungen gegeben, so kommt der Emittent nicht um eine Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 herum. j) Eigengeschäfte von Führungskräften („Managers' Transactions“ – Art. 19 VO Nr. 596/2014, § 111c AktG) Wie §§ 33 ff. WpHG ist Art. 19 VO Nr. 596/2014, der an die Stelle von § 15a WpHG a.F. tritt und nach dem 243 Eigengeschäfte von Führungskräften eines Emittenten i.S.v. Art. 19 Abs. 1 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014 dem Emittenten und der zuständigen Behörde zu melden und nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 3 und Abs. 6 VO Nr. 596/2014 durch den Emittenten zu veröffentlichen sind, nicht lex specialis zu Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014631. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Art. 19 VO Nr. 596/2014 in räumlicher Nähe zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 steht, unterscheiden sich beide Vorschriften doch in den Tatbestandsvoraussetzungen, der Art und Weise, in der die jeweilige Mitteilung an den Veröffentlichungspflichtigen von diesem zu veröffentlichen ist, und im Normzweck. Allerdings sind die von Art. 19 VO Nr. 596/2014 erfassten Geschäfte – anders als Transaktionen, die eine Veränderung der Beteiligungsstruktur beim Emittenten bewirken632 – regelmäßig weder als im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten oder diesen unmittelbar betreffend633 noch als kurserheblich anzusehen634. Nach § 111c Abs. 1 AktG hat ein Emittent Angaben zu solchen Geschäften mit nahestehenden Personen, 243a die gem. § 111b Abs. 1 AktG der Zustimmung bedürfen635, unverzüglich gem. § 111c Abs. 2 AktG zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichungsplicht lässt diejenige nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unberührt636. Das ist schon deshalb der Fall, weil die Voraussetzungen, nach denen Geschäfte mit nahestehenden Personen nach § 111c AktG bzw. Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 veröffentlicht werden müssen, unterschiedlich sind637, und ergibt sich mittelbar auch aus der Regelung des § 111c Abs. 3 AktG. Diese bestimmt in ihrem § 111c Abs. 3 Satz 1 AktG, dass die nach § 111c Abs. 2 AktG erforderlichen Angaben zu Geschäften mit 629 Auch BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 41. Ebenso Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 135. 630 So aber, allerdings noch im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. vor seiner Änderung durch das AnSVG (Rz. 24), Geibel in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 9, der allerdings im Schwerpunkt darauf abstellte, dass in einem solchen Fall die Voraussetzungen einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. nicht vorlägen. Zu § 15 WpHG a.F. i.E. wie hier BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 41. Auch Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 135. 631 Zu § 15 WpHG a.F. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 96. 632 Ebenso Bednarz, AG 2005, 835, 840; Dreyling, Der Konzern 2005, 1, 3; Gunßer, S. 84 f., 160; Kuthe, ZIP 2004, 883, 885. 633 Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 39; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 409 (mit Einschränkung in Rz. 410 für den Fall der Fundamentalwertrelevanz der Geschäfte). 634 Auch Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 39; Gunßer, S. 167; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 295; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 135. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 147. 635 § 111c Abs. 1 AktG lautet: „Ein Geschäft der börsennotierten Gesellschaft mit nahestehenden Personen, dessen wirtschaftlicher Wert allein oder zusammen mit den innerhalb des laufenden Geschäftsjahres vor Abschluss des Geschäfts mit derselben Person getätigten Geschäften 1,5 Prozent der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft gemäß § 266 Absatz 2 Buchstabe A und B des Handelsgesetzbuchs nach Maßgabe des zuletzt festgestellten Jahresabschlusses übersteigt, bedarf der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats oder eines gemäß § 107 Absatz 3 Satz 4 bis 6 bestellten Ausschusses“. 636 Grigoleit in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 111c AktG Rz. 15; Habersack in MünchKomm. AktG – Nachtrag zum ARUG II, 5. Aufl. 2021, § 111c AktG Rz. 16. 637 Guntermann, ZIP 2020, 1290, 1292; Habersack in MünchKomm. AktG – Nachtrag zum ARUG II, 5. Aufl. 2021, § 111c AktG Rz. 16.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 243a | Veröffentlichung von Insiderinformationen einer nahestehenden Person in die Mitteilung gem. Art. 17 VO Nr. 596/2014 aufzunehmen sind, falls es sich bei Informationen über dieselben um Insiderinformationen handelt. In diesem Falle entfällt nach § 111c Abs. 3 Satz 2 AktG allerdings die Veröffentlichungspflicht nach § 111c Abs. 1 AktG, ist also auch nicht nachzuholen, und die Ad-hoc-Veröffentlichung kann gem. § 111c Abs. 3 Satz 3 AktG nach § 17 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben werden. Gemäß § 111c Abs. 4 AktG gilt dies auch für Geschäfte eines Tochterunternehmens mit Personen, die dem Mutterunternehmen nahestehen638. Schon aufgrund des Umstands, dass die Veröffentlichungspflichten nach § 111c AktG und Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nebeneinander bestehen, ist der Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung von Insiderinformationen betreffend Geschäfte mit nahestehenden Personen nach Art. 17 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/2014 auch dann möglich, wenn die Geschäfte nicht nach § 111c Abs. 1 AktG zu veröffentlichen sind639. k) Enforcement-Verfahren (§§ 106 ff. WpHG) 244 An verschiedenen Stellen des in §§ 106 WpHG ff. (i.V.m. §§ 342b ff. HGB) geregelten Enforcement-Verfah-
rens – ein Verfahren, mit dem überprüft werden soll, ob die in § 342b Abs. 2 Nr. 1–7 HGB aufgeführten Rechnungslegungswerke eines Emittenten (namentlich der Jahresabschluss nebst Lagebericht, der Konzernabschluss nebst Konzernlagebericht und der Zahlungs- und Konzernzahlungsbericht) ordnungsgemäß erstellt wurden (s. § 342b Abs. 2 Satz 1 HGB, § 106 WpHG)640 – stellt sich dem Emittenten die Frage, ob er zu einer Ad-hoc-Mitteilung verpflichtet ist641. Dabei bestehen an der Anwendbarkeit des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 keine Zweifel, denn die Regelung des Enforcement-Verfahrens ist nicht als lex specialis zu verstehen, welches generell die Vorschriften über die Ad-hoc-Publizität verdrängt.
245 Die Frage nach Ad-hoc-Publizitätspflichten wird sich dem Emittenten erstmalig stellen, wenn er von der
Einleitung des Verfahrens erfährt. Diese wird regelmäßig von der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) als Prüfstelle i.S.d. § 342b HGB ausgehen und kann erstens eine bloße „stichprobenartige“, zweitens eine durch Verdachtsmomente veranlasste („anlassbezogene“) oder eine von der BaFin aufgrund dort vorliegender Erkenntnisse verlangte („verlangt-anlassbezogene“) Prüfung zum Gegenstand haben. Die Benachrichtigung des Emittenten ist zunächst auf die Herbeiführung von dessen Kooperation bei Prüfung der Abschlüsse, der diesen zugrundeliegenden Unterlagen und der Buchführung gerichtet. Auch wenn die Verfahrenseinleitung und die Durchführung des Verfahrens von den Mitarbeitern der DPR und der BaFin vertraulich zu behandeln ist (§ 342c HGB bzw. § 21 WpHG) und keine der das Enforcement-Verfahren regelnden Vorschriften eine Einleitungspublizität kennt, fehlt Letzteren doch auch eine Bestimmung, welche den Emittenten zur vertraulichen Behandlung der Einleitung des Verfahrens berechtigt oder verpflichtet. Deshalb ist die Mitteilung von der Einleitung des Enforcement-Verfahrens als eine Information zu betrachten, die – wenn man sie nicht schon als eine in seinem Tätigkeitsbereich eingetretene Information betrachten will – ihn jedenfalls unmittelbar betrifft.
246 Geht man davon aus, dass die Information über die Einleitung des Enforcement-Verfahrens – wegen der
Vertraulichkeitsverpflichtung der Mitarbeiter der DPR und der BaFin – den Emittenten als öffentlich unbekannte erreicht, so kommt es im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, ob sie eine ad hoc zu publizierende Insiderinformation ist, zunächst darauf an, ob es sich um eine präzise Information i.S.d. Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 VO Nr. 596/2014 handelt. Dagegen könnte sprechen, dass das Enforcement-Verfahren auf die Überprüfung der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften gerichtet ist, über die eine Aussage erst am Ende des Verfahrens möglich ist, und die deshalb eine zukunftsbezogene Information darstellt, welche nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 nur dann eine Insiderinformation darstellt, wenn vernünftiger erwartet werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werde. Dem ist indes zumindest für den Fall nicht zu folgen, dass es sich um eine anlassbezogene Einleitung eines Enforcement-Verfahrens handelt: Zunächst ist die Einleitung eines solchen Verfahrens fraglos eine Tatsache und als solche eine präzise Information. Des Weiteren darf eine anlassbezogene Prüfung nach § 342b Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HGB und § 107 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 2 WpHG nur eingeleitet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen und ein öffentliches Interesse an der Prüfung besteht. Das wiederum setzt voraus, dass die DPR bzw. die BaFin Grund für die Annahme eines hinreichend wahrscheinlichen und nicht ganz 638 Grigoleit in Grigoleit, 2. Aufl. 2020; § 111c AktG Rz. 20; Guntermann, ZIP 2020, 1290, 1292; Habersack in MünchKomm. AktG – Nachtrag zum ARUG II, 5. Aufl. 2021, § 111c AktG Rz. 21; J. Vetter in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 11c AktG Rz. 61. 639 Grigoleit in Grigoleit, 2. Aufl. 2020, § 111c AktG Rz. 18; Habersack in MünchKomm. AktG – Nachtrag zum ARUG II, 5. Aufl. 2021, § 111c AktG Rz. 19; J. Vetter in K. Schmidt/Lutter, 4. Aufl. 2020, § 11c AktG Rz. 52. 640 S. auch Gelhausen/Hönsch, Das neue Enforcement-Verfahren für Jahres-Konzernabschlüsse, AG 2005, 511; Assmann, AG 2006, 261 ff. 641 Dazu Assmann, AG 2006, 261 ff.
636 | Assmann
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 249 Art. 17 VO Nr. 596/2014
unerheblichen Verstoßes des Emittenten gegen Rechnungslegungsvorschriften haben. Geben sie dies durch die Einleitung eines Verfahrens kund, kann auch der verständige Anleger davon ausgehen, dass ein Verstoß hinreichend wahrscheinlich ist642. Eine Information muss aber, um eine ad-hoc-veröffentlichungspflichtige Insiderinformation darzustellen, 247 auch als kurserheblich i.S.d. Art. 7 Abs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu betrachten sein. Das wird man im Falle einer lediglich stichprobenartig veranlassten Prüfung vorbehaltlos verneinen können643. Im Falle einer von der DPR oder der BaFin ausgehenden anlassbezogenen Prüfung wird man dagegen eher von einer regelmäßig kurserheblichen Information auszugehen haben644, denn ein anlassbezogenes Prüfverfahren darf nur dann eingeleitet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen nicht ganz unerheblichen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen. Ist die Einleitung eines Enforcement-Verfahrens unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und der Umstände des Einzelfalls als ad hoc zu publizierende Insiderinformation zu betrachten, so kann der Emittent die Veröffentlichung der Information nur noch aufschieben, wenn die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 WpAV gegeben sind. Berechtigte Interessen am Aufschub der Veröffentlichung wird man hier etwa für den Fall bejahen können, dass der Emittent begründeten Anlass dafür hat, den Verdacht eines Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften entkräften zu können und die Veröffentlichung der Einleitung einer Prüfung geeignet wäre, dem Unternehmen erheblich zu schaden645. Wirkt der Emittent bei der Prüfung mit, so teilt die DPR dem Emittenten das Ergebnis ihrer Prüfung mit 248 (§ 342b Abs. 5 Satz 1 HGB). Erklärt der Emittent sich mit dem Ergebnis einverstanden, so meldet die DPR dies der BaFin (§ 342b Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 HGB). Hat die Prüfung, mit der sich der Emittent einverstanden erklärte, einen Fehler ergeben, so ordnet die BaFin nach § 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG an, dass das Unternehmen den festgestellten Fehler samt den wesentlichen Teilen der Begründung der Feststellung unverzüglich nach Maßgabe von § 109 Abs. 2 Satz 4 WpHG zu veröffentlichen hat. Da diese Veröffentlichung, wie es auch bei einer solchen im Wege einer Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 der Fall wäre, unverzüglich zu erfolgen hat, § 109 Abs. 2 Satz 4 WpHG aber eine Alternative im Hinblick auf die Art der Veröffentlichung eröffnet, welche die Veröffentlichung über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem einschließt, verdrängt diese Vorschrift Art. 17 VO Nr. 596/2014646. Die Sonderregelung in § 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG ist zudem weiter als die des Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, da sie auch zur Veröffentlichung eines Fehlers bei der Rechnungslegung zwingt, der für sich genommen oder wegen seiner Abweichung vom Einleitungsverdacht nicht als kurserheblich zu betrachten wäre. Schließlich geht § 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG der Pflicht zur Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 vor, damit der Emittent sein aus § 109 Abs. 1 Satz 3 WpHG folgendes Recht wahren kann, bei der BaFin den Antrag zu stellen, die Behörde möge von der Anordnung der Bekanntmachung des Ergebnisses der Prüfung absehen, weil die Veröffentlichung geeignet sei, seinen berechtigten Interessen zu schaden. Wirkt der Emittent bei der Prüfung mit, erklärt sich aber mit dem ihm von der DPR mitgeteilten Ergebnis 249 der Prüfung nicht einverstanden, so hängt die Beurteilung der Frage, ob es sich bei Ergebnismitteilung um eine Insiderinformation handelt, im Wesentlichen von der Kurserheblichkeit des Ergebnisses ab. Dagegen spricht nicht, dass das Ergebnis mangels Zustimmung des Emittenten als ein nur vorläufiges anzusehen ist und nach der erforderlichen Prüfung durch die BaFin auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens (§ 108 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 107 Abs. 1 Satz 5 WpHG) durch ein anderes ersetzt werden kann, denn die schon bei Einleitung des Verfahrens erforderlichen (und die Eigenschaft der Verfahrenseinleitung als Insiderinformation mitbegründenden) Verdachtsmomente für einen nicht ganz unerheblichen Verstoß des Emittenten gegen Rechnungslegungsvorschriften (Rz. 146) haben sich im Falle der Feststellung eines Fehlers eher noch erhärtet. Allerdings kann der festgestellte Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften für sich genommen so gering sein oder so sehr vom anfänglichen Verdacht abweichen, dass das mitgeteilte Ergebnis der Prüfung nicht als kurserheblich zu betrachten ist. Ist jedoch von der Kurserheblichkeit des Ergebnisses auszugehen, ist der Aufschub seiner Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu prüfen, welcher hier nach der allgemeinen Regel für den Fall in Betracht kommt, dass die Veröffentlichung geeignet wäre, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden. 642 643 644 645
Ebenso Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 301. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 433. Auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 433. In Anlehnung an § 109 Abs. 2 Satz 3 WpHG, welcher der BaFin erlaubt, auf Antrag des Emittenten von einer Veröffentlichung des Ergebnisses der Prüfung der BaFin nach § 109 Abs. 1 WpHG abzusehen. Auch Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 302. 646 Zu § 15 WpHG a.F. ebenso Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 303. A.A. Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 137.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 250 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 250 Die Bereitschaft zur Mitwirkung an einer von der DPR eingeleiteten Prüfung selbst ist in der Regel – sofern
ihr nicht aufgrund ganz außergewöhnlicher Umstände eine besondere Signalwirkung zukommt – nicht als kurserhebliche Information zu betrachten und darf deshalb auch nicht Gegenstand einer Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 sein. Dagegen bestehen keine Bedenken, wenn der Emittent mit der Veröffentlichung des kurserheblichen Ergebnisses der Prüfung der DPR seine Nichtanerkennung desselben kundgibt.
251 Ordnet die BaFin, nachdem der Emittent sich nicht mit dem Ergebnis der Prüfung durch die DPR einver-
standen erklärt hat, eine Prüfung der Rechnungslegung an, so kann sie dies und den Grund der Anordnung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG im Bundesanzeiger bekannt machen (§ 107 Abs. 1 Satz 6 WpHG). Da die Anordnung einer Prüfung auf der zweiten Stufe eine zwangsläufige Folge der Nichtanerkennung des Prüfungsergebnisses der DPR darstellt und deshalb auch nicht als kurserheblich anzusehen ist, ist der Emittent, der das kurserhebliche Ergebnis der DPR-Prüfung mit dem Hinweis seiner Nichtanerkennung ad hoc publiziert hat, nicht verpflichtet, in einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung auch die fragliche Anordnung der BaFin in einer Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.
252 Verweigert der Emittent die Mitwirkung an einer Prüfung durch die DPR, so kann die BaFin die Prüfung
durchsetzen, indem sie gem. § 108 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 107 Abs. 1 Satz 5 WpHG nach § 107 WpHG auf zweiter Stufe eine Prüfung der Rechnungslegung anordnet, bei der sie sich nach § 107 Abs. 4 WpHG der DPR sowie anderer Einrichtungen bedienen kann. Auch diese Anordnung ist eine zwangsläufige Folge der Nichtmitwirkung an dem von der DPR eingeleiteten und grundsätzlich ad hoc zu publizierenden Enforcement-Verfahren der ersten Stufe und ist deshalb mangels Kurserheblichkeit nicht ad hoc zu publizieren. Stellt die BaFin als Ergebnis der Prüfung einen Fehler bei der Rechnungslegung fest (§ 109 Abs. 1 WpHG), so ist dieser samt den wesentlichen Teilen der Begründung der Feststellung nach § 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG unverzüglich nach Maßgabe von § 109 Abs. 2 Satz 4 WpHG zu veröffentlichen. Aus den bereits (Rz. 249) dargelegten Gründen verdrängt diese Vorschrift die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014.
253 Ergibt die Prüfung durch die BaFin keine Beanstandungen, so teilt die Behörde dies dem Unternehmen
nach § 109 Abs. 3 WpHG mit. Geht man davon aus, dass die Einleitung eines Enforcement-Verfahrens, insbesondere wegen der hierfür erforderlichen Verdachtsmomente, regelmäßig eine ad hoc zu veröffentlichende Insiderinformation ist, so wird auch der Feststellung, dass sich der Einleitungsverdacht nicht bestätigt hat, regelmäßig Kurserheblichkeit zukommen, so dass diese Information nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen ist.
8. Veröffentlichungspflichten von Kredit- und Finanzinstituten in Zusammenhang mit bankaufsichtlichem Handeln und bei Abwicklung 253a Ergänzend zum Emittentenleitfaden, Modul C, hat die BaFin Leitlinien vorgelegt, die Kredit- und Finanz-
instituten Hilfestellung bei der Bestimmung potenzieller und ad hoc zu veröffentlichender Insiderinformationen und den Aufschub der Offenlegung solcher Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 im Zusammenhang mit Maßnahmen der BaFin oder der EZB in Bezug auf die Bankaufsicht (einschließlich Aufsichtsorganisation, Sanierungsplanung und bankaufsichtliche Maßnahmen) sowie die Abwicklung geben sollen647. Wie der Emittentenleitfaden stellen die Leitlinien lediglich eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift mit allein verwaltungsinterner Bindungswirkung dar (Einl. Rz. 36, s. auch Rz. 37). Die Wichtigsten der in den Leitlinien behandelten Fallkonstellationen werden nachfolgend aufgegriffen und kommentiert. Bankaufsichtliches Handeln erfolgt durch die Aufsichtsbehörde. Das ist nach § 3 Abs. 2 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) i.V.m. § 1 Abs. 5 KWG die BaFin, soweit nicht die Europäische Zentralbank nach § 1 Abs. 5 Nr. 1 KWG im Hinblick auf die dort aufgeführten Aufgaben Aufsichtsbehörde ist. Im Hinblick auf die Abwicklung, die sich nach §§ 62 ff. SAG richtet, ist nach § 3 Abs. 1 SAG allein die BaFin Abwicklungsbehörde. Zu den Grundsätzen, nach denen die Qualifikation von Ermittlungs-, Verwaltungsund Gerichtsverfahren und von damit zusammenhängenden Vorgängen als Insiderinformationen zu erfolgen hat, s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 93f ff. Die Offenlegung von Insiderinformationen gegenüber der Aufsichts- oder Abwicklungsbehörde ist im Rahmen der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber derselben als regelmäßig rechtmäßig gem. Art. 10 Abs. 1 Halbs. 2 VO Nr. 596/2014 anzusehen (s. Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 25 und 32). Zu den Grundsätzen und speziellen bankaufsichtsbezogenen Regeln, nach de647 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten und Aufschubmöglichkeiten für Kredit- und Finanzinstitute betreffend bankaufsichtliches Handeln und Abwicklung, Stand: 31.5.2021. Zu den rechtlichen Grundlagen der Aufsicht über Kredit- und Finanzinstitute sowie für die Abwicklung derselben s. die Leitlinien, S. 2 f.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 253e Art. 17 VO Nr. 596/2014
nen ein Aufschub von der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/ 2014 als rechtmäßig zu beurteilen ist, s. Rz. 89 ff. und Rz. 131 ff. bzw. Rz. 253r. a) Aufsichtsorganisation Maßnahmen der Aufsichtsorganisation648 in Gestalt aufsichtsorganisatorischer Entscheidungen und Katego- 253b risierungen durch die BaFin stellen in der Regel keine Insiderinformationen dar. Das gilt namentlich für die Einstufung eines Kredit- und Finanzinstituts als bedeutendes Institut gem. § 1 Abs. 3c KWG oder als potenziell systemrelevantes Institut gem. § 12 KWG. Diese nicht anlassbezogene Einstufung orientiert sich nur an der systemischen Relevanz und nicht an der finanziellen Lage des Instituts, so dass sie als solche nicht kurserheblich und ad-hoc-mitteilungspflichtig sind. Das gilt auch für eine Änderung der Kategorisierung, d.h. die Abschwächung oder Intensivierung der Aufsicht. Sind solche aufsichtsinternen Organisationsmaßnahmen als solche regelmäßig nicht kurserheblich, so kann dies gleichwohl für die Umstände der Fall sein, die zu einer bestimmten aufsichtsrechtlichen Kategorisierung oder deren Änderung geführt haben. b) Sanierungsplanung Nach § 12 Abs. 1 SAG hat ein gem. § 1 SAG erfasstes Institut, sofern es davon nicht nach § 20 Abs. 1 SAG 253c befreit ist, einen Sanierungsplan649 zu erstellen, in dem es darzulegen hat, mit welchen von ihm zu treffenden Maßnahmen seine finanzielle Stabilität gesichert oder wiederhergestellt werden kann, falls ein Krisenfall eintritt, d.h. sich seine Vermögens-, Finanz- oder Ertragsentwicklung wesentlich verschlechtert und diese Verschlechterung zu einer Bestandsgefährdung führen kann. Als von jedem der vom SAG erfassten Institute geforderte Vorsorgemaßnahme ist die Aufstellung eines solchen Sanierungsplans nicht kurserheblich und löst damit auch keine Ad-hoc-Publizitätspflicht aus. Gleiches gilt für den Fall, „dass der Sanierungsplan nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Sanierungsplanung genügt und das Institut deswegen gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SAG zur Vorlage eines überarbeiteten Sanierungsplanes aufgefordert wird“, denn „die Vorlage eines Sanierungsplans, der wesentliche Mängel aufweist, lässt im Grundsatz keinen Schluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Instituts zu, so dass dieser Information regelmäßig kein erhebliches Kursbeeinflussungspotential zukommt“650. Weniger eindeutig ist dies, wenn die gem. § 13 Abs. 2 Nr. 6 SAG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 4 MaSanV von 253d einem Institut im Sanierungsplan festzulegenden und von ihm selbst laufend zu überwachenden qualitativen und quantitativen Indikatoren und die diesen entsprechenden Schwellenwerte erreicht oder überschritten werden. In diesem Fall muss das Institut spätestens dann, wenn ein Indikator den vom Institut selbst festgelegten Schwellenwert erreicht, einen sog. Eskalations- und Informationsprozess auslösen, der die Einbeziehung der Geschäftsleiterebene und eine entsprechende Information an die zuständige Aufsichtsbehörde umfasst. Mit der BaFin ist davon auszugehen, dass allein das Erreichen des Schwellenwerts eines Indikators aus dem Sanierungsplan in der Regel nicht kurserheblich ist und damit keine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation darstellt651. Anders kann es sich jedoch hinsichtlich der Umstände verhalten, die für das Erreichen oder Überschreiten eines Schwellenwerts verantwortlich sind. So können beispielsweise der Schwellenwerterreichung oder -überschreitung zugrunde liegende „bedeutsame Wertberichtigungen auf oder der Verkauf von Assets, Zahlungsmittelabflüsse oder außerordentliche Aufwendungen ... auch (bzw. zunächst) Auswirkungen auf Kapital- (z.B. CET-1-Quote), Liquiditäts- (z.B. Liquidity Coverage Ratio – LCR) oder Rentabilitätsindikatoren (z.B. Return on Equity – RoE) haben“ und damit kurserheblich sein652. c) Maßnahmen der Bankenaufsicht Die in den Leitlinien erörterten bankaufsichtlichen Maßnahmen beziehen sich erstens auf „Aufsichtsbefug- 253e nisse“ („Supervisory Powers“) im Sinne von Art. 104 CRD bzw. Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 der SSM-VO 648 Zum Folgenden BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 7 (II.1.2). 649 Zum Folgenden BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 7 ff. (II.1.3). 650 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 9 (II.1.3). 651 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 8 (II.1.3.1): „Dies gilt insbesondere dann, wenn die Eigenmittelanforderungen, die kombinierte Kapitalpufferanforderung sowie sonstige regulatorische Anforderungen vom Institut eingehalten werden und weder durch die Geschäftsleiterebene noch durch die Aufsichtsbehörde Maßnahmen ergriffen werden. Gleiches gilt für makroökonomische Indikatoren (z.B. Veränderungen des Bruttoinlandsproduktes – BIP) und Kapitalindikatoren (z.B. Veränderungen bei der CET-1Quote), die das Institut zunächst nur mittelbar betreffen. Ob der Schwellenwert eines solchen Indikators erreicht wird oder nicht, hängt darüber hinaus von der jeweiligen Kalibrierung des Schwellenwerts durch die Institute ab“. 652 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 8 (II.1.3.1).
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 253e | Veröffentlichung von Insiderinformationen sowie „Maßnahmen zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung und der Liquidität“ nach § 45 KWG und zweitens auf „Frühzeitiges Eingreifen“ („Early intervention measures“) nach Art. 27 ff. BRRD bzw. „Frühinterventionsmaßnahmen“ gem. §§ 36 ff. SAG. Im Hinblick auf die hier maßgeblichen Aufsichtsbefugnisse der Bankenaufsicht der BaFin gem. § 45 KWG unterscheidet diese nach Stadium bzw. Intensität der Tatbestandsverletzung drei Stufen: (1) Vorfeldmaßnahmen (vgl. insb. § 45 Abs. 2 Nr. 1–4 KWG), (2) Präventive Maßnahmen (vgl. insb. § 45 Abs. 1 Alt. 2 KWG) und (3) Maßnahmen bei Verletzung aufsichtlicher Vorgaben (vgl. insb. § 45 Abs. 1 Alt. 1 KWG)“653. Hinzu kommen Frühinterventionsmaßnahmen. aa) Vorfeldmaßnahmen 253f Die Anordnung einer Vorfeldmaßnahme nach § 45 Abs. 2 Nr. 1–4 KWG654 erlaubt „noch keinen konkreten
Rückschluss auf eine bereits eingetretene oder unmittelbar bevorstehende erhebliche Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage“, denn „ein aufsichtliches Einschreiten durch die BaFin ist über § 45 KWG bereits möglich, wenn Unterschreitungen der in der Vorschrift genannten aufsichtsrechtlichen Anforderungen aus der CRR, dem KWG oder dem SAG drohen [und] muss dafür auf die Prognose gestützt werden, ob im konkreten Einzelfall eine Negativentwicklung eintreten könnte und bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit aus diesem Grund mit einem Unterschreiten der Mindestanforderungen zu rechnen ist“. Das rechtfertigt den Schluss, dass der Erlass einer Vorfeldmaßnahme als solcher „ohne Hinzutreten weiterer Umstände in der Regel keine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation“ darstellt655.
253g Art. 16 Abs. 2 lit. j bzw. l VO (EU) Nr. 1093/2010 (SSM-VO)656 erlaubt der EZB, zusätzliche Meldepflichten
oder eine häufigere Meldung u.a. zur Eigenmittel- und Liquiditätslage eines Instituts vorzuschreiben bzw. ergänzende Informationen zu verlangen. Die Ausübung dieser Befugnisse als solche ist – wie die vorstehend behandelten Vorfeldmaßnahmen der BaFin und weil diese Maßnahmen „häufig noch vor einer eingetretenen Verletzung von aufsichtlichen Bestimmungen“ ergehen – ohne Hinzutreten weiterer Umstände in der Regel keine ad-hoc-pflichtige Insiderinformation657. Entsprechendes gilt für die Ausübung der in Art. 16 Abs. 2 lit. b VO (EU) Nr. 1093/2010 (SSM-VO) genannten Befugnis der EZB, „von einem Institut eine Verstärkung der Regelungen, Verfahren, Mechanismen und Strategien verlangen“, denn diese Regelung zielt auf „institutsinterne Prozesse, Organisationsrichtlinien und Strategien ab“658. In beiden Fällen ist jedoch die Kurserheblichkeit der Ereignisse zu prüfen, die zu den Vorfeldmaßnahmen der EZB geführt haben.
bb) Präventive Maßnahmen 253h Die Bankaufsicht – die BaFin oder die EZB nach § 45 Abs. 1 Alt. 2 KWG oder Art. 16 VO Nr. 1024/2013
(Rz. 253g) – ergreift präventive Maßnahmen bereits dann, wenn eine auf der Grundlage ihrer Erkenntnisse angestellte Prognose ergibt, dass sich bei einem Institut „bei ungehindertem Fortgang auch über einen langen Zeitraum möglicherweise ein Krisenfall [Rz. 253c] ergeben könnte“659. Bei diesen Maßnahmen handelt es um solche, die selbst erhebliche Auswirkungen auf die zukünftige Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens haben können (die BaFin führt als Beispiel ein Kreditverbot nach § 45 Abs. 2 Nr. 8 KWG an), sofern „diese sich durch die Maßnahme ergebenden Auswirkungen noch nicht der Markterwartung entsprechen“, wobei diese Maßnahmen Insiderinformationen aber auch deshalb sein können, weil sie „– losgelöst von einer Änderung des Unternehmenswertes – auf den Kurs des Finanzinstruments erheblich einwirken, wie etwa die Untersagung, Gewinne auszuschütten“660. 653 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 9 II.1.4.1). 654 Liegen die Voraussetzungen nach § 45 Abs. 1 Nr. 1–6 KWG vor, ist die BaFin nach § 45 Abs. 2 Nr. 1–4 KWG berechtigt, „von einem Institut eine Darstellung der Geschäftsentwicklung (Nr. 1), einen Bericht über Maßnahmen zur Abschirmung oder Reduzierung von Risiken (Nr. 2), einen Bericht über geeignete Maßnahmen zur Erhöhung des Kernkapitals, der Eigenmittel und der Liquidität (Nr. 3) oder die Entwicklung und Vorlage eines Konzeptes zur Abwendung einer möglichen Gefahrenlage (Nr. 4) zu verlangen“; BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 10 (II.1.4.1.1 a.). 655 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 10 (II.1.4.1.1 a.). 656 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 vom 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. EU Nr. L 287 v. 29.10.2013, S. 63. 657 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 10 (II.1.4.1.1 b.). 658 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 10 (II.1.4.1.1 c.). 659 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 11 (II.1.4.1.2). „In der praktischen Anwendung“, schreibt die BaFin (ebd.), „ergehen präventive Maßnahmen regelmäßig nach § 45 Abs. 1 2. Alt. KWG (Tatbestandsvariante der drohenden Nichteinhaltung von aufsichtlichen Vorgaben; „[...] zukünftig voraussichtlich nicht erfüllen wird“) oder innerhalb des Art. 16 beispielsweise gemäß Art. 16 Abs. 2 Buchst. f) oder Buchst. g) SSM-VO“ (Rz. 253g). 660 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 11 (II.1.4.1.2).
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 253k Art. 17 VO Nr. 596/2014
cc) Maßnahmen bei Verletzung aufsichtlicher Vorgaben Liegt eine Verletzung von aufsichtlichen Anforderungen vor und werden nach § 45 Abs. 1 Alt. 1 KWG oder 253i nach Art. 16 Abs. 2 lit. e VO (EU) Nr. 1024/2013 (Rz. 253g) Maßnahmen gegen das betreffende Institut verhängt, so wird es sich bei diesen regelmäßig, aber (wie etwa im Falle von Maßnahmen „nach Art. 16 Abs. 2 Buchst. b), Buchst. j) und Buchst. l) SSM-VO 596/2014“) nicht immer661, um solche handeln, die einen Eingriff in das operative Geschäft des Instituts darstellen und damit Auswirkungen auf die zukünftige Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Instituts haben oder auf andere Weise auf den Kurs des Finanzinstruments einwirken. Sind die aufgrund dieser Maßnahmen zu erwartenden Auswirkungen oder Kurseinwirkungen erheblich, stellt die Information über solche Maßnahmen eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation dar662. Wiederum können auch die Umstände, die die BaFin oder die EZB zu solchen Maßnahmen veranlasst haben, ihrerseits als ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation anzusehen sein. dd) Frühinterventionsmaßnahmen Frühinterventionsmaßnahmen sind solche, die die Aufsichtsbehörde nach §§ 36 ff. Sanierungs- und Abwick- 253j lungsgesetz (SAG), namentlich nach § 36 Abs. 1 Satz 3 SAG, unter den Voraussetzungen von § 36 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SAG ergreifen kann. Diese Vorschrift bestimmt: „Verschlechtert sich die Finanzlage eines Instituts, insbesondere auf Grund seiner Liquiditätssituation, auf Grund seiner Fremdkapitalquote oder auf Grund von Kreditausfällen oder Klumpenrisiken, signifikant und verstößt ein Institut hierdurch gegen die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013, gegen Vorschriften des Kreditwesengesetzes oder einen der Artikel 3 bis 7, 14 bis 17 und 24, 25 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84), kann die Aufsichtsbehörde, unbeschadet ihrer Befugnisse nach dem Kreditwesengesetz, gegenüber dem Institut Maßnahmen anordnen, die geeignet und erforderlich sind, um die signifikant verschlechterte wirtschaftliche Situation des Instituts zu verbessern. Gleiches gilt, wenn dem Institut nach einer Bewertung der maßgeblichen Umstände, einschließlich der Eigenmittelanforderungen des Instituts zuzüglich 1,5 Prozentpunkten, in naher Zukunft eine Verschlechterung seiner Finanzlage nach Satz 1 droht“. Dabei geht es um Maßnahmen unterschiedlicher Eingriffsintensität663. So kann die Aufsichtsbehörde etwa – neben der Untersagung, Gewinne auszuschütten – nach § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. e SAG von der Geschäftsleitung des Instituts verlangen, die Geschäftsstrategie sowie die rechtlichen und operativen Strukturen zu ändern, und dadurch die Ausrichtung eines Instituts – mit erheblichen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Instituts – erheblich modifizieren. In diesen Fällen würde die Frühinterventionsmaßnahme als solche eine Insiderinformation darstellen. Das wird man, umgekehrt, nicht annehmen können, wenn die Aufsichtsbehörde nach § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 lit. c SAG von der Geschäftsleitung des Instituts lediglich verlangt, eine Analyse der Situation vorzunehmen und einen Plan zur Überwindung bestehender Probleme einschließlich eines Zeitplans zu erstellen. d) Abwicklung Die Abwicklung eines Instituts mit den in § 67 SAG genannten Abwicklungszielen664 hat nach § 62 Abs. 1 253k Nr. 1–3 SAG665 als Abwicklungsvoraussetzung, dass 1. das Institut i.S.v. § 63 SAG in seinem Bestand gefährdet ist, 2. die Durchführung einer Abwicklungsmaßnahme zur Erreichung eines oder mehrerer Abwicklungsziele erforderlich und verhältnismäßig ist und wenn dies bei einer Liquidation des Instituts im Wege 661 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 12 (II.1.4.1.3). 662 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 11 (II.1.4.1.3). 663 Zu den nachfolgenden Beispielen BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 12 (II.1.4.1.2). 664 Abwicklungsziele sind nach § 67 Abs. 1 SAG „1. die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen; 2. die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, beispielsweise von Finanzmarktinfrastrukturen, und durch die Erhaltung der Marktdisziplin; 3. der Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln; 4. der Schutz der unter das Einlagensicherungsgesetz fallenden Einleger und der unter das Anlegerentschädigungsgesetz fallenden Anleger; 5. der Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden“. Die Ziele sind gem. § 67 Abs. 2 SAG grundsätzlich („vorbehaltlich anderer Bestimmungen“) gleichrangig. 665 Zu Besonderheiten bei der Prüfung der Abwicklungsvoraussetzungen im Hinblick zum einen auf ein Finanzinstitut, das nachgeordnetes Unternehmen eines auf konsolidierter Basis beaufsichtigten übergeordneten Unternehmens ist, bzw. zum anderen eine Finanzholding-Gesellschaft, eine gemischte Finanzholding-Gesellschaft, eine gemischte Holdinggesellschaft, eine Mutterfinanzholding-Gesellschaft in einem Mitgliedstaat, eine EUMutterfinanzholding-Gesellschaft, eine gemischte Mutterfinanzholding-Gesellschaft in einem Mitgliedstaat oder eine gemischte EU-Mutterfinanzholding-Gesellschaft s. § 64 Abs. 1 bzw. 2 SAG.
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 253k | Veröffentlichung von Insiderinformationen eines regulären Insolvenzverfahrens nicht im selben Umfang der Fall wäre und 3. die Bestandsgefährdung sich innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitrahmens nicht ebenso sicher durch andere Maßnahmen als durch Abwicklungsmaßnahmen beseitigen lässt, wobei als andere Maßnahmen die in § 62 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 lit. a–c SAG genannten in Betracht kommen. aa) Erstellung eines Abwicklungsplans 253l Die einer Abwicklung vorausgehenden Maßnahmen – d.h. der für jedes Institut nach Maßgabe von §§ 40 ff.
SAG zu erstellende und zu aktualisierende Abwicklungsplan sowie die nach Maßgabe von §§ 57 ff. SAG erforderliche Prüfung der Abwicklungsfähigkeit eines Instituts – stellen, auch wenn sie institutsspezifisch erfolgen, als nicht anlassbezogene Maßnahmen regelmäßig keine Insiderinformationen dar. Das gilt auch im Hinblick auf die bei der Erstellung des Abwicklungsplans bekanntwerdenden Tatsachen, die ein zu erwartendes Abwicklungshindernis darstellen und vom Institut nach § 59 SAG zu beseitigen sind. Weder die diesbezügliche Aufforderung der Abwicklungsbehörde (§ 59 Abs. 1 SAG) noch die Vorschläge des Instituts zum Abbau der Hindernisse nach § 59 Abs. 2 SAG sind hier, ungeachtet der Schwere der Hindernisse, als Insiderinformationen zu qualifizieren, sondern allein die möglicherweise nicht öffentlichen bekannten und als Hindernisse (mehr oder weniger unproblematisch) zu beseitigenden Tatsachen666. Dabei wird aber auch „die alleinige Tatsache des Vorliegens eines (möglichen) Abwicklungshindernisses in der Regel keine ad-hocpflichtige Insiderinformation darstellen“667. bb) Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten
253m Bevor eine Abwicklungsanordnung nach § 137 SAG mit dem sich aus § 136 SAG ergebenden Inhalt erlassen
wird, stellt die Abwicklungsbehörde nach § 69 Abs. 1 SAG sicher, dass nach Maßgabe der §§ 69 bis 75 SAG eine angemessene und vorsichtige (zumindest vorläufige) Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder des gruppenangehörigen Unternehmens durch einen unabhängigen, sachverständigen Prüfer vorgenommen wird, um so eine Grundlage für die Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen sowie die Ermittlung der Abwicklungsstrategie und der anzuwendenden Abwicklungsinstrumente (zu den Zwecken der Bewertung s. § 71 SAG) zu erhalten. Die der Bewertung zugrunde liegenden Tatsachen dürften regelmäßig öffentlich bekannt sein. Soweit dies nicht der Fall ist, können sie – wenn sie kurserheblich sind – unabhängig von ihrer Bewertung durch die BaFin, Insiderinformationen darstellen, deren Veröffentlichung durch das Institut gegebenenfalls nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 4 oder Abs. 5 VO Nr. 596/2014 aufzuschieben ist. Die Bewertung durch die BaFin, die als solche nach § 69 Abs. 2 SAG nur im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Abwicklungsmaßnahme oder der Anwendung des Instruments der Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente gerichtlich überprüft werden kann, stellt als abwicklungsvorbereitende Handlung einen den Emittenten unmittelbar betreffende Information dar, die im Falle ihrer Kurserheblichkeit als Insiderinformation anzusehen ist668. Letzteres wird vor allem dann der Fall sein, wenn sie zu einem Befund kommt, der von eventuellen entsprechenden Markterwartungen erheblich abweicht. Solange sie dem Institut jedoch nicht zur Kenntnis gelangt, besteht aber auch in diesem Falle keine Ad-hoc-Publizitätspflicht. Gelangt sie dem Institut als nicht öffentlich bekannte Information zu Kenntnis, kommt eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 in Betracht. Einer „Aufforderung der Abwicklungsbehörde zur Datenübermittlung oder zum Aufsetzen eines Datenraums“ als solcher kommt „regelmäßig kein eigenständiger Insiderinformationsgehalt zu und stellt somit keine neue Insiderinformation dar“669.
cc) Feststellung der Bestandsgefährdung 253n Umstände, die nach den Feststellungen der Aufsichtsbehörde oder Abwicklungsbehörde nach § 63 Abs. 2,
§ 138 Abs. 2 ff., § 139 SAG, namentlich nach einer entsprechenden Mitteilung des Instituts nach § 138 Abs. 1 SAG, eine Bestandsgefährdung oder eine drohende Bestandsgefährdung begründen, stellen regelmäßig In666 I.E. wohl ebenso, aber nicht präzise zwischen Maßnahmen und zugrunde liegenden Tatsachen differenzierend, BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 14 (II.3.2): „Falls bei der Erstellung des Abwicklungsplanes Tatsachen bekannt werden, die ein zu erwartendes Abwicklungshindernis darstellen, ist für die Frage des Vorliegens einer ad-hoc-pflichtigen Insiderinformation darauf abzustellen, welches Gewicht bzw. welche wirtschaftlichen Folgen eine Beseitigung für das Institut hat“. 667 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 14 (II.3.2). 668 Auch die BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 14 (II.3.2 Fn. 24), sieht in den „Erkenntnissen“, die sie aus den übermittelten oder über den aufgesetzten Datenraum erlangt hat, eine mögliche Insiderinformation, da diese „Erkenntnisse ... die Entscheidungsgrundlage für die präferierte Abwicklungsstrategie und die anzuwendenden Abwicklungsinstrumente bilden“. 669 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 14 (II.3.2).
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 253r Art. 17 VO Nr. 596/2014
siderinformationen dar und sind vom Institut nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ad hoc zu veröffentlichen oder im Hinblick auf die Prüfung eines Abwicklungsverfahrens vom Institut nach Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 von der Offenlegung auszunehmen670. Während dem „alleinigen Umstand, dass die Behörde eine Bestandsgefährdung prüft, ... regelmäßig kein eigenständiger Insiderinformationsgehalt“ zukommt, so dass dieser „keine neue Insiderinformation“ darstellt, ist die „Feststellung durch die Behörde, dass eine Bestandsgefährdung vorliegt, ... in der Regel ... eine Insiderinformation nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) MAR“671. Als behördeninterner Vorgang, der ohne Anhörung des Instituts erfolgt, und diesem regelmäßig erst bei der Veröffentlichung Abwicklungsanordnung (§§ 137, 140 Abs. 4 SAG) bekannt wird, löst dies allerdings keine Ad-hoc-Publizitätspflichten aus. dd) Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen Auch die Prüfung und Feststellung des Vorliegens der Abwicklungsvoraussetzungen ist ein rein behörden- 253o interner, ohne Anhörung des Instituts erfolgender Vorgang, dem regelmäßig kein eigenständiger Insiderinformationsgehalt zukommt und der somit keine neue Insiderinformation darstellt672. ee) Erlass einer Abwicklungsanordnung Eine Abwicklungsanordnung ergeht in Form einer Allgemeinverfügung (§ 137 Abs. 1 Satz 1 SAG) mit dem 253p sich aus § 138 SAG ergebenden Inhalt. Gemäß § 140 Abs. 4 SAG veröffentlichen die Abwicklungsbehörde und die Aufsichtsbehörde auf ihrer Internetseite die Abwicklungsanordnung oder eine Bekanntmachung, in der die Auswirkungen der Abwicklungsmaßnahme, insbesondere in Bezug auf die Einleger und etwaige Anordnungen nach den §§ 82 bis 84 SAG zusammengefasst werden. Nach § 140 Abs. 5 Satz 1 SAG informiert die Abwicklungsbehörde auch das in Abwicklung befindliche Institut oder gruppenangehörige Unternehmen sowie das übergeordnete Unternehmen der Gruppe. Kraft ausdrücklicher Regelung in § 140 Abs. 5 Satz 3 SAG gelten die nach § 140 Abs. 4 SAG zu veröffentlichenden Informationen als zu veröffentlichende Insiderinformationen im Sinne des Art. 17 VO Nr. 596/2014, müssen also ungeachtet der Veröffentlichung durch die Abwicklungs- und die Aufsichtsbehörde auch vom Institut ad hoc veröffentlicht werden. Dabei besteht keine Möglichkeit des Aufschubs der Veröffentlichung der Abwicklungsanordnung nach Art. 17 Abs. 4 oder Abs. 5 VO Nr. 596/2014. Das folgt schon daraus, dass die Veröffentlichungspflicht des Instituts nach § 140 Abs. 5 Satz 3 SAG neben derjenigen durch die Abwicklungs- und die Aufsichtsbehörde besteht, diese von einem Aufschub der Veröffentlichung durch das Institut nicht erfasst würde und somit die Geheimhaltung der Insiderinformation nicht wie nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. c oder Abs. 5 lit. d VO Nr. 596/2014 erforderlich gewährleistet werden könnte673. ff) Unternehmensveräußerung im Rahmen einer Abwicklungsanordnung Zu den in §§ 89 ff. SAG vorgesehenen Abwicklungsinstrumenten gehört das Instrument der Veräußerung des 253q Unternehmens des Instituts nach § 126 SAG. Beabsichtigt die Abwicklungsbehörde von diesem Instrument Gebrauch zu machen, leitet sie nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SAG rechtzeitig vor Erlass der Abwicklungsanordnung einen Vermarktungsprozess ein, hinsichtlich dessen sie – nach § 126 Abs. 2 Satz 2 SAG, vorbehaltlich § 126 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SAG – gezielt an bestimmte potenzielle Erwerber herantreten kann. Die Einleitung des Vermarktungsprozesses kann – je nach den Umständen des Einzelfalls im Hinblick auf die Beurteilung der Kurserheblichkeit dieser Maßnahmen – eine Insiderinformation darstellen. Ist das, was die Regel sein dürfte, der Fall, ist sie Insiderinformation sowohl für den informierten potenziellen Erwerber als auch für das Institut. Für den letzteren Fall bestimmt § 126 Abs. 2 Satz 3 SAG, dass das Institut die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nach Maßgabe von Art. 17 Abs. 4 oder Abs. 5 VO Nr. 596/2014 aufschieben kann.
e) Aufschub der Offenlegung Hinsichtlich des Aufschubs der Offenlegung einer Insiderinformation durch ein Institut kommen sowohl 253r Art. 17 Abs. 4 als auch Abs. 5 VO Nr. 596/2014 in Betracht (Rz. 131). Diesbezüglich gibt es eine Ein-
670 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 15 (II.3.4.1): „Die konkreten Umstände bzw. die zugrundeliegenden Ereignisse auf Seiten des Instituts, welche zu einer wesentlichen Verschlechterung der Finanzlage oder dem Verstoß gegen erlaubnisrelevante Auflagen durch das Institut führen und damit eine Bestandsgefährdung und die Möglichkeit der Abwicklung herbeiführen können, stellen in der Regel ad-hoc-pflichtige Insiderinformationen dar“. 671 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 15 (II.3.4.1). 672 BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 16 (II.3.4.2). 673 Ebenso BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 17 (III.1.).
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 253r | Veröffentlichung von Insiderinformationen schränkung nur insoweit als einem Institut nach nicht erteilter Zustimmung der zuständigen Behörde zu einer Aufschiebung der Offenlegung nach Art. 17 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 der Aufschub nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 versagt ist (Rz. 134). Zu den jeweiligen Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufschubs s. Rz. 89 ff. und 131 ff. 253s Von den Gründen, die einen Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation aufgrund eines „be-
rechtigten Interesses des Emittenten“ nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 WpAV rechtfertigen (Rz. 101 ff.) kommt im Zusammenhang mit bankaufsichtlichem Handeln und der Abwicklung eines Instituts vor allem der in Betracht, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Veröffentlichung der Insiderinformation einerseits den Erfolg, den Eintritt oder die Durchführbarkeit des Ereignisses, auf das sich die Insiderinformation bezieht, gefährden oder andererseits den Eintritt bzw. die Herbeiführung von für den Emittenten negativer, aber durch geeignete Maßnahmen abwendbarer konkreter Ereignisse bzw. Umstände herbeiführen würde und dem Emittenten daraus ein nicht unerheblicher Nachteil entstünde (Rz. 106). Solche berechtigten Interessen bestehen im Falle bankaufsichtlichen Handelns und der Abwicklung eines Instituts regelmäßig im Hinblick auf finanzielle Probleme eines Instituts. Diesbezüglich „besteht ein berechtigtes Interesse am Aufschub regelmäßig dann, wenn die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten stark und unmittelbar gefährdet – auch wenn er noch nicht unter das geltende Insolvenzrecht fällt – ist, und die unverzügliche Bekanntgabe von Insiderinformationen die Interessen der vorhandenen und potenziellen Aktionäre erheblich beeinträchtigen würde, indem der Abschluss der Verhandlungen gefährdet würde, die eigentlich zur Gewährleistung der finanziellen Erholung des Emittenten gedacht sind“674. Zusätzlich weist die BaFin unter Bezugnahme auf eine ESMA-Guideline (s. dazu schon Rz. 113) darauf hin, dass ein berechtigtes Interesse für einen Aufschub auch bei Maßnahmen bestehen kann, die zunächst nur der kurzfristigen finanziellen Erholung dienen, weshalb Institute, die Adressaten aufsichtlicher Vorgaben und Maßnahmen sind, „bereits in einem frühen Stadium prüfen [können], inwieweit eine Aufschubmöglichkeit in Betracht kommt“. Präventive Maßnahmen (Rz. 253h), Maßnahmen bei Verletzung aufsichtlicher Vorgaben (Rz. 253i) und Frühinterventionsmaßnahmen (Rz. 253j) können auch dann ergehen, wenn noch kein Krisenfall eingetreten oder absehbar ist, so dass sie regelmäßig keine Insiderinformationen darstellen. Ist das aufgrund besonderer Umstände gleichwohl anzunehmen, „kann nach Auffassung der BaFin auch hier ein berechtigtes Interesse anzunehmen sein, etwa wenn die Aufsichtsmaßnahme als solche bei Bekanntwerden nicht oder nur schwer durchführbar wäre oder ihren Charakter als Unterstützungsmaßnahme verlieren würde“675. Bei Zweifeln darüber, ob die jeweilige Maßnahme eine Insiderinformation darstellt, kommt im Übrigen eine vorsorgliche Veröffentlichung oder ein vorsorglicher Aufschub der Veröffentlichung in Betracht (Rz. 90, 93). Im Übrigen „kann nach Auffassung der BaFin ein berechtigtes Interesse am Aufschub dann bestehen, wenn Maßnahmen zur Behebung der finanziellen Schwierigkeiten wie etwa bei einem Unterschreiten der harten Kapitalanforderung [i.e. das harte Kernkapital i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 30a SAG] der Zustimmung eines Dritten, insbesondere der Aufsicht, bedürfen“676.
253t Zum Aufschubgrund „Wahrung der Stabilität des Finanzsystems“ für Kreditinstitute oder Finanzinstitute
(Art. 17 Abs. 5 und 6 VO Nr. 596/2014) kann, auch im Hinblick auf die Besonderheiten bankaufsichtlichen Handelns und Abwicklung auf die Ausführungen in Rz. 131 ff. verwiesen werden.
III. Pflicht von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) 254 Neben den Emittenten von Finanzinstrumenten sind nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 auch
Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate zur Veröffentlichung bestimmter Insiderinformationen verpflichtet. Sie sind mit der Marktmissbrauchsverordnung erstmals zu Adressaten einer Ad-hoc-Publizitätspflicht geworden. Das wiederum ist darauf zurückzuführen, dass erst mit der Marktmissbrauchsverordnung Emissionszertifikate nebst anderen auf diesen beruhenden Auktionsobjekten oder Derivaten zu Finanzinstrumenten (Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 RL 2014/65/EU; s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.) und damit zum Gegenstand des Insiderrechts wurden (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 100). Art. 17 VO Nr. 596/2014 enthält Sondervorschriften für die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate namentlich im Hinblick auf die Bestimmung der publizitätspflichtigen Teilnehmer und die von ihnen ad hoc zu publizierenden Informationen, unterwirft sie aber im Hinblick auf die Veröffentlichung von 674 Ebenso BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 17 (III.1, Hervorhebung hinzugefügt), S. 19 (III.2.1). 675 Ebenso BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 18 (III.1.). 676 Ebenso BaFin, Leitlinien zur Bestimmung allgemeiner Kriterien für Ad-hoc-Publizitätspflichten, S. 18 (III.1.).
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 257 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Insiderinformationen weitgehend gleichen Anforderungen. Deshalb kann bei der Darstellung der Pflicht von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate zur Veröffentlichung von Insiderinformationen überwiegend auf die für Emittenten geltenden Vorschriften Bezug genommen werden. Über die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 hinaus gilt auch für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen, deren Offenlegung aufgeschoben wurde und deren Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet ist (Rz. 262 ff.) sowie die Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 bei befugter Weitergabe einer Insiderinformation677.
1. Adressat der Veröffentlichungspflicht (Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) Der Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unterliegen Teilnehmer am 255 Markt für Emissionszertifikate. Bei diesen handelt es sich um Personen, die an dem – auf der Grundlage der mehrfach geänderten RL 2003/87/EG678 geschaffenen – europäischen Emissionshandel teilnehmen, das heißt einem Markt, auf dem zertifizierte Berechtigungen für die Emission von Treibhausgasen – Emissionszertifikate – gehandelt werden, ohne die bestimmte Unternehmen bei den nach Anhang I dieser Richtlinie beschriebenen Tätigkeiten Treibhausgase der in Anhang Insiderinformationen dieser Richtlinie angeführten Art nicht oder nur unterhalb einer bestimmten Menge freisetzen dürfen. Betroffen hiervon waren zunächst im Wesentlichen nur Unternehmen der Energiewirtschaft und Schwerindustrie. Seit 2012 ist auch der innereuropäische Luftverkehr in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der EU (European Union Emissions Trading System, EU ETS) einbezogen679. Vor diesem Hintergrund definiert Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014 als Teilnehmer am Markt für 256 Emissionszertifikate Personen, die Geschäfte, einschließlich der Erteilung von Handelsaufträgen, mit Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten oder Derivaten betreiben, und die nicht unter die Ausnahme von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 fallen. Durch den in Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Einschub „Insiderinformationen in Bezug auf ihm gehörende Emissionszertifikate für seine Geschäftstätigkeit“ ist nach Darlegung der BaFin klargestellt, dass lediglich solche Teilnehmer zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichtet sind, die Anlagen oder Luftverkehrstätigkeiten betreiben, wozu „unter Umständen ... auch (rechtlich selbständige) Handelseinheiten gehören [können], wenn sie einem Unternehmen mit Tätigkeiten i.S.d. RL 2003/87/EG zugehörig sind“680. Außer Frage steht, dass sonstige Marktteilnehmer, wie etwa Kreditinstitute oder Broker, den Vorgaben des Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 nicht unterliegen681. Emissionszertifikate sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014 Emissionszertifikate i.S.v. Anhang I Abschnitt C Nr. 11 RL 2014/65/EU (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2 ff.) und damit um solche nach Art. 3 lit. a RL 2003/87/EG (s. Rz. 255 und Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 28), d.h. um Zertifikate, die zur Emission (Freisetzung) von Treibhausgasen (Art. 3 lit. c dieser Richtlinie) in die Atmosphäre aus Quellen einer Anlage (Art. 3 lit. e dieser Richtlinie682) von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent (Art. 3 lit. j dieser Richtlinie) in einem bestimmten Zeitraum berechtigen. Als Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unterliegen der Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 257 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nur solche Unternehmen, denen selbst Emissionszertifikate gehören und nicht etwa auch bloße Interessenten am Erwerb von Emissionszertifikaten. Aber auch die nach vorstehender Vorschrift veröffentlichungspflichtigen Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unterliegen ei677 BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 4. 678 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2002 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft [...], ABl. EU Nr. L 275 v. 25.10.2003, S. 32; umgesetzt durch Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft vom 8.7.2004, BGBl. I 2004, 1578; Änderungen durch: Richtlinie 2008/ 101/EG vom 19.11.2008, ABl. EU Nr. L 8 v. 13.1.2009, S. 3; Richtlinie 2009/29/EG vom 23.4.2009, ABl. EU Nr. L 140 v. 5.6.2009; Verordnung (EG) Nr. 219/2009 vom 11.3.2009, ABl. EU Nr. L 87 v. 31.3.2009, S. 109. 679 Richtlinie 2008/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. EU Nr. L 8 v. 13.1.2009, S. 3. 680 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.3 S. 32; schon BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 1. 681 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.3 S. 32. 682 Eine „Anlage“ ist nach dieser Richtlinienbestimmung „eine ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang I genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten durchgeführt werden, die mit den an diesem Standort durchgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können“.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 257 | Veröffentlichung von Insiderinformationen ner Veröffentlichungspflicht gem. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 nur, wenn die Emissionen der Anlagen oder Luftverkehrstätigkeiten in ihrem Besitz, unter ihrer Kontrolle oder ihrer Verantwortlichkeit bestimmte Schwellenwerte überschreiten, nämlich im Vorjahr die Kohlendioxidäquivalent-Mindestschwelle von 6 Mio. Tonnen pro überschritten haben und, sofern dort eine Verbrennung erfolgt, deren thermische Nennleistung die Mindestschwelle von 2.430 MW (Megawatt) überschreitet. Nach Erwägungsgrund 14 DelVO 2016/522 (Rz. 16) der Kommission vom 17.12.2015 (Rz. 16) sind die Schwellenwerte kumulativ zu berücksichtigen, d.h. dass die Überschreitung eines der beiden Schwellenwerte genügt, um Veröffentlichungspflichten nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 auszulösen683. Hinsichtlich des CO2-Ausstoßes der Unternehmen, so führt die BaFin aus, sei eine „Vorjahresbetrachtung (1. Jan. bis 31. Dez.)“ vorzunehmen, da es sich hierbei um die über ein Jahr hinweg kumulierten Emissionen handele, die von den Anlagen regelmäßig ermittelt würden684. Die Jahreswerte von 2017 seien dabei für Veröffentlichungen zwischen dem 1.5.2018 und 30.4.2019 heranzuziehen; für Veröffentlichungen zwischen dem 3.1. und 30.4.2018 seien entsprechend die Werte des Jahres 2016 zugrunde zu legen, für Veröffentlichungen ab dem 1.5.2019 die des Jahres 2018. In Bezug auf den Schwellenwert der thermischen Nennleistung (Feuerungswärmeleistung – FWL) sei hingegen eine Stichtagsbetrachtung zum 31.12. des Vorjahres vorzunehmen. Zu unterscheiden sei zwischen der technisch möglichen und der tatsächlich genehmigten FWL. Die BaFin geht von einer Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 aus, sobald entweder der technisch mögliche oder die tatsächlich genehmigte FWL die Schwelle von 2.430 MW überschreitet, weshalb der jeweils geringere Wert entscheidend ist685. 257a Die vorstehend angeführten Schwellenwerte hat die Kommission, entsprechend ihrer Ermächtigung in
Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014, in Art. 5 Nr. 1 DelVO 2016/522 (Rz. 16) festgelegt. Dabei stellt sie in Art. 5 Nr. 2 DelVO 2016/522 (Rz. 16) klar, dass die Mindestschwellen auf Konzernebene gelten und sich auf alle Geschäftstätigkeiten beziehen, einschließlich Luftverkehrstätigkeiten oder Anlagen, die der betreffende Akteur des Emissionszertifikate-Marktes, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen besitzt oder kontrolliert und für dessen betriebliche Angelegenheiten der Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen vollständig oder teilweise verantwortlich ist. Mit der Festlegung der Schwellenwerte, sollen – in den Worten des Erwägungsgrunds 51 Satz 2 VO Nr. 596/2014 – die Offenlegungspflichten „auf diejenigen Betreiber im Rahmen des EU-EHS [gemeint EU-ETS] zu beschränken, von denen aufgrund ihrer Größe und Tätigkeit zu erwarten ist, dass sie den Preis von Emissionszertifikaten, darauf beruhenden Auktionsobjekten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten und das Bieten in den Versteigerungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 erheblich beeinflussen können“, um so dem Markt eine nutzlose Berichterstattung zu ersparen und die Kosteneffizienz der vorgesehenen Maßnahme zu wahren.
257b Auch wenn Adressat der Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 der am Markt für
Emissionszertifikate teilnehmende Inhaber der Zertifikate ist (Rz. 256 f.), soll sich der Marktmissbrauchsverordnung nach Verlautbarungen der BaFin nicht entnehmen lassen, dass diese Veröffentlichungspflicht bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen nicht delegiert werden dürfte686. Ein entsprechendes Verbot erscheine auch nach Sinn und Zweck nicht geboten. Zu den Einzelheiten schreibt die BaFin: „Damit dürfte es im Grundsatz zulässig sein, dass eine Tochtergesellschaft, die Zertifikate besitzt und deren Anlagen in relevanter Weise betroffen sind, die Veröffentlichungspflicht auf die Konzernmutter delegiert. Dabei dürfte dann auch unerheblich sein, ob die Konzernmutter selbst Marktteilnehmerin ist oder nicht. Da das Mutterunternehmen aber nicht originäre Adressatin des Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 ist, muss dieses bei der Veröffentlichung dann klarstellen, für wen es diese Veröffentlichungspflicht erfüllt. Liegen Insiderinformationen für mehrere (Tochter-)Gesellschaften vor, sind auch mehrere Mitteilungen zu veröffentlichen. Delegiert werden kann lediglich die tatsächliche Veröffentlichung; dies darf allerdings nicht dazu führen, dass nur eine zusammenfassende Mitteilung für mehrere Normadressaten veröffentlicht wird. Daneben bleibt aber auch in diesem Fall bei Verstößen ggf. eine eigene Verantwortlichkeit der Tochter bestehen.“687 Die Annahme der Möglichkeit einer Pflichtendelegation erscheint zweifelhaft, kann sich der nach Art. 17 Abs. 1 bzw. 2 VO Nr. 596/2014 Veröffentlichungspflichtige zwar bei der Erledigung seiner Pflichten der Hilfe Dritter bedienen, doch bleibt er dabei selbst der Veröffentlichungspflichtige.
683 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.3 S. 32; schon BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 1/2. 684 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.3 S. 32; schon BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 2; ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation, Q11.1/A.11.1 S. 37. 685 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.3 S. 32. 686 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.4.2 S. 52. 687 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.4.2 S. 52; BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 5.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 259 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Ebenso wenig wie die Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen endet auch die 257c des Teilnehmers am Emissionszertifikatemarkt mit der Insolvenz desselben688. Sie besteht vielmehr als von diesem zu erfüllende Pflicht fort, wobei der Insolvenzverwalter den Veröffentlichungspflichtigen nach § 24 WpHG zu unterstützen und v.a. die zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen hat (Rz. 26).
2. Offenzulegende Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Sätze 1 und 2 VO Nr. 596/2014) Gegenstand der Veröffentlichungspflicht von Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 sind Insiderinformationen 258 in Bezug auf Emissionszertifikate i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. c, Abs. 2, 3 und 4 VO Nr. 596/2014. Dazu und namentlich zur Bestimmung der Kurserheblichkeit von Informationen in Bezug auf Emissionszertifikate s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 100 f. So wie ein Emittent nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nur Insiderinformationen veröffentlichen muss, die ihn unmittelbar betreffen, sind auch die Insiderinformationen, die ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate „öffentlich, wirksam und rechtzeitig bekannt“ geben muss, eingeschränkt: Offenzulegen sind vom Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 nur Insiderinformationen in Bezug auf ihm gehörende Emissionszertifikate für seine Geschäftstätigkeit. Dabei fällt die Umschreibung des Geschäftsbereichs des Eigentümers der Emissionszertifikate allerdings weit aus. Nicht nur zur Bestimmung der Schwellenwerte, die ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate erfüllen muss, um Adressat von Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu sein (Rz. 257), sondern auch zur Festlegung des Kreises offenzulegender Insiderinformationen findet sich in dieser Vorschrift eine weitreichende Bestimmung des Geschäftsbereichs des Eigentümers von Emissionszertifikaten: Sie umfasst den Luftverkehr gem. Anhang I der RL 2003/87/EG sowie Anlagen i.S.v. Art. 3 lit. e dieser Richtlinie, die der betreffende Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen besitzt oder kontrolliert und für dessen betriebliche Angelegenheiten der Marktteilnehmer, dessen Mutterunternehmen oder ein verbundenes Unternehmen vollständig oder teilweise verantwortlich ist689. Auch bei autonomer Auslegung ist unter dem Begriff „besitzt“ die tatsächliche betriebliche Nutzung und unter dem Begriff „kontrollierte“ der rechtlich vermittelte beherrschende Einfluss eines Unternehmens auf ein anderes zu verstehen, wobei auch hier entsprechend § 17 Abs. 2 AktG davon auszugehen ist, dass das Unternehmen, das über die Mehrheit der Stimmrechte an einem anderen Unternehmen verfügt, das Letztere beherrscht. In Bezug auf Anlagen sind nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 allerdings nur solche 259 Informationen offenzulegen, die für deren Kapazität und Nutzung erheblich sind, darunter die geplante oder ungeplante Nichtverfügbarkeit dieser Anlagen. Damit ist gewährleistet, dass – wie es in Erwägungsgrund 51 Satz 4 VO Nr. 596/2014 heißt – die offenzulegende Information „die physischen Aktivitäten der weitergebenden Partei und nicht deren eigene Pläne oder Strategien für den Handel von Emissionszertifikaten, darauf beruhenden Auktionsobjekten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten betreffen“. Da dies nicht nur für Anlagen, sondern auch für den Luftverkehr gilt, sind auch für diesen nur Informationen über „die physischen Aktivitäten“ der dem Luftverkehr zuzurechnenden Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate in Bezug auf denselben offenlegungspflichtig. Kommen damit sowohl für Anlagen als auch den Luftverkehr Informationen über „nicht-physische Aktivitäten“ nicht als veröffentlichungspflichtig in Betracht, ist es unerheblich, ob es im Hinblick auf die Offenlegungspflicht nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 um Insiderinformationen handelt690. Zu den Maßnahmen oder Ereignissen in Bezug auf Anlagen eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate, die Insiderinformationen sein können, gehören beispielsweise „die teilweise Stilllegung oder endgültige Betriebsstilllegung von Anlagen, Investitionsent688 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.5 S. 32; von Buttlar, BB 2010, 1355, 1355; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 30; Grub/Streit, BB 2004, 1397, 1399; Hirte, ZInsO 2006, 1289, 1292; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 62; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 265 f.; Rattunde/Berner, WM 2003, 1313, 1314; Rubel, AG 2009, 615, 616; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 29; Warmer, S. 101 ff.; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 20. 689 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.2.1.3 S. 32. 690 Erwägungsgrund 51 Satz 6 VO Nr. 596/2014 sieht dies als Problem der Kurserheblichkeit solcher Informationen: „Da im Fall von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate mit aggregierten Emissionen oder einer thermischen Nennleistung in Höhe oder unterhalb des festgelegten Schwellenwerts die Informationen über die physischen Aktivitäten dieser Teilnehmer als nicht maßgeblich für die Offenlegung betrachtet werden, sollte von diesen Informationen auch angenommen werden, dass sie keine erheblichen Auswirkungen auf die Preise der Emissionszertifikate und der darauf beruhenden Auktionsobjekte oder auf die damit verbundenen derivativen Finanzinstrumente haben“.
Assmann | 647
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 259 | Veröffentlichung von Insiderinformationen scheidungen im Hinblick auf die Errichtung neuer Anlagen, Änderungen in der Energieeffizienz von großen Anlagen etwa durch Entscheidung zur Modernisierung zur effizienteren Nutzung von Energie oder der Wechsel von Brennstoffen innerhalb einer Anlage.“691 Im Hinblick auf die Luftverkehrstätigkeit eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate können als veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen beispielsweise „ein (teilweiser) Flottenausfall (Strecke, Flugzeug), eine Flottenaufstockung (Strecke, Flugzeug) oder ein Wechsel der Flugzeuge (z.B. in neue Modelle, die erheblich weniger CO2 emittieren) in Betracht kommen“692. 259a Nach Auffassung der BaFin können darüber hinaus „grundsätzliche Entscheidungen der Regulierungs-
behörden, z.B. im Hinblick auf die allgemeine Zulässigkeit verwendeter Brennstoffe, die kostenlose Zuteilungsquote oder andere strukturelle Reformen des Europäischen Emissionshandels (EU-ETS) als externe Faktoren zwar Insiderinformationen darstellen“, sind „aber von den Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate nicht nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen“693. Anders soll es sich mit wesentlichen Kapazitätsverringerungen und (teilweise) Betriebseinstellungen. Sie sind von Anlagenbetreibern, die eine kostenlose Zuteilung von Emissionsberechtigungen erhalten, der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) nach § 22 Zuteilungsverordnung 2020 mitzuteilen und sind davon unabhängig als Insiderinformationen zu veröffentlichen, wobei schon die Absicht bzw. einzelne Handlungen zur Vornahme einer wesentlichen Kapazitätsverringerung oder (teilweisen) Betriebseinstellung nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichende Insiderinformationen darstellen können694. Die „zusätzliche Veröffentlichung der dadurch ggf. zu viel vor der Neuberechnung durch die DEHSt ausgegebenen Berechtigungen ist“ dagegen nach beizupflichtender Auffassung der BaFin „nicht erforderlich, da diese an die DEHSt zurückgegeben werden müssen“695. Im Hinblick auf den Inhalt der Veröffentlichung betrachtet die BaFin sowohl den Geschäftsvorfall als solchen als auch das mit der betroffenen Kapazität verbundene Kohlendioxidäquivalent für veröffentlichungspflichtig696. Eine gesonderte Ausweisung des Kohlendioxidäquivalents soll dagegen unterbleiben können, wenn in der Ad-hoc-Mitteilung mindestens genaue Angaben zur Dauer des Geschäftsvorfalls, des betroffenen Betriebsstoffes und der dadurch bedingten Einschränkung (betroffene Kapazität) erfolgen.
260 Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate, die nach vorstehenden Regeln nicht nach Art. 17
Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 offenzulegen sind, können aber gleichwohl solche sein, die den Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate als Emittenten unmittelbar betreffen. Allerdings dürfte es sich hierbei um Informationen handeln, die in der Regel nicht geeignet sind, die Kurse der Finanzinstrumente des Emittenten erheblich zu beeinflussen. Darüber hinaus steht außer Frage, dass – wie es die Sorge von Erwägungsgrund 51 Satz 7 VO Nr. 596/2014 ist – Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, die bestimmte Informationen nicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 veröffentlichen müssen, „dessen ungeachtet in Bezug auf sämtliche anderen Insiderinformationen, zu denen sie Zugang haben, das Verbot von Insidergeschäften“ zu beachten haben.
3. Aufschub der Offenlegung (Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) a) Voraussetzungen des Aufschubs 261 Wie ein Emittent kann auch ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nach Art. 17 Abs. 4 Unter-
abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf eigene Verantwortung die Offenlegung von Insiderinformationen für die Öffentlichkeit aufschieben697. Bezogen auf Letztere ist dies zulässig, wenn a) die unverzügliche Offenlegung geeignet wäre, die berechtigten Interessen des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zu beeinträchtigen, b) die Aufschiebung der Offenlegung nicht geeignet wäre, die Öffentlichkeit irrezuführen, und c) der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Geheimhaltung dieser Informationen sicherstellen kann. Diese Voraussetzungen für den Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen sind auch für den Aufschub der Veröffentlichung von Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate durch Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate maßgeblich.
262 Dass die aufgrund von Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 ergangenen „MAR-Leitlinien Aufschub der Offenle-
gung von Insiderinformationen“ des ESMA (Stand 20.10.2016) nicht auf den Aufschub der Offenlegungen 691 692 693 694 695 696 697
BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 2. BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 3. BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 3, Hervorhebung hinzugefügt. BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 3. BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 3. Hierzu und zum folgenden BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 5. BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 3.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 266 Art. 17 VO Nr. 596/2014
von Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate durch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate anwendbar sind698, ändert allerdings nichts daran, dass die Erläuterungen der Aufschubverantwortlichkeiten und Aufschubvoraussetzungen im Hinblick auf die Veröffentlichungspflichten von Emittenten auch hier entsprechend gelten, soweit sie nicht den Besonderheiten geschuldet sind, dass es sich bei den von einem Emittent offenzulegenden oder dem Offenlegungsaufschub zu unterstellenden Insiderinformationen um Informationen für den Kapitalmarkt statt wie hier um Informationen für den Markt für Emissionszertifikate handelt. Das gilt in besonderem Maße für die Voraussetzung, dass die unverzügliche Offenlegung geeignet wäre, die 263 berechtigten Interessen des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zu beeinträchtigen. Hierzu kann nur auf die allgemeinen Erläuterungen in Rz. 101 verwiesen werden, da sich die übrigen Ausführungen in Rz. 102 ff. und zu den Regelbeispielen in Rz. 108 ff. an den berechtigten Interessen eines Emittenten in Abwägung zu den Interessen des Kapitalmarkts ausrichten, wie sie auch Gegenstand der hierbei herangezogenen und nur auf Emittenten bezogenen Bestimmungen des § 6 WpAV und der (aufgrund des Auftrags und der Ermächtigung in Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 erstellten) Leitlinien „MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung“ der ESMA699 sind. Soweit dies nicht der Fall ist, kann auch auf die Ausführungen zu Rz. 106 verwiesen werden, in der als Regel – und auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate übertragbar – festgehalten wird, ein berechtigtes Interesse am Aufschub der Offenlegung einer Insiderinformationen sei dann anzunehmen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit („eher als nicht“) die Veröffentlichung einerseits den Erfolg, den Eintritt oder die Durchführbarkeit des Ereignisses, auf das sich die Insiderinformation bezieht, gefährden oder andererseits den Eintritt bzw. die Herbeiführung von für den Emittenten negativer, aber durch geeignete Maßnahmen abwendbarer konkreter Ereignisse bzw. Umstände herbeiführen würde und dem Emittenten daraus ein nicht unerheblicher Nachteil entstünde. Auch ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate kann danach seine für Angebot und Nachfrage nach und den Preis von Emissionszertifikaten relevanten „physischen Aktivitäten“ in Bezug auf Anlagen sowie den Luftverkehr und seine Einrichtungen – etwa Maßnahmen oder Ereignisse in Bezug auf die Kapazität und Nutzung derselben, einschließlich der geplanten oder ungeplanten Nichtverfügbarkeit (Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014) – aufschieben, wenn die Offenlegung diesbezüglicher Informationen deren Erfolg gefährden und dem Teilnehmer Schaden zufügen würde, der über die mögliche Verteuerung dazu benötigter Emissionszertifikate hinausgeht. Auch in Bezug auf die Interessen der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate gilt, dass diese nur berechtigt sind, wenn sie in einer Abwägung mit den Interessen des Markts für Emissionszertifikate und seiner Teilnehmer diese überwiegen. Die diesbezüglichen Ausführungen zur Interessenabwägung in Bezug auf den Informationsaufschub durch Emittenten in Rz. 120 f. gelten hier entsprechend.
Ebenso verhält es sich mit den Erläuterungen in Rz. 122 ff. zu der Voraussetzung, die Aufschiebung der 264 Offenlegung dürfe nicht geeignet sein, die Öffentlichkeit irrezuführen. Auch sie bauen überwiegend auf dem Verhältnis von Emittent und Kapitalmarkt und den Besonderheiten von kapitalmarktrelevanter Insiderinformationen auf. Eine Ausnahme davon stellen die Feststellungen in Rz. 122 dar, für die Beurteilung der Frage, ob eine Irreführung zu befürchten ist, sei eine Ex-ante-Betrachtung erforderlich, und eine Irreführung sei nicht bereits darin zu sehen, dass wegen des Aufschubs der Veröffentlichung der Insiderinformation ein Informationsungleichgewicht, das heißt ein Informationsdefizit der Marktteilnehmer entstehe, denen die Information durch den Aufschub vorenthalten wird. Die Bedeutung dieser Voraussetzung zur Differenzierung zwischen Fällen eines zulässigen von denjenigen eines unzulässigen Aufschubs dürfte hier noch geringer sein als in Bezug auf den Veröffentlichungsaufschub durch Emittenten. Dagegen gelten die Ausführungen zu den Merkmalen des Aufschubs auf eigene Verantwortung, zu den 265 Zuständigkeiten für den Aufschub und zum Zeitraum des Aufschubs in Rz. 89 ff. entsprechend auch für die Verhältnisse der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate. Da es sich bei diesen nicht zwingend um eine AG oder KGaA handeln muss, lässt sich allgemein sagen, dass die Kompetenz zur Entscheidung über einen Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen generell bei der Geschäftsführung des Unternehmens liegt, aber auch hier delegierbar ist, solange an der Entscheidung ein Mitglied der Geschäftsführung beteiligt ist. Darüber hinaus kann auch zum Erfordernis, der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate müsse die Geheimhaltung der hinsichtlich ihrer Veröffentlichung aufgeschobenen Insiderinformationen sicherstellen können, auf die entsprechenden Erläuterungen zum Aufschub durch Emittenten in Rz. 125 ff. verwiesen werden. Die Regelung des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014, die nicht mehr als klarstellt, im Falle eines 266 zeitlich gestreckten Vorgangs, der aus mehreren Schritten besteht und einen bestimmten Umstand oder ein 698 BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 4. 699 ESMA, MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung, s. Schrifttum zu Art. 17 VO Nr. 596/2014.
Assmann | 649
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 266 | Veröffentlichung von Insiderinformationen bestimmtes Ereignis herbeiführen soll oder hervorbringt, könne unter den Voraussetzungen Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 die Offenlegung von Insiderinformationen zu jedem einzelnen dieser Schritte aufgeschoben werden, gilt gleichermaßen für Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate. Deshalb kann die Erläuterung zu dieser Bestimmung im Zusammenhang mit Emittentenpflichten in Rz. 130 verwiesen werden. b) Wegfall des Aufschubs und Offenlegung der Insiderinformationen 267 Wie § 7 Nr. 1 WpAV zu entnehmen ist, ist der Fortbestand der Gründe, die für die Befreiung maßgeblich
waren, regelmäßig zu überprüfen (Rz. 135 ff.). Der Aufschub für die Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 5 VO Nr. 596/2014 ist solange zulässig, wie die Gründe für die Befreiung gegeben sind (Rz. 136). Entfällt einer der Gründe für den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation (namentlich für den von Art. 17 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 erfassten Fall, dass die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht mehr gewährleistet ist), muss der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Insiderinformationen so schnell wie möglich offenlegen und die zuständige Behörde nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 unmittelbar nach der Offenlegung der Informationen über den Aufschub der Offenlegung informieren700. Dabei ist schriftlich zu erläutern, inwieweit die in Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Voraussetzungen erfüllt waren. Eine Pflicht zur Vorabmitteilung der Veröffentlichung nebst Mitteilung der Aufschubgründe gegenüber der BaFin besteht nicht.
268 Dass Art. 17 VO Nr. 596/2014 keine Bestimmung enthält, die den Teilnehmer am Markt für Emissionszerti-
fikate, der die Veröffentlichung offenzulegender Insiderinformationen aufgeschoben hat, nach Wegfall der Aufschubgründe, explizit verpflichtet, diese fraglichen Insiderinformationen unverzüglich offenzulegen, ist ein Mangel der Vorschrift. Unverständlich ist vor allem, weshalb Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 über die Offenlegungspflicht für den Fall, dass die Vertraulichkeit der fraglichen Insiderinformationen nicht mehr gewährleistet ist, neben dem Emittenten als Pflichtenadressat nicht auch den Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nennt. Das kann indes nicht so verstanden werden, als seien Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nicht verpflichtet, Insiderinformationen, deren Offenlegung Gegenstand des Aufschubs nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 war, nach Wegfall der Aufschubvoraussetzungen offenzulegen, geht doch die Mitteilungspflicht an die zuständige Behörde nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 von einer vorhergehenden Offenlegung aus. Diesbezüglich darf davon ausgegangen werden, dass hiermit nicht nur eine Offenlegung gemeint ist, die der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ohne diesbezügliche Verpflichtung und ohne Einhaltung der vorgeschriebenen Art und Weise der Veröffentlichung einer Insiderinformation vorgenommen hat. Dementsprechend hat die Offenlegung der Insiderinformationen nach Wegfall eines der Aufschubgründe entsprechend Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 so schnell wie möglich (Rz. 139), das ist gleichbedeutend mit unverzüglich (dazu Rz. 63 ff.), zu erfolgen. Auch die BaFin lässt hieran keinen Zweifel aufkommen. Im Hinblick auf Art. 17 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 führt sie aus, diese Bestimmung finde auch auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate Anwendung701. Deshalb müsse der Emittent die Öffentlichkeit so schnell wie möglich informieren, wenn bei einem Aufschub die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht mehr gewährleistet sei. Eine Veröffentlichungspflicht bestehe auch bei ausreichend präzisen Gerüchten und der daraus folgenden Vermutung, dass die Vertraulichkeit der Insiderinformation nicht mehr gewährleistet sei (Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014), gleich, bei wem die Vertraulichkeitslücke liege.
269 Die Bestimmungen des Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 über die unmittelbar nach
Offenlegung vorzunehmende Information der zuständigen Behörde über den Aufschub der Offenlegung und die Erläuterung der Aufschubgründe entsprechen denjenigen in Bezug auf die Pflichten des Emittenten. Die diesbezüglichen Ausführungen in Rz. 143 ff. – namentlich zu den Bestimmungen in Art. 4 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16), der sich ausdrücklich an Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate wendet, und der ebenfalls gleichermaßen auf die Vorgenannten anwendbare auf § 7 WpAV – gelten deshalb für die Pflichten der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate entsprechend702. Gleiches gilt für den in Rz. 150 f. behandelten Wegfall einer Insiderinformation während des Aufschubs der Offenlegung derselben. Die nach Art. 6 Abs. 3 DelVO 2016/522 (Rz. 16) zu bestimmende zuständige Behörde ist für 700 BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 4. 701 Auch zum Folgenden BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 4. 702 BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 4: „Hinsichtlich der Information der zuständigen Behörde über einen etwaigen Aufschub haben auch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Anforderungen des Art. 4 der DVO 2016/1055 zu beachten (Abs. 1: vorzuhaltende Informationen; Abs. 2: schriftliche Information über Erläuterung des Aufschubs gegenüber Behörde; Abs. 3: Pflichtinformationen in Mitteilung)“.
650 | Assmann
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 274 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Behörde des Mitgliedstaates, in dem der Teilnehmer registriert ist. Für in Deutschland registrierte Teilnehmer ist die BaFin für die Entgegennahme der Begründung zuständig. Nach deren Verlautbarung sind Befreiungsentscheidungen unverzüglich nach Veröffentlichung der Insiderinformation mittels Fax an die Rufnummer +49 228 4108 200 (Ad-hoc-Fax) zu übersenden703.
4. Veröffentlichung von Insiderinformationen Für die Veröffentlichung von Insiderinformationen durch einen Teilnehmer am Markt für Emissionszertifi- 270 kate – sei es eine originäre nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 oder eine solche nach dem Aufschub der Veröffentlichung i.S.v. Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1, Abs. 7 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 – gelten im Hinblick auf Inhalt und Form weitgehend, aber nicht durchgehend gleiche Bestimmungen wie für Emittenten. a) Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate müssen offenzulegende Insiderinformationen (Rz. 258 ff.) 271 nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 öffentlich, wirksam und rechtzeitig bekannt geben. Mit dieser Formulierung wird auf eine ähnliche Formulierung zurückgegriffen, die Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 im VO Nr. 596/2014 im Hinblick auf die Anforderungen an die Art und Weise der nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 unverzüglich vorzunehmenden Veröffentlichung gebraucht (Rz. 152)704. Da Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 für den Zeitpunkt der von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate vorzunehmenden Veröffentlichung darüber hinaus aber keine Vorgaben enthält, und nicht erkennbar ist, welch andere als eine unverzügliche Bekanntgabe nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers eine „rechtzeitige Bewertung“ (i.S.v. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014) oder rechtzeitige Bekanntgabe (i.S.v. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014) sein soll, hat auch die Offenlegung von Insiderinformationen in Bezug auf ihm gehörende Emissionszertifikate nach Maßgabe der entsprechenden Regeln in Bezug auf die Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 im VO Nr. 596/2014 unverzüglich – dazu Rz. 63 ff., 152, 174 – zu erfolgen. Jedenfalls ist nicht erkennbar, warum im Hinblick auf die Verhinderung von Insidergeschäften und die Information der Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate andere Anforderungen gestellt sein sollten als sie für Emittenten in Gestalt von deren Verpflichtung zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen. Wenn Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 verlangt, die Bekanntgabe habe öffentlich und 272 wirksam zu erfolgen, so geschieht dies – wie in Bezug auf die veröffentlichungspflichten von Emittenten – auch hier, indem die speziellen Bestimmungen eingehalten werden, die den Inhalt sowie die Art und Weise der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zum Gegenstand haben und weitgehend mit denen für Emittenten entsprechen. Zu Inhalt, Form und Stil der Veröffentlichung sind die Bestimmungen in § 4 Abs. 1 WpAV zu beachten. 273 Sie sind in Rz. 154 wiedergegeben. Für die Sprache der Veröffentlichung fehlen Regelungen in Art. 17 VO Nr. 596/2014 und der DurchfVO 274 (EU) 2016/1055 (Rz. 16), jedoch bestimmt § 3b Abs. 6 WpAV über die „Sprache der Veröffentlichung“, dass die in seinen Abs. 1–5 zu findenden Vorschriften „für Veröffentlichungen nach Art. 17 Abs. 1, 2 und 6 bis 9 [VO Nr. 596/2014]“ entsprechend gelten sollen. Dabei wird verkannt, dass es sich bei § 3b Abs. 1–5 WpAV um ausschließlich emittentenbezogene Sprachregelungen handelt, die auf die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nicht passen. Den Verhältnissen am Markt für Emissionszertifikate – bei dem es sich um einen europäischen Markt handelt, bei dem aber im Hinblick auf seine Teilnehmer am Sitz des jeweiligen Teilnehmers anzuknüpfen ist – noch am nächsten kommt dabei die Regelung in § 3b Abs. 2 Satz 2 WpAV (zu dieser Bestimmung s. Rz. 169). Sie knüpft im Ausgangspunkt an den Sitz des fraglichen Unternehmens an und trägt dem Umstand Rechnung, dass seine Finanzinstrumente in mehreren Mitgliedstaaten gehandelt werden. Für diesen Fall ordnet sie an, dass „die Information in deutscher oder englischer Sprache und nach Wahl des Emittenten in einer Sprache, die von den zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der betreffenden Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum akzeptiert wird, oder in englischer Sprache zu veröffentlichen“ ist. 703 BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 4. 704 Auch in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 1227/2011 (ABl. EU Nr. L 326 v. 8.12.2011, S. 1), der eine Verpflichtung zur Veröffentlichung von Insiderinformationen über Energiegroßhandelsprodukte enthält (dazu näher Rz. 276), ist – ohne weitere Konkretisierung – von der Verpflichtung die Rede, die Insiderinformationen „rechtzeitig“ bekannt zu geben.
Assmann | 651
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 275 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 275 Die Herbeiführung und der Vorgang der Veröffentlichung in Gestalt der hierbei einzusetzenden technischen
Mittel der von einem Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate zu veröffentlichenden Insiderinformationen richtet sich an den gleichen Vorschriften wie sie für Emittenten gelten, d.h. nach Art. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) und den Bestimmungen in § 3a Abs. 1–5 WpAV, soweit sie diejenigen der erstgenannten Vorschrift ergänzen von ergänzen. Die diesbezüglichen Ausführungen zu den Medien der Veröffentlichung in Rz. 185 ff. gelten entsprechend. Zur Veröffentlichung der Insiderinformationen auf ihrer Website sind Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate – anders als Emittenten (Rz. 190) nicht verpflichtet.
276 Erwägungsgrund 51 Satz 5 VO Nr. 596/2014 geht auf dem Umstand ein, dass Teilnehmer am Markt für
Emissionszertifikate – namentlich Unternehmen der Energiewirtschaft – bereits nach Art. 4 VO Nr. 1227/ 2011 (REMIT) vom 25.10.2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandels705 wegen der gleichen Insiderinformationen, die nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen sind, einer entsprechenden Ad-hoc-Mitteilungspflicht unterliegen. Vor diesem Hintergrund wird zu erwägen gegeben: „Soweit die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, insbesondere gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011, bereits gleichwertige Anforderungen zur Offenlegung von Insiderinformationen erfüllen, sollte die Pflicht zur Offenlegung von Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate nicht dazu führen, dass mehrfach obligatorische Meldungen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt gemacht werden müssen“. Dem hat Art. 2 Abs. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) in der Weise Rechnung getragen, dass er Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate, die gem. Art. 4 VO Nr. 1227/2011 zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verpflichtet sind, die Möglichkeit eröffnet, die zum Zweck der Bekanntgabe von Insiderinformationen in dieser vorgesehenen technischen Mittel zur Offenlegung von Insiderinformationen für eine nach Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 vorzunehmende Veröffentlichung zu nutzen, sofern die offenzulegenden Insiderinformationen im Wesentlichen den gleichen Inhalt haben und die für die Offenlegung verwendeten technischen Mittel gewährleisten, dass die Insiderinformationen an die einschlägigen Medien übermittelt werden. Bei den nach Art. 4 VO Nr. 1227/2011 offenzulegenden Insiderinformationen handelt es sich nach Art. 2 Nr. 1 VO Nr. 1227/2011 um solche, die direkt oder indirekt ein oder mehrere Energiegroßhandelsprodukte – nach Art. 2 Nr. 4 dieser Verordnung sind dies Verträge für die Versorgung mit Strom oder Erdgas, deren Lieferung in der Union erfolgt, und Verträge, die den Transport von Strom oder Erdgas in der Union betreffen, sowie Derivate zu diesen Vertragsgegenständen – betreffen und für den Fall ihres öffentlichen Bekanntwerdens, die Preise dieser Energiegroßhandelsprodukte wahrscheinlich erheblich beeinflussen würden. Bei Unternehmen der Energiewirtschaft liegt es auf der Hand, dass bestimmte Maßnahmen oder Vorhaben gleichermaßen Insiderinformationen in Bezug auf die vorgenannten Verträge706 und solche in Bezug auf Emissionszertifikate sein können. Sind die angeführten Voraussetzungen gegeben, können die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate „lediglich eine Veröffentlichung nach REMIT vornehmen, vorausgesetzt, die Information wird mithilfe einer Plattform für die Bekanntgabe von Insiderinformationen bekannt gegeben, sofern die Insiderinformation den einschlägigen Medien mitgeteilt wird. Hierzu gehören etwa Nachrichtenagenturen, die europaweit verbreitet sind. Umgekehrt erfüllen Veröffentlichungen nach MAR stets auch die Anforderungen nach REMIT. Eine Veröffentlichung allein über die Website genügt den Anforderungen nach MAR nicht ... Sollte keine Deckungsgleichheit bestehen, kann Art. 2 Abs. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) nicht in Anspruch genommen werden.“707 In der Veröffentlichung nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1227/2011 (REMIT) ist zudem deutlich zu machen, dass es sich zusätzlich zu dieser um eine Veröffentlichung gem. Art. 17 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 handelt708. Für die effektive und rechtzeitige Veröffentlichung von Insiderinformationen nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1227/2011 ist auf das entsprechende Merkblatt der Bundesnetzagentur zu verweisen709. 705 ABl. EU Nr. L 326 v. 8.12.2011, S. 1. 706 Art. 4 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 1227/2011 nennt Informationen über die Kapazität und die Nutzung von Anlagen zur Erzeugung und Speicherung, zum Verbrauch oder zur Übertragung/Fernleitung von Strom oder Erdgas bzw. Informationen, die die Kapazität und die Nutzung von Flüssiggasanlagen, einschließlich der geplanten oder ungeplanten Nichtverfügbarkeit dieser Anlagen, betreffen, und erstreckt die zu veröffentlichenden Insiderinformationen – vergleichbar Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 – auf solche „in Bezug auf das Unternehmen oder auf Anlagen, die sich im Eigentum des betreffenden Marktteilnehmers oder seines Mutterunternehmens oder eines verbundenen Unternehmens befinden oder von diesem kontrolliert werden oder für deren betriebliche Angelegenheiten dieser Marktteilnehmer oder dieses Unternehmen ganz oder teilweise verantwortlich ist“. 707 BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.4.1 S.51; BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 6. 708 Auch BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.10.4.1 S.51/52; BaFin, Art. 17 Abs. 2 MAR – Emissionszertifikate (FAQs), S. 6. 709 Bundesnetzagentur, Merkblatt 1 – Effektive und rechtzeitige Veröffentlichung von Insider-Informationen gemäß Art. 4 Abs. 1 REMIT (Verordnung (EU) Nr. 1227/2011), Stand 4.6.2020, abrufbar unter https://remit.bundesnetz agentur.de/SharedDocs_MTS/Downloads/DE/REMIT/Merkblatt%201%20Insider-Informationen.pdf?__blob=pub licationFile&v= 4.
652 | Assmann
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 283 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Darüber hinaus unterliegen auch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate – wie Emittenten – gewis- 277 sen, der Veröffentlichungspflicht komplementären Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten in Bezug auf die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014. Zu diesen gehören durch entsprechende Anforderung der Behörde ausgelöste Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin nach § 3a Abs. 2 WpAV, deren Erfüllung die Dokumentation der mitzuteilenden Umstände impliziert (Rz. 194). Wie Emittenten (Rz. 195) können auch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die für eine Veröffentlichung erforderlichen Maßnahmen auf Dritte delegieren, bleiben für deren ordnungsgemäße Vornahme aber nach § 3 Abs. 4 WpAV verantwortlich. Schließlich muss auch ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) für die „Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit“ der Zuleitung von Insiderinformationen an die Medien sorgen, die die Insiderinformationen veröffentlichen sollen, „indem ein eventueller Ausfall oder eine eventuelle Unterbrechung der Übermittlung der Insiderinformationen unverzüglich behoben wird“ (näher Rz. 196). Eine Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 vergleichbare Regelung, nach der ein Emittent die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung seiner Tätigkeiten verbinden darf, findet sich für Veröffentlichungen nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 durch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nicht. Zu einer Vorabmitteilung der zu veröffentlichenden Insiderinformationen an die zuständige Behörde ist ein 278 Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate – anders als ein Emittent (Rz. 178) – nicht verpflichtet. b) Veröffentlichung nach Aufschub (Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014) Wie ein Emittent (Rz. 207) muss ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate die Insiderinformatio- 279 nen, deren Veröffentlichung er nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufgeschoben hat, nachholen, wenn die Aufschubgründe weggefallen sind (Rz. 268), und hat darüber hinaus nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 1 VO Nr. 596/2014 die zuständige Behörde über den Aufschub der Offenlegung zu informieren und schriftlich zu erläutern, inwieweit die in diesem Absatz festgelegten Bedingungen erfüllt waren (dazu Rz. 267 ff.). Im Hinblick auf die Veröffentlichung der Insiderinformationen nach Aufschub von deren Offenlegung sind die gleichen Vorschriften zu beachten wie bei der Veröffentlichung von Insiderinformationen ohne Aufschub (Rz. 271 ff.). Wenn während des Aufschubs nach Art. 17 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 eine Insiderinformation 280 ihre Eigenschaft als Insiderinformation verloren hat, muss die Veröffentlichung der ursprünglichen Insiderinformation unterbleiben (Rz. 150). Allerdings kann der Grund, der einer Information die Eigenschaft als Insiderinformation nimmt, zugleich Gegenstand einer neuen Insiderinformation und wie eine solche zu veröffentlichen sein (Rz. 151). c) Aktualisierung und Berichtigung von Veröffentlichungen § 4 Abs. 2 bzw. Abs. 4 und § 8 Abs. 2 WpAV, die nicht nur für Emittenten, sondern auch für Teilnehmer am 281 Markt für Emissionszertifikate gelten, wird die Pflicht zur Aktualisierung bzw. Berichtigung einer Insiderinformation entnommen (Rz. 198 f. bzw. Rz. 202 f.). § 4 Abs. 2 WpAV geht im Hinblick auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate davon aus, dass bei 282 erheblichen Veränderung einer bereits veröffentlichten Insiderinformation erneut eine Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zu erfolgen hat (dazu Rz. 198 f.) und schreibt den Inhalt der Aktualisierung vor. Die Bestimmung ist in Rz. 201 wiedergegeben. Zur Veröffentlichung der Aktualisierung ist auf die Ausführungen in Rz. 271 ff. zu verweisen. § 4 Abs. 3 WpAV bezieht sich nur auf den Inhalt der Berichtigung einer Veröffentlichung von Insiderinfor- 283 mationen nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014, doch wird dieser Vorschrift, zusammen mit der in § 8 Abs. 2 WpAV für den Fall einer Berichtigung enthaltenen Regelungen, entnommen, dass unrichtige Veröffentlichungen im Wege einer neuen Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 zu berichtigen sind. Zum Gegenstand der Berichtigung – unwahre Informationen in Veröffentlichungen von Insiderinformationen – und zur Veröffentlichung der Aktualisierung ist auf die Ausführungen zu Rz. 203 bzw. Rz. 271 ff. zu verweisen. Die in § 8 Abs. 2 WpAV in Bezug genommene Regelung des § 26 Abs. 1 WpHG ist zwar auf Veröffentlichungen von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate nicht anwendbar, doch lässt sich aus der Vorschrift schließen, dass in die Berichtigung der Veröffentlichung von Insiderinformationen keine zusätzlichen Gründe für die Berichtigung aufzunehmen sind.
Assmann | 653
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 284 | Veröffentlichung von Insiderinformationen d) Veröffentlichungspflicht bei berechtigter Weitergabe von Insiderinformationen (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) 284 Zur Pflicht eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate zur Veröffentlichung von Insiderinforma-
tionen, die berechtigterweise weitergegeben wurden, nach Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 s. die Ausführungen im Folgenden (Rz. 285 ff.)
IV. Veröffentlichungspflicht bei berechtigter Weitergabe von Insiderinformationen gegenüber Dritten (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) 285 Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 begründet eine Veröffentlichungspflicht eines Emittenten oder eines Teil-
nehmers am Markt für Emissionszertifikate oder einer in deren Auftrag oder für deren Rechnung handelnde Person für den Fall einer berechtigten Weitergabe von Insiderinformationen durch eine dieser Personen an einen Dritten im Zuge deren normaler Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder deren normaler Erfüllung ihrer Aufgabe gem. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 17 ff.). Die Vorschrift findet mithin auf den Fall der unberechtigten Weitergabe von Insiderinformationen keine Anwendung710. Mit der Bestimmung wird die Berechtigung der Weitergabe vorausgesetzt, nicht begründet711. Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 tritt an die Stelle der Vorschriften in § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG a.F., durch die seinerzeit Art. 6 Abs. 3 RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 15) umgesetzt wurde. Beide erstgenannten Vorschriften dienen bzw. dienten der Verwirklichung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer, indem sie gewährleisten, dass Dritte von Insiderinformationen grundsätzlich nicht zu einem früheren Zeitpunkt als die Öffentlichkeit erfahren. Dritter ist, wie es in der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. schon im Wortlaut zum Ausdruck kam („Wer als Emittent oder als eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht“, Hervorhebung hinzugefügt), jede andere Person als die Insiderinformationen weitergebende Person und damit auch an eine solche, die „dem Emittenten rechtlich oder wirtschaftlich zurechenbar“ ist712.
286 Adressaten der Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unter-
abs. 1, Abs. 7 VO Nr. 596/2014 sind ausschließlich Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate713. Nach Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sind jedoch nicht nur diese, sondern auch die in deren Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen zur Veröffentlichung verpflichtet. Das ist der entgleisten sprachlichen Fassung von Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 nicht ohne weiteres zu entnehmen, spricht sie doch davon, „er“ habe die weitergegebene Information vollständig und wirksam zu veröffentlichen. Das Personalpronomen „er“ passt fraglos auf den Emittenten und den Teilnehmer am Markt für
710 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 567; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 46. Zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. ganz h.M., etwa: Bachmann in FS Schwark, S. 331, 341; Eichner, S. 123 f.; Leuering, NZG 2005, 12, 14; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 363; Sönke Schröder, S. 155 f. (unter Zurückweisung des Arguments, dies führe zu einer „Privilegierung“ des unbefugt Weitergebenden); Schwintek, S. 36; Simon, Der Konzern 2005, 13, 18; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 223; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 87. Implizit auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 226, 232. A.A. Klöhn, WM 2010, 1869, 1880 f.; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 379 (analoge Anwendung); Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 480 f. (analoge Anwendung); Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 333 f., 333: systematische Auslegung spricht „für eine Beschränkung auf rechtmäßige Offenlegung; 334: Zweck spricht aber für „ein weites Verständnis“; wohl auch Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 43 a.E. 711 Grundmann in Staub, Bd. 11/1, 5. Aufl. 2017, 6. Teil Rz. 190. 712 A.A. Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 45; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 474 (Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 verlange, dass der Emittent die Information gegenüber einem Dritten offenlege, weshalb die Offenlegung innerhalb des Emittenten nicht von der Norm erfasst sei; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 35 (jede Person, „die sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich nicht dem Emittenten zuzuordnen ist“, mit Ausführungen zu den Problemen, die diese Ansicht mit sich bringt, Rz. 36); Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 42; Veil/ Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 230 („Dritter ist ... nur derjenige, der außerhalb der rechtlichen Organisationsstruktur des Emittenten steht“). Die trennscharfe Beantwortung der „Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Person dem Emittenten zuzuordnen ist“ (Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 475), bereitet dieser Ansicht – nicht nur im Hinblick auf Konzernverhältnisse – erhebliche Probleme. 713 Für die Veröffentlichungspflicht letzterer auch nach Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 7 VO Nr. 596/2014 s. Rz. 268.
654 | Assmann
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 289 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Emissionszertifikate, aber nur schwerlich auf die in deren Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Person. Gleichwohl ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch eine Veröffentlichung der weitergegebenen Insiderinformationen durch diese Person als gewollt anzusehen, wie es sich aus der sprachlichen Fassung von § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F., an deren Stelle Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 tritt, unzweideutig ergab. Auch § 4 Abs. 1 Satz 3 WpAV (der Text der Vorschrift ist in Rz. 154 wiedergegeben) geht eindeutig von einer Veröffentlichungspflicht der im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten oder eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate handelnden Personen aus714. Für den Fall der Veröffentlichungspflicht einer Person, die im Auftrag oder für Rechnung eines Emitten- 287 ten oder eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate handelt, nach Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 ordnet § 4 Abs. 1 Satz 3 WpAV (Text bei Rz. 154) an, dass die Person den Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate hierüber unverzüglich zu informieren und in der Veröffentlichung durch Nennung ihres Namens und ihrer Anschrift ihre Urheberschaft kenntlich zu machen hat. Eine Person handelt für Rechnung eines Emittenten oder eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate, wenn sie in offener oder verdeckter Stellvertretung für einen derselben tätig wird, d.h. die Folgen ihres Handelns nicht sie, sondern den Emittenten bzw. den Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate treffen sollen715 (s. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 25; Art. 11 VO Nr. 596/2014 Rz. 21). Darüber hinaus erfasst Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 aber auch jede Weitergabe einer Insiderinformation im Rahmen eines Handelns im Auftrag des Emittenten oder eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate, worunter hier jede mit Wissen und Wollen des Auftraggebers erfolgende entgeltliche oder unentgeltliche Geschäftsbesorgung für dieselben zu verstehen ist716. Erfolgte die Weitergabe nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 „absichtlich“ (eng- 288 lische Fassung: intentional), d.h. wissentlich zum Zwecke der Weitergabe717, so muss „er“, d.h. der Emittent, dem das Handeln der anderen der in dieser Bestimmung genannten Personen zugerechnet wird, die weitergegebene Insiderinformation „vollständig und wirksam“ zeitgleich mit der Weitergabe veröffentlichen. Das wird fraglos nur bei planvoller Weitergabe einer solchen Insiderinformation gelingen, da nur so zeitgleich die Veröffentlichung erfolgen kann. Erfolgte die Weitergabe nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 „nicht absichtlich“, 289 d.h. unwissentlich und ohne das Ziel der Weitergabe, wäre sie bei bewusster Weitergabe aber rechtmäßig weitergegeben worden, so muss die weitergegebene Insiderinformation ebenfalls „vollständig und wirksam“, in diesem Falle aber unverzüglich veröffentlicht werden. Das bedeutet, dass die Veröffentlichung ohne schuldhaftes Zögern nachzuholen ist, sobald der Emittent oder eine andere Person, dem ersteren zurechenbar, die unbeabsichtigte Weitergabe erkennt718. In beiden vorgenannten Fällen ist Weitergabe auch die durch Zugänglichmachung erfolgte Kenntniserlangung des Dritten (Art. 10 VO Nr. 596/2014 Rz. 11, 13 f.)719. 714 Auch Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 328. A.A. Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 228. 715 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 329. 716 Die rechtsgeschäftliche Grundlage des Handelns des Beauftragten ist ebenso unerheblich wie die Ausgestaltung des Auftrags, etwa im Hinblick auf ein Weisungsrecht des Auftraggebers oder einen Aufwendungsersatzanspruch des Beauftragten. Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 43; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 329 (bei „unionsrechtlich-autonomer“ Auslegung „kein Auftrag im Sinne des § 662 BGB erforderlich“). Anders aber zu § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. Leuering, NZG 2005, 12, 13. Wie hier, in Bezug auf § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F., Frowein in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, 2. Aufl. 2013, § 10 Rz. 58; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 110; Pfüller in Fuchs, § 15 Rz. 351; Simon, Der Konzern 2005, 13, 18: jedes vertragliche Schuldverhältnis; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 220. Zu Art. 17 VO Nr. 596/2014 Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 467; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 227. 717 In § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. standen für die Begriffe „absichtlich“ und „nicht absichtlich“ die synonymen Begriffe „wissentlich“ und „unwissentlich“ differenziert. Auch Klöhn, AG 2016, 423, 430 sieht darin keine Änderung zum bisherigen Recht, will aber eine absichtliche Offenlegung schon in einer grob fahrlässigen Weitergabe sehen; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 337; i.E. auch Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/ Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 238 („Erfasst ist jedes vorsätzliche Handeln ... Grobe Fahrlässigkeit ist hingegen nicht ausreichend“). 718 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 337. Schon zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. ganz h.M., etwa: Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 124; Pfüller in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 15 WpHG Rz. 387; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 227; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 91. 719 Die Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 entsprechende frühere Regelung in § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. (dazu Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 112 ff.) erwähnte neben der Mitteilung die Zugänglichmachung ausdrücklich, doch handelte es sich dabei um eine deutsche Besonderheit der Umsetzung von Art. 6 Abs. 3
Assmann | 655
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 290 | Veröffentlichung von Insiderinformationen 290 Die von der Vorschrift verlangte absichtliche Offenlegung muss sich – wie schon zuvor die wissentliche
Weitergabe nach § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F.720 – sowohl auf die Weitergabe als auch auf die Eigenschaft der weitergegebenen Information, Insiderinformation zu sein, beziehen: Wer nicht weiß, dass er eine Insiderinformation weitergibt, geht von einem Vorgang aus, der zweifellos keine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslöst und den Weitergebenden damit auch nicht zu einer gleichzeitigen Veröffentlichung zu veranlassen vermag. Von wissentlicher Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation lässt sich im Übrigen nur ausgehen, wenn sie auch willentlich erfolgt. Die Weitergabe einer Information, die nicht als Insiderinformation erkannt wurde, kann deshalb erst dann eine nachholende Veröffentlichungspflicht auslösen, wenn der Vorgang bemerkt wird721.
291 Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 spricht nur von Insiderinformationen und nicht von Insiderinfor-
mationen, die den Emittenten betreffen, sei es unmittelbar, wie es Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 tut, oder sei es mittelbar. Da es aber völlig systemwidrig wäre, wenn Emittenten – anders als andere Insider – eine berechtigterweise weitergegebene Insiderinformation sollten veröffentlichen müssen, die sie nicht betrifft, um damit zugleich an die Stelle des nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 für die fragliche Insiderinformation veröffentlichungspflichtigen Emittenten zu treten, ist davon auszugehen, dass auch mit Insiderinformationen i.S.v. Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 nur solche gemeint sind, die den Emittenten unmittelbar betreffen722. Die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 8 Satz 1 VO Nr. 596/2014 hat unter Beachtung der für die Veröffentlichungen nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 geltenden Vorschriften (Rz. 152 ff.)723, namentlich der § 3a Abs. 5 Nr. 1, § 3b Abs. 6 und § 4 Abs. 1 WpAV, zu erfolgen. Ein Aufschub der aus Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 folgenden Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 4 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist nicht möglich, da diese Vorschrift es nur erlaubt, sich unter den in ihr genannten Voraussetzungen von der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu befreien724. Vor der Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 hat der Emittent nach § 26 Abs. 1 WpHG die zu veröffentlichende Insiderinformationen der BaFin und den Geschäftsführungen der Handelsplätze, an denen seine Finanzinstrumente zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen sind, vor deren Veröffentlichung mitzuteilen (Vorabmitteilung) sowie die veröffentlichten Insiderinformationen unverzüglich nach ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister (i.S.d. § 8b HGB) zur Speicherung zu übermitteln (§ 26 WpHG Rz. 2, 6 ff.). Über die in der Vorabmitteilung gem. § 8 Abs. 1 WpAV erforderlichen Angaben (s. Rz. 183) hinaus, hat der Emittent nur in der Vorabmitteilung an die BaFin gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 WpAV anzugeben: 1. den Vor- und Familiennamen der Person, der die Insiderinformation offengelegt worden ist, 2. ihre Geschäftsanschrift oder, falls eine solche nicht besteht, ihre Privatanschrift, 3. den Zeitpunkt der Informationspreisgabe sowie 4. im Fall einer nicht absichtlichen Offenlegung nach Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 die Umstände der nicht absichtlichen Offenlegung. Auch diesbezüglich gilt, dass die Umstände so zu schildern sind, dass eine Bewertung des Sachverhaltes möglich ist, und niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten725 (s. näher Rz. 205).
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RL 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 31), die den in dieser Bestimmung verwandten Begriff der Weitergabe in Mitteilung und Zugänglichmachung aufspaltet. Ebenso Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.23. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 115. Zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 123 f. Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 331 f. So schon zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. Assmann in 6. Aufl. 2012, § 15 WpHG Rz. 114: „Nur solche Insiderinformationen ist der Emittent zu veröffentlichen verpflichtet und nur solche Insiderinformationen sind deshalb auch von denjenigen zu veröffentlichen, die in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handeln. Es ist nicht erkennbar, dass die im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten stehende Regelung die Normadressaten des § 15 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1 Satz 5 WpHG zur Veröffentlichung einer jeden ihnen bekannten Insiderinformation verpflichten wollte und damit weitergehen sollte als die Verpflichtung des Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG“; Pfüller in Fuchs, 2. Aufl. 2016, § 15 WpHG Rz. 362; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 85. A.A. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 566, die zudem, ohne dass es dafür Anhaltspunkte im Wortlaut gibt, davon ausgeht, dass nur der unmittelbare Emittentenbezug fehlen dürfe; Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 41; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 468 ff. (Rz. 468. „erfasst [ist] daher auch die Offenlegung von Insiderinformationen, die den Emittenten höchstens mittelbar betreffen“); Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.23. Allerdings besteht die Mitteilungsplicht gegenüber dem Unternehmensregister gem. § 26 Abs. 1 WpHG nur für Inlandsemittenten oder ein MTF-Emittenten (s. Rz. 193). Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 487; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 341. So schon zu § 15 Abs. 1 Sätze 4 und 5 WpHG a.F. ausführlich § 15 WpHG Rz. 121; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 118; Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 386; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.296; Sönke Schröder, S. 149; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 229. BaFin, Emittentenleitfaden, Modul C, I.3.8.2.2 S. 48.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 294 Art. 17 VO Nr. 596/2014
Kommt es für die Beantwortung der Frage, ob eine Insiderinformation weitergegeben wurde, auf den Zeit- 292 punkt der Weitergabe an, so ist die zu veröffentlichende Insiderinformation so offenzulegen, wie sie sich im Zeitpunkt der Veranlassung der Veröffentlichung darstellt. Ist die weitergegebene Insiderinformation zwischenzeitlich öffentlich bekannt, macht eine nachholende Veröffentlichung der seinerzeit weitergegebenen Information keinen Sinn mehr726, denn die Vorschrift schützt die informationelle Chancengleichheit der Marktteilnehmer, die nach dem öffentlichen Bekanntwerden der fraglichen Information gegeben ist, und stellt keine Sanktion für das Verhalten desjenigen dar, der sie unwissentlich oder nicht willentlich weitergegeben hat. Wie die Pflicht zur Veröffentlichung einer absichtlich/wissentlich weitergegebenen Insiderinformation entfällt auch die Pflicht zur Nachholung einer nicht absichtlich/unwissentlich weitergegebenen Insiderinformation, wenn die Person, der die Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht wurde, rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist727. Der Zweck des Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 liegt gleichwohl nicht in erster Linie in der Offenlegung der 293 berechtigterweise – absichtlich oder unabsichtlich – weitergegebenen Insiderinformationen, sondern darin, im Interesse der Verhinderung von Insidergeschäften, sicherzustellen, dass die Weitergabe von Insiderinformationen im Zuge der normalen Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufs oder der normalen Erfüllung ihrer Aufgaben nur erfolgt, wenn die Vertraulichkeit der Insiderinformationen gewährleistet ist. Dementsprechend entfällt nach Art. 17 Abs. 8 Satz 2 VO Nr. 596/2014 die Pflicht zur Veröffentlichung der gem. Art. 10 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 rechtmäßig weitergegebenen Insiderinformationen, wenn die Informationen erhaltende Person zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt728. In letzterer Hinsicht ist es nicht erforderlich, dass die Vertraulichkeit Gegenstand oder Nebenabrede eines Vertrags ist. Ausreichend ist vielmehr, wenn sie sich, etwa als Nebenpflicht, aus einem vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnis ergibt729. Zu den angeführten Quellen von Verschwiegenheitspflichten gehören berufliche Verschwiegenheitspflichten 294 wie die von anwaltlichen Beratern (§ 43a Abs. 2 BRAO, § 2 Berufsordnung der Rechtsanwälte), Wirtschaftsprüfern (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO), Steuerberatern (§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG) und Richtern (§§ 43, 45 Abs. 1 DRiG), ebenso wie die von Beamten im Allgemeinen (§§ 61 f. BBG, § 39 BRRG) und Mitarbeitern einer Aufsichtsbehörde im Besonderen (etwa nach § 21 WpHG, § 9 KWG und § 9 WpÜG für die Beschäftigten der BaFin und § 10 BörsG für die Börsenaufsichtsbehörde oder Behörde, der Aufgaben und Befugnisse der Börsenaufsichtsbehörde nach § 3 Abs. 7 BörsG übertragen worden sind). Darüber hinaus sind aber auch die insiderrechtlichen Verbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014, die diejenigen, denen Insiderinformationen weitergegeben oder zugänglich gemacht werden, zu beachten haben, namentlich das Weitergabeverbot nach Art. 14, 10 VO Nr. 596/2014, Rechtsvorschriften zur Verschwiegenheit i.S.d. Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014730. Gleichwohl ist Emittenten schon zur Dokumentation und Kontrolle der Weitergabe von Insiderinformatio726 I.E. auch Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 228. 727 Ebenso Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 389. 728 Zu § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. unstreitig; s. Assmann in 6. Aufl. § 15 WpHG Rz. 117. Zu Art. 17 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 49; Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 482; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 338; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 10 Rz. 234. I.E. auch Grundmann in Staub, Bd. 11/2, 5. Aufl. 2018, Achter Teil Rz. 516: Gesetz oder Vertrag. 729 Schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 117. Ebenso Frowein/Berger in Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 49; Leuering, NZG 2005, 12, 16; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 226. A.A. Kuthe, ZIP 2004, 883, 885; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 385. 730 Ausführlich Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 117 ff. Wie hier Eichner, S. 124; Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225, 227; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 384; Simon, Der Konzern 2005, 13, 19; Widder/Gallert, NZG 2006, 451, 453; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 89 („nach dem Wegfall der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern [im Bereich des Verbotstatbestands] nunmehr unbestreitbar“). A.A., aber mit dem schon seinerzeit unhaltbaren (s. Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 117) Argument, nur spezielle und ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarungen seien ausreichend, Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 115; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1952. A.A. auch, mit dem Argument, das Weitergabeverbot – seinerzeit des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG (a.F.) – könne keine Regelung darstellen, die den Empfänger der Information „rechtlich zur Vertraulichkeit“ verpflichte, weil dadurch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG (a.F.) kein Anwendungsbereich verbliebe (dagegen schon Assmann in 6. Aufl., § 15 WpHG Rz. 118) Klöhn in KölnKomm. WpHG, § 15 WpHG Rz. 384; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 339; Leuering, NZG 2005, 12, 15; Sönke Schröder, S. 160 f.; Schwintek, S. 37; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 225 (die Bestimmung würde sonst „eben leer laufen“). A.A. für Art. 17 VO Nr. 596/2014; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Bd. 2 Bank- und Börsenrecht, Art. 17 MAR Rz. 43 mit der Begründung, die Vorschrift liefe sonst leer und das für jedermann geltende Offenlegungsverbot sei „nicht ausreichend adressatenspezifisch“; Veil/Brüggemeier in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchs-
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 294 | Veröffentlichung von Insiderinformationen nen, aber auch zum Zwecke der Absicherung der Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens und zur Vermeidung von bußgeld- und schadensersatzbewehrten Veröffentlichungspflichten, zu raten, die Informationsweitergabe mit einer vertraglichen Verpflichtung des Empfängers der Insiderinformationen zur vertraulichen Behandlung derselben zu verbinden731, die gleichzeitig mit den Insiderhandelsverboten konforme Regelungen zur Weitergabe der Informationen in der Sphäre des Empfängers, etwa der beratenden Anwaltskanzlei, enthalten sollte.
V. Ermächtigungen der Kommission und der ESMA (Art. 17 Abs. 3, 10 und 11 VO Nr. 596/2014) 295 In Art. 17 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 wird der Kommission wird die Befugnis übertragen, delegierte Rechts-
akte zur Festlegung der zuständigen Behörde für die Mitteilungen gem. Art. 17 Abs. 4 und 5 VO Nr. 596/ 2014 nach Maßgabe von Art. 35 VO Nr. 596/2014 über die Ausübung der Befugnisübertragung betreffend den Erlass Delegierter Rechtsakte zu erlassen. Dem ist die Kommission mit der DelVO 2016/522 (Rz. 16) vom 17.12.2015 (Rz. 16) nachgekommen.
296 Art. 17 Abs. 10 Unterabs. 2 und 3 VO Nr. 596/2014 enthält Ermächtigungen der ESMA zur Ausarbeitung
Entwürfe technischer Durchführungsstandards zur Festlegung der in Art. 17 Abs. 10 Unterabs. 1 lit. a und b VO Nr. 596/2014 aufgeführten technischen Mittel (sog. technischen Durchführungsstandards) und zur Vorlage derselben an die Kommission. Aufgrund von Art. 17 Abs. 10 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 ist die Kommission ermächtigt, diese technischen Durchführungsstandards nach Maßgabe von Art. 15 VO Nr. 1095/2010732 über „Technische Durchführungsstandards“ zu erlassen. Das ist – aufgrund der entsprechenden Vorarbeiten – in Gestalt der DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) geschehen.
297 Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 ermächtigt die ESMA Leitlinien für die Erstellung einer nicht abschlie-
ßenden indikativen Liste der in Art. 17 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten berechtigten Interessen des Emittenten und von Fällen herauszugeben, in denen die Aufschiebung der Offenlegung von Insiderinformationen gem. Art. 17 Abs. 4 lit. b VO Nr. 596/2014 geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen. Das ist mit der Herausgabe der „MAR-Leitlinien – Aufschub der Offenlegung von Insiderinformationen“ vom 20.10.2016 (Rz. 17) geschehen. Art. 2 Abs. 38 lit. e des Kommissionsvorschlags einer Verordnung u.a. zur Änderung der EU-Prospektverordnung (VO 2017/1129), der Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/ 2014) und der MiFIR (VO Nr. 600/2014) vom 7.12.2022 (Rz. 17a) sieht eine Änderung von Art. 17 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 vor, welche die Ermächtigung der ESMA auf die Erstellung einer nicht abschließenden indikativen Liste der im vorgeschlagenen neuen Art. 17 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten berechtigten Interessen des Emittenten beschränkt.
VI. Verstöße und Rechtsfolgen 298 Verstöße gegen die in Art. 17 VO Nr. 596/2014 enthaltenen Vorschriften können bußgeldgeldrechtliche
(Rz. 299 ff.) und zivilrechtliche, hinsichtlich Letzterer vor allem schadensersatzrechtliche Folgen (Rz. 307 ff.) nach sich ziehen. Strafrechtliche Sanktionen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 und damit in Zusammenhang stehende Pflichten gibt es nicht. Solche kommen allenfalls für den Fall in Betracht, dass der Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zugleich einen Verstoß gegen andere strafbewehrte Pflichten darstellt, wie etwa einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation nach Art. 15 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 119 Abs. 1 WpHG oder einen solchen gegen § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG.
1. Strafbarkeit 298a Verstöße gegen die Bestimmungen des Art. 17 VO Nr. 596/2014 sind nicht strafbewehrt. Die Strafbarkeit
einer entgegen einer der Bestimmungen des Art. 17 VO Nr. 596/2014 – namentlich entgegen Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 – unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung kommt allenfalls in der Weise in Betracht, dass diese
recht, § 10 Rz. 235, mit der Begründung, andernfalls „verbliebe kein Anwendungsbereich, da stets Art. 10 MAR [VO Nr. 596/2014] eingreifen würde“. 731 Auch Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 339. 732 ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 303 Art. 17 VO Nr. 596/2014
eine nach § 119 Abs. 1 WpHG strafbare Marktmanipulation darstellt. Da Art. 12 VO Nr. 596/2014 aber keine Marktmanipulation durch Unterlassen erfasst (s. Art. 12 VO Nr. 596/2014 Rz. 202), scheidet nach hier vertretener Ansicht auch deren Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 WpHG aus (dazu § 119 WpHG Rz. 168 ff.). Hält man eine strafbare Marktmanipulation durch unterlassene Ad-hoc-Mitteilung gleichwohl für möglich, so scheidet eine solche doch jedenfalls für den Fall aus, dass die Ad-hoc-Mitteilung aufgrund des Aufschubs der Offenlegung einer Insiderinformation nach Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 erfolgte733. Behandelt man zudem noch eine verspätete Offenlegung wie eine unterlassene Offenlegung gleich, so ist doch jedenfalls ein verspäteter Aufschub nicht mit einer verspäteten Offenlegung gleichzusetzen734.
2. Ordnungswidrigkeiten a) Erfasste Verstöße Die vorsätzliche oder leichtfertige Verletzung der Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen 299 nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 VO Nr. 596/2014 sowie weiterer der in Art. 17 VO Nr. 596/2014 geregelten Pflichten um die Veröffentlichung von Insiderinformationen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 120 Abs. 15 Nr. 6–11 WpHG) und kann nach § 120 Abs. 18 Satz 1 WpHG mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden. Gegenüber einer juristischen Person oder Personenvereinigung kann darüber hinaus nach § 120 Abs. 18 Satz 2 Nr. 2 WpHG eine höhere Geldbuße verhängt werden, die allerdings den höheren der Beträge von zweieinhalb Millionen Euro und 2 Prozent des Gesamtumsatzes, den die juristische Person oder Personenvereinigung im der Behördenentscheidung vorangegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, nicht überschreiten darf. Und auch darüber hinaus kann die Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 18 Satz 3 WpHG mit einer Geldbuße bis zum Dreifachen des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils geahndet werden, wobei der wirtschaftliche Vorteil nach § 120 Abs. 18 Satz 4 WpHG erzielte Gewinne und vermiedene Verluste umfasst und geschätzt werden kann. Im Einzelnen handelt nach § 120 Abs. 15 Nr. 6–11 WpHG ordnungswidrig, „wer gegen die Verordnung 300 (EU) Nr. 596/2014 verstößt, indem er vorsätzlich oder leichtfertig ... 6. entgegen Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 1 oder Artikel 17 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 eine Insiderinformation nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig bekannt gibt, 7. entgegen Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 1 eine Veröffentlichung nicht sicherstellt, 8. entgegen Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 2 die Veröffentlichung einer Insiderinformation mit einer Vermarktung seiner Tätigkeiten verbindet, 9. entgegen Artikel 17 Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 3 eine Insiderinformation nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht oder nicht mindestens fünf Jahre lang auf der betreffenden Website anzeigt, 10. entgegen Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3 Satz 1 die zuständige Behörde nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig über den Aufschub einer Offenlegung informiert oder den Aufschub einer Offenlegung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig erläutert, 11. entgegen Artikel 17 Absatz 8 Satz 1 eine Insiderinformation nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig veröffentlicht ...“ Ebenso handelt nach § 120 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG ordnungswidrig, wer entgegen § 26 Abs. 1 WpHG 301 eine Information nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt oder eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht. In diesen Fällen kann die Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 24 WpHG mit einer Geldbuße bis zu zweihunderttausend Euro geahndet werden. Zu Einzelheiten ist auf die Erläuterung zu diesen Bestimmungen in § 120 WpHG Rz. 90 f., Rz. 377 zu ver- 302 weisen. Das Verhalten der Person, die eine der in Art. 17 VO Nr. 596/2014 statuierten Pflichten verletzt, kann – über 303 die Verwirklichung der vorstehend aufgeführten Ordnungswidrigkeiten hinaus – auch nach anderweitigen Ordnungswidrigkeits- und Strafvorschriften bußgeld- bzw. strafbedroht sein. Unter diesen kommt im Hinblick auf die Verletzung der Veröffentlichungspflichten des Emittenten nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 733 Park/Wagner, wistra 2019, 306, 311 ff., Vorliegen der „Selbstbefreiungsvoraussetzungen“ führt auf strafrechtlicher Ebene zum Wegfall einer Handlungspflicht. 734 Vaupel/Oppenauer, AG 2019, 502, 512 f.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 303 | Veröffentlichung von Insiderinformationen VO Nr. 596/2014 vor allem das Verbot der Marktmanipulation nach Art. 15, 12 und 13 VO Nr. 596/2014 in Betracht735, dessen Verletzung – je nach dem betroffenen Gebot oder Verbot – eine Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 15 Nr. 2 WpHG darstellen kann. Zu Einzelheiten hierzu s. die Erläuterung zu § 120 WpHG Rz. 107 f. b) Verantwortlichkeit 304 Emittenten als juristische Personen sind wegen fehlender Handlungsfähigkeit nicht schuldfähig. Bei Ord-
nungswidrigkeiten können Bußgelder deshalb in erster Linie gegen die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführer einer GmbH verhängt werden. § 9 OWiG lässt es zu, besondere persönliche Merkmale, welche die Möglichkeit der Ahndung erst begründen, aber nur in der Person eines Vertretenen (§ 9 Abs. 1 OWiG) bzw. Betriebsinhabers (§ 9 Abs. 2 OWiG) vorliegen, auf den für den Vertretenen bzw. Betriebsinhaber handelnden Vertreter bzw. Beauftragten anzuwenden. Das hat zur Folge, dass mit der „Merkmalsüberwälzung“ auch eine „Pflichtenüberwälzung“ auf die Vorstandsmitglieder erfolgt und diese für Ordnungswidrigkeiten nach § 120 Abs. 15 Nr. 6–11 WpHG einzustehen haben (dazu § 120 WpHG Rz. 345). Dagegen ist die Verantwortlichkeit von Vorstandsmitgliedern wegen der selbstständigen Ordnungswidrigkeit der Verletzung von Aufsichtspflichten nach § 130 OWiG subsidiär736 und kommt deshalb nur dann zur Anwendung, wenn § 9 OWiG im Hinblick auf Ordnungswidrigkeiten nach § 120 Abs. 15 Nr. 6–11 WpHG auf einzelne Vorstände nicht zur Anwendung käme oder man § 9 OWiG im Hinblick auf Pflichten und Verstöße nach bzw. gegen Art. 17 VO Nr. 596/2014 generell nicht für anwendbar hielte737. Nach § 130 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Vorstandsmitglied vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Vorstand als solchen treffen und deren Verletzung mit Geldbuße bedroht ist. Zu diesen Pflichten gehören diejenigen aus Art. 17 VO Nr. 596/2014.
305 § 30 OWiG ermöglicht es jedoch, auch gegen die Gesellschaft eine Geldbuße festzusetzen, wenn z.B. das
verantwortliche Vorstandsmitglied eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Als solche kommen hier die in Rz. 151 ff. aufgeführten Ordnungswidrigkeiten in Betracht. Wie bereits in Rz. 304 angeführt, trifft nach anderer Ansicht die Geldbuße den Emittenten direkt738.
306 Nach der Neufassung des § 30 OWiG durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität
vom 27.6.1994739 können Geldbußen gegen die Gesellschaft auch bei Ordnungswidrigkeiten von Generalbevollmächtigten, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten festgesetzt werden, die in leitender Stellung im Betrieb der Gesellschaft tätig sind (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 OWiG).
3. Schadensersatz a) Haftung des Emittenten 307 Verstößt ein Emittent gegen die Verpflichtungen nach § 26 Abs. 1 WpHG oder nach Art. 17 Abs. 1, 7 oder 8
VO Nr. 596/2014, so ist er nach § 26 Abs. 3 Satz 1 WpHG einem anderen nur unter den Voraussetzungen der §§ 97 und 98 WpHG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben nach § 26 Abs. 3 Satz 1 WpHG aber davon unberührt. Zu Schadensersatzansprüchen nach § 97 WpHG wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationenwegen Veröffentlichung und nach § 98 WpHG wegen unwahrer Insiderinformationen ist auf die Erläuterungen zu diesen Vorschriften zu verweisen.
308 Weiterhin handelt es sich auch bei Art. 17 VO Nr. 596/2014 – wie zuvor schon bei § 15 WpHG a.F. – um
kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB740 (dazu schon Rz. 11). Zu der – bei Erlass des WpHG als Art. 1
735 Ebenso Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.51; Zimmer/Kruse in Schwark/ Zimmer, § 15 WpHG Rz. 128 ff. A.A. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 345. 736 Vogel in 6. Aufl., § 39 WpHG Rz. 62 und hier Spoerr, § 120 WpHG Rz. 411. Auch Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 347. 737 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 347. 738 Dreyling/Schäfer, Rz. 499 ff.; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 206; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.337; Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 452 („Sonderdelikte kraft gesetzlicher Regelung“). 739 BGBl. I 1994, 1440. 740 Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 542; Fleischer in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 13; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.53; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, Rz. 12.335; Thümmel, Persönliche Haftung,
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 309 Art. 17 VO Nr. 596/2014
des 2. FFG vom 26.7.1994741 durch § 15 WpHG (a.F.) abgelösten – Regelung der Ad-hoc-Publizität in § 44a BörsG (a.F.) wurde zwar überwiegend die Meinung vertreten, bei der Vorschrift handele es sich um ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, dessen Verletzung schadensersatzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne742, doch enthielt der neue § 15 WpHG (a.F.) in seinem Abs. 6 die unmissverständliche Regelung: „Verstößt der Emittent gegen die Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 3, so ist er einem anderen nicht zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben unberührt.“ Die danach mit dem Ausschluss der zivilrechtlichen Haftung für fehlerhafte, verspätete oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen immer stärker zutage getretene Lücke im Anlegerschutz hat der Gesetzgeber mit dem 4. FFG vom 21.6.2002743 durch die neuen §§ 37b und 37c WpHG (a.F.) schließen wollen, und dies, wie der neue, auf diese Vorschriften bezogene § 15 Abs. 6 WpHG gedeutet wurde, abschließend. §§ 37b und37c WpHG (a.F.) sind heute §§ 97 und 98 WpHG und der nach seiner Einführung unverändert gebliebene § 15 Abs. 6 WpHG a.F. ist, nach Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung, unverändert in § 26 Abs. 3 WpHG übernommen worden. Den Ausschluss von § 15 WpHG a.F. als Schutzgesetz, der den verschiedenen Fassungen von § 15 Abs. 6 WpHG a.F. entnommenen, sah die ganz herrschende Meinung als im Einklang mit den mit § 15 WpHG a.F. umgesetzten Richtlinien, zunächst der Insiderrichtlinie vom 13.11.1989 (Rz. 31) und dann die auf dieser aufbauenden Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 (Rz. 15), deren Konzept und Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen die Marktmissbrauchsverordnung übernommen hat744. Die Marktmissbrauchsverordnung wiederum enthält keinen Anhaltspunkt, Schutzgut des Art. 17 VO 309 Nr. 596/2014 über die Veröffentlichung von Insiderinformationen solle nunmehr auch die Interessen des individuellen Anlegers sein, und dies dergestalt sein, dass Verstöße gegen die Veröffentlichungspflichten nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 Schadensersatzansprüche zur Folge haben müssten. Allzu dürftig, um einen Anhaltspunkt für die Schutzgesetzqualität des Art. 17 VO Nr. 596/2014 abzugeben, ist der Hinweis auf Erwägungsgrund 49 Satz 1 VO Nr. 596/2014, die öffentliche Bekanntgabe von Insiderinformationen durch Emittenten sei „von wesentlicher Bedeutung, um Insidergeschäften und der Irreführung von Anlegern vorzubeugen“ (Hervorhebung hinzugefügt)745. Im Lichte anderer Ausführungen in den Erwägungsgründen und in der Marktmissbrauchsverordnung, namentlich, Art. 1 VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 11), lässt sich die Formulierung „Irreführung von Anlegern“ weniger als auf den einzelnen Anleger bezogene, denn auf die Anleger in ihrer Gesamtheit, d.h. das Markpublikum, deuten. Abgesehen davon kann es mangels Kompetenz der EU im Bereich zivilrechtlichen Schadensersatzes für kapitalmarktrechtliche Verhaltenspflichten auch nicht Sache der Marktmissbrauchsverordnung sein, Aussagen über die zivilrechtliche Haftungsbewehrung zu tref-
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Rz. 425. A.A. Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 168 („Denn Erwägungsgrund 49 MAR, wonach die Bekanntgabe von Insiderinformationen durch den Emittenten die Irreführung von Anlegern verhindern soll, deutet auf den Willen des EU-Verordnungsgebers hin, mit der Ad-hoc-Publizität auch Individualschutz zu gewähren“); Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 19 (Der Vorschrift kann „nicht gänzlich jeglicher individualschützender Charakter abgesprochen werden“), Rz. 349. Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 589, hält es im Anschluss an von ihm zitierte Vordenker für „denkbar, dass Art. 17 Abs. 1, 8 MAR, trotz § 26 Abs. 3 Satz 1 WpHG aus Effet-utile-Gründen als Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB interpretiert werden muss“); kritisch dagegen Markworth, ZHR 183 (2019), 46, 64 ff.; Schütt, S. 369 ff., 447: „grundsätzlich ... taugliches Schutzgesetz“; Wolf in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 31 Rz. 52 ff., 59, will die Schutzgesetzeigenschaft von Art. 17 VO Nr. 596/2014 davon abhängig machen, ob §§ 97, 98 WpHG den europarechtlichen Anforderungen genüge, was (Rz. 60) allerdings offen bleibt. BGBl. I 1994, 1749. Assmann, ZGR 1994, 494, 529 m.w.N. A.A. Schwark, 2. Aufl. 1994, § 44 BörsG Rz. 14. BGBl. I 2002, 2010. So schon Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, 102; Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, 245; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 45. Aus der Rechtsprechung BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 742/02, ZIP 2002, 1986; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – Infomatec I, BGHZ 160, 134 = AG 2004, 543 f.; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – EM.TV, AG 2005, 609, 610. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BTDrucks. 12/7918, 102; Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, 245. Aus dem Schrifttum etwa Caspari, ZGR 1994, 530, 533; Eichner, S. 95; Geibel/Schäfer in Schäfer/Hamann, § 15 WpHG Rz. 196; Groß, WM 2002, 477, 482; Krause, ZGR 2002, 799, 808 ff.; Pfüller in Fuchs, § 15 WpHG Rz. 537; Rodewald/Siems, BB 2001, 2437, 2439; Steinhauer, S. 134; Thümmel, DB 2001, 2331, 2332; Versteegen in KölnKomm. WpHG, 1. Aufl. 2007, § 15 WpHG Rz. 268; Waldhausen, S. 50 („de lege lata bindend“); Zimmer/Kruse in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15 WpHG Rz. 6, 135. A.A. Gehrt, S. 23 ff., 25; von Klitzing, S. 220 ff. Kritisch zur Schutzgutbestimmung (des Gesetzgebers) insb. Hopt, ZHR 159 (1995), 158 ff., 161. Zweifelnd an der Wirksamkeit des Ausschlusses einer „Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 17 Abs. 1, 7, 8 MAR [VO Nr. 596/2014]“ Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 589. So aber Hopt/Kumpan in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, § 86 Rz. 168.
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 309 | Veröffentlichung von Insiderinformationen fen. Diese zum Schutz des Anlegers einzusetzen, ist Sache des nationalen Gesetzgebers, und der deutsche hat dies in Gestalt von Art. 15 Abs. 6 WpHG a.F. und § 26 Abs. 3 Satz 1 WpHG eindeutig dahingehend getan, dass er Schadensersatzansprüche von Anlegern wegen der Verletzung von Pflichten zur Offenlegung von Insiderinformationen auf die in §§ 97 und 98 WpHG geregelten beschränkt746. 310 § 26 Abs. 3 Satz 1 WpHG steht, neben anderen Gründen, auch dem Versuch747 entgegen, Ad-hoc-Mitteilun-
gen als Prospekte i.S.d. allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung zu betrachten und sie den diesbezüglichen Haftungsgrundsätzen zu unterwerfen748. Das gilt auch für den Fall missbräuchlicher Ad-hoc-Veröffentlichungen, d.h. der Veröffentlichung von Informationen, die keine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation darstellen.
311 Dessen ungeachtet kann der Emittent, dessen Organe oder verfassungsmäßig berufene Vertreter falsche
Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlichen oder Ad-hoc-Mitteilungen pflichtwidrig unterlassen, je nach den Umständen des Einzelfalls und des Verhaltens der Organe zugleich die Tatbestände des Betrugs bzw. des Kapitalanlagebetrugs gem. § 263 StGB bzw. § 264a StGB verletzen und sich so nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 BGB analog schadensersatzpflichtig machen749 oder eine zum Schadensersatz verpflichtende vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog begehen750. Würden diese und andere (namentlich vertragliche und quasivertragliche) Haftungstatbestände durch den Umstand, dass das Verhalten des Emittenten zugleich seine Ad-hoc-Publizitätspflichten verletzt, von Art. 17 VO Nr. 596/2014 verdrängt, hätte dies eine sachlich nicht vertretbare Bevorzugung des Emittenten gegenüber anderen Unternehmen mit sich gebracht751. Die Haftung aus § 826 BGB wegen einer Ad-hoc-Mitteilung mit unrichtigem Inhalt setzt allerdings den in vollem Umfang vom Anleger zu führenden Nachweis voraus, „dass ein konkreter Kausalzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilung und seiner individuellen Anlageentscheidung besteht“; die Berufung auf „das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung reicht nicht aus“752. Vorsätzliches Verhalten ist anzunehmen, wenn der Emittent bzw. die verantwortlichen Organmitglieder mit Wissen und Wollen unwahre Angaben machen und die Schädigung eines großen Anlegerkreises aus Eigennutz billigend in Kauf nehmen753. Die im Hinblick auf die Feststellung der Sittenwidrigkeit erforderliche „besondere Verwerflichkeit des Verhaltens“ muss sich „aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben“754.
b) Haftung von Organmitgliedern 312 Aus § 26 Abs. 3 Satz 2 WpHG folgt nicht nur, dass Schadensersatzansprüche gegen den Emittenten aus an-
deren Gründen als der Verletzung von Veröffentlichungspflichten und den diese betreffenden §§ 97 und 98 WpHG von der Regelung des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG unberührt bleiben, sondern auch die Haftung ande746 Selbst wenn es, wie Hellgardt, AG 2012, 154, 164 f., meint, unionsrechtlichen Vorgaben zur zivilrechtlichen Sanktionierung von Verordnungen geben sollte, wäre diesen mit §§ 97, 98 WpHG Genüge getan und würden keinesfalls die Anerkennung von Art. 17 VO Nr. 596/2014 als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB – eine Norm, die in anderen Mitgliedstaaten der EU mangels diesbezüglicher Rechtsangleichung zudem kein Äquivalent hat – erforderlich machen. Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 543. 747 So Braun/Rotter, BKR 2003, 918. 748 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – Infomatec I, BGHZ 160, 134 = AG 2004, 543. Ebenso etwa Edelmann, BB 2004, 2031; Körner, NJW 2004, 3386. Schon vor „Infomatec“ Krause, ZGR 2002, 799, 826 ff. 749 S. (Hellgardt) § 98 WpHG Rz. 157 bzw. 159, jeweils m.w.N. zur Anerkennung der Schutzgesetzeigenschaft dieser Vorschiften durch die Rechtsprechung; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 540; Fleischer in Assmann/Schütze/ Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 18; Wolf in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch Marktmissbrauchsrecht, § 31 Rz. 66 bzw. 65. 750 OLG Frankfurt v. 26.9.2017 – 11 U 12/16 (rkr.), AG 2019, 217; OLG Braunschweig Hinweisbeschl. v. 18.11.2021 – 3 Kap 1/16, AG 2022, 164, 172: „Der Tatbestand des § 826 BGB kann auch durch das Unterlassen einer Kapitalmarktinformation verwirklicht werden. Die in den Fällen der Informationsdeliktshaftung ohnehin strengen Voraussetzungen einer Haftung aus § 826 BGB sind durch das weitere Erfordernis, dass ein Unterlassen infolge einer Handlungspflicht dem Handeln gleichzusetzen sein muss, nochmals gesteigert“. S. auch (Hellgardt) § 98 WpHG Rz. 160 ff.; Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 340; BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 544 ff.; Fleischer in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 6, 19 ff.; Gansmeier, S. 27 ff., 39 f., 192 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 350; Wolf in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 31 Rz. 67 ff., 73. 751 So im Hinblick auf § 15 WpHG a.F. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BTDrucks. 12/7918, 102. 752 OLG Frankfurt v. 26.9.2017 – 11 U 12/16 (rkr.), AG 2019, 217, 218/219 m.w.N. 753 OLG Frankfurt v. 26.9.2017 – 11 U 12/16 (rkr.), AG 2019, 217, 218. 754 OLG Frankfurt v. 26.9.2017 – 11 U 12/16 (rkr.), AG 2019, 217, 218.
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Veröffentlichung von Insiderinformationen | Rz. 313 Art. 17 VO Nr. 596/2014
rer Personen aufgrund anderweitiger Rechtsgrundlagen. Das gilt namentlich für die Haftung von Organmitgliedern aus § 826 BGB755; die Ausführungen in Rz. 312 zur Emittentenhaftung aus § 826 BGB gelten hier entsprechend. Dagegen kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung der Tatbestände des Betrugs bzw. des Kapitalanlagebetrugs gem. § 263 StGB bzw. § 264a StGB im Zusammenhang mit Vorgängen unter Einschluss fehlerhafter oder unterlassener Ad-hoc-Mitteilung nur unter eher außergewöhnlichen Umständen in Betracht. Weiter ist eine Außenhaftung von Vorstandsmitgliedern unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen unrichtiger Darstellungen i.S.v. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB möglich756. Darüber hinaus ist an eine Haftung der Organmitglieder des Emittenten für Verstöße gegen die den Emittenten aus Art. 17 VO Nr. 596/2014 i.V.m. den Vorschriften der DurchfVO (EU) 2016/1055 (Rz. 16) und der WpAV treffenden Pflichten zu denken757. Der Verstoß gegen diese Pflichten stellt regelmäßig eine Pflichtverletzung i.S.d. § 93 Abs. 1 AktG dar758, für die die Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG allerdings nur gegenüber der Gesellschaft haften.
4. Fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilung als Wettbewerbshandlung In einer Ad-hoc-Mitteilung, die nicht in vollem Umfang den Tatsachen entspricht und irreführend ist, kann 313 nach einem Urteil des OLG Hamburg759 eine unlautere Wettbewerbshandlung (geschäftliche Handlung i.S.v. §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) und eine irreführende Werbung (irreführende geschäftliche Handlung i.S.v. § 5 UWG) gesehen werden. Der Umstand, dass die Mitteilung als „Ad-hoc-Mitteilung nach § 15“ – gemeint war § 15 WpHG a.F. – bezeichnet worden sei, stehe dem nicht entgegen, denn im Hinblick auf den fehler755 S. (Hellgardt) § 98 WpHG Rz. 160 ff. BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 – Infomatec I, BGHZ 160, 134 = AG 2004, 543; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – Infomatec Ia, AG 2004, 543; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – Infomatec II, BGHZ 160, 149 = AG 2004, 546; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – EM.TV, AG 2005, 609; BGH v. 28.11.2005 – II ZR 80/04 – Comroad I, AG 2007, 322; BGH v. 28.11.2005 – II ZR 246/04 – Comroad II, AG 2007, 324; BGH v. 26.6.2006 – II ZR 153/05 – Comroad III, AG 2007, 169; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 147/05 – Comroad IV, AG 2007, 620; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 173/05 – Comroad V, AG 2007, 623; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 – Comroad VI, AG 2008, 252; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 – Comroad VII, AG 2008, 254; BGH v. 3.3.2008 – II ZR 310/06 – Comroad VIII, AG 2008, 377; OLG Frankfurt v. 26.9.2017 – 11 U 12/16 (rkr.), AG 2019, 217. Aus dem Schrifttum etwa Buck-Heeb in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 8 Rz. 340; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 544 ff.; Buck-Heeb/Dieckmann, AG 2008, 681; Edelmann, BB 2004, 2031; Findeisen, NZG 2007, 692; Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100; Fleischer, AG 2008, 265; Fleischer in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 6, 19 ff.; Gottschalk, DStR 2005, 1648; Hutter/Stürwald, NZG 2005, 2428; Kort, NZG 2005, 496; Krause, ZGR 2002, 799, 820; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 105 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 351; Leuschner, ZIP 2008, 1050; Möllers, WM 2003, 2393; Rützel, AG 2003, 69; Thümmel, Persönliche Haftung, Rz. 424; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, Rz. 15.54; Wolf in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 31 Rz. 67 ff., 73; Wünsche, BB 2008, 691. 756 § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Dazu (Hellgardt) § 98 WpHG Rz. 159. BGH v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, BGHZ 149, 10 = AG 2002, 43, 44; BGH v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, AG 2005, 162, 163; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – Infomatec I, BGHZ 160, 134, 141 = AG 2004, 543, 544; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 – Infomatec II, BGHZ 160, 149 = AG 2004, 546; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 – EM.TV, AG 2005, 609, 610. Nach BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 – Infomatec I, BGHZ 160, 134, 141 m.w.N. = AG 2004, 543, 544, wortgleich „Infomatec II“, s. vorstehend, unterfallen Ad-hoc-Mitteilungen, die nicht den Vermögensstand der Gesellschaft in seiner Gesamtheit betreffen, sondern nur jeweils einzelne Aspekte desselben – wie etwa einzelne Geschäftsabschlüsse – umfassen, nicht unter den Begriff der Darstellungen i.S.d. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG; OLG Frankfurt v. 26.9.2017 – 11 U 12/16 (rkr.), AG 2019, 217. Aus dem Schrifttum etwa Oetker in K. Schmidt/ Lutter, § 400 AktG Rz. 2; Fleischer in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 400; Otto in Großkomm. AktG, 3. Aufl. 1997, § 400 AktG Rz. 4; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 351; Schaal in MünchKomm. AktG, 4. Aufl. 2017, § 400 AktG Rz. 3; Wolf in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 31 Rz. 64. Zur Anwendung der Norm auf Veröffentlichungen nach § 15 WpHG a.F./Art. 17 VO Nr. 596/2014 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 482 (Problem, dass Ad-hoc-Mitteilungen nicht den Eindruck der Vollständigkeit erwecken); Fleischer in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 17 („Ausnahmsweise können auch Ad-hoc-Mitteilungen den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG verwirklichen“); Thümmel, Persönliche Haftung, Rz. 425 („ist aber bei Ad-hoc-Meldungen oft vom Tatbestand her nicht einschlägig“). 757 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 351. Übersicht zur Haftung wegen Verstoßes gegen Pflichten nach § 15 WpHG a.F. i.V.m. den Vorschriften der WpAIV a.F. bei Fleischer in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 6 Rz. 11 ff. 758 Thümmel, Persönliche Haftung, Rz. 423. 759 OLG Hamburg v. 19.7.2006 – 5 U 10/06, ZIP 2006, 1921. Grundsätzlich zustimmend, aber differenzierend hinsichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine geschäftliche Handlung i.S.d. UWG angenomen werden kann, Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 17 MAR Rz. 352.
Assmann | 663
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 313 | Veröffentlichung von Insiderinformationen haften Teil der Mitteilung könne der Emittent sich nicht darauf berufen, zum Zwecke der Information der Kapitalanleger gehandelt zu haben760.
5. Verwaltungsrechtliche Folgen und Sanktionen 314 Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 übertragen die Mitgliedstaaten – unbeschadet strafrecht-
licher Sanktionen und unbeschadet der Aufsichtsbefugnisse der zuständigen Behörden nach Art. 23 VO Nr. 596/2014 – im Einklang mit nationalem Recht den zuständigen Behörden die Befugnis, angemessene verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere verwaltungsrechtliche Maßnahmen in Bezug unter anderem auf Art. 17 Abs. 1, 2, 4, 5 und 8 VO Nr. 596/2014 zu ergreifen. Dabei haben die Mitgliedstaaten gem. Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 sicherzustellen, dass die zuständigen Behörden im Einklang mit dem nationalen Recht über die Befugnis verfügen, im Falle von Verstößen u.a. gegen die vorgenannten Bestimmungen die in Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a–j VO Nr. 596/2014 aufgeführten verwaltungsrechtlichen Sanktionen und die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu verhängen bzw. zu ergreifen. Zuständig für die verwaltungsrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen sind gem. Art. 22 Satz 1 VO Nr. 596/2014 – unbeschadet der Zuständigkeiten der Justizbehörden – eine von jedem Mitgliedstaat zu benennende („einzige“) Behörde, die über die in Art. 23 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 zur Wahrnehmung ihrer sich aus der VO Nr. 596/ 2014 ergebenden Aufgaben erforderlichen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse verfügen muss und diese nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 wahrzunehmen hat. Zuständige Behörde i.S.d. Art. 22 Satz 1 VO Nr. 596/2014 ist nach § 6 Abs. 5 Satz 1 WpHG die BaFin.
315 Die Voraussetzungen für die Verhängung bzw. Wahrnehmung der in Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a–j VO
Nr. 596/2014 aufgeführten verwaltungsrechtlichen Sanktionen bzw. Maßnahmen in Bezug auf Verstöße gegen die Insiderverbote des Art. 14 VO Nr. 596/2014 sind im deutschen Recht vor allem in § 6 WpHG zu finden. Die Befugnis der zuständigen Behörde nach Art. 30 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, eine Anordnung zu erlassen, wonach die für einen Verstoß verantwortliche Person die Verhaltensweise einzustellen und von einer Wiederholung abzusehen hat, folgt für die BaFin als nach § 6 Abs. 5 Satz 1 WpHG zuständiger Behörde aus und nach Maßgabe von § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Weitere Befugnisse der BaFin im Falle von Verstößen gegen die Verbote des Art. 17 VO Nr. 596/2014 ergeben sich etwa aus § 6 Abs. 2 Satz 4 WpHG (demzufolge die BaFin den Handel mit einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten vorübergehend untersagen oder die Aussetzung des Handels in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten an Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, anordnen kann, soweit dies zur Durchsetzung u.a. der Gebote des Art. 17 VO Nr. 596/2014 oder zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen nach § 6 Abs. 1 WpHG geboten ist), aus § 6 Abs. 7 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG (demzufolge die BaFin es einer natürlichen Person, die für einen Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1, 2, 4, 5 und 8 VO Nr. 596/2014 verantwortlich ist, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren untersagen kann, Geschäfte für eigene Rechnung in den in Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannten Finanzinstrumenten und Produkten zu tätigen), aus § 6 Abs. 8 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG (demzufolge die BaFin einer Person, die bei einem von ihr beaufsichtigten Unternehmen tätig ist, für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren die Ausübung der Berufstätigkeit untersagen kann, wenn diese Person vorsätzlich gegen unter anderem ein Verbot des Art. 17 VO Nr. 596/2014 oder gegen eine Anordnung der BaFin, die sich auf diese Vorschriften bezieht, verstoßen hat und dieses Verhalten trotz Verwarnung durch die Bundesanstalt fortsetzt) oder aus § 6 Abs. 9 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 WpHG (demzufolge die BaFin bei einem Verstoß gegen unter anderem Art. 17 VO Nr. 596/2014 oder eine von ihr erlassene vollziehbare Anordnung, die sich auf diese Vorschrift bezieht, auf ihrer Internetseite eine Warnung unter Nennung der natürlichen oder juristischen Person oder der Personenvereinigung, die den Verstoß begangen hat, sowie der Art des Verstoßes veröffentlichen kann). Darüber hinaus kann die BaFin die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften oder zur Erbringung von Finanzdienstleistungen i.S.v. § 32 KWG nach § 35 Abs. 2 Nr. 7 KWG aufheben, wenn das jeweilige Institut nachhaltig unter anderem gegen Art. 17 Abs. 1, 2, 4, 5 oder 8 VO Nr. 596/2014 oder sich auf diese Bestimmungen beziehende Anordnungen der BaFin verstoßen hat. Zur Verfolgung von Verstößen gegen Art. 17 VO Nr. 596/2014 stehen der BaFin etwa Auskunftsrechte und das Recht zur Beantragung der Beschlagnahme von Gegenständen nach Maßgabe von § 6 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 15 und Abs. 13 Satz 1 WpHG zu. Wird eine nach Art. 17 VO Nr. 596/2014 gebote760 Nach Klöhn in Klöhn, Art. 17 MAR Rz. 591, stellt eine fehlerhafte Ad-hoc-Veröffentlichung keine geschäftliche Handlung i.S.v. §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, es sei denn, es werden „offensichtlich unrichtige oder offensichtlich nicht veröffentlichungspflichtige Informationen veröffentlicht“. Das entspricht allerdings weitgehend den Ausführungen des OLG Hamburg v. 19.7.2006 – 5 U 10/06, ZIP 2006, 1921, nach denen in einer Ad-hoc-Mitteilung (nach § 15 WpHG a.F.) eine Wettbewerbshandlung i.S.v. § 3 UWG und eine Werbung i.S.v. § 5 UWG jedenfalls dann gesehen werden kann, „wenn der mitgeteilte Inhalt nicht vollen Umfanges den Tatsachen entspricht und irreführend ist“ (Leitsatz).
664 | Assmann
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Insiderlisten | Art. 18 VO Nr. 596/2014
ne Veröffentlichung oder Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfüllt, kann die BaFin diese im Wege der Ersatzvornahme nach § 6 Abs. 14 WpHG auf Kosten des Pflichtigen vornehmen. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die BaFin nach § 6 Abs. 17 WpHG bei Ermittlungen oder Überprüfungen auch Wirtschaftsprüfer oder Sachverständige einsetzen. § 125 Abs. 1 Satz WpHG verpflichtet die BaFin zur Bekanntmachung von Maßnahmen und Sanktionen 316 wegen Verstößen gegen Art. 17 Abs. 1, 2, 4, 5 und 8 VO Nr. 596/2014. Danach macht die Aufsichtsbehörde Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen, die wegen Verstößen unter anderem gegen die vorstehend angeführten Bestimmungen erlassen wurden, unverzüglich nach Unterrichtung der natürlichen oder juristischen Person, gegen die die Maßnahme oder Sanktion verhängt wurde, auf ihrer Internetseite nach Maßgabe von § 125 Abs. 2 ff. WpHG bekannt. Dies gilt nach § 125 Abs. 1 Satz 2 WpHG nicht für Entscheidungen über Ermittlungsmaßnahmen. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und nach Maßgabe von § 73 Abs. 1 Sätze 3 und 4 WpHG kann der 317 Betreiber eines multilateralen oder organisierten Handelssystems den Handel mit einem Finanzinstrument aussetzen oder dieses Instrument vom Handel ausschließen, wenn dies zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Handels oder zum Schutz des Publikums geboten erscheint, insbesondere, wenn der Verdacht einer Nichtveröffentlichung von Insiderinformationen entgegen Art. 17 VO Nr. 596/2014 in Bezug auf das Finanzinstrument besteht. Im Falle einer solchen Maßnahme hat der Betreiber auch den Handel mit Derivaten, die mit diesem Finanzinstrument verbunden sind oder sich auf dieses beziehen, auszusetzen oder den Handel mit diesen Instrumenten einzustellen, wenn dies zur Verwirklichung der Ziele der Maßnahme nach § 73 Abs. 1 Satz 1 WpHG erforderlich ist. Die ergriffenen Maßnahmen veröffentlicht der Betreiber und teilt sie unverzüglich der BaFin mit (§ 73 Abs. 1 Satz 4 WpHG). Wird ein Finanzinstrument oder Derivat, das Gegenstand solcher Maßnahmen ist, auch an einem anderen inländischen multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt, so hat auch der Betreiber dieses Systems nach § 73 Abs. 2 WpHG entsprechend Maßnahmen zu treffen. Die BaFin hat nach § 73 Abs. 3 Satz 1 WpHG die nach dieser Regelung ergriffenen Betreiber-Maßnahmen gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 WpHG unverzüglich zu veröffentlichen und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) sowie den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu übermitteln.
Art. 18 VO Nr. 596/2014 Insiderlisten (1) Emittenten und alle in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen müssen jeweils, a) eine Liste aller Personen aufzustellen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, wenn diese Personen für sie auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig Aufgaben wahrnehmen, durch die diese Zugang zu Insiderinformationen haben, wie Berater, Buchhalter oder Ratingagenturen (im Folgenden „Insiderliste“), b) die Insiderliste gemäß Absatz 4 sofort aktualisieren und c) der zuständigen Behörde die Insiderliste auf deren Ersuchen unverzüglich zur Verfügung zu stellen. (2) Emittenten und alle in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen treffen alle erforderlichen Vorkehrungen, um dafür zu sorgen, dass alle auf der Insiderliste erfassten Personen die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften erwachsenden Pflichten schriftlich anerkennen und sich der Sanktionen bewusst sind, die bei Insidergeschäften, unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen Anwendung finden. Wird eine andere Person vom Emittenten ersucht, die Insiderliste des Emittenten zu erstellen und zu aktualisieren, so ist der Emittent auch weiterhin voll verantwortlich dafür, dass die Verpflichtungen des vorliegenden Artikels eingehalten werden. Der Emittent behält das Recht, die von der anderen Person erstellte Insiderliste einzusehen. (3) Die Insiderliste umfasst mindestens a) die Identität aller Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, b) den Grund der Aufnahme in die Insiderliste, c) das Datum, an dem diese Person Zugang zu Insiderinformationen erlangt hat sowie die entsprechende Uhrzeit und d) das Datum der Erstellung der Insiderliste. Assmann und Hellgardt | 665
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 | Insiderlisten (4) Emittenten und jede in ihrem Namen bzw. für ihre Rechnung handelnde Person aktualisieren jeweils ihre Insiderlisten unter Nennung des Datums der Aktualisierung unverzüglich, wenn a) sich der Grund für die Erfassung bereits erfasster Personen auf der Insiderliste ändert, b) eine neue Person Zugang zu Insiderinformationen erlangt hat und daher in die Insiderliste aufgenommen werden muss und c) eine Person keinen Zugang zu Insiderinformationen mehr hat. Bei jeder Aktualisierung sind Datum und Uhrzeit der Änderung anzugeben, durch die die Aktualisierung erforderlich wurde. (5) Emittenten und jede in ihrem Namen bzw. für ihre Rechnung handelnde Person bewahren jeweils ihre Insiderliste für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nach der Erstellung oder Aktualisierung auf. (6) Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, dürfen ihre Insiderlisten auf Personen beschränken, die aufgrund der Art ihrer Funktion oder Position beim Emittenten stets auf Insiderinformationen zugreifen können. Abweichend von Unterabsatz 1 des vorliegenden Absatzes kann ein Mitgliedstaat Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, bei Vorliegen spezifischer Bedenken hinsichtlich der Integrität des nationalen Marktes vorschreiben, in ihre Insiderlisten alle in Absatz 1 Buchstabe a genannten Personen aufzunehmen. Diese Listen beinhalten Informationen entsprechend dem von der ESMA gemäß Unterabsatz 4 des vorliegenden Absatzes festgelegten Muster. Die in den Unterabsätzen 1 und 2 des vorliegenden Absatzes genannten Insiderlisten sind der zuständigen Behörde auf Verlangen so bald wie möglich vorzulegen. Die ESMA arbeitet Entwürfe technischer Durchführungsstandards aus, in denen das genaue Format der in Unterabsatz 2 des vorliegenden Absatzes genannten Insiderlisten festgelegt wird. Das Format der Insiderlisten ist im Vergleich zu dem Format der in Absatz 9 genannten Insiderlisten verhältnismäßig und mit einem verringerten Verwaltungsaufwand verbunden. Die ESMA legt der Kommission die entsprechenden Entwürfe technischer Durchführungsstandards bis zum 1. September 2020 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 4 des vorliegenden Absatzes genannten technischen Durchführungsstandards gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/ 2010 zu erlassen. (7) Dieser Artikel gilt für Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat beantragt oder genehmigt haben, bzw. im Falle eines Instruments, das nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt wird, eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem in einem Mitgliedstaat erhalten haben oder für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem in einem Mitgliedstaat beantragt haben. (8) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für a) Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, betreffend Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate im Rahmen von physischen Aktivitäten dieses Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate; b) alle Versteigerungsplattformen, Versteigerer und die Auktionsaufsicht bezüglich Versteigerungen von Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Auktionsobjekten, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 abgehalten werden. (9) Um einheitliche Bedingungen für die Anwendung dieses Artikels sicherzustellen, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards zur Festlegung des genauen Formats der Insiderlisten und des Formats für deren Aktualisierungen gemäß diesem Artikel aus. Die ESMA legt der Kommission diese Entwürfe technischer Durchführungsstandards bis zum 3. Juli 2016 vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/ 2115 vom 27.11.2019 (ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1).
666 | Hellgardt
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Insiderlisten | Art. 18 VO Nr. 596/2014 Durchführungsverordnung (EU) 2022/1210 der Kommission vom 13. Juli 2022 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf das Format der Insiderlisten und deren Aktualisierungen Art. 1 Nach Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vorgeschriebene Insiderlisten (1) Die in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 vorgeschriebenen Insiderlisten enthalten für jede Insiderinformation einen eigenen Abschnitt und werden unter Verwendung des in Anhang I der vorliegenden Verordnung festgelegten Formats (Muster 1) erstellt. (2) Die personenbezogenen Daten von Personen, die aufgrund ihrer Funktion oder Position jederzeit Zugang zu allen Insiderinformationen haben, können in der Insiderliste in einem Abschnitt „permanente Insider“ getrennt aufgeführt werden. Dieser Abschnitt wird unter Verwendung des in Anhang I festgelegten Formats (Muster 2) erstellt. Wird ein Abschnitt „permanente Insider“ erstellt, so werden die personenbezogenen Daten der permanenten Insider nicht in die spezifischen Abschnitte der Insiderliste gemäß Absatz 1 aufgenommen. (3) Die Insiderlisten werden in einer elektronischen Form geführt, die jederzeit gewährleistet, dass a) der Zugang zu den Insiderlisten auf eindeutig identifizierte Personen beschränkt ist, die diesen Zugang aufgrund der Art ihrer Funktion oder Position benötigen; b) die aufgenommenen Informationen korrekt sind; c) frühere Fassungen der Insiderliste zugänglich sind. (4) Die zuständige Behörde gibt auf ihrer Website an, auf welchem elektronischen Weg die Insiderlisten an die zuständige Behörde zu übermitteln sind. Dieser elektronische Weg gewährleistet die Wahrung der Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen während der Übermittlung. In der Fassung vom 13.7.2022 (ABl. EU Nr. L 187 v. 14.7.2022, S. 23). Art. 2 In Artikel 18 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannte Insiderlisten (1) Die in Artikel 18 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannte Insiderliste darf auf die personenbezogenen Daten von Personen beschränkt werden, die stets auf Insiderinformationen zugreifen können. Diese Liste wird unter Verwendung des in Anhang II festgelegten Formats erstellt. (2) Insiderlisten, die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 18 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 verlangen, enthalten für jede Insiderinformation einen eigenen Abschnitt und werden unter Verwendung des in Anhang III der vorliegenden Verordnung festgelegten Formats (Muster 1) erstellt. Die Daten von Personen, die aufgrund ihrer Funktion oder Position jederzeit Zugang zu allen Insiderinformationen haben, können in der Insiderliste in einem Abschnitt „permanente Insider“ getrennt aufgeführt werden. Dieser Abschnitt „permanente Insider“ wird unter Verwendung des in Anhang III festgelegten Formats (Muster 2) erstellt. Wird ein Abschnitt „permanente Insider“ erstellt, so werden die personenbezogenen Daten der permanenten Insider nicht in die einzelnen Abschnitte der Insiderliste für jede der in Unterabsatz 1 genannten Insiderinformationen aufgenommen. (3) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Insiderlisten werden in einer Form geführt, die die Wahrung der Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der in diesen Listen enthaltenen Informationen während der Übermittlung an die zuständige Behörde jederzeit gewährleistet. In der Fassung vom 13.7.2022 (ABl. EU Nr. L 187 v. 14.7.2022, S. 23). Art. 3 Aufhebung Die Durchführungsverordnung (EU) 2016/347 wird aufgehoben. Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung. In der Fassung vom 13.7.2022 (ABl. EU Nr. L 187 v. 14.7.2022, S. 23). Art. 4 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. In der Fassung vom 13.7.2022 (ABl. EU Nr. L 187 v. 14.7.2022, S. 23).
Hellgardt | 667
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein [Nummern (kein Leerzeichen)]
[Text]
[Text]
[Text]
Dienstliche Telefonnummern(n) (Durchwahl und mobil)
Vorname(n) Nachname(n) Geburtsdes Insiders des name(n) Insiders des Insiders (falls abweichend)
[JJJJ-MM-TT, [JJJJ-MM-TT, [Nummer hh:mm UTC] hh:mm UTC] und/oder Text]
[Text mit Beschreibung von Rolle, Funktion und Grund für die Aufnahme in diese Liste]
Private Telefonnummern (Festnetz und mobil)
[JJJJ-MM-TT] [Nummern (kein Leerzeichen)]
Nationale GeburtsIdentifikati- datum onsnummer (falls zutreffend)
[Anschrift des Emittenten/des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate/der Versteigerungsplattform/des Versteigerers/der Auktionsaufsicht oder der in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Person
Beendigung (Datum und Uhrzeit der Beendigung des Zugangs zu Insiderinformationen)
Erlangung (Datum und Uhrzeit der Erlangung des Zugangs zu Insiderformationen)
Funktion und Grund für die Einstufung als Insider
Name und Anschrift des Unternehmens
Datum der Übermittlung an die zuständige Behörde: [JJJ-MM-TT]
Datum und Uhrzeit (letzte Aktualisierung): [JJJJ-MM-TT, hh:mm UTC (Koordinierte Weltzeit)]
[Text]
Vollständige Privatanschrift: Straße; Hausnummer; Ort; Postleitzahl; Land)
Datum und Uhrzeit der Erstellung dieses Abschnitts (d. h. Zeitpunkt der Ermittlung der spezifischen Insiderinformation): [JJJJ-MM-TT; hh:mm UTC (Koordinierte Weltzeit)]
Beschreibung der Quelle der spezifischen Insiderinformation [:
Format der in Artikel 1 Absatz 1 genannten Insiderlisten
MUSTER 1
ANHANG I
Art. 18 VO Nr. 596/2014 | Insiderlisten
668 | Hellgardt
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
[Text]
[Text]
[Text]
Nachname(n) Geburtsdes Insiders name(n) des Insiders (falls abweichend)
Vorname(n) des Insiders
[Nummern (kein Leerzeichen)]
Dienstliche Telefonnummern(n) (Durchwahl und mobil)
[Text mit [JJJJ-MM-TT, Beschreibung hh:mm UTC] von Rolle, Funktion und Grund für die Aufnahme in diese Liste]
[Anschrift des Emittenten oder der in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handelnden Person]
Aufnahme (Datum und Uhrzeit der Aufnahme in den Abschnitt „Permanente Insider“)
Funktion und Grund für die Einstufung als Insider
Name und Anschrift des Unternehmens
Datum der Übermittlung an die zuständige Behörde: [JJJ-MM-TT]
Datum und Uhrzeit (letzte Aktualisierung): [JJJJ-MM-TT; hh:mm UTC (Koordinierte Weltzeit)]
Datum und Uhrzeit der Erstellung dieses Abschnitts: [JJJJ-MM-TT; hh:mm UTC (Koordinierte Weltzeit)]
[Nummer und/oder Text]
Nationale Identifikationsnummer (falls zutreffend)
[JJJJ-MM-TT für das Geburtsdatum]
Geburtsdatum
Format des in Artikel 1 Absatz 2 genannten Abschnitts der permanenten Insider
Muster 2
[Text]
Vollständige Privatanschrift (Straße, Hausnummer, Ort, Postleitzahl, Land) (Falls zum Zeitpunkt der Anforderung durch die zuständige Behörde verfügbar)
[Nummern (kein Leerzeichen)]
Private Telefonnummern (Festnetz und mobil)
Insiderlisten | Art. 18 VO Nr. 596/2014
Hellgardt | 669
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 | Insiderlisten Schrifttum: Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Brellochs, Insiderrecht, in Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, 3. Aufl. 2020, § 1; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Giering/Sklepek, Insider-Compliance nach der Kapitalmarktmissbrauchsreform, CB 2016, 274; Göttler, Insiderliste, in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, 2. Aufl. 2023, § 11; Gurlit, Gläserne Bankenund Kapitalmarktaufsicht? – Zur Bedeutung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes für die Aufsichtspraxis, WM 2009, 773; Haßler, Insiderlisten gem. Art. 18 MMVO und ihre praktische Handhabung, DB 2016, 1920; Kirschhöfer, Führung von Insiderverzeichnissen bei Emittenten und externen Dienstleistern, Der Konzern 2005, 22; Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität, DB 2005, 267; Krause, Kapitalmarktrechtliche Compliance: neue Pflichten und drastisch verschärfte Sanktionen nach der EU-Marktmissbrauchsverordnung, CCZ 2014, 248; Leuering, Die Adhoc-Pflicht auf Grund der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 15 I 3 WpHG), NZG 2005, 12; Lührs/Korff, Der Zeitpunkt für das Führen von Insiderverzeichnissen, ZIP 2008, 2159; Merkner/Sustmann, Insiderrecht und Ad-Hoc-Publizität – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden der BaFin“, NZG 2005, 729; Merkner/Sustmann/Retsch, Das neue Modul C des Emittentenleitfadens der BaFin – Auswirkungen auf die Kapitalmarktkommunikation bei M&A-Transaktionen, NZG 2020, 688; Möllers/Wenninger, Informationsansprüche gegen die BaFin im Lichte des neuen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ZHR 170 (2006), 455; v. Neumann-Cosel, Die Reichweite des Insiderverzeichnisses nach § 15b WpHG, 2008; Poelzig, Die Neuregelung der Offenlegungsvorschriften durch die Marktmissbrauchsverordnung, NZG 2016, 761; Renz/Leibold, Die neuen strafrechtlichen Sanktionsregelungen im Kapitalmarktrecht, CCZ 2016, 157; Rodewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) – Neue Organisationsanforderungen für Emittenten und ihre Berater, BB 2004, 2249; Schlitt, Kapitalmarktrechtliche Folgepflichten eines börsennotierten Unternehmens, in Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. Aufl. 2019, § 38; Uwe H. Schneider/von Buttlar, Die Führung von Insiderverzeichnissen: Neue Compliance-Pflichten für Emittenten, ZIP 2004, 1621; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Seibt/Kraack, Praxisleitfaden zum BaFin-Emittentenleitfaden Modul C – Insiderrecht und Ad hoc-Publizität, BKR 2020, 313; Simons, Die Insiderliste (Art. 18 MMVO), CCZ 2016, 221; Simons, (Weitere) Zweifelsfragen zur Insiderliste, CCZ 2017, 182; Söhner, Praxis-Update Marktmissbrauchsverordnung: Neue Leitlinien und alte Probleme, BB 2017, 259; Villeda, Prävention und Repression von Insiderhandel, 2010; Wieneke/Schulz, Durchführung eines Delistings, AG 2016, 809; Zimmer, Insiderverzeichnisse, in FS Hüffer, 2010, S. 1153; Zöllter-Petzoldt, Das Modul C des Emittentenleitfadens der BaFin – Neues zu Insiderinformationen, Ad-hoc-Veröffentlichungen und Managers‘ Transactions, BKR 2020, 272. I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3. 4. III. 1.
2.
3.
Hintergrund und Regelungsziel . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgegenstand und -ziel . . . . . . . . . . . Vereinbarkeit mit den Grundrechten . . . . . . . Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Emittenten von Finanzinstrumenten (Art. 18 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und Versteigerer (Art. 18 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnde Personen (Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Führung und Inhalt der Insiderliste . . . . . . Listenführungspflicht (Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlassbezogene Liste . . . . . . . . . . . . . . . . b) Permanente Liste (Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Qualifizierung der Liste . . . . . . . . . . . . . . d) Aufbau, Format und Führung der Liste (Art. 1 DurchfVO 2022/1210) . . . . . . . . . . In die Insiderliste aufzunehmende Personen (Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Permanente Insider (Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210) . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Liste (Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Angaben und Sprache der Liste
1 1 6 9 10 10 12 15
IV. 1. 2. V. VI.
17 28 28 29 32 33 34 40 40 45 52 54 54
1. 2. 3. 4. VII. 1. 2. 3. VIII. 1. 2. 3. 4.
b) Angaben über die zu erfassenden Personen c) Grund für die Aufnahme sowie Zeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besonderheiten bei Permanenten Insidern Pflicht zur Aktualisierung der Insiderliste (Art. 18 Abs. 1 lit. b, Abs. 4 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslöser der Aktualisierungspflicht . . . . . . . Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übermittlung an die zuständige Behörde (Art. 18 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014) . . . . Aufklärungspflicht (Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufklärungspflichtiger . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form der Aufklärung und schriftliches Anerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt und Wiederholung der Aufklärung Aufbewahrung (Art. 18 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art der Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbewahrungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertraulichkeit und Pflicht zur Löschung . . . Erleichterungen für KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten (Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Erleichterung . . . . . . . Rechtsfolge: Liste „laufender Insider“ . . . . . . Optionsrecht für die Mitgliedstaaten: Umfassendere Insiderliste . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen auf Dienstleister . . . . . . . . . .
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56 58 61 64 64 67 68 70 70 71 73 75 76 76 77 79 80 82 85 87 88
Insiderlisten | Rz. 3 Art. 18 VO Nr. 596/2014 IX. Verordnungsermächtigungen (Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 6, Abs. 9 VO Nr. 596/2014 und § 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 WpHG) . . . . . . . . . X. Zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Rechte des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89 91 93 96 96
2. 3. 4. XIII.
Verwaltungsrechtliche Sanktionen . . . . . . . . 99 Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Zivilrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . 103 Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
I. Hintergrund und Regelungsziel 1. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift ist am 3.7.2016 in Kraft getreten und hat in Deutschland den früheren § 15b WpHG a.F. er- 1 setzt. Mit der Überführung in direkt anwendbares Unionsrecht ging auch ein Wechsel in der Terminologie einher: die gem. § 15b WpHG a.F. zu führenden Insiderverzeichnisse heißen seitdem Insiderlisten. Die durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz1 eingefügte Regelung des § 15b WpHG a.F. beruhte auf 2 Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie2. Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 lautete: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Emittenten oder in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Personen ein Verzeichnis der Personen führen, die für sie auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig tätig sind und Zugang zu Insider-Informationen haben. Die Emittenten bzw. die in ihrem Auftrag oder die für ihre Rechnung handelnden Personen müssen dieses Verzeichnis regelmäßig aktualisieren und der zuständigen Behörde auf Anfrage übermitteln.“ Die Kommission verabschiedete am 29.4.2004 eine Durchführungsrichtlinie3, die in ihrem Art. 5 die Insiderverzeichnisse regelte. Die Regelungen der Durchführungsrichtlinie wurden in Deutschland teils in § 15b WpHG a.F. (Aufklärungspflicht), teils in den §§ 14–16 WpAIV a.F.4 (Inhalt, Berichtigung, Aufbewahrung und Vernichtung) umgesetzt. Die am 16.4.2014 erlassene und ab dem 3.7.2016 geltende Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/ 3 2014) führte zur Aufhebung der Marktmissbrauchsrichtlinie und regelt die Insiderlisten nunmehr unionsweit einheitlich. Der europäische Normengeber hielt fest, dass es sich bei Insiderlisten um ein wichtiges Instrument bei der Untersuchung möglichen Marktmissbrauchs handle, bemängelte indes den aus den unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich der erforderlichen Datenfelder erwachsenden unnötigen Verwaltungsaufwand5. Um unionsweit einheitliche Standards für das Format und die Aktualisierung von Insiderlisten zu schaffen, erließ die Europäische Kommission am 10.3.2016 die Durchführungsverordnung (EU) 2016/3476. Zwischenzeitlich wurde sie durch die Durchführungsverordnung (EU) 2022/12107 abgelöst, die am 3.8.2022 in Kraft getreten ist. Anlage I zur DurchfVO 2022/1210
1 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). 2 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. Ausführlich zur Entstehung von Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 RL 2003/6/EG s. Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 9. 3 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. Ausführlich zur Entstehung der Durchführungsrichtlinie s. Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 10. 4 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.2004 (BGBl. I 2004, 3376). Die früheren §§ 12–14 WpAIV sind mit Wirkung zum 3.1.2018 aufgehoben worden durch die 3. Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 2.11.2017 (BGBl. I 2017, 3727). Durch diese Änderungsverordnung wurden die Insiderlisten auch aus dem Namen der Verordnung gestrichen, die nun WpAV heißt. 5 Erwägungsgrund 56 VO Nr. 596/2014. 6 Durchführungsverordnung (EU) 2016/347 der Kommission vom 10.3.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das genaue Format der Insiderlisten und für die Aktualisierung von Insiderlisten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 65 v. 11.3.2016, S. 49. 7 Durchführungsverordnung (EU) 2022/1210 der Kommission vom 13.7.2022 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf das Format der Insiderlisten und deren Aktualisierungen, ABl. EU Nr. L 187 v. 14.7.2022,
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Insiderlisten enthält zwei Muster für die Insiderliste. Übergangsregelungen gibt es keine, sofern Insiderlisten bereits nach der alten DurchfVO geführt wurden, sind sie ab dem 3.8.2022 den neuen Vorgaben (geänderter Reihenfolge der Spalten) anzupassen. 3a Durch die am 27.11.2019 erlassene Änderungsverordnung (EU) 2019/21158 wurden mit Wirkung zum
1.1.2021 die Regelungen für Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, reformiert (s. dazu Rz. 80 ff.). Ziel der Änderung war es, Erleichterungen für KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten zu schaffen, insbesondere durch die Möglichkeit, nur eine „Liste der laufenden Insider“ zu führen9. Gleichzeitig wurden einige missverständliche Formulierungen in Art. 18 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014 klarstellend geändert (s. dazu Rz. 10, 18, 67, 70, 76). Die Europäische Kommission hat am 7.12.2022 den Vorschlag für einen Listing Act veröffentlicht (s. Einl. Rz. 51)10. Danach ist eine weitreichende Reform des Art. 18 VO Nr. 596/2014 geplant, die die gerade erst neuen Regeln für Emittenten an KMU-Wachstumsmärkten auf sämtliche Emittenten erstrecken würde. Das hätte zur Folge, dass alle Emittenten regulär nur noch eine Liste der laufenden Insider zu führen hätten. Wegen der weitreichenden Änderungen, die diese Reform zur Folge hätte, werden die möglichen Auswirkungen im Folgenden an den entsprechenden Stellen kurz erläutert.
4 Art. 18 VO Nr. 596/2014 führt in Einzelheiten zu einer Verschärfung des früheren Rechts, insbesondere im
Hinblick auf die in der Insiderliste aufzunehmenden Informationen (s. dazu Rz. 54 ff.). Der Neuregelung wurde im Schrifttum aus diesem Grunde „inquisitorischer Impetus“ vorgeworfen11. Gleichzeitig hat sich – im Einklang mit den sonstigen Regelungen zur Insiderhandelsprävention – der Anwendungsbereich durch Art. 18 Abs. 7 und 8 VO Nr. 596/2014 erheblich erweitert. Die Regelungen wurden gegenüber § 15b WpHG a.F. auf Emittenten ausgedehnt, deren Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem beantragt haben. Neu ist, dass auch Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate sowie Versteigerungsplattformen, Versteigerer und die Auktionsaufsicht bezüglich der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten nach der VO Nr. 1031/ 2010 von der Pflicht zur Führung von Insiderlisten erfasst werden (s. dazu Rz. 15 f.).
5 Die BaFin hat im April 2020 das Modul C des Emittentenleitfadens12 (5. Aufl., Stand: 25.3.2020) veröffent-
licht, welches die 2005 erstmals veröffentlichte und für die damaligen Insiderverzeichnisse 2009 zuletzt aktualisierte Vorgängerversion ablöst. Misslich ist, dass der neue Emittentenleitfaden in Einzelfragen weniger Informationen enthält als die zwischenzeitlich als Auslegungshilfe veröffentlichten FAQ der BaFin zu Insiderlisten13, die daher insoweit weiter relevant bleiben. Bei einer Überarbeitung des Emittentenleitfadens sollten unbedingt alle Informationen aus den FAQ übernommen werden, um die Übersichtlichkeit für den Rechtsanwender wiederherzustellen. Zudem hat die ESMA einen Abschlussbericht zum Entwurf der Durchführungsbestimmungen14 sowie ein paar wenige „Questions & Answers“15 veröffentlicht, die jeweils Hinweise zum Auslegungsansatz der europäischen Aufsichtsbehörden geben und daher für die Interpretation herangezogen werden können.
8 9 10 11 12 13 14 15
S. 23. Die Vorschriften der DurchfVO sind hinter dem Text des Art. 18 VO Nr. 596/2014 zu Beginn dieser Kommentierung abgedruckt. Verordnung (EU) 2019/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten, ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten vom 24.5.2018, COM(2018) 331 fin., S. 18. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, 7.12.2022, COM(2022) 762 final. Simons, CCZ 2017, 182, 188. Zu Modul C des Emittentenleitfadens s. Merkner/Sustmann/Retsch, NZG 2020, 688 ff.; Seibt/Kraack, BKR 2020, 313 ff.; Zöllter-Petzoldt, BKR 2020, 272 ff. Es handelt sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die keine Bindungswirkung entfaltet, BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380, 382. BaFin, FAQ zu Insiderlisten nach Art. 18 MAR (Verordnung (EU) Nr. 596/2014), Stand: 5.6.2020, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/FAQ/dl_faq_mar_art_18_insiderlisten.pdf?__blob=publication File&v=12 (im Folgenden: BaFin, FAQ Insiderlisten). ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455. ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (MAR), ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021. Hinsichtlich der Insiderlisten befinden sich die Informationen noch auf dem Stand vom 1.9.2017.
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Insiderlisten | Rz. 9 Art. 18 VO Nr. 596/2014
2. Regelungsgegenstand und -ziel Die Regelung verpflichtet Emittenten, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und bestimmte Dienstleis- 6 ter (Listenführungsverpflichtete), in einer Liste alle Personen zu erfassen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen (dazu Rz. 43) haben. Weiterhin muss der Normadressat diesen Personenkreis über die rechtlichen Pflichten belehren, die sich aus dem Zugang zu Insiderwissen ergeben. Die Normadressaten werden damit besonderen Organisationspflichten im Hinblick auf die Compliance mit insiderrechtlichen Vorschriften unterworfen. Wie auch die Beispiele der § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG, §§ 23, 80 WpHG belegen, bedient sich der Gesetzgeber verstärkt des Instruments der unternehmensinternen Prävention durch Organisations-, Anzeigeund Registrierungspflichten, um Verstöße gegen das Insiderrecht zu verhindern. Die Emittenten, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und Wertpapierdienstleistungsunternehmen werden als Teile des Aufsichtssystems begriffen. Der Gesetzgeber verlagert Bausteine der Aufsicht in die Unternehmen und macht diese zu seinem verlängerten Arm, was dort einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursacht16. Der Unionsrechtsgeber hat auf die Kritik an der Überbürokratisierung reagiert und mit Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 Erleichterungen geschaffen für Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind; der praktische Effekt dieser Regelung dürfte allerdings gering sein (dazu Rz. 80 ff.).
Der Vorschrift des Art. 18 VO Nr. 596/2014 kommen vier Funktionen zu. (1) Die Führung der Liste erleich- 7 tert es den von Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erfassten Adressaten, innerhalb ihres Wirkungskreises den Fluss der Insiderinformationen zu überwachen und damit ihren Geheimhaltungspflichten nachzukommen (Organisations- und Überwachungsfunktion)17. (2) Die Aufklärung der Personen mit Zugang zu Insiderwissen bewirkt, dass diesem Personenkreis das Insiderhandelsverbot vor Augen geführt wird. Dadurch verstärkt sich die Abschreckungswirkung des strafrechtlich sanktionierten Verbots (Abschreckungsfunktion)18. (3) Die Vorschrift ermöglicht und erleichtert der zuständigen Behörde die Überwachung von Insidergeschäften und erfüllt damit eine Art. 26 VO Nr. 600/2014 (MiFIR) vergleichbare Funktion. Die der zuständigen Behörde auf Verlangen zuzusendende Liste dient als Ermittlungswerkzeug (Strafverfolgungsfunktion)19. (4) Zudem wird erreicht, dass in einem späteren Strafverfahren gegen eine nach Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/ 2014 belehrte Person der Vorsatz leichter nachweisbar ist; das Vorliegen eines Verbotsirrtums ist nach der Belehrung (s. Rz. 72) unwahrscheinlich (Durchsetzungsfunktion)20. Erwägungsgrund 57 zur VO Nr. 596/2014 stellt fest, dass sowohl die Emittenten als auch die zuständigen 8 Behörden in der Lage sein müssen, die Insiderinformationen, zu denen die einzelnen Insider Zugang haben, sowie den Zeitpunkt, zu dem sie den Zugang erhalten haben, zu ermitteln (zu den Folgen s. Rz. 33). Die Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung führen im Ergebnis dazu, dass Emittenten eine Pflicht zu organisatorischen Maßnahmen und zu internen Kontrollverfahren trifft. Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 schreibt zudem eine Aufklärung der Mitarbeiter vor. Angesichts dieser beiden Vorgaben ist es zumindest für größere Unternehmen in der Praxis nur noch ein kleiner Schritt, gleich eine unternehmensinterne ComplianceRichtlinie zu verabschieden21 und im Unternehmen bekannt zu machen.
3. Vereinbarkeit mit den Grundrechten Teilweise wird bezweifelt, dass die Regelung des Art. 18 VO Nr. 596/2014 mit dem Recht auf informationelle 9 Selbstbestimmung im Einklang steht22. Auf Grund des Charakters der Marktmissbrauchsverordnung ist die Vereinbarkeit der erforderlichen Angaben nicht mehr am Maßstab des Grundgesetzes, sondern an der EUGrundrechtecharta zu messen23. In Betracht kommt hier insbesondere Art. 8 GRCh, der das Recht auf 16 Diesen Aufwand kritisierten auch die Teilnehmer einer Konsultation der ESMA, s. ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 324. 17 Erwägungsgrund 57 zur VO Nr. 596/2014. S. auch Poelzig, NZG 2016, 761, 767; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 4. 18 Göttler in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 11 Rz. 3; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 4. 19 Erwägungsgrund 8 zur DurchfVO 2022/1210. Laut einer Konsultation der ESMA sehen die Behörden der Mitgliedstaaten Insiderlisten als wichtiges Ermittlungsinstrument an; ESMA, MAR Review report, ESMA70-1562391, 23.9.2020, Rz. 332. 20 Schröder, Hdb. Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 211 f.; Villeda, S. 298 betont zu Recht, dass allein die Aufnahme einer Person in das Insiderverzeichnis noch keinen Beleg für eine Kenntnis der Information darstellt und folglich nicht vom Nachweis des Vorsatzes entbindet. Trotzdem entsteht eine gewisse Vermutung. S. zum Ganzen auch Rz. 33. 21 Ebenso zum alten Recht Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621, 1623. 22 Simons, CCZ 2017, 182, 189; Giering/Sklepek, CB 2016, 274, 276 f. 23 Ebenso Simons, CCZ 2017, 182 (188); Giering/Sklepek, CB 2016, 274, 275 f.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 9 | Insiderlisten Schutz der personenbezogenen Daten verbürgt, sowie gegebenenfalls Art. 7 GRCh, der die Achtung des Privat- und Familienlebens einschließlich der Kommunikation verlangt. Die durch Art. 18 VO Nr. 596/2014 vorgesehene Datenerfassung in der Insiderliste stellt jedenfalls einen Eingriff in Art. 7 GRCh dar. Dieser Eingriff dürfte aber den Anforderungen von Art. 52 Abs. 1 GRCh entsprechen, da er der Verhinderung von Insiderhandel dient und nicht über das erforderliche Maß hinausgeht24. Dies gilt jedenfalls für die explizit im Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 aufgeführten Daten, einschließlich des privaten Wohnsitzes und der privaten Telefonnummern des Eingetragenen. Derartige Daten ermöglichen einen Abgleich, ob etwa von Ehe- oder Lebenspartnern Geschäfte vorgenommen wurden, die einen Verstoß gegen Art. 14 VO Nr. 596/ 2014 darstellen. Bezweifeln kann man allein, ob die von der BaFin angenommene Pflicht zur Angabe eines Zweitwohnsitzes (s. Rz. 57) eine hinreichende gesetzliche Grundlage i.S.d. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 GRCh aufweist. Die Muster 1 und 2 in Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 verlangen allerdings die Angabe der „vollständigen“ Privatanschrift. Darunter lässt sich ohne Überschreitung der Wortlautgrenze auch noch die Pflicht zur Angabe aller Privatanschriften fassen, so dass auch insoweit ein Grundrechtsverstoß ausscheiden dürfte.
II. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Überblick 10 Die Vorschrift verpflichtet zum einen Emittenten von Finanzinstrumenten i.S.d. Art. 18 Abs. 7 VO Nr. 596/
2014 und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate sowie Versteigerer an diesen Märkten i.S.d. Art. 18 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 und zum anderen die in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen zur Führung einer Insiderliste. Beide Personenkreise unterliegen eigenständigen Pflichten zur Führung einer Insiderliste und zur Aufklärung25. Die im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten, Marktteilnehmers oder Versteigerers handelnden Personen werden also nicht dem Emittenten zugerechnet, so dass ihre Pflicht zur Führung des Verzeichnisses und zur Aufklärung entfiele. Zudem ist der Emittent, Marktteilnehmer oder Versteigerer nicht verpflichtet, die von ihm eingeschalteten Dienstleister über ihre Pflichten aus Art. 18 Abs. 1, 2 VO Nr. 596/2014 aufzuklären. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Rechtsunterworfenen, sich selbst um die aufsichtsrechtlichen Pflichten zu kümmern26. Nach der Änderung des Wortlauts von Art. 18 Abs. 1 und Abs. 2 VO Nr. 596/2014 durch die Änderungsverordnung 2019 (vgl. Rz. 3a) besteht nun kein Zweifel mehr, dass Emittenten und Dienstleister jeweils eine Pflicht zur Führung einer eigenen Insiderliste und zur Aufklärung trifft27.
11 Das Erfordernis, eine Insiderliste nach den Maßgaben des Art. 18 VO Nr. 596/2014 zu führen, befreit Emit-
tenten nicht davon, eine separate Liste von Führungskräften und mit ihnen in enger Beziehung stehenden Personen nach Art. 19 Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 1 VO Nr. 596/2014 für Managers‘ Transactions zu führen.
2. Emittenten von Finanzinstrumenten (Art. 18 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) 12 Art. 18 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 regelt den persönlichen Anwendungsbereich der Pflicht zur Führung von
Insiderlisten und zur Aufklärung nach Art. 18 Abs. 1 und 2 VO Nr. 596/2014. Die Regelung stellt einen Gleichlauf zu Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 her, so dass diejenigen Emittenten, die der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität unterliegen, auch Insiderlisten führen müssen. Zur Führung von Insiderlisten und zur Aufklärung sind Emittenten (Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014, s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 30) von Finanzinstrumenten i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 2–7) verpflichtet. Eine erste Erweiterung des Anwendungsbereichs gegenüber dem früheren § 15b WpHG a.F. ergibt sich aus der erweiterten Definition des Finanzinstruments, worunter etwa auch Emissionszertifikate fallen (dazu Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 28). Anders als nach früherer Rechtslage erfasst der Anwendungsbereich gem. Art. 18 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 nunmehr neben Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung an einem geregelten Markt i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 f.) in einem Mitgliedstaat beantragt oder erhalten haben, auch Emittenten, deren Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem (Multilateral Trading Facilities, 24 Dem folgend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 7. 25 Ebenso BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 13.1.2017, II.2.; Simons, CCZ 2016, 221, 221; Simons, CCZ 2017, 182, 182; s. auch Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 16 (zu § 15b WpHG a.F.). 26 Ebenso Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 22; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 31. 27 Erwägungsgrund 11 zur VO Nr. 2019/2115. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2 (S. 86) mit Fn. 124. Zum ursprünglichen missverständlichen Wortlaut und seiner Interpretation s. 7. Aufl. Rz. 10.
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Insiderlisten | Rz. 16 Art. 18 VO Nr. 596/2014
MTF) i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 f.) beantragt oder erhalten haben, sowie Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung an einem organisierten Handelssystem (Organised Trading Facilities, OTF) i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 17) erhalten haben. Nach wie vor sind nur solche Emittenten listenführungspflichtig, die an der Notierung ihrer Finanzinstrumente aktiv mitgewirkt haben. Im Rahmen von MTFs und OTFs sind dabei drei Konstellationen denkbar: (1) der Emittent hat selbst einen Antrag auf Zulassung/Einbeziehung zum Handel gestellt; (2) der Emittent hat einen Dritten beauftragt, einen solchen Antrag zu stellen; (3) der Emittent hat die Zulassung bzw. Einbeziehung seiner Finanzinstrumente zum Handel durch einen Dritten genehmigt28. In Deutschland betrifft diese Änderung praktisch vor allem solche Emittenten, deren Wertpapiere auf ihren Antrag in den Freiverkehr gem. § 48 BörsG einbezogen sind bzw. die einen entsprechenden Einbeziehungsantrag gestellt haben29. Anders als unter § 15b WpHG a.F. sind sie nun dazu verpflichtet, eine Insiderliste nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 zu führen30. Ausgenommen von der Pflicht zur Führung von Insiderlisten sind daher nur noch solche Emittenten, deren Finanzinstrumente allein „over the counter“ (OTC) gehandelt werden. Für Emittenten aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union besteht keine abweichende Regelung; 13 auch sie haben den Pflichten nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 in vollem Umfang nachzukommen, soweit sie die zuvor genannten Kriterien erfüllen31. Die frühere Differenzierung des § 15b WpHG a.F., die die Pflicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses davon abhängig machte, ob der Emittent als Inlandsemittent i.S.d. § 2 Abs. 7 WpHG a.F. zu qualifizieren war, spielt für die Pflicht zur Führung einer Insiderliste nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 keine Rolle mehr. Da die Verordnung unmittelbar in der gesamten EU Anwendung findet, stellt sich allein die Frage, welche Aufsichtsbehörde für die Überwachung zuständig ist. Dies richtet sich nach den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen (s. Rz. 91 f.). Da Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 keine Konzernklausel enthält, erfasst die Vorschrift nur den Emittenten der 14 Finanzinstrumente, nicht auch mit ihm verbundene Unternehmen32. Konzernunternehmen und deren Mitarbeiter können jedoch im Einzelfall als im Auftrag des Emittenten handelnde Person anzusehen sein (s. Rz. 26)33.
3. Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und Versteigerer (Art. 18 Abs. 8 VO Nr. 596/2014) Art. 18 Abs. 8 lit. a VO Nr. 596/2014 erweitert den Anwendungsbereich der Pflichten nach Art. 18 Abs. 1–5 15 VO Nr. 596/2014 auch auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014 (s. Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 und Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 255–257b). Da diese Definition auf die Ausnahme des Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 verweist, gelten die konzernweiten Mindestwerte gem. Art. 5 DelVO Nr. 2016/522 auch für Art. 18 Abs. 8 lit. a VO Nr. 596/2014. Die Erweiterung auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ist eine Konsequenz der Ausweitung des Marktmissbrauchsrechts auf Emissionszertifikate. Die Ausweitung ist allerdings im Rahmen von Art. 18 VO Nr. 596/2014 sachlich begrenzt. Denn die Marktteilnehmer sind nur zur Führung von Insiderlisten betreffend Insiderinformationen in Bezug auf Emissionszertifikate im Rahmen von ihren physischen Aktivitäten am Markt für Emissionszertifikate verpflichtet34. Nicht erfasst sind damit rein finanzielle Operationen der Marktteilnehmer, auch wenn das Wissen darum eine Insiderinformation begründet, sondern nur solche Insiderinformationen i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014, die realwirtschaftliche Aktivitäten betreffen35. Gemäß Art. 18 Abs. 8 lit. b VO Nr. 596/2014 sind auch Versteigerungsplattformen (Art. 26 und 30 VO 16 Nr. 1031/2010) und Versteigerer (Art. 3 Nr. 20 sowie Art. 23 f. VO Nr. 1031/2010) bei der Versteigerung von Emissionszertifikaten und anderen darauf beruhenden Aktionsobjekten, die gemäß der VO Nr. 1031/ 28 29 30 31 32 33 34 35
BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.1 (S. 87) mit Verweis auf I.3.2.1.1 (S. 26). BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.1 (S. 86). Poelzig, NZG 2016, 761, 763; Haßler, DB 2016, 1920, 1920; Krause, CCZ 2014, 248, 250. So auch Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Art. 18 Marktmissbrauchs-VO Rz. 2 (unter Verweis auf Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014). BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88). So auch BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 13.1.2017, V.2; nicht überzeugend dagegen Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 23, der bei Emittenten, die Holdinggesellschaften sind, den Begriff des „auf dessen Rechnung“ dahin verstehen will, dass auch Tochtergesellschaften als Dienstleister (s. Rz. 18 ff.) erfasst seien. Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 12; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 14. Zu dieser Gegenüberstellung s. Erwägungsgrund 8 zur Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts, ABl. EU Nr. L 326 v. 8.12.2011, S. 1.
Hellgardt | 675
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 16 | Insiderlisten 201036 abgehalten werden, von den Pflichten der Abs. 1–5 erfasst. Diese müssen Insiderlisten hinsichtlich solcher Insiderinformation führen, die einen Bezug zu der Versteigerung aufweisen. Es geht also ausschließlich um marktbezogene Insiderinformationen, nicht dagegen um Informationen bezüglich des Rechtsträgers der Normadressaten oder bezüglich anderer Tätigkeitsbereiche37. Diese Gruppe von Normadressaten sind nicht schon als „Dienstleister“ (dazu sogleich Rz. 18) erfasst, weil sie nicht „im Auftrag“ oder „für Rechnung“ einzelner Marktteilnehmer handeln. Letztlich entsteht so eine Ungleichbehandlung zwischen dem Markt für Emissionszertifikate und den Märkten für sonstige Finanzinstrumente. Die Marktbetreiber der letzteren Märkte unterliegen keiner Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen. 16a Die noch in Art. 18 Abs. 8 lit. b VO Nr. 596/2014 genannte Auktionsaufsicht, die ursprünglich in Art. 24 f.
VO Nr. 1031/2010 geregelt war, wurde 2019 durch Art. 1 Abs. 19 DelVO 2019/186838 abgeschafft. Seitdem die VO Nr. 596/2014 auch für die Versteigerungen von Emissionszertifikaten gelte und diese damit der Aufsicht der zuständigen Behörden unterliege, sei eine eigenständige Auktionsaufsicht entbehrlich; deren Aufgaben sollten von den Auktionsplattformen, der Kommission, den Mitgliedstaaten und den zuständigen nationalen Behörden übernommen werden (so Erwägungsgrund 9 DelVO 2019/1868). Die notwendige Folgeänderung in Art. 18 Abs. 8 lit. b VO Nr. 596/2014 wurde offenbar vergessen. Auch die DurchfVO 2022/ 1210 verweist in Anhang I Muster 1 kurioserweise noch auf die abgeschaffte Auktionsaufsicht. Die Vorschriften haben aber mit der Abschaffung der Auktionsaufsicht insoweit ihren Anwendungsbereich verloren.
4. Im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnde Personen (Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 VO Nr. 596/2014) 17 Neben dem Emittenten sind auch „alle in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handelnden Personen“ in
Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 genannt. Damit sind nur solche Dritte gemeint, deren Aufgabe nicht allein darin besteht, im Auftrag oder für Rechnung des Listenführungsverpflichteten39 die Insiderliste zu erstellen oder zu aktualisieren. Diese spezielle Gruppe von Hilfspersonen wird in Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 behandelt40. Daraus ergibt sich zunächst, dass es grundsätzlich zulässig ist, die Führung der Liste auf eine Hilfsperson zu delegieren. Jedoch verbleibt die Verantwortlichkeit für die ordnungsgemäße Führung der Insiderliste allein beim delegierenden Listenführungsverpflichteten41. Die Hilfspersonen sind daher keine eigenen Adressaten von Art. 18 VO Nr. 596/2014; ihnen obliegt aufgrund von Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 VO Nr. 596/2014 allein die Pflicht, dem aufgrund der Verordnung Listenführungsverpflichteten jederzeit Einsicht in die Insiderliste zu gewähren. Ansonsten ergeben sich ihre Pflichten allein aus dem Vertragsverhältnis mit dem Listenführungsverpflichteten.
18 Demgegenüber sind von Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 Personen42 erfasst, die in sonstigen Berei-
chen im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten tätig sind. Solche Personen sind zur Führung eigener Insiderlisten sowie zu eigener Aufklärung und Belehrung verpflichtet. Die BaFin bezeichnet diesen Personenkreis schlagwortartig als „Dienstleister“43, die ESMA nennt „advisors and consultants“ als Beispiele44.
36 Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission vom 12.11.2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union, ABl. EU Nr. L 302 v. 18.11.2010, S. 1. 37 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 13; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 15. 38 Delegierte Verordnung (EU) 2019/1868 der Kommission vom 28.8.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 zwecks Angleichung der Versteigerung von Zertifikaten an die EU-EHS-Vorschriften für den Zeitraum 2021 bis 2030 und an die Einstufung von Zertifikaten als Finanzinstrumente gemäß der Richtlinie 2014/65/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 289 v. 8.11.2019, S. 9. 39 Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 47 weist zu Recht darauf hin, dass trotz des Wortlauts von Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014, der nur Emittenten erwähnt, nicht ersichtlich ist, weshalb andere Listenführungsverpflichtete die Führung der Liste nicht auch delegieren können sollten. 40 ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (MAR), ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021, A10.2. 41 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2 (S. 86). 42 Als Person gilt gem. Art. 3 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 jede natürliche und juristische Person. Der Begriff der juristischen Person ist dabei weit zu verstehen und umfasst auch Personengesellschaften und ähnliches; zutreffend Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 13. 43 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3 (S. 87); ähnlich ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 317 und passim („external service provider“). 44 ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (MAR), ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021, A10.2.
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Insiderlisten | Rz. 19 Art. 18 VO Nr. 596/2014
Nach der Änderung des Wortlauts von Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 durch die Änderungsverordnung 2019 (vgl. Rz. 3a) besteht kein Zweifel, dass sowohl der Emittent als auch der Dienstleister zum Führen einer eigenen Insiderliste verpflichtet sind (s. Rz. 10). Dies gilt auch für ausländische Dienstleister, auch solche aus Drittstaaten, vgl. Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/201445. Es ist allerdings unklar, ob nur solche Dienstleister erfasst sind, die im Auftrag oder für Rechnung von Emittenten handeln, oder auch solche, die für die nach Art. 18 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 zur Führung von Insiderlisten Verpflichtete (s. Rz. 15 f.) tätig sind. Der Wortlaut von Abs. 8 erstreckt die Pflichten der Abs. 1–5 lediglich auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate sowie auf Versteigerungsplattformen und Versteigerer, nicht aber auf die für diese tätigen Dienstleister. Allerdings kann der Verweis bei weitem Verständnis auch so gelesen werden, dass die in Art. 18 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 Genannten an die Stelle der Emittenten treten, so dass dann auch die in ihrem Auftrag tätigen Dienstleister erfasst sind. In diesem Sinne listet Anhang I Muster 1 (fünfte Spalte) DurchfVO 2022/ 1210 Emittenten, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, Versteigerungsplattformen, Versteigerer „oder [die] in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde[\] Person“ als Listenführungsverpflichtete auf46. Für dieses weite Verständnis spricht auch der Sinn und Zweck der Regelung, die wesentlich in der Prävention von Insiderhandel besteht (Rz. 7). Hinsichtlich der Möglichkeit und Anreize für Insiderhandel bei Dienstleistern bzw. ihren Mitarbeitern besteht aber kein Unterschied zwischen Dienstleistern, die für Emittenten von Finanzinstrumenten tätig sind, und solchen, die für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, für Versteigerungsplattformen oder Versteigerer tätig sind. Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber die letztgenannten Dienstleister anders behandeln wollte als die für Emittenten tätigen Dienstleister. Damit ist festzuhalten, dass Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 die Dienstleister sämtlicher primär Verpflichteter erfasst, also auch Dienstleister, die für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, Versteigerungsplattformen oder Versteigerer tätig sind47. Selbstverständlich erstreckt sich die Listenführungspflicht dieser Dienstleister aber auch nur auf solche Insiderinformationen, für welche die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate bzw. die Versteigerer etc. selbst listenführungspflichtig sind (s. dazu Rz. 15 f.). Der Tatbestand der „in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handelnden Personen“ des Art. 18 Abs. 1 19 Alt. 2 VO Nr. 596/2014 ist vage und verursacht daher Rechtsunsicherheit48. Eine Auslegung muss zwei Gesichtspunkte berücksichtigen: (1) Zu Recht betont die BaFin im Emittentenleitfaden49, dass der Begriff „Auftrag“ weit zu verstehen ist und sich nicht auf den „Auftrag“ i.S.d. § 675 BGB beschränkt. Diese Auffassung verdient Zustimmung: Da die Marktmissbrauchsverordnung autonom auszulegen ist, kann es auf dogmatische Abgrenzungen des deutschen Rechts nicht ankommen. Ebenfalls weit zu verstehen ist die gesetzliche Formulierung „für Rechnung“, die gerade nicht nur Kommissionsgeschäfte meint. Dies ergibt sich daraus, dass, soweit ersichtlich, die Marktmissbrauchsverordnung in den anderen Amtssprachen gerade keine Begriffe verwendet, die im juristischen Sprachgebrauch mit bestimmten Vertragstypen gleichgesetzt werden könnten50. Auch der Sinn und Zweck der Regelung erfordert ein weites Verständnis des Wortlauts. Denn die Möglichkeit eines Zugangs zu Insiderinformationen hängt nicht mit bestimmten Vertragstypen zusammen. Die Tatbestandsmerkmale „im Auftrag“ oder „für Rechnung“ sind also dahingehend zu verstehen, dass alle Personen erfasst werden, die (zumindest auch) im Interesse des Emittenten handeln51. Auf die Natur des zwischen Emittenten und Drittem bestehenden Rechtsverhältnisses kommt es nicht an; gemeint sind daher auch gesetzliche Schuldverhältnisse (wie das Beispiel des Insolvenzverwalters zeigt, s. Rz. 22)52 und der eher
45 Ausführlich Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 30 ff.; Simons, CCZ 2017, 182, 186 f.; s. auch Göttler in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 11 Rz. 14; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 35. 46 Dies übersieht Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 12 mit Fn. 8, der ohne Begründung davon ausgeht, dass nur die Dienstleister von Emittenten erfasst seien. 47 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 28; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 36. 48 Dies beklagt etwa Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 14.98. 49 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3 (S. 87). 50 Beispielsweise lautet die englische Fassung „or persons acting on their behalf or on their account“. Vgl. auch die französische Version „toute personne agissant en leur nom ou pour leur compte“. 51 Ebenso Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 17; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 21; zum alten Recht a.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642, 644, die nur Kommissionsverhältnisse i.S.d. §§ 383 ff. HGB als erfasst ansehen; a.A. auch v. Neumann-Cosel, S. 63 ff., der nur Personen erfassen will, die überwiegend im Interesse des Emittenten tätig sind. 52 Zum alten Recht abweichend aber Leuering, NZG 2005, 12, 13; v. Neumann-Cosel, S. 59 ff., die nur vertragliche Schuldverhältnisse erfassen wollen; unklar Zimmer in FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1158, der „insbesondere vertragliche Schuldverhältnisse“ als erfasst ansieht und „gesetzliche Schuldverhältnisse ... im Allgemeinen“ nicht hinreichend findet, aber gleichwohl den aufgrund Gesetzes tätigen Insolvenzverwalter als auf Rechnung des Emittenten handelnde Person erfasst.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 19 | Insiderlisten theoretische Fall eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses53, solange das Schuld- bzw. Gefälligkeitsverhältnis im Interesse des Emittenten erbracht wird. Auch ein nichtiger Vertrag, der aber tatsächlich vollzogen wird, kann deshalb genügen. Dieses weite Verständnis entspricht der Rechtslage beim Insiderhandelsverbot, das sich gerade auch nicht nur an Personen richtet, die mit dem Emittenten in vertraglichen Beziehungen stehen. Deshalb kann der von der BaFin für diesen Personenkreis geprägte Begriff „Dienstleister“ zu Missverständnissen Anlass geben. (2) Dieses weite Verständnis der Tatbestandsmerkmale würde dazu führen, dass sämtliche Arten der Geschäftsbesorgung in den Anwendungsbereich von Art. 18 VO Nr. 596/2014 fallen. Aufgrund der systematischen Stellung der Norm und ihres Zwecks (s. Rz. 6 f.) ist eine einschränkende Auslegung geboten. Erfasst werden nur solche im Auftrag und für Rechnung handelnde Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit bestimmungsgemäß (s. dazu im Einzelnen Rz. 41) Kenntnis von Insiderinformationen (s. dazu im Einzelnen Rz. 43) erlangen. Denn die Vorschrift dient gerade der Prävention des Insiderhandels. Es lässt sich daher zusammenfassend feststellen, dass nur solche Dienstleister gemeint sind, die (zumindest auch) im Interesse des Emittenten tätig werden und dabei typischerweise Zugang zu Insiderinformationen haben54. Eine Beschränkung auf Personen, die überwiegend im Interesse des Emittenten tätig sind, ist nicht erforderlich, da das Merkmal des bestimmungsgemäßen Zugangs zu Insiderinformationen bereits eine ausreichende Eingrenzung erlaubt55. 20 Die Pflichten des Art. 18 VO Nr. 596/2014 treffen nur die Emittenten und Dienstleister, nicht aber auch
sonstige Dritte. Gibt ein Dienstleister den Auftrag weiter, so fällt der Subunternehmer nicht unter Art. 18 VO Nr. 596/2014, da er nicht unmittelbar im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelt, sondern für den (Haupt-)Dienstleister arbeitet. Dieser muss den Subunternehmer in seine Insiderliste aufnehmen und belehren56.
21 Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nennt als Beispiele für Dienstleister Berater, (externe) Buchhalter und
Ratingagenturen (zu diesen Rz. 24). Es handelt sich also wesentlich um Angehörige freier Berufe, insbesondere auch Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie Unternehmensberater. Die frühere Ausnahme des § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F., derzufolge Abschlussprüfer i.S.d. § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB kein Insiderverzeichnis zu führen hatten, findet in der Marktmissbrauchsverordnung keine Entsprechung. Auch Abschlussprüfer sind dementsprechend zur Führung einer Insiderliste nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 verpflichtet57. Um Dienstleister des Emittenten oder Marktteilnehmers handelt es sich auch in dem Fall, dass einzelne Organmitglieder einen Berater zuziehen. Sie müssen dann nicht selbst eine Insiderliste führen, sondern der Berater wird im Auftrag des Emittenten bzw. Marktteilnehmers tätig und ist in dessen Liste aufzunehmen58. Von Art. 18 VO Nr. 596/2014 sind auch Gutachter erfasst, die vom Emittenten oder Marktteilnehmer mit einer Prüfung beauftragt werden, bei der sie bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Bei Hochschullehrern ist zu differenzieren. Werden sie kraft ihrer dienstlichen Stellung tätig, handeln sie in hoheitlicher Funktion und unterfallen deshalb nicht Art. 18 VO Nr. 596/2014 (s. Rz. 26). Werden sie dagegen als Privatgutachter beauftragt oder sind sie als Auftragnehmer in Drittmittelprojekten tätig, gelten sie als Gutachter und müssen Art. 18 VO Nr. 596/2014 beachten59. Werden Notare im Auftrag des Emittenten tätig, sind sie zur Führung von Insiderlisten verpflichtet60; werden sie von Dritten beauftragt oder hoheitlich tätig, müssen sie auch dann keine Insiderliste führen, wenn die Tätigkeit einen Bezug zu Insiderinformationen hat, die den Emittenten betreffen.
22 Auch der Insolvenzverwalter eines Emittenten ist von den Vorgaben des Art. 18 VO Nr. 596/2014 betrof-
fen61. Zwei Fragen sind auseinander zu halten: (1) Die Rechtsprechung hat entschieden, dass die den Vorstand des Emittenten treffenden wertpapierhandelsrechtlichen Pflichten trotz der Eröffnung des Insolvenz53 A.A. zu § 15b WpHG a.F. v. Neumann-Cosel, S. 59 f. 54 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3 (S. 87); Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 21; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 21; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Art. 18 Marktmissbrauchs-VO Rz. 5; Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 15. 55 Zum alten Recht auch Zimmer in FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1157; a.A. v. Neumann-Cosel, S. 63 ff. 56 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3 (S. 87); s. auch Simons, CCZ 2016, 221, 221 f.; a.A. Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 14, der annimmt, der Subunternehmer müsse eine eigene Insiderliste führen, und sich für seine Auffassung zu Unrecht auf Simons, CCZ 2016, 221, 221 f., beruft. 57 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.1 (S. 87); Simons, CCZ 2016, 221, 222; Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 161. 58 v. Neumann-Cosel, S. 72 f.; a.A. Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22, 25. 59 Ebenso zum alten Recht Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 27; Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 28; Neusüß in Just/Voß/Ritz/Becker, § 15b WpHG Rz. 7. 60 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.1 (S. 87); ebenso Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 17. 61 So nun auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.1 (S. 87).
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Insiderlisten | Rz. 25 Art. 18 VO Nr. 596/2014
verfahrens weiterhin den Vorstand des Emittenten treffen62. Denn der Insolvenzverwalter habe allein die Masse zu verwalten; nicht alle öffentlich-rechtlichen Pflichten gingen automatisch auf ihn über. Überträgt man diesen Gedanken auf Art. 18 VO Nr. 596/2014, ist weiterhin das geschäftsführende Organ verpflichtet, für den Emittenten eine Insiderliste zu führen und der Aufklärungspflicht innerhalb des Unternehmens nachzukommen63. Mit § 24 WpHG hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung kodifiziert. (2) Daneben trifft den Insolvenzverwalter aber aus seiner Rechtsstellung eine eigenständige Pflicht, für seine Kanzlei eine Insiderliste zu führen und die bei ihm tätigen Mitarbeiter zu belehren64. Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erfasst ausdrücklich auch Personen als Dienstleister, die auf Rechnung des Emittenten tätig sind. Der Insolvenzverwalter wird kraft der herrschenden Amtstheorie65 gerade nicht als Organ des Emittenten, sondern materiell-rechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die Masse tätig. Mithin handelt er auf Rechnung des Emittenten. Der Umstand, dass er nicht vertraglich bestellt wird, schadet nicht, denn mit dem von der BaFin geprägten missverständlichen Begriff des Dienstleisters werden alle Personen erfasst, die (zumindest auch) im Interesse des Emittenten handeln; die Natur der Rechtsbeziehung ist unbeachtlich (s. Rz. 19). Somit ist der Insolvenzverwalter in der Liste des Emittenten als Dienstleister zu führen und muss seinerseits für die eigenen Mitarbeiter eine eigene Insiderliste führen66. Erfasst ist weiterhin die Investor-Relations-Agentur, die den Emittenten bei Maßnahmen zur Beziehungs- 23 pflege zu Investoren berät. Sie erhält im Rahmen dieser Tätigkeit typischerweise Zugang zu Insiderinformationen. Ein Übersetzungsbüro67, das Ad-hoc-Mitteilungen oder vertrauliche Vertragsentwürfe übersetzt, oder die Druckerei68, die Prospekte druckt, erhalten ebenfalls bestimmungsgemäß Kenntnis von Insiderinformationen. Ratingagenturen, die ein vom Emittenten in Auftrag gegebenes Rating erstellen („solicited rating“), handeln 24 im Interesse des Emittenten (Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014). Sie kommen zudem im Rahmen der Befragung des Emittenten bestimmungsgemäß mit Insiderinformationen in Berührung. In einer derartigen Konstellation unterfallen sie daher unzweifelhaft dem Anwendungsbereich des Art. 18 VO Nr. 596/2014. Anders ist dies jedoch trotz des umfassenden Wortlautes des Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, falls eine Ratingagentur aus eigener Initiative oder auf Veranlassung eines Dritten (z.B. eines Investors) ein Rating erstellt („unsolicited rating“)69. Die Agentur handelt in diesem Fall nicht im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten und wird daher nicht von Art. 18 VO Nr. 596/2014 erfasst. Zudem werden unsolicited ratings nur aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen erstellt, so dass es auch an der Möglichkeit des Zugangs zu Insiderinformationen fehlt. Kreditinstitute sind dann als Dienstleister i.S.d. Art. 18 VO Nr. 596/2014 anzusehen, wenn sie über die all- 25 gemeinen Bankdienstleistungen (z.B. Kontobeziehung) hinausgehende Dienstleistungen erbringen und damit im Interesse oder in der Sphäre des Emittenten tätig werden70. Zu den Dienstleistungen, die mit Zugang zu Insiderwissen verbunden sind, gehören sicherlich die Beratung anlässlich eines Börsengangs, einer Kapitalmaßnahme oder einer Akquisition (Einbindung der Bereiche Corporate Finance oder Mergers & Acquisitions). Fraglich ist, ob auch die Kreditvergabe schon eine Dienstleistung darstellt, bei der das Institut bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen erhält. Die BaFin ordnet die Kreditvergabe als allgemeine Bankdienstleistung ein und lehnt die Anwendung des Art. 18 VO Nr. 596/2014 ohne nähere Begründung ab71. Ganz so eindeutig ist dieses Ergebnis jedoch nicht, wenn man bedenkt, dass die Emittenten aufgrund von § 18 KWG ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen müssen. Zudem werden viele Emittenten seit Umsetzung der Vorgaben von Basel II einem externen oder internen Kreditrating unterzogen. Daher hat das Kreditinstitut durchaus Zugang zu sensiblen Informationen. Allerdings verfolgen sowohl die Vorgabe des 62 So in Bezug auf Meldepflichten nach den §§ 21 ff. WpHG a.F. BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, ZIP 2005, 1145, 1148 mit Anm. Ott; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 27; anders noch VG Frankfurt/M. v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), ZIP 2004, 469. 63 So auch von Buttlar, BB 2010, 1355, 1359. 64 I.E. auch von Buttlar, BB 2010, 1355, 1359. 65 Vgl. die Nachweise bei Ott/Vuia in MünchKomm. InsO, 4. Aufl. 2019, § 80 InsO Rz. 27. 66 Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 22; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 26; zum alten Recht Zimmer in FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1158; a.A. v. Neumann-Cosel, S. 77 f. 67 Ebenso Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 20. 68 Koch, DB 2005, 267, 270. 69 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.1 (S. 87 f.). 70 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.1 (S. 88). 71 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.1 (S. 88); ebenso Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 25; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 27.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 25 | Insiderlisten § 18 KWG als auch das Kreditrating allein das Ziel, eine leichtfertige Kreditvergabe zu verhindern72. Die Prüfung der Kreditwürdigkeit liegt daher ausschließlich im Interesse des kreditgewährenden Instituts und seiner Einleger, nicht aber im Interesse des Emittenten. Damit fehlt es an einem „Tätigwerden für den Emittenten“. Wird dagegen das Kreditinstitut über die reine Kreditgewährung hinaus beratend tätig und entwickelt im Zusammenhang mit der Kreditvergabe ein Corporate-Finance-Konzept, erbringt es seine Leistung im Interesse des Emittenten und unterliegt den Vorgaben des Art. 18 VO Nr. 596/201473. Zu beachten ist im Übrigen, dass Kreditinstitute doppelt von der Pflicht des Art. 18 VO Nr. 596/2014 betroffen sein können. Sind ihre eigenen Finanzinstrumente börsenzugelassen, unterfallen sie in ihrer Eigenschaft als Emittent der Vorschrift des Art. 18 VO Nr. 596/2014. Erbringen sie darüber hinaus noch Dienstleistungen an Kunden, die ihrerseits Zugang zu Insiderinformationen haben, ist das Kreditinstitut zugleich als Dienstleister aus Art. 18 VO Nr. 596/2014 verpflichtet74. 26 Nicht erfasst sind dagegen Behörden, Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Polizei, da sie nicht im Interes-
se des Emittenten, sondern zur Erfüllung der ihnen obliegenden gesetzlichen Aufgaben tätig werden75. Auch Lieferanten und Abnehmer unterfallen nicht dem Art. 18 VO Nr. 596/2014, da Austauschbeziehungen dadurch gekennzeichnet sind, dass jede Vertragspartei nur im eigenen Interesse tätig wird76. Das gleiche gilt für Aktienanalysten und Journalisten77. Mangels Konzernklausel sind auch verbundene Unternehmen nicht von den Pflichten aus Art. 18 VO Nr. 596/2014 betroffen (s. Rz. 14)78. Eine Pflicht zur Führung einer (eigenständigen) Insiderliste kommt aber dann in Betracht, wenn das verbundene Unternehmen oder seine Organmitglieder oder Angestellten aufgrund der Gestaltung des Einzelfalls zum Kreis der Dienstleister zu zählen ist und deshalb über Zugang zu Insiderinformationen verfügt79. Denkbar ist auch, dass ein verbundenes Unternehmen mit der Führung der Insiderliste des Listenführungsverpflichteten beauftragt wird (vgl. Rz. 17)80. Hilfspersonen von Aufsichtsratsmitgliedern des Emittenten werden regelmäßig vom Emittenten entlohnt und sind daher keine Dienstleister, sondern in die Insiderliste des Emittenten aufzunehmen (s. Rz. 21). Nur wenn sie nicht für den Emittenten tätig werden, sondern vom Aufsichtsratsmitglied privat angestellt wurden, unterliegen sie nicht Art. 18 VO Nr. 596/2014, da es an der unmittelbaren Rechtsbeziehung zum Emittenten fehlt81. Groß- und Mehrheitsaktionäre sind dagegen nicht im Interesse des Emittenten tätig. Vielmehr nehmen sie ihre Rechte als Gesellschafter innerhalb des Unternehmens regelmäßig im Eigeninteresse wahr82.
27 Die Dienstleister sind zur selbstständigen Führung einer eigenen Insiderliste verpflichtet (s. Rz. 51).
III. Führung und Inhalt der Insiderliste 1. Listenführungspflicht (Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) 28 Anders als bei § 15b WpHG a.F. sind bei Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 zwei Gründe zur Führung von
Insiderlisten zu unterscheiden: Es gibt wie bislang schon anlassbezogene Listen; daneben ist es aber auch möglich, eine Insiderliste hinsichtlich der „permanenten Insider“ gem. Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210 zu führen. Nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210 stellt die letztgenannte Liste lediglich einen besonderen Abschnitt der einheitlichen Liste dar. Praktisch bildet dieser Abschnitt aber den Grundstock einer permanenten Liste, die daneben zeitweise um transaktions- oder ereignisbasierte Abschnitte ergänzt wird und zusammen mit diesen dann die einheitliche Insiderliste bildet83. Gemäß Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 sind solche Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, von der Pflicht zur Führung anlassbezogener Listenabschnitte befreit (s. Rz. 80 ff.). 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83
Bock in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, § 18 KWG Rz. 7. A.A. Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 23 (zur alten Rechtslage). Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 43. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88). Diese rechtspolitische Entscheidung kritisiert Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22, 26; dagegen zu Recht a.A. Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 28. So i.E. auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88). Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 22. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88). BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88). Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 11, 47. Ebenso nun BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.2 (S. 89). Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 26; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 31. ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, Rz. 284 f.
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Insiderlisten | Rz. 29 Art. 18 VO Nr. 596/2014
a) Anlassbezogene Liste Die Pflicht zur Führung der anlassbezogenen Insiderliste wird ausgelöst, sobald im Unternehmen Insider- 29 informationen vorhanden sind oder sich abzeichnet, dass solche Informationen mit Wahrscheinlichkeit entstehen werden84. Mit dem Begriff der Insiderinformation wird auf Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 Bezug genommen85. Es muss sich also um nicht öffentlich bekannte präzise Informationen handeln, die direkt oder indirekt (lit. a) Emittenten oder Finanzinstrumente bzw. (lit. b) Warenderivate oder direkt damit verbundene Waren-Spot-Kontrakte bzw. (lit. c) Emissionszertifikate oder darauf beruhende Auktionsobjekte betreffen. Allerdings kann nicht jede Insiderinformation die Listenführungspflicht auslösen. Bereits aus dem Wortlaut von Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 ergibt sich, dass es sich um Insiderinformationen handeln muss, zu denen Unternehmensangehörige einen besonderen „Zugang“ haben. Nach Erwägungsgrund 6 zur DurchfVO 2022/1210 geht es – allein – um „geschäfts- oder ereignisspezifische“ Listen (englisch: „deal-specific or event-based“). In Erwägungsgrund 57 zur VO Nr. 596/2014 ist von „Insiderinformationen mit direktem oder indirektem Bezug zum Emittenten“ die Rede. Das Regelungsziel des Art. 18 VO Nr. 596/2014, der auf eine unternehmensinterne Prävention abzielt (s. Rz. 7), spricht dafür, diesen Gedanken zu verallgemeinern und die Listenführungspflicht auf solche Informationen zu beschränken, die einen direkten oder indirekten Bezug zum Emittenten bzw. zu den physischen Aktivitäten des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate bzw. zu der Versteigerung von Emissionszertifikaten aufweisen86. Erfasst sind daher zunächst den Emittenten „unmittelbar“ betreffende Informationen, deren Veröffentlichung im Rahmen der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu erfolgen hat87, sowie solche Insiderinformationen, die Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen haben88. Die Listenführungspflicht erstreckt sich damit auch auf solche Informationen, deren Veröffentlichung wegen Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 vorübergehend ausgesetzt ist. Weniger eindeutig ist, welche weiteren Insiderinformationen eine Listenführungspflicht auslösen. Im Ausgangspunkt muss beachtet werden, dass Art. 18 VO Nr. 596/2014 nicht auf die Veröffentlichungspflicht nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, sondern direkt auf den Begriff der Insiderinformation in Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/ 2014 Bezug nimmt. Daher kann es sich auch um Informationen handeln, die zwar Insiderinformationen i.S.d. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sind, die den Emittenten aber nicht „unmittelbar“ betreffen und daher nicht nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu veröffentlichen sind. Trotzdem muss es sich um Insiderinformationen handeln, zu denen Unternehmensangehörige aufgrund der Art der Information einen privilegierten Zugang haben. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Insiderinformation in irgendeiner Weise den Emittenten, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder die Versteigerung betrifft, so dass auch bei unternehmensextern entstandenen Informationen davon ausgegangen werden kann, dass Unternehmensangehörige besondere Kenntnisnahmemöglichkeiten haben, die Dritten nicht ohne weiteres offenstehen89. Keine Listenführungspflicht entsteht deshalb bei solchen Insiderinformationen, die keinerlei Bezug zum Emittenten oder seinen Finanzinstrumenten bzw. zum Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder zur Ver84 I.E. wohl auch Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 35; a.A. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 278; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 52 (jeweils erst bei Entstehen der Insiderinformation); s. auch Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 35, der davon ausgeht, dass die Listenführungspflicht normalerweise erst zu dem Zeitpunkt entstehe, zu dem auch die Veröffentlichung nach Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erforderlich wird. Dies ist eindeutig zu spät, denn dem Emittenten wird insoweit häufig noch ein „Prüfungszeitraum“ zugebilligt, vgl. Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 66. 85 Soweit in der Praxis Bedenken gegen einen zu weiten Anwendungsbereich des Art. 18 VO Nr. 596/2014 etwa bei KMU-Emittenten von Unternehmensanleihen geäußert werden (vgl. ESMA, MAR Review report, ESMA70-1562391, 23.9.2020, Rz. 325, 846), stellt das Erfordernis eines erheblichen Kursbeeinflussungspotentials sicher, dass der Anwendungsbereich nicht übermäßig ausgedehnt ist. Bei festverzinslichen Wertpapieren ist das Kursbeeinflussungspotential weitaus geringer als bei Dividendenwerten; vgl. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 92. 86 Göttler in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 11 Rz. 25 f. 87 Der Umstand, dass die Information veröffentlicht wird, schließt die Pflicht zur Führung der Insiderliste nicht aus; ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 375; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 49; a.A. Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 35. 88 Eine dem Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 entsprechende de-minimis-Schwelle enthält Art. 18 Abs. 8 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht, so dass die Listenführungspflicht eingreift, sobald eine Insiderinformation gem. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 vorliegt. 89 Beispiel nach Simons, CCZ 2017, 182, 183: Der Emittent erfährt, dass die Zusammensetzung des Börsenindex, dem er angehört, bald geändert werden soll, und diese Information hat Kursbeeinflussungspotential hinsichtlich der eigenen Aktien des Emittenten. Dies ist keine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation gem. Art. 17 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, weil es an einem unmittelbaren Emittentenbezug fehlt. Trotzdem erhält der Emittent privilegierten Zugang zu der Information, so dass es gerechtfertigt erscheint, in diesem Fall eine Listenführungspflicht anzunehmen.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 | Insiderlisten steigerung aufweisen. Dies ist etwa der Fall bei einer Insiderinformation, die sich ausschließlich auf einen anderen Emittenten bezieht. Nach den Plänen der Europäischen Kommission im Rahmen des Entwurfs eines Listing Acts (s. Rz. 3a) soll die anlassbezogene Liste in Zukunft abgeschafft werden. Stattdessen soll es dann nur noch eine Liste der laufenden Insider („permanent insider list“) geben, wie sie derzeit für KMUWachstumsmarkt-Emittenten vorgesehen ist (s. Rz. 85). Im Gegenzug sollen aber die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, von ihren Emittenten weiterhin die Erstellung einer „vollständigen Insiderliste“ („full insider list“) zu verlangen, sofern die Emittenten seit mindestens 5 Jahren zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind. 30 Die Listenführungspflicht muss bereits im Vorfeld der Entstehung von Insiderinformationen eingreifen,
da andernfalls ihre präventive Funktion (s. Rz. 6) leer liefe90. Sie beginnt daher mit der Identifikation einer möglichen zukünftigen Insiderinformation. Dies erfordert allerdings, dass es sich tatsächlich um eine mögliche Insiderinformation handelt, das heißt, dass eine gewisse Mindestwahrscheinlichkeit der Realisierung besteht und im Falle des Eintritts tatsächlich eine Insiderinformation entsteht91, sowie, dass die Information antizipiert werden kann. Es versteht sich von selbst, dass im Falle solcher Insiderinformationen, die ohne jede Vorwarnung auftreten (z.B. Hackerangriff, der die IT lahmlegt), die Liste erst ab Kenntnis von der Information angelegt werden muss. Die BaFin erlaubt ausdrücklich, eine Insiderliste schon im Vorfeld des Entstehens einer (absehbaren) Insiderinformation anzulegen92. Die praktische Konsequenz besteht darin, dass zum Zeitpunkt der Eröffnung des Listenabschnitts die dort aufgeführten Personen bereits nach Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 aufgeklärt werden müssen (s. Rz. 70 ff.). Die Gegenansicht zum alten Recht93 wollte den Zeitpunkt der Listenführungspflicht noch weiter vorverlagern und darauf abstellen, ob typischerweise damit zu rechnen ist, dass eine Person im Unternehmen Zugang zu Insiderinformationen erlangen wird. Nach der Marktmissbrauchsverordnung überzeugt dies aber nicht mehr. Denn derartige Personen können anlassunabhängig als „permanente Insider“ geführt werden (dazu sogleich Rz. 32), so dass keine Notwendigkeit besteht, den Tatbestand für die anlassbezogene Liste noch weiter vorzuverlegen. Gleichgültig welcher Ansicht man folgt, beantwortet sich auch eine in der Praxis auftauchende Frage, nämlich ob aus dem Umstand, dass eine Insiderliste angelegt wurde, zwingend gefolgert werden kann, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Insiderinformation vorlag mit der Folge einer Ad-hoc-Publizitätspflicht. Einen solchen zwingenden Zusammenhang kann man – wie dargelegt – nicht herstellen94.
31 Die Listenführungspflicht endet (bezüglich eines anlassbezogenen Listenabschnitts), wenn die Insiderinfor-
mation veröffentlicht wird oder sich die Insiderinformation bzw. das Projekt erledigt hat95. Eine Erledigung der Insiderinformation ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Veröffentlichung der Information aller Wahrscheinlichkeit nach keinerlei Kursreaktion mehr auslösen würde, etwa, weil ihre Unwahrheit offensichtlich ist (Beispiel: die vom Aufsichtsrat bereits intern als neue Vorstandsvorsitzende auserkorene Person verstirbt, bevor die Personalie publik gemacht worden ist). Bezweifeln könnte man hingegen, ob es ausreicht, dass sich das betreffende Projekt, auf das sich die Insiderinformation bezieht, erledigt hat96. Für den Tatbestand der Insiderinformation i.S.v. Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 kommt es nicht darauf an, ob die Information wahr ist (s. Art. 7 VO Nr. 596/2014 Rz. 16), sondern ob es sich um eine nicht öffentlich bekannte Information mit Kursbeeinflussungspotential handelt. Der Umstand, dass ein geheim gehaltenes Projekt nicht mehr weiterverfolgt wird, lässt aber nicht automatisch das Kursbeeinflussungspotential der darauf bezogenen Information entfallen. Wird ein Projekt endgültig aufgegeben, entfällt allerdings der Umstand oder das Ereignis i.S.v. Art. 7 Abs. 2 VO 596/2014, auf den/das sich die Information bezieht. Wenn anschließend wahrheitswidrig ein gleichlautendes Gerücht verbreitet wird, erscheint es deshalb bereits fraglich, ob es sich noch um dieselbe Insiderinformation handelt, aufgrund derer die Liste geführt werden musste. Entscheidend ist aber, dass nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 nur dann eine Listenführungspflicht besteht, wenn die betreffende Insiderinformation einen direkten oder indirekten Bezug zum Emittenten bzw. zu den physischen Aktivitäten des Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate bzw. zu der Versteigerung von Emissionszertifikaten aufweist (s. Rz. 29). Dieser Bezug entfällt, wenn der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate das 90 A.A. Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 52; i.E. wie hier wohl Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 35, die allerdings Bedenken mit Blick auf die Rechtssicherheit äußern. 91 Simons, CCZ 2017, 182, 184. 92 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.1 (S. 90); zustimmend Simons, CCZ 2017, 182, 184. 93 Lührs/Korff, ZIP 2008, 2159 ff. 94 So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.1 (S. 90); Haßler, DB 2016, 1920, 1922; Simons, CCZ 2017, 182, 183 f. 95 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.5 (S. 92); Haßler, DB 2016, 1920, 1922. 96 In diesem Sinne BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.5 (S. 92); ähnlich Simons, CCZ 2017, 182, 185.
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Insiderlisten | Rz. 33 Art. 18 VO Nr. 596/2014
Projekt aufgibt. Ein anschließend verbreitetes falsches Gerücht kann keine Pflicht zur Fortführung der Liste begründen, wie aufgrund eines gänzlich frei erfundenen Gerüchts auch keine erstmalige Listenführungspflicht entsteht. Die Aufbewahrungspflicht (dazu Rz. 76 ff.) stellt sicher, dass die zuständige Behörde auch nach Beendigung der Listenführung die alte Liste einsehen kann, um herauszufinden, wer das falsche Gerücht verbreitet haben könnte. Eine Fortführung der Liste ist dafür nicht erforderlich. b) Permanente Liste (Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210) Es besteht keine Pflicht, einen Abschnitt über „permanente Insider“ gem. Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/ 32 1210 (zum Begriff Rz. 52) und damit eine permanente Insiderliste zu führen. Ziel eines solchen Listenabschnitts ist es, Mehrfacheintragungen derselben Person in verschiedenen anlassbezogenen Abschnitten der Liste zu vermeiden97. Damit bietet sich ein Abschnitt über permanente Insider nur für die Insiderlisten von Emittenten, Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate und Versteigerern an. Zwar wurden in Erwägungsgrund 4 der inzwischen aufgehobenen DurchfVO 2016/347 auch die Insiderlisten von Dienstleistern genannt. In der Praxis werden diese aber davon keinen Gebrauch machen können, weil sie den Tatbestand nicht erfüllen. Denn Dienstleister haben naturgemäß nur projektbezogenen Zugriff auf Insiderinformationen, so dass bei keinem Berufsträger einer Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder Anwaltskanzlei zu erwarten ist, dass dieser Zugang zu sämtlichen Insiderinformationen seines Klienten hat. Da auch Dienstleister nur eine einzige Liste führen müssen (s. Rz. 34), wäre sogar erforderlich, dass ein Berufsträger Zugang zu sämtlichen Insiderinformationen sämtlicher Klienten hat, um ihn als permanenten Insider zu qualifizieren. Die mit der Einrichtung eines besonderen Listenabschnitts über permanente Insider verbundene Verwaltungsvereinfachung geht mit dem Nachteil einher, dass nach Ansicht der ESMA zu vermuten ist, dass permanente Insider ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in die Liste Zugang zu sämtlichen Insiderinformationen des betreffenden Listenführungsverpflichteten während des gesamten Zeitraums der Existenz der jeweiligen Insiderinformation haben98. Da bei permanenten Insidern die Pflicht wegfällt, anzugeben, wann der Zugang zu einer Insiderinformation erlangt und wann beendet wurde (s. Rz. 62), ist diese Vermutung im Ausgangspunkt sachgerecht. Allerdings erhöht sich dadurch die Gefahr, dass Geschäfte von permanenten Insidern als Verstöße gegen Art. 8 VO Nr. 596/2014 angesehen werden99, obwohl die betreffende Person möglicherweise gar keine positive Kenntnis von der konkreten Insiderinformation hatte100. Es ist daher zweifelhaft, welche Beweiskraft einer solchen Vermutung in der Praxis beigemessen werden kann. Allerdings ist zu erwarten, dass der EuGH aufgrund von Effektivitätserwägungen auf einer gewissen Mindestbeweiskraft bestehen wird. c) Qualifizierung der Liste Die Insiderliste ist kein öffentliches Register, sondern eine interne vertrauliche Aufzeichnung, die unter Ver- 33 schluss zu halten ist (s. Rz. 79). Aktionäre oder Dritte haben kein Recht auf Auskunft oder Einsicht (zu Einzelheiten s. Rz. 79). Die Liste gibt der zuständigen Behörde Anhaltspunkte über mögliche Insider, belegt aber nicht im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung, dass jemand tatsächlich über eine Insiderinformation verfügte. Allerdings geht von der Eintragung in die Insiderliste die widerlegliche Vermutung aus, dass der Eingetragene ab dem angegebenen Zugangszeitpunkt (welcher nicht der Zeitpunkt der Aufnahme in die Liste, sondern auch erst der spätere Entstehungszeitpunkt der Insiderinformation sein kann, dazu Rz. 54) Zugang zu der Insiderinformation hatte. Welche Bedeutung dieser Vermutung zukommt, ist eine Frage des Einzelfalls. Gibt es allerdings bei einem anlassbezogenen Listenabschnitt (zu permanenten Insidern s. Rz. 32) keine plausible Erklärung, weshalb der Eingetragene trotz einer formal fehlerfreien Eintragung tatsächlich in Unkenntnis der konkreten Information gewesen sein könnte, ist dies ein starkes Indiz für die positive Kenntnis der Insiderinformation.
97 Vgl. Erwägungsgrund 4 zur DurchfVO 2022/1210. 98 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, Rz. 285. 99 Zwar liegt ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot nur dann vor, wenn der Insider „unter Nutzung“ der Insiderinformation handelt und dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Person nicht über eine Insiderinformation verfügt (vgl. Art. 8 VO Nr. 596/2014 Rz. 31 m.w.N.). Das Problem besteht aber gerade darin, dass die Eintragung in den Abschnitt über permanente Insider dokumentiert, dass eine Person theoretisch ständigen Zugriff auf sämtliche Insiderinformationen hat. Auch wenn die Aufnahme in eine Insiderliste nicht zwingend besagt, dass jemand tatsächlich über eine Insiderinformation verfügt (dazu sogleich Rz. 33), geht doch von der Liste eine gewisse Vermutungsregel aus. 100 So auch Simons, CCZ 2016, 221, 223.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 34 | Insiderlisten d) Aufbau, Format und Führung der Liste (Art. 1 DurchfVO 2022/1210) 34 Die Marktmissbrauchsverordnung hat hinsichtlich des Aufbaus der Insiderlisten größere Neuerungen ge-
bracht. Ziel der Neuregelung ist es, durch eine Rechtsvereinheitlichung einerseits die Kosten für Emittenten zu senken, die in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig sind, und andererseits den zuständigen Behörden die für ihre Ermittlungen notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen101. Inwieweit mit der Vereinheitlichung tatsächlich Kosteneinsparungseffekte für multinationale Unternehmen einhergehen, ist eine Frage des Einzelfalls. Eindeutig ist jedoch, dass sich der Verwaltungsaufwand durch die neuen Vorgaben für sämtliche Listenführungsverpflichtete gegenüber dem früheren Recht erheblich erhöht hat. Nach Art. 1 Abs. 1 DurchfVO 2022/1210 hat jeder Listenführungsverpflichtete eine einheitliche Insiderliste zu führen, die in Abschnitte zu unterteilen ist, welche sich auf unterschiedliche Insiderinformationen beziehen102. Hierdurch ist es nicht mehr möglich, die Insiderliste wie die ehemaligen Insiderverzeichnisse gem. § 15b WpHG a.F. nach Funktions- und Vertraulichkeitsbereichen zu gliedern103. Nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 DurchfVO 2022/1210 haben auch Dienstleister (zum Begriff Rz. 18 f.) eine einheitliche Insiderliste zu führen. Sie dürfen also nicht für jeden Klienten eine eigene Liste führen, sondern haben die Insiderinformationen sämtlicher Klienten in eine einheitliche Liste aufzunehmen104. Dies ermöglicht zwar der zuständigen Behörde einen schnellen Zugriff auf die Daten sämtlicher Insider eines Dienstleisters, sofern sich die Ermittlungen auf ein bestimmtes Projekt bzw. einen bestimmten Klienten beziehen, wird aber nur die Anforderung (dazu Rz. 68) des entsprechenden Listenabschnitts verhältnismäßig sein105. Im Einzelfall (etwa wenn Zweifel an der ordnungsgemäßen Erfüllung von Art. 18 VO Nr. 596/2014 an sich bestehen, vgl. § 120 Abs. 15 Nr. 12, 13 WpHG, oder aus ermittlungstaktischen Gründen geheim gehalten wird, an welchem Abschnitt die Behörde interessiert ist) kann aber auch die gesamte Liste angefordert werden; dies kann Folgeprobleme nach sich ziehen. Anders als früher kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass der Dienstleister mit einer Übermittlung der umfassenden Liste an die zuständige Behörde seine Verschwiegenheitspflichten gegenüber den anderen, von der Datenabfrage eigentlich gar nicht betroffenen Klienten bricht. Denn gem. Art. 23 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 gilt eine Informationserteilung im Einklang mit der Verordnung nicht als Verstoß gegen vertragliche oder gesetzliche Verschwiegenheitspflichten (anders noch Art. 12 Abs. 3 RL 2003/6/EG – Marktmissbrauchsrichtlinie). Aufgrund der normhierarchischen Stellung der Marktmissbrauchsverordnung gilt dies auch für Konflikte mit der Datenschutz-Grundverordnung (VO 2016/679). Die Pflicht zur Führung einer einheitlichen Liste kann aber unter Umständen zu Geheimhaltungsproblemen bei den Dienstleistern führen, weil die Anzahl derjenigen Personen, die Zugriff auf die Gesamtliste haben, stark begrenzt werden muss (zur Vertraulichkeit der Liste s. Rz. 79). Für jede neue (zukünftige) Insiderinformation ist ein neuer Abschnitt anzulegen. Dabei ist die jeweilige Insiderinformation in der Überschrift des Abschnitts so zu bezeichnen, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind. Dies bedeutet freilich nicht, dass mit der Bezeichnung auch der Inhalt der Insiderinformation offenzulegen ist. Ansonsten wäre die listenführende Person und jeder, der Einsicht in die Liste nimmt, sofort in allen Listenabschnitten als Insider zu führen. Deshalb bietet es sich in der Praxis an, unverfängliche Projektbezeichnungen („Jahresabschluss“) oder Codenamen („Projekt Alpha“) zu verwenden106. Im letzteren Fall muss allerdings sichergestellt werden, dass bei Übermittlung der Liste an die zuständige Behörde (s. Rz. 68) eine Erläuterung beigefügt wird, aus der sich zweifelsfrei ergibt, welcher Vorgang mit dem Codenamen gemeint ist.
35 Die Liste ist gem. Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2022/1210 in einem elektronischen Format zu führen. Während
die Verordnung dem Listenführungsverpflichteten die Wahl der Software und des Dateiformats überlässt, enthält Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2022/1210 eine Reihe von Anforderungen an die Datei, in der die Insiderliste geführt wird. Demnach muss jederzeit die Vertraulichkeit der in der Liste enthaltenen Informationen gewährleistet sein, indem nur ein eindeutig festgelegter Personenkreis Zugang zu der Liste hat, Art. 1 Abs. 3 101 Erwägungsgrund 2 zur DurchfVO 2022/1210; ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, Rz. 264. 102 Anders offenbar Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 38 und ihm folgend Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 47, wonach lediglich „im Rechtssinne“ eine Liste vorliege, während technisch mehrere Listen möglich seien. Dies ist mit den Vorgaben von Art. 1 Abs. 1 DurchfVO 2022/1210 kaum zu vereinbaren. 103 Haßler, DB 2016, 1920, 1921; Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 161; Söhner, BB 2017, 259, 262. 104 A.A. Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 48 mit dem Argument, die Listenführungspflicht für Dienstleister sei „derivativer Natur“ zu der Tätigkeit für einen bestimmten Emittenten. Die Pflicht zur Führung einer einheitlichen Liste soll aber gerade sicherstellen, dass die entsprechenden Informationen schnell und gebündelt zur Verfügung stehen. 105 Insoweit zutreffend Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 47. 106 Simons, CCZ 2016, 221, 228.
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Insiderlisten | Rz. 37 Art. 18 VO Nr. 596/2014
lit. a DurchfVO 2022/1210. In der Neufassung (vgl. Rz. 3) wurde das Erfordernis aufgegeben, dass es sich nur um Personen aus dem Kreis des Listenführungsverpflichteten handeln dürfe. Dies ist richtig, denn Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 gewährt ausdrücklich die Möglichkeit, die Listenführung auf eine externe Hilfsperson zu delegieren (s. Rz. 17). In jedem Fall dürfen nur solche Personen Zugriff erhalten, die diesen Zugang aufgrund der „Art“ (englisch: „nature“) ihrer Funktion oder ihrer Position benötigen (s. Rz. 46). Um diese Anforderungen umzusetzen, ist es nicht ausreichend, die Liste durch ein einheitliches Passwort zu schützen. Vielmehr ist es erforderlich, jedem Zugangsberechtigten eine eigene Zugangsberechtigung (Benutzername und Passwort) zuzuweisen. Weiterhin muss die gewählte Dateiform gem. Art. 1 Abs. 3 lit. b DurchfVO 2022/1210 sicherstellen, dass die in der Liste enthaltenen Informationen „korrekt“ sind. Es geht in diesem Zusammenhang (Anforderungen an die elektronische Listenführung) nicht um die inhaltliche Richtigkeit, sondern darum, dass die eingetragenen Informationen unverfälscht wiedergegeben werden (in diese Richtung weisen auch die englische Fassung: „accurate“ und die französische Fassung: „exactes“). Um diese Anforderungen zu erfüllen, muss die Datei so konfiguriert werden, dass stets nachvollziehbar ist, wer zu welchem Zeitpunkt welche Änderungen vorgenommen hat. Gleichzeitig muss im Rahmen der technischen Möglichkeiten ausgeschlossen werden, dass der Inhalt der Datei durch unberechtigte Zugriffe, etwa durch Hacker, Computerviren und dergleichen, verfälscht werden kann. Die Pflicht zur Gewährleistung der Korrektheit der in der Liste enthaltenen Informationen schließt es nach Auffassung der BaFin nicht aus, die Insiderliste mit dem Personalinformationssystem oder ähnlichen Datenbanken zu verknüpfen, sofern sichergestellt ist, dass die Insiderliste bei jedem Zugriff vollständig und aktuell ist107. Vorbild scheint § 14 Satz 2 WpAIV a.F. zu sein, der die Bezugnahme auf ein anderes, die erforderlichen Daten enthaltendes Verzeichnis ermöglichte. Eine solche Verknüpfung der Insiderliste mit anderen Datenbanken erscheint vor dem Hintergrund von Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2022/1210 aber nur dann zulässig, wenn die anderen Datenbanken die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen. Problematisch ist dies insbesondere mit Blick auf die zugriffsberechtigten Personen und die vollständige Nachvollziehbarkeit von Änderungen. Sofern für den Bearbeiter des Personalinformationssystems nicht ersichtlich ist, welche Personen in der Insiderliste geführt werden, und von dort nur die Stammdaten der Insider, nicht aber inhaltliche Informationen wie z.B. der Grund der Einstufung als Insider übernommen werden, dürfte es zulässig sein, die Zugriffsberechtigung des Personalinformationssystems weiter zu fassen als die Berechtigung zur Bearbeitung der Insiderliste. In jedem Fall muss aber die Nachvollziehbarkeit von Datenänderungen gewährleistet sein. Eine Verknüpfung entspricht z.B. nicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn es möglich ist, in einer Personaldatenbank die privaten Telefonnummern eines Insiders auch mit Wirkung für die Insiderliste zu ändern, ohne dass dies automatisch unter Angabe der ändernden Person und des Datums der Änderung als Aktualisierung der Insiderliste eingetragen wird. Unzulässig ist es auch, wenn Dienstleister wie z.B. Anwaltskanzleien die Insiderliste allein anhand einer Zeiterfassungssoftware erstellen. Zwar erlaubt eine solche Software, genau nachzuvollziehen, wer in welcher Zeitspanne an welchem Fall gearbeitet hat. Sie unterscheidet jedoch nicht danach, ob man bestimmungsgemäß oder nur zufällig Zugang zu Insiderinformationen hatte und enthält auch nicht die weiteren erforderlichen Informationen (zu diesen sogleich Rz. 37). Schließlich muss gem. Art. 1 Abs. 3 lit. c DurchfVO 2022/1210 jederzeit gewährleistet sein, dass frühere Fassungen der Insiderliste noch bestehen und zugänglich sind. Auf diese Weise können auch fälschlich oder unberechtigt gelöschte Daten wiedergewonnen werden. Diese Anforderung setzt voraus, dass es einzelnen Zugangsberechtigten technisch nicht möglich sein darf, frühere Versionen der Insiderliste vollständig zu löschen. Zusätzlich muss aber auch für eine Datensicherung gesorgt sein, die auf unabhängigen Datenträgern gespeicherte Kopien der früheren Listenversionen für eine mögliche Wiederherstellung bereithält. Findet eine Verknüpfung mit anderen Datenbanken statt, ist sicherzustellen, dass auch deren Daten – sofern sie Relevanz für die Insiderliste haben – nach Änderungen ohne weiteres wiederhergestellt werden können. Frühere Versionen sind bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist (s. Rz. 77) bereitzuhalten. Der genaue Aufbau der anlassbezogenen Insiderliste ergibt sich aus Anhang I Muster 1 zur DurchfVO 36 2022/1210, die zu Beginn dieser Kommentierung abgedruckt ist. Muster 1 regelt lediglich einzelne Abschnitte der Insiderliste. Alle dort geforderten Angaben beziehen sich 37 auf eine einzelne Insiderinformation. Demgegenüber verlangt Art. 18 Abs. 3 lit. d VO Nr. 596/2014, dass das Erstellungsdatum der Insiderliste als solcher anzugeben ist. Daraus kann man schließen, dass eine Insiderliste – jedenfalls sobald sie mehr als einen Abschnitt umfasst – einen allgemeinen Vorspann enthalten muss. Dort sollte sich die Bezeichnung als „Insiderliste gem. Art. 18 VO Nr. 596/2014“, die Angabe des Listenführungsverpflichteten und das Datum der Erstellung der Liste finden. Letzteres ist insbesondere wichtig bei 107 BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 5.5.2020, VI.5. Diese Passage findet sich so nicht im Emittentenleitfaden. Dort heißt es lediglich „Eine Bezugnahme auf interne Datenbanken ist nicht ausreichend.“, BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.3.3 (S. 91).
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 37 | Insiderlisten solchen Listenführungsverpflichteten, die – wie etwa kleinere Emittenten – zeitweise gar keine Insiderliste führen müssen. Die eigentliche Insiderliste bzw. jeder neue Abschnitt muss eine Kopfzeile sowie darunter eine Tabelle mit 12 Spalten enthalten. Die Kopfzeile enthält allgemeine Angaben zur betreffenden Insiderinformation sowie einzelne auf diese Information bezogene Daten. Die Spalten eins bis fünf sowie neun bis zwölf enthalten die Daten des Insiders, die Spalten sechs bis acht Angaben zum Zugang zur betreffenden Insiderinformation (ausführlich zu den einzelnen Angaben Rz. 56 ff.). 38 Daneben ist es nach Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210 möglich, einen ergänzenden Abschnitt mit Anga-
ben zu permanenten Insidern, das heißt Personen, die jederzeit zu allen Insiderinformationen Zugang haben, in die Insiderliste einzufügen (s. Rz. 32). Die Vorgaben zum Aufbau dieses Abschnitts der Insiderlisten ergeben sich aus Anhang I Muster 2 zur DurchfVO 2022/1210, die ebenfalls zu Beginn dieser Kommentierung abgedruckt ist.
39 Der Abschnitt über permanente Insider muss eine Kopfzeile sowie eine Tabelle mit 11 Spalten enthalten.
Der Aufbau gleicht im Wesentlichen den anlassbezogenen Listenabschnitten mit dem Unterschied, dass nicht der Zeitpunkt des Zugangs und der Beendigung des Zugangs zu der einzelnen Insiderinformation anzugeben ist (zu den Einzelheiten der Angaben über permanente Insider s. Rz. 61 ff.).
2. In die Insiderliste aufzunehmende Personen (Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) a) Überblick 40 Hinsichtlich der Personen, die in der Insiderliste zu erfassen sind, stellt Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014
zwei Voraussetzungen auf. Die Personen müssen für den Listenführungsverpflichteten aufgrund eines Arbeitsvertrags oder anderweitiger Aufgabenwahrnehmung tätig sein und aufgrund dieser Tätigkeit bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben (zur Art der erfassten Insiderinformationen s. Rz. 29).
41 Wie bereits die Vorgängerregelung des Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 RL 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie)
erfasst Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 solche Personen, die für den Listenführungsverpflichteten auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig tätig sind (englisch: „under a contract of employment, or otherwise“)108. Obwohl also die Formulierung von derjenigen des § 15b WpHG a.F. abweicht, kann auf die frühere Auslegung zurückgegriffen werden, da die damalige deutsche Umsetzungsnorm richtlinienkonform auszulegen war109. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses ist damit wie früher weit zu verstehen. Es kommt nicht auf die Art des Vertrags an110, sondern auf die Tatsache, dass die Person innerhalb des Unternehmens tatsächlich beschäftigt ist, so dass auch die Bestellung zum Organ ohne Anstellungsvertrag, die freie Mitarbeit111 und faktische Arbeitsverhältnisse ausreichen. Die Beschäftigung beim Listenführungsverpflichteten muss weder eine Vollzeitstelle sein noch eine ausschließliche Tätigkeit, so dass auch eine reine Nebentätigkeit ausreicht112. Bloße Gefälligkeitsverhältnisse sind ebenfalls erfasst (z.B. unentgeltlich mitarbeitende Familienangehörige), solange die Person nur in das Unternehmen eingebunden ist113. Die gleiche Bedeutung dürfte es haben, wenn die BaFin von einer „zugewiesenen professionellen Aufgabe“ spricht114. Ein Kriterium hierfür ist die Weisungsabhängigkeit des Betroffenen, ein anderes die direkte Einbindung der Person in Betriebsabläufe oder die faktische Wahrnehmung von Organaufgaben, auch wenn sich die Bestellung später als fehlerhaft erweist. Abzugrenzen ist dieser weit verstandene Personenkreis der Mitarbeiter von den Selbstständigen115, die ihrerseits aber in die Kategorie der Dienstleister fallen, sofern sie im Interesse des Emittenten tätig sind (s. Rz. 18 f.).
42 Aus den Mustern in Anhang I zur DurchfVO 2022/1210, die die Angabe von Vor- und Familien- sowie Ge-
burtsname und des Geburtsdatums verlangen, könnte man im Umkehrschluss ableiten, dass juristische Personen von Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht erfasst seien116. Dagegen spricht, dass in der Grund-
108 Während sich die deutsche Formulierung leicht geändert hat, ist die englische Fassung (mit Ausnahme eines Kommas) identisch geblieben. 109 S. Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 38. 110 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.1 (S. 89). 111 Dazu, noch hinsichtlich § 15b WpHG a.F., Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44. 112 So auch Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 52. 113 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 48; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 68. Enger jedoch Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44, der ein vertragliches Verhältnis verlangt. 114 BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 5.6.2020, V.1. Der Emittentenleitfaden enthält diese Formulierung nicht. 115 Anders offenbar Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44, der auch alle unternehmensexternen Dritte als für den Emittenten „tätig“ ansehen will. 116 Missverständlich dazu BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3 (S. 89).
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Insiderlisten | Rz. 43 Art. 18 VO Nr. 596/2014
verordnung keine solche Einschränkung enthalten ist und keine Anzeichen bestehen, dass die Kommission beim Erlass der DurchfVO von der bisherigen Praxis abweichen und gegen die höherrangige VO Nr. 596/ 2014 verstoßen wollte117. Da die Muster in Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 aber keinerlei Abweichungen zulassen, ist es nicht mehr zulässig, bei juristischen Personen statt der Namens- und Geburtsdaten die Handelsregisternummer oder ähnliches aufzunehmen118. Stattdessen ist etwa bei Dienstleistern ein konkreter Ansprechpartner in die Liste aufzunehmen. In der Spalte „Name und Anschrift des Unternehmens“ folgen dann die Angaben zu der juristischen Person119. Die für den Emittenten oder Dienstleister tätige Person muss aufgrund der wahrgenommenen Aufgaben 43 Zugang zu Insiderinformationen haben. Es geht also um solche Personen, die „typischerweise“120 mit Insiderinformationen in Berührung kommen. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass es nicht darum gehen kann, ob das Arbeitsverhältnis der betroffenen Person gezielt darauf angelegt ist, mit Insiderinformationen umzugehen. Das Merkmal „typischerweise“ setzt voraus, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Eigenschaft als Beschäftigter und dem Zugang zu Insiderinformationen besteht121. Gerade weil die Person beim Emittenten oder Dienstleister mit einer bestimmten Aufgabe betraut wurde, muss sie regelmäßig oder anlassbezogen Zugang zu Insiderinformationen haben. Nicht ausreichend ist daher ein bloß zufälliger Zugang zu solchen Informationen oder gar ein widerrechtlicher Zugang oder eine Kenntniserlangung bei Gelegenheit einer anderen Tätigkeit122. Der Tatbestand setzt damit voraus, dass der Listenführungsverpflichtete seinen Mitarbeiter so beschäftigt hat, dass dieser stets Zugang zu Insiderinformationen hat oder dass er anlässlich eines bestimmten Projekts mit Insiderinformationen in Kontakt kommen kann123. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein und es ist dem Listenführungsverpflichteten ein gewisser Ermessensspielraum zuzugestehen, im Rahmen dessen er sich entscheiden kann, eine Person im Zweifelsfall vorsorglich in die Liste aufzunehmen124. Dieser Ermessensspielraum in Bezug auf die Aufnahme in die Liste wird aber durch seine Funktion begrenzt. Haben innerhalb einer großen Abteilung regelmäßig nur einzelne Personen bestimmungsgemäß Zugriff auf Insiderinformationen, darf nicht die ganze Abteilung in die Insiderliste aufgenommen werden, sondern nur der abgegrenzte Personenkreis. Die BaFin nennt als Gegenbeispiel Mitarbeiter der IT-Abteilung, die aufgrund ihrer Administratorenrechte Zugang zum internen E-Mail-Verkehr oder den Datenbanken des Listenführungsverpflichteten haben (s. auch Rz. 47)125. Allein die faktische Zugriffsmöglichkeit genügt nicht für die Aufnahme in die Liste. IT-Mitarbeiter sind demnach nur dann in die Liste aufzunehmen, wenn sie aufgrund eines konkreten Projekts Zugang zu Insiderinformationen erhalten. Nicht zulässig ist es auch, der Einfachheit halber alle Mitarbeiter des Listenführungsverpflichteten pauschal in die Liste aufzunehmen126. Die Funktion der Insiderliste als Ermittlungswerkzeug für die zuständige Behörde würde so vereitelt. Nur wenn es sich um ein kleines Unternehmen mit sehr wenigen Mitarbeitern handelt, bei denen wirklich alle Beschäftigten bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben, wie z.B. bei Ad-hocDienstleistern, umfasst die Insiderliste alle im Betrieb tätigen Personen. Erlangt ein Mitarbeiter rechtswidrig oder zufällig Zugang zu Insiderinformationen, muss er dann im Nachhinein in die Liste aufgenommen werden, wenn dem Listenführungsverpflichteten diese Kenntniserlangung bekanntgeworden ist127. Eine sol117 I.E. ebenso Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 281 unter Verweis auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014. 118 So aber die h.M. zum alten Recht, s. Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 38; Eckhold in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 31; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 23 a.E.; Zimmer in FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1160; Zimmer in Schwark/Zimmer, 4. Aufl. 2010, § 15b WpHG Rz. 21. 119 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.3 (S. 89). 120 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3 (S. 87). 121 Ähnlich Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 50 („finaler Zusammenhang“); dem folgend Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 69. 122 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.1 (S. 89); Haßler, DB 2016, 1920, 1922; Simons, CCZ 2016, 221, 224. 123 Aufgrund der Definition der Insiderinformation unterfallen auch solche Personen nicht dem Anwendungsbereich des Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, die erst nach einer Ad-hoc-Veröffentlichung gem. Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 von der Information Kenntnis erlangen. Denn zu diesem Zeitpunkt hat die Information ihren Charakter als Insiderinformation bereits verloren. 124 Zurückhaltender aber ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 365 (nur bei Zweifeln, ob eine Person tatsächlich Zugang zu Insiderinformationen hatte). 125 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.1 (S. 89). 126 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.3.5.2 (S. 91); zur früheren Rechtslage auch Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44; Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249, 2252; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621, 1626; Zimmer in FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1162. 127 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.1 (S. 89); a.A. Simons, CCZ 2016, 221, 224 (müssen gar nicht aufgenommen werden).
Hellgardt | 687
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 43 | Insiderlisten che Handhabung ermöglicht der zuständigen Behörde eine wirkungsvolle Kontrolle und stellt keine übermäßige Belastung für den Listenführungsverpflichteten dar. 44 Über das Kriterium des „Zugangs“ zu Insiderinformationen soll sichergestellt werden, dass in der Liste nicht
nur diejenigen aufgeführt werden, die tatsächlich über Insiderinformationen verfügen, sondern auch diejenigen, die bestimmungsgemäß die bloße Möglichkeit der Kenntniserlangung haben, also künftig mit Insiderinformationen in Kontakt kommen könnten128. Letzteres setzt eine gewisse Prognose voraus. Die Möglichkeit der Kenntniserlangung haben regelmäßig die Personen, die entweder selbst die Insiderinformation schaffen oder an die eine solche weitergegeben wird, weil sie sie zur Erfüllung ihrer betrieblichen Aufgabe benötigen129. b) Einzelfälle
45 Erfasst sind zunächst die Führungspersonen des Unternehmens. Hierbei kann man auf die Definition des
Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 zurückgreifen, der diesen Personenkreis umschreibt. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind als Führungspersonen vor allem die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans (insbesondere also Vorstandsmitglieder der AG, geschäftsführungs- und vertretungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter der KGaA und Geschäftsführer der GmbH) zu nennen. Auch die Mitglieder der Aufsichtsorgane zählen zu diesem Personenkreis (unabhängig davon, ob sie entsandt oder gewählt wurden und welche sonstige Tätigkeit sie noch ausüben). Schließlich gehören die in Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 erwähnten „höheren Führungskräfte“ hierzu. Die in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. a–c VO Nr. 596/2014 genannten Angehörigen sind hingegen grundsätzlich nicht aufzunehmen, sondern nur ausnahmsweise dann, wenn sie im Einzelfall für den Emittenten tätig werden und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben.
46 Innerhalb der Angestellten des Unternehmens sind nur solche Personen von Art. 18 VO Nr. 596/2014 er-
fasst, die entsprechend der ihnen zugewiesenen Aufgabe bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben, also vor allem Mitarbeiter der Bereiche Compliance, M&A, Controlling und Bilanzierung (soweit sie mit Jahresabschluss und Zwischenabschlüssen bzw. -berichten Berührung haben)130. Sämtliche Personen, die an der Entscheidung über einen Aufschub der Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 Abs. 4 oder 5 VO Nr. 596/2014 beteiligt waren, sind aufzunehmen. Personen, die diese Entscheidung vorbereitet oder begleitet haben, sind ebenfalls in der Insiderliste zu benennen131. Gleiches gilt für die Personen, die die Insiderliste führen132, seien es interne Mitarbeiter oder Dritte i.S.v. Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 bzw. deren Mitarbeiter. Auch Vorstandsassistenten haben regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen133. Gleiches gilt für Mitglieder des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses134. Ebenfalls in den Anwendungsbereich fallen Sekretariate der Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, sofern es zu den Aufgaben des Sekretariats gehört, bei der Tätigkeit zuzuarbeiten, bei der bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen erlangt wird135. Fraglich ist, ob auch das Sekretariat eines Aufsichtsratsmitglieds noch erfasst ist, da das Mandat höchstpersönlicher Natur ist136. Der Gesichtspunkt der höchstpersönlichen Natur ist nicht ausschlaggebend. Es kommt entscheidend darauf an, wie das Sekretariat eingesetzt wird. Erhält es bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen, ist es von Art. 18 VO Nr. 596/2014 erfasst. Fahrer von
128 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.1 (S. 89); ähnlich Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 26; Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 51. 129 v. Neumann-Cosel, S. 106. 130 So auch Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 53. 131 Enger offenbar BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.2 (S. 89) (nur Mitglieder des Ad-hocKomitees); wie hier Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 53; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 75. 132 Wehowsky in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 09/2021, 238. ErgLfg., W 57a, § 15b WpHG Rz. 5. 133 Anders als Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 setzt Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 nicht voraus, dass die Mitarbeiter eigenverantwortlich strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Unternehmens treffen können, dazu Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 31. Daher sind bei Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 auch Vorstandsassistenten ohne Letztentscheidungsmacht erfasst. 134 So nun auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.2 (S. 89). 135 So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.2 (S. 89); Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 31. 136 Diese Frage wirft Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.55, auf und kommt zutreffend dem Befund, dass eine Aufnahme nicht erforderlich ist, wenn diese Mitarbeiter eines anderen Unternehmens sind, in dem das Aufsichtsratsmitglied tätig ist; dazu auch Rz. 26; ohne Differenzierung aber Neusüß in Just/Voß/Ritz/Becker, § 15b WpHG Rz. 19. Für eine freiwillige Aufnahme Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 76.
688 | Hellgardt
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Insiderlisten | Rz. 51 Art. 18 VO Nr. 596/2014
Organmitgliedern sind nicht den Sekretariaten gleichgestellt, denn sie erhalten nicht bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen137. Die Mitarbeiter der IT-Abteilung, die aufgrund ihrer Administratorrechte Zugang zum internen E-Mail- 47 Verkehr oder den Datenbanken des Listenführungsverpflichteten haben, sind nicht in die Insiderliste aufzunehmen. Denn es sind nur Personen aufzunehmen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Damit reicht der zufällige oder bei Gelegenheit einer anderen Tätigkeit erlangte Zugang zu Insiderinformationen gerade nicht aus (s. Rz. 43). Es gehört nicht zu den Aufgaben der Administratoren, sich mit dem Inhalt von Dateien und Mails auseinander zu setzen. Administratoren oder IT-Mitarbeiter haben daher keinen bestimmungsgemäßen Zugang zum Inhalt von insiderrelevanten E-Mails oder Datenbanken138. Andere Bereiche des Unternehmens, z.B. die Rechtsabteilung139, die übrigen Finanzbereiche, die Produk- 48 tion, die Forschung und Entwicklung und die Werbeabteilung, dürften kaum regelmäßigen Zugang zu Insiderinformationen haben. Sie sind also nur dann erfasst, wenn sie anlassbezogenen Zugang haben. Bei Listenführungsverpflichteten, die in einen Konzern eingebunden sind, wird die Frage diskutiert, ob Or- 49 ganmitglieder verbundener Unternehmen oder Mitarbeiter des dortigen Beteiligungsmanagements im Rahmen der Konzernleitung als von Art. 18 VO Nr. 596/2014 erfasst angesehen werden können140. Sie können zwar im Einzelfall im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgabe über Insiderinformationen verfügen, was sicherlich dafürspräche, sie einzubeziehen. Allerdings fehlt bei Art. 18 VO Nr. 596/2014 eine Konzernklausel (s. Rz. 14, 26). Die Organmitglieder und Mitarbeiter eines verbundenen Unternehmens gelten nicht als Beschäftigte des Listenführungspflichtigen und unterfallen daher grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des Art. 18 VO Nr. 596/2014141. Nur falls der einzelne Mitarbeiter der Mutter- oder Tochtergesellschaft in die Betriebsabläufe des Listenführungspflichtigen eingebunden ist (s. Rz. 41), wird er/sie für den Listenführungspflichtigen tätig142 und ist im Falle des bestimmungsgemäßen Zugangs zu Insiderinformationen in die Insiderliste des Listenführungspflichtigen einzutragen143. Eine andere Frage ist, ob das verbundene Unternehmen selbst eine Insiderliste führen muss (dazu Rz. 14, 26) und die mit der Beteiligung befassten Mitarbeiter in diese Liste aufzunehmen sind. Aktionäre der Gesellschaft sind ebenfalls nicht für das Unternehmen tätig und daher nicht zu erfassen (s. auch Rz. 26). Art. 18 VO Nr. 596/2014 gilt unmittelbar in sämtlichen Mitgliedstaaten der EU, so dass alle dort tätigen 50 Mitarbeiter zweifellos erfasst sind. Da das Insiderrecht eine extraterritoriale Wirkung entfaltet (vgl. Art. 2 Abs. 4 VO Nr. 596/2014), sind aber auch die entsprechenden Mitarbeiter in Drittstaaten in die Insiderliste aufzunehmen144. Ein Zweck der Insiderliste ist es, die Insiderüberwachung zu vereinfachen und der zuständigen Behörde Er- 51 mittlungen zu erleichtern. Schaltet der Emittent, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate oder Versteigerer externe Dienstleister ein, müssen diese eine eigene Insiderliste führen (s. Rz. 27). Damit die zuständige Behörde überhaupt weiß, dass und wann ein Dienstleister eingeschaltet wurde, muss in der Insiderliste des primär Listenführungsverpflichteten die Beauftragung von Dienstleistern vermerkt werden, so dass die Liste alle externen Personen (gleichgültig, ob juristische oder natürliche Person, s. Rz. 42) enthält, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Da der Dienstleister eine eigene Insiderliste füh137 So zutreffend noch zu § 15b WpHG a.F. v. Neumann-Cosel, S. 118 ff.; a.A. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 733 f. 138 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.3.1 (S. 89); Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 54; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Art. 18 Marktmissbrauchs-VO Rz. 10; Haßler, DB 2016, 1920, 1922. 139 A.A. Göttler in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 11 Rz. 45. Daran ist richtig, dass einzelne Personen wie die Leitung der Rechtsabteilung oder Mitarbeiter, die speziell für Kapitalmarktrecht zuständig sind, regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben. s. auch Rz. 52. 140 So Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.56; Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22, 25; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621, 1624; ebenso wohl Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44. 141 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88); bereits zur alten Rechtslage Brandi/ Süßmann, AG 2004, 642, 644; weiter dagegen Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 74 f., der die Konzernlenkungsfunktion ausreichen lässt, um ein Tätigwerden für den Listenführungsverpflichteten zu bejahen; dem folgend bezüglich Art. 18 VO Nr. 596/2014 Haßler, DB 2016, 1920, 1922. 142 Ähnlich wie hier Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/ 2014 Rz. 73. Demgegenüber will Haßler, DB 2016, 1920, 1922 auch Unternehmensverträge i.S.v. §§ 291 ff. AktG als vertragliche Grundlage ausreichen lassen. Das würde aber zu einer Differenzierung zwischen vertraglichen und faktischen Konzernen führen, die vor dem Schutzzweck von Art. 18 VO Nr. 596/2014 kaum zu rechtfertigen ist. 143 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.2 (S. 88). 144 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3.3 (S. 88); Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 34.
Hellgardt | 689
2023-04-12, 16:35, GroKO klein
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 51 | Insiderlisten ren muss, ist der Emittent bei der Führung seiner Insiderliste nicht verpflichtet, seinerseits auch alle vom Dienstleister oder von dessen Subunternehmer (s. dazu Rz. 20) eingeschalteten Mitarbeiter aufzulisten. Ausreichend, aber auch erforderlich, ist die Nennung eines Ansprechpartners des (Dienstleistungs-)Unternehmens, über den das Unternehmen selbst erfasst wird (s. Rz. 42)145. c) Permanente Insider (Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210) 52 Listenführungsverpflichtete können fakultativ einen gesonderten Abschnitt über permanente Insider gem.
Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210 anlegen (s. Rz. 32). Die darin aufzunehmenden permanenten Insider müssen zunächst die Mindestvoraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllen, d.h. sie müssen aufgrund eines Arbeitsvertrags oder anderweitiger Aufgabenwahrnehmung für den Listenführungsverpflichteten tätig sein und aufgrund dieser Tätigkeit bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben (s. Rz. 41). Aus dem Kreis der aufzunehmenden Personen kommen als permanente Insider allerdings nur solche in Frage, „die auf Grund ihrer Funktion oder Position jederzeit Zugang zu allen Insiderinformationen innerhalb des Unternehmens haben“146. Die Anforderungen an den Tatbestand des permanenten Insiders sind daher weitaus strenger als bei den früher sogenannten „Funktionsinsidern“147. Als solche konnten etwa Mitarbeiter der Finanzabteilung für alle auf den Finanzinformationen beruhenden Insiderinformationen eingestuft werden148. Demgegenüber kann „permanenter Insider“ nur sein, wer „jederzeit“ Zugang zu „allen“ Informationen hat, so dass es sich nur um wenige Personen handelt149. Anders als teilweise nahegelegt wird150, kommt es aber auch bei permanenten Insidern nicht darauf an, dass diese tatsächliche Kenntnis sämtlicher Insiderinformationen haben. Wie im Grundfall der aufzunehmenden Personen (s. Rz. 44) reicht der Zugang zu den Insiderinformationen aus. Damit kann permanenter Insider jeder sein, der aufgrund seiner Stellung jederzeit berechtigt ist, sich Kenntnis sämtlicher erfasster Insiderinformationen (dazu Rz. 29) zu verschaffen. Dies trifft aufgrund des aktienrechtlichen Grundsatzes der Gesamtverantwortung151 auf jedes Vorstandsmitglied zu152. Darüber hinaus können im Einzelfall auch weitere Personen mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein, wie z.B. Mitglieder eines speziellen Ad-hoc-Mitteilungskomitees oder die Leitung der Abteilung Recht153.
53 Auch wenn die Aufnahme einer großen Zahl von permanenten Insidern eine erhebliche Verwaltungsverein-
fachung bedeutet, dürfen die strengen Tatbestandsvoraussetzungen nicht verwässert werden. Dies gilt deshalb, weil es aufgrund des sachlich nicht eingegrenzten Tatbestands nicht möglich ist, einzelnen Personen nur die Kenntnis bzw. den Zugang zu bestimmten Arten von Insiderinformationen – wie etwa Finanzdaten – zuzuschreiben. Als permanenter Insider dürfen daher nur Personen geführt werden, die Zugang zu jeder Art von Insiderinformation haben. Damit einhergehend soll nach Ansicht der ESMA die Eintragung eine tatsächliche Vermutung begründen, dass die eingetragene Person Zugang zu sämtlichen Insiderinformationen des betreffenden Listenführungsverpflichteten während des gesamten Zeitraums der Existenz der jeweiligen Insiderinformation hat154. Diese Vermutung ist sehr weitreichend (s. Rz. 32) und würde entwertet, wenn etwa bisher als Funktionsinsider geführte Personen pro forma zu permanenten Insidern erklärt würden.
3. Inhalt der Liste (Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) a) Allgemeine Angaben und Sprache der Liste 54 Die in die Insiderliste aufzunehmenden Mindestangaben ergeben sich aus Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 596/2014.
Einzelheiten über den Inhalt der Insiderliste regelt die DurchfVO 2022/1210, dort insbesondere die Muster 1 145 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.3 (S. 87) und V.3.3 (S. 89); Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 53; Schlitt in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, Rz. 38.57; Simons, CCZ 2016, 221, 225. Für eine entsprechende Klarstellung im Verordnungstext ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 370. 146 Erwägungsgrund 4 zur DurchfVO 2022/1210. 147 BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 5.6.2020, V.3; Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 40. 148 Ausführlich Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 31 f. 149 Haßler, DB 2016, 1920, 1922; Simons, CCZ 2016, 221, 223. 150 S. insbesondere Söhner, BB 2017, 259, 262. 151 S. nur Seibt in K. Schmidt/Lutter, § 77 AktG Rz. 18 m.w.N. 152 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 55; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 77; a.A. Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 40 mit Fn. 33, der aber auf die tatsächliche Kenntnis und nicht auf den „Zugang“ abstellt. 153 Insoweit zutreffend Söhner, BB 2017, 259, 262. 154 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, Rz. 285.
690 | Hellgardt
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Insiderlisten | Rz. 57 Art. 18 VO Nr. 596/2014
und 2 in Anhang I (zu den Besonderheiten für Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an KMUWachstumsmärkten zugelassen sind, s. Rz. 85 f.). Die danach erforderlichen Angaben sind noch vom Umfang der Verordnungsermächtigung gedeckt (s. Rz. 89)155. Sobald die Liste aus mehreren Abschnitten besteht, sollte sie einen allgemeinen Vorspann enthalten, die einzelnen Abschnitte enthalten jeweils eine Kopfzeile (zum Aufbau der Liste s. Rz. 36 f.). In den Vorspann ist die Bezeichnung als „Insiderliste gem. Art. 18 VO Nr. 596/2014“, die Angabe des Listenführungsverpflichteten und das Datum der Erstellung der Liste aufzunehmen. Die Kopfzeile muss zunächst die spezifische Insiderinformation bezeichnen, auf die sich der betreffende Listenabschnitt bezieht. Ebenfalls in der Kopfzeile anzugeben ist der Zeitpunkt, zu dem die Insiderinformation „ermittelt“ wurde, d.h. der Tatbestand von Art. 7 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erfüllt wurde. Wird bei einer ex ante absehbaren Insiderinformation bereits im Vorfeld ein Abschnitt der Insiderliste angelegt (s. Rz. 30), so bleibt dieses Feld zunächst offen und wird erst bei Entstehung der Insiderinformation ausgefüllt156. Sobald feststeht, dass die Insiderinformation nicht zur Entstehung gelangen wird, ist der entsprechende Listenabschnitt zu löschen. Schließlich enthält die Kopfzeile den Zeitpunkt der letzten Aktualisierung und ggf. das Datum der Übermittlung an die zuständige Behörde. Hinsichtlich der Sprache der Insiderliste existieren keine expliziten Vorgaben in der VO Nr. 596/2014. 55 Auch die DurchfVO 2022/1210 regelt nicht, in welcher Sprache die Angaben zu machen sind, weil die ESMA dies als nicht von ihrem Mandat zur Konkretisierung der Insiderliste erfasst ansah157. Aus dem Umstand, dass andere Verordnungen sehr wohl Sprachenregelungen enthalten (s. z.B. Art. 7 VO Nr. 1286/2014) kann im Umkehrschluss geschlossen werden, dass es nicht zulässig ist, allein durch behördliche Vorgaben eine Sprachenregelung verbindlich vorzugeben. Damit dürfte es auch nicht zulässig sein, durch eine nationale Rechtsverordnung auf Grundlage von § 26 Abs. 4 Nr. 5 WpHG, derzufolge „die Art und Weise der Übermittlung“ der Insiderliste geregelt werden darf, die Sprache für Einreichungen bei der BaFin festzulegen158. Dagegen spricht nicht nur das Unionsrecht, sondern auch bereits der systematische Vergleich zur Nr. 6 desselben Absatzes, derzufolge in der Rechtsverordnung zu Art. 19 VO Nr. 596/2014 neben der „Art und Weise der Übermittlung“ auch die Sprache explizit erwähnt wird. Damit darf die Insiderliste in allen 24 Amtssprachen der EU erstellt werden. Diese sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch (Gälisch), Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch. Aus Konsistenzgründen muss die Liste aber einheitlich in einer bestimmten Sprache abgefasst sein. Praktisch relevant wird dies insbesondere dann, wenn sich ein Listenführungsverpflichteter eines Dienstleisters aus einem anderen Mitgliedstaat bedient, der dadurch selbst verpflichtet ist, eine eigene Insiderliste zu führen (s. Rz. 18). Ein solcher Dienstleister darf seine Insiderliste in der eigenen Amtssprache führen, auch wenn sie bei der für die Überwachung des primär Listenführungsverpflichteten zuständigen Behörde einzureichen ist (dazu Rz. 92). Trotz der fehlenden Sprachvorgabe ist es zweckmäßig, die Insiderliste in einer von der zuständigen Behörde bevorzugten Sprache zu verfassen159. Bei der BaFin sind daher Einreichungen auf Deutsch oder Englisch zweckmäßig. b) Angaben über die zu erfassenden Personen Als personenbezogene Mindestangaben fordert Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 Informationen zur Identität 56 der Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben (Art. 18 Abs. 3 lit. a VO Nr. 596/2014), zum Grund der Aufnahme in die Insiderliste (Art. 18 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/2014) sowie zu Datum und Uhrzeit der Erlangung des Zugangs zur Insiderinformation (Art. 18 Abs. 3 lit. c VO Nr. 596/2014). Diese noch recht allgemeinen Vorgaben wurden durch Muster 1 in Anhang 1 der DurchfVO 2022/1210 (abgedruckt zu Beginn der Kommentierung) konkretisiert. Die dort gemachten Vorgaben sind verpflichtend und können auch nicht unter Hinweis auf Datenschutzregeln von Drittstaaten unterschritten werden160. Die Spalten eins bis fünf sowie neun bis zwölf regeln die personenbezogenen Angaben. Inhaltlich wurden die Anforderungen im Vergleich zur früheren Rechtslage gesteigert. In den ersten drei 57 Spalten der Tabelle sind Vor- und Nachnamen sowie ggf. ein abweichender Geburtsname des Insiders vollständig anzugeben. Nach dem eindeutigen Wortlaut ist ein früherer Ehe- oder Lebenspartnerschaftsname, wenn der Insider nach Scheidung oder Verwitwung bzw. Beendigung der Lebenspartnerschaft wieder seinen 155 A.A. Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 53. 156 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.1 (S. 90). 157 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, Rz. 296. 158 So aber Simons, CCZ 2016, 221, 226. 159 I.E. ähnlich Poelzig, NZG 2016, 761, 767. 160 So auch BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 5.6.2020, VI.4.
Hellgardt | 691
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 57 | Insiderlisten Geburtsnamen angenommen hat (vgl. § 1355 Abs. 5 Satz 2 BGB bzw. § 3 Abs. 3 Satz 2 LPartG), nicht anzugeben. Die vierte Spalte betrifft die dienstlichen Telefonnummern des Insiders; hier sind sämtliche Durchwahlnummern und auch Mobilnummern anzugeben. Damit korrespondiert die elfte Spalte, in die sämtliche privaten Telefonnummern, Festnetz und Mobil, des Insiders einzutragen sind. Der Verordnungsgeber weist dieser Information einen hohen Stellenwert für die Ermittlungen zu. Erklärte Zielsetzung ist es, auf diese Weise eine schnelle Analyse des Handelsverhaltens von Insidern zu ermöglichen sowie Verbindungen zwischen Insidern und Beteiligten an verdächtigen Handelsaktivitäten herstellen und ermitteln zu können, welche Kontakte zwischen ihnen bestanden161. Die Durchführung der Telekommunikationsüberwachung richtet sich nicht nach § 100a StPO oder § 100g StPO, sondern nach § 7 Abs. 1 WpHG (zu den Einzelheiten s. § 7 WpHG Rz. 6 ff.). In der fünften Spalte sind Name und Anschrift des listenführungspflichtigen Unternehmens anzugeben. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es sich nicht um direkte Angestellte, sondern etwa um Berater von Organmitgliedern (s. Rz. 21) handelt. Mit der Zuordnung einer Person zum eigenen Unternehmen anerkennt der Listenführungsverpflichtete regelmäßig auch die Aufklärungspflicht gem. Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 70 ff.). Die neunte Spalte findet auf deutsche Staatsangehörige grundsätzlich keine Anwendung, da es keine nationale Identifikationsnummer gibt. Da Muster 1 von Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 den Aufbau der Insiderliste verbindlich vorschreibt, darf die entsprechende Spalte aber nicht weggelassen werden. Das Feld kann jedoch leer bleiben, insbesondere ist nicht die SteuerIdentifikationsnummer anzugeben162. Sofern eine Person über eine im Ausland vergebene Identifikationsnummer verfügt, ist diese einzutragen. Dies gilt auch für Personen, die mehrere Staatsangehörigkeiten haben und durch ihre zweite Staatsbürgerschaft über eine nationale Identifikationsnummer verfügen163. In der zehnten Spalte ist das Geburtsdatum anzugeben. In der zwölften Spalte ist schließlich die vollständige Privatanschrift des Insiders anzugeben. Nach Auffassung der BaFin müssen dabei auch eventuelle Zweitwohnsitze vollständig angegeben werden (zur Vereinbarkeit mit den Grundrechten s. Rz. 9)164. Da derartige Informationen regelmäßig nicht im Personalinformationssystem erfasst sein werden und dem Arbeitgeber häufig gar nicht bekannt sein dürfte, dass ein Angestellter über einen Zweitwohnsitz verfügt, ist hier eine besondere Befragung der in die Liste aufzunehmenden Personen erforderlich. Es bietet sich an, derartige Befragungen bereits im Vorfeld bzw. bei Neueinstellungen von Personen vorzunehmen, die als potentielle Insider in Frage kommen. c) Grund für die Aufnahme sowie Zeitangaben 58 Die Insiderliste wird nur dann ihren Funktionen gerecht (dazu s. Rz. 6 f.), wenn auch der Grund für die
Erfassung der jeweiligen Person in der Liste vermerkt ist. Daher verlangt Art. 18 Abs. 3 lit. b VO Nr. 596/ 2014 entsprechende Angaben in der Insiderliste. Konkretisiert wird dies durch die sechste bis achte Spalte der durch Muster 1 in Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 vorgegebenen Tabelle (abgedruckt zu Beginn der Kommentierung).
59 In der sechsten Spalte sind die Funktion der Person und der Grund für die Einstufung als Insider anzuge-
ben. Nach den Erläuterungen in der Tabelle ist nicht nur die Funktion anzugeben, sondern auch die „Rolle“ der Person zu beschreiben. Damit dürfte es nicht ausreichen, den Insider als „Mitarbeiter der Rechtsabteilung“ zu beschreiben165. Der Verordnungsgeber weist dieser Information vielmehr eine wichtige Bedeutung zu, was sich auch daran zeigt, dass eine spätere Änderung des Erfassungsgrundes gem. Art. 18 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 explizit als Anlass für die Aktualisierung der Insiderliste genannt wird. Es muss daher aus der Eintragung hervorgehen, ob es sich um jemanden handelt, der auf die Ausgestaltung der Insiderinformation inhaltlichen Einfluss nehmen kann, oder ob die betreffende Person aufgrund ihrer Funktion lediglich passiv Kenntnis der Insiderinformation erhält. Dazu dürften grobe Rollenbeschreibungen wie „Federführung Erarbeitung des Übernahmepreises“ oder „Mitarbeit bei der due diligence“ ausreichen. In der siebten Spalte ist der Zeitpunkt der Erlangung des Zugangs zur Insiderinformation anzugeben. Dies sollte im Regelfall der Zeitpunkt sein, zu dem eine Person in die Insiderliste aufgenommen wird, da sie ab diesem Zeitpunkt und der damit einhergehenden Aufklärung berechtigt ist, die Insiderinformation zu erfahren. Im Falle einer krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit ist der spätere Zeitpunkt zu vermerken, zu dem die Person tatsächlichen Zugang zu der Information hatte. Hatte eine Person bereits vor Aufnahme in die Liste Zugang
161 Erwägungsgrund 8 zur DurchfVO 2022/1210. 162 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.3.3 (S. 91). 163 A.A. Simons, CCZ 2017, 182, 188; anders noch Simons, CCZ 2016, 221, 225. Ähnlich wie hier Haßler, DB 2016, 1920, 1921. 164 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.3.3 (S. 91); ablehnend Simons, CCZ 2017, 182, 187, 189. 165 Wie hier Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 59; a.A. Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 82; Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 54.
692 | Hellgardt
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Insiderlisten | Rz. 62 Art. 18 VO Nr. 596/2014
zu der Insiderinformation, ist der tatsächliche Zugangszeitpunkt anzugeben. Nach Ansicht der BaFin ist es zulässig, für eine Gruppe von Beteiligten einheitlich den Zeitpunkt der Entstehung der Insiderinformation einzutragen, etwa wenn diese durch einen Gremienbeschluss entsteht166. Sofern bekannt ist, dass einzelne Mitglieder der Gruppe zu abweichenden Zeitpunkten davon erfahren, könne sogleich dieser individualisierte Zeitpunkt vermerkt werden. Eine solche gruppenmäßige Erfassung kann in der Praxis eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung bewirken. Sie ist aber nur dann mit den Vorgaben der DurchfVO 2022/1210 vereinbar, wenn sichergestellt ist, dass kein Gruppenmitglied vor dem angegebenen Zeitpunkt schon Zugang zu der Insiderinformation hatte. Außerdem leidet in einem solchen Fall die Beweisfunktion der Insiderliste (dazu Rz. 33), weil ein Gruppenmitglied plausibel darlegen kann, dass es zum angegebenen Gruppenzeitpunkt tatsächlich noch keine Kenntnis der Information hatte. In der achten Spalte ist zu verzeichnen, ab welchem Zeitpunkt der betreffende Insider keinen Zugang mehr zu der Insiderinformation hatte. Der ehemalige Insider ist also weiter in dem betreffenden Listenabschnitt zu führen, nur wird durch die Angabe in der achten Spalte deutlich, dass die Person ab dem angegebenen Datum nicht mehr als Insider gilt. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn die betreffende Person verstirbt oder aus dem Unternehmen ausscheidet167. Selbstverständlich erlischt mit dem Ausscheiden nicht das bislang erworbene Wissen, aber es ist davon auszugehen, dass der bisherige Insider, aufgrund der Vertraulichkeitspflichten seiner ehemaligen Kollegen, keine weiteren Entwicklungen mehr erfährt. Weniger eindeutig ist dies, wenn der Insider lediglich unternehmens- oder konzernintern in eine andere Position wechselt. Hier hängt es stark von der Rolle ab, die der bisherige Insider gespielt hat, ob zu erwarten ist, dass er auch weiterhin privilegierten Informationszugang haben wird. So ist insbesondere bei solchen Personen, die aufgrund ihrer bisherigen Funktion aktiven Einfluss auf die Ausgestaltung der Insiderinformation nehmen konnten, zu erwarten, dass diese auch weiterhin in den Informationsfluss einbezogen werden. Dies ist ein Fall, in dem lediglich gem. Art. 18 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 die Eintragung in der sechsten Spalte zu aktualisieren ist, der Insider aber nicht ausgetragen werden darf. Wer hingegen reine Hilfsarbeiten verrichtet hat (z.B. Präsentationen des Projekts ausgedruckt und verteilt hat), wird nach einer Versetzung in aller Regel vom weiteren Informationsfluss abgeschnitten sein. Die gleichen Grundsätze gelten im Falle einer längeren (mindestens mehrwöchigen) krankheitsbedingten Abwesenheit, hier ist ggf. ein erneuter Zugang zur Insiderinformation nach Rückkehr zu vermerken. Urlaub führt dagegen grundsätzlich nicht dazu, dass der Zugang zur Insiderinformation endet, da Mitarbeiter mit Zugang zu Insiderinformationen in der Regel auch im Urlaub in Kontakt zu ihrem Arbeitgeber bleiben und über wichtige Entwicklungen informiert werden. Alle in die Insiderliste aufzunehmenden Zeitangaben sind gem. ISO 8601 vorzunehmen168. Das Datumsfor- 60 mat ist daher jjjj-mm-tt, das Zeitformat hh:mm. Außerdem ist der Unterschied der verwendeten Zonenzeit zur koordinierten Weltzeit anzufügen. In Deutschland ist dies +01:00 während der MEZ, bzw. +02:00 während der MESZ. d) Besonderheiten bei Permanenten Insidern Muster 2 in Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 regelt die Angaben zu permanenten Insidern (abgedruckt 61 zu Beginn der Kommentierung). Während die personenbezogenen Angaben gleich sind, werden die Angaben über Zeitpunkt und Beendigung des Zugangs zur Insiderinformation durch Angaben zur Aufnahme als permanenter Insider ersetzt. In der Kopfzeile ist zunächst der Zeitpunkt der Einrichtung des Abschnitts über permanente Insider anzu- 62 geben. Außerdem ist der Zeitpunkt der letzten Aktualisierung anzugeben sowie ggf. das Datum der Übermittlung an die zuständige Behörde. Die ersten sechs Spalten der Tabelle gleichen den entsprechenden Spalten der anlassbezogenen Listenabschnitte (s. Rz. 57). Aus der in der sechsten Spalte vorzunehmenden Rollen- und Funktionsbeschreibung muss sich ergeben, weshalb die Person die Anforderungen an einen „permanenten Insider“ (s. Rz. 52 f.) erfüllt. Da die Insiderliste nicht nur internen Zwecken dient, sondern auch maßgeblich ein Ermittlungswerkzeug für die zuständige Behörde ist, dürfen keine Personen in den Abschnitt „permanente Insider“ aufgenommen werden, die die Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllen. In der siebten Spalte ist der Zeitpunkt der Aufnahme in den Abschnitt über permanente Insider anzugeben, nicht anzugeben ist hingegen der Zeitpunkt, zu dem der permanente Insider Zugang zu einzelnen Insiderinformationen erhalten hat169. Nach Ansicht der ESMA ist zu vermuten, dass die eingetragene Person ab dem Zeitpunkt der Eintragung als permanenter Insider Zugang zu sämtlichen Insiderinformationen des betreffenden 166 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.3.5.2 (S. 91). 167 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.5 (S. 92). 168 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.4.3.1 (S. 90). Der ISO-Standard ist abrufbar unter https://www.iso.org/iso-8601-date-and-time-format.html. 169 BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 5.6.2020, VI.2.
Hellgardt | 693
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 62 | Insiderlisten Listenführungsverpflichteten während des gesamten Zeitraums der Existenz der jeweiligen Insiderinformation hat170. Gleichzeitig muss die Person zu diesem Zeitpunkt aus allen anlassbezogenen Listenabschnitten ausgetragen werden. In Art. 1 Abs. 2 Satz 3 DurchfVO 2022/1210 ist zwar missverständlich nur die Rede davon, dass die in den Abschnitt über permanente Insider aufzunehmenden Angaben nicht in den anderen Listenabschnitten aufgenommen werden. Zusammen mit Erwägungsgrund 5 zur DurchfVO 2022/1210 ist das aber so zu verstehen, dass permanente Insider in den anderen Listenabschnitten überhaupt nicht mehr (als aktuelle Insider) geführt werden müssen. Sie dürfen auch freiwillig nicht in die anderen Listenabschnitte als aktuelle Insider aufgenommen werden, weil die Liste sonst widersprüchlich würde. Da die permanenten Insider auch nach ihrer Austragung noch als ehemalige Projektinsider in den anderen Listenabschnitten aufgeführt sind, lässt sich auch später nachvollziehen, ab wann die betreffende Person bereits vor Aufnahme in den Abschnitt über permanente Insider Zugang zu einzelnen Insiderinformationen hatte. Die achte bis elfte Spalte entspricht den Spalten neun bis zwölf der anlassbezogenen Listenabschnitte (s. Rz. 57), wobei in der Neufassung (s. Rz. 3) die Spalten zehn und elf ohne ersichtlichen Grund getauscht wurden. 63 Nicht geregelt ist die Beendigung der Eintragung als permanenter Insider. Mit dem Ende der Funktion,
aufgrund derer ein ständiger Zugang zu sämtlichen Insiderinformationen besteht, endet automatisch auch die Einstufung als permanenter Insider. Die betreffende Person ist daher aus dem Abschnitt über permanente Insider auszutragen. Da anders als bei den anlassbezogenen Abschnitten keine Spalte mit einem Enddatum besteht, ist die Person aus diesem Listenabschnitt vollständig zu löschen. Stattdessen ist der ehemalige permanente Insider gleichzeitig in alle zu diesem Zeitpunkt existierenden anlassbezogenen Abschnitte aufzunehmen171. Als Datum des Zugangs zur Insiderinformation ist dabei stets das Entstehungsdatum der jeweiligen Insiderinformation anzugeben, da aufgrund der Eintragung als permanenter Insider zu vermuten war, dass die Person ab diesem Zeitpunkt Zugang hatte. Inwieweit der ehemalige permanente Insider aus den anlassbezogenen Abschnitten ausgetragen werden darf, hängt davon ab, welche Funktionen er noch im Unternehmen wahrnimmt. Dabei gelten die oben genannten Grundsätze über die Beendigung des Zugangs (s. Rz. 59). Im Todesfall oder in dem seltenen Fall, dass die Person ohne jeden Übergang oder anschließende Beratungstätigkeit vollständig aus dem Unternehmen ausscheidet, kann die Eintragung in die anlassbezogenen Abschnitte unterbleiben, sofern der Zeitpunkt der Löschung aus dem Abschnitt über permanente Insider eindeutig dokumentiert ist.
IV. Pflicht zur Aktualisierung der Insiderliste (Art. 18 Abs. 1 lit. b, Abs. 4 VO Nr. 596/ 2014) 1. Auslöser der Aktualisierungspflicht 64 Nach Art. 18 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 muss der Listenführungsverpflichtete die Insiderliste „gemäß
Abs. 4 sofort aktualisieren“. Allerdings enthält Art. 18 VO Nr. 596/2014 keine dem § 15 Satz 1 WpAIV a.F. vergleichbare Generalklausel, derzufolge die Insiderliste bei jeder Unrichtigkeit zu aktualisieren wäre. Vielmehr listet Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 Aktualisierungsgründe enumerativ auf. Die englische („in the following circumstances“) und französischen Sprachfassung („dans les circonstances suivantes“) legen nahe, dass es sich nicht um Regelbeispiele, sondern um eine abschließende Aufzählung handeln könnte172. Dies wäre deshalb überraschend, weil Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 keine Pflicht zur Aktualisierung für den Fall vorsieht, dass die Insiderliste inhaltlich fehlerhaft wird, insbesondere dadurch, dass sich die persönlichen Daten der dort aufgeführten Personen ändern. Diese Lücke schließt aber Art. 1 Abs. 3 lit. b DurchfVO 2022/ 1210. Demnach muss die Liste in einer Form geführt werden, die „jederzeit“ gewährleistet, dass die aufgenommenen Informationen „korrekt“ sind; die Liste ist damit regelmäßig zu aktualisieren173. Einer solchen Aktualisierungspflicht aufgrund anfänglicher oder nachträglicher Unrichtigkeit der eingetragenen personenbezogenen Daten steht auch nicht der höherrangige Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 entgegen. Neben dem in der deutschen Sprachfassung offenerem Wortlaut spricht insbesondere das Regelungsziel, eine lückenlose Aufsicht zu gewährleisten, entscheidend gegen den abschließenden Charakter der in Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 genannten Aktualisierungsgründe. Denn dieses Regelungsziel wäre ernsthaft gefährdet, 170 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, Rz. 285. 171 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 66; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 87. 172 A.A. Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 67, die die hiesige Auffassung zu Unrecht als Beleg für ihre Meinung anführen. 173 I.E. ebenso Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 63.
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Insiderlisten | Rz. 67 Art. 18 VO Nr. 596/2014
wenn etwa Angaben zu permanenten Insidern nach mehreren Jahren fast vollständig unrichtig geworden sind (z.B. Namensänderung durch Eheschließung, Umzug und Änderung der Telefonnummern), ohne dass eine Aktualisierungspflicht bestünde. Aus diesem Grunde ist eine Aktualisierungspflicht in Einklang mit Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2022/1210 auch dann anzunehmen, wenn sich persönliche Informationen der in der Insiderliste erfassten Personen ändern174. Auch die BaFin folgt dieser Auffassung, spricht aber von einer „Korrektur“ in Abgrenzung zur Aktualisierung175. Diese sprachliche Differenzierung ist abzulehnen, weil damit – entgegen der ausdrücklichen Intention der BaFin – suggeriert wird, dass es nur um ursprünglich fehlerhafte Eintragungen geht (dazu Rz. 66). Sofern (zu Unrecht; s. zuvor) Bedenken hinsichtlich der Rechtsgrundlage für eine solche Aktualisierungspflicht bestehen, lassen sich diese auch nicht durch eine andere (und sachlich unzutreffende) Wortwahl beseitigen. Nach Art. 18 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014 ist die Insiderliste zu aktualisieren, wenn sich der Grund für die 65 Erfassung bereits erfasster Personen auf der Insiderliste ändert. Damit ist insbesondere auch die Rolle gemeint, die ein Insider hinsichtlich der Insiderinformation einnimmt, ob er auf diese also inhaltlich Einfluss nehmen kann oder lediglich aufgrund seiner Tätigkeit Kenntnis davon erhält (s. Rz. 59). Aus dieser Zielrichtung ergibt sich auch, wann eine Aktualisierungspflicht entsteht. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich die Rolle der betreffenden Person entscheidend verändert, etwa indem eine Person, die bislang lediglich zugearbeitet hat, gestalterische Verantwortung übertragen bekommt. Auch der Abzug einer Person von einer Führungsaufgabe, aufgrund derer Kontakt zu der Insiderinformation bestand, stellt eine relevante Rollenänderung dar. Die Aktualisierungsgründe von Art. 18 Abs. 4 lit. b und lit. c VO Nr. 596/2014, wonach die Liste zu aktualisieren ist, wenn neue Personen zur Liste hinzuzufügen sind oder wenn in der Liste erfasste Personen keinen Zugang zu Insiderinformationen mehr haben, werfen keine besonderen Auslegungsfragen auf. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Aufnahme und Austragung verwiesen werden (s. Rz. 59). Wie bereits dargelegt, sind urlaubs- oder kurzzeitige krankheitsbedingte Abwesenheiten kein Grund für die Aktualisierung (s. Rz. 59). Diese in Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 aufgeführten Fallgruppen sind, wie ausgeführt (s. Rz. 64), lediglich Beispiele. Eine Vielzahl weiterer Konstellationen ist denkbar, aus denen sich eine Aktualisierungspflicht gem. Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2022/1210 ergibt. So lösen etwa Veränderungen im Kreis der Personen, die die Insiderliste führen (z.B. Wechsel in der Person des Compliance-Beauftragten), die Aktualisierungspflicht aus. Ebenfalls eine Aktualisierung stellt es dar, wenn eine neue (potentielle) Insiderinformation identifiziert und ein neuer Listenabschnitt angelegt oder ein bestehender Listenabschnitt gelöscht wird. Während die Muster 1 und 2 in Anhang I zur DurchfVO 2022/1210 verlangen, dass in der Kopfzeile des 66 jeweiligen Abschnitts Datum und Uhrzeit der letzten Aktualisierung anzugeben sind, verlangt Art. 18 Abs. 4 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014, dass bei jeder Aktualisierung Datum und Uhrzeit der Änderung anzugeben sind, durch die diese Aktualisierung erforderlich wurde. Damit ist also der Zeitpunkt gemeint, zu dem sich der tatsächliche Umstand geändert hat, auf den sich die Aktualisierung bezieht. Handelt es sich um eine nachträgliche Berichtigung (ist etwa eine Telefonnummer falsch angegeben), kann der Zeitpunkt auch vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem der entsprechende Abschnitt der Insiderliste angelegt wurde. Diese Angabe ist neben der aktualisierten Eintragung zu machen und bleibt – anders als die Zeitangabe in der Kopfzeile – auch nach der nächsten Aktualisierung bestehen. Damit wird gewährleistet, dass bei einer Lektüre der Insiderliste sofort ersichtlich ist, welche Eintragungen bereits in der Ursprungsfassung des entsprechenden Listenabschnitts enthalten waren, welche nachträglich berichtigt wurden, weil sie ursprünglich falsch waren, und welche später aktualisiert wurden.
2. Frist Art. 18 Abs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 verpflichtet die Listenführungsverpflichteten, die von ihnen zu führen- 67 den Insiderlisten „sofort“ zu aktualisieren. Diese neue Formulierung wurde durch die Änderungsverordnung 2019 (vgl. Rz. 3a) eingefügt und ersetzt den früheren Wortlaut „rasch“. Demgegenüber ist in Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 von einer „unverzüglichen“ Aktualisierung die Rede. Bei den unterschiedlichen Ausdrücken handelt es sich um Übersetzungsfehler, damit ist in allen Fällen dasselbe gemeint176. Dies zeigt der Ver174 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 67; i.E. auch Simons, CCZ 2017, 182, 188; Simons, CCZ 2016, 221, 229. 175 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.6 (S. 92). I.E. geht auch die ESMA von einer Aktualisierungspflicht hinsichtlich der aufgenommenen Angaben aus; vgl. ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 372. 176 Ebenso zu den Unterschieden vor der Änderungsverordnung Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 71; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 94; Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 11c.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 67 | Insiderlisten gleich mit den anderen Sprachfassungen von Art. 18 VO Nr. 596/2014. Sowohl in der englischen als auch in der französischen Fassung ist die Formulierung („promptly“ bzw. „rapidement“) in beiden Absätzen einheitlich und wurde auch durch die Änderungsverordnung nicht geändert. Fraglich ist, ob diese Anforderung nur für die in Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 explizit aufgeführten Aktualisierungspflichten gilt. In Art. 1 Abs. 3 lit. b DurchfVO 2022/1210 heißt es nunmehr, dass die Angaben „jederzeit“ korrekt sein müssen. Damit ist im Ergebnis dasselbe gemeint. Nicht ausreichend ist daher in allen Aktualisierungsfällen eine regelmäßige, in bestimmten Zeitabständen vorgenommene Aktualisierung177. Art. 18 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 fordert vielmehr, dass die Aktualisierung der Insiderliste „unverzüglich“ bzw. „sofort“ zu geschehen hat. Unverzüglich darf dabei aber nicht mittels § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ verstanden werden. Dies zeigen schon die Formulierungen „sofort“, „promptly“ und „rapidement“, die – anders als eine Formulierung wie „without undue delay“ – nicht auf eine Pflichtwidrigkeit, sondern allein auf das Zeitelement abstellen. Damit ist das Erfordernis rein objektiv, ohne Rücksicht auf subjektive Entschuldigungsgründe des betreffenden Listenführungsverpflichteten zu interpretieren178. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Listenführungsverpflichteten von der tatsächlichen Veränderung. Trotz des Merkmals „sofort“ ist dem Listenführungsverpflichteten aber eine angemessene Frist zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen und – allerdings nur bei schwierigen und nicht vorhersehbaren Fallkonstellationen – zur Einholung von Rechtsrat oder einer Auskunft der zuständigen Behörde einzuräumen179. Ansonsten würde die Verlässlichkeit der Insiderliste und damit das Regelungsziel des Art. 18 VO Nr. 596/2014 beeinträchtigt. Steht die Aktualisierungspflicht von vornherein völlig außer Frage, ist die Frist eine sofortige. Der Meldepflichtige muss substantiiert darlegen, dass er „sofort“ gehandelt hat.
V. Übermittlung an die zuständige Behörde (Art. 18 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014) 68 Art. 18 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 verpflichtet den Listenführungsverpflichteten dazu, der zuständigen
Behörde (s. Rz. 91 f.) die Insiderliste auf deren Ersuchen unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Unverzüglich ist dabei als „so schnell wie möglich“ zu verstehen (s. die englische Fassung: „as soon as possible“). Da die Insiderliste stets aktuell zu halten ist (s. Rz. 67), bedeutet dies, dass die Liste unter normalen Umständen sofort zu übermitteln ist. Dies gilt jedenfalls, sofern das Vorlegungsersuchen während eines Werktages zu den normalen Geschäftszeiten eingeht. Während dieser Zeiten muss stets ein Mitarbeiter anwesend sein, der über hinreichende Zugangsrechte verfügt, um die Liste – ggf. mit Erläuterungen zur Bedeutung von Codenamen (vgl. Rz. 34) – an die zuständige Behörde zu versenden. Es ist nicht erforderlich, dass die zuständige Behörde einen konkreten Grund für das Übermittlungsverlangen der Insiderliste hat180. Sofern die zuständige Behörde keine weiteren Erläuterungen beifügt, ist lediglich die aktuelle Insiderliste zu übermitteln. Die Behörde kann aber auch nur einzelne Listenabschnitte anfordern, was – etwa bei Dienstleistern – in der Praxis der Regelfall sein dürfte und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht (s. Rz. 34). Aus der Pflicht des Art. 2 Abs. 4 lit. c VO Nr. 596/2014, den jederzeitigen Zugang und Abruf der früheren Fassungen sicherzustellen, ergibt sich implizit, dass die zuständige Behörde auch das Recht hat, die Übermittlung früherer Fassungen der Insiderliste zu verlangen. Nur so lässt sich zuverlässig überprüfen, ob der Listenführungsverpflichtete seinen Pflichten aus Art. 18 VO Nr. 596/2014 bzw. der DurchfVO 2022/1210 umfassend nachgekommen ist. Zudem können sich im Zuge von insiderrechtlichen Ermittlungen frühere Versionen der Insiderliste als hilfreich erweisen.
69 Hinsichtlich der Modalitäten der Übermittlung enthält Art. 18 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 keine Regelung.
Spezifischere Anforderungen ergeben sich aus Art. 1 Abs. 4 DurchfVO 2022/1210. Demnach gibt die zuständige Behörde auf ihrer Website an, auf welchem elektronischen Weg die Insiderlisten zu übermitteln sind. Dieser elektronische Weg muss gewährleisten, dass die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen während der Übermittlung gewahrt bleiben. Die BaFin hat sich im Emittentenleitfaden zur Übermittlungsmethode geäußert. Demnach haben Übermittlungen an die BaFin per Secure Mail, d.h. einer elektronisch gesicherten Übertragung per E-Mail, zu geschehen, wofür eine einmalige Registrierung erforderlich ist181. 177 Vgl. ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 407, wonach eine Aktualisierung „within a reasonable period of time“ den Anforderungen nicht gerecht werde, sondern der Zeitraum „very limited“ sei. 178 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 72; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 95. 179 Ähnlich ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 407: „the current text of MAR purposefully avoids setting strict time limits, given the wide range of circumstances that may arise“. 180 I.E. ebenso Simons, CCZ 2016, 221, 229. 181 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.7 (S. 92).
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Insiderlisten | Rz. 73 Art. 18 VO Nr. 596/2014
VI. Aufklärungspflicht (Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014) 1. Aufklärungspflichtiger Gemäß Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 hat der Listenführungsverpflichtete Vorkehrungen dafür 70 zu treffen, dass die in seiner Insiderliste erfassten Personen die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Insiderrecht erwachsenden Pflichten schriftlich anerkennen und sich der Sanktionen bewusst sind, die bei Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen Anwendung finden. Diese Pflichten gelten nach dem eindeutigen Wortlaut für sämtliche Listenführungsverpflichtete. Damit sind auch Dienstleister erfasst, die in der Vorgängernorm des § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F. vergessen worden waren182. In Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist von einer Aufklärung direkt gar nicht die Rede; verlangt wird nur, dass „Vorkehrungen“ getroffen werden, damit die in der Insiderliste geführten Personen die einschlägigen Rechtspflichten „anerkennen“ und sich der bei Verstößen drohenden Sanktionen „bewusst“ sind. Ein solches Anerkenntnis und Bewusstsein kann der Listenführungsverpflichtete aber nur erreichen, indem er die Eingetragenen zuvor selbst aufklärt183 oder Dritte (etwa die Hilfsperson, die die Insiderliste führt; vgl. Rz. 17) damit betraut. Der zunächst missverständliche Wortlaut von Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 wurde durch die Änderungsverordnung 2019 (vgl. Rz. 3a) so präzisiert, dass eindeutig jeder Listenführungsverpflichtete die in seiner eigenen Insiderliste erfassten Personen aufzuklären hat184. Durch den geplanten Listing Act (vgl. Rz. 3a) soll die Aufklärungspflicht von einer Vorkehrungspflicht zu einer Handlungspflicht konkretisiert werden.
2. Inhalt der Aufklärung Der Inhalt der notwendigen Aufklärung ergibt sich aus der von den in der Insiderliste geführten Person zu 71 erbringenden Reaktion. Diese müssen zunächst die sich aus den „Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergebenden Pflichten“ (englisch: „legal and regulatory duties“) anerkennen. Da nicht genauer spezifiziert wird, welche „Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ im Einzelnen gemeint sind, ist dies mit Blick auf den Sachzusammenhang und die im Anschluss genannten Sanktionen für Insidergeschäfte und unrechtmäßige Offenlegung zu konkretisieren. Relevant sind also die einschlägigen Normen des Insiderrechts, insbesondere die Art. 7, 8, 10 und 14 VO Nr. 596/2014. Die BaFin hat einen Mustertext für die Belehrung veröffentlicht185, in welchem zusätzlich auch noch Auszüge aus Art. 2 und 3 VO Nr. 596/2014, namentlich Definitionen, abgedruckt sind. Es ist aber nicht zwingend erforderlich, diese Normen in Originalauszügen abzudrucken, da sich daraus direkt keine Pflichten ergeben. Der Anwendungsbereich und die zum Verständnis der Pflichten notwendigen Definitionen können genauso gut in beigefügten Erläuterungen mitgeteilt werden. Die in dem Mustertext enthaltenen Erläuterungen sind äußerst knapp und dürften juristischen Laien kaum zu einem hinreichenden Verständnis der Rechtslage verhelfen. Da den Listenführungsverpflichteten die Pflicht trifft, „alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen“, ist zu verlangen, dass die Erläuterungen so gegeben werden, dass die Adressaten diese auch tatsächlich verstehen können186. Damit erweist sich der Mustertext der BaFin als für den praktischen Regelfall nur begrenzt geeignet187. Die Aufklärung muss dazu führen, dass sich die eingetragenen Personen der Sanktionen bewusst sind, die 72 bei Insidergeschäften oder unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen drohen. Die BaFin empfiehlt in ihrem Mustertext, hierfür Auszüge aus §§ 119 und 120 WpHG sowie den § 125 WpHG in Gänze abzudrucken. Damit dürfte ein hinreichendes Bewusstsein für die drohenden Sanktionen zu schaffen sein.
3. Form der Aufklärung und schriftliches Anerkenntnis An die Form der Aufklärung betroffener Personen stellt Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 keine 73 besonderen Anforderungen. Der Pflicht, hinreichende Vorkehrungen zu treffen, kann im Regelfall aber nur mittels einer schriftlichen Aufklärung genügt werden, die der aufzuklärenden Person die Möglichkeit gibt, den Inhalt der Pflichten und Sanktionen in Ruhe zur Kenntnis zu nehmen. Es muss auch ein kompetenter 182 183 184 185
Dazu ausführlich Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 69. Zutreffend Simons, CCZ 2016, 221, 227. So auch BaFin, FAQ Insiderlisten, Stand: 5.6.2020, III.1.; zuvor bereits Simons, CCZ 2016, 221, 227. Abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formular/WA/fo_Art_18MAR_WA25_doc. doc?__blob=publicationFile&v=3. 186 A.A. Simons, CCZ 2016, 221, 227 (keine Rechtspflicht zu Erläuterungen). 187 So auch Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 102.
Hellgardt | 697
2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 73 | Insiderlisten Ansprechpartner für eventuelle Rückfragen genannt werden, sofern die Aufklärung nicht von Person zu Person erfolgt. Da keine besonderen Formerfordernisse bestehen, kann die Aufklärung selbstverständlich auch in Textform, etwa per automatisierter E-Mail erfolgen188. Eine Vorgabe hinsichtlich der Sprache der Aufklärung besteht nicht. Hinreichende Vorkehrungen sind nur dann getroffen, wenn die aufzuklärende Person die Informationen in einer Sprache erhält, derer sie selbst mächtig ist. Sofern ein Listenführungsverpflichteter Arbeitnehmer im Ausland in die Insiderliste aufnimmt, muss er diesen die einschlägigen Informationen grundsätzlich in Landessprache zur Verfügung stellen189. Bei ausländischen Dienstleistern wird das Problem dadurch entschärft, dass diese selbst zur Aufklärung ihrer Arbeitnehmer verpflichtet sind (s. Rz. 70), so dass es ihnen keine größeren Schwierigkeiten bereiten sollte, dies in Landessprache zu tun. 74 Die auf der Insiderliste erfassten Personen haben – anders als nach früherer Rechtslage – die ihnen erwach-
senden Pflichten schriftlich anzuerkennen (Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014). Die Formulierung „anerkennen“ (englisch: „acknowledges“) ist dabei nicht sehr glücklich gewählt. Denn die Geltung der Rechtsvorschriften hängt selbstverständlich nicht von einem „Anerkenntnis“ der davon betroffenen Personen ab. Die Norm zeigt daher einen pädagogischen Impetus, den Rechtsunterworfenen eine Art „innere Zustimmung“ zum Recht abzuverlangen. Eine solche kann allerdings weder rechtlich verlangt noch durchgesetzt werden. Die Pflicht zum Anerkenntnis ist daher allein als Pflicht zur „Kenntnisnahme“, im Sinne eines inhaltlichen Nachvollzugs, zu verstehen. Eine solche Kenntnisnahme minimiert das Risiko unbeabsichtigter Verstöße aufgrund von Rechtsirrtümern und verfolgt daher einen legitimen Zweck. Insoweit sind Arbeitnehmer bei Geltung des deutschen Arbeitsrechts aufgrund ihrer Treuepflicht zur Anerkennung verpflichtet. Im Falle des Verstoßes greifen die üblichen arbeitsrechtlichen Mechanismen190. Da die Aufklärung erst nach Eintragung in die Insiderliste zu erfolgen hat (s. sogleich Rz. 75), kann das Anerkenntnis nicht zur Bedingung des Zugangs zur Insiderinformation gemacht werden. Weigert sich ein Insider aber hartnäckig, die Anerkennungserklärung abzugeben, muss er im Extremfall von dem betreffenden Projekt abgezogen und sein weiterer Zugang zu der Insiderinformation beendet werden. Das Erfordernis, dass das Anerkenntnis schriftlich zu erfolgen habe, ist nicht i.S.v. § 126 BGB zu verstehen, sondern als Norm des Unionsrechts autonom auszulegen. Das soll durch den geplanten Listing Act (vgl. Rz. 3a) ausdrücklich klargestellt werden, der von einem „durable medium“ spricht. Es reicht daher auch jetzt schon ein Anerkenntnis in Textform, sofern sichergestellt ist, dass die Kenntnisnahme auch im Nachgang noch festgestellt werden kann191. Empfehlenswert ist es daher, die Belehrung sowie das Anerkenntnis identisch auszugestalten, um unnötige Komplikationen zu vermeiden und eine einheitliche Dokumentation zu gewährleisten. Das Erfordernis des schriftlichen Anerkenntnisses bezieht sich dem eindeutigen Wortlaut nach nur auf die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften erwachsenden Pflichten, nicht hingegen auf die drohenden Sanktionen. Letzterer muss sich der Aufzuklärende lediglich bewusst sein. Es ist daher nicht erforderlich, den Aufzuklärenden auch die Kenntnis der Sanktionsnormen schriftlich bestätigen zu lassen192, sofern nur sichergestellt ist, dass er davon Kenntnis erlangt hat. Das Muster der BaFin, das eine einheitliche Unterschrift unter sämtliche Rechtsnormen verlangt, geht daher über das rechtlich verpflichtende Maß hinaus.
4. Zeitpunkt und Wiederholung der Aufklärung 75 Die Belehrung des Insiders über die Pflichten und Sanktionen nach Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/
2014 hat bei erstmaliger Aufnahme in die Insiderliste zu erfolgen, unabhängig davon, ob der Insider als normaler Insider oder als permanenter Insider i.S.d. Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210 zu qualifizieren ist. Eine Frist für die Aufklärung ist nicht vorgesehen. Diese kann aber nur dann ihren Zweck erreichen, wenn die Aufklärung zeitnah nach Aufnahme in die Insiderliste erfolgt193. Da die Aufklärung ohne weiteres standardisiert werden kann, ist bei einer geplanten Aufnahme die Aufklärung sofort vorzunehmen. Dies gilt auch, wenn im konkreten Fall kaum Raum für Rechtsverstöße bleibt, weil die Insiderinformation kurz da188 So der Vorschlag von Simons, CCZ 2016, 221, 227. Dem folgend Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 287 mit Fn. 713, der die hier vertretene Auffassung falsch interpretiert. 189 Die Gegenauffassung von Simons, CCZ 2017, 182, 186 verkennt, dass den Listenführungsverpflichteten durch die Formulierung „Vorkehrungen treffen“ eine umfassende Organisationspflicht trifft, die sich nicht in einzelne formale Schritte, wie das Verfassen eines Merkblatts, auflösen lässt. 190 Simons, CCZ 2016, 221, 228. 191 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.7 (S. 92); Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 45; Simons, CCZ 2016, 221, 227 f. Für eine entsprechende Klarstellung im Wortlaut von Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 auch ESMA, MAR Review report, ESMA70-156-2391, 23.9.2020, Rz. 405. 192 So aber Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 82; Simons, CCZ 2016, 221, 227. 193 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 83; Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 105.
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Insiderlisten | Rz. 79 Art. 18 VO Nr. 596/2014
nach veröffentlicht wird194. Sofern Insider in einen neuen Abschnitt der Insiderliste eingetragen werden oder nach einer Austragung erneut in die Insiderliste eingetragen werden, ist grundsätzlich keine erneute Aufklärung durch den Listenführungsverpflichteten erforderlich195. Etwas anderes gilt aber immer dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich die Person ihrer Pflichten nicht umfassend bewusst sein könnte. Auch bei einer inhaltlichen Änderung (nicht lediglich Neunummerierung) der einschlägigen Rechtsvorschriften ist – bei einer neuen Aufnahme in die Insiderliste – eine erneute Belehrung erforderlich196.
VII. Aufbewahrung (Art. 18 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) 1. Art der Aufbewahrung Art. 18 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 statuiert eine Pflicht zur Aufbewahrung der Insiderliste, trifft selbst aber 76 keine Regelung dazu, in welcher Form die Insiderliste aufzubewahren ist. Durch die Änderungsverordnung 2019 (vgl. Rz. 3a) wurde klargestellt, dass jeder Listenführungspflichtige seine Insiderliste aufzubewahren hat. Art. 1 Abs. 3 DurchfVO 2022/1210 bestimmt jedoch, dass die Listenführungsverpflichteten die Insiderliste in einem elektronischen Format zu führen haben (dazu ausführlich Rz. 35). Anforderungen an die Art der Aufbewahrung lassen sich aus Art. 1 Abs. 3 lit. c DurchfVO 2022/1210 ableiten. Demnach muss der Zugang zu früheren Fassungen der Insiderliste „jederzeit“ gewährleistet sein. Damit ist nicht nur angesprochen, dass der Zugriff auf die Daten schnell möglich sein muss. Vielmehr wird damit auch ein Höchstmaß an Datensicherheit verlangt (dazu bereits Rz. 35).
2. Aufbewahrungsfrist Die Daten sind nach ihrer Erstellung oder Aktualisierung mindestens fünf Jahre aufzubewahren, Art. 18 77 Abs. 5 VO Nr. 596/2014. Dabei bezieht sich die Aufbewahrungsfrist nicht auf die Liste an sich, sondern auf den jeweiligen Abschnitt und beginnt mit der letzten Aktualisierung. Insofern weicht die Marktmissbrauchsverordnung von der früher geltenden nationalen Regelung des § 16 Abs. 2 WpAIV a.F. ab, der infolge einer überschießenden Umsetzung der Vorgaben der Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie eine Aufbewahrungspflicht von sechs Jahren vorsah. Die Formulierung „mindestens“ fünf Jahre ist nicht als Ermächtigung an die Mitgliedstaaten gedacht, eventuell im nationalen Recht eine längere Aufbewahrungsfrist vorzusehen. Die Formulierung soll allein klarstellen, dass aus dem Marktmissbrauchsrecht selbst keine Pflicht zur Löschung der Insiderliste folgt (s. gleich Rz. 79). Ein Delisting des Listenführungsverpflichteten berührt die Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren ebenso we- 78 nig wie die Beendigung des Mandatsverhältnisses eines Dienstleisters, weil es sich um eine Pflicht handelt, die der zuständigen Behörde auch retrospektiv noch die Verfolgung von Insidertaten ermöglichen soll197.
3. Vertraulichkeit und Pflicht zur Löschung Da die Insiderliste personenbezogene Daten enthält und Insiderinformationen enthalten kann, ist sie so auf- 79 zubewahren, dass nur die im Unternehmen für die Führung der Insiderliste verantwortlichen Personen (z.B. Vorstand), die mit der Führung der Insiderliste konkret beauftragten Personen (z.B. Compliance-Mitarbeiter) oder die aufgrund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Personen (z.B. Wirtschaftsprüfer), die zwingend auf diese Informationen angewiesen sind, Zugang haben, Art. 1 Abs. 3 lit. a DurchfVO 2022/1210 (dazu ausführlich Rz. 35). Sowohl die aktuelle Insiderliste als auch frühere Versionen sind streng vertraulich zu behandeln. Grund für die angeordnete Geheimhaltung sind das Weitergabeverbot von Insiderinformationen und der Datenschutz198. Koch schlägt vor, dass besonders sensible Eintragungen in die Insiderliste verschlüsselt vorgenommen werden dürfen199. Dieser Standpunkt überzeugt nicht, denn die gesamte Insiderliste besteht aus sensiblen Eintragungen und ist daher insgesamt geheim zu halten. Aus der Vertraulichkeit der Insiderliste folgt weiterhin, dass ein Auskunftsanspruch der Aktionäre 194 195 196 197 198
Weniger streng Simons, CCZ 2016, 221, 228. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.7 (S. 92). Zutreffend Simons, CCZ 2016, 221, 227; ähnlich Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 46. Wieneke/Schulz, AG 2016, 809, 818. So bereits zu § 15b WpHG a.F.: Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 56; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 933. 199 Koch, DB 2005, 267, 270; Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 41.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 79 | Insiderlisten nach § 131 AktG ausgeschlossen ist200. Die in der Insiderliste eingetragenen Personen können dagegen nach Art. 15 VO 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung) Auskunft über den sie betreffenden Eintrag verlangen201. Wie mit den Insiderlisten nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht zu verfahren ist, wird weder durch Art. 18 VO Nr. 596/2014 noch durch die DurchfVO 2022/1210 näher geregelt. Allerdings folgt aus der Formulierung des Art. 18 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 eindeutig, dass eine längere Aufbewahrung als fünf Jahre nicht ausgeschlossen sein soll. Daher ergibt sich aus dem Marktmissbrauchsrecht selbst keine Löschungspflicht. Eine solche folgt aber im Regelfall aus Art. 17 Abs. 1 lit. a VO 2016/679. Demnach sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind. Sofern der Listenführungsverpflichtete keine Kenntnis davon hat, dass Ermittlungen laufen oder unmittelbar bevorstehen, für die die betreffenden Daten erforderlich sein könnten, sind Insiderlisten also aus Datenschutzgründen nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu löschen202.
VIII. Erleichterungen für KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten (Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) 80 Eine Erleichterung sieht Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 für Emittenten vor, deren Finanzinstrumente zum
Handel an KMU-Wachstumsmärkten zugelassen sind. Solche Emittenten müssen grds. keine anlassbezogenen Listenabschnitte führen, sondern können allein eine Liste „laufender Insider“ erstellen. Der Begriff des KMU-Wachstumsmarkts wird in Art. 3 Abs. 1 Nr. 11 VO Nr. 596/2014 näher definiert (näher dazu Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 20). In Deutschland ist dies etwa das Marktsegment „Scale“ der Deutschen Börse.
81 Die ursprüngliche Fassung von Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 hatte KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten
unter bestimmten Voraussetzungen gänzlich von der Pflicht zur Führung von Insiderlisten befreit. Die damit bezweckten Erleichterungen wurden aber verfehlt, weil die KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten verpflichtet waren, der zuständigen Behörde auf Anfrage eine Insiderliste bereitzustellen, so dass de facto eine Pflicht zur Führung einer „Schattenliste“ bestand203. Durch die Änderungsverordnung 2019 „zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten“ (s. Rz. 3a) wurden die Regelungen vollständig überarbeitet und durch ein alternatives Modell ersetzt, das auf einen verkürzten Inhalt der Insiderliste aufbaut. Der geplante Listing Act (vgl. Rz. 3a) möchte die reduzierten Anforderungen für KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten in Zukunft zum Regelfall erheben, so dass dann sämtliche Emittenten nur noch eine Liste der laufenden Insider erstellen müssten. In der Konsequenz soll Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 ersatzlos gestrichen werden, weil dessen Anforderungen ohnehin für sämtliche Emittenten gelten werden. Als Gegengewicht sollen die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, von ihren Emittenten weiterhin die Erstellung einer „vollständigen Insiderliste“ („full insider list“) zu verlangen, sofern die Emittenten seit mindestens 5 Jahren zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind.
1. Voraussetzungen der Erleichterung 82 Die Erleichterungen gelten für Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachs-
tumsmarkt zugelassen sind. Obwohl auch der neue der Wortlaut von Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/ 2014 dies offenlässt, ist diese Voraussetzung so zu verstehen, dass die Finanzinstrumente ausschließlich an einem KMU-Wachstumsmarkt zum Handel zugelassen sein dürfen. Es ist daher unschädlich, wenn die Finanzinstrumente ohne Antrag des Emittenten noch in den Handel anderer MTFs einbezogen sind; es darf aber nicht die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt oder zu einem MTF, das nicht die Voraussetzungen eines KMU-Wachstumsmarkt erfüllt, erfolgt sein.
83 Anders als in der Ursprungsfassung von Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 ist eine besondere Aufklärung der
Personen mit Zugang zu Insiderinformationen204 nicht mehr erforderlich. Es stellt sich aber die Frage, ob Emittenten, die von der Erleichterung des Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 Gebrauch machen, dann gar keinen Aufklärungspflichten unterliegen. Auch bezüglich der anderen in Art. 18 VO Nr. 596/2014 geregelten Pflichten stellt sich die Frage, ob diese auf KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten anwendbar sind, denn Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 statuiert eine eigene Übermittlungspflicht, die identisch zu Art. 18 Abs. 1 lit. c VO 200 Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 57; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 933. 201 Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 58; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 933; Simons, CCZ 2016, 221, 228; i.E. auch Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 90. 202 Ebenso Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 68. 203 S. Erwägungsgrund 10 zur VO Nr. 2019/2115. Ausführlich dazu 7. Aufl., Rz. 84 ff. 204 Dazu 7. Aufl., Rz. 82.
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Insiderlisten | Rz. 86 Art. 18 VO Nr. 596/2014
Nr. 596/2014 ausgestaltet ist205 und deshalb bei dessen Geltung eigentlich obsolet wäre. Das würde bedeuten, dass auf KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten nur die Regelungen von Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 Anwendung fänden, der Rest der Vorschrift aber nicht. Dies ist indes nicht der Fall. Die Neuregelung sieht vor, dass die Insiderliste auf bestimmte Personen beschränkt werden darf. Die angestrebte Verwaltungserleichterung bezieht sich nur auf das Führen der Liste als solches206. Bei der Wiederholung der Übermittlungspflicht handelt es sich daher um ein Versehen des Unionsrechtsgebers. Die anderen Pflichten (Aktualisierung, Aufklärung, Aufbewahrung) gelten in gleicher Weise für die KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten. Die Aufklärungspflicht nach Art. 18 Abs. 2 VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 70 ff.) besteht für KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten aber natürlich nur gegenüber denjenigen Personen, die in die Insiderliste aufzunehmen sind (dazu Rz. 85 f.).
Nach Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 „dürfen“ („shall be entitled“ bzw. „ont le droit“) KMU- 84 Wachstumsmarkt-Emittenten den Inhalt der Insiderliste beschränken. Das klingt auf den ersten Blick nach einem Optionsrecht. Damit ist aber nicht gemeint, dass die entsprechenden Emittenten dieses Recht aktiv ausüben müssten, etwa durch Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Vielmehr gilt die Erleichterung ex lege. Die Formulierung „dürfen“ legt aber nahe, dass sich ein KMU-Wachstumsmarkt-Emittent freiwillig dafür entscheiden kann, eine Insiderliste gem. Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu führen. Eine solche Entscheidung ist zunächst einmal bindend. Sollen anschließend doch wieder die Erleichterungen von Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 in Anspruch genommen werden, wird man dafür eine ausdrückliche Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde verlangen müssen.
2. Rechtsfolge: Liste „laufender Insider“ KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten dürfen ihre Insiderliste gem. Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 85 auf Personen beschränken, die aufgrund der Art ihrer Funktion oder Position beim Emittenten stets auf Insiderinformationen zugreifen können. Fraglich ist, wie sich dieser Personenkreis zur Gruppe der sog. „permanenten Insider“ (zu diesen Rz. 52) verhält. Die BaFin geht in einer Fußnote im Emittentenleitfaden davon aus, dass beide Gruppen identisch seien207. Tatsächlich unterscheidet sich der Tatbestand des Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aber – auch in den englischen und französischen Fassungen – erheblich vom Tatbestand des permanenten Insiders in Art. 1 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210. Während permanente Insider „jederzeit Zugang zu allen Insiderinformationen“ haben, verlangt Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nur, dass die Person „aufgrund der Art ihrer Funktion oder Position beim Emittenten stets auf Insiderinformationen zugreifen“ kann. Dies spricht dafür, dass der Tatbestand weiter ist als der des permanenten Insiders. Dafür spricht auch Erwägungsgrund 10 VO 2019/2115, der neben Geschäftsführern und Mitgliedern der Leitungsorgane auch „interne Berater“ („in-house counsel“) aufführt208. Der Tatbestand ähnelt daher eher dem aus dem früheren Recht bekannten „Funktionsinsider“, als welche etwa Mitarbeiter der Finanzabteilung für alle auf den Finanzinformationen beruhenden Insiderinformationen eingestuft werden konnten209. Die EU-Kommission spricht in ihrem Vorschlag für die Änderungsverordnung 2019 von einer Liste der „laufenden Insider“210.
Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 enthält keine Angaben zum Format einer solchen Liste der laufenden In- 86 sider. Die entsprechenden Regeln finden sich in Art. 2 Abs. 1 DurchfVO 2022/1210 sowie dem Muster in Anhang II. Das dortige Formular ist mit Muster 1 von Anhang I (abgedruckt zu Beginn der Kommentierung) weitreichend identisch mit dem einzigen Unterschied, dass die dortigen Spalten 9 und 10 in einer einzigen Spalte 9 zusammengefasst sind, in der die nationale Identifikationsnummer oder ansonsten das Geburtsdatum anzugeben ist. Da Deutschland keine solche Identifikationsnummer vergibt (s. Rz. 57), ist dort bei deutschen Staatsangehörigen stets das Geburtsdatum anzugeben. Abweichend von Anhang I Muster 2 205 In der deutschen Fassung von Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 heißt es „so bald wie möglich“, in Abs. 1 lit. c dagegen „unverzüglich“. Dies ist allerdings ein Übersetzungsfehler, wie die englischen und französischen Fassungen zeigen, in denen die Formulierungen jeweils wortgleich sind. 206 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten vom 24.5.2018, COM(2018) 331 fin., S. 18. 207 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, V.2.4 mit Fn. 126 (S. 88). Dem folgend Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 18. 208 In diese Richtung wohl auch ESMA Final Report On the amendments to the Market Abuse Regulation for the promotion of the use of SME Growth Markets, 27.10.2020, ESMA70-156-3581, Rz. 101. 209 Ausführlich Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 31 f. 210 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten vom 24.5.2018, COM(2018) 331 fin., S. 18 (in der englischen Fassung heißt es allerdings „permanent insiders“).
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 86 | Insiderlisten für die permanenten Insider (s. Rz. 63) sieht das Formular nach Anhang II eine Spalte vor, in der der Zeitpunkt der „Beendigung des steten Zugangs zu Insiderinformationen“ anzugeben ist. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Mitarbeiter die Finanzabteilung verlässt und anderweitig im Unternehmen eingesetzt wird.
3. Optionsrecht für die Mitgliedstaaten: Umfassendere Insiderliste 87 Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 gibt einzelnen Mitgliedstaaten das Recht, in Abweichung von
Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ihre KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten der Pflicht zur Aufnahme aller in Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 genannten Personen in ihre Insiderliste zu unterwerfen. Soweit ersichtlich wird Deutschland von dieser Option keinen Gebrauch machen. Übt ein Mitgliedstaat die Option aus, sind nicht nur „einfache Insider“ (zu diesen Rz. 40 ff.), sondern auch Dienstleister in die Insiderliste aufzunehmen (vgl. Rz. 88). Nach dem Wortlaut sind allerdings „spezifische Bedenken hinsichtlich der Integrität des nationalen Marktes“ erforderlich, damit ein Mitgliedstaat das Optionsrecht ausüben darf. Nach Erwägungsgrund 10 VO 2019/2115 geht die Regelung aber auf Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedstaaten zurück, wie wichtig Insiderlisten zur Gewährleistung der Marktintegrität sind. Dies legt nahe, keine zu hohen Anforderungen an die Ausübung des Optionsrechts zu stellen. Insbesondere sollte es auch möglich sein, das Optionsrecht auf einzelne KMU-Wachstumsmärkte in einem Mitgliedstaat zu beschränken, wenn die dort gelisteten Emittenten Anlass zu Zweifeln an der Erfüllung ihrer kapitalmarktrechtlichen Pflichten gegeben haben. Übt ein Mitgliedstaat das Optionsrecht aus, sind die betroffenen Emittenten dazu verpflichtet „umfassendere Insiderlisten“ (so Erwägungsgrund 10 VO 2019/2115) zu führen, deren Führung aber mit geringerem Verwaltungsaufwand verbunden sein soll, als die Führung regulärer Insiderlisten. Den Inhalt dieser Listen regelt Art. 2 Abs. 2 DurchfVO 2022/1210 sowie zwei Muster in Anhang III. Diese Listen bestehen nur aus sieben Spalten und haben damit einen sehr viel geringeren Umfang als die regulären Listen Anhang I nach aber auch die Liste „laufender Insider“ nach Anhang II. Im Vergleich zu diesen Listen sind keine Angaben zum Geburtsnamen sowie zu privaten Telefonnummern und Privatanschriften erforderlich. Da es sich gegenüber der Liste „laufender Insider“ nach Anhang II um eine Verschärfung der Regulierungsanforderungen handeln soll, ist diese Einschränkung sachwidrig. Nach dem geplanten Listing Act (vgl. Rz. 3a), der die reduzierten Anforderungen für KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten in Zukunft zum Regelfall erheben möchte, soll das Optionsrecht zugunsten einer Liste „laufender Insider“ erhalten bleiben und auf sämtliche Emittenten ausgedehnt werden. Voraussetzung soll dann allerdings sein, dass die Emittenten seit mindestens 5 Jahren zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, so dass Börsenneulinge zwingend unter das erleichterte Regime fallen.
4. Auswirkungen auf Dienstleister 88 Der Anwendungsbereich von Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 ist nach dem Wortlaut allein auf die Emitten-
ten beschränkt, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind. Soweit diese Emittenten Dienstleister beschäftigen, die gem. Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 selbst zur Erstellung einer Insiderliste verpflichtet sind, erstreckt sich die Erleichterung nicht auf die Dienstleister211. Sie haben deshalb reguläre Insiderlisten zu führen, auch wenn sie einen Emittenten beraten, der gem. Art. 18 Abs. 6 VO Nr. 596/2014 nur eine Liste der „laufenden Insider“ führt. Diese Vorschrift strebt lediglich eine Entlastung kleinerer Emittenten, nicht aber von Beratern und sonstigen Dienstleistern an. Deshalb müssen die KMU-Wachstumsmarkt-Emittenten die von ihnen beschäftigten Dienstleister auch nicht in ihre eigene Insiderliste nach Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aufnehmen, wie sich im Umkehrschluss aus Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 ableiten lässt. Dafür spricht auch, dass die Liste nach Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 gar keine anlassbezogenen Abschnitte enthält.
IX. Verordnungsermächtigungen (Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 6, Abs. 9 VO Nr. 596/2014 und § 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 WpHG) 89 Art. 18 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 bestimmt, dass die ESMA technische Durchführungsstandards zu entwerfen
hat, die das genaue Format der Insiderlisten und das Format für ihre Aktualisierung festlegen sollen, um
211 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten vom 24.5.2018, COM(2018) 331 fin., S. 18. Daher fehlt es an der Grundlage für die von Göttler in Meyer/Veil/Rönnau, Handbuch zum Marktmissbrauchsrecht, § 11 Rz. 13 befürwortete teleologische Extension der Ausnahme auf Dienstleister.
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Insiderlisten | Rz. 91 Art. 18 VO Nr. 596/2014
unionsweit einheitliche Bedingungen für die Anwendung des Art. 18 VO Nr. 596/2014 zu schaffen. Dieser Pflicht ist die ESMA nachgekommen, indem sie am 28.9.2015 Entwürfe der Durchführungsbestimmungen für alle Bereiche der VO Nr. 596/2014 vorgelegt hat212. Auf Grundlage dieser Empfehlungen hat die Kommission am 10.3.2016 die DurchfVO 2016/347 erlassen, die gleichzeitig mit der VO Nr. 596/2014 ab dem 3.7.2016 Gültigkeit beanspruchte, aber zum 3.8.2022 durch die DurchfVO 2022/1210 ersetzt wurde. Teilweise wird die Auffassung vertreten, die nach der DurchfVO 2022/1210 vorgeschriebenen Detailinformationen (wie Telefonnummern, Privatadressen und nationale Identifikationsnummern) seien nicht mehr von Art. 18 Abs. 9 VO Nr. 596/2014 gedeckt, weil danach nur das „genaue ‚Format‘„ der Insiderliste, nicht aber deren Inhalt, geregelt werden dürfe213. Dem ist nicht zu folgen. Art. 18 Abs. 3 lit. a VO Nr. 596/2014, wonach Angaben zur „Identität aller Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben“ in die Insiderliste aufzunehmen sind, ist mit Blick auf das Regelungsziel der Insiderhandelsprävention (s. Rz. 7) auszulegen. Daher genügt es nicht, den Namen und das Geburtsdatum zu erfassen; vielmehr handelt es sich bei der Insiderliste um ein ausgelagertes Ermittlungswerkzeug. Deshalb dürften dort alle diejenigen Informationen erfasst werden, die die Aufsichts- und Ermittlungsbehörden benötigen, um mögliche Insiderhandelsfälle den auf der Liste erfassten Personen zurechnen zu können. Da Insiderhandel häufig unter Verwendung von Scheinfirmen etc. getätigt wird, benötigen die Behörden Anhaltspunkte, um das tatsächliche Handeln einzelnen natürlichen Personen zurechnen zu können. Dafür sind Adressen und Daten über Telekommunikationsanschlüsse erforderlich. Aufgrund der Änderungsverordnung 2019 (s. Rz. 3a) wurde in Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 6 VO Nr. 594/2014 89a eine weitere Ermächtigung der Kommission zum Erlass technischer Durchführungsstandards eingefügt. Konkret geht es um Regelungen zum genauen Format der „umfassenderen Insiderliste“ gem. Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 (dazu Rz. 87). Gemäß Art. 18 Abs. 6 Unterabs. 4 VO Nr. 596/2014 wurde die ESMA mit der Erarbeitung von Entwürfen beauftragt, die nach Unterabs. 5 bis zum 1.9.2020 hätten vorgelegt werden sollen. Die ESMA hat entsprechende Entwürfe im Oktober 2020 vorgelegt214. Auf Grundlage dieses Entwurfs hat die Kommission am 13.7.2022 die DurchfVO 2022/1210 erlassen (s. Rz. 3). Der deutsche Gesetzgeber hat in § 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 WpHG das Bundesministerium der Finanzen er- 90 mächtigt, per Rechtsverordnung „die Art und Weise der Übermittlung einer Insiderliste“ zu regeln. Gem. Art. 1 Abs. 4 DurchfVO 2022/1210 ist es eigentlich Aufgabe der zuständigen Behörde (dies ist gem. Art. 22 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 WpHG die BaFin), die zulässigen elektronischen Hilfsmittel für die Übermittelung der Insiderliste auf ihrer Website bekanntzugeben. Das Bundesfinanzministerium hat von der Ermächtigung des § 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 WpHG bislang noch keinen Gebrauch gemacht, so dass sich die Frage nach der Unionsrechtswidrigkeit einer solchen Verordnung (noch) nicht stellt. Sollte das Bundesfinanzministerium die Verordnungskompetenz gem. § 26 Abs. 4 Satz 2 WpHG auf die BaFin weiterübertragen, wäre eine solche von der BaFin selbst erlassene Verordnung in jedem Fall unionsrechtskonform. Aber auch für den Fall, dass das Bundesfinanzministerium selbst eine Verordnung erlassen sollte, dürfte noch kein Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 DurchfVO 2022/1210 anzunehmen sein. Regelungsziel dieser Norm ist die Einheitlichkeit der Vorgaben für die Normadressaten sicherzustellen. Rechtssetzungskompetenzen im mitgliedstaatlichen Bereich sollen dadurch nicht übertragen werden.
X. Zuständige Behörde Da die Verordnung unmittelbar in der gesamten EU Anwendung findet, sind die Pflichten für sämtliche 91 Emittenten, die in den Anwendungsbereich von Art. 18 VO Nr. 596/2014 fallen, gleich. Damit ist aber noch nicht gesagt, welche Aufsichtsbehörde für die Überwachung zuständig ist. Dies richtet sich nicht nach der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des Art. 22 Satz 1 und Satz 3 VO Nr. 596/2014. Dort sind lediglich die Kompetenzen zur Verfolgung von Insiderhandel und Marktmanipulation geregelt, was durch die Bezugnahme auf den Ort der (Tat-)Handlung deutlich wird. Die Zuständigkeit zur Überwachung von Publizitäts- und Listenführungspflichten ist damit nicht gemeint215, denn es wäre arbiträr, danach zu differenzieren, an welchem Ort etwa fehlerhafte Eintragungen in eine Insiderliste vorgenommen werden. Auch die RL 2003/6/EG 212 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455. 213 Semrau in Klöhn, Art. 18 MAR Rz. 53. 214 ESMA Final Report On the amendments to the Market Abuse Regulation for the promotion of the use of SME Growth Markets, 27.10.2020, ESMA70-156-3581. 215 A.A. Brellochs in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rz. 285; Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 1 mit Fn. 3; wie hier Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 96.
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 91 | Insiderlisten (Marktmissbrauchsrichtlinie) knüpfte in Art. 10 ebenfalls an den Tatort an. Trotzdem galt gem. § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. im Einklang mit Art. 21 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. i und lit. j RL 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie) die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nur für Inlandsemittenten. Diese Begrenzung besteht auf Ebene der Zuständigkeitsverteilung fort. Die Zuständigkeit für die Überwachung von Art. 18 VO Nr. 596/2014 richtet sich daher, wie bei den unionsrechtlich begründeten Veröffentlichungspflichten (z.B. Ad-hoc-Mitteilungen gem. Art. 17 VO Nr. 596/2014), nach den vorrangigen Spezialregelungen in Art. 21 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. i und lit. j RL 2004/109/EG, die in Deutschland durch § 2 Abs. 13 und 14 WpHG umgesetzt wurden. 92 Damit ist die BaFin zuständige Behörde i.S.v. Art. 18 VO Nr. 596/2018 für alle Inlandsemittenten i.S.v. § 2
Abs. 14 WpHG. Wegen des Sachzusammenhangs erstreckt sich diese Zuständigkeit auch auf die durch Inlandsemittenten beauftragten Dienstleister (s. Rz. 17 ff.), unabhängig davon, wo diese Dienstleister ihren Sitz haben. Dies gilt auch für Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und ihre Dienstleister.
XI. Rechte des Betriebsrats 93 Fraglich ist, ob dem Betriebsrat hinsichtlich der Frage des „Ob“ der Errichtung einer Insiderliste ein Mit-
bestimmungsrecht zusteht. Einschlägig erscheint der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, doch stellt die Insiderliste keine technische Einrichtung dar, denn es findet keine vom menschlichen Erfassungsvermögen unabhängige technische, d.h. automatisierte Aufzeichnung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer statt216. Technische Einrichtungen werden nur erfasst, wenn sie unmittelbar – ohne Hinzutreten weiterer Mittel – die Überwachungsergebnisse produzieren217. Insiderlisten werden nicht automatisch erstellt, sondern beruhen auf den Angaben, die der die Insiderliste führende Mitarbeiter erhebt. Die herrschende Meinung sieht den Tatbestand aber auch dann als einschlägig an, wenn die Daten zwar nicht automatisch erhoben, wohl aber ausgewertet werden, was bei elektronisch geführten Insiderlisten der Fall wäre218. Das Mitbestimmungsrecht scheitert jedenfalls daran, dass es nach dem Gesetz nur eingreift „soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht“219. Denn in diesem Fall hat der Unternehmer keinen Handlungsspielraum mehr. Sind die Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 erfüllt, ist die Errichtung der Insiderliste gesetzlich vorgeschrieben. Vorliegend wird ein mögliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats also durch diese zwingende gesetzliche Vorgabe verdrängt. Gleiches gilt hinsichtlich des „Wie“ der Führung der Insiderliste, da dies in der DurchfVO 2022/1210 abschließend festgelegt wird.
94 Von der Mitbestimmung zu trennen ist die Frage, ob der Listenführungsverpflichtete den Betriebsrat über
die Errichtung einer Insiderliste informieren muss. Dies wird zu Recht unter Hinweis auf das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit bejaht220. Das Informationsrecht greift nicht erst ein, wenn konkrete Aufgaben des Betriebsrats aktuell betroffen sind, sondern bereits, wenn sie potentiell betroffen sein können221. Zwar wurde festgestellt, dass ein Mitbestimmungsrecht ausscheidet. Dennoch muss der Betriebsrat zumindest die Einhaltung der Vorgaben der DSGVO 2016/679 zugunsten der Arbeitnehmer überprüfen können (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)222 und ist daher über die Errichtung der Insiderliste zu informieren.
95 Der Betriebsrat darf jedoch nur abstrakt und generell prüfen, dass Beschäftigte, die ihren Auskunfts-
anspruch nach Art. 15 VO 2016/679 (s. Rz. 79) geltend machen, eine Auskunft zu den über sie gespeicherten Daten erhalten. Das nach altem Recht anzunehmende Recht, die Datenfelder zu prüfen223, kann nach der VO Nr. 596/2014 nicht mehr bejaht werden. Denn die Muster 1 und 2 in Anhang I zur DurchfVO 2022/ 1210 schreiben die Datenfelder der Insiderliste abschließend vor, so dass dem einzelnen Listenführungsverpflichteten keinerlei Ermessensspielraum zum Aufbau der Insiderliste mehr verbleibt. Ein Überprüfungsrecht scheitert deshalb erneut darin, dass zwingende gesetzliche Vorschriften bestehen.
216 Maschmann in Richardi, 17. Aufl. 2022, § 87 BetrVG Rz. 496 f. 217 Maschmann in Richardi, 17. Aufl. 2022, § 87 BetrVG Rz. 515. 218 So auch BAG v. 13.12.2016 – 1 ABR 7/15, NZA 2017, 657, 660; s. außerdem Kania in ErfurtKomm. ArbR, 22. Aufl. 2022, § 87 BetrVG Rz. 50. 219 Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 8. 220 Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 8. 221 Kania in ErfurtKomm. ArbR, 22. Aufl. 2022, § 80 BetrVG Rz. 17 ff. 222 Kania in ErfurtKomm. ArbR, 22. Aufl. 2022, § 80 BetrVG Rz. 3. 223 Dazu Sethe in 6. Aufl., § 15b WpHG Rz. 68.
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Insiderlisten | Rz. 102 Art. 18 VO Nr. 596/2014
XII. Sanktionen 1. Bußgeld Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a, Abs. 2 lit. i, lit. j VO Nr. 596/2014 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten im Fall 96 von Verstößen gegen Art. 18 VO Abs. 1–6 Nr. 596/2014 Sanktionen zu verhängen haben und den zuständigen Behörden die Befugnis erteilen müssen, Bußgelder zu verhängen. Diesem Erfordernis ist der deutsche Gesetzgeber in § 120 WpHG nachgekommen. Verstöße gegen die Pflichten zur Führung, Aktualisierung, Übermittlung oder Aufbewahrung einer Insiderliste sowie zur Aufklärung der eingetragenen Person nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 (s. Rz. 28 ff., 64 ff., 68 f., 76 ff. sowie Rz. 70 ff.) stellen eine Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 15 Nr. 12, 13, 14, 15 bzw. 16 WpHG dar. Verantwortlich für diese Pflichten ist die Geschäftsführung des Listenführungsverpflichteten bzw. dieser selbst, sollte es sich (etwa bei einem Dienstleister) nicht um eine juristische Person handeln. Kommt der Listenführungsverpflichtete einem Verlangen der zuständigen Behörde nach Übermittlung der 97 Insiderliste nicht oder nicht rechtzeitig nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 120 Abs. 15 Nr. 14 WpHG dar. Ein Fall nicht rechtzeitiger Übermittlung wird vorliegen, wenn die von der zuständigen Behörde angeforderte Insiderliste erst nach Ablauf von zwei Werktagen eingeht (s. Rz. 68). Verantwortlich für die Pflicht zur Übermittlung der Insiderliste ist wiederum die Geschäftsführung bzw. der Dienstleister, sollte es sich nicht um eine juristische Person handeln. Nach § 120 Abs. 18 Satz 1 WpHG können Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Insiderlisten nach 98 § 120 Abs. 15 Nr. 12–16 WpHG eine Geldbuße von 500.000 Euro für Privatpersonen und nach § 120 Abs. 18 Satz 2 Nr. 3 WpHG von bis 1.000.000 Euro für juristische Personen oder Personenvereinigungen nach sich ziehen. Alternativ besteht die Möglichkeit einer Ahndung mit Geldbuße bis zur dreifachen Höhe des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils, wobei hiervon erzielte Gewinne und vermiedene Verluste erfasst werden und eine Schätzung vorgenommen werden kann (§ 120 Abs. 18 Sätze 3 und 4 WpHG). Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 120 WpHG.
2. Verwaltungsrechtliche Sanktionen Die zuständige Behörde kann nach Maßgabe von Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a, Abs. 2 VO Nr. 596/2014 99 auch auf weitere verwaltungsrechtliche Maßnahmen zurückgreifen. Hierzu zählen insb. die Unterlassungsverfügung und die öffentliche Verwarnung. Außerdem werden Verstöße gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Führung einer Insiderliste nach Maßgabe der Art. 34 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. § 125 WpHG nach Verhängung von Sanktionen auf der Website der BaFin veröffentlicht („naming and shaming“). Bezweckt wird hierdurch eine generalpräventive Wirkung224. Bei Verantwortlichkeit der juristischen Person sind die Namen der handelnden Organmitglieder und intern Verantwortlichen nicht zu nennen225. Es ist nicht erforderlich, dass die BaFin mit der Veröffentlichung darauf wartet, dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist; in diesem Falle ist lediglich auf die fehlende Bestands- oder Rechtskraft hinzuweisen, § 125 Abs. 4 WpHG.
3. Strafvorschriften Kommt der für die Führung der Insiderliste Verantwortliche seiner Pflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß 100 nach, um dadurch eine tateinheitlich begangene eigene Insiderstraftat zu verschleiern, tritt die begangene Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG zurück (Subsidiarität). Sie lebt jedoch wieder auf, wenn keine Strafe verhängt wird (§ 21 Abs. 2 OWiG). Dies gilt etwa für den Fall, dass das Strafverfahren nach §§ 153, 153a, 154a, § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Kommt der Verantwortliche seiner Pflicht zur (vollständigen) Führung der Insiderliste nicht nach, um die 101 anstehende Insiderstraftat eines anderen zu ermöglichen, kann er Mittäter des Insiderdelikts sein, wenn er selbst ebenfalls Insider ist und die übrigen Voraussetzungen der Mittäterschaft vorliegen. Verfügt er nicht über Insiderinformationen oder fehlen die Voraussetzungen der Mittäterschaft, kann ein Fall der Beihilfe zum Insiderhandel oder ein Fall der Begünstigung (§ 257 StGB) gegeben sein. Weigert sich der Verantwortliche, die Insiderliste an die zuständige Behörde zu übermitteln, um eine began- 102 gene Insiderstraftat zu verschleiern, kann eine (versuchte) Strafvereitelung (§ 259 StGB) vorliegen. 224 BaFinJournal Juli 2016, S. 23. 225 Haßler, DB 2016, 1920, 1923; Renz/Leibold, CCZ 2016, 157, 169; Poelzig, NZG 2016, 492, 500.
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Art. 18 VO Nr. 596/2014 Rz. 103 | Insiderlisten
4. Zivilrechtliche Sanktionen 103 Die Führung und Aktualisierung der Insiderliste obliegen dem Listenführungsverpflichteten allein kraft Auf-
sichtsrechts im Interesse des Marktschutzes. Individuelle Anleger sollen nicht geschützt werden. Die Art. 18 Abs. 1, 4 VO Nr. 596/2014 stellen deshalb keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar226. Im Übrigen sind Schadensersatzansprüche einzelner Anleger auch nur schwer vorstellbar. Deshalb ist auch ein an sich möglicher227 Anspruch aus § 826 BGB blanke Theorie.
104 Der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ist nicht verpflichtet, die von ihm einge-
schalteten Dienstleister über ihre Pflichten aus Art. 18 VO Nr. 596/2014 aufzuklären. Es ist Aufgabe des Rechtsunterworfenen, sich selbst um die aufsichtsrechtlichen Pflichten zu kümmern (s. Rz. 10). Kommt ein Dienstleister daher seinen Pflichten aus Art. 18 VO Nr. 596/2014 nicht nach, kann er gezahlte Bußgelder nicht vom Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (§ 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2 BGB) erstattet verlangen228.
105 Die Aufklärungspflicht des Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 besteht ebenfalls nur im Interesse
einer funktionierenden Aufsicht. Die Norm ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB229. Der einzelne Mitarbeiter des Emittenten oder Dienstleisters kann also nicht Schadensersatz von seinem Arbeitgeber mit dem Argument verlangen, wäre er zutreffend aufgeklärt worden, hätte er die Insiderstraftat nicht begangen. Die Aufklärung soll bewirken, dass den Mitarbeitern das Insiderhandelsverbot vor Augen geführt und so die Abschreckungswirkung des strafrechtlich sanktionierten Verbots aufgefrischt wird (s. Rz. 7). Grundsätzlich liegt es aber in der alleinigen Verantwortung des Mitarbeiters, sich über die Reichweite strafrechtlicher Verbote zu informieren. Wenn überhaupt, kann der Mitarbeiter im Strafverfahren geltend machen, er habe nicht vorsätzlich gehandelt, und unterstützend darauf hinweisen, dass er nie über die Strafbarkeit des Insiderhandels aufgeklärt wurde. Zivilrechtliche Ansprüche erwachsen aus der unterbliebenen Aufklärung jedoch nicht, zumal kein Anspruch darauf besteht, nicht strafrechtlich verfolgt zu werden230.
XIII. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz 106 Soweit die BaFin zuständige Behörde i.S.d. Art. 18 VO Nr. 596/2014 ist (s. dazu Rz. 92), unterfällt sie dem
Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Pläne für eine Bereichsausnahme zugunsten von Bundesbank und BaFin231 konnten sich zu Recht nicht durchsetzen und wären auch systemwidrig gewesen232, denn bereits das IFG selbst regelt das Spannungsverhältnis zwischen Informationsanspruch und Geheimnisschutz. Der Anspruch der Bürger nach §§ 1, 2 IFG richtet sich auf alle Informationen, die die Bundesbehörden im Rahmen ihrer behördlichen Aufgabenerfüllung erlangen233, wozu auch die von der BaFin im Wege von Art. 18 Abs. 1 lit. c VO Nr. 596/2014 erlangten Informationen über den Inhalt der Insiderliste gehören234. Allerdings sind die nach Art. 18 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erlangten Informationen nicht für eine Veröffentlichung bestimmt, sondern dienen ausschließlich den in Rz. 7 genannten Zwecken. Vorliegend greift daher zum Schutz der betroffenen Emittenten und Dienstleister die Geheimhaltungsvorschrift der § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 21 WpHG ein. Da die Insiderlisten auch dazu dienen, strafrechtliche Sachverhalte aufzuklären, wäre zudem auch die Ausnahme des § 3 Nr. 1 lit. g IFG einschlägig. Schließlich ist auf den durch § 5 IFG vermittelten Schutz Dritter hinzuweisen, soweit in den Insiderlisten personenbezogene Daten über sie enthalten sind235. Im Ergebnis kommt daher eine Auskunftspflicht der BaFin über die Inhalte der ihr vorliegenden Insiderlisten nicht in Betracht.
226 So auch Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15b WpHG Rz. 64; Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 104. 227 Pfüller in Fuchs, § 15b WpHG Rz. 105 m.w.N. 228 So auch Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 104. 229 Zust. Merkner/Sustmann in BeckOK Wertpapierhandelsrecht, Stand: 1.7.2021, Art. 18 VO (EU) 596/2014 Rz. 103. 230 Dem folgend v. Neumann-Cosel, S. 204 f. 231 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz), BR-Drucks. 827/08, 3. 232 Gurlit, WM 2009, 773, 774. 233 Zu Einzelheiten Möllers/Wenninger in KölnKomm. WpHG, § 8 WpHG Rz. 70 ff. Grundlegend zum Verhältnis des IFG zum WpHG auch Möllers/Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 ff. 234 Gurlit, WM 2009, 773, 776. 235 Zum Streit über das Verhältnis zwischen § 3 Nr. 4 IFG und §§ 5, 6 IFG Gurlit, WM 2009, 773, 777 m.w.N.
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2023-04-11, 13:43, GroKO klein
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Art. 19 VO Nr. 596/2014
Art. 19 VO Nr. 596/2014 Eigengeschäfte von Führungskräften (1) Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen melden dem Emittenten oder dem Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und der in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten zuständigen Behörde a) in Bezug auf Emittenten jedes Eigengeschäft mit Anteilen oder Schuldtiteln dieses Emittenten oder damit verbundenen Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten; b) in Bezug auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate jedes Eigengeschäft mit Emissionszertifikaten, darauf beruhenden Auktionsobjekten oder deren damit verbundenen Derivaten. Diese Meldungen sind unverzüglich und spätestens drei Geschäftstage nach dem Datum des Geschäfts vorzunehmen. Unterabsatz 1 gilt ab dem Zeitpunkt, an dem der sich aus den Geschäften ergebende Gesamtbetrag den in Absatz 8 beziehungsweise 9 genannten Schwellenwert innerhalb eines Kalenderjahrs erreicht hat. (1a) Die in Absatz 1 genannte Meldepflicht gilt nicht für Geschäfte mit Finanzinstrumenten in Verbindung mit in jenem Absatz genannten Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten, wenn zum Zeitpunkt des Geschäfts eine der folgenden Voraussetzung vorliegt: a) Das Finanzinstrument ist ein Anteil oder eine Aktie an einem Organismus für gemeinsame Anlagen, bei dem die Risikoposition gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten 20 % der von dem Organismus für gemeinsame Anlagen gehaltenen Vermögenswerte nicht übersteigt. b) Das Finanzinstrument stellt eine Risikoposition gegenüber einem Portfolio von Vermögenswerten dar, bei dem die Risikoposition gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten 20 % der Vermögenswerte des Portfolios nicht übersteigt; c) Das Finanzinstrument ist ein Anteil oder eine Aktie an einem Organismus für gemeinsame Anlagen oder stellt eine Risikoposition gegenüber einem Portfolio von Vermögenswerten dar, und die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person kennt und konnte die Anlagezusammensetzung oder die Risikoposition eines solchen Organismus für gemeinsame Anlagen bzw. eines solchen Portfolios von Vermögenswerten gegenüber den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten nicht kennen, und darüber hinaus besteht für diese Person kein Grund zu der Annahme, dass die Anteile oder Schuldtitel des Emittenten die in Buchstabe a oder Buchstabe b genannten Schwellenwerte überschreiten. Sind Informationen über die Anlagezusammensetzung des Organismus für gemeinsame Anlagen oder die Risikoposition gegenüber dem Portfolio von Vermögenswerten verfügbar, unternimmt die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person alle zumutbaren Anstrengungen, um diese Informationen zu erhalten. (2) Zum Zweck von Absatz 1 und unbeschadet des Rechts der Mitgliedstaaten, über die in diesem Artikel genannten hinausgehende Meldepflichten festzulegen, müssen alle Eigengeschäfte von in Absatz 1 genannten Personen zuständigen Behörden von diesen Personen gemeldet werden. 1Für diese Meldungen gelten für die in Absatz 1 genannten Personen die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate registriert ist. Die Meldungen sind innerhalb von drei Arbeitstagen nach dem Datum des Geschäfts bei der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats vorzunehmen. Ist der Emittent nicht in einem Mitgliedstaat registriert, erfolgt diese Meldung bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats im Einklang mit Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe i der Richtlinie 2004/109/EG, oder, wenn eine solche Behörde nicht besteht, der zuständigen Behörde des Handelsplatzes. (3) Der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate veröffentlicht nach Erhalt einer in Absatz 1 genannten Mitteilung die darin enthaltenen Informationen binnen zwei Geschäftstagen. Der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate greift auf Medien zurück, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Informationen tatsächlich an die Öffentlichkeit in der gesamten Union weiterleiten, und gegebenenfalls ist das in Artikel 21 der Richtlinie 2004/109/EG amtlich bestellte System zu nutzen. Das nationale Recht kann abweichend davon auch bestimmen, dass eine zuständige Behörde die Informationen selbst veröffentlichen kann. (4) Dieser Artikel gilt für Emittenten die a) für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt beantragt oder genehmigt haben, bzw. Hellgardt | 707
2023-04-11, 14:19, GroKO klein
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 | Eigengeschäfte von Führungskräften b) im Falle von Instrumenten, die nur auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelt werden, für Emittenten, die eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem beantragt haben. (5) Die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate setzen die Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, von ihren Verpflichtungen im Rahmen dieses Artikels schriftlich in Kenntnis. Die Emittenten und Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate erstellen eine Liste der Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie der Personen, die zu diesen in enger Beziehung stehen. Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, setzen die zu ihnen in enger Beziehung stehenden Personen schriftlich von deren Verpflichtungen im Rahmen dieses Artikels in Kenntnis und bewahren eine Kopie dieses Dokuments auf. (6) Die Meldung von Geschäften nach Absatz 1 muss folgende Angaben enthalten: a) Name der Person; b) Grund der Meldung; c) Bezeichnung des betreffenden Emittenten oder Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate; d) Beschreibung und Kennung des Finanzinstruments; e) Art des Geschäfts bzw. der Geschäfte (d.h. Erwerb oder Veräußerung), einschließlich der Angabe, ob ein Zusammenhang mit der Teilnahme an Belegschaftsaktienprogrammen oder mit den konkreten Beispielen gemäß Absatz 7 besteht; f) Datum und Ort des Geschäfts bzw. der Geschäfte und g) Kurs und Volumen des Geschäfts bzw. der Geschäfte. Bei einer Verpfändung, deren Konditionen eine Wertänderung bedingen, sollten dieser Umstand und der Wert zum Zeitpunkt der Verpfändung offengelegt werden. (7) Zu den für die Zwecke von Absatz 1 zu meldenden Geschäften gehören auch: a) das Verpfänden oder Verleihen von Finanzinstrumenten durch oder im Auftrag einer der in Absatz 1 genannten Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder einer mit dieser enge verbundenen Person; b) von Personen, die beruflich Geschäfte vermitteln oder ausführen, oder einer anderen Person im Auftrag einer der in Absatz 1 genannten Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen oder mit zu solchen Personen enger verbunden ist, unternommene Geschäfte, auch wenn dabei ein Ermessen ausgeübt wird; c) Geschäfte im Sinne der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, die im Rahmen einer Lebensversicherung getätigt werden, wenn i) der Versicherungsnehmer eine in Absatz 1 genannte Person ist, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine Person, die mit einer solchen Person eng verbunden ist, ii) der Versicherungsnehmer das Investitionsrisiko trägt und iii) der Versicherungsnehmer über die Befugnis oder das Ermessen verfügt, Investitionsentscheidungen in Bezug auf spezifische Instrumente im Rahmen dieser Lebensversicherung zu treffen oder Geschäfte in Bezug auf spezifische Instrumente für diese Lebensversicherung auszuführen. Für die Zwecke von Buchstabe a muss eine Verpfändung von Wertpapieren oder eine ähnliche Sicherung von Finanzinstrumenten im Zusammenhang mit der Hinterlegung der Finanzinstrumente in ein Depotkonto nicht gemeldet werden, sofern und solange eine derartige Verpfändung oder andere Sicherung nicht dazu dient, eine spezifische Kreditfazilität zu sichern. Für die Zwecke von Buchstabe b brauchen Geschäfte, die in Anteilen oder Schuldtiteln eines Emittenten bzw. Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten von Führungskräften eines Organismus für gemeinsame Anlagen ausgeführt wurden, bei denen die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person investiert hat, nicht gemeldet zu werden, wenn die Führungskraft des Organismus für gemeinsame Anlagen bei ihren Transaktionen über vollen Ermessensspielraum verfügt, was ausschließt, dass die Führungskraft von Anlegern in diesem Organismus für gemeinsame Anlagen irgendwelche direkten oder indirekten Anweisungen oder Empfehlungen bezüglich der Zusammensetzung des Portfolios erhält. Sofern der Versicherungsnehmer eines Versicherungsvertrags gemäß diesem Absatz verpflichtet ist, Geschäfte zu melden, obliegt dem Versicherungsunternehmen keine Verpflichtung, eine Meldung vorzunehmen. 708 | Hellgardt
2023-04-11, 14:20, GroKO klein
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Art. 19 VO Nr. 596/2014
(8) Absatz 1 gilt für Geschäfte, die getätigt werden, nachdem innerhalb eines Kalenderjahrs ein Gesamtvolumen von 5.000 EUR erreicht worden ist. Der Schwellenwert von 5.000 EUR errechnet sich aus der Addition aller in Absatz 1 genannten Geschäfte ohne Netting. (9) Eine zuständige Behörde kann beschließen, den in Absatz 8 genannten Schwellenwert auf 20.000 EUR anzuheben, und sie setzt die ESMA von ihrer Entscheidung, einen höheren Schwellenwert anzunehmen, und der Begründung für ihre Entscheidung unter besonderer Bezugnahme auf die Marktbedingungen in Kenntnis, bevor sie diesen Schwellenwert anwendet. Die ESMA veröffentlicht auf ihrer Website die Liste der Schwellenwerte, die gemäß diesem Artikel anwendbar sind, sowie die von den zuständigen Behörden vorgelegten Begründungen für diese Schwellenwerte. (10) Dieser Artikel gilt auch für Geschäfte von Personen, die, die bei Versteigerungsplattformen, Versteigerern und der Auktionsaufsicht, die an Auktionen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 beteiligt sind, Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie für Personen, die zu solchen Personen in enger Beziehung stehen, soweit ihre Geschäfte Emissionszertifikate, deren Derivative und darauf beruhende Auktionsprodukte umfassen. Diese Personen teilen ihre Geschäfte je nach Einschlägigkeit den Versteigerungsplattformen, den Versteigerern und der Auktionsaufsicht mit, sowie der zuständigen Behörde, bei welcher die Versteigerungsplattform, der Versteigerer und die Auktionsaufsicht gegebenenfalls registriert sind. Die entsprechend übermittelte Information wird von der Versteigerungsplattform, den Versteigerern, der Auktionsaufsicht oder der zuständigen Behörde gemäß Absatz 3 veröffentlicht. (11) Unbeschadet der Artikel 14 und 15 darf eine Person, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben wahrnimmt, weder direkt noch indirekt Eigengeschäfte oder Geschäfte für Dritte im Zusammenhang mit den Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten oder mit Derivaten oder anderen mit diesen in Zusammenhang stehenden Finanzinstrumenten während eines geschlossenen Zeitraums von 30 Kalendertagen vor Ankündigung eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlussberichts tätigen, zu deren Veröffentlichung der Emittent verpflichtet ist: a) gemäß den Vorschriften des Handelsplatzes, auf dem die Anteile des Emittenten zum Handel zugelassen sind, oder b) gemäß nationalem Recht. (12) Unbeschadet der Artikel 14 und 15 darf ein Emittent einer Person, die Führungsaufgaben bei ihr wahrnimmt, erlauben Eigengeschäfte oder Geschäfte für Dritte während eines geschlossenen Zeitraums gemäß Absatz 11 vorzunehmen, vorausgesetzt, dass diese Geschäfte entweder a) im Einzelfall aufgrund außergewöhnlicher Umstände, wie beispielsweise schwerwiegende finanzielle Schwierigkeiten, die den unverzüglichen Verkauf von Anteilen erforderlich machen, oder b) durch die Merkmale des betreffenden Geschäfts für Handel bedingt sind, die im Rahmen von Belegschaftsaktien oder einem Arbeitnehmersparplan, von Pflichtaktien oder von Bezugsberechtigungen auf Aktien oder Geschäfte getätigt werden, wenn sich die nutzbringende Beteiligung an dem einschlägigen Wertpapier nicht ändert. (13) Die Kommission wird ermächtigt, delegierte Rechtsakte nach Artikel 35 zu erlassen, in denen festgelegt wird, unter welchen Umständen der Handel während eines geschlossenen Zeitraums durch den Emittenten gemäß Absatz 12 erlaubt werden kann, einschließlich der Umstände, die als außergewöhnlich zu betrachten wären, und der Arten von Geschäften, die eine Erlaubnis zum Handel rechtfertigen würden. (14) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 35 in Bezug auf die Festlegung der Arten von Geschäften, welche die in Absatz 1 genannte Anforderung auslösen, delegierte Rechtsakte zu erlassen. (15) Damit Absatz 1 einheitlich angewendet wird, arbeitet die ESMA Entwürfe technischer Durchführungsstandards in Bezug auf das Format und ein Muster aus, in dem die in Absatz 1 genannten Informationen gemeldet und veröffentlicht werden müssen. Die ESMA legt der Kommission bis zum 3. Juli 2015 diese Entwürfe technischer Durchführungsstandards vor. Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in Unterabsatz 1 genannten technischen Durchführungsstandards nach Artikel 15 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zu erlassen. In der Fassung vom 16.4.2014 (ABl. EU Nr. L 173 v. 12.6.2014, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/ 2115 vom 27.11.2019 (ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1).
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2023-04-11, 14:20, GroKO klein
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 | Eigengeschäfte von Führungskräften Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften (Auszug) Art. 1 Gegenstand und Anwendungsbereich Diese Verordnung legt detaillierte Bestimmungen im Hinblick auf Folgendes fest: 1. ... 2. ... 3. ... 4. ... 5. die Umstände, unter denen der Handel während eines geschlossenen Zeitraums durch den Emittenten erlaubt werden kann; 6. die Arten von Geschäften, die die Pflicht zur Meldung von Eigengeschäften von Führungskräften auslösen. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 7 Handel während eines geschlossenen Zeitraums 1. Eine Person, die bei einem Emittenten Führungsaufgaben wahrnimmt, darf während eines geschlossenen Zeitraums im Sinne des Artikels 19 Absatz 11 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 Geschäfte tätigen, wenn dabei folgende Bedingungen erfüllt sind: a) einer der in Artikel 19 Absatz 12 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Umstände trifft zu; b) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, kann nachweisen, dass das betreffende Geschäft nicht zu einem anderen Zeitpunkt als während des geschlossenen Zeitraums ausgeführt werden kann. 2. Unter den in Artikel 19 Absatz 12 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Umständen legt eine Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, dem Emittenten vor jeder etwaigen Handelstätigkeit während eines geschlossenen Zeitraums einen begründeten schriftlichen Antrag vor, um dessen Zustimmung zum unverzüglichen Verkauf von Anteilen dieses Emittenten während eines geschlossenen Zeitraums einzuholen. In dem schriftlichen Antrag wird das geplante Geschäft beschrieben und erläutert, weshalb der Verkauf von Anteilen die einzige sinnvolle Möglichkeit zur Beschaffung der erforderlichen Finanzmittel ist. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 8 Außergewöhnliche Umstände 1. Bei der Entscheidung darüber, ob der unverzügliche Verkauf seiner Anteile während eines geschlossenen Zeitraums gestattet werden kann, nimmt der Emittent eine fallspezifische Bewertung des von der Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, gemäß Artikel 7 Absatz 2 eingereichten schriftlichen Antrags vor. Der Emittent hat das Recht, den unverzüglichen Verkauf von Anteilen nur dann zu gestatten, wenn die Umstände eines solchen Verkaufs als außergewöhnlich angesehen werden können. 2. Die in Absatz 1 genannten Umstände werden als außergewöhnlich angesehen, wenn sie äußerst dringend, unvorhergesehen und zwingend sind und sie nicht von der Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, verursacht werden und sich deren Kontrolle entziehen. 3. Bei der Prüfung, ob die in dem schriftlichen Antrag nach Artikel 7 Absatz 2 beschriebenen Umstände außergewöhnlich sind, berücksichtigt der Emittent unter anderem Indikatoren dafür, ob und inwieweit a) im Zusammenhang mit der Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, zum Zeitpunkt der Übermittlung ihres Antrags eine rechtlich durchsetzbare finanzielle Verpflichtung oder ein rechtlich durchsetzbarer finanzieller Anspruch vorlag; b) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, Zahlungen zu leisten hat oder sich in einer Situation befindet, die auf vor Beginn des geschlossenen Zeitraums eingetretene Umstände zurückzuführen ist und die Zahlung einer Summe an Dritte, einschließlich Steuerschulden, erforderlich macht, und sie eine finanzielle Verpflichtung oder einen finanziellen Anspruch nicht auf andere Weise als durch den unverzüglichen Verkauf von Anteilen hinreichend erfüllen kann. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 9 Merkmale des Handels während eines geschlossenen Zeitraums Der Emittent darf einer Person, die bei ihm Führungsaufgaben wahrnimmt, unter bestimmten Umständen gestatten, während eines geschlossenen Zeitraums Geschäfte auf eigene Rechnung oder auf Rechnung Dritter zu tätigen, und zwar unter anderem dann, wenn a) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, im Rahmen eines Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms Finanzinstrumente erhalten oder gewährt bekommen hat und dabei die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Art. 19 VO Nr. 596/2014
b)
c)
d)
e) f)
i) das Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm und dessen Bedingungen wurden zuvor vom Emittenten nach den nationalen Rechtsvorschriften gebilligt, und in den Bedingungen des Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms werden der Zeitplan für die Vergabe oder Gewährung von Finanzinstrumenten sowie der Betrag der vergebenen oder gewährten Finanzinstrumente oder die Grundlage angegeben, auf der ein solcher Betrag berechnet wird, wobei keinerlei Ermessen ausgeübt werden kann; ii) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, verfügt hinsichtlich der Annahme der vergebenen oder gewährten Finanzinstrumente über keinerlei Ermessensspielraum; die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, im Rahmen eines Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms, das sich über einen geschlossenen Zeitraum erstreckt, Finanzinstrumente erhalten oder gewährt bekommen hat, sofern in Bezug auf die Konditionen, die Periodizität, den Zeitpunkt der Vergabe, die Gruppe der bezugsberechtigten Personen und den Betrag der zu vergebenden Finanzinstrumente ein vorab geplanter und organisierter Ansatz verfolgt wird, und die Vergabe oder Gewährung von Finanzinstrumenten in einem vorgegebenen Rahmen stattfindet, in dem etwaige Insiderinformationen keinen Einfluss auf die Vergabe oder Gewährung haben; die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, Optionen oder Optionsscheine ausübt oder die ihr im Rahmen eines Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms zugewiesenen Wandelschuldverschreibungen umwandelt, wenn das Laufzeitende derartiger Optionen, Optionsscheine oder Wandelschuldverschreibungen in einen geschlossenen Zeitraum fällt, und sie die Anteile verkauft, die im Anschluss an die Ausübung oder Umwandung erworben wurden, und dabei alle folgenden Bedingungen erfüllt sind: i) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, meldet dem Emittenten ihre Entscheidung zur Ausübung oder Umwandlung mindestens vier Monate vor Laufzeitende; ii) die Entscheidung der Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, ist unwiderruflich; iii) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, hat vom Emittenten vorab die Genehmigung für ihr Vorhaben erhalten; die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, im Rahmen eines Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms Finanzinstrumente des Emittenten erwirbt und dabei alle folgenden Bedingungen erfüllt sind: i) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, ist dem Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm vor dem geschlossenen Zeitraum beigetreten, es sei denn, sie konnte aufgrund des Zeitpunkts ihres Beschäftigungsbeginns nicht zu einem anderen Zeitpunkt in das Programm aufgenommen werden; ii) die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, nimmt während des geschlossenen Zeitraums keine Änderungen an den Bedingungen für ihre Teilnahme am Arbeitnehmerbeteiligungsprogramm vor oder beendet ihre Teilnahme am Programm; iii) die Käufe sind gut im Einklang mit den Bestimmungen des Arbeitnehmerbeteiligungsprogramms organisiert, und für die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, besteht weder ein Anspruch noch eine legale Möglichkeit, die Bedingungen während des geschlossenen Zeitraums zu ändern, oder die Käufe sollen im Rahmen des Programms zu einem festen Termin stattfinden, der in den geschlossenen Zeitraum fällt; die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, direkt oder indirekt Finanzinstrumente transferiert oder erhält, sofern die Finanzinstrumente zwischen zwei Konten der Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, transferiert werden und ein solcher Transfer nicht zu einer Änderung des Preises von Finanzinstrumenten führt; die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, Pflichtaktien oder Bezugsberechtigungen des Emittenten erwirbt und die Frist für einen solchen Erwerb nach den für den Emittenten geltenden Satzungen oder Vorschriften in einen geschlossenen Zeitraum fällt, vorausgesetzt, dass die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, dem Emittenten Belege für die Gründe vorlegen kann, weshalb der Erwerb nicht zu einem anderen Zeitpunkt stattfindet und der Emittent mit dieser Erklärung zufrieden ist.
In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 10 Zu meldende Geschäfte 1. Nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 und zusätzlich zur Meldung von Geschäften im Sinne des Artikels 19 Absatz 7 der genannten Verordnung müssen Personen, die bei einem Emittenten oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie von in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen dem Emittenten oder dem Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate und der zuständigen Behörde ihre Geschäfte melden. Diese zu meldenden Geschäfte umfassen sämtliche Eigengeschäfte von Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, die – in Bezug auf Emittenten – mit den Anteilen oder Schuldinstrumenten des Emittenten oder Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten in Zusammenhang stehen, und die – in Bezug auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate – mit Emissionszertifikaten, darauf beruhenden Auktionsobjekten oder deren damit verbundenen Derivaten in Zusammenhang stehen. 2. Zu den zu meldenden Geschäften zählen a) Erwerb, Veräußerung, Leerverkauf, Zeichnung oder Austausch; b) Annahme oder Ausübung einer Aktienoption, einschließlich der Führungskräften oder Arbeitnehmern im Rahmen ihres Vergütungspakets gewährten Aktienoptionen, und die Veräußerung von Anteilen, die aus der Ausübung einer Aktienoption resultieren; c) Eingehen oder Ausüben von Aktienswaps; d) Geschäfte mit oder im Zusammenhang mit Derivaten, einschließlich Geschäften mit Barausgleich; e) Abschluss von Differenzkontrakten über ein Finanzinstrument des betreffenden Emittenten oder über Emissionszertifikate oder darauf beruhenden Auktionsobjekten;
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 | Eigengeschäfte von Führungskräften f) Erwerb, Veräußerung oder Ausübung von Rechten, einschließlich von Verkaufs- und Kaufoptionen, sowie Optionsscheine; g) Zeichnung einer Kapitalerhöhung oder Schuldtitelemission; h) Geschäfte mit Derivaten und Finanzinstrumenten im Zusammenhang mit einem Schuldtitel des betreffenden Emittenten, einschließlich Kreditausfallswaps; i) an Bedingungen geknüpfte Geschäfte bei Eintritt dieser Bedingungen und tatsächliche Ausführung der Geschäfte; j) automatische und nicht automatische Umwandlung eines Finanzinstruments in ein anderes Finanzinstrument, einschließlich des Austauschs von Wandelschuldverschreibungen in Aktien; k) getätigte oder erhaltene Zuwendungen und Spenden sowie entgegengenommene Erbschaften; l) ausgeführte Geschäfte mit an einen Index gekoppelten Produkten, Wertpapierkörben und Derivaten, sofern nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine Meldung vorgeschrieben ist; m) Geschäfte, die mit Anteilen an Investitionsfonds ausgeführt werden, darunter alternative Investmentfonds (AIF) gemäß Artikel 1 der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, sofern nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine Meldung vorgeschrieben ist; n) Geschäfte, die vom Verwalter eines AIF ausgeführt werden, in den die Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder eine eng mit ihr verbundene Person investiert hat, sofern nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine Meldung vorgeschrieben ist; o) Geschäfte, die von einem Dritten im Rahmen eines einzelnen Portfolioverwaltungs- oder Vermögensverwaltungsmandats im Namen oder zugunsten einer Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, oder einer eng mit ihr verbundenen Person ausgeführt werden; p) Leihgeschäfte mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten oder mit Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Art. 11 Inkrafttreten und Geltung Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 3. Juli 2016. In der Fassung vom 17.12.2015 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1). Durchführungsverordnung (EU) 2016/523 der Kommission vom 10. März 2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das Format und die Vorlage für die Meldung und öffentliche Bekanntgabe der Eigengeschäfte von Führungskräften gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates Art. 1 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung gilt folgende Begriffsbestimmung: „Elektronische Hilfsmittel“ sind elektronische Geräte für die Verarbeitung (einschließlich der digitalen Komprimierung), Speicherung und Übertragung von Daten über Kabel, Funk, optische Technologien oder andere elektromagnetische Verfahren. In der Fassung vom 10.3.2016 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 19). Art. 2 Format und Vorlage für die Meldung (1) Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen tragen dafür Sorge, dass für die Einreichung der Meldungen der Geschäfte gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 die im Anhang enthaltene Vorlage für Meldungen verwendet wird. (2) Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen tragen dafür Sorge, dass die Übermittlung der in Absatz 1 genannten Meldungen mit elektronischen Hilfsmitteln erfolgt. Bei diesen elektronischen Hilfsmitteln ist sichergestellt, dass die Vollständigkeit, Integrität und Vertraulichkeit der Informationen während der Übermittlung gewahrt werden und dass Gewissheit über die Quelle der übermittelten Informationen besteht. (3) Die zuständigen Behörden geben die elektronischen Mittel nach Absatz 2, die für Übermittlungen an sie zu verwenden sind, im Einzelnen auf ihrer Website bekannt. In der Fassung vom 10.3.2016 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 19). Art. 3 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt mit Wirkung vom 3. Juli 2016. In der Fassung vom 10.3.2016 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 19).
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Art. 19 VO Nr. 596/2014 Anhang Vorlage für die Meldung und öffentliche Bekanntgabe der Geschäfte von Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen 1
Angaben zu den Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie zu den in enger Beziehung zu ihnen stehenden Personen
a)
Name
2
Grund der Meldung
a)
Position/Status [Für Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen: ihre Position beim Emittenten, dem Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate/der Versteigerungsplattform/dem Versteigerer/ der Auktionsaufsicht, z.B. Geschäftsführer, Finanzvorstand.] [Für in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen: – Angabe, dass die Meldung eine Person betrifft, die in enger Beziehung zu einer Person steht, die Führungsaufgaben wahrnimmt; – Name und Position der betreffenden Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt.]
b)
Erstmeldung/ Berichtigung
3
Angaben zum Emittenten, zum Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate, zur Versteigerungsplattform, zum Versteigerer oder zur Auktionsaufsicht
a)
Name
[Vollständiger Name der Einrichtung.]
b)
LEI
[Legal-Entity-Identifier-Code gemäß ISO 17442 LEI-Code.]
4
Angaben zum Geschäft/zu den Geschäften: Dieser Abschnitt ist zu wiederholen für i) jede Art von Instrument, ii) jede Art von Geschäft, iii) jedes Datum und iv) jeden Platz, an dem Geschäfte getätigt wurden
a)
Beschreibung des Finanzinstruments, Art des Instruments Kennung
– Angabe zur Art des Instruments: – eine Aktie, ein Schuldtitel, ein Derivat oder ein Finanzinstrument, das mit einer Aktie oder einem Schuldtitel verbunden ist; – ein Emissionszertifikat, ein auf einem Emissionszertifikat beruhendes Auktionsobjekt oder ein mit einem Emissionszertifikat verbundenes Derivat. – Kennung des Instruments gemäß Delegierter Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Meldung von Geschäften an die zuständigen Behörden, angenommen gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014.]
b)
Art des Geschäfts
[Beschreibung der Art des Geschäfts, gegebenenfalls anhand der Art des Geschäfts nach Artikel 10 der Delegierten Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission, angenommen gemäß Artikel 19 Absatz 14 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, oder eines konkreten Beispiels gemäß Artikel 19 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014. Gemäß Artikel 19 Absatz 6 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ist anzugeben, ob das Geschäft mit der Teilnahme an einem Belegschaftsaktienprogramm im Zusammenhang steht.]
c)
Preis(e) und Volumen
[Für natürliche Personen: Vor- und Familienname(n).] [Für juristische Personen: vollständiger Name einschließlich Rechtsform wie im Register, in dem sie eingetragen ist, vermerkt, falls zutreffend.]
[Angabe, dass dies eine Erstmeldung oder eine Berichtigung früherer Meldungen ist. Im Falle einer Berichtigung ist der Fehler zu erläutern, der mit dieser Meldung berichtigt wird.]
Preis(e)
Volumen
[Wenn an einem Tag und an einem Geschäftsort mehr als ein Geschäft derselben Art (Kauf, Verkauf, Kreditvergabe, Kreditaufnahme ...) mit demselben Finanzinstrument oder Emissionszertifikat ausgeführt wird, sind in diesem Feld die Preise und Volumina dieser Geschäfte zu melden, und zwar in zwei Spalten wie oben dargestellt unter Einfügung so vieler neuer Zeilen wie nötig. Unter Verwendung der Datenstandards für Preis und Menge, einschließlich gegebenenfalls der Preiswährung und der Mengenwährung im Sinne der Delegierten Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Meldung von Geschäften an die zuständigen Behörden, angenommen gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014.] d)
Aggregierte Informationen – Aggregiertes Volumen – Preis
[Die Volumina mehrerer Geschäfte werden aggregiert, wenn diese Geschäfte – dasselbe Finanzinstrument oder Emissionszertifikat betreffen; – derselben Art sind; – am selben Tag abgeschlossen werden und – am selben Geschäftsort abgeschlossen werden.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 | Eigengeschäfte von Führungskräften Unter Verwendung des Datenstandards für Mengen, gegebenenfalls einschließlich der Mengenwährung im Sinne der Delegierten Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Meldung von Geschäften an die zuständigen Behörden, angenommen gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014.] [Preisinformationen: – bei einem einzelnen Geschäft der Preis dieses Geschäfts; – bei Aggregation der Mengen mehrerer Geschäfte der gewichtete Durchschnittspreis der aggregierten Geschäfte. Unter Verwendung des Datenstandards für Mengen, gegebenenfalls einschließlich der Mengenwährung im Sinne der Delegierten Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Meldung von Geschäften an die zuständigen Behörden, angenommen gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014.] e)
Datum des Geschäfts
[Datum des konkreten Tages, an dem das gemeldete Geschäft abgeschlossen wurde. Mittels Datumsformat der ISO 8601: JJJJ-MM-TT; UTC.]
f)
Ort des Geschäfts
[Name und Kennung des Handelsplatzes gemäß MiFID, des systematischen Internalisierers oder einer organisierten Handelsplattform außerhalb der Union als Ort des Geschäftsabschlusses im Sinne der Delegierten Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die Meldung von Geschäften an die zuständigen Behörden, angenommen gemäß Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, oder wenn das Geschäft nicht an einem der oben genannten Orte abgeschlossen wurde, bitte angeben „außerhalb eines Handelsplatzes“.]
In der Fassung vom 10.3.2016 (ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 19). Schrifttum (auch zur Vorgängernorm des § 15a WpHG): Agrawal/Jaffe, Does Section 16b deter insider trading by target managers?, Journal of Financial Economics 39 (1995), 295; Ams, Directors' Dealings and Insider Trading in Germany, 2010; Avci/Schipani/Seyhun/Verstein, Insider Giving, 71 Duke L. J. 619 (2021); Bajo/Petracci, Do what insiders do: Abnormal performances after the release of insiders' relevant transactions. Studies in Economics and Finance 23 (2006), 94; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001; Baums, Anlegerschutz und Neuer Markt, ZHR 166 (2002), 375; Bekritsky, Der Nemo-Tenetur-Grundsatz im Kapitalmarktrecht, BKR 2021, 340; Benesh/ Pari, Performance of Stocks Recommended on the Basis of Insider Trading Activity, The Financial Review 22 (1987), 145; Bettis/Vickrey/Vickrey, Mimickers of Corporate Insiders Who Make Large-Volume Trades, Financial Analysts Journal 53, 5 (1997), 57; Bode, Die Anwendung von § 15a WpHG bei Geschäften innerhalb eines Konzerns, AG 2008, 648; von Buttlar, Directors' Dealings: Änderungsbedarf auf Grund der Marktmissbrauchsrichtlinie, BB 2003, 2133; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Commandeur, Das Handelsverbot für Führungskräfte nach Art. 19 Abs. 11 MMVO – ausgewählte Anwendungsprobleme und rechtspolitische Bewertung, ZBB 2018, 114; Deutsche Bank, Directors' Dealings in Europe, 2004; Diekgräf, Directors' Dealings. Paradigmenwechsel im europäischen Marktmissbrauchsrecht, 2017; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; von Dryander/Schröder, Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder im Lichte des neuen Insiderrechts, WM 2007, 534; Dymke, Directors' Dealings am deutschen Kapitalmarkt – eine empirische Bestandsaufnahme, Finanz-Betrieb 2007, 450; Engelhart, Meldepflichtige und meldefreie Geschäftsarten bei Directors' Dealings (§ 15a WpHG), AG 2009, 856; Erkens, Directors' Dealings nach neuem WpHG, Der Konzern 2005, 29; Finnerty, Insiders and Market Efficiency, Journal of Finance 31 (1976), 1141; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors' Dealings – Eine juristische und empirische Analyse des Handels von Organmitgliedern mit Aktien des eigenen Unternehmens, Studien des Deutschen Aktieninstituts, hrsg. von R. von Rosen, Heft 19, 2002; Fleischer, Directors' Dealings, ZIP 2002, 1217; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu regeln?, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 1; Friederich/Gregory/Matatko/Tonks, Short-run Returns around the Trades of Corporate Insiders on the London Stock Exchange, European Financial Management, 8 (2002), 7; Gregory/ Matatko/Tonks, Detecting Information from Directors' Trades: Signal Definition and Variable Size Effects, Journal of Business Finance & Accounting 24 (1997), 309; Großmann/Nikoleyczik, Praxisrelevante Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes – Die Auswirkungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, DB 2002, 2031; Grothaus, Reform des Insiderrechts: Großer Aufwand – viel Rechtsunsicherheit – wenig Nutzen?, ZBB 2005, 62; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008; Gurlit, Gläserne Banken- und Kapitalmarktaufsicht?, WM 2009, 773; Hagen-Eck/Wirsch, Gestaltung von Directors' Dealings und die Pflichten nach § 15a WpHG, DB 2007, 504; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 703; Hannich, Mitteilung und Veröffentlichung der Geschäfte von Führungskräften mit Aktien des „eigenen“ Unternehmens gemäß § 15a WpHG, 2014; Hartlieb, Das Handelsverbot des Art. 19 Abs. 11 MarktmissbrauchsVO (MAR) – zum Umgang mit Informationsvorsprüngen von Führungskräften, wbl 2019, 661; Hartlieb, Managers’ Transactions: From Signal Effect to Market Transparency, Austrian Law Journal 2019, 124; Hartlieb/Simonishvili, Directors‘ Dealings nach der Marktmissbrauchsverordnung, ZFR 2015, 61; Heidorn/Meyer/Pietrowia, Performance-Effekte nach Directors' Dealings in Deutschland, Italien und den
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Art. 19 VO Nr. 596/2014 Niederlanden, Arbeitsberichte der HfB – Business School of Finance & Management, Nr. 57, Frankfurt a.M. 2004; Hellgardt, Zivilrechtliche Gewinnabschöpfung bei Verstößen gegen das Handelsverbot des Art. 19 Abs. 11 MAR? – Zur bereicherungsrechtlichen Herausgabepflicht als Konsequenz unionsrechtlicher Vorgaben, AG 2018, 602; Helm, Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in der Finanzportfolioverwaltung bei Directors' Dealings nach der Marktmissbrauchsverordnung, ZIP 2016, 2201; Hillier/Marshall, The Market Evaluation of Information in Directors' Trades, Journal of Business Finance & Accounting 29 (2002), 77; Hitzer/Wasmann, Von § 15a WpHG zu Art. 19 MMVO: Aus Directors' Dealings werden Managers' Transactions, DB 2016, 1483; Hower-Knobloch, Directors' Dealings gem. § 15a WpHG, 2007; Jaffe, Special Information and Insider Trading, Journal of Business 47 (1974), 410; Jeng/Metrick/Zeckhauser, Estimating the Returns to Insider Trading: A Performance-Evaluation Perspective, Review of Economics & Statistics 85 (2003), 453; Johannsen-Roth/Illert, Inhalt und Bestimmung von closed periods im Rahmen von Eigengeschäften von Führungskräften, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 633; King/Roell, Insider Trading, Economic Policy 1988, 165; Klawitter/Schlitt, Kapitalmarktrechtliche Folgepflichten eines börsennotierten Unternehmens, in Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 4. 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Art. 19 VO Nr. 596/2014 | Eigengeschäfte von Führungskräften I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungsgegenstand, Regelungsvorbilder und praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der Regelung und Auslegung der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsvorbilder und -alternativen . . . . . a) Ausländische Regelungsvorbilder . . . . . . . b) Vollständiges Handelsverbot . . . . . . . . . . . c) Pre-trading disclosure . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tatsächliche Bedeutung der Regelung . . . . . III. Meldepflicht (Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . a) Emittenten von Finanzinstrumenten (Art. 19 Abs. 4 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . b) Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Versteigerungsplattformen und Versteigerer (Art. 19 Abs. 10 VO Nr. 596/2014) . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . a) Personen mit Führungsaufgaben (Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leitungs- und Verwaltungsorgane von AG, SE und GmbH . . . . . . . . . . . cc) Aufsichtsorgane von AG, KGaA, SE und GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Persönlich haftende Gesellschafter und Komplementärgesellschaften . . . . ee) top executives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Organmitglieder von Mutter- oder Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . gg) Fehlerhaft bestellte Organe . . . . . . . . . hh) In der Insiderliste erfasste Personen . . ii) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . jj) Aktionäre, Kommanditisten und sonstige Gesellschafter . . . . . . . . . . . . kk) Beginn und Ende der Stellung als Führungsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eng verbundene Personen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ehepartner und gleichgestellte Partner cc) Unterhaltsberechtigte Kinder . . . . . . . dd) Weitere Verwandte . . . . . . . . . . . . . . . ee) Juristische Person, Treuhand und Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . c) Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Meldepflichtige Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . a) Erfasste Instrumente bei Eigengeschäften der Führungskräfte von Emittenten (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schuldtitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Derivate und sonstige Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfasste Instrumente bei Eigengeschäften der Führungskräfte von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate, Versteigerungsplattformen und Versteigerern (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014)
1 7 7 8 14 14 15 16 17 18 18 19 22
4. IV. 1. 2. 3.
23 24 24 24 25 27 29 31
4. V. 1. 2. 3. 4.
32 33 34 35
5. VI.
36
1.
38 40 40 42 45 47 49 57 58
2. VII. 1. 2. 3.
59 59 61 62
4.
63
5.
68
c) Erfasste Geschäftsarten (Art. 19 Abs. 1, Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begriff des Eigengeschäfts (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014) cc) Weitere meldepflichtige Geschäfte (Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) . . . dd) Besonderheiten bei Investitionen in Portfolios (Art. 19 Abs. 1a VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Regelbeispiele (Art. 10 Abs. 2 DelVO 2016/522) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Einschaltung von Intermediären; eigene Meldepflichten für Finanzdienstleister? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mindestschwelle (Art. 19 Abs. 8, 9 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meldung (Art. 19 Abs. 6 VO Nr. 596/2014) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adressat und Übermittlung der Meldung . Inhalt und Form der Meldung . . . . . . . . . . a) Angaben zur meldenden Person . . . . . . . b) Angaben zum Grund der Meldung . . . . . c) Angaben zum Unternehmen . . . . . . . . . . d) Angaben zum Geschäft . . . . . . . . . . . . . . e) Pflicht zu erläuternden Angaben? . . . . . . Meldefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichung der Meldung (Art. 19 Abs. 3 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Art der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . Veröffentlichungsfrist und Nachweis der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterleitung an das Unternehmensregister Vorbeugende Organisationspflichten (Art. 19 Abs. 5 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . Pflichten der Unternehmen . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Information der Führungspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Listenführung . . . . . . . . . . . . Pflichten von Führungspersonen . . . . . . . . Periodisches Handelsverbot für Führungskräfte (Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014) . Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . b) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . Handelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfasste Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . b) Erfasste Geschäftsarten . . . . . . . . . . . . . . Verbotszeitraum („closed period“) . . . . . . . a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erfasste Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . c) Fristberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen vom Handelsverbot (Art. 19 Abs. 12 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . a) Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erteilung der Ausnahme . . . . . . . . . . . . . c) Erlaubnistatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Außergewöhnliche Umstände . . . . . .
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69 69 71 79 89 92 110 111 116 116 118 120 121 122 123 124 129 130 134 134 137 140 141 144 145 146 146 149 152 153 153 154 154 155 157 157 158 161 161 162 167 169 170 171 174 175
Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 3 Art. 19 VO Nr. 596/2014
6.
7. VIII. IX. X. 1.
bb) Transaktionen ohne Ausnutzung von Informationsvorteilen . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolgen der Erlaubniserteilung . . . . . Zivilrechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . a) Auswirkungen auf die Transaktion . . . . . . b) Schadensersatzansprüche . . . . . . . . . . . . . c) Bereicherungsrechtliche Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinbarkeit mit den europäischen Grundrechten und rechtspolitische Beurteilung . . Anwendbares Recht, zuständige Behörde und Aufsichtskompetenzen . . . . . . . . . . . . . Verordnungsermächtigungen (Art. 19 Abs. 13, 14, 15 VO Nr. 596/2014) . . . . . . . . Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bußgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen die Mitteilungspflicht . . . . . b) Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht c) Verstoß gegen die Pflicht zur Übermittlung der Information an das Unternehmensregister und zur Unterrichtung der BaFin .
177 184 185 185 186 187 188 190 194 197 197 197 198 199
d) Verstoß gegen die Organisationspflichten des Art. 19 Abs. 5 VO Nr. 596/2014 . . . . e) Verstoß gegen das Handelsverbot des Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 . . . . . . . 2. Strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . 3. Naming and shaming . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zivilrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . XI. Verhältnis des Art. 19 VO Nr. 596/2014 zu weiteren Publizitätspflichten innerhalb und außerhalb der Marktmissbrauchsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ad-hoc-Publizität (Art. 17 VO Nr. 596/ 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 33 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftsrechtliche Regelungen . . . . . . 4. Bilanzrechtliche Vorschriften und Vergütungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200 201 202 203 204
206 207 208 209 210 211
I. Entstehungsgeschichte Art. 19 VO Nr. 596/2014 regelt Offenlegungspflichten und Verbote mit Blick auf Eigengeschäften von Führungs- 1 kräften sowie von mit diesen verbundenen Personen. Die Vorschrift ersetzte mit Wirkung ab 3.7.2016 den früheren § 15a WpHG a.F.1, der wiederum auf Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie2 beruhte. Während es sich eingebürgert hatte, die Reglung des § 15a WpHG a.F. mit dem englischen Ausdruck „Directors' Dealings“ zu bezeichnen3, lautet die amtliche Überschrift der englischen Fassung von Art. 19 VO Nr. 596/2014 nunmehr „Managers' Transactions“, so dass mit der Neuregelung auch ein Wechsel der Terminologie einherging. Vorschläge zur Regelung der Eigengeschäfte von Führungskräften existierten auf europäischer Ebene bereits 2 lange vor der Marktmissbrauchsrichtlinie. Eine im Ansatz gesellschaftsrechtliche Regelung der Managers' Transactions fand sich schon im geänderten Vorschlag der Verordnung über das Statut für Europäische Aktiengesellschaften vom 30.4.19754. Nach dessen Art. 82 Abs. 1 sollten die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE) sowie diejenigen Personen, die für deren Rechnungslegungskontrolle verantwortlich waren, verpflichtet sein, alle unmittelbar oder mittelbar gehaltenen eigenen Aktien und diejenigen ihrer Ehegatten und minderjährigen Kinder oder vorgeschobener Personen innerhalb von 20 Tagen in Namensaktien umzuwandeln oder bei einer Bank zu hinterlegen. Zudem war in Art. 82 Abs. 2 die unverzügliche Meldung an das Europäische Handelsregister vorgeschrieben. Zusätzlich sah Art. 82 Abs. 2 eine periodische Meldepflicht vor, wonach die erfassten Personen viermal jährlich Käufe und Verkäufe an das Handelsregister zu melden hatten. Art. 82 Abs. 5 sah schließlich eine Gewinnabschöpfungsregel vor. Jeder innerhalb von 6 Monaten ab Kauf oder Verkauf von Aktien der Gesellschaft entstandene Gewinn, den eine der in Art. 82 Abs. 1 erfassten Personen erzielte, stand der Gesellschaft zu und war an diese innerhalb von 8 Tagen abzuführen. Da sich die im Jahre 2001 verabschiedete Verordnung5 auf bloße Rahmenregelungen beschränkt, wurde auf eine Regelung der Managers' Transactions bei der SE letztlich verzichtet. Nachdem Deutschland bereits 2002 durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz6 die Regelung des 3 § 15a WpHG a.F. erlassen hatte7, erfuhren die Managers' Transactions auf europäischer Ebene erstmalig eine 1 Zur Entstehungsgeschichte des § 15a WpHG a.F. s. Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 1 ff. 2 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. 3 Dazu Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 9. 4 Abgedruckt in Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 363, 385 f. 5 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1. 6 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010, berichtigt S. 2316). 7 In der Entwurfsbegründung wird als Regelungsvorbild ausdrücklich auf Art. 16 des US-amerikanischen Securities Exchange Act 1934 verwiesen, s. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, 88.
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2023-04-11, 14:20, GroKO klein
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 3 | Eigengeschäfte von Führungskräften Regelung durch Art. 6 Abs. 4 RL 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie)8. Während der ursprüngliche Richtlinienvorschlag keine derartige Regelung vorsah9, hat der Ausschuss für Wirtschaft und Währung vor dem Hintergrund der positiven US-amerikanischen Erfahrungen eine Regelung der Managers' Transactions in der Marktmissbrauchsrichtlinie empfohlen10. Er stützte seinen Vorschlag auf folgende Gründe: (1) Eine derartige Regelung gewährleiste mehr Gerechtigkeit zwischen den Anlegern. (2) Sie begrenze Insidergeschäfte präventiv, da diese später zu melden seien. (3) Sie unterstütze die Anleger bei der Ermittlung des „wahren Preises“ eines Unternehmens am Markt, da US-amerikanischen Studien zufolge „Insider“ eine bessere Rendite erzielten als andere Anleger. (4) Bei der Regelung der Managers' Transactions handle es sich um einen zuverlässigen und wirksamen Mechanismus, der in den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten zur allgemeinen Zufriedenheit angewandt werde. (5) Die Regelung bringe schließlich Vorteile für die makrofinanzielle Stabilität mit sich, da „Insider“ verkauften, wenn die Kurse der Wertpapiere ein unrealistisch hohes Niveau erreichten, und kauften, wenn die Wertpapiere unterbewertet seien11. In Ergänzung der Marktmissbrauchsrichtlinie verabschiedete die Kommission am 29.4.2004 eine Durchführungsrichtlinie12, die in ihren Art. 1 Nrn. 1, 2 und Art. 6 die Managers' Transactions regelte. 4 Die Marktmissbrauchsverordnung (VO Nr. 596/2014) hat die Regelung der Managers' Transactions nicht nur
im Wege einer unmittelbar anwendbaren Verordnung EU-weit harmonisiert, sondern auch inhaltlich erheblich erweitert und verschärft. Neben dem erhöhten Detaillierungsgrad der Regelung hat sich insbesondere ihr Anwendungsbereich enorm erweitert, indem auch solche Emittenten erfasst sind, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen oder organisierten Handelssystem erhalten haben oder die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem beantragt haben. Zudem werden nun auch Führungskräfte erfasst, die bei Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate sowie bei Versteigerungsplattformen und Versteigerern, die Auktionen gem. der Verordnung (EU) Nr. 1031/ 201013 durchführen, beschäftigt sind. Hinsichtlich der Mitteilungsfrist ist durch Art. 19 VO Nr. 596/2014 eine deutliche Verschärfung der Rechtslage eingetreten, indem die Meldung spätestens drei Geschäftstage nach Abschluss des Geschäfts erfolgen muss, während nach alter Rechtslage eine Frist von fünf Tagen bestand. Sachlich neu ist insbesondere das periodische Handelsverbot in Art. 19 Abs. 11 und 12 VO Nr. 596/2014, das es Führungskräften und mit diesen verbundenen Personen untersagt, innerhalb bestimmter Perioden vor Veröffentlichung von wichtigen Kapitalmarktinformationen Eigengeschäfte vorzunehmen. Diese Regelung war weder in dem ursprünglichen Kommissionsentwurf aus dem Jahr 201114, noch in dem geänderten Entwurf von 201215 enthalten, sondern wurde – in einer Rumpffassung – durch den Ausschuss für Wirtschaft und Währung vorgeschlagen16 und dann nach Überarbeitungen im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens17 in die endgültige Fassung gebracht. Trotz der Regelung in Verordnungsform handelt es sich hinsichtlich der Mel8 Die dadurch notwendigen Änderungen des § 15a WpHG a.F. erfolgten durch das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Zu den Änderungen s. Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 2 f. 9 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) v. 30.5.2001, KOM (2001) 281 endg. – 2001/0118(COD), ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 265. 10 Änderungsantrag Nr. 40 im Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vom 27.2.2002 über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (KOM (2001) 281 – C5-0262/2001 – 2001/0118(COD)), S. 33 f. 11 Zur weiteren Entstehungsgeschichte von Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchsrichtlinie Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 24. 12 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. Zu den Vorarbeiten ausführlich Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 25. 13 Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 der Kommission vom 12.11.2010 über den zeitlichen und administrativen Ablauf sowie sonstige Aspekte der Versteigerung von Treibhausgasemissionszertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, ABl. EU Nr. L 302 v. 18.11.2010, S. 1. 14 EU-Kommission, Vorschlag für [eine] Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) v. 20.10.2011, COM(2011) 651. 15 EU-Kommission, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) v. 25.7.2012, COM(2012) 421. 16 Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (COM(2011)0651 – C7-0360/2011 – 2011/0295(COD)), v. 22.10.2012, A7-0347/2012, S. 45 f. 17 S. insbesondere Änderungsantrag 2 Sharon Bowles im Namen des Ausschusses für Wirtschaft und Währung v. 4.9.2013, A7-0347/2, S. 163. S. zum Gesetzgebungsverfahren auch Commandeur, ZBB 2018, 114, 116 f.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 6 Art. 19 VO Nr. 596/2014
depflichten lediglich um eine Mindestharmonisierung18. Dies ergibt sich aus Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, der ausdrücklich das Recht der Mitgliedstaaten, über die in Art. 19 VO Nr. 596/2014 genannten hinausgehende Meldepflichten festzulegen, unberührt lässt19. Damit ist es den Mitgliedstaaten etwa auch möglich, die in Art. 19 Abs. 8 VO Nr. 596/2014 vorgesehene Mindestschwelle abzusenken oder gänzlich aufzuheben (dazu Rz. 115). Aufgrund der Ermächtigungen in Art. 19 Abs. 13 und 14 VO Nr. 596/2014 (sowie aufgrund weiterer Ermächtigungen in anderen Normen der VO) und gestützt auf „technische Vorarbeiten“ der ESMA20 hat die Kommission am 17.12.2015 die Delegierte Verordnung (EU) 2016/52221 erlassen, die in Art. 7–9 Einzelheiten zu der Ausnahme von dem periodischen Handelsverbot regelt und in Art. 10 die zu meldenden Geschäfte konkretisiert. Aufgrund von Vorarbeiten der ESMA22 hat die Kommission zudem am 10.3.2016 die Durchführungsverordnung (EU) 2016/52323 erlassen, die das Format der Meldungen festlegt und in ihrem Anhang eine detaillierte Vorlage enthält. Sowohl die DelVO 2016/522 als auch die DurchfVO 2016/523 beanspruchen gleichzeitig mit der VO Nr. 596/2014 seit dem 3.7.2016 unmittelbare Geltung. Bereits vor Inkrafttreten wurde Art. 19 VO Nr. 596/2014 durch Art. 56 VO 2016/101124 geändert. Neu einge- 5 fügt wurde Abs. 1a, der eine Ausnahme von der Meldepflicht vorsieht, wenn die Eigengeschäfte mittels Investmentfonds vorgenommen werden (dazu Rz. 89 f.) sowie Unterabs. 3 zu Abs. 7, der wiederum eine Ausnahme für Eigengeschäfte mittels Investmentfonds vorsieht (dazu Rz. 87). Hinzu kommt ein Überprüfungsauftrag an die Kommission sowie eine daran anschließende Ermächtigung zum Erlass eines delegierten Rechtsaktes, die neu in Art. 38 Abs. 3 und 4 VO Nr. 596/2014 eingefügt wurden. Die Einfügungen sind gleichzeitig mit der restlichen Regelung des Art. 19 VO Nr. 596/2014 seit dem 3.7.2016 anwendbar (s. Art. 59 Abs. 3 VO 2016/1011). Durch die am 27.11.2019 erlassene Änderungsverordnung (EU) 2019/211525 wurde mit Wirkung zum 1.1.2021 Art. 19 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 geändert, der die Art und Weise sowie die Frist, innerhalb derer der Emittent oder Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate eine erhaltene Meldung zu veröffentlichen hat, regelt (dazu Rz. 134, 137, 141, 198). Die Europäische Kommission hat am 7.12.2022 den Vorschlag für einen Listing Act veröffentlicht (s. Einl. Rz. 51)26. Danach sind auch Änderungen an Art. 19 VO Nr. 596/2014 geplant, einerseits hinsichtlich der Mindestschwelle, ab der eine Meldung zu machen ist, andererseits bezüglich der Ausnahmen vom periodischen Handelsverbot. Auf diese möglichen Änderungen wird im jeweiligen Sachenzusammenhang hingewiesen (s. Rz. 111, 115, 174). Da die Reform des Marktmissbrauchsrechts die Veröffentlichungs- und Speicherpflichten der Transparenz- 6 richtlinie 2004/109/EG27 unberührt gelassen hat, richten sich diese weiterhin nach Art. 21 RL 2004/109/EG. Für 18 Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 1. 19 Zu Recht kritisch zur Verfehlung der Vollharmonisierung Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 600. 20 ESMA, Final Report: ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, 3.2.2015, ESMA/2015/224, S. 41 ff. 21 Delegierte Verordnung (EU) 2016/522 der Kommission vom 17.12.2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf eine Ausnahme für bestimmte öffentliche Stellen und Zentralbanken von Drittstaaten, die Indikatoren für Marktmanipulation, die Schwellenwerte für die Offenlegung, die zuständige Behörde, der ein Aufschub zu melden ist, die Erlaubnis zum Handel während eines geschlossenen Zeitraums und die Arten meldepflichtiger Eigengeschäfte von Führungskräften, ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 1. Die betreffenden Vorschriften sind im Anschluss an den Text von Art. 19 VO Nr. 596/2014 zu Beginn dieser Kommentierung abgedruckt. 22 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455, S. 64 ff. 23 Durchführungsverordnung (EU) 2016/523 der Kommission vom 10.3.2016 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards im Hinblick auf das Format und die Vorlage für die Meldung und öffentliche Bekanntgabe der Eigengeschäfte von Führungskräften gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 88 v. 5.4.2016, S. 19. Die Verordnung ist im Anschluss an den Text von Art. 19 VO Nr. 596/2014 zu Beginn dieser Kommentierung abgedruckt. 24 Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014, ABl. EU Nr. L 171 v. 29.6.2016, S. 1. 25 Verordnung (EU) 2019/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU und der Verordnungen (EU) Nr. 596/2014 und (EU) 2017/1129 zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten, ABl. EU Nr. L 320 v. 11.12.2019, S. 1. 26 Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulations (EU) 2017/1129, (EU) No 596/2014 and (EU) No 600/2014 to make public capital markets in the Union more attractive for companies and to facilitate access to capital for small and medium-sized enterprises, 7.12.2022, COM(2022) 762 final. 27 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 6 | Eigengeschäfte von Führungskräften deutsche Inlandsemittenten ist daher die Umsetzungsvorschrift des § 26 Abs. 2 WpHG maßgeblich28. Da Art. 21 RL 2004/109/EG zu einer Zeit erlassen wurde, als die Pflichten des Marktmissbrauchsrechts nur für Emittenten galten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind bzw. eine solche Zulassung beantragt haben, sind keine Übermittlungs- und Speichervorschriften für MTF- und OTF-Emittenten vorgesehen. Der deutsche Gesetzgeber hat die Pflicht des § 26 Abs. 2 WpHG im Einklang mit dem Anwendungsbereich des Art. 19 VO Nr. 596/2014 auch auf solche Emittenten erweitert29. Dabei handelt es sich um eine überschießende Richtlinienumsetzung, die jedenfalls wegen der Weiterentwicklung des Marktmissbrauchsregimes auch unionsrechtlich auf keine Bedenken stößt. Außerdem hat der deutsche Gesetzgeber in § 26 Abs. 4 Nr. 6 und 7 WpHG Verordnungsermächtigungen hinsichtlich der Details der Meldungen nach Art. 19 Abs. 1 und 3 VO Nr. 596/2014 aufgenommen. Das Bundesministerium der Finanzen hat diese Ermächtigungen durch §§ 10 und 11 Wertpapierhandelsanzeigeverordnung – WpAV30 ausgeübt. Im Wesentlichen verweisen diese aber wiederum auf die DurchfVO 2016/523. Allerdings erlaubt der deutsche Gesetzgeber durch § 10 Satz 2 WpAV der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, zusätzlich zur Veröffentlichung nach Art. 19 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 die Mitteilungen auch selbst auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen.
II. Regelungsgegenstand, Regelungsvorbilder und praktische Bedeutung 1. Inhalt der Regelung und Auslegung der Norm 7 Die Vorschrift verpflichtet Personen, die bei einem Emittenten, Teilnehmern am Markt für Emissionszerti-
fikate sowie bei Versteigerungsplattformen oder Versteigerern Führungsaufgaben wahrnehmen, eigene Geschäfte in deren Anteilen oder Schuldtiteln oder in darauf bezogenen Finanzinstrumenten dem Emittenten, Marktteilnehmer etc. und der zuständigen Behörde unverzüglich und spätestens innerhalb von drei Geschäftstagen nach dem Abschluss des Geschäftes mitzuteilen, Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014. Die Mitteilungspflicht trifft außerdem in enger Beziehung zur Person mit Führungsaufgaben stehende Personen. Hierunter sind bestimmte Angehörige sowie juristische Personen zu verstehen, bei denen die Person mit Führungsaufgaben oder deren Angehörige Führungsaufgaben wahrnehmen. Schließlich sind alle juristischen Personen, Gesellschaften und Einrichtungen mitteilungspflichtig, die direkt oder indirekt von einer Person mit Führungsaufgaben oder deren Angehörigen kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen. In der englischsprachigen Fassung des Art. 19 VO Nr. 596/2014 wird dafür der Ausdruck Managers' Transactions verwendet, der sich auch in Deutschland durchgesetzt hat. Die Mitteilung erfolgt an den Emittenten, Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate bzw. Versteigerungsplattform oder Versteigerer und an die zuständige Behörde (zur Bestimmung der zuständigen Behörde s. Rz. 190 ff.). Das Unternehmen ist seinerseits verpflichtet, die mitgeteilten Geschäfte unverzüglich zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister mitzuteilen. Für die Anwendung der Norm durch die Praxis kann insbesondere auf die „Questions & Answers“ der ESMA zurückgegriffen werden, in denen diese Fragen aus der Praxis beantwortet hat31. Weitere Auslegungshinweise ergeben sich aus dem MAR Review der ESMA32. Hintergründe zu den Regelungen der Delegierten Verordnung finden sich in dem Abschlussbericht der ESMA33. Bezüglich der Einzelheiten der vorgeschriebenen Veröffentlichung finden sich hilfreiche Details im Abschlussbericht der ESMA zum Entwurf der Durchführungsbestimmungen34. Auf nationaler Ebene hat die BaFin im April 2020 das Modul C des Emittentenleitfadens35 (5. Aufl., Stand: 25.3.2020) veröffentlicht, welches die 28 Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 54. 29 S. (zur Erweiterung auf MTF-Emittenten) RegE 1. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/7482, 60 sowie (zur Erweiterung auf OTF-Emittenten) RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/10936, 230. 30 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeigeverordnung – WpAV) vom 13.12.2004 (BGBl. I 2004, 3376). Die Änderungen erfolgten durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 2.11.2017 (BGBl. I 2017, 3727). 31 ESMA, Questions and Answers On the Market Abuse Regulation (MAR), ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021. 32 ESMA, MAR Review report, 23.9.2020, ESMA70-156-2391. 33 ESMA, Final Report: ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, 3.2.2015, ESMA/2015/224. 34 ESMA, Final Report: Draft technical standards on the Market Abuse Regulation, 28.9.2015, ESMA/2015/1455. 35 Zu Modul C des Emittentenleitfadens s. Merkner/Sustmann/Retsch, NZG 2020, 688 ff.; Seibt/Kraack, BKR 2020, 313 ff.; Zöllter-Petzoldt, BKR 2020, 272 ff. Es handelt sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die keine Bindungswirkung entfaltet, BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380, 382.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 10 Art. 19 VO Nr. 596/2014
2005 erstmals veröffentlichte und für die damaligen Directors‘ Dealings 2009 zuletzt aktualisierte Vorgängerversion ablöst. Misslich ist, dass der neue Emittentenleitfaden in Einzelfragen weniger Informationen enthält, als die zwischenzeitlich als Auslegungshilfe veröffentlichten FAQ zu Art. 19 VO Nr. 596/201436, die daher insoweit weiter relevant bleiben. Bei einer Überarbeitung des Emittentenleitfadens sollten unbedingt alle Informationen aus den FAQ übernommen werden, um die Übersichtlichkeit für den Rechtsanwender wiederherzustellen.
2. Ziele der Regelung Ziel der Vorschrift ist die Verbesserung der Kapitalmarktpublizität. Im Einzelnen werden ihr folgende Wir- 8 kungen zugeschrieben: Bezweckt ist zunächst eine Erhöhung der Markttransparenz37 und damit der Informationseffizienz der Ka- 9 pitalmärkte38. Die Norm erstreckt die Angabepflicht über den Anteilsbesitz von Organmitgliedern, die zuvor nur im Rahmen der Primärmarktpublizität galt (VO Nr. 809/2004/EG Anhang I Ziff. 17.2, nunmehr: VO Nr. 2017/1129, Anhang I, VII.E.), auf den Sekundärmarkt39 und ergänzt die sonstigen Publizitätsvorschriften, insbesondere die Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 VO Nr. 596/2014. Die Anleger sollen darüber informiert werden, wenn die Personen mit Führungsaufgaben sich von Aktien 10 oder darauf bezogenen Finanzinstrumenten „ihres“ Unternehmens trennen oder wenn sie solche Papiere erwerben. Diese Personen haben im Regelfall einen Wissensvorsprung über die Verhältnisse des Emittenten. Ihre Geschäfte in Finanzinstrumenten des Emittenten erlauben Rückschlüsse auf die gegenwärtige oder künftige Unternehmensentwicklung und entfalten daher eine Indikatorwirkung40 für das breite Publikum (informierte Transaktionsentscheidung41). Empirische Untersuchungen aus den USA42, Kanada43, Großbritannien44, Italien, den Niederlanden und Deutschland45 zeigen, dass Unternehmensinsider bei Geschäften mit Aktien ihres Unternehmens überdurchschnittlich erfolgreich sind. Einige, aber nicht alle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass auch Outsider, die in ihren Anlageentscheidungen Managers' Transactions nachbilden, überdurchschnittlich erfolgreich sind. Dabei sind vor allem die Kaufentschlüsse von Unternehmensinsidern nachahmenswert46, während die Verkaufsentschlüsse oft auf nicht unternehmensbezo36 BaFin, FAQ zu Eigengeschäften von Führungskräften nach Art. 19 der Marktmissbrauchsverordnung (EU) Nr. 596/2014 (Stand: 1.2.2018), inzwischen als solche nicht mehr abrufbar. 37 Erwägungsgrund 58 VO Nr. 596/2014; zustimmend Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1484. 38 Grundlegend Fama, Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, Journal of Finance 25 (1970), 383 ff.; Fama, Efficient Capital Markets: II, Journal of Finance 46 (1991), 1575 ff.; s. auch Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 123 ff. 39 Fleischer, NZG 2006, 561, 564. 40 Commandeur, ZBB 2018, 114, 117; Fleischer, NZG 2006, 561, 565; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 12 f.; Maume/Kellner, ZGR 2017, 273, 277 ff.; Osterloh, Directors' Dealings, S. 65 ff.; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 4; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.2. 41 Erwägungsgrund 59 VO Nr. 596/2014. 42 Vgl. Jaffe, Journal of Business 47 (1974), 410 ff.; Finnerty, Journal of Finance 31 (1976), 1141 ff.; Seyhun, Journal of Financial Economics 16 (1986), 189 ff.; Benesh/Pari, The Financial Review 22 (1987), 145 ff.; Madden, The Financial Review 14 (1979), 27 (34); Rozeff/Zaman, Journal of Business 61 (1988), 25 (39); Rozeff/Zaman, Journal of Finance 53 (1997), 701 ff.; Bettis/Vickrey/Vickrey, Financial Analysts Journal 53, 5 (1997), 57 ff.; Jeng/Metrick/ Zeckhauser, Review of Economics & Statistics 85 (2003), 543 ff.; Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 123; Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1220 m.w.N.; Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923, 1925 Fn. 22; s. auch Riedl/Marten, DBW 2010, 553, 555 f. Die Untersuchung von Rau, Directors' Dealings, S. 84 ff., beurteilt diese Studien eher kritisch. 43 Lee/Bishara, The Financial Review 24 (1989), 235 ff.; Rau, Directors' Dealings, S. 106 f. 44 King/Roell, Economic Policy 1988, 165 ff.; Pope/Morris/Peel, Journal of Business Finance & Accounting 17 (1990), 359 ff.; Gregory/Matatko/Tonks, Journal of Business Finance & Accounting 24 (1997), 309 ff.; Friederich/Gregory/ Matatko/Tonks, European Financial Management 8 (2002), 7 ff.; Hillier/Marshall, Journal of Business Finance & Accounting 29 (2002), 77 ff.; Rau, Directors' Dealings, S. 102 ff. 45 Ams, Directors' Dealings, S. 85 ff.; Bajo/Petracci, Studies in Economics and Finance 23 (2006), 94 ff.; Deutsche Bank, Directors' Dealings in Europe, S. 19 ff.; Heidorn/Meyer/Pietrowia, S. 15 ff.; Hower-Knobloch, S. 108 f.; Rau, Die Unternehmung 2003, 393 ff.; Rau, Directors' Dealings, S. 221; Riedl, Transparenz, S. 193; Riedl/Marten, DBW 2010, 553, 556; Tebroke/Wollin, Die Unternehmung 2005, 31 ff. Zurückhaltender Dymke, Finanz-Betrieb 2007, 450, 458 ff. S. auch Pavlova, S. 131. 46 Tebroke/Wollin, Die Unternehmung 2005, 31, 49; Rau, Directors' Dealings, S. 221 f. (jeweils für Deutschland); Bettis/Vickrey/Vickrey, Financial Analysts Journal 53, 5 (1997), 57 ff.; Heidorn/Meyer/Pietrowia, S. 25 (für Deutschland und die Niederlande, während das Ergebnis von Italien eher bei Verkäufen eine Nachahmung empfehlenswert erscheinen lässt).
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 10 | Eigengeschäfte von Führungskräften genen Motiven beruhen und aus ihnen daher seltener Rückschlüsse auf das Unternehmen gezogen werden können. Dennoch lohnt auch die Nachahmung der Verkaufsentscheidungen, die hilft, größere Verluste zu vermeiden47. Auch zeigt sich bei kleineren und mittleren Unternehmen eine deutlichere Überrendite als bei Großunternehmen; die Überrendite ist zudem bei Gesellschaften mit hohem Streubesitz der Aktien größer48. Die Nachbildung der Geschäfte von Vorständen lassen deutlich höhere Renditen erwarten als die von Aufsichtsratsmitgliedern49. Geschäfte von juristischen Personen, die im Besitz oder in Abhängigkeit von einer Führungsperson stehen50, entfalten ebenfalls eine Indikatorwirkung, während dies nicht für Geschäfte von Angehörigen der Führungsperson gilt51. Angesichts der mit Managers' Transactions verbundenen Indikatorwirkung verwundert es nicht, dass auch hierzulande dem Kauf- und Verkaufsverhalten der Personen mit Führungsaufgaben besondere Aufmerksamkeit zuteilwird52. Die Regelung des Art. 19 VO Nr. 596/2014 ist insofern unvollständig, als der Anleger nicht erfährt, in welchem Umfang die Unternehmensleitung Anteile besitzt (s. Rz. 71), denn nur Bewegungen im Anteilsbesitz sind meldepflichtig. Die Indikatorwirkung von Managers' Transactions birgt aber auch Gefahren für den Anleger. Beruhen die von der Person mit Führungsaufgaben vorgenommenen Transaktionen auf Motiven, die mit der Entwicklung des Emittenten in keinem Zusammenhang stehen (etwa der Beseitigung eines Liquiditätsengpasses zur Begleichung privater Steuerschulden), kann das Publikum zu Fehlschlüssen verleitet werden53. Die Meldepflicht kann von der Unternehmensleitung sogar bewusst ausgenutzt werden, um über private Aktienkäufe Vertrauen in ein Unternehmen zu signalisieren, das keines Vertrauens mehr würdig ist54. 11 Die Meldepflicht der Personen mit Führungsaufgaben bewirkt, dass das breite Anlegerpublikum an deren
Wissensvorsprung über die Verhältnisse des Emittenten zumindest indirekt teilhat. Damit wohnt der Bestimmung ein Element der Anlegergleichbehandlung inne55. Innerhalb ihres Anwendungsbereichs geht sie über die Wirkung des Insiderhandelsverbots und der Ad-hoc-Publizität hinaus, da sie auch Fälle erfasst, in denen die Erheblichkeitsschwelle des Art. 7 VO Nr. 596/2014 nicht erreicht ist. Eine umfassende Anlegergleichbehandlung wird durch Art. 19 VO Nr. 596/2014 allerdings nicht verwirklicht. Denn dem Publikum ist nicht der ggf. vorhandene Wissensvorsprung oder die Einschätzung der Person mit Führungsaufgaben von der Zukunft des Unternehmens mitzuteilen (es sei denn, die Voraussetzungen des Art. 17 VO Nr. 596/ 2014 lägen vor), sondern nur die (vermutete) Reaktion der Personen mit Führungsaufgaben hierauf. Die Vorteile, die Personen mit Führungsaufgaben aus einem solchen Wissensvorsprung zufließen, werden damit (zumindest teilweise) eingeebnet56. Allerdings führt die Meldefrist von drei Tagen dazu, dass eventuelle Informationsvorsprünge oftmals schon wieder überholt sind (s. Rz. 130)57.
12 Die Vorschrift soll mittelbar der Prävention des Insiderhandels und der Marktmanipulation dienen58 und
damit die Marktintegrität erhalten, denn sie erhöhe das Entdeckungsrisiko59. Diese Vorstellung des Unionsrechtsgebers mutet auf den ersten Blick etwas naiv an. Eine Person mit Führungsaufgaben, die einen vorsätzlichen Insiderverstoß begeht oder begehen will, wird sich schwerlich an die mit einem bloßen Bußgeld bewehrte Vorschrift des Art. 19 VO Nr. 596/2014 halten, die zudem als mitbestrafte Nachtat gelten dürfte. Allerdings zeigt der Fall Kengeter, dass die Meldepflichten in der Praxis durchaus zu ernsthaften Ermittlun47 Rau, Directors' Dealings, S. 222. 48 Tebroke/Wollin, Die Unternehmung 2005, 31, 49 f.; Rau, Directors' Dealings, S. 222 f.; Riedl, Transparenz, S. 194, 221 f.; s. auch Ams, Directors' Dealings, S. 108 ff. 49 Rau, Directors' Dealings, S. 223; anders die Feststellungen von Riedl, Transparenz, S. 233 f. 50 Riedl, Transparenz, S. 234. 51 Riedl, Transparenz, S. 235. 52 Riedl, Transparenz, S. 236. Es gibt erste Fonds, die ihre Anlagestrategie nach den gemeldeten Directors' Dealings ausrichten, Rau, Directors' Dealings, S. 2 m.w.N. 53 Kritisch deshalb auch Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 475. 54 Vgl. die bei Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1220, beschriebenen Fälle „Intershop“ und „Comroad“. S. zum Ganzen auch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 21. 55 Diekgräf, Directors' Dealings, S. 39 ff.; Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 21; Osterloh, Directors' Dealings, S. 72 f.; Maume/Kellner, ZGR 2017, 273, 279; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.2; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 4. 56 Eine Pflicht zur Abführung der erzielten Gewinne kennt das deutsche Recht nicht. Zu den Folgen von Verstößen gegen das Handelsverbot s. Rz. 187. 57 Hower-Knobloch, S. 185 f. 58 EU-Kommission, Vorschlag für [eine] Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) v. 20.10.2011, COM(2011) 651, S. 12; Poelzig in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, Art. 19 Marktmissbrauchs-VO Rz. 2; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.2. 59 Vgl. Erwägungsgrund 59 VO Nr. 596/2014.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 13 Art. 19 VO Nr. 596/2014
gen wegen Insiderhandels Anlass geben können60. Entscheidend ist vielmehr ein anderer Gedanke. Melden einige Personen mit Führungsaufgaben Geschäfte mit Finanzinstrumenten, kann die zuständige Behörde gezielt untersuchen, ob auch andere Personen mit Führungsaufgaben solche Geschäfte getätigt haben und ob diese Geschäfte im Zusammenhang mit dem Wissen über Insiderinformationen stehen. Art. 19 VO Nr. 596/ 2014 entfaltet seine präventive Wirkung daher allenfalls durch die Ungewissheit jeder Person mit Führungsaufgaben über das Verhalten der übrigen Personen mit Führungsaufgaben. Ein Insider kann nur dann hoffen, beim Insiderhandel unentdeckt zu bleiben, wenn er sicher ist, als Einzige der Führungspersönlichkeiten Kenntnis einer bestimmten Tatsache zu haben, oder wenn alle Personen mit Führungsaufgaben beim Insiderhandel einvernehmlich zusammenwirken61. Dieser Abschreckungseffekt wird aber zu Recht als gering eingestuft62. Teilweise wird aus dem Vorstehenden gefolgert, dass solche Führungskräfte etc., die tatsächlich einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot begangen haben, aufgrund des nemo tenetur-Grundsatzes keiner Pflicht zur Meldung nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 unterlägen63. Dem ist im Ergebnis nicht zu folgen. Zwar hat der EuGH zu Recht festgestellt, dass der nemo tenetur-Grundsatz auch auf Sanktionen nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 Anwendung findet64. Dabei geht es aber um mangelnde Kooperation im Rahmen von behördlichen Ermittlungsmaßnahmen, also um Auskunftspflichten gegenüber einer Behörde im Rahmen eines durch diese angestrengten Ermittlungsverfahrens. Demgegenüber dient die Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht einem Ermittlungsverfahren, sondern soll die Markttransparenz und -integrität erhöhen. Die Weiterleitung an die zuständige Behörde erfolgt nicht durch die meldepflichtige Person, sondern den Emittenten (s. Rz. 143) und dient vor allem dazu, dass die Behörde die Ordnungsgemäßheit der Meldung als solche überprüfen kann. Eine Veröffentlichungspflicht gegenüber dem Kapitalmarkt fällt daher nicht in den Anwendungsbereich des nemo tenetur-Grundsatzes (s. auch § 98 WpHG Rz. 89). Sollte man dies anders sehen, wäre aber keinesfalls die Meldepflicht nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 ausgesetzt. Vielmehr dürften die Behörden/Gerichte die Meldung allenfalls nicht als Beweismittel für eine Verurteilung wegen Insiderhandels verwenden. Ein Bußgeld wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht (dazu Rz. 197) bliebe aber möglich. Das periodische Handelsverbot gem. Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 stellt einen institutionellen Schutz 13 gegen Insiderhandel dar65, indem – unabhängig von den Voraussetzungen des Art. 8 VO Nr. 596/2014 – Geschäfte, die abstrakt die Gefahr der Ausnutzung eines Informationsvorsprungs bergen, umfassend untersagt sind. Gleichzeitig zeigt Art. 19 Abs. 12 VO Nr. 596/2014, der Ausnahmen von dem Handelsverbot von einer Gestattung durch den Emittenten abhängig macht, dass dem Emittenten eine Art „Eigentumsrecht“ an dem potentiellen Insiderwissen seiner Führungskräfte zugesprochen wird66. Dies spricht dafür, das Handelsverbot auch mit zivilrechtlichen Sanktionen zugunsten des Emittenten zu versehen (s. Rz. 187).
60 S. Börsen-Zeitung v. 2.2.2017, S. 1 („Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Carsten Kengeter“), wonach die potentiellen Insidergeschäfte des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse AG „den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes entsprechend gemeldet“ wurden. In der Folge trat Herr Kengeter von seiner Position zurück; s. Börsen-Zeitung v. 27.10.2017, S. 1 („Carsten Kengeter tritt zum Jahresende zurück“), die Ermittlungen gegen ihn wurden gegen Zahlung von 4,75 Millionen Euro eingestellt, s. https://www.spiegel.de/wirtschaft/unter nehmen/deutsche-boerse-ex-chef-carsten-kengeter-zahlt-4-75-millionen-euro-bussgeld-a-1246162.html. 61 Unmittelbarer ist der Zusammenhang von Managers' Transactions und Insiderprävention in den USA. Um jeden Anreiz zu Insiderhandel zu unterbinden, müssen Organmitglieder/Aktionäre mit bedeutender Beteiligung, die innerhalb der letzten sechs Monate sowohl Käufe als auch Verkäufe in Aktien des Emittenten getätigt haben, evtl. Gewinne an die Gesellschaft abführen (s. 16(b) SEA – sog. Short Swing Profit Rule). Den Anspruch kann der Emittent oder ein Aktionär durchsetzen. Um die Anspruchsberechtigung überhaupt erkennen zu können, sind der Emittent und die Aktionäre auf die Meldepflicht der Directors' Dealings nach s. 16(a) SEA angewiesen. Die Wirksamkeit der Short Swing Profit Rule ist empirisch nicht eindeutig nachweisbar, Agrawal/Jaffe, Journal of Financial Economics 39 (1995), 295 ff. Positiver dagegen Veil, ZGR 2005, 155, 176 („geeignet, verhaltenssteuernd zu wirken“). 62 Hower-Knobloch, S. 170, unter Hinweis auf spieltheoretische Überlegungen; ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/ Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 20; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 28. 63 Bekritsky, BKR 2021, 340, 347 f. 64 EuGH v. 2.2.2021 – Rs. C-481/19 – Consob, ECLI:EU:C:2021:84. 65 Allgemein auch Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 7. 66 Kritisch Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 17, 47, deren Hinweis auf die Veröffentlichungspflicht des Art. 17 VO Nr. 596/2014 aber nicht überzeugt. Denn diese Veröffentlichungspflicht zeigt gerade, dass allein der Emittent die Information veröffentlichen soll oder dies unter den Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 zurückstellen darf.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 14 | Eigengeschäfte von Führungskräften
3. Regelungsvorbilder und -alternativen a) Ausländische Regelungsvorbilder 14 Archetypus einer Meldepflicht für Managers' Transactions ist s. 16(a) des US-amerikanischen Securities Ex-
change Act 193467, der durch s. 403 des Sarbanes-Oxley Act 200268 noch verschärft wurde. S. 16(b) sieht zudem eine Abführungspflicht für alle innerhalb von sechs Monaten erzielten Spekulationsgewinne vor („Short Swing Profit Rule“)69. In Großbritannien war die Regelung der Managers' Transactions gesellschaftsrechtlich verankert (s. 324 Companies Act 1985, ergänzt durch die ss. 325–329 und schedule 13)70 und erfasste gleichermaßen börsennotierte und nicht notierte Gesellschaften; dies schmälerte jedoch die kapitalmarktrechtliche Bedeutung der ss. 324 et seq. nicht. Denn börsennotierte Gesellschaften waren nach s. 329 verpflichtet, die Meldungen an die Börse weiterzuleiten. Eine frühe Regelung der Managers' Transactions fand sich zudem in Spanien, das bereits in den Jahren 1988 und 1991 diese Frage regelte71. Die Schweiz hat hingegen erst seit 1.7.2005 eine Regelung der sog. Management-Transaktionen72. b) Vollständiges Handelsverbot
15 Die Alternative zu einer Mitteilungspflicht über erfolgte Managers' Transactions („post-trading disclosure“)
wäre ein völliges Verbot des Handels von Personen mit Führungsaufgaben in Anteilen oder Schuldtiteln „ihres“ Unternehmens. Gegen ein absolutes Handelsverbot spricht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz73. Der damit verbundene Eingriff in die von Art. 16 GrCh geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit bzw. das Eigentumsrecht gem. Art. 17 GrCh der Personen mit Führungsaufgaben wäre zu groß. Außerdem ist eine Beteiligung der Führungspersonen am Emittenten oft gerade gewünscht, um eine Identifikation mit dem Unternehmen zu erreichen. Diesem Ziel dienen Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte. Durch die Marktmissbrauchsverordnung wurde nun erstmals ein dem deutschen Recht bis dahin unbekanntes periodisches Handelsverbot in Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 eingeführt (s. dazu ausführlich Rz. 153 ff.). c) Pre-trading disclosure
16 Diskutiert wurde weiterhin eine Verpflichtung zur Offenlegung beabsichtigter Managers' Transactions („pre-
trading disclosure“)74. Auch diese Alternative überzeugt nicht. Zum einen wäre das Vorstandsmitglied, das Geschäfte in Anteilen oder Schuldtiteln des Unternehmens plant, nach Ankündigung der geplanten Geschäfte nicht verpflichtet, diese dann auch tatsächlich vorzunehmen. Marktmanipulationen, die gerade vermieden werden sollen, wären Tür und Tor geöffnet75. Zum anderen wäre eine pre-trading disclosure unverhältnismäßig. Der Kurs der Anteile oder Schuldtitel würde durch die Ankündigung der geplanten Managers' Transactions 67 Zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihrer Regelungsphilosophie Taylor, 39 Ariz. L. Rev. (1997), 1315, 1319 f.; Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1221 f. 68 Aus dem deutschen Schrifttum zum Sarbanes-Oxley Act 2002 Henssler, Der Einfluss des Sarbanes-Oxley Acts auf die Fortentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts, Der Konzern 2003, 255; Atkins, Der Sarbanes-Oxley Act: Zielsetzungen, Inhalt und Implementierungsstand, Der Konzern 2003, 260; Kley, Neue Corporate Governance Regeln in den USA und Europa – Mehr Probleme als Lösungen?, Der Konzern 2003, 264; Sünner, Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act im Ausland, Der Konzern 2003, 268; Lehne, Stand der europäischen Corporate GovernanceEntwicklung, Der Konzern 2003, 272, 274 f.; Gordon, The Conference on New Corporate Governance Regulators in the USA and Europe, Der Konzern 2003, 275; Gruson/Kubicek, Der Sarbanes-Oxley-Act, Corporate Governance und das deutsche Aktienrecht, AG 2003, 337 (I), 393 (II). 69 Dazu Hellgardt, AG 2018, 602, 603 f.; Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S. 100 f. Zur rechtspolitischen Frage der Einführung einer solchen Pflicht ins deutsche Recht Veil, ZGR 2005, 155, 171 ff. 70 Zu Einzelheiten Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1221 ff. m.w.N. Die Regelungen, die zwischenzeitlich ins Kapitalmarktrecht verlagert worden waren (sec. 73A(3) und 96A(1) Financial Services and Markts Act 2000), wurden mit Inkrafttreten von Art. 19 VO Nr. 596/2014 aufgehoben. 71 Deutsche Bank, Directors' Dealings in Europe, S. 13. 72 Dazu etwa Fritschi, Die Offenlegung von Management-Transaktionen, 2011; von Planta, Meldung von Management-Transaktionen, in FS Rolf H. Weber, 2011, S. 353 ff. 73 Ebenso Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 39; Maume/Kellner, ZGR 2017, 273, 283; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 26a. Zu den Vorteilen des Transparenzmodells gegenüber einem Verbotsmodell Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Sekundärmarktes, 2002, S. 323 ff. 74 Befürwortend etwa Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 14/8017, 165; Fried, Reducing the Profitability of Insider Trading through Pretrading Disclosure, 71 S. Cal. L. Rev. (1998), 303; Großmann/Nikoleyczik, DB 2002, 2031, 2033; Rudolph, BB 2002, 1036, 1040; ablehnend Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 26; Posegga, BKR 2002, 1061 f.; Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 210 f.; Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923, 1927. Zur rechtspolitischen Fragestellung ausführlich auch Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1227 f.; Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 124 f. 75 Das Gegenargument von Maume/Kellner, ZGR 2017, 273, 282, eine solche Marktmanipulation sei bereits durch Art. 15 VO Nr. 596/2014 verboten bzw. eine Stornierung stelle verbotenen Insiderhandel dar, ist nur dann zutref-
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 17 Art. 19 VO Nr. 596/2014
sofort beeinflusst, so dass das Vorstandsmitglied stets einen schlechteren Preis bekommt als vor der Ankündigung: Bei einem angekündigten Verkauf würde der Kurs voraussichtlich sinken und der Vorstand würde weniger für seine Finanzinstrumente erlösen. Beim angekündigten Kauf würde die Person mit Führungsaufgaben auf Grund der Ankündigung voraussichtlich einen höheren Preis zu zahlen haben. Der Vorteil der anderen Marktteilnehmer wäre demgegenüber nicht allzu groß, da die Information bei der pre-trading disclosure nur unwesentlich früher an den Markt gelangt als bei der post-trading disclosure. Die Personen mit Führungsaufgaben könnten auf Grund der damit einhergehenden Schlechterstellung am Markt von Geschäften mit Finanzinstrumenten abgehalten werden. Der mit Art. 19 VO Nr. 596/2014 verfolgte Zweck der Bekanntmachung von Informationen mit Indikatorwirkung wäre vereitelt. Im Ergebnis würde eine pre-trading disclosure auch die mit Aktienoptionsprogrammen verfolgte Bindung der Führungsebene an „ihr“ Unternehmen konterkarieren76.
4. Tatsächliche Bedeutung der Regelung Die Zahl der Meldungen ist zunächst stark angestiegen und pendelt sich jetzt auf einem recht hohen Niveau 17 ein. Die Zahl der Bußgeldverfahren ist vergleichsweise gering und nahm in der Vergangenheit nahezu kontinuierlich ab. Seit Inkrafttreten der Marktmissbrauchsverordnung ist wieder ein deutlicher Anstieg der Meldungen zu verzeichnen, der sich einerseits durch die Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereiches, andererseits durch die Erfassung von Emittenten an OTF und MTF erklären lässt77. Gemessen an der Zahl der gemeldeten Managers' Transactions ist die Zahl der Bußgeldverfahren und verhängten Bußgelder gering. Dass sich die Bußgeldverfahren häufig über mehrere Jahre hinziehen und nur ausnahmsweise mit der Verhängung von Bußgeldern enden, weckt Zweifel an der effektiven Rechtsdurchsetzung durch die BaFin. Die Jahresberichte der BaFin nennen folgende Zahlen: Jahr
Meldungen
Bußgeldverfahren neu eröffnet
vom Vorjahr
Gesamt
eingestellt
Buße verhängt
offen am Jahresende
ab 7/2002
1067
3
0
3
0
0
3
2003
1980
112
3
115
4
4 (bis 20.000 €)
107
2004
2723
61
107
168
7
9 (bis 14.000 €)
152
2005
5118
2
152
154
59
3 (bis 7.500 €)
92
2006
4687
11
92
103
71
8 (bis 5.000 €)
24
2007
4603
5
24
29
10
10 (bis 37.500 €)
9
2008
4978
7
9
16
5
2 (bis 10.000 €)
9
2009
2673
4
9
13
1 (Freispruch)
1 (2.000 €)
11
2010
2258
3
11
14
3
1 (4.000 €)
10
2011
2869
2
10
12
4
4 (bis 12.000 €)
4
2012
2281
7
4
11
1
2 (bis 35.000 €)
8
2013
2187
2
8
10
1
1 (5.500 €)
8
2014
1800
2
8
10
0
3 (bis 15.000 €)
7 6
2015
1809
3
7
10
4
0
2016
2879
1
6
7
1
0
6
2017
2789
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
n.a.
2018
3260
1
5
6
1
2 (bis 5.325 €)
4
2019
3198
0
4
4
1
0
3
2020
3793
6
3
9
1
0
8
fend, wenn man von einer tatsächlichen Durchsetzung dieser Verbote ausgeht. Wie hier Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 42. 76 Eine solche Bindung empfiehlt das Deutsche Aktieninstitut den Emittenten, Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors' Dealings, S. 60 f.; Leven, Directors' Dealings: Zur Umsetzung der neuen Meldepflichten, AG 2003, R 52. 77 BaFin, Jahresbericht 2016, S. 183.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 18 | Eigengeschäfte von Führungskräften
III. Meldepflicht (Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) 1. Sachlicher Anwendungsbereich 18 Die Meldepflicht bezieht sich nur auf Personen mit Führungsaufgaben (und in enger Beziehung zu ihnen
stehende Personen) bei bestimmten Emittenten von Finanzinstrumenten (Rz. 19 ff.), bei Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate (Rz. 22) und bei Versteigerungsplattformen und Versteigerern (Rz. 23). a) Emittenten von Finanzinstrumenten (Art. 19 Abs. 4 VO Nr. 596/2014)
19 Vom Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 sind zunächst die Führungspersonen von
Emittenten erfasst. Anders als bei der Vorgängerregelung des § 15a WpHG a.F. werden nicht nur Führungskräfte von Aktienemittenten, sondern grundsätzlich aller Emittenten von Finanzinstrumenten erfasst. Damit kommen, anders als bislang, nicht nur Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, sondern insbesondere auch GmbHs (und weitere Unternehmensträger), die Schuldverschreibungen ausgeben, als Emittenten i.S.d. Art. 19 VO Nr. 596/2014 in Betracht. Art. 3 Abs. 1 Nr. 21 VO Nr. 596/2014 stellt aber klar, dass es sich um eine juristische Person handeln muss. Dies ist nicht technisch zu verstehen, so dass auch Personengesellschaften erfasst sein können (z.B. Kommanditgesellschaften), nicht aber natürliche Personen (argumentum e contrario Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014). Obwohl nach dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 die Emittenten sämtlicher Finanzinstrumente erfasst sind, bezieht sich die Meldepflicht gem. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 und das Handelsverbot gem. Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 lediglich auf Geschäfte mit Anteilen oder Schuldtiteln sowie damit verbundenen Derivaten oder Finanzinstrumenten78. Daraus lässt sich schließen, dass nur Emittenten von Anteilen oder Schuldtiteln vom sachlichen Anwendungsbereich des Art. 19 VO Nr. 596/2014 erfasst sind, nicht aber solche Emittenten, die ausschließlich andere Finanzinstrumente oder Derivate emittieren. Diese Erweiterung des Anwendungsbereiches – zusammen mit einer Ausdehnung der erfassten Geschäfte (dazu Rz. 69 ff.) – überzeugt, weil die Indikatorwirkung eines Eigengeschäftes für den Markt nicht nur bei Aktien, sondern bei Schuldtiteln gegeben und unabhängig von der Rechtsform des Emittenten ist.
20 Art. 19 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 präzisiert den Kreis der erfassten Emittenten. Der Anwendungsbereich
umfasst demnach neben Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente (d.h. Anteile oder Schuldtitel, s. zuvor Rz. 19) eine Zulassung an einem geregelten Markt i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 VO Nr. 596/201479 beantragt oder genehmigt haben (Art. 19 Abs. 4 lit. a VO Nr. 596/2014), auch Emittenten, deren Finanzinstrumente eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem (Multilateral Trading Facilities, MTF) i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 7 VO Nr. 596/201480 beantragt oder erhalten haben, sowie Emittenten, die für ihre Finanzinstrumente eine Zulassung an einem organisierten Handelssystem (Organised Trading Facilities, OTF) i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 VO Nr. 596/201481 erhalten haben (Art. 19 Abs. 4 lit. b VO Nr. 596/ 2014). Obwohl Art. 19 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 anders als die Parallelregelungen in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 3 sowie Art. 18 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 nicht die Einschränkung enthält, dass sich der geregelte Markt bzw. das MTF oder OTF „in einem Mitgliedstaat“ befinden muss, gilt im Ergebnis nichts Abweichendes. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Definitionen des geregelten Marktes sowie von MTF und OTF jeweils auf eine Genehmigung durch einen Mitgliedstaat verweisen82. Nach wie vor sind nur Führungskräfte solcher Emittenten erfasst, die an der Notierung ihrer Finanzinstrumente aktiv mitgewirkt haben83. Im Rahmen von MTFs und OTFs sind dabei drei Konstellationen denkbar: (1) der Emittent hat selbst einen Antrag auf Zulassung/Einbeziehung zum Handel gestellt; (2) der Emittent hat einen Dritten beauftragt, einen solchen Antrag zu stellen; (3) der Emittent hat die Zulassung bzw. Einbeziehung seiner Finanzinstrumente zum Handel durch einen Dritten genehmigt84. In Deutschland betrifft diese Änderung praktisch vor allem solche Emittenten, deren Wertpapiere auf ihren Antrag in den Freiverkehr gem. § 48 BörsG einbezogen sind bzw. die einen entsprechenden Einbeziehungsantrag gestellt haben. Anders als unter § 15a WpHG a.F. sind ihre Führungskräfte nun dazu verpflichtet, Eigengeschäfte nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 zu
78 79 80 81 82 83
Zustimmend Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 17. S. Assmann, Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 13 f. S. Assmann, Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 15 f. S. Assmann, Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 17. Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 15. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.1 (S. 66); ebenso Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1483; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 130; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595; Stüber, DStR 2016, 1221, 1222. 84 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, I.3.2.1.1 (S. 26).
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 24 Art. 19 VO Nr. 596/2014
melden85. Ausgenommen von der Pflicht zur Meldung von Eigengeschäften sind daher nur noch Führungskräfte solcher Emittenten, deren Anteile oder Schuldtitel allein „over the counter“ (OTC) gehandelt werden. Hierdurch tritt eine deutliche Erweiterung des Anwendungsbereichs im Vergleich zu § 15a WpHG a.F. ein. 21 Die frühere Regelung erfasste nur die Finanzinstrumente von Emittenten an geregelten Märkten. Zielsetzung des erweiterten Anwendungsbereiches des Art. 19 VO Nr. 596/2014 ist es, wie sich aus Erwägungsgrund 8 VO Nr. 596/2014 ergibt, auf die Zunahme des Handels auf multilateralen Handelssystemen zu reagieren und durch eine Berücksichtigung dieser Handelssysteme den Anlegerschutz zu verbessern und die Marktintegrität zu wahren. b) Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate (Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014) Vom Anwendungsbereich der Pflichten nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 werden auch die Führungskräfte von 22 Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/201486 erfasst (Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014). Da diese Definition auf die Ausnahme des Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 596/ 2014 verweist, gelten die konzernweiten Mindestwerte gem. Art. 5 DelVO 2016/522 auch für Art. 19 VO Nr. 596/201487. Die Erweiterung auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate ist eine Konsequenz der Ausweitung des Marktmissbrauchsrechts auf Emissionszertifikate. Bei der konkreten Ausgestaltung der Pflichten nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 existieren im Grundsatz keine Abweichungen gegenüber den Führungskräften von Emittenten. Das periodische Handelsverbot gilt allerdings nicht für diese Führungskräfte, da Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 seinem eindeutigen Wortlaut nach nur Führungskräfte von Emittenten erfasst. c) Versteigerungsplattformen und Versteigerer (Art. 19 Abs. 10 VO Nr. 596/2014) Eine zusätzliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Meldepflichten ist durch Art. 19 Abs. 10 VO 23 Nr. 596/2014 erfolgt. Demnach unterliegen auch die Führungspersonen von Versteigerungsplattformen (Art. 26 und 30 VO Nr. 1031/2010) und Versteigerern (Art. 3 Nr. 20 sowie Art. 23 f. VO Nr. 1031/2010), die an Auktionen gem. der VO Nr. 1031/2010 beteiligt sind, sowie diesen nahestehende Personen den Meldepflichten nach Art. 19 VO Nr. 596/2014. Die Ausweitung ist allerdings sachlich begrenzt. Erfasst sind nur Eigengeschäfte mit Emissionszertifikaten oder deren Derivaten und darauf beruhenden Auktionsprodukten. Die Mitteilung nach Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 hat in diesem Falle sowohl an die jeweilige Versteigerungsplattform oder den Versteigerer zu erfolgen als auch an die zuständige Behörde, bei der die Versteigerungsplattform oder der Versteigerer registriert ist. Die noch in Art. 19 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 genannte Auktionsaufsicht, die ursprünglich in Art. 24 f. VO 23a Nr. 1031/2010 geregelt war, wurde 2019 durch Art. 1 Abs. 19 DelVO 2019/186888 abgeschafft. Seitdem die VO Nr. 596/2014 auch für die Versteigerungen von Emissionszertifikaten gelte und diese damit der Aufsicht der zuständigen Behörden unterliege, sei eine eigenständige Auktionsaufsicht entbehrlich; deren Aufgaben sollten von den Auktionsplattformen, der Kommission, den Mitgliedstaaten und den zuständigen nationalen Behörden übernommen werden (so Erwägungsgrund 9 DelVO 2019/1868). Die notwendige Folgeänderung in Art. 19 Abs. 10 VO Nr. 596/2014 wurde offenbar vergessen. Die Vorschrift hat aber mit der Abschaffung der Auktionsaufsicht insoweit ihren Anwendungsbereich verloren.
2. Persönlicher Anwendungsbereich a) Personen mit Führungsaufgaben (Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014) aa) Überblick Die Vorschrift wendet sich an Personen mit Führungsaufgaben bei Emittenten i.S.d. Art. 19 Abs. 4 VO 24 Nr. 596/2014, Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 20 VO Nr. 596/2014, Versteigerungsplattformen i.S.d. Art. 26 und 30 VO Nr. 1031/2010 und Versteigerern i.S.d. Art. 3 Nr. 20, Art. 23 f. VO Nr. 1031/2010. Gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a VO Nr. 596/2014 fallen unter den Begriff der 85 Graßl, DB 2015, 2066, 2069; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1483; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 593, 595; Stüber, DStR 2016, 1221, 1222. 86 S. Assmann, Art. 3 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 und Art. 17 VO Nr. 596/2014 Rz. 255–257b. 87 Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 131. 88 Delegierte Verordnung (EU) 2019/1868 der Kommission vom 28.8.2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 zwecks Angleichung der Versteigerung von Zertifikaten an die EU-EHS-Vorschriften für den Zeitraum 2021 bis 2030 und an die Einstufung von Zertifikaten als Finanzinstrumente gemäß der Richtlinie 2014/65/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 289 v. 8.11.2019, S. 9.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 24 | Eigengeschäfte von Führungskräften Person mit Führungsaufgaben zunächst die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane, also Organmitglieder im formellen Sinne (dazu Rz. 25–30). Daneben werden auch höhere Führungskräfte, die regelmäßigen Zugang zu das Unternehmen direkt oder indirekt betreffenden Insiderinformationen haben und darüber hinaus auch unternehmerische Entscheidungen über die zukünftigen Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Unternehmens treffen können (Organ im materiellen Sinne), nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 dem persönlichen Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 unterworfen (dazu Rz. 31–37). Maßgeblich für die Bestimmung des Kreises der Führungspersonen ist das Gesellschaftsstatut des jeweiligen Emittenten. Ist das deutsche Recht maßgebend, gelten die nachfolgenden Ausführungen (Rz. 25 ff.). Ist ein ausländisches Gesellschaftsstatut maßgebend, ist nach diesem zu bestimmen, wer zu den Mitgliedern eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten gehört und wer als top executive gilt. bb) Leitungs- und Verwaltungsorgane von AG, SE und GmbH 25 Mitglieder eines Leitungsorgans i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 sind bei einer Ak-
tiengesellschaft die Mitglieder des Vorstands (§ 76 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG). Auch die stellvertretenden Vorstandsmitglieder (§ 94 AktG) sind erfasst89, da es sich bei ihnen – entgegen der äußerst missverständlichen Bezeichnung – um vollwertige Vorstandsmitglieder handelt90. Der Arbeitsdirektor ist nach § 76 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 13 Abs. 1 Satz 1 Montan-MitbestG, § 13 MitbestErgG, § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG gleichberechtigtes Mitglied des Geschäftsführungsorgans und unterfällt daher ebenfalls Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/ 201491. Die zur AG gemachten Ausführungen gelten entsprechend für die dualistisch verfasste SE, bei der folglich die Mitglieder des Leitungsorgans (Art. 39 SE-VO) und ihre Stellvertreter (§ 40 Abs. 9 SEEG) erfasst sind. Bei der monistisch verfassten SE sind die Mitglieder des Verwaltungsrats (Art. 43 SE-VO) und die geschäftsführenden Direktoren (§ 40 SEEG) Führungspersonen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014 und daher von den Pflichten des Art. 19 VO Nr. 596/2014 erfasst92.
26 Wenn eine GmbH Schuldverschreibungen emittiert, ist ihr Geschäftsführer als Mitglied eines Leitungsorgans
i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 anzusehen. Darüber hinaus können aber auch (Allein)Gesellschafter der GmbH – abhängig von ihren tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung – als Mitglieder eines Leitungsorgans einzustufen sein (zur Einstufung als Aufsichtsorgan s. Rz. 28). Die Gesellschafter sind in ihrer Gesamtheit ein notwendiges Gesellschaftsorgan der GmbH93. Wegen der sachlichen Allzuständigkeit der Gesellschafter94 können sie im Gesellschaftsvertrag (oder der Gesellschaftspraxis) mit umfassenden Geschäftsführungskompetenzen ausgestattet werden95. Wenn sie dabei Kompetenzen wahrnehmen, die mit denen eines Geschäftsführers vergleichbar sind, fallen sie unter die Definition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/201496. Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem Gesellschafter um eine juristische Person handelt97. Dies folgt aus der Legaldefinition in Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014, derzufolge der Ausdruck „Person“ auch juristische Personen einschließt. Die Beschränkung der Organstellung auf natürliche Personen ist eine Besonderheit des deutschen Gesellschaftsrechts, die für die Auslegung der Marktmissbrauchsverordnung keine Gültigkeit beanspruchen kann. Auch fakultative GmbH-Organe mit Geschäftsführungskompetenz fallen unter Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/201498 ebenso wie ein fakultatives Organ der KGaA, dem strategische Aufgaben der Geschäftsführung übertragen wurden99.
cc) Aufsichtsorgane von AG, KGaA, SE und GmbH 27 Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 3 VO Nr. 596/2014 erstreckt den Anwendungsbereich von Art. 19 VO Nr. 596/
2014 auf Mitglieder von Aufsichtsorganen. Dies sind bei der Aktiengesellschaft und der Kommanditgesellschaft auf Aktien die Mitglieder des Aufsichtsrats, bei der dualistisch verfassten SE die Mitglieder des Auf89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99
Ebenso Kumpan, AG 2016, 446, 448; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 60. Einzelheiten bei Koch, § 94 AktG Rz. 1 f.; Diekgräf, Directors' Dealings, S. 207. Zustimmend Diekgräf, Directors' Dealings, S. 207. Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 60; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 28. K. Schmidt/Bochmann in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 45 GmbHG Rz. 5. S. K. Schmidt in Scholz, 12. Aufl. 2021, § 46 GmbHG Rz. 1. Dies übersieht Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 28, der GmbH-Gesellschafter allenfalls als top executives nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 erfasst ansieht. So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 67). BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 67). BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 67). Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 61 f.; Osterloh, Directors' Dealings, S. 351; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 69.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 29 Art. 19 VO Nr. 596/2014
sichtsorgans (Art. 40 SE-VO)100. Bei einer mitbestimmten Gesellschaft ist es gleichgültig, ob es sich um Vertreter der Anteilseignerseite oder der Arbeitnehmerseite handelt101. Der Aufsichtsrat kennt keine stellvertretenden Aufsichtsratsmitglieder, sondern nur Ersatzmitglieder, die bei Wegfall eines Mitglieds des Aufsichtsrats nachrücken (§ 101 Abs. 3 AktG). Die Ersatzmitglieder werden von Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 erst erfasst, nachdem sie nachgerückt sind, denn erst dann haben sie eine Stellung als Mitglied des Organs inne102. Bei einer GmbH sind (Allein-)Gesellschafter regelmäßig als Mitglieder eines Aufsichtsorgans einzustufen, 28 sofern sie nicht schon als Mitglieder eines Leitungsorgans anzusehen sind (s. Rz. 26). Die Gesellschafter einer GmbH verfügen aufgrund ihres Weisungsrechts über allumfassende Informationsmöglichkeiten und sind daher im Hinblick auf ihren Zugang zu Insiderwissen bezüglich der emittierten Finanzinstrumente dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft mindestens ebenbürtig103. Jedenfalls besteht ein kategorialer Unterschied zwischen GmbH-Gesellschaftern und Aktionären, der sich bereits daran zeigt, dass die GmbH grundsätzlich über kein spezielles Aufsichtsorgan verfügt. Die GmbH-Gesellschafter sind nur dann ausnahmsweise nicht als Mitglieder eines Aufsichtsorgans einzustufen, wenn ein anderes Organ besteht, auf das umfassend die Aufsichtskompetenzen der Gesellschafter übertragen sind, so dass die Gesellschafter letztlich nur eine den Aktionären vergleichbare Stellung haben (dazu Rz. 36). Bei einer mitbestimmten GmbH fallen die Aufsichtsratsmitglieder unter Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 3 VO Nr. 596/2014, gleiches gilt für die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrats gem. § 52 Abs. 1 GmbHG. Bei sonstigen fakultativen Organen, insbesondere einem Beirat oder Gesellschafterausschuss, kommt es entscheidend auf die Kompetenzen an. Sofern das Gesellschaftsorgan Kompetenzen wahrnimmt, die mit einem Aufsichtsrat vergleichbar sind, sind seine Mitglieder von Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 3 VO Nr. 596/2014 erfasst104. Dasselbe gilt für ein fakultatives Aufsichtsorgan bei der KGaA. dd) Persönlich haftende Gesellschafter und Komplementärgesellschaften Anders als in § 15a Abs. 2 WpHG a.F. werden die persönlich haftenden Gesellschafter in Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 29 VO Nr. 596/2014 nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Damit sind sie aber nicht aus dem Kreis der meldepflichtigen Personen herausgefallen105. Bereits § 15a Abs. 2 WpHG a.F. stellte eine auf die deutschen gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten zugeschnittene Interpretation von Art. 1 Nr. 1 DurchfRL 2004/72/EG dar, der dem heutigen Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 entspricht, und persönlich haftende Gesellschafter auch nicht ausdrücklich erwähnte106. Entscheidend ist daher, ob ein persönlich haftender Gesellschafter die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 erfüllt. Bei einer Kommanditgesellschaft (und ggf. einer OHG), die Schuldverschreibungen emittiert, obliegt die Geschäftsführung und Vertretung den Komplementären (§§ 114 ff., §§ 125 ff., § 161 Abs. 2, § 164, § 170 HGB bzw. § 114, § 124, § 161 Abs. 2, § 164, § 170 Abs. 1 HGB n.F.). Ähnlich ist die Lage bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Dort wird die Geschäftsführung und Vertretung von den persönlich haftenden Gesellschaftern wahrgenommen (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, §§ 114 ff., §§ 125 ff. HGB bzw. i.V.m. §§ 114, 124 HGB n.F. sowie § 283 AktG). Die persönlich haftenden Gesellschafter bilden damit das Leitungsorgan der KG/KGaA und sind nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 mitteilungspflichtig. Sind einzelne persönlich haftende Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen, sind sie nicht Mitglied des Leitungsorgans und unterfallen daher nicht Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014107. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob solche persönlich haftenden Gesellschafter nicht von einem anderen Tatbestand des Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 erfasst sind. Diesbezüglich muss man zwischen den Gesellschaftsformen differenzieren. Bei einer gesetzestypischen KG nehmen die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementäre eine wichtige Überwachungsfunktion wahr, die sich insbesondere an dem weitgehenden Kontrollrecht des § 118 HGB (§ 105 Abs. 3 HGB n.F. i.V.m. § 717 Abs. 1 BGB n.F.) zeigt. Es liegt daher nahe, von der Geschäftsführung ausgeschlossene Komplementäre als Mitglieder eines Überwachungsorgans gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 3 VO Nr. 596/2014, ähnlich wie die GmbH-Gesellschafter (zu diesen Rz. 28) – zu qualifizieren. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Beirat o.Ä. eingerichtet ist, auf den die Überwachungsfunktion übertragen ist. Anders ist die Situation bei der KGaA. Dort bleiben die von der 100 101 102 103 104 105
Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 60. So auch Kumpan, AG 2016, 446, 448. Zustimmend Diekgräf, Directors' Dealings, S. 207; Kumpan, AG 2016, 446, 448 f. Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 61. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 67). So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 66), wo persönlich haftende Gesellschafter einfach an die Aufzählung der sonstigen im Gesetzestext genannten Führungskräfte angefügt werden. 106 Dies übersieht Kumpan, AG 2016, 446, 449; zutreffend hingegen Fett/Stütz, NZG 2017, 1121, 1130. 107 Diekgräf, Directors' Dealings, S. 209; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 29.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 29 | Eigengeschäfte von Führungskräften Geschäftsführung und Vertretung Ausgeschlossenen zwar persönlich haftende Gesellschafter, haben aber nur noch gesellschaftsrechtliche Kompetenzen und keine Organfunktionen mehr108. Insbesondere sind sie auch nicht als Aufsichtsorgan zu qualifizieren, da diese Funktion bereits durch den Aufsichtsrat wahrgenommen wird. Daher sind die von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA keine Organmitglieder im formellen Sinne. Sie fallen auch nicht in die Gruppe der sonstigen Personen mit Führungsaufgaben, da sie keine „höhere Führungskraft“ darstellen und gerade nicht befugt sind, unternehmerische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven für den Emittenten i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 zu treffen. Der weder geschäftsführungsnoch vertretungsbefugte Komplementär der KGaA unterfällt daher nicht den Pflichten des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014109. Das ist konsequent, wenn man bedenkt, dass auch die „top executives“ nur erfasst sind, wenn sie Zugang zu Insiderinformationen haben und entscheidungsbefugt sind (s. Rz. 31); der bloß leichtere Zugang zu Insiderinformationen reicht gerade nicht, um als Führungskraft im materiellen Sinne eingestuft zu werden110. 30 Handelt es sich bei dem geschäftsführungs- und vertretungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter
der KG oder KGaA um eine Komplementär-Gesellschaft, ist diese unzweifelhaft von Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 erfasst, muss also eigene Geschäfte melden und unterliegt dem Handelsverbot gem. Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014. Dabei ist es – vorbehaltlich der internationalprivatrechtlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit – unerheblich, ob die Komplementärgesellschaft ihren Sitz innerhalb der Europäischen Union oder in einem Drittstaat hat. Die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der Komplementär-Gesellschaft sind ebenfalls mitteilungspflichtig, denn bei ihnen handelt es sich um sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und die – vermittelt über den Gesellschaftsvertrag der KG bzw. die Satzung der KGaA und den Gesellschaftsvertrag der Komplementärgesellschaft – zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen für die KG bzw. KGaA befugt sind, wie dies Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 verlangt111. Wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft bzw. der Kommanditgesellschaft auf Aktien bei einer Komplementär-Gesellschaft liegt, sind es gerade deren Organmitglieder, die den Wissensvorsprung in Bezug auf die KG/KGaA besitzen und bei ihr die maßgeblichen Entscheidungen treffen; sie sind „top executives“112. ee) top executives
31 Als Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt, gelten aber auch sonstige Personen, die – ohne Organ zu
sein – als höhere Führungskraft regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind, Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014. Es handelt sich damit um Personen im Unternehmen, nicht aber um externe Personen, wie Berater, Dienstleister oder Rechnungsprüfer, da diesen keine Entscheidungsfunktion in Bezug auf die Geschäftsführung zukommt113. Sie müssen „befugt“ sein, für die Gesellschaft, entweder allein oder als Mitglieder eines Kollektivorgans eigenverantwortlich strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Unternehmens zu treffen114. Die Entscheidungen müssen also eine grundsätzliche Bedeutung haben, denn Eigengeschäften kommt nur dann eine Indikatorfunktion zu, wenn sie von Personen mit solch weitreichenden Kompetenzen getroffen werden. Zusätzlich müssen diese Personen regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und somit über einen Wissensvorsprung mit direktem oder indirektem Bezug zum Emittenten verfügen. Damit sind im Ergebnis nur top executives, d.h. Mitglieder der ersten Führungsebene, erfasst115. Allein die Stellung als leitender Angestellter des Unternehmens oder als Prokurist rechtfertigt noch nicht die Einordnung als top executive116; vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, wie weit der Zugang zu Informationen und die Entscheidungsbefugnis reichen. Sobald der Geschäftsleitung ein Zustim108 Sethe in Großkomm. AktG, 5. Aufl. 2020, § 278 AktG Rz. 105 m.w.N. 109 A.A. Osterloh, Directors' Dealings, S. 353 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 63; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 58, 67. 110 Dies übersehen Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 63; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 67. 111 Zustimmend Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 29, 31; a.A. Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors' Dealings, S. 23 (OHG als Komplementärin einer KGaA). 112 So auch Osterloh, Directors' Dealings, S. 355 f.; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 62; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 78. 113 Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 68. 114 Ebenso auch Kumpan, AG 2016, 446, 449; Linden, DStR 2016, 1036, 1039. 115 Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1483; Kumpan, AG 2016, 446, 449; Stenzel, DStR 2017, 883, 887. 116 So aber Kuthe, ZIP 2004, 883, 886 in Bezug auf leitende Angestellte; zu Recht a.A. Pfüller in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 32.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 32 Art. 19 VO Nr. 596/2014
mungsvorbehalt oder ein Letztentscheidungsrecht zusteht, fehlt der Person die Kompetenz zur eigenverantwortlichen Entscheidung und sie ist nicht mitteilungspflichtig117. Außerdem zeigt der Begriff „Führungskraft“ (Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014), dass nur solche Personen erfasst sind, die über ihnen nachgeordnete Mitarbeiter verfügen. Das Merkmal der Führung setzt eine Führungsmöglichkeit voraus. Nicht erfasst sind daher etwa Eigenhändler von Wertpapierfirmen, die zwar ungeheure Kapitalsummen transferieren können, denen jedoch keine Mitarbeiter unterstellt sind118. Angesichts der bei deutschen Aktiengesellschaften vorherrschenden Aufgabenverteilung dürfte daher allenfalls die Führungsebene direkt unterhalb der Geschäftsleitung unter die sonstigen Personen mit Führungsaufgaben fallen (z.B. Generalbevollmächtigte oder Mitglieder des erweiterten Vorstandes119). ff) Organmitglieder von Mutter- oder Tochtergesellschaften Die Marktmissbrauchsverordnung enthält, wie bereits die Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6, keine Kon- 32 zernklausel. Dementsprechend gehören die Organwalter von anderen konzernzugehörigen Unternehmen als solche nicht zu den Adressaten der Mitteilungspflicht des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014120. Aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips handelt es sich bei ihnen bereits nicht um Personen „innerhalb des Emittenten“, wie von Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 vorausgesetzt121. Fraglich ist, wie Angestellte oder Organmitglieder von Tochterunternehmen oder der Muttergesellschaft einzuordnen sind, wenn sie ausnahmsweise beim erfassten Unternehmen über einen entsprechenden Einfluss auf die Geschäftsführung verfügen und Zugang zu Insiderinformationen des erfassten Unternehmens haben. Ein Teil des Schrifttums bejaht die Eigenschaft als top executive122. Hiergegen könnte man einwenden, mit einer solchen Einordnung würde das Fehlen einer Konzernklausel umgangen. Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht. Allein der Umstand, dass es sich um einen Konzernsachverhalt handelt, führt nicht zu einem Tatbestandsausschluss. Maßgeblich ist daher auch innerhalb von Konzernen die allgemeine top-executive-Regelung123. Angestellte oder Organmitglieder von Tochterunternehmen oder der Muttergesellschaft können daher im Einzelfall unter den Tatbestand fallen, wenn sie Zugang zu Insiderinformationen haben und wenn sie nicht nur tatsächlich in der Lage sind, sondern die rechtliche Befugnis (z.B. aufgrund eines Vertrags) besitzen, strategische Entscheidungen für das erfasste Unternehmen zu treffen124. Die Bedeutung der Einbeziehung des materiellen Organbegriffs in Art. 19 VO Nr. 596/2014 dürfte in der Praxis der deutschen AG grundsätzlich gering ausfallen. Etwas anderes könnte allerdings bei Anleiheemissionen gelten, die in der Praxis regelmäßig durch ausländische Tochtergesellschaften erfolgen, so dass die deutsche Konzernmutter lediglich Garantin, nicht aber Emittentin der Anleihe ist125. Die Organwalter der Muttergesellschaft nehmen jedoch regelmäßig keine Führungsaufgaben bei der emittierenden Tochtergesellschaft wahr. Da die Muttergesellschaft aber die Anleihe garantiert, verfügen ihre Führungskräfte über die relevanten internen Kenntnisse, so dass den Transaktionen der Organwalter der Muttergesellschaft (und nicht der eigentlichen Emittentin!) die zentrale Indikatorwirkung zukommt. De lege lata kommt eine Einordnung der Organwalter der Muttergesellschaft als top executives der anleihebegebenden Tochtergesellschaft aber nur in Konstellationen in Betracht, in denen das Konzernrecht den Einfluss legitimiert, wie etwa bei einem Beherrschungsvertrag. Hier sollte der Unionsrechtsgeber nachbessern und die Meldepflicht auf die Führungspersonen von Garanten erweitern. Anders ist die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals top executive für die KG und KGaA (s. Rz. 30). Auch bei einer GmbH können die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans eines Allein- oder Mehrheitsgesellschafters als top executives einzustufen sein, je nachdem welche Stellung dem Gesellschafter selbst zukommt (dazu Rz. 26 und Rz. 28).
117 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 66); Franke/Schulenburg in Umnuß, Corporate Compliance Checklisten, Kapitel 3 Rz. 13. 118 Kumpan, AG 2016, 446, 449. 119 Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1483; Kumpan, AG 2016, 446, 449; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 68. 120 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 67). Ebenso Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.7; Götze/Carl, Der Konzern 2016, 529, 539. 121 Kumpan, AG 2016, 446, 449. 122 Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 76 f. 123 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.1 (S. 67). 124 A.A. Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 36; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 28, die jeweils meinen, in diesen Fällen fehle es bereits an einer Tätigkeit „innerhalb“ des Unternehmens. Dies überzeugt aber dann nicht, wenn man ausschließlich auf Personen abstellt, denen eine besondere Befugnis zu unternehmerischen Entscheidungen zukommt. 125 Auf dieses Problem weisen zu Recht Schockenhoff/Culmann in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 617, 625 hin.
Hellgardt | 731
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 33 | Eigengeschäfte von Führungskräften gg) Fehlerhaft bestellte Organe 33 Auch fehlerhaft bestellte Organe unterliegen der Mitteilungspflicht, solange sie die Organfunktion tatsäch-
lich ausüben, das Organverhältnis also in Vollzug gesetzt und noch nicht beendet wurde126. Selbst wenn man die fehlerhaft bestellten Organe nicht als Personen mit Führungsaufgaben einordnen wollte, unterfallen sie zumindest der Kategorie der höheren Führungskraft, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen hat und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt ist und deren Eigengeschäften deshalb ebenfalls Indikatorwirkung zukommen kann127. hh) In der Insiderliste erfasste Personen
34 Nicht jede Person, die in einer Insiderliste nach Art. 18 VO Nr. 596/2014 aufgelistet ist, unterfällt auch dem
Tatbestand des Art. 19 VO Nr. 596/2014. Die Insiderliste erfasst alle Personen, die Zugang zu Insiderwissen haben, während Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 zeigt, dass der Anwendungsbereich des Art. 19 VO Nr. 596/2014 auf Personen beschränkt ist, die „regelmäßig“ Zugang zu Insiderinformationen haben128. Nicht jede in die Insiderliste aufzunehmende Person gehört auch zugleich dem Personenkreis an, der beim Emittenten Führungsaufgaben wahrnimmt129 und dessen Transaktionen daher Indikatorwirkung beigemessen werden kann. ii) Insolvenzverwalter
35 Wird das Unternehmen insolvent, bleibt der Vorstand bzw. der Geschäftsführer im Amt (vgl. § 263 AktG,
§ 65 Abs. 1 GmbHG) und auch die persönlich haftenden Gesellschafter einer KG verlieren nicht ihre Stellung (vgl. § 143 Abs. 1 HGB (§ 141 HGB n.F.). Allerdings wird dem Geschäftsführungsorgan die Verfügungsbefugnis entzogen, diese geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Das Geschäftsführungsorgan oder die geschäftsführenden Gesellschafter sind jedoch immer noch Organ der Gesellschaft und deshalb weiterhin nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 verpflichtet130, was § 24 WpHG klarstellt. Da den privaten Eigengeschäften der Organwalter Indikatorfunktion zukommt, hat gerade in einer Krisensituation das Publikum ein Interesse daran zu wissen, ob der Organwalter an eine Sanierung des Unternehmens glaubt oder nicht. Gegen ein Fortbestehen der Meldepflicht könnte zwar der Umstand sprechen, dass das geschäftsführende Organ mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens verliert. Für Art. 19 VO Nr. 596/2014 ist es jedoch ausreichend, wenn eine Person den formellen, nicht aber auch den materiellen Organbegriff des Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 verwirklicht. Denn das tatsächliche Ausmaß des Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens wird gerade nicht zum Maßstab gemacht, wenn es um die Erfassung der Organmitglieder i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a VO Nr. 596/2014 geht. Zusätzlich zum Vorstand wird auch der Insolvenzverwalter von Art. 19 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 erfasst131. Mit seiner Bestellung gehört er zu den höheren Führungskräften, denn aufgrund seiner durch die InsO vermittelten Befugnisse hat er die Möglichkeit, eigenverantwortlich strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven des Unternehmens zu treffen132. Seine Entscheidungen haben eine grundsätzliche Bedeutung. Schließlich verfügt er über einen Wissensvorsprung mit direktem oder indirektem Bezug zum Unternehmen. Tätigt der Insolvenzverwalter private Geschäfte in erfassten Finanzinstrumenten, unterfällt er damit Art. 19 VO Nr. 596/2014133. Gleiches gilt für Abwickler und Sonderbeauftragte i.S.v. §§ 37 f., § 45c KWG und § 307 VAG134.
jj) Aktionäre, Kommanditisten und sonstige Gesellschafter 36 Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft wird, auch wenn sie Entscheidungen über Fragen der Ge-
schäftsführung nach § 119 Abs. 2 AktG trifft, dadurch nicht zu einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Auf126 Ebenso Diekgräf, Directors' Dealings, S. 206; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 65; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 25. 127 Ebenso Kumpan, AG 2016, 446, 448. 128 Ähnlich Kumpan, AG 2016, 446, 449; s. auch bereits Pluskat, DB 2005, 1097, 1098 f.; Pluskat, BKR 2004, 467, 470. 129 Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 33; im Ergebnis auch Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 41 a.E.; a.A. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 936. 130 So in Bezug auf Meldepflichten nach §§ 33 ff. WpHG: BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, ZIP 2005, 1145, 1148 mit Anm. Ott; anders noch VG Frankfurt/M. v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), ZIP 2004, 469; von Buttlar, BB 2010, 1355, 1358. 131 So auch Kumpan, AG 2016, 446, 449. 132 Zustimmend Kalss, Kapitalmarktrecht, § 19 Rz. 19. 133 So auch Osterloh, Directors' Dealings, S. 350; von Buttlar, BB 2010, 1355, 1358. 134 Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 81.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 39 Art. 19 VO Nr. 596/2014
sichtsorgan. Einfache Aktionäre werden daher von Art. 19 VO Nr. 596/2014 nicht erfasst. Fraglich ist, ob ein unternehmerisch tätiger Hauptaktionär Art. 19 VO Nr. 596/2014 unterfallen kann. Zwar leitet der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich (§ 76 Abs. 1 AktG). Gewinnt jedoch der Hauptaktionär einen tatsächlichen Einfluss auf das Schicksal der Gesellschaft und gelangt er dabei an Insiderwissen, könnte man argumentieren, die dem Art. 19 VO Nr. 596/2014 zugrunde liegenden Wertungen erforderten ein Eingreifen des Tatbestands. Diese Sichtweise überzeugt im Ergebnis jedoch nicht. Der Umstand, dass der Vorgang u.U. wegen des Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG verbandsrechtlich unzulässig ist, spielt für die kapitalmarktrechtliche Beurteilung an sich keine Rolle, da diese den Markt schützen will, nicht die gesellschaftsrechtlich vorgegebene Machtverteilung. Allerdings stellt Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014 ausdrücklich darauf ab, ob die Person „befugt“ ist, für die Gesellschaft strategische Entscheidungen zu treffen. Da eine solche Kompetenz dem Mehrheitsaktionär gerade nicht zusteht, kann er nicht als top executive eingeordnet werden (s. auch Rz. 32)135. Die gleichen Grundsätze gelten für Kommanditisten. Diese sind gem. §§ 164, 170 HGB grundsätzlich von 37 der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen und daher weder Organmitglieder, noch top executives. Allerdings kann ein Kommanditist durch den Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung ermächtigt und mit weitreichender (rechtsgeschäftlicher) Vertretungsmacht ausgestattet werden136. In diesem Fall ist der geschäftsführende Kommanditist als Leitungsorgan i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/ 2014 zu qualifizieren137. Dies gilt auch, wenn es sich um eine juristische Person handelt (vgl. Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014). Deren Geschäftsführer sind dann wiederum top executives i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 lit. b VO Nr. 596/2014. Zu GmbH-Gesellschaftern s. Rz. 26, 28. kk) Beginn und Ende der Stellung als Führungsperson Die Mitteilungspflicht beginnt mit Übernahme der formellen Organstellung (zur fehlerhaften Bestellung s. 38 Rz. 33) oder der Stellung als top executive, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits gehaltene Finanzinstrumente nicht zu melden sind (s. Rz. 10, 71)138. Sie endet, sobald die Person mit Führungsaufgaben ihre Organstellung verliert (Ablauf der Amtszeit, Widerruf der Bestellung, Abberufung aus wichtigem Grund etc.) bzw. die Stellung als top executive beendet wird und sie damit keinen Einfluss mehr auf wesentliche unternehmerische Entscheidungen hat oder den Zugang zu Insiderinformationen verliert139. Auf die Beendigung eines zusätzlich geschlossenen Anstellungsvertrags kommt es nicht an. Denn mit dem Verlust der Stellung als Führungsperson endet auch die Möglichkeit zum Einblick in die Interna des Emittenten, so dass Transaktionen der ehemaligen Führungsperson eine Indikatorwirkung fehlt. Auf den Umstand, dass einer ehemaligen Person mit Führungsaufgaben aus dem Anstellungsvertrag u.U. noch Ansprüche auf Bezüge zustehen, kommt es nicht an. Ebenso wie der nationale Gesetzgeber in der Vergangenheit, hat auch der europäische Normengeber keine 39 nachwirkende Mitteilungspflicht angeordnet140. Man wird zwar argumentieren können, dass die Person mit Führungsaufgaben auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt noch über Kenntnisse der Interna des Emittenten verfügt141. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Transaktionen einer ehemaligen Person mit Führungsaufgaben auf ganz anderen Motiven beruhen als dem Einblick in die Unternehmensinterna, insbesondere bei einem unfreiwilligen Ausscheiden, recht groß. Vor diesem Hintergrund könnte eine fortwirkende Mitteilungspflicht eher zur Verwirrung als zum Nutzen des Publikums beitragen. Daher ist die Entscheidung des Unionsrechtsgebers nicht nur de lege lata hinzunehmen, sondern auch de lege ferenda nicht zu beanstanden.
135 Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 80. 136 Roth in Hopt, § 164 HGB Rz. 7. 137 Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 62; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 31. 138 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 140; Pavlova, S. 179; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 57a. 139 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 140; Pfüller in Habersack/Mülbert/ Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 41. 140 Entsprechende rechtpolitische Forderungen finden sich bei Kalss, Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 15; Kumpan, AG 2016, 446, 449; zuvor bereits von Buttlar, BB 2003, 2133, 2136; Erkens, Der Konzern 2005, 29, 33; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors' Dealings, S. 23 f., 62; Osterloh, Directors' Dealings, S. 356, 611 ff.; Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 206; offen gelassen bei Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1226. 141 So etwa Kumpan, AG 2016, 446, 449.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 40 | Eigengeschäfte von Führungskräften b) Eng verbundene Personen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014) aa) Überblick 40 Die Ausdehnung der Mitteilungspflicht für Führungskräfte in Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 auf „in enger
Beziehung zu ihnen stehende Personen“, dient dem Ziel, Umgehungen zu verhindern142 und Personen zu erfassen, die am Wissensvorsprung der Führungsperson teilhaben143. Der Ausdruck „in enger Beziehung stehende Personen“ wird als solcher nicht legaldefiniert. Allerdings definiert Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 die Gruppe der „eng verbundenen Personen“, womit aber offensichtlich derselbe Personenkreis gemeint sein soll144. Das ist nicht nur aus der in manchen anderen Sprachfassungen gleichlautenden Formulierung zu schließen145, sondern auch daraus, dass die Marktmissbrauchsverordnung an keiner anderen Stelle die „eng verbundene Person“ erwähnt, so dass die Definition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 anderenfalls obsolet wäre. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 listet vier Fälle von eng verbundenen Personen auf, von denen die ersten drei Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse betreffen (dazu Rz. 42–48), der vierte hingegen Beziehungen zu juristischen Personen und weiteren Gesellschaftsformen (dazu Rz. 49–56).
41 Die Mitteilungspflicht trifft die eng verbundene Person selbst, nicht die Person mit Führungsaufgaben146
(und zwar selbst dann, wenn sie sich der Führungsperson als Vertreter bedienen). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. Grundsätzlich ist es Aufgabe der betroffenen Personen selbst, sich um ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten zu kümmern. Die Führungsperson ist aber aufgrund von Art. 19 Abs. 5 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 verpflichtet, die eng verbundene Person über ihre Pflichten aufzuklären (ausführlich Rz. 152). Soweit es sich um die Mitteilungspflicht minderjähriger Kinder handelt, sind die Eltern kraft ihres Sorgerechts nach § 1626 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Belange des Kindes wahrzunehmen147. Die Führungsperson muss also darauf hinwirken, dass der andere Elternteil bei der Erfüllung der Mitteilungspflicht mitwirkt. Die Eigenschaft als eng verbundene Person endet grundsätzlich mit dem Tod der Führungskraft148. Insoweit kommt es allerdings darauf an, ob noch eine Ausnutzung von Insiderwissen zu befürchten ist. Dies ist etwa nicht der Fall, wenn die bislang eng verbundene Person das Wertpapierdepot der verstorbenen Führungskraft erbt149. Hat aber die Führungskraft der eng verbundenen Person noch vor ihrem Tod Informationen mitgeteilt oder stellt gar die (noch nicht öffentlich bekannte) Nachricht über den Tod der Führungskraft eine Insiderinformation dar und verkauft etwa die Ehefrau noch schnell ihre Aktien, bevor sie das Unternehmen über den Todesfall informiert, gibt es keinen Grund, solche Transaktionen von der Meldepflicht auszunehmen150. bb) Ehepartner und gleichgestellte Partner
42 Mit dem Tatbestandsmerkmal „Ehepartner“ knüpft Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014 an
den familienrechtlichen Status der Ehe an. Voraussetzung ist das wirksame Bestehen einer Ehe. Damit verweist die Marktmissbrauchsverordnung – obwohl hinsichtlich der Ehe, anders als etwa bei der Lebenspartnerschaft oder der Unterhaltspflicht, nicht ausdrücklich auf nationales Recht Bezug genommen wird – auf das jeweils anwendbare nationale Familienrecht. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsrechtsgeber im Rahmen des Marktmissbrauchsrechts eine autonome familienrechtliche Terminologie begründen wollte. Nach deutschem Familienrecht setzt eine wirksame Ehe die Eheschließung nach § 1310 BGB voraus. Eine nicht vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe kann unter den engen Voraussetzungen des § 1310 Abs. 3 BGB geheilt werden („hinkende Ehen“). Seit der Einführung der gleichgeschlechtlichen
142 So auch Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 42; zuvor schon Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 42. 143 Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 83; Kumpan, AG 2016, 446, 450. 144 So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.2 (S. 67) (Überschrift). 145 Der Hinweis von Maume/Kellner, ZGR 2017, 273, 287 auf die gleichlautende englische Sprachfassung greift zu kurz, denn während auf der einen Seite in der englischen („person closely associated“), niederländischen („nauw verbonden persoon“) und spanischen Sprachfassung („persona estrechamente vinculada“) eine einheitliche Begrifflichkeit gewählt wird, unterscheiden sich die gewählten Formulierungen in der französischen („personne étroitement liée“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 und „personnes ayant un lien étroit“ in Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) und italienischen Version („persona strettamente legata“ in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 und „persone a loro strettamente associate“ in Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014) ebenso wie in der deutschen Fassung. 146 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2 (S. 66). Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 73; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 42. 147 So auch Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 111. 148 Ohne Einschränkung BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.13 (S. 77). 149 Insoweit zutreffend BaFin, FAQ Managers' Transactions, Stand: 1.2.2018, IV.9. 150 Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 73.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 45 Art. 19 VO Nr. 596/2014
Ehe zum 1.10.2017151 sind auch gleichgeschlechtliche Ehepartner von Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014 erfasst. Die Ehe endet mit Rechtskraft eines Aufhebungsurteils (§ 1313 Satz 2 BGB), eines Scheidungsurteils (§ 1564 Satz 2 BGB) oder mit dem Tod eines der Ehegatten. Die Anknüpfung an die Ehe ist eine rein formale. Es kann daher nicht darauf ankommen, ob die Ehe intakt ist oder die Ehepartner getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 BGB). Der Zustand des Getrenntlebens – zumal innerhalb derselben Wohnung (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB) – kann leicht fingiert werden, indem man vor einer meldepflichtigen Transaktion ein Zerwürfnis vorspiegelt und sich nach Abwicklung der Transaktion versöhnt. Das Getrenntleben ist daher als Anknüpfungspunkt für ein Entfallen der Mitteilungspflicht ungeeignet152. Die Mitteilungspflicht besteht auch in dieser Zeit fort. Der Ausdruck „Partner [...], der nach nationalem Recht einem Ehepartner gleichgestellt ist“ in Art. 3 43 Abs. 1 Nr. 26 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 bezieht sich auf gesetzlich geregelte Verbindungen unterhalb der Ehe, wie im deutschen Familienrecht die Verbindung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft153 oder im französischen Recht den pacte civil de solidarité, der unabhängig vom Geschlecht der Partner eingegangen werden kann. Die deutsche Lebenspartnerschaft wurde begründet durch Schließung einer Lebenspartnerschaft nach § 1 LPartG. Sie endet mit Rechtskraft eines Aufhebungsurteils (§ 15 Abs. 1 LPartG) oder bei Tod eines der Lebenspartner. Die Mitteilungspflicht des Lebenspartners einer Person mit Führungsaufgaben besteht weiter, selbst wenn die Lebenspartner getrennt leben; es gelten die zur Ehe gemachten Ausführungen (Rz. 42) entsprechend. Mit der Einführung der Eheschließung zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts ist das LPartG nicht aufgehoben worden, allerdings können in Zukunft keine neuen Lebenspartnerschaften mehr begründet werden, so dass deren Bedeutung voraussichtlich stark abnehmen wird. Gleichgestellte Lebenspartnerschaften i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 sind von einer 44 nichtehelichen Lebensgemeinschaft als bloßem Zusammenleben zweier Personen zu unterscheiden. Die Mitteilungspflicht erstreckt sich nicht auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft, weil der Unionsrechtsgeber das bloße Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft gerade nicht als geeigneten Anknüpfungspunkt der Mitteilungspflicht ansah154. Das Merkmal „demselben Haushalt angehört“ wird lediglich in Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. c VO Nr. 596/2014 verwendet, dort aber mit dem Tatbestandsmerkmal „Verwandte“ kombiniert. Im deutschen Familienrecht ist daher die Definition des § 1589 BGB einschlägig. Da der nichteheliche Lebenspartner als solcher kein „Verwandter“ ist, unterfallen die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach wie vor nicht Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. Auch Verlobte sind keine gleichgestellten Partner i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 und deshalb – sowie in Folge fehlender Erfüllung des Verwandtschaftskriteriums – nicht meldepflichtig155. cc) Unterhaltsberechtigte Kinder Die Mitteilungspflicht erstreckt sich auf die nach nationalem Recht unterhaltsberechtigten Kinder der Per- 45 son mit Führungsaufgaben (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. b VO Nr. 596/2014). Richtet sich die Unterhaltspflicht nach deutschem Recht (vgl. Art. 3 f. UnthProt156), sind folgende Grundsätze maßgebend: Erfasst sind leibliche Kinder und Adoptivkinder (dazu sogleich Rz. 46) dieser Person, nicht aber Pflegekinder. Denn das Tatbestandsmerkmal „unterhaltsberechtigt“ knüpft gerade an die Verwandtschaft an (§ 1601 BGB). Bei minderjährigen Kindern kommt es nur auf die Stellung als unterhaltsberechtigtes Kind an, nicht auch darauf, ob im konkreten Fall ein Unterhaltsbedarf besteht. Denn sonst könnte ein Vorstand sein Kind mit ausreichendem Vermögen versorgen, so dass dieses sich aus den Erträgen ernähren kann und der Unterhaltsbedarf nach § 1602 Abs. 2 BGB entfiele. Der Vorstand könnte nach der Vermögensgewährung über sein dann nicht mitteilungspflichtiges Kind die Geschäfte mit Finanzinstrumenten abwickeln. Daher sind grundsätzlich alle 151 Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl. I 2017, 2787). 152 Dies übersieht Letzel, BKR 2002, 862, 865. Zutreffend dagegen Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 44; Osterloh, Directors' Dealings, S. 434 f.; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 84. 153 Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist als Art. 1 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften – Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16.2.2001 (BGBl. I 2001, 266) erlassen worden. 154 Schuster, ZHR 167 (2003), 193, 209, hält diesen Vorschlag für realisierbar und wünschenswert. 155 Im Ergebnis ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 74; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 84. 156 Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 („UnthProt“). Die EG ist dem Protokoll aufgrund des Beschlusses des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft (2009/ 941/EG), ABl. EU Nr. L 331 v. 16.12.2009, S. 17 beigetreten.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 45 | Eigengeschäfte von Führungskräften minderjährigen Kinder erfasst157. Volljährige Kinder sind solange erfasst, wie sie sich in ihrer ersten Ausbildung befinden und noch nicht in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten158. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. b VO Nr. 596/2014 stellt ausdrücklich nur auf die Unterhaltsberechtigung ab; ob tatsächlich Unterhalt bezahlt wird, ist nicht ausschlaggebend159. Weiterhin kommt es nicht darauf an, ob die unterhaltsberechtigten Kinder im selben Haushalt leben, wie die Person mit Führungsaufgaben. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. c VO Nr. 596/2014, in dem das Merkmal der Angehörigkeit zum selben Haushalt ausdrücklich für Verwandte normiert wurde, so dass es im Gegenschluss nicht für unterhaltsberechtigte Kinder gilt. Ist die Unterhaltsberechtigung entfallen, sind Kinder, wie andere Verwandte der Führungsperson, nur dann mitteilungspflichtig, wenn sie im selben Haushalt leben (dazu Rz. 48). Nichteheliche Kinder unterfallen dem Tatbestand erst dann, wenn die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist. 46 Über § 1754 Abs. 1 BGB gilt auch ein adoptiertes minderjähriges Kind als leibliches Kind der annehmenden
Ehegatten (zur Adoption Volljähriger s. Rz. 47). Im Falle einer Adoption nur durch eine Person wird nur zu dieser ein verwandtschaftliches Verhältnis begründet (§ 1754 Abs. 2 BGB). In beiden Fällen erlischt die Verwandtschaft des Adoptierten zu seiner bisherigen Familie (§ 1755 Abs. 1 BGB). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Begründung der Unterhaltspflicht und damit für das Eingreifen von Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ergibt sich aus § 1751 Abs. 4 BGB, also sobald die Eltern des Kindes die erforderliche Einwilligung erteilt haben und das Kind in die Obhut des Annehmenden mit dem Ziel der Annahme aufgenommen ist.
dd) Weitere Verwandte 47 Die Mitteilungspflicht erfasst weiterhin andere Verwandte der Person mit Führungsaufgaben, die zum Zeit-
punkt der Tätigung des meldepflichtigen Geschäfts seit mindestens einem Jahr demselben Haushalt angehören (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. c VO Nr. 596/2014). Der Grad der Verwandtschaft ist unmaßgeblich. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit (z.B. Unterhaltspflicht) von der Person mit Führungsaufgaben wird nicht vorausgesetzt, da Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. c VO Nr. 596/2014 anders als Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. b VO Nr. 596/2014 auf das Tatbestandsmerkmal der Unterhaltsberechtigung verzichtet. Eine Verwandtschaft wird dadurch begründet, dass eine Person von der anderen abstammt (Blutsverwandtschaft, § 1589 Satz 1 und 2 BGB). Fraglich ist, ob auch die Schwägerschaft nach § 1590 BGB (bei einer entsprechenden Hausgemeinschaft) die Meldepflicht begründet160. Die Lösung muss bei der Auslegung von Art. 3 Abs. 2 Nr. 26 lit. b VO Nr. 596/ 2014 gesucht werden. Dieser verweist, anders als etwa bei der Unterhaltsberechtigung nicht ausdrücklich auf das nationale Recht, so dass die Definition von § 1589 BGB nicht entscheidend sein kann. Vielmehr sprechen der rechtsvergleichende Befund, die Entstehungsgeschichte161 als auch Sinn und Zweck der Meldepflicht dafür, Verschwägerte und Verwandte gleich zu behandeln. Bei der Adoption eines Volljährigen wird ein verwandtschaftliches Verhältnis nur zu dem Annehmenden begründet. Die übrigen Verwandtschaftsverhältnisse werden durch die Adoption nicht berührt (§ 1770 Abs. 2 BGB). Ein adoptierter Volljähriger fällt also nur dann unter die Pflicht des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014, wenn er von der Person mit Führungsaufgaben selbst adoptiert wurde, nicht aber, wenn ihn allein dessen Ehegatte angenommen hat (§ 1770 Abs. 1 Satz 2 BGB)162. Erstreckt man Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 auch auf die Schwägerschaft, werden auch Stiefkinder einer Person mit Führungsaufgaben erfasst, denn diese sind mit dem Ehegatten verwandt und daher mit der Führungsperson verschwägert163.
48 Das Merkmal „demselben Haushalt angehören“ ist nur dann erfüllt, wenn die Verwandten sich mit der
Führungsperson tatsächlich eine Wohnung oder ein Haus teilen, nicht aber, wenn sie im selben Haus verschiedene Wohnungen bewohnen164. Es muss eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehen165. Ist der Verwandte im Haushalt der Führungsperson mit Erst- oder Zweitwohnsitz gemeldet, reicht dies aus166. Wurde die Meldung versäumt, kann dennoch eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehen, denn der melderechtliche Wohnsitz ist keine zwingende Voraussetzung für Art. 19 VO Nr. 596/2014. 157 Ebenso Osterloh, Directors' Dealings, S. 438; im Ergebnis auch Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 88. 158 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.2 (S. 67); Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 44. 159 So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.2 (S. 67); a.A. Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 87b. 160 Dagegen BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.2 (S. 67); dafür Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 78. 161 S. zu beidem Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 78. 162 Zur Wirkung der Volljährigenadoption statt vieler Maurer in MünchKomm. BGB, 8. Aufl. 2020, § 1770 BGB Rz. 2 ff. 163 A.A. zum früheren Recht Osterloh, Directors' Dealings, S. 437 f. 164 Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 53; Erkens, Der Konzern 2005, 29, 33. 165 So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.2 (S. 67). 166 Osterloh, Directors' Dealings, S. 447.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 52 Art. 19 VO Nr. 596/2014
ee) Juristische Person, Treuhand und Personengesellschaft Mitteilungspflichtig als eng verbundene Person167 nach Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 ist auch eine juristi- 49 sche Person, Treuhand oder Personengesellschaft, wenn sie – von einer Person mit Führungsaufgaben oder von einer der Führungsperson eng verbundenen (natürlichen) Person geleitet wird (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 1 VO Nr. 596/2014), – wenn sie direkt oder indirekt von einer Person mit Führungsaufgaben oder von einer der Führungsperson eng verbundenen (natürlichen) Person kontrolliert wird (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/2014), – wenn sie zugunsten einer Person mit Führungsaufgaben oder einer der Führungsperson eng verbundenen (natürlichen) Person gegründet wird (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 3 VO Nr. 596/2014) oder – wenn ihre wirtschaftlichen Interessen weitgehend denen einer Person mit Führungsaufgaben oder einer der Führungsperson eng verbundenen (natürlichen) Person entsprechen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 4 VO Nr. 596/2014). Die Definition des Art. 3 Abs. 1 Nr. 6 lit. d VO Nr. 596/2014 bezieht sich auf kein bestimmtes Gesellschafts- 50 rechtssystem, sondern ist autonom auszulegen168. Erfasst werden sollen solche juristische Personen und Personenvereinigungen, „die ein Ermessen für die Führungskraft ausüben“ (Erwägungsgrund 58 zur VO Nr. 596/2014). Damit kommt es nicht auf die Klassifikation nach nationalem Gesellschaftsrecht an. Erfasst sind in- oder ausländische juristische Personen, Gesellschaften (z.B. Personenhandelsgesellschaften oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts169) oder Einrichtungen (z.B. Stiftungen, Trusts). Auch wenn die ausdrücklich genannte „Treuhand“ wohl vor allem den englischen Trust im Blick hat, der mit der Treuhand des deutschen Rechts nur geringe Ähnlichkeiten hat170, sind vom Wortlaut und Zweck der Regelung auch rein vertragliche Konstellationen, wie die deutsche Treuhand, erfasst. Der Einfachheit halber wird im Folgenden der Ausdruck „Entität“ als pars pro toto verwendet. Die weite gesetzliche Formulierung, wonach jede Entität mitteilungspflichtig ist, bei der die Führungsperson 51 maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben kann, erfasst auch den Emittenten bzw. die anderen vom sachlichen Anwendungsbereich umfassten Unternehmen selbst, da die Führungsperson gerade diese leitet. Der Tatbestand des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 enthält damit gleichsam einen „Zirkelschluss“, da nicht nur die Führungspersonen, sondern auch das die Managers‘-Transactions-Pflichten auslösende Unternehmen selbst mitteilungspflichtig würde. Das Unternehmen würde als eine zum eigenen Vorstand „in enger Beziehung stehende Person“ eingeordnet und müsste dann Geschäfte in eigenen Finanzinstrumenten, Optionen etc. melden. Dies ist erkennbar nicht der Zweck der Zurechnungsnorm des Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 1 VO Nr. 596/2014, wie sich insbesondere an der getrennten Veröffentlichungspflicht des Art. 19 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 zeigt, die gerade das Unternehmen selbst adressiert. Mit den Tatbestandsmerkmalen „juristische Person“, „Treuhand“ oder „Personengesellschaft“ ist also ein anderes Unternehmen als der Emittent bzw. die anderen erfassten Unternehmen gemeint171. Das sachlich erfasste Unternehmen selbst gilt also nie als eine in enger Beziehung stehende Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 596/2014. Dies hat auch Konsequenzen für eine weitere Fallgestaltung. Ist die Person mit Führungsaufgaben nicht nur beim Emittenten etc. (z.B. Vorstand), sondern gleichzeitig auch noch bei einem anderen Unternehmen Organmitglied (z.B. Aufsichtsratsmitglied), muss der Emittent die Geschäfte in Finanzinstrumenten des anderen Unternehmens nur dann mitteilen, wenn das andere Unternehmen selbst unter Art. 19 VO Nr. 596/2014 fällt und der Emittent in Bezug auf dieses Unternehmen die Voraussetzungen als eng verbundene Person erfüllt. Nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 ist eine Entität bereits dann meldepflich- 52 tig, wenn ihre Führungsaufgaben von einer „Person, die Führungsaufgaben [beim Emittenten etc.] wahrnimmt“, wahrgenommen werden. Aufgrund des identischen Wortlauts, liegt es nahe, für die Auslegung der Formulierung „Führungsaufgaben wahrgenommen werden“, auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 25 VO Nr. 596/2014 zu rekurrieren. Dadurch würde Art. 19 VO Nr. 596/2014 aber einen ungeheuer weiten Anwendungsbereich gewinnen, denn es würde schon der Fall eines Doppelaufsichtsratsmandats beim Emittenten etc. und einer anderen Entität ausreichen, um letztere zu einer meldepflichtigen eng verbundenen Person zu machen. Eine
167 Unter Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 können juristische Personen auch unter den Begriff der „Person, die Führungsaufgaben wahrnimmt“ fallen; s. Rz. 26. 168 Dem folgend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 81. 169 Zur Erfassung von Personengesellschaften s. Hartlieb, Austrian Law Journal 2019, 124, 132. 170 S. Kulms in Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, Bd. II, S. 1501, 1502. 171 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.5 (S. 68); zustimmend Schäfer in Marsch-Barner/ Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.11; Kumpan, AG 2016, 446, 450.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 52 | Eigengeschäfte von Führungskräften solch weite Auslegung würde weit über das Ziel der Vorschrift, Umgehungen der Mitteilungspflicht zu verhindern, hinausgehen. Es ist daher eine einschränkende Auslegung geboten, um den Anwendungsbereich auf das notwendige Maß zu begrenzen172. Ziel ist es, solche Sachverhaltskonstellationen zu erfassen, in denen der Führungsperson oder ihrer Angehörigen bei einer Entität die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, durch die sie die Entscheidungen dieser Entität maßgeblich beeinflussen oder durch die sie wirtschaftliche Vorteile ziehen können. Auch ESMA und BaFin teilen die Auffassung, dass Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 insoweit einschränkend auszulegen ist173, wobei sich die Ansätze zur Einschränkung im Detail unterscheiden. Die ESMA will allein darauf abstellen, ob die Person, die Führungsaufgaben beim Emittenten etc. wahrnimmt, oder eine mit ihr eng verbundene natürliche Person bei der anderen Entität eine Funktion innehat, die es ihr ermöglicht, Geschäfte mit Finanzinstrumenten des Emittenten etc. durch diese Entität abzuschließen oder zu beeinflussen174. Die BaFin verweist auf die Ausführungen der ESMA175, ergänzt diese aber um einen alternativen zweiten Tatbestand, der letztlich auf eine zweistufige Prüfung hinausläuft176, welche die BaFin bereits zu § 15a WpHG a.F. entwickelt hatte177. Die Meldepflicht der Entität soll demnach auch dann eingreifen, wenn es der Person, die Führungsaufgaben beim Emittenten etc. wahrnimmt, (oder einer mit ihr eng verbundenen natürlichen Person) auch ohne eigene Entscheidungsmacht durch den Einsatz der Entität möglich ist, für sich selbst einen signifikanten wirtschaftlichen Vorteil zu sichern. Dies bejaht die BaFin, wenn der Führungsperson oder einer ihr eng verbundenen natürlichen Person mindestens 50 % der Gesellschaftsanteile, der Stimmrechte oder der Gewinne der Entität zugerechnet werden können178. Andersherum soll nach Auffassung der BaFin eine Eigenschaft als eng verbundene Person per se ausgeschlossen sein, wenn es sich um eine gemeinnützige Entität handelt179. Dem liegt die Annahme zugrunde, die Führungsperson könne keinen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil aus Geschäften der gemeinnützigen Gesellschaft oder Einrichtung ziehen180. Unabhängig davon, dass diese Annahme angreifbar ist181, kann es alleine darauf nicht ankommen. Wenn die Führungskraft oder ihr Angehöriger die Finanzgeschäfte der gemeinnützigen Entität steuern kann, wird diese zu einer meldepflichtigen Person, auch wenn die Erträge nicht direkt ausgeschüttet werden (können). Entscheidend ist, dass von den Transaktionen einer solchen gemeinnützigen Einrichtung durchaus eine Indikatorwirkung für den Markt ausgehen kann182. Abgesehen von dieser Einschränkung erscheinen die beiden Ansätze aber im Ergebnis geeignet, den zu weit geratenen Tatbestand des Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 auf ein verhältnismäßiges Maß zu korrigieren. Wichtig ist, dass nur solche – aber eben auch alle – Konstellationen erfasst werden, in denen die Geschäfte der anderen Entität die in Art. 19 VO Nr. 596/2014 vorausgesetzte Indikatorwirkung entfalten. Dazu ist es nicht zwingend notwendig, dass die handelnde natürliche Person selbst unmittelbar von den Finanzgeschäften profitiert. Für die Anwendung von Art. 19 VO Nr. 596/2014 ergibt sich daraus in der Tat eine zweistufige Prüfung: Zunächst ist zu untersuchen, ob der Führungsperson oder der ihr eng verbundenen natürlichen Person bei der entsprechenden Entität entweder Entscheidungsmacht in Bezug auf Geschäfte in Finanz-
172 So auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.4 (S. 68); zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 83; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 50. Ebenso zu § 15a WpHG a.F. OLG Stuttgart v. 17.11.2010 – 20 U 2/10, juris Rz. 698 (insoweit nicht abgedruckt in AG 2011, 93); Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 54. 173 ESMA, Q&A MAR, ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021, 7.7; BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.4 (S. 68). 174 ESMA, Q&A MAR, ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021, 7.7. 175 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.4 (S. 68). 176 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.7 (S. 68); zustimmend Götze/Carl, Der Konzern 2016, 529, 540. 177 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 75. Kritisch zu diesem Konzept Osterloh, Directors' Dealings, S. 456 ff. 178 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.7 (S. 68); Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.12; kritisch dagegen Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 106b. Zustimmend, aber mit Zweifeln an der Unionsrechtskonformität Schockenhoff/Culmann in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 617, 621. 179 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.6 (S. 68). 180 So die Begründung bei BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.6 (S. 68); zustimmend Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 50; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 107. 181 Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.11 weist darauf hin, dass auch für gemeinnützige Gesellschaften und Einrichtungen die Möglichkeit besteht, bis zu einem Drittel der Erträge an den Vorstand oder seine Familie auszuzahlen, ohne dass hierdurch der Status der Gemeinnützigkeit berührt wird. S. auch die Untersuchung von Avci/Schipani/Seyhun/Verstein, 71 Duke L. J. 619 (2021), die nahelegt, dass in den USA das Insiderhandelsverbot häufig umgangen wird, indem Insider ihre Wertpapiere an gemeinnützige Organisationen spenden und sich den damit einhergehenden Steuervorteil sichern. 182 Dies ist etwa der Fall, wenn der Vorstand eines Emittenten, anstatt an eine gemeinnützige Einrichtung zu spenden, deren Vermögensverwaltung übernimmt und dabei maßgeblich Geschäfte mit den Finanzinstrumenten des Emittenten tätigt. Hier liegt der wirtschaftliche Vorteil in der ersparten Spende.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 54 Art. 19 VO Nr. 596/2014
instrumenten des Emittenten etc. zukommt und/oder ihr aus solchen Geschäften ein signifikanter wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Erst in einem zweiten Schritt wird dann geprüft, ob eine der Tatbestandsvarianten des Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d VO Nr. 596/2014 vorliegt, das heißt, die Führungsperson oder die ihr eng verbundene natürliche Person die andere Entität leitet, diese direkt oder indirekt kontrolliert, diese zugunsten der Führungsperson oder der ihr eng verbundenen Person gegründet wurde oder sich die wirtschaftlichen Interessen der Entität weitgehend mit denen einer Person mit Führungsaufgaben oder einer dieser eng verbundenen Person decken. Im Folgenden werden die Einzelheiten zu diesem zweiten Schritt angesprochen: Andere Entitäten gelten gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 1 VO Nr. 596/2014 als eng verbunden, wenn 53 ihre Führungsaufgaben von einer Person mit Führungsaufgaben (beim Emittenten etc.) oder deren Angehörigen wahrgenommen werden, diese also die Stellung eines Organs im formellen oder materiellen Sinne innehat. Der Tatbestand ist damit extrem weit, da Doppelmandate und zahlreiche Konzernstrukturen erfasst werden, bei denen eine Person zwar eine Führungsaufgabe wahrnimmt, aber keinen wirtschaftlichen Vorteil aus den Aktiengeschäften dieser Gesellschaften bzw. Einrichtungen zieht. Daher ist der Tatbestand deutlich zu großzügig formuliert und bedarf der in Rz. 52 beschriebenen einschränkenden Auslegung183. Eine Organstellung ohne Entscheidungsmacht reicht also etwa dann aus, wenn der Führungskraft oder der ihr eng verbundenen natürlichen Person ein erheblicher Gewinnanteil zusteht. Weiterhin erfasst Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/2014 die Konstellation, dass die Person mit 54 Führungsaufgaben oder eine ihr eng verbundene Person die Entität direkt oder indirekt kontrolliert. Ausreichend ist die bloße Möglichkeit der Kontrolle184. Eine solche Kontrolle wird etwa über das Stimmrecht, über das Recht zur Entsendung/Abberufung von Organmitgliedern oder durch einen Beherrschungsvertrag ermöglicht185. Bereits Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/2014 lässt die indirekte Kontrolle ausreichen. Zusätzlich stellt Art. 3 Abs. 1 Nr. 13 VO Nr. 596/2014 klar, dass auch juristische Personen unter den Personenbegriff fallen und daher (direkt) kontrollierende Person i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/2014 sein können. Damit sind also auch mehrstufige Konzernstrukturen erfasst. Zur Konkretisierung des Begriffs der Kontrolle wird von einer Ansicht vorgeschlagen, auf die Kriterien zur Zurechnung von Stimmrechten nach § 34 WpHG bzw. § 29 WpÜG abzustellen186. Eine andere Ansicht im Schrifttum will stattdessen an die § 1 Abs. 35 KWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 VO Nr. 575/ 2013 (CRR) i.V.m. § 290 HGB anknüpfen187. Warum dabei im allgemeinen Kapitalmarktrecht auf die bankaufsichtsrechtliche Verweisung abgestellt werden sollte, erschließt sich allerdings nicht, zumal die Konsolidierungskriterien der Bilanzrichtlinie, wie sie in § 290 HGB umgesetzt sind, auf die betroffenen Emittenten direkt Anwendung finden. Entscheidend ist zunächst, dass alle Konstellationen erfasst werden müssen, die dem Normzweck des Art. 19 VO Nr. 596/2014, Geschäfte mit Indikatoreignung zu veröffentlichen, entsprechen. Außerdem muss für die Auslegung des Art. 19 VO Nr. 596/2014 eine Basis im Unionsrecht selbst gefunden werden. In sachlicher Hinsicht soll die Veröffentlichungspflicht nach dem oben (Rz. 52) Gesagten sowohl Fallgestaltungen erfassen, in denen die Führungskraft oder die ihr eng verbundene Person Entscheidungsmacht bei der Entität ausübt, als auch solche, in denen ihr die wirtschaftlichen Vorteile der Geschäfte der Entität maßgeblich zugutekommen (s. auch sogleich Rz. 56). Das spricht dagegen, wie im Übernahmerecht, allein an die formelle Einflussmacht durch Stimmrechte anzuknüpfen, da hierdurch nur ein Teil der kritischen Fälle erfasst werden kann und zudem die Kontrollschwelle auf europäischer Ebene nicht vereinheitlicht ist188. Die übernahmerechtliche Kontrollschwelle ist zudem auf die besondere Situation börsennotierter Aktiengesellschaften zugeschnitten, während es bei den potentiell meldepflichtigen Entitäten in aller Regel um geschlossene Gesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis gehen wird. Demgegenüber geht es bei den bilanzrechtlichen Kontrollkriterien sowohl um formelle Kontrollrechte als auch um wirtschaftliche Risiken, und zwar unabhängig von der Rechtsform der kontrollierten Gesellschaft. Dies entspricht weitestgehend dem Regelungszweck von Art. 19 VO Nr. 596/2014. Daher ist es vorzugswürdig, zur Bestimmung der Kontrolle i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 2 VO Nr. 596/2014 an die 183 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.4 (S. 68); Götze/Carl, Der Konzern 2016, 529, 540; zur alten Rechtslage bereits Erkens, Der Konzern 2005, 29, 34; Bode, AG 2008, 648 ff. 184 Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 87; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 102. 185 Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 55. 186 Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 58; Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 103. 187 Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 48; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.12; kurios Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 87, die auf den aufgehobenen Art. 1 KonzernbilanzRL 83/349 anstatt auf dessen Nachfolgeregelung (vgl. Art. 52 Bilanzrichtlinie 2013/34) in Art. 22 Bilanzrichtlinie 2013/34 abstellen wollen. 188 Vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. e Übernahmerichtlinie 2004/25, wonach sich die Kontrollschwelle nach dem Recht des Sitzmitgliedstaates der Zielgesellschaft richtet.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 54 | Eigengeschäfte von Führungskräften Konsolidierungskriterien von Art. 22 Abs. 1 Bilanzrichtlinie 2013/34189 anzuknüpfen, die in Deutschland durch § 290 HGB umgesetzt wurden. 55 Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 3 VO Nr. 596/2014 erfasst den Fall, dass eine Entität zugunsten der Personen
mit Führungsaufgaben oder einer ihr eng verbundenen Person gegründet wurde190. Dieser Fall wird häufig einhergehen mit der Innehabung einer Organstellung oder der Kontrolle der Stimmrechte, so dass es sich letztlich bei der Aufnahme dieser Gestaltung um eine Klarstellung handelt, um Umgehungen zu verhindern191. Entscheidend muss sein, dass die Entität in irgendeiner Weise durch die Führungskraft bzw. durch eine dieser eng verbundenen Person kontrolliert wird oder diesen die Erträge zugutekommen und damit ein Mindestmaß an Einfluss verbunden ist, das für eine Indikatorwirkung der durch die Entität getätigten Geschäfte spricht. Bei einem Family Office oder einer Familienstiftung, deren Erträge der Führungskraft oder ihr eng verbundenen Person zugutekommen, die aber rechtlich so gestaltet ist, dass diese Person keinerlei Einfluss auf die Anlagegeschäfte nehmen kann (s. zu diesen Kriterien auch Rz. 87), fehlt es an der Indikatorwirkung und der Tatbestand des Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 3 VO Nr. 596/2014 ist insoweit teleologisch zu reduzieren. Sobald die die Meldepflicht begründenden Umstände wegfallen, etwa indem die Führungskraft oder die ihr eng verbundene Person alle Gesellschaftsanteile veräußert, endet entgegen des missverständlichen Wortlauts auch die Eigenschaft der Entität als eng verbundene Person, unabhängig davon, zu welchem Zweck sie ursprünglich einmal gegründet wurde.
56 Abschließend erwähnt Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 lit. d Var. 4 VO Nr. 596/2014 schließlich die Konstellation, in der
die Personen mit Führungsaufgaben oder deren Angehörige zwar keine irgendwie geartete Kontrolle über die Entität ausüben, ihnen aber die wirtschaftlichen Vorteile von Geschäften zugutekommen, die die juristische Person, Gesellschaft oder Einrichtung in Finanzinstrumenten des Emittenten etc. tätigt. Beispiel hierfür sind Trusts, Stiftungen, die einen nennenswerten Teil der Erträge an die Familie der Führungsperson ausschütten, oder Spezial-AIF nach §§ 273 ff. KAGB (zu natürlichen Personen als Treuhänder s. Rz. 86). Auch in diesen Fällen ist aber ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeit der Führungskraft oder der ihr eng verbundenen Person erforderlich (s. Rz. 52), um die notwendige Indikatorwirkung annehmen zu können. Diese Einflussmöglichkeit kann sich aber auch erst durch das Zusammenrechnen der Anteile mehrerer meldepflichtigen Personen ergeben192.
c) Dritte 57 Da der Katalog der mitteilungspflichtigen Personen abschließend ist, unterliegen sonstige, in Art. 19 Abs. 1
VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Nr. 26 VO Nr. 596/2014 nicht genannte, Personen keiner eigenständigen Meldepflicht, selbst wenn sie wirtschaftlich auf Rechnung der Person mit Führungsaufgaben oder seiner Angehörigen handeln (z.B. Vermögensverwalter, Fondsmanager s. Rz. 110)193. Die Mitteilungspflicht trifft in diesen Fällen immer nur die Person mit Führungsaufgaben oder die ihr eng verbundene Person selbst194.
3. Meldepflichtige Geschäfte 58 Mit der Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs auf Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate
(s. Rz. 22) sowie auf Versteigerungsplattformen und Versteigerer (s. Rz. 23) geht eine Aufspaltung der erfassten mitteilungspflichtigen Geschäfte einher. Eine übergreifende Zurechnung der meldepflichtigen Geschäfte findet nicht statt. Ist also etwa ein Teilnehmer am Markt für Emissionszertifikate zugleich eine börsennotierte Aktiengesellschaft, so erweitert dieser Umstand nicht die Meldepflichten der Führungskräfte von Versteigerungsplattformen, die über ihre Zusammenarbeit mit dem Unternehmen etwa auch Informationen erlangen, die für die Bewertung der Aktien relevant sein können. Im Folgenden erfolgt deshalb eine getrennte Darstellung der meldepflichtigen Geschäfte, je nachdem ob es sich um eine Führungskraft (oder eine dieser eng verbundenen Person) eines Emittenten (dazu Rz. 59–67), eines Teilnehmers am Markt für Emissionszertifikate, einer Versteigerungsplattform oder eines Versteigerers handelt (dazu Rz. 68). Anschließend 189 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 182 v. 29.6.2013, S. 19. 190 Zur Holdinggesellschaft als reziproker Familienpool Mutter, DStR 2007, 2013 ff.; Kocher, BB 2012, 721, 722. 191 Ebenso die Einschätzung von Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 104. 192 Ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.1.2.7 (S. 68 f.); Kumpan/Grütze in Schwark/ Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 89. 193 Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 43. 194 Ebenso Helm, ZIP 2016, 2201, 2203.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 61 Art. 19 VO Nr. 596/2014
wird dann die für alle erfassten Geschäftsarten gleich zu beantwortende Frage behandelt, wann ein „Eigengeschäft“ vorliegt (dazu Rz. 69 ff.). Da es sich bei den Meldepflichten nach Art. 19 VO Nr. 596/2014 lediglich um Mindestharmonisierung handelt (s. Rz. 4), können einzelne Mitgliedstaaten theoretisch den Kreis der meldepflichtigen Geschäfte durch nationales Recht weiter ausdehnen. a) Erfasste Instrumente bei Eigengeschäften der Führungskräfte von Emittenten (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014) aa) Überblick Die Mitteilungspflicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 wird durch jedes Eigengeschäft 59 einer Führungsperson oder einer ihr eng verbundenen Person mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten sowie damit verbundenen Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten ausgelöst. Die Regelung des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 führt damit zu einer erheblichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Meldepflicht im Vergleich zu § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F., der nur zur Meldung von Geschäften in Aktien und sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten verpflichtete. Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 bezieht sich ausdrücklich nur auf Transaktionen in Anteilen oder Schuld- 60 titeln des Emittenten bzw. damit verbundenen Derivaten oder Finanzinstrumenten, nicht aber auch auf Transaktionen in Anteilen oder Schuldtiteln des Mutterunternehmens oder eines Schwester-, Tochteroder Enkelunternehmens des Emittenten bzw. diesbezüglichen Derivaten195. Diese Beschränkung mag man rechtspolitisch bedauern196, doch kann man die bewusste Entscheidung des europäischen Normengebers nicht durch eine Analogie oder den Hinweis auf eine Umgehung des Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 überwinden197. Denn angesichts der Vielzahl der in einem Konzern denkbaren Sachverhaltskonstellationen wird man schwerlich eine gemeinsame Analogiebasis finden. Es bleibt immerhin die Möglichkeit, in bestimmten Konstellationen auch Organwalter oder Mitarbeiter von Mutter- oder Tochtergesellschaften des Emittenten als Person mit Führungsaufgaben hinsichtlich des Emittenten zu qualifizieren (s. Rz. 32). Nur insoweit ist auch von einer hinreichenden Indikatorwirkung der Transaktion auszugehen. bb) Anteile Erfasst sind zunächst Anteile des Emittenten, Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014. Der 61 Begriff des „Anteils“ wird in der Marktmissbrauchsverordnung nicht definiert (auf Englisch ist schlicht von „shares“ die Rede, auf Französisch von „actions“). Im Rahmen der Wertpapierdefinition von Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 lit. a RL 2014/65/EU (auf die mittels der Definition des Finanzinstruments in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15, Anhang I Abschn. C Abs. 1 RL 2014/65/EU auch das Marktmissbrauchsrecht verweist) ist die Rede von „Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten“. Nicht Teil der Begriffsbestimmung ist die Verbriefung, die erst im Anschluss in der Definition auftaucht, so dass „Anteil“ als Obergriff für verbriefte und nicht verbriefte Eigenkapitalbeteiligungen unabhängig von der Gesellschaftsform erscheint. Dieser umfassende Ansatz kann im Ausgangspunkt auch für Art. 19 VO Nr. 596/2014 herangezogen werden, wie insbesondere der Vergleich mit der Vorgängerregelung des Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6 zeigt, wo ganz spezifisch von „Eigengeschäften mit Aktien“ die Rede war. Damit erfasst die Definition des Anteils unzweifelhaft Aktien, die zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind bzw. für die eine solche Zulassung beantragt ist oder die auf Antrag des Emittenten auf einem MTF oder OTF gehandelt werden bzw. für die ein Antrag zum Handel auf einem MTF gestellt ist (s. Rz. 20)198. Fraglich ist, ob auch Geschäfte mit Anteilen erfasst sind, die über keine solche (beantragte) Zulassung verfügen (wie z.B. Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, wenn nur die Stammaktien des Emittenten zugelassen sind) oder die sogar überhaupt nicht zulassungsfähig sind (wie z.B. GmbH-Anteile, wenn Schuldtitel der GmbH an einem der genannten Märkte zugelassen sind). Art. 19 Abs. 4 VO Nr. 596/2014 beantwortet diese Frage nicht, denn dort ist lediglich geregelt, welche Emittenten in den sachlichen Anwendungsbereich der Meldepflicht fallen199. Zu § 15a WpHG a.F. vertrat die BaFin die Auffassung, dass Geschäfte in allen vom Emittenten ausgegebenen Aktien erfasst seien, unabhängig davon, ob es sich um eine Aktiengattung handelt, die zum Börsenhandel zugelassen ist200. Dem-
195 196 197 198 199
Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 128. Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 475 f. Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 475 f. Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 99. Anders offenbar Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 45, der lediglich auf die Ausführungen zum sachlichen Anwendungsbereich verweist. 200 BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 76.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 61 | Eigengeschäfte von Führungskräften gegenüber sollen nach Ansicht der BaFin von der Nachfolgeregelung des Art. 19 VO Nr. 596/2014, trotz der enormen Ausdehnung des Anwendungsbereichs, nur Geschäfte in solchen Anteilen erfasst sein, die an einem geregelten Markt bzw. MTF/OTF gehandelt werden201. Im Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 findet diese Auslegung freilich keine Stütze, denn dort ist von „Eigengeschäften mit Anteilen [...] dieses Emittenten“ die Rede und anschließend folgen Derivate und sonstige verbundene Finanzinstrumente, die offensichtlich nicht über eine entsprechende Zulassung verfügen müssen. Entscheidend ist daher, ob der Regelungszweck es erfordert, dass auch Transaktionen in nicht zugelassenen Anteilen erfasst werden. Dies hängt davon ab, inwieweit solchen Geschäften eine Indikatorwirkung für die Bewertung der zugelassenen Finanzinstrumente zugesprochen werden kann. Denn Ziel des Art. 19 VO Nr. 596/2014 ist es, die Integrität des Handels mit den zugelassenen Finanzinstrumenten zu bewahren. Dafür spricht auch Art. 2 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014, der den Anwendungsbereich des Marktmissbrauchsrechts u.a. auf solche nicht zugelassenen Finanzinstrumente erstreckt, deren Kurs oder Wert sich auf die zugelassenen Instrumente auswirkt. Im Detail muss man daher differenzieren202: Soweit es sich nur um unterschiedliche Gattungen einer Anteilsart handelt, von denen mindestens eine auf einem relevanten Markt zugelassen ist, sollte die Meldepflicht auch auf Geschäfte in den anderen Gattungen erstreckt werden. Hier besteht ein derart enger Zusammenhang bei der Bewertung der Anteilsrechte, dass von einer Indikatorwirkung der Geschäfte in den anderen Gattungen auszugehen ist. Da von den im deutschen Recht bekannten Gesellschaftsanteilen lediglich Aktien zulassungsfähig sind, betrifft dies in Deutschland lediglich Aktiengesellschaften und KGaAs. Wie bislang sind daher Geschäfte in nicht zugelassenen Aktiengattungen eines Aktienemittenten von der Mitteilungspflicht umfasst. Anders sieht es aus bei Emittenten, die lediglich Schuldtitel zum Handel an einem geregelten Markt, MTF oder OTF zugelassen haben203. Die Risiko/Rendite-Profile solcher Schuldtitel unterscheiden sich wesentlich von denen der Gesellschaftsanteile des Emittenten, also etwa der GmbH-Anteile. Deshalb sind die Signale, die von Geschäften in derartigen Anteilen für die Bewertung der Schuldtitel ausgehen, sehr viel diffuser als bei Geschäften mit einer Parallelgattung von Anteilen. Im Ergebnis sind daher Geschäfte in Anteilen von GmbHs204 und Kommanditgesellschaften ebenso wenig meldepflichtig205, wie Geschäfte in Aktien von solchen Aktiengesellschaften, die überhaupt keine Aktiengattung zum Handel an einem geregelten Markt, MTF oder OTF zugelassen haben. Soweit Anteile nach dem Vorstehenden von der Meldepflicht umfasst sind, kommt es nicht darauf an, an welchem Markt das konkrete Geschäft getätigt wurde (vgl. Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014)206. cc) Schuldtitel 62 Nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 lösen auch Geschäfte mit Schuldtiteln des
Emittenten eine Meldepflicht aus. Eine solche Pflicht war in der Vorgängerregelung des Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6 noch nicht enthalten207. Durch die Änderung hat sich insbesondere der Kreis der vom sachlichen Anwendungsbereich der Pflichten umfassten Emittenten erheblich erweitert (s. ausführlich Rz. 20). Der Begriff des Schuldtitels wird in der Marktmissbrauchsverordnung lediglich im Rahmen einer explizit auf die Anwendung von Art. 5 VO Nr. 596/2014 beschränkten Definition erwähnt. Dort, wie auch in Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 lit. b RL 2014/65/EU (auf den mittels der Definition des Finanzinstruments in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15, Anhang I Abschn. C Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Nr. 44 lit. b RL 2014/65/EU auch das Marktmissbrauchsrecht verweist), erscheint der Schuldtitel in dem Zusammenhang „Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel“, woraus geschlossen werden kann, dass „Schuldtitel“ ein Obergriff ist (ebenso wie Anteil, s. zuvor Rz. 61), der sowohl verbriefte als auch nicht verbriefte Instrumente umfasst208. Letztlich bietet sich erneut eine umfassende Definition an, die im 201 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.2.1 (S. 69). Ebenso Kumpan, AG 2016, 446, 451; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 45 (jeweils ohne Begründung oder Diskussion des Problems). 202 Der hiesigen Differenzierung folgend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 100. 203 Bereits zum alten Recht wurde die Frage diskutiert, ob die Meldepflicht für Aktiengeschäfte gem. § 15a WpHG a.F. im Wege einer europarechtskonformen Auslegung auch auf Emittenten zu erstrecken sei, die lediglich Schuldtitel emittiert hatten; s. ausführlich Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 28. 204 I.E. ebenso Diekgräf, Directors' Dealings, S. 118 f. 205 Solche Gesellschaftsanteile können auch nicht Gegenstand eines Derivats oder Finanzinstruments i.S.v. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 3 und 4 VO Nr. 596/2014 sein, weil sich diese nur auf wertpapiermäßig verbriefte Gesellschaftsanteile beziehen; vgl. Anhang I Abschn. C Abs. 4 RL 2014/65/EU. Dies ist ein systematisches Argument gegen die Einbeziehung als „Anteil“, da andernfalls eine Regelungslücke bezüglich derivativer Geschäfte hinsichtlich dieser Anteile bestünde. 206 ESMA, Final Report: ESMA's technical advice, ESMA/2015/224, S. 43; zustimmend Kumpan, AG 2016, 446, 452; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 45. 207 Kritisch mit Blick auf die geringe Indikatorwirkung Hartlieb/Simonishvili, ZFR 2015, 61. 208 Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 101.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 64 Art. 19 VO Nr. 596/2014
Ausgangspunkt sämtliche Formen der Fremdkapitalfinanzierung umfasst. Dafür sprechen auch die anderen Sprachformen, wenn auf Englisch von „debt instruments“ oder auf Französisch von „titres de créance“ die Rede ist. Erneut stellt sich die Frage, ob nur Geschäfte in solchen Schuldtiteln erfasst sind, die selbst über eine Zulassung zum Handel auf einem geregelten Markt, MTF oder OTF verfügen bzw. für die ein Zulassungsantrag an einem geregelten Markt oder MTF gestellt wurde209. Trotz des Wortlauts von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014, der keine solche Begrenzung vorsieht, ist auch hier die Frage entscheidend, inwieweit Transaktionen in nicht zum Handel zugelassenen Schuldtiteln eine Indikatorwirkung für die Bewertung der zugelassenen Aktien oder Schuldtitel zukommt (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/ 2014)210. Wie bereits bei den Anteilsrechten muss man differenzieren: Sofern ein Emittent lediglich Aktien zum Handel zugelassen hat, scheidet eine Meldepflicht für Geschäfte in privat oder OTC-gehandelten Schuldtiteln grundsätzlich aus. Insoweit fehlt es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit des Risiko/RenditeProfils (s. Rz. 61). Etwas anderes gilt aber für solche Schuldtitel, deren Zahlungsströme direkt mit der Bewertung der Aktien korreliert sind, wie Wandelanleihen und ähnliche Instrumente (s. auch Rz. 65). Hat der Emittent dagegen sowohl zum Handel zugelassene Schuldtitel als auch andere Schuldtitel emittiert, kommt es auf die Vergleichbarkeit der Schuldtitel mit Blick auf die bewertungsrelevanten Kriterien an. Vergleichbar sind insbesondere gleichrangige Schuldtitel mit ähnlichen Fälligkeitszeitpunkten, da insoweit gleichzeitig ein Liquiditätsbedarf beim Emittenten entstehen wird, der aus denselben Mitteln zu befriedigen ist. Auch die Besicherung mit denselben Assets kann zu einer Vergleichbarkeit führen. Insoweit kommt es allerdings darauf an, in welchem Rangverhältnis die Sicherungsrechte stehen. Veräußern Führungskräfte des Emittenten nachrangig besicherte Schuldtitel, muss dies keine Relevanz für die vorrangig gesicherten Tranchen haben, während andersherum stets eine Indikatorwirkung zu bejahen sein wird. Schuldtitel mit ähnlich langen Laufzeiten können mit Blick auf den im Marktzins zum Ausdruck kommenden Risikoaufschlag vergleichbar sein, auch wenn sie unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte haben. Ist eine Vergleichbarkeit dagegen nicht gegeben oder lediglich sehr vage, kommt den Transaktionen in den nicht zugelassenen Schuldtiteln keine Indikatorwirkung zu und eine Meldepflicht scheidet aus. dd) Derivate und sonstige Finanzinstrumente Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 3 und 4 VO Nr. 596/2014 erstreckt die Meldepflicht auf Geschäfte in 63 mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten verbundenen Derivaten oder anderen mit Anteilen oder Schuldtiteln verbundenen Finanzinstrumenten. Der Begriff „Derivat“ wird ebenfalls nicht in der Marktmissbrauchsverordnung definiert. Im Bereich der Marktregulierung verweist Art. 2 Abs. 1 Nr. 29 VO Nr. 600/2014 zur Definition der Derivate auf Art. 4 Abs. 1 Nr. Nr. 44 lit. c sowie Anhang I Abschn. C Abs. 4–10 RL 2014/65/EU. Diese Definition kann auch für das Marktmissbrauchsrecht übernommen werden. Damit verliert das Merkmal des Derivats allerdings seine Eigenständigkeit und geht vollständig in der Regelung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 4 VO Nr. 596/2014 auf, derzufolge Geschäfte in Finanzinstrumenten, die mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten verbunden sind, die Meldepflicht auslösen. Die BaFin verweist zur Konkretisierung auf Art. 2 Abs. 1 lit. d VO Nr. 596/2014211, der wiederum über Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 RL 2014/65/EU das gesamte Spektrum der in Anhang I Abschn. C RL 2014/65/EU aufgeführten Finanzinstrumente – und damit auch sämtliche Derivate – umfasst. Daher werden im Folgenden Derivate und andere Finanzinstrumente gemeinsam behandelt. Zu den Besonderheiten bei Anteilen an Organismen für gemeinsame Anlagen s. Rz. 90. Die Mitteilungspflicht wird nur durch Transaktionen in solchen Finanzinstrumenten ausgelöst, die mit 64 Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten verbunden sind. Mit dieser Formulierung sind Finanzinstrumente gemeint, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von dem der Anteile oder Schuldtitel abhängt. Eine mittelbare Abhängigkeit besteht insbesondere bei Fondsanteilen und anderen Portfoliogestaltungen, die durch Art. 19 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 einer besonderen Regelung zugeführt wurden (dazu ausführlich Rz. 89 ff.). Durch die gesonderte Nennung wird betont, dass insbesondere Derivate erfasst sind, also alle als Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte ausgestalteten Termingeschäfte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar vom Börsen- oder Marktpreis der Aktien oder Schuldtitel des Emittenten abhängt (Anhang I Abschn. C Abs. 4 RL 2014/65/EU). Es spielt keine Rolle, ob der Emittent die sich auf seine Aktien oder Schuldtitel beziehenden Finanzinstrumente selbst begeben hat oder ob sie von dritter Seite emittiert wurden212. 209 Ohne Diskussion bejahend BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.2.1 (S. 69); Kumpan, AG 2016, 446, 451; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 45. 210 Dem folgend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 101. 211 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.2.1 (S. 69). 212 Letzel, BKR 2002, 862, 867; Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.5.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 65 | Eigengeschäfte von Führungskräften 65 Als unmittelbar mit Anteilen oder Schuldtiteln verbundene Finanzinstrumente erfasst sind Rechte auf den
Bezug von Aktien oder Schuldtiteln, also alle Wertpapiere und -rechte, bei denen Gläubigern ein Umtauschrecht auf Aktien oder Schuldtitel des Emittenten eingeräumt wird. Damit sind zunächst einfache Bezugsrechte erfasst, wie sie etwa im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausgegeben werden213. Unter den Tatbestand zu subsumieren sind außerdem Wandelanleihen und Wandelgenussrechte, gleichgültig, ob sie vom Emittenten oder von einem Dritten ausgegeben werden214. Erfasst sind Optionsscheine, unabhängig davon, ob sie verbrieft sind, und unabhängig davon, ob der Optionsschein noch mit der Anleihe verbunden ist oder nicht215. Der Tatbestand erstreckt sich auf die Call- und die Put-Option. Es ist gleichgültig, ob die Option nur zum tatsächlichen Kauf bzw. Verkauf der Aktien bzw. Schuldtitel (physical delivery) oder zum Bezug des Differenzbetrags berechtigt. Nicht erfasst werden dagegen reine Schuldverschreibungen216; werden sie vom Emittenten selbst begeben, fallen sie aber ggf. unter Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 (s. zuvor Rz. 62). Bei Genussrechten hängt die Anwendung des Tatbestands von ihrer Ausstattung ab. Aktienähnliche Genussrechte unterfallen der Bestimmung, da ihr Preis auf Grund ihrer aktienähnlichen Ausgestaltung zumindest mittelbar vom Preis der Aktien abhängt, während obligationsähnliche Genussrechte grundsätzlich nicht erfasst sind217. Etwas anderes gilt nur, wenn der Emittent Schuldverschreibungen emittiert hat, die in ihrer Laufzeit und Ausstattung den obligationsähnlichen Genussrechten gleichen, denn dann hängt die Bewertung mittelbar vom Preis der Schuldverschreibung ab.
66 Unternehmen räumen ihrer Geschäftsleitung immer häufiger anstelle von Aktienoptionsprogrammen
schuldrechtliche Ansprüche auf den Gewinn ein, der mit der Ausübung einer Option („stock appreciation rights“) oder mit dem Verkauf von Aktien des Emittenten („phantom stock plans“) verbunden gewesen wäre218. Da es sich lediglich um schuldrechtliche Ansprüche handelt, wird diese Zusage gesellschaftsrechtlich als börsenbezogene Tantieme beurteilt219. Kapitalmarktrechtlich handelt es sich um Finanzinstrumente i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014, nämlich um Derivate i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 i.V.m. Anhang I Abschn. C Abs. 4 RL 2014/65/EU220, d.h. um Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, die in bar abgerechnet werden (dazu ausführlich sogleich Rz. 67). Für die Bejahung eines Derivats ist weder die Verbriefung noch die Handelbarkeit zwingende Voraussetzung. Sie müssen auch nicht selbst zum Handel an einem geregelten Markt, MTF oder OTF zugelassen sein; ausreichend ist, dass das underlying unter Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a Var. 1 oder 2 VO Nr. 596/2014 fällt (dazu Rz. 61 f.).
67 Auch bloße schuldrechtliche Gestaltungen sind erfasst, wie sich an Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 VO Nr. 596/2014
i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 und Anhang I Abschn. C Abs. 4 RL 2014/65/EU zeigt. Dennoch will sie ein Teil des Schrifttums ausnehmen. Die Argumentation ist dabei höchst unterschiedlich. Die BaFin meint, es handele sich nicht um Finanzinstrumente, da sie weder handel- noch abtretbar seien221. Diese Auffassung findet aber keinerlei Grundlage in der unionsrechtlichen Definition des Finanzinstruments. Dort wird lediglich der Inhalt der verschiedenen Finanzinstrumente definiert, nicht aber Eigenschaften wie Verbriefung oder Übertragbarkeit222. Vielmehr zeigt gerade die Gegenüberstellung von Anhang I Abschnitt C Abs. 1 RL 2014/ 65/EU, der aus der Klasse aller Wertpapiere lediglich „übertragbare Wertpapiere“ als Finanzinstrument ein213 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.2 (S. 75). 214 Schäfer in Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, Rz. 16.5; Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1225; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 31. 215 So bereits zu § 15a WpHG a.F. der Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BT-Drucks. 14/8601, 18 f.; Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1225; zustimmend Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 140a. 216 Ebenso Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 31; Osterloh, Directors' Dealings, S. 169. 217 Zustimmend Franke/Schulenburg in Umnuß, Corporate Compliance Checklisten, Kapitel 3 Rz. 7. 218 Einzelheiten zu derartigen „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ bei Baums, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder, in FS Claussen, 1997, S. 3, 6; Feddersen, Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, ZHR 161 (1997), 269, 285 f.; Hoffmann-Becking, Gestaltungsmöglichkeiten bei Anreizsystemen, NZG 1999, 797, 801; Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, 1999, S. 21, 57. 219 Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797, 801; Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1821. 220 Ebenso Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1485; Osterloh, Directors' Dealings, S. 169. Unzutreffend dagegen BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.1.1 (S. 75); Kumpan, AG 2016, 446, 451; Meyer in Kümpel/ Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rz. 12.430; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 79; Söhner, BB 2017, 259, 264. 221 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.1.1 (S. 75); zustimmend: Söhner, BB 2017, 259, 264. Dagegen geht die ESMA davon aus, dass phantom stocks Derivate und nach Art. 19 VO Nr. 594/2014 meldepflichtig seien; ESMA, Final Report: ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, 3.2.2015, ESMA/2015/224, Rz. 133, 136. 222 So zur deutschen Umsetzung in § 2 Abs. 3 WpHG Assmann, § 2 WpHG Rz. 50; Kumpan in Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 36 (der die in der Vorauflage, dort Rz. 39, gemachte Ausnahme für stock appreciation rights und phantom stocks in der aktuellen Auflage nicht mehr erwähnt).
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 68 Art. 19 VO Nr. 596/2014
ordnet, dass die anderen in den folgenden Absätzen definierten Unterfälle des Finanzinstruments nicht zwingend übertragbar sein müssen. Wäre die Übertragbarkeit dem Begriff des Finanzinstruments immanent, hätte sie bei den Wertpapieren nicht eigens genannt werden müssen. Entscheidend ist, dass dem Inhaber der „stock appreciation rights“ und der „phantom stock plans“ das Recht auf Zahlung einer Geldsumme eingeräumt wird, wenn das underlying eine bestimmte Schwelle erreicht oder überschreitet223. Eine andere Ansicht verneint den für Derivate für notwendig erachteten hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt224, da letztlich nur eine Schuldverschreibung zurückgezahlt werde. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Anhang I Abschn. C Abs. 4 RL 2014/65/EU nirgends das Erfordernis eines hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkts ausdrücklich aufstellt. Der deutsche Gesetzgeber, der dieses Erfordernis in § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG (der für Art. 19 VO Nr. 596/2014 keine Relevanz hat) aufgenommen hat, wollte damit den Begriff des Termingeschäfts vor die Klammer ziehen225. Anhang I Abschnitt C Abs. 4 RL 2014/65/EU nennt aber den Begriff des „Derivatkontrakts“ und nicht des Terminkontrakts als Oberbegriff. Maßgeblich für ein Derivat ist, dass sich dieses auf ein „underlying“ bezieht, nicht aber, wann es erfüllt werden muss. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber entscheidend, dass Art. 10 Abs. 2 lit. d DelVO 2016/522 Geschäfte mit und im Zusammenhang mit Derivaten erfasst und dabei ausdrücklich auch Geschäfte mit Barausgleich als meldepflichtige Geschäfte nennt226. Dieser Tatbestand ist vorliegend gegeben, denn die Gesellschaft zahlt gerade die Kursdifferenz, die zwischen der Zuteilung der virtuellen Aktien und dem späteren Einlösungsstichtag entsteht (phantom stocks), oder bildet Optionsprogramme nach (stock appreciation rights), bei denen sich der Zahlungsanspruch an der Kursdifferenz zwischen dem festgelegten Ausgangskurs und dem späteren tatsächlichen Börsenkurs orientiert227. Eine weitere Ansicht stellt darauf ab, dass es sich bei den „stock appreciation rights“ und den „phantom stock plans“ um besondere Ausprägungen einer Tantiemevereinbarung handele228. Hiergegen ist einzuwenden, dass auch die „echten“ Optionen Teil der Entlohnung und damit tantiemeähnlich sind. Für die Qualifikation als Finanzinstrument kommt es nicht darauf an, warum ein Recht eingeräumt wird, sondern nur auf dessen inhaltliche Ausgestaltung. Art. 19 VO Nr. 596/2014 enthält daher nur sehr begrenzte Ausnahmen für arbeitsrechtliche Gestaltungen (s. Rz. 74). Wieder andere meinen, mangels Einwirkungspotential auf die geschützte Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes seien „stock appreciation rights“ und „phantom stock plans“ insiderrechtlich unproblematisch und daher nicht vom Begriff des Finanzinstruments erfasst229. Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 zeigt jedoch, dass das Marktmissbrauchsrecht auch solche Gestaltungen erfassen soll, in denen der durch Insiderinformationen erlangte Wissensvorsprung über schuldrechtliche Gestaltungen gewinnbringend genutzt wird. Im Übrigen verkennt diese Ansicht, dass es bei Art. 19 VO Nr. 596/2014 nicht auf Insiderpapiere ankommt, sondern die Norm an den Begriff des Finanzinstruments anknüpft. „Stock appreciation rights“ und „phantom stock plans“ unterfallen daher grundsätzlich Art. 19 VO Nr. 596/2014230. b) Erfasste Instrumente bei Eigengeschäften der Führungskräfte von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate, Versteigerungsplattformen und Versteigerern (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014) Die Führungskräfte von Teilnehmern am Markt für Emissionszertifikate sowie ihnen eng verbundene Per- 68 sonen müssen gem. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. b VO Nr. 596/2014 Eigengeschäfte mit Emissionszertifi223 So auch Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1485. 224 Klasen, AG 2006, 24, 28. 225 Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, 55 (dieses Definitionselement ist durch die nachfolgenden Änderungen im Wesentlichen gleich geblieben). 226 Das Argument von Kumpan, AG 2016, 446, 451 mit Fn. 76, phantom stocks fielen nicht unter Art. 10 Abs. 2 lit. b DelVO 2016/522, da es sich nicht um echte Optionen handele, läuft daher leer. 227 So im Ergebnis auch Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1485. 228 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.91 ff., 13.370. Ebenso Schäfer in Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 18, § 14 WpHG Rz. 14, der sich auf den alten Emittentenleitfaden stützt, der seinerseits aber – wie auch die aktuelle Fassung – gerade eine andere Begründung lieferte. 229 So im Ergebnis Kumpan, AG 2016, 446, 451; ebenso zu § 15a WpHG a.F. Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504; Klasen, AG 2006, 24, 28; von Dryander/Schröder, WM 2007, 534, 535 f. Ebenso Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 730 (allerdings mit der wichtigen Einschränkung, dass die Zuteilung und Ausübung der Rechte vorab festgelegt sein müssten). 230 Ebenso ESMA, Final Report: ESMA's technical advice on possible delegated acts concerning the Market Abuse Regulation, 3.2.2015, ESMA/2015/224, Rz. 133, 136; Stenzel, DStR 2017, 883, 887; Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1485 f.; Franke/Schulenburg in Umnuß, Corporate Compliance Checklisten, Kapitel 3 Rz. 8; a.A. BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.1.1 (S. 75); Kumpan, AG 2016, 445, 451. Ohne eigene Stellungnahme dagegen Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 108; zweifelnd auch Schockenhoff/Culmann, Managers‘ Transactions, in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 617, 624.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 68 | Eigengeschäfte von Führungskräften katen, darauf beruhenden Auktionsobjekten oder damit verbundenen Derivaten melden. Für dieselben Geschäfte sind gem. Art. 19 Abs. 10 Satz 1 VO Nr. 596/2014 die Führungskräfte von Versteigerungsplattformen und Versteigerern (zur Abschaffung der Auktionsaufsicht s. Rz. 23a) sowie ihnen eng verbundene Personen meldepflichtig. Der Begriff des Emissionszertifikats wird legaldefiniert in Art. 3 Abs. 1 Nr. 19 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Anhang I Abschn. C Abs. 11 RL 2014/65/EU. Demnach handelt es sich um Anteile, deren Übereinstimmung mit den Anforderungen der Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandelssystem) anerkannt ist. Der Begriff des Auktionsobjekts wird in Art. 4 VO Nr. 1031/2010 legaldefiniert. Es handelt sich um standardisierte elektronische Kontrakte, mittels derer Emissionszertifikate zum Verkauf angeboten werden. Derivate in Bezug auf Emissionszertifikate sind von Anhang I Abschn. C Abs. 4 RL 2014/65/EU umfasst. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zu Derivaten, die mit Anteilen oder Schuldtiteln verbunden sind, verwiesen werden (s. Rz. 63 ff.). c) Erfasste Geschäftsarten (Art. 19 Abs. 1, Abs. 7 VO Nr. 596/2014) aa) Überblick 69 Die Regelung des Art. 19 VO Nr. 596/2014 hat gegenüber der Vorgängernorm des § 15a WpHG a.F. zu einer
erheblichen Ausweitung der meldepflichtigen Geschäfte geführt. So sind nun auch passive Erwerbe, etwa durch Erbschaft, erfasst231. Außerdem sind nun auch bestimmte Geschäfte meldepflichtig, durch die lediglich eine vorübergehende Übertragung von Finanzinstrumenten stattfindet, nämlich das Verpfänden und Verleihen. Nach Auffassung des Verordnungsgebers ist es eine für den Markt wesentliche Information, wenn eine Führungskraft Finanzinstrumente verpfändet, um von Dritten Kredit zu erhalten232. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/522 konkretisiert den Umfang der meldepflichtigen Geschäfte dementsprechend dahin, dass es ausreicht, dass die Transaktion mit den erfassten Instrumenten „in Zusammenhang steht“ (auf Englisch: „relating to“). Der Begriff des Eigengeschäfts in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 ist daher extensiv auszulegen, darunter fallen im Grundsatz alle Formen des Erwerbs und der Veräußerung von Finanzinstrumenten, unabhängig davon, ob der Erwerb oder die Veräußerung aktiv oder passiv geschieht, entgeltlich oder unentgeltlich, einseitig oder zweiseitig ist233.
70 Die Regelungssystematik hinsichtlich der Art der meldepflichtigen Geschäfte ist äußerst unübersichtlich
und bedarf daher vorab einer kurzen Erläuterung: Die Meldepflicht betriff gem. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 grundsätzlich jegliche „Eigengeschäfte“. Für Geschäfte mittels Organismen für gemeinsame Anlagen und eng verwandte Gestaltungen enthält Art. 19 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 Einschränkungen, die dem Umstand geschuldet sind, dass die von der Meldepflicht erfassten Finanzinstrumente häufig nur einen Teil des Portfolios ausmachen, auf welches sich derartige Geschäfte beziehen. Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 führt zusätzliche Geschäftsarten auf, die ebenfalls eine Meldepflicht begründen. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des Begriffs des Eigengeschäfts durch drei Regelbeispiele. Schließlich konkretisiert Art. 10 Abs. 2 DelVO 2016/522 den Gesamtkreis der meldepflichtigen Geschäfte durch eine Auflistung von 16 nicht abschließenden234 Regelbeispielen. Fällt ein konkretes Geschäft nicht unter die explizit genannten Regelbeispiele, kann sich trotzdem eine Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 oder Abs. 7 VO Nr. 596/2014 ergeben. Daher werden im Folgenden zunächst diese allgemeinen Kriterien dargestellt, ehe anschließend die Einschränkungen für Fondsgestaltungen und die Regelbeispiele erläutert werden. bb) Begriff des Eigengeschäfts (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014)
71 Die Mitteilungspflicht gem. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 wird ausgelöst, sobald eine der er-
fassten Personen Eigengeschäfte mit Anteilen oder Schuldverschreibungen des Emittenten bzw. Emissionszertifikaten oder Auktionsobjekten oder damit verbundenen Finanzinstrumenten, insbesondere Derivaten235, 231 Kritisch dazu Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rz. 12.430; Poelzig in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Art. 19 Marktmissbrauchs-VO Rz. 12; Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 5; Stegmaier in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 19 Rz. 9. 232 Erwägungsgrund 58 VO Nr. 596/2014. 233 Ebenso Kumpan, AG 2016, 446, 452; Stenzel, DStR 2017, 883, 887; gegen die Einbeziehung eines passiven Erwerbs bei Finanzinstrumenten, die im Rahmen von Vergütungsprogrammen ausgegeben werden, jedoch Söhner, BB 2017, 259, 264. 234 Erwägungsgründe 28, 29 DelVO 2016/522. 235 Sehr aufschlussreich ist der Aufsatz von Ryser/Weber, Hedging durch Spitzenkräfte aus börsen- und aktienrechtlicher Sicht, GesKR 2010, 296 ff., der beschreibt, wie Spitzenkräfte sich bei aufgeschobenen, aktienbasierten Vergütungen mittels (privater) Hedging-Transaktionen der Aktienkursrisiken entledigen, die mit diesen Vergütungsinstrumenten verbunden sind.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 72 Art. 19 VO Nr. 596/2014
vornimmt. Der Begriff des Eigengeschäfts ist dabei umfassend zu verstehen. Obwohl im Rahmen des Handelsverbots nach Art. 19 Abs. 11 VO Nr. 596/2014 der Zusatz „direkt oder indirekt“ hinzugefügt wurde, hat der Begriff des Eigengeschäfts in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 dadurch keine Einschränkung erfahren, da „jedes“ Eigengeschäft meldepflichtig ist (s. auch Rz. 158). Die Neuregelung hat insbesondere aufgrund der weiten Formel des Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/522, die bereits jeden „Zusammenhang“ zu einem erfassten Instrument ausreichen lässt, den Begriff des Eigengeschäfts erheblich ausgedehnt und erfasst nun jegliche Erwerbs- und Veräußerungsvorgänge236, etwa auch den passiven Erwerb durch eine Erbschaft (dazu Rz. 104). Obwohl der wesentliche Zweck der Meldung in der Indikatorwirkung besteht, die von solchen Geschäften ausgeht, die auf einer eigenen Initiative der meldepflichtigen Person beruhen, ist diese Ausweitung systemkonform. Denn wenn der Markt erfährt, dass eine Führungskraft ein erhebliches Aktienpaket geerbt hat, kommt der Meldung (oder ihrem Ausbleiben) über einen anschließenden Verkauf eine andere Bedeutung zu, als wenn es sich um die Veräußerung von zuvor selbst erworbenen Aktien handelt. Damit geht auch von Meldungen, die nur den passiven Erwerb und ähnliches betreffen, eine indirekte Indikatorwirkung aus. Vor dem Hintergrund dieser umfassenden Transparenz ist es allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb der Verordnungsgeber darauf verzichtet hat, den Führungskräften eine Offenlegung des Anfangsbestands an erfassten Finanzinstrumenten aufzugeben237. Sofern der meldepflichtige Vorgang nach deutschem Recht in ein Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft 72 aufgespalten werden kann (zu rein schuldrechtlichen Gestaltungen s. Rz. 67), spricht der Zweck der Meldepflicht dafür, bereits die Vornahme des schuldrechtlichen Geschäfts238 und nicht erst die dingliche Erfüllung als maßgeblichen Zeitpunkt anzusehen239. Soweit eine Äußerung der BaFin dahin gedeutet wird, dass erst der dingliche Vollzug die Meldepflicht auslösen solle240, ist diese Auffassung mit den Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung nicht zu vereinbaren241. Eine Anknüpfung an die Entstehung des (schuldrechtlichen) Anspruchs ist bereits aufgrund der unionsrechtlichen Natur der Marktmissbrauchsverordnung geboten. Da die meisten Mitgliedstaaten kein Abstraktions- und Trennungsprinzip kennen, ergibt die Auslegung des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014, dass der Erwerbsvorgang mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts vorliegt. Die gegenteilige Auslegung hätte zur Folge, dass die Mitteilungspflicht innerhalb der Union zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgelöst würde. Damit wäre das mit der Marktmissbrauchsverordnung verfolgte Ziel einer Harmonisierung der Managers' Transactions verfehlt. Vor allem spricht aber das Regelungsziel der Meldepflicht für die Anknüpfung an das Verpflichtungsgeschäft. Ziel der Regelung ist die Erhöhung der Markttransparenz. An sich wäre bereits die ernsthafte Absicht einer Veräußerung oder eines Erwerbs von Finanzinstrumenten eine für den Markt wichtige Information. Da gegen eine pre-trading disclosure jedoch erhebliche Bedenken bestehen (s. Rz. 16), kommt als nächstmöglicher geeigneter Anknüpfungszeitpunkt nur die Vornahme des schuldrechtlichen Geschäfts in Betracht. Ein Abstellen auf die dingliche Erfüllung kommt dagegen zur Erreichung größtmöglicher Markttransparenz zu spät, wenn schuldrechtliches und dingliches Geschäft gestreckt sind. Eine solche Streckung stellt im Bereich des Effektenkommissionsgeschäfts jedoch gerade den Regelfall dar242. Außerdem wäre eine Umgehung der Mittei236 Ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 93. 237 Rechtspolitische Kritik auch bei Kumpan, AG 2016, 446, 452. 238 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.2.2 (S. 69). Ebenso Kraack, AG 2016, 57, 66; Kumpan, AG 2016, 446, 454; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 95; Pfüller in Habersack/ Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 51; Poelzig, NZG 2016, 761, 767; Poelzig in Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn, Art. 19 Marktmissbrauchs-VO Rz. 9; anders möglicherweise Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 47 (jeder denkbare Erwerb oder Veräußerung). 239 So aber zur alten Rechtslage Fleischer, ZIP 2002, 1217, 1226. 240 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.2.2 (S. 69). Dort geht es um den Fall, dass der dingliche Vollzug eines unbedingt abgeschlossenen schuldrechtlichen Geschäfts „vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängt“. Es geht also gerade nicht um den Normalfall einer Erfüllung des zuvor abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäfts, sondern um zusätzliche Bedingungen für den Eintritt der Erfüllung; dies übersieht Stenzel, DStR 2017, 883, 887. Beispiele sind ein Eigentumsvorbehalt bei einem nach § 929 Satz 1 BGB übereigneten Wertpapier, der dazu führt, dass die Erfüllung erst mit vollständiger Kaufpreiszahlung eintritt, oder Vollzugsbedingungen im Rahmen eines Share Purchase Agreements oder Management Buyout. Diese Deutung ist (jedenfalls teilweise) konsistent mit Art. 10 Abs. 2 lit. i DelVO 2016/522, demzufolge bei einem bedingten Geschäft der Eintritt der Bedingung und die tatsächliche Ausführung des Geschäfts eine (zusätzliche) Meldung erforderlich macht; ausführlich dazu Rz. 76. Als Grundsatz formuliert aber auch die BaFin, dass auf das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft abzustellen sei; BaFin, ebd. 241 Soweit sich Stenzel, DStR 2017, 883, 887 mit Fn. 57, auf eine Aussage der ESMA stützt, übersieht er, dass sich diese ausschließlich auf den Sonderfall bezieht, dass in einem Arbeitsvertrag eine aktien(-options-)basierte Vergütung vereinbart wird. In diesem Fall löst der Abschluss des Arbeitsvertrags noch keine Meldepflicht aus (s. sogleich Rz. 74). Der besondere Klarstellungsbedarf für diese Situation zeigt aber, dass grundsätzlich bereits die schuldrechtliche Vereinbarung die Meldepflicht begründet. 242 Zu den Einzelheiten der Erfüllung eines Kommissionsgeschäfts Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 4.45 ff.
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2023-04-11, 14:20, GroKO klein
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 72 | Eigengeschäfte von Führungskräften lungspflicht dadurch möglich, dass die Erfüllung des Wertpapiergeschäfts auf den Zeitpunkt des Ausscheidens der Führungsperson aus dem Amt vereinbart wird243. Weiteres Ziel der Vorschrift ist die Verhinderung von Insidergeschäften. Die Verwertung dieses Wissens erfolgt jedoch bereits mit dem schuldrechtlichen Geschäft, nicht erst mit dem dinglichen Übertragungsakt244. Schließlich knüpfen eine Vielzahl der in Art. 10 Abs. 2 DelVO 2016/522 genannten Regelbeispiele (z.B. lit. b, c, d, e, g, h) an schuldrechtliche Vorgänge an, so dass jedenfalls in diesen Fällen eine Anknüpfung an ein dingliches Ausführungsgeschäft eindeutig gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen würde. Etwas anderes gilt nur für den Sonderfall der formnichtigen Schenkung, die erst gem. § 518 Abs. 2 BGB durch die Bewirkung geheilt wird. Hier kann man nicht an das Verpflichtungsgeschäft anknüpfen, weil dieses aufgrund von § 125 Satz 1 i.V.m. § 518 Abs. 1 BGB keine bindende Wirkung hat, so dass die für eine Indikationswirkung erforderliche Gewissheit fehlt, dass es tatsächlich zu einer Transaktion mit dem betreffenden Finanzinstrument kommen wird. 73 Der Lehrbuchfall des Eigengeschäfts ist der Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten. Dabei ist unerheb-
lich, ob das Geschäft auf einem geregelten Markt, einem MTF/OTF oder OTC, im In- oder Ausland erfolgt245. Unerheblich ist auch, ob es auf dem Primärmarkt erfolgt (Zuteilung neuer Aktien oder Schuldtitel aufgrund der Zeichnung durch eine Führungsperson, vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. a und g DelVO 2016/522)246 oder über den Sekundärmarkt abgewickelt wird. Die Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 erfasst – anders als nach früherem Recht – jede Art von Erwerbs- und Veräußerungsvorgang, auch wenn dieser auf keiner bewussten Entscheidung der Führungskraft oder der ihr eng verbundenen Person beruht oder unentgeltlich erfolgt247. Damit ist auch ein Rechtsübergang durch Hoheitsakt (z.B. Zwangsversteigerung), kraft Gesetzes oder aufgrund gesetzlicher Verfügungsbefugnis (z.B. beim Pfandverkauf gem. §§ 1228, 1242 BGB248) erfasst. Das zeigt sich beispielhaft an Art. 10 Abs. 2 lit. k DelVO 2016/ 522, der auch Zuwendungen, Spenden und Erbschaften zu den meldepflichtigen Geschäften zählt (dazu Rz. 103 f.). Deshalb stellt auch die Entgegennahme von Gratisaktien oder die Zuteilung von Bezugsrechten (ohne Gegenleistung) ein „eigenes Geschäft“ dar. Gleiches gilt für von der Hauptversammlung beschlossene Kapitalmaßnahmen und Strukturveränderungen, die mit einer Veränderung im Aktienbestand einhergehen (z.B. Tausch von Aktien im Rahmen einer Fusion), sowie für von der Gesellschaft ausgehende Maßnahmen in Bezug auf die Finanzinstrumente (z.B. Aktiensplitts oder die Auszahlung einer Aktiendividende), vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. a und j DelVO 2016/522. Zwar ist mit diesen Vorgängen selbst keinerlei Indikatorwirkung verbunden und auch kein Insiderhandel zu befürchten. Aber derartige Meldungen erleichtern es, nachfolgende Meldungen (etwa über die Veräußerung der unentgeltlich erhaltenen Finanzinstrumente) besser einzuordnen249. Eine Indikatorwirkung entfaltet dagegen die Wahl zwischen einer Barauszahlung der Dividende oder einer Aktiengewährung, die daher ebenfalls meldepflichtig ist250.
74 Die Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 umfasst auch den Erwerb von Ak-
tien und Finanzinstrumenten auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil, eine Bereichsausnahme (wie in der ursprünglichen Fassung von § 15a WpHG a.F.) besteht insoweit nicht251. Auch hier gilt im Grundsatz, dass bereits die Entstehung des Anspruchs die Meldepflicht auslöst (s. Rz. 72). Nach Auffassung der ESMA ist allerdings ausnahmsweise nicht bereits der Abschluss der Vergütungsvereinbarung meldepflichtig, wenn der Bezug der Finanzinstrumente darin von bestimmten Bedingungen (wie der Errei243 Hierauf weist Uwe H. Schneider, AG 2002, 473, 474, zu Recht hin. 244 Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1819. 245 ESMA, Final Report: ESMA's technical advice, ESMA/2015/224, S. 43; zustimmend Kumpan, AG 2016, 446, 452; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 45. 246 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.6 (S. 76). 247 Gegen die Erfassung von unentgeltlichen Geschäften Hartlieb/Simonishvili, ZFR 2015, 61, 62. 248 A.A. offenbar BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.15 (S. 77), wonach die Verwertung sicherungshalber übereigneter oder verpfändeter Finanzinstrumente nur meldepflichtig sei, wenn der Sicherungsnehmer meldepflichtig sei. Formal gesehen ist dies allenfalls für das Sicherungseigentum vertretbar, bei dem äußerlich ein Vollrechtserwerb stattfindet, während der Pfandgläubiger nur ein Verwertungsrecht erwirbt, nicht aber das Eigentum. In materieller Hinsicht behält der Sicherungsgeber aber auch bei der Sicherungsübereignung das Treuhandeigentum an dem Sicherungsgut, welches ihn etwa zu einer Drittwiderspruchsklage berechtigt (vgl. BGH v. 28.6.1978 – VIII ZR 60/77, BGHZ 72, 141, 143). Verpfändete oder zur Sicherung übereignete Finanzinstrumente gehören daher bis zur Verwertung nach wie vor zum Vermögen des Sicherungsgebers. Daher stellt die Verwertung in beiden Fällen eine meldepflichtige Veräußerung dar. Für eine Erfassung von Treuhandeigentum spricht auch die Regelung des Art. 10 Abs. 2 lit. o DelVO 2016/522, die auch die Vermögensverwaltung in Form der Treuhandverwaltung umfasst; dazu Rz. 86. 249 Zustimmend Kumpan/Misterek in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 35. 250 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.4 (S. 75). 251 So auch Hitzer/Wasmann, DB 2016, 1483, 1485; Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 111; a.A. Söhner, BB 2017, 259, 264.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 75 Art. 19 VO Nr. 596/2014
chung bestimmter Erfolgskennziffern) abhängig gemacht wird252. In diesem Fall ist erst der Bezug der Aktien oder Finanzinstrumente zu melden (für Optionen s. Art. 10 Abs. 2 lit. b DelVO 2016/522). Diese Auslegung überzeugt. Zwar beruht der unmittelbare Erwerb von Finanzinstrumenten auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil grundsätzlich nicht auf einem Entschluss der Führungsperson, sondern folgt einem im Anstellungsvertrag bzw. von der Hauptversammlung festgelegten „Fahrplan“. Der Zeitpunkt und Umfang der Zuteilung der Aktien oder Optionen hängt infolgedessen nicht von einer eigenen Entscheidung des Vorstands ab, so dass die reine Zuteilung weder Indikatorwirkung entfaltet, noch Insiderhandel ermöglicht. Allerdings erfährt der Markt durch solche Meldungen, wie viele Finanzinstrumente zu welchem Zeitpunkt welcher Person zugeteilt wurden und kann daher bei einer anschließenden Verkaufsmeldung besser einschätzen, ob der Vorstand sämtliche Vergütungsbestandteile unmittelbar versilbert hat oder nur einen Teil davon. Überzeugend ist auch, dass erst die spätere Zuteilung und nicht bereits der Abschluss des Anstellungsvertrags oder der Beschluss der Hauptversammlung die Meldepflicht auslöst, wenn der Umfang der Zuteilung noch von zukünftigen Faktoren abhängt. Denn eine sofortige Meldung, die lediglich den Inhalt der Vergütungsvereinbarung wiedergeben könnte, hätte für den Markt keinen sinnvollen Informationsgehalt, weil daraus nicht hervorgeht, zu welchem Zeitpunkt der Führungskraft welche Anzahl an Finanzinstrumenten zugeteilt werden253. Anders ist dies in Fällen, in denen von vornherein feststeht, zu welchem Zeitpunkt eine Führungskraft welche Finanzinstrumente erhalten wird; eine solche Vergütungsabrede ist unmittelbar zu melden. Dieselben Erwägungen gelten für virtuelle Optionen und virtuelle Aktien. Der Erwerb der virtuellen Rechte, die Derivate darstellen (s. Rz. 66 f.)254, auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil ist grundsätzlich mitteilungspflichtig, sofern nicht die Voraussetzungen der virtuellen Zuteilung von ungewissen zukünftigen Faktoren abhängen. Der spätere Verkauf der Option oder die spätere Ausübung der Option bzw. der spätere Verkauf der auf 75 arbeitsrechtlicher Grundlage erhaltenen Finanzinstrumente sind gem. Art. 10 Abs. 2 lit. a und f DelVO 2016/522 ebenfalls als „Eigengeschäfte“ erfasst. Ebenso wie der Erwerb virtueller Rechte ist auch die später erfolgte Erklärung gegenüber dem Emittenten, den Barausgleich zu verlangen, d.h. die virtuellen Optionen „auszuüben“ oder die virtuellen Aktien zu „verkaufen“, mitteilungspflichtig255. Der gegen die Anwendung des Art. 19 VO Nr. 596/2014 auf „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ vorgebrachte Einwand, dass die Veröffentlichung keinerlei Informationswert für den Markt habe256, vermag nicht zu überzeugen. Das dem Vorstand eingeräumte Gestaltungsrecht, die virtuellen Optionen auszuüben oder die virtuellen Aktien zu verkaufen, löst an den Wertpapiermärkten dieselben Reaktionen aus, die eine tatsächlich ausgeführte Transaktion ausgelöst hätte. Eine Indikatorwirkung ist daher mit der Ausübung dieser Rechte verbunden. Gegen die hier befürwortete Lösung wurde zudem der Einwand erhoben, es seien keine Insiderpapiere betroffen257. Dies trifft nicht zu, da es sich bei „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ um Derivate handelt, die zumindest von Art. 2 Abs. 3 VO Nr. 596/2014 erfasst sind und eine Meldepflicht nach Art. 10 Abs. 2 lit. d DelVO 2016/522 auslösen. Nach Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/ 522 reicht es zur Annahme eines Eigengeschäfts bereits aus, dass die Transaktion mit den erfassten Instrumenten „in Zusammenhang“ steht. Dies ist bei virtuellen Instrumenten, deren Wert sich nach den Anteilen, Schuldtiteln oder Derivaten richtet, zweifellos der Fall. Der Einwand, eine solche Mitteilung würde den Kapitalmarkt verwirren, überzeugt ebenfalls nicht, denn die Meldung muss natürlich ein zutreffendes Bild des Geschäftsvorfalls geben und deshalb auch erwähnen, dass es sich um „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ handelt. Das bloße Verfallenlassen einer (virtuellen) Option ist dagegen nicht meldepflichtig258. Zwar erfasst Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VO Nr. 596/2014 auch die Stornierung oder Änderung eines bereits erhaltenen Auftrags als Insidergeschäft. Dies erfordert aber immer einen aktiven Eingriff in einen bereits geschlossenen Vertrag, der andernfalls unverändert ausgeführt würde. Das Unterlassen eines Geschäfts aufgrund einer Insiderinformation stellt dagegen keinen Fall des verbotenen Insiderhandels dar. Da252 ESMA, Q&A MAR, ESMA70-145-111, Version 15, Stand: 6.8.2021, 7.5. 253 Durch diese Erwägungen lassen sich auch die Bedenken entkräften, die die ESMA ursprünglich gegen eine Ausnahme von der unmittelbaren Meldepflicht mit Blick auf die uneingeschränkte Pflicht des Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 angemeldet hatte; vgl. ESMA, Final Report: ESMA's technical advice, ESMA/2015/224, S. 50. Nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 kann keine Meldung gefordert werden, die keinen sinnvollen Informationsgehalt aufweist. 254 Eine Meldepflicht wäre im Übrigen aufgrund von Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/522 auch dann zu bejahen, wenn man – entgegen dem hier vertretenen Standpunkt – die Eigenschaft als Derivat oder Finanzinstrument ablehnt; s. dazu sogleich im Haupttext bei Rz. 75. 255 Nach BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.1.2 (S. 75) sei die Ausübung einer auf einen Barausgleich gerichteten Option als „Veräußerung“ einzustufen. 256 Söhner, BB 2017, 259, 264. 257 Vgl. Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817, 1821. 258 Ebenso Schockenhoff/Culmann in FS 25 Jahre WpHG, 2019, S. 617, 623.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 75 | Eigengeschäfte von Führungskräften her erfordert die Insiderprävention keine Meldepflicht. Eine solche ist auch ansonsten nicht zu begründen, da von dem Verfallenlassen der Option keine Indikatorwirkung ausgeht. 76 Für den Fall, dass der schuldrechtliche Anspruch aufschiebend bedingt ist, ist nach Maßgabe des Art. 10
Abs. 2 lit. i Alt. 1 DelVO 2016/522 zum Zeitpunkt, zu dem die Bedingung eintritt, eine Meldung nach Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 596/2014 zu machen259. In den Erwägungsgründen wird ausgeführt, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Meldung erfolgen solle, damit der Markt nicht verwirrt wird, falls die Bedingung später nicht eintreten sollte260. Diese Auffassung hätte indes zur Konsequenz, dass zum Zeitpunkt des Kaufoder Verkaufsentschlusses der Person mit Führungsaufgaben gar keine Meldung zu machen wäre, sondern allein im zufälligen Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung. Der Informationswert für den Markt wäre deutlich geringer als bei der Mitteilung des vorangegangenen Geschäftsabschlusses, von dem die eigentliche Indikatorwirkung ausgeht. Zudem hätte es die Führungsperson bei der Vereinbarung von Potestativbedingungen in der Hand, die Mitteilungspflicht nach eigenem Belieben hinauszuschieben. Eine anderweitige Auslegung, wie sie sich in den Erwägungsgründen der DelVO 2016/522 findet, ist daher mit den höherrangigen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht zu vereinbaren. Deshalb ist bereits der unter einer aufschiebenden Bedingung stehende Geschäftsabschluss mitzuteilen261. Eine Irreführung des Marktes ist dann ausgeschlossen, wenn die Meldung eindeutig zu erkennen gibt, dass es sich um ein aufschiebend bedingtes Geschäft handelt, und die nachfolgende – durch Art. 10 Abs. 2 lit. i DelVO 2016/522 vorgeschriebene – Mitteilung auf die erste Meldung Bezug nimmt. Unterbleibt die zweite Meldung, darf der Markt daraus schließen, dass die Bedingung nicht eingetreten ist. Ist ein Kauf auflösend bedingt, kommt der spätere Eintritt der Bedingung einem Wiederverkauf gleich. Handelt es sich um einen Verkauf, wirkt die Bedingung wie ein erneuter Kauf. Die BaFin nimmt bei einer auflösenden Bedingung eine Meldepflicht für den Geschäftsabschluss allerdings erst an, wenn feststeht, dass die Bedingung nicht eintritt262. Dies würde die Indikatorwirkung ad absurdum führen, weil die Meldung, etwa bei Vereinbarung einer Potestativbedingung ad Infinitum herausgeschoben werden könnte. Der eigentliche Geschäftsabschluss ist daher stets meldepflichtig, fraglich kann allein eine erneute Meldung bei Bedingungseintritt sein. Unproblematisch zu bejahen ist solch eine Meldepflicht, wenn es sich um eine Potestativbedingung handelt, denn das Auslösen der Bedingung durch die Person mit Führungsaufgaben entfaltet die gleiche Indikatorwirkung wie ein Geschäftsabschluss (nur eben mit umgekehrten Vorzeichen zu dem ursprünglichen Geschäft). Nachdem Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 aber auch Geschäftsvorfälle erfasst, die nicht auf einem Willensentschluss der meldepflichtigen Person beruhen (s. Rz. 73), wird man eine Meldepflicht auch bei anderen als Potestativbedingungen bejahen müssen. Denn durch die Rückabwicklung der Transaktion infolge des Bedingungseintritts ändert sich der Bestand an Finanzinstrumenten der meldepflichtigen Person, was wiederum eine andere Interpretation nachfolgender Meldungen ermöglicht. Daher ist sowohl der Geschäftsabschluss als auch der spätere Bedingungseintritt mitteilungspflichtig263. Art. 10 Abs. 2 lit. i DelVO 2016/522 steht dieser Auslegung nicht entgegen, denn diese Norm erfasst – trotz ihres umfassenden Wortlauts – nur aufschiebende Bedingungen264.
77 Die für bedingte Rechtsgeschäfte geltenden Erwägungen lassen sich auch bei der Beantwortung der Frage
heranziehen, ob die Rückabwicklung einer Transaktion auf Grund von Leistungsstörungen mitteilungspflichtig ist. Kommt es zur Rückabwicklung der Transaktion aufgrund einer Leistungsstörung, ist grundsätzlich eine Meldung erforderlich, da nur so die von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 angestrebte Transparenz über die Veränderungen im Bestand an Finanzinstrumenten erreicht wird265.
78 Soweit die Mitteilungspflicht das schuldrechtliche Geschäft betrifft, muss das nachfolgende dingliche Ge-
schäft grundsätzlich nicht nochmals gemeldet werden, selbst wenn es dem schuldrechtlichen Geschäft zeitlich nicht unmittelbar nachfolgt266. 259 S. auch BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.7.2 (S. 76). 260 Erwägungsgrund 30 DelVO 2016/522. 261 A.A. Poelzig, NZG 2016, 761, 768. Wie hier zum alten Recht Pfüller in Fuchs, § 15a WpHG Rz. 118; nur noch rechtspolitische Kritik dagegen bei Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 67; ebenso Stegmaier in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 19 Rz. 101. 262 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.7.1 (S. 76). 263 Im Ergebnis ebenso Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 97; wohl auch Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 68, der jedenfalls rechtspolitische Kritik an der Auffassung der BaFin äußert. 264 S. Erwägungsgrund 30 DelVO 2016/522: „bei Eintritt der betreffenden Bedingung/en, d. h., wenn das fragliche Geschäft tatsächlich stattfindet“. 265 Zustimmend Kumpan/Grütze in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 98. 266 Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 52; Osterloh, Directors' Dealings, S. 171; differenzierend Erkens, Der Konzern 2005, 29, 35.
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 81 Art. 19 VO Nr. 596/2014
cc) Weitere meldepflichtige Geschäfte (Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014) Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 erweitert den Kreis der meldepflichtigen Geschäfte um drei Fallkonstellatio- 79 nen. Die Gemeinsamkeit dieser Fallgruppen besteht darin, dass jeweils bestimmte Merkmale des Eigengeschäfts i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 nicht vorliegen oder zweifelhaft sind. Es handelt sich daher nicht um bloße Klarstellungen oder Regelbeispiele, sondern um eine materielle Ausweitung der meldepflichtigen Geschäfte267. Die Regelung ist insoweit nicht abschließend, als es daneben selbstverständlich bei der allgemeinen Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 i.V.m. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 2 DelVO 2016/522 bleibt. Da die Fallgruppen des Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 aber die Meldepflicht sachlich erweitern, sind sie als solche abschließend268. Auch durch die Regelbeispiele in Art. 10 Abs. 2 DelVO 2016/522 erfährt die Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 keine Ausweitung, sondern lediglich eine Konkretisierung. Die Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 7 VO Nr. 596/2014 betrifft zunächst die Fallgruppe der Verpfändung und des Verleihens von Finanzinstrumenten. Damit wird die Meldepflicht auf Fälle ausgedehnt, in denen (jedenfalls zunächst) eine bloß vorübergehende Überlassung von Finanzinstrumenten ohne Gewinnrealisierung erfolgt (dazu Rz. 80 ff.). Die zweite Fallgruppe betrifft den Einsatz von Vermögensverwaltern mit eigenem Entscheidungsermessen. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit Geschäften noch eine Indikatorwirkung zugesprochen werden kann, wenn die Anlageentscheidungen gar nicht mehr von der meldepflichtigen Person selbst getroffen werden (dazu Rz. 84 ff.). Die dritte Fallgruppe schließt daran an und umfasst Geschäfte, die im Rahmen von atypischen Lebensversicherungsverträgen getätigt werden (dazu Rz. 88). Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 begründet eine Meldepflicht auch für den Fall, dass eine 80 meldepflichtige Person die Finanzinstrumente verpfändet oder verleiht. Obwohl dies im Wortlaut der Norm keinen Niederschlag gefunden hat, sind von dieser Meldepflicht nur solche Finanzinstrumente erfasst, die auch unter die Meldepflicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 fallen (dazu Rz. 59 ff.), in der Praxis also vor allem Aktien und Schuldverschreibungen des Emittenten, bei dem die Führungskraft beschäftigt ist. Dafür spricht auch die Regelung des Art. 10 Abs. 2 lit. p DelVO 2016/522, der lediglich Leihgeschäfte mit Anteilen oder Schuldtiteln des Emittenten oder mit Derivaten oder anderen damit verbundenen Finanzinstrumenten als meldepflichtige Geschäft einordnet. Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/ 2014 beschränkt die Meldepflicht im Falle der Verpfändung auf den Fall, dass diese der Sicherung einer spezifischen Kreditfazilität dient. Bislang war die Verpfändung von Finanzinstrumenten nicht als meldepflichtiges Geschäft erfasst, da für 81 die Führungskraft grundsätzlich keine Möglichkeit der Gewinnrealisierung besteht269. Daher fällt sie auch nicht unter den Begriff des Eigengeschäfts i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014. Demgegenüber weist der Verordnungsgeber darauf hin, dass das Verpfänden von Anteilen im Falle einer plötzlichen und unvorhergesehenen Veräußerung erhebliche und potentiell destabilisierende Auswirkungen auf das Unternehmen haben könne. Nur durch eine Veröffentlichung der Verpfändung werde es dem Markt bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit beispielsweise einer wesentlichen Änderung im Anteilsbesitz, einer Zunahme des Angebots von Anteilen auf dem betreffenden Markt oder des Verlustes von Stimmrechten bei dem betreffenden Emittenten gestiegen sei270. Diese Ausführungen zeigen, dass der europäische Normgeber die Meldepflicht bei Managers' Transactions mit den Stimmrechtsmeldungen nach Art. 9 ff. RL 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie) verwechselt hat. Denn nur in besonderen Konstellationen (z.B. bei Gründungsgesellschaftern) werden Führungskräfte über eine derart hohe Beteiligung am Emittenten verfügen, dass durch eine Zwangsversteigerung ihrer Anteile die beispielhaft genannten Folgen eintreten könnten. Zudem betreffen sämtliche dieser Folgen nur die Konstellation, dass Anteilsrechte verpfändet werden, während die Regelung auch Schuldtitel und derivative Finanzinstrumente umfasst. Ein sinnvolles Regelungsziel lässt sich aus den Ausführungen des Verordnungsgebers daher nur sehr begrenzt ableiten, insbesondere, wenn man davon ausgeht, dass die Verwertung der verpfändeten Finanzinstrumente als solche eine eigenständige Meldepflicht auslöst (vgl. Rz. 73)271, so dass es sich bei der Meldung nach Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 1 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014 lediglich um eine „Vorwarnung“ handelt. Daher ist Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 1 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014 eng auszulegen. Trotzdem wird man die Regelung jedenfalls auf die Sicherungsübereignung erstrecken müssen, da insoweit nicht an der unionsrechtlichen Terminologie des „Verpfändens“ festgehalten werden darf. Dafür spricht auch, dass in Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014, der die Meldepflicht konkretisiert, von einer Verpfändung „oder ähnlichen Sicherung“ die Rede ist. Nicht erfasst 267 268 269 270 271
Ebenso Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 168. A.A. Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 168. Dazu ausführlich Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 81. Erwägungsgrund 58 VO Nr. 596/2014. So auch Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 49.
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Art. 19 VO Nr. 596/2014 Rz. 81 | Eigengeschäfte von Führungskräften ist allerdings nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 1 lit. a VO Nr. 596/2014 der Fall, dass ein Dritter der Führungskraft Finanzinstrumente verpfändet. Eine solche Inpfandnahme ist auch nicht nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 596/2014 meldepflichtig, da kein Zuwachs im Bestand der Finanzinstrumente der Führungskraft stattfindet272, dem eine Indikatorwirkung zukommen könnte oder der aus Transparenzgründen gemeldet werden müsste273. Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn der Führungskraft oder der eng verbundenen Person als Pfandgläubiger zugleich das Stimmrecht aus Aktien übertragen wird, etwa im Wege einer unwiderruflichen Vollmacht. Denn in diesem Fall kann sich, je nach Zahl der verpfändeten Aktien, der Einfluss in der Hauptversammlung erheblich erhöhen. 82 Die Meldepflicht besteht gem. Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 2 VO Nr. 596/2014 nur, sofern und solange die Ver-
pfändung dazu dient, eine spezifische Kreditfazilität zu sichern274. Damit sind insbesondere solche Pfandrechte nicht von der Meldepflicht des Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 1 lit. a Var. 1 VO Nr. 596/2014 erfasst, die – wie das Depotpfandrecht nach Nr. 14 AGB-Banken – dazu dienen, sämtliche Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis zu sichern275. Nur bei Pfandrechten, die der Absicherung eines spezifischen Kreditrisikos dienen, sieht der Verordnungsgeber ein hinreichendes Risiko, dass die Hingabe der Finanzinstrumente letztlich als Gegenleistung für die Valuta angesehen werden könnte.
83 Neben der Verpfändung löst auch das Verleihen von Finanzinstrumenten nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 7
Unterabs. 1 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 eine Meldepflicht aus. Wiederholt wird dies in Art. 10 Abs. 2 lit. p DelVO 2016/522, der die Meldepflicht auch für den Fall vorsieht, dass sich die Führungsperson die Finanzinstrumente leiht. Der Begriff der Leihe ist dabei weit auszulegen, die Meldepflicht erfasst daher neben der klassischen Wertpapierleihe (genauer: Wertpapierdarlehen) auch Wertpapierpensionsgeschäfte und RepoGeschäfte276. Alle diese Geschäfte stellen keine lediglich vorübergehenden Überlassungen dar, denn der Pensionsnehmer bzw. der „Entleiher“ erwirbt die Wertpapiere und gewährt später andere Wertpapiere gleicher Art und Menge zurück277. Daher wurden schon nach früherem Recht Pensionsgeschäfte und Wertpapierleihen als „eigene Geschäfte“ eingeordnet278, so dass auch bereits ein Eigengeschäft i.S.d. Art. 19 Abs. 1 VO 596/ 2014 bejaht werden kann. Dass der Tatbestand nochmals explizit in Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 1 lit. a Var. 2 VO Nr. 596/2014 aufgenommen wurde, mag sich daraus erklären, dass Wertpapierleihen häufig im Zusammenhang mit Leerverkäufen stehen und die Europäische Union diese generell unter eine strengere Aufsicht stellen will279. Da bei einer Wertpapierleihe bereits ein Eigengeschäft i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 596/2014 vorliegt, kann auch für den Fall des Entleihens eine Meldepflicht bejaht werden (so auch ausdrücklich Art. 10 Abs. 2 lit. p DelVO 2016/522). Auch Schutzzweckgesichtspunkte sprechen für die Meldepflicht bei Leihgeschäften280. Da Wertpapierdarlehen das Volleigentum vermitteln281 und den Inhaber während der Leihzeit so stellen wie nach einem Wertpapierkauf, kann sich mit ihnen auch eine Indikatorfunktion verbinden. Zudem ließe sich Art. 19 VO 596/2014 leicht umgehen, wollte man Wertpapierdarlehen generell ausnehmen. Keine Meldepflicht wird durch die Rückübertragung nach beendeter Leihe des Wertpapiers ausgelöst282, da
272 Zweifelhaft daher BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.15 (S. 77), wonach die Verwertung verpfändeter Finanzinstrumente durch eine meldepflichtige Person die Meldepflicht auslöse. Da es sich um die Verwertung fremder Finanzinstrumente aufgrund einer gesetzlichen Verfügungsbefugnis (§§ 1228, 1242 BGB) handelt, wird der Sicherungsnehmer niemals Inhaber oder Eigentümer der Finanzinstrumente, so dass keine gesetzliche Grundlage für eine solche Meldepflicht besteht. 273 Ebenso Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 171. 274 Insoweit war der Wortlaut der Originalfassung der Marktmissbrauchsverordnung fehlerhaft, da es dort hieß, die Verpfändung müsse nicht gemeldet werden, „sofern und solange eine derartige Verpfändung oder andere Sicherung dazu dient, eine spezifische Kreditfazilität zu sichern“. Demgegenüber stellt Erwägungsgrund 58 VO Nr. 596/2014 klar, dass die Meldepflicht genau andersherum nur im Zusammenhang mit der Absicherung von Kreditfazilitäten besteht. 275 So auch Pfüller in Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 70; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 49. Ebenso Kumpan, AG 2016, 446, 452, allerdings auf Grundlage des gegenteiligen Wortlauts der Originalfassung. 276 Ebenso Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 173. 277 Oulds in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rz. 10.97 f. 278 Sethe in 6. Aufl., § 15a WpHG Rz. 82; BaFin, Emittentenleitfaden 2013, S. 86; Heinrich in KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 56; a.A. Engelhart, AG 2009, 856, 862 ff. 279 So die Vermutung von Kumpan, AG 2016, 446, 452. 280 A.A. Engelhart, AG 2009, 856, 864, der der Auffassung ist, dass der Wertpapierleihe keinerlei Indikatorfunktion zukomme. Eine solche bestehe nur, wenn die Finanzinstrumente am Ende der Laufzeit endgültig beim Vertragspartner verbleiben sollen. 281 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, AG 2009, 441, 442. 282 BaFin, Emittentenleitfaden Modul C, Stand: 25.3.2020, II.3.9.14 (S. 77). Ebenso Stegmaier in Meyer/Veil/Rönnau, Hdb. Marktmissbrauchsrecht, § 19 Rz. 61.
752 | Hellgardt
2023-04-11, 14:20, GroKO klein
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Eigengeschäfte von Führungskräften | Rz. 85 Art. 19 VO Nr. 596/2014
sich dieser Vorgang bereits aus der ursprünglichen Meldung über die Wertpapierleihe ergibt283. Stattdessen führen aber die Aufhebung der Rückübertragungspflicht, die Änderung des Wertpapierdarlehens in einen Kauf und ähnliche Gestaltungen, die zu einem endgültigen Rechtsübergang führen, zu einer erneuten Meldepflicht284. Art. 19 Abs. 7 lit. b VO Nr. 596/2014 erstreckt die Meldepflicht auf Geschäfte, die von Personen, die beruf- 84 lich Geschäfte vermitteln oder ausführen, sowie von anderen, von der Führungskraft beauftragten Personen, vorgenommen werden, unabhängig davon, ob die handelnde Person hierbei ein eigenes Ermessen ausüben darf. Konkretisiert wird die Meldepflicht zunächst durch Art. 10 Abs. 2 lit. n DelVO 2016/522, wonach Geschäfte meldepflichtig sind, die vom Verwalter eines AIF ausgeführt werden, in den die Führungskraft investiert hat. Diese Konkretisierung steht unter der Einschränkung „sofern nach Art. 19 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 eine Meldung vorgeschrieben ist“. Damit wird auf die generellen Ausnahmen für Fonds in Art. 19 Abs. 1a VO Nr. 596/2014 verwiesen (dazu Rz. 89 ff.). Eine weitere Konkretisierung erfolgt durch Art. 10 Abs. 2 lit. o DelVO 2016/522, wonach Geschäfte zu melden sind, die von einem Dritten im Rahmen eines individuellen Portfolioverwaltungs- oder Vermögensverwaltungsmandats für eine Führungsperson oder eine mit ihr eng verbundene Person durchgeführt werden. Art. 19 Abs. 7 Unterabs. 3 VO Nr. 596/2014 beschränkt die Meldepflicht bei Geschäften, die durch Verwalter von Organismen für gemeinsame Anlagen vorgenommen werden, wenn der Verwalter vollständiges Ermessen hat und Weisungen der Führungskraft oder ihr nahestehenden Person ausgeschlossen sind. Die Erstreckung der Meldepflicht auf Geschäfte, die im Rahmen einer Vermögensverwaltung vorgenommen 85 werden, überzeugt. Denn obwohl der Vermögensverwalter die Anlageentscheidungen in der Regel selbstständig trifft285 und damit regelmäßig ohne Wissen der Führungsperson Wertpapiere erwirbt, fehlt es nicht an der Indikatorwirkung286. Denn der Vermögensinhaber behält bei einer individuellen Vermögensverwaltung zahlreiche Möglichkeiten der Einflussnahme. So kann die Führungsperson auch bei einer Vermögensverwaltung ihren Wissensvorsprung dadurch ausnutzen, dass sie dem Vermögensverwalter gezielte Informationen (auch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des Insidertatbestands) zukommen lässt287. Führungskräfte können ihren Vermögensverwalter zudem als argloses Werkzeug einsetzen, indem sie aufgrund ihres Insiderwissens die Anlagerichtlinien entsprechend ändern288. Schließlich steht dem Kunden eines Vermögensverwalters das unentziehbare289 Recht zu, dem Vermögensverwalter im Einzelfall bindende Weisungen hinsichtlich des Erwerbs oder der Veräußerung einzelner Finanzinstrumente zu erteilen290. Die Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters bewirkt also kein generelles Entfallen der Indikatorfunktion von Managers' Transactions und der mit Art. 19 VO Nr. 596/2014 bezweckten Vorbeugefunktion gegen Insiderhandel. Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch dem Umstand gerecht, dass das Aufsichtsrecht von einer funktionalen 283 Auch ansonsten begründet das dingliche Erfüllungsgeschäft keine eigenständige Meldepflicht, auch wenn es in erheblichem zeitlichem Abstand zum Verpflichtungsgeschäft steht; s. Rz. 78. 284 Zustimmend Kumpan/Grübler in Schwark/Zimmer, Art. 19 VO (EU) 596/2014 Rz. 174. 285 Dabei handelt er entweder nach freiem Ermessen oder nach vorher vereinbarten Anlagezielen, Balzer, Vermögensverwaltung, 1999, S. 14 f.; Sethe, Anlegerschutz, S. 15 ff. 286 So aber Maume/Kellner, ZGR 2017, 273, 291; Meyer in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rz. 12.430; Semrau in Klöhn, Art. 19 MAR Rz. 50. 287 Dass der Verordnungsgeber derartige Konstellationen für naheliegend hält, zeigt bereits die Erstreckung der Meldepflicht auf eng verbundene Personen. Damit sollen Umgehungen des Art. 19 VO Nr. 596/2014 verhindert werden (s. Rz. 40). Diese Erwägung gilt erst recht für Transaktionen, die der Vermögensverwalter einer Führungsperson vornimmt, denn die Vorteile dieser Geschäfte fließen hier nicht nur nahen Angehörigen, sondern sogar der Führungsperson unmittelbar zu. Der Anreiz zu solchen Umgehungen ist daher ebenso groß wie bei der Zwischenschaltung naher Angehöriger. 288 Trotz der abstrakten Formulierung von Anlagerichtlinien lässt sich so eine gezielte „Feinsteuerung“ erreichen. So kann z.B. ein Vermögensinhaber, der Führungsperson eines Versicherungskonzerns ist und Werte dieses Emittenten in seinem Depot hat, gezielte Verkäufe dieser Wertpapiere auslösen, indem er in die Anlagerichtlinien die Vorgabe aufnimmt, dass generell keine Anlage in Versicherungswerten erfolgen soll. Dadurch veranlasst die Führungsperson den arglosen Vermögensverwalter zum Verkauf der Aktien. 289 Zum Teil