296 85 3MB
German Pages IX, 70 [75] Year 2020
John Erpenbeck · Werner Sauter
Werteerfassung und Wertemanagement Gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten, Teams und Organisationen
essentials
essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich • als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet • als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld • als Einblick, um zum Thema mitreden zu können Die Bücher in elektronischer und gedruckter Form bringen das Expertenwissen von Springer-Fachautoren kompakt zur Darstellung. Sie sind besonders für die Nutzung als eBook auf Tablet-PCs, eBook-Readern und Smartphones geeignet. essentials: Wissensbausteine aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aus Technik und Naturwissenschaften sowie aus Medizin, Psychologie und Gesundheitsberufen. Von renommierten Autoren aller Springer-Verlagsmarken.
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/13088
John Erpenbeck · Werner Sauter
Werteerfassung und Wertemanagement Gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten, Teams und Organisationen Mit einem Praxiskapitel von Roman Sauter
John Erpenbeck Steinbeis Universität Berlin, Deutschland
Werner Sauter Blended Solutions Neu-Ulm, Deutschland
ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-658-30195-8 ISBN 978-3-658-30196-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30196-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Christine Sheppard Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Was Sie in diesem essential finden können
• Sie erfahren, was Werte sind, warum sie immer größere Bedeutung gewinnen und welche Arten es gibt, wie sie wirksam werden und wie sie die Kultur auf den verschiedenen Ebenen der Organisation prägen. • Sie erkennen, warum die Werteerfassung die notwendige Voraussetzung für ein gezieltes Wertemanagement ist und lernen ein Verfahren zur fundierten Werteerfassung kennen. • Sie entdecken wirksame Ansätze des Werte- und Kulturmanagements auf Organisationsebene, erfahren die besondere Rolle der oberen Führung und der Wertemanager und bekommen wertvolle Anregungen zur Gestaltung des unternehmensweiten Kommunikationsprozesses. • Sie gewinnen einen Überblick über die Möglichkeiten, Werteentwicklung in Teams gezielt zu gestalten und die Teamkultur zu entwickeln. • Sie gewinnen einen Einblick in die Möglichkeiten der gezielten Werte- und Kompetenzentwicklung von Persönlichkeiten auf der Praxis-, der Coachingund der Trainingsstufe.
V
Inhaltsverzeichnis
1 Ausgangslage und Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Was sind Werte?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 Werteerfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 4 Gezieltes Werte- und Kulturmanagement auf organisationaler Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 5 Gezielte Werteentwicklung auf der Teamebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6 Werteentwicklung auf individueller Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7 Praxisbericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
VII
Über die Autoren
Prof. Dr. John Erpenbeck hat den Lehrstuhl Wissens- und Kompetenzmanagement an der SIBE (School of International Business and Entrepreneurship) im Verbund der Steinbeis- Hochschule Berlin inne. Gemeinsam mit Prof. Dr. Volker Heyse hat er die Kompetenzmesssysteme KODE® und KODE®X entwickelt, zusammen mit Roman Sauter sowie Prof. Dr. Werner Sauter das Werteerfassungssystem KODE®W. Er hat viele literarische und wissenschaftliche Werke, insbesondere zu Werten und Kompetenzen, veröffentlicht. Prof. Dr. Werner Sauter berät und begleitet Organisationen bei der Konzipierung, Entwicklung, Umsetzung und Implementierung von Werte- und Kompetenzmanagement-Systemen bis zur Kompetenzentwicklung von Learning Professionals und Führungskräften. Er ist wissenschaftlicher Berater der KODE GmbH und hat gemeinsam mit Prof. Dr. John Erpenbeck und Roman Sauter das Werteerfassungssystem KODE®W entwickelt. Er ist Autor einer Vielzahl von Fachbüchern und -artikeln zu innovativen Lernformen und veröffentlicht regelmäßig seine Überlegungen in seinem Blog (www.wernersauter.com).
IX
1
Ausgangslage und Zielsetzung
Digitalisierung, Automatisierung, Künstliche Intelligenz, Flexibilisierung der Arbeit, agile Arbeitswelt; Fachkräftemangel auf der einen und sinnsuchende High-Potentials auf der anderen Seite des Arbeitsmarktes; Klimawandel, Pandemien, wachsender Ressourcenverbrauch, instabile Märkte, Null-Zins-Politik und unvorhersehbare, disruptive technische, ökonomische und politische Entwicklungen … Alle Organisationen stehen vor gewaltigen Herausforderungen, die mit bisherigen Methoden nicht mehr zu bewältigen sind. Wie findet eine O rganisation eine sinnerfüllte Zielsetzung, die ihren Erfolg in der Zukunft sichert, ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigert und gleichzeitig den zunehmenden gesellschaftlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit sowie sozialer und kultureller Verantwortung für das Gemeinwohl zukunftsweisend gerecht wird? Wie können Organisationen als Ganzes eine zukunftstaugliche Qualität „kollaborativer Intelligenz“ aufbauen und es ihren Mitarbeitern gleichzeitig ermöglichen, ihre für die Zukunft erforderlichen Werte und Kompetenzen selbstorganisiert im Prozess der Arbeit und im Netz zu entwickeln?
Je offener die Zukunft, umso wichtiger werden Kompetenzen und Werte.
Die Veränderungen der Umwelt und damit der Arbeit haben bereits zu mehr oder weniger starken Weiterentwicklungen der Unternehmen geführt. Insbesondere der klassische Taylorismus hat sich überlebt und wurde in vielen Unternehmen in unterschiedlicher Weise angepasst oder gar ersetzt. Trotzdem wird dieses Prinzip der Prozesssteuerung immer noch in vielen Unternehmen oder in einzelnen Teilbereichen gelebt (vgl. Sauter et al. S. 9 ff., 2018).
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Erpenbeck und W. Sauter, Werteerfassung und Wertemanagement, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30196-5_1
1
2
1 Ausgangslage und Zielsetzung
Die Erkenntnis, dass Werte Wert schaffen, hat nun auch in die Öffentlichkeit (vgl. Willi Schoppen in der FAZ vom 06.04.2019) Eingang gefunden. Investoren treffen ihre Anlageentscheidungen zunehmend nicht nur nach dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens, sondern achten auch auf eine verantwortungsvolle, gemeinwohlorientierte Unternehmensführung. Sie erwarten unternehmerisches Handeln im Einklang mit Gesetzen, Richtlinien, Kodizes (Compliance) und Satzungen, also mit dem sozial-weltanschaulichen Wert Norm und Gesetz, aber insbesondere auch mit ethisch-moralischen Werten, wie Verantwortung und Respekt gegenüber Mitarbeitern und Gesellschaft, einschließlich Umwelt- und Klimaschutz, also Nachhaltigkeit. Die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken Union Invest ment kündigte beispielsweise an, mittelfristig fast das gesamte verwaltete Vermögen nachhaltig anzulegen. Diese Entscheidung erfolgte nicht aus altruistischen Gründen, sondern aus der Erwartung, dass sich verantwortungsvolles, werteorientiertes Handeln langfristig auszahlt. Ein anderes Beispiel ist das liechtensteiner Technologieunternehmen Hilti, das alle zwei Jahre einen unternehmensweiten Prozess zur Beschäftigung aller Mitarbeiter mit den Werten der Unternehmung initiiert. Diese werden dabei in einen Zusammenhang mit der aktuellen G eschäftsentwicklung gebracht. Dass sich dies lohnt, zeigt die Eigenkapitalrendite von Hilti mit 20 %! Auch andere Unternehmen, wie die Deutsche Bank AG, wollten vordergründig diesen Weg gehen. Nach dem Abgang von Josef Ackermann formulierte sie in ihrem Geschäftsbericht 2012: „Unsere Leistungskultur muss gleichermaßen auch eine Kultur der Verantwortung sein. Unternehmerische Verantwortung bedeutet für uns, Wert mit Werten zu schaffen. Wert von dem alle unsere Interessengruppen – unsere Kunden, Mitarbeiter, Anleger und die Gesellschaft – profitieren“. Schön formuliert, die Praxis des Handelns war aber eine andere, wie der Libor-Skandal mit der gezielten Manipulation der Referenzzinssätze unter Banken, zeigte. 2015 lag die Eigenkapitalrendite schließlich bei rund minus 10 %! Die Beispiele Hilti und Deutsche Bank AG zeigen deutlich, was den Unterschied ausmacht. Wenn die Unternehmensstrategie, das Handeln der Führungskräfte und die verinnerlichten (!), nicht die in Hochglanzbroschüren formulierten, Werte nicht zusammenpassen, dann werden sich nachhaltig negative, teilweise existenzbedrohende, Konsequenzen für die Unternehmen ergeben. Unternehmen benötigen deshalb die stete Aufmerksamkeit für die Verinnerlichung (Interiorisation, Internalisation) unternehmenskultureller Werte auf allen Ebenen, der Individuen, der Teams und der gesamten Organisation. Die obere Führung muss über ihr symbolisches und praktisches Handeln deutlich machen,
1 Ausgangslage und Zielsetzung
3
dass ihre Entscheidungen und Handlungen konsequent wertekonform sind. Die Formulierung der gemeinsamen, angestrebten Werte ist aber nicht von oben zu verordnen, sondern in einem Prozess unter Einbeziehung der Mitarbeiter zu initiieren. Voraussetzung dafür sind die Erhebung der Ist-Werte, aber auch der Wunsch-Werte durch alle Mitarbeiter auf Organisationsebene, also der aktuellen und der erwarteten Organisationskultur. Werte machen als Ordner selbstorganisiertes Handeln erst möglich. Werte sind Kerne von Kompetenzen (vgl. Fischer 2019). Deshalb kommt den Werten und dem Wertemanagement eine immer größere Bedeutung zu. Gemeinsame Werte und deren unternehmensweite Verinnerlichung verschaffen Unternehmen nach innen und außen einen Wettbewerbsvorteil und sichern das Überleben.
Werte sind die Grundlage für zukunftsorientierte Kompetenzen.
Die Kompetenz Werteorientierung umfasst die Fähigkeit, Werte gezielt zu entwickeln und danach zu handeln. Dabei gelten folgende Handlungsanker (am Beispiel Individuen): • • • •
Handelt konsequent, verantwortungsbewusst und werteorientiert. Handelt durchweg ehrlich, pflichtbewusst und zuverlässig. Handelt mit hohen Ansprüchen an sich selbst und an andere. Verankert wichtige Werte in der Team- und Organisationskultur.
Die Orientierung auf Werte bedeutet einen Paradigmenwechsel für die betriebliche Bildung, weg von vorgegebenen Wissens- und Qualifikationszielen in Curricula hin zu bedarfsgerechten, individuellen Werte- und Kompetenzzielen. Alle Mitarbeiter und Führungskräfte können ihren individuellen Lernweg gehen, ihre personalisierte „Learning Journey“ durchführen, jedes Team seine eigenen Entwicklungsprozesse zur gezielten Werte- und Kompetenzentwicklung gestalten. Innerhalb eines digital gestützten Ermöglichungsrahmens mit Tools zur Lernplanung, zur Kollaboration und Kommunikation, zum Feedback und zum Wissensaufbau lernen die Mitarbeiter und Teams selbstorganisiert und kollaborativ. Dies ermöglicht sowohl den gezielten „agilen“ Aufbau von Wissen als auch die Entwicklung der erforderlichen Qualifikationen, Werte und Kompetenzen – integriert in den Arbeitsprozess und unter Nutzung digitaler Angebote und Werkzeuge. Arbeiten und Lernen wachsen dabei zusammen (Workplace Learning).
4
1 Ausgangslage und Zielsetzung
Damit entsteht ein Bedarf an unternehmensinternen und externen Bildungsanbietern, die sich als Werte- und Kompetenzentwicklungsorganisationen verstehen, die den selbstorganisierten Aufbau von Werten und Kompetenzen auf allen Ebenen der Organisation gezielt ermöglichen. Die heutigen seminaristisch orientierten Bildungsanbieter müssen ihre Rolle grundlegend verändern.
2
Was sind Werte?
Werte sind Ordner, welche die individuell-psychische und die sozial-kooperativ- kommunikative menschliche Selbstorganisation des Handelns bestimmen oder zumindest stark beeinflussen Erpenbeck und Sauter (2018)
Werte sind immer das Resultat von Bewertungsprozessen. Sie durchdringen unser gesamtes Leben und Handeln. Wir handeln fast immer – bewusst oder unbewusst – wertend. Werte, die wir verinnerlicht haben, schließen die Lücke zwischen Wissen und Handeln. Ohne Werte wäre der Mensch nur ein wissensgesteuerter Automat. 1841 war die Geburtsstunde der Wertephilosophie, der Werteforschung (vgl. Erpenbeck 2018). Da sich nicht nur die Formen des Genusses, des wirtschaftlichen Nutzens, der Moral und Ethik, der Weltanschauung und Politik im Einzelnen änderten, versuchten Philosophen und Sozialwissenschaftler, Ökonomen und Psychologen ein Gesamtbild der Werteveränderungen, der Einzelwerte und ihrer Verknüpfungen zu zeichnen. Je schneller der Zug der Menschheit in Richtung Zukunft rast, desto dringlicher wird die Notwendigkeit, die vorbeihuschenden Wertesignale zu erkennen und zu deuten, damit der Zug nicht aus den Gleisen springt. Wo es sich um Selbstorganisation im, von und mit Menschen handelt, sind Wertungen im Spiel. Wir folgen deshalb in unseren Ausführungen Einsichten des weltbekannten Stuttgarter Natur- und Sozialwissenschaftlers Herrmann Haken, der die vielleicht wirkungsmächtigste Selbstorganisationstheorie schuf (vgl. Haken, Wunderlin 2014; vgl. Erpenbeck 2018).
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Erpenbeck und W. Sauter, Werteerfassung und Wertemanagement, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30196-5_2
5
6
2 Was sind Werte?
Weil Werte nicht wahr oder falsch sind, sondern einer Problem- und Handlungssituation nur mehr oder weniger angemessen (adäquat) sein können – indem sie handlungsermöglichend vorhandenes Wissen einbeziehen und fehlendes Wissen mit „Bauchgefühl“ überbrücken – müssen sie emotional tief verankert, interiorisiert sein, um wirksam zu werden.
Nur interiorisierte Werte sind wirksam Für die Gestaltung zukunftsorientierter Entwicklungskonzeptionen für Mitarbeiter sind die Erkenntnisse der Selbstorganisationstheorie und Neurobiologie fundamental (vgl. Erpenbeck 2017): • Um in einer zunehmend agileren Welt zu handeln, benötigen wir mehr denn je Fähigkeiten, selbstorganisiert und kreativ zu handeln. Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Werte- und Kompetenzentwicklung gehören zusammen. • Die Menschen sind von Natur aus fähig, in offenen Problemsituationen selbstorganisiert und kreativ – also kompetent – zu handeln. • Die Modellierung des Gehirns durch die Selbstorganisationstheorie zeigt, dass Informationen immer zugleich mit emotionalen Bewertungen, mit Werten, zusammen gespeichert werden. Deshalb muss Wissen durchgehend über eigene Erfahrungen emotional „imprägniert“, es muss von „Wissen an sich“ zu „Wissen für uns“ werden. • Digitale Medien ermöglichen ganz neue Formen des Umgangs mit anderen Menschen. Wissen kann im Netz inhaltlich wie emotional bei der kollaborativen Bearbeitung realer Herausforderungen entwickelt und geteilt werden. Damit ist Werte- und Kompetenzentwicklung im Netz möglich. • Erst Werte ermöglichen ein Handeln unter Unsicherheit, sie überbrücken oder ersetzen fehlendes Wissen, schließen die Lücke zwischen Wissen einerseits und dem Handeln andererseits. Allerdings wirken Werte nur, wenn ihre Sinnhaftigkeit im eigenen Handeln erlebt und emotional positiv gespeichert wird.
Den Vorgang der Umwandlung von Werten, Regeln und Normen in eigene Emotionen und Motivationen bezeichnet man oft als Interiorisation oder Internalisation.
Kultur und Werteebenen
7
Kultur und Werteebenen „Die empirische Wirklichkeit ist für uns ‚Kultur‘, weil und sofern wir sie mit Wertideen in Beziehung setzen, sie umfaßt diejenigen Bestandteile der Wirklichkeit, welche durch jene Beziehung für uns bedeutsam werden, und nur diese….. Kultur ist ein vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedachter endlicher Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens.“ (Weber 1988)
Das Verständnis von Kultur ist ebenso vielfältig, wie die zahlreichen Manifestationen der Kultur selbst (vgl. Schmidt 1994).
Unter Unternehmenskultur verstehen wir ein System von gemeinsam Werten sowie Normen und Denkhaltungen, die die Entscheidungen sowie das Handeln der Mitarbeiter auf allen Ebenen prägen und die sich als „gemeinsames mentales Modell erweist“ (Schein 2010, Abschn. 1.3).
Die Kultur lässt sich dabei als die Summe aller gemeinsamen, selbstverständlichen Annahmen, die eine Gruppe in der Geschichte erlernt hat, verstehen. Damit bildet die Unternehmenskultur den handlungsprägenden Rahmen (Brohm 2017, S. 7). Die Mitarbeiter leben in ihrer Unternehmens- und Teamkultur, reflektieren sie aber oftmals nicht. Empirisch konkretisiert wird die Unternehmens- und Teamkultur letztendlich in den Handlungen, die sich aus den Werten der Mitarbeiter ableiten. Die Kultur zeigt sich sowohl in direkt erfahrbaren Kulturebenen (Artefakte), wie z. B. Strategien, Strukturen, Prozessen oder Führung, als auch in der unsichtbaren Bedeutungsebene (Werte, unbewusste Handlungen). Die Lernkultur ist eine Teilmenge der Organisationskultur. Die Mitarbeiter sind im Regelfall formelle Lernprozesse, vielfach noch mit einer traditionellen Methodik, gewohnt. Soll die Organisationskultur gezielt verändert werden, sind Systeme notwendig, die einen behutsamen Veränderungsprozess der Beteiligten ermöglichen. In einer Organisationskultur, die z. B. durch starke Hierarchisierung und geringe Eigenverantwortung der Mitarbeiter gekennzeichnet ist, kann eine Lernkultur, die durch Werte wie Selbstverantwortung und kreative Aktivität der Mitarbeiter geprägt ist, nur schwer umgesetzt werden. Die Kultur der Lernwelt kann die gewünschte Organisationskultur aber vorwegnehmen und damit aktiv Einfluss auf sie nehmen. Damit wird die Gestaltung der Organisationskultur ein w esentliches Richtziel des Bildungssystem. Im Wertemanagement muss zwischen den individuellen Werten („Human Values“), Teamwerten („Team Values“) und den Organisationswerten („Corporate Values“) unterschieden werden:
8
2 Was sind Werte?
• Organisationswerte sind die Werte der Organisationskultur. Sie umfassen Elemente der sinnlichen Identifizierbarkeit, des ökonomischen Erfolgs, der Organisationsethik und der Organisationspolitik (vgl. Wieland 2004). • Teamwerte sind Ideen und Ansichten, Orientierungen und Verhaltensweisen, die von den Mitgliedern eines Teams als wichtig, gut und damit erstrebenswert angesehen werden. Sie beeinflussen das Handeln im Team in nachhaltiger Weise • Individuelle Werte sind Ideen und Ansichten, Orientierungen und Verhaltensweisen, die unter dem Begriff Werte zusammengefasst werden und von den einzelnen Menschen als wichtig, gut und damit erstrebenswert angesehen werden. Sie beeinflussen nicht nur Urteile und Bewertungen, sondern auch Handlungsweisen in nachhaltiger Weise (vgl. Heintze 2005). Zwischen der Wahrnehmung der Wirklichkeit und der Vorstellung der passenden Organisationskultur vermittelt ein wertender Erkenntnis- und Erfahrungsprozess. Die Differenzen oder Widersprüche, die in diesem Wertungsprozess deutlich werden, münden in Regeln, Normen und verinnerlichten Werten, aber auch in verschiedenen kommunikativen Formen wie Bräuchen, Ritualen oder Artefakten, wie Architektur, Formgestaltung oder Moden.
Abb. 2.1 Ebenen der gezielten Werteentwicklung
Wertemodell
9
Werte entwickeln sich also in jeweils eigenen Prozessen auf drei Ebenen der Organisation (vgl. Abb. 2.1).
Wertemodell Die vier wichtigsten Basiswertungen, die Wertearten, sind jeweils in vier Werte unterschieden (vgl. Erpenbeck und Sauter 2019) (vgl. Abb. 2.2).
NUTZENWERTE
GENUSSWERTE Kreavität
Gesundheit
Lebensstandard
Sicherheit
Es ist diesen Menschen wichg, den eigenen Einfallreichtum, die Phantasie oder das künstlerische Interesse weiter entwickeln zu können und akv kreave Entwicklungsräume, auch im Netz, zu nutzen.
Es ist diesen Menschen wichg, sich körperlich oder geisg zu verausgaben, Mitmenschen durch ihre Akvitäten mit zu reißen sowie körperliche Anerkennung und sogar Bewunderung zu erfahren.
Es ist diesen Menschen wichg, einen hohen Wohlstand zu erreichen, der sich in ihrer Karriere, aber auch im Einkommen und Vermögen, oder in einer gesundheitsbewussten Lebensweise niederschlägt.
Es ist diesen Menschen wichg, in relav sicheren beruflichen und privaten Perspekven zu leben und die eigenen Erfolge über ihr Einkommen und ihre finanzielle Absicherung anerkannt zu bekommen.
Bildung
Beziehungen
Belohnung
Gemeinnutz
Es ist diesen Menschen wichg, die Freude am eigenen Erkennen und Verstehen zu verefen, inspirierende Erlebnisse zu haben und Erfahrungen zu gewinnen, die ihren Wissenshorizont erweitern, sowie an Problemen mit Spaß zu knobeln.
Es ist diesen Menschen wichg, gute Mitmenschen zu wählen, die sie anerkennen, akzeperen und mit denen sie sich beim akven Zusammenwirken wohlfühlen und Spaß haben sowie Freundschaen auauen können. .
Es ist diesen Menschen wichg, ihr Wissen und Können nutzbringend zu verwenden, eigene Ideen, Pläne oder Projekte erfolgreich umzusetzen, sich beruflich weiter zu entwickeln und dafür Anerkennung und Lob zu erhalten.
Es ist diesen Menschen wichg, dass ihr Handeln auch Kollegen, ihren beruflichen Netzwerken sowie der Organisaon nützt und sich in Netzwerke einzubringen sowie kreave Lösungen mit herbei zu führen.
Familie
Ideale
Individuelle Freiheit
Einfluss
Es ist diesen Menschen wichg, ein gutes Familienoder Partnerschasleben mit gegenseiger Akzeptanz und Gerechgkeit zu führen und das Familienleben sowie die Beziehungen ihrer Freunde und Kollegen zu beachten und zu schätzen..
Es ist diesen Menschen wichg, sich akv für ihre Ideale einzusetzen, indem sie im privaten und beruflichen Bereich Offenheit und Gerechgkeit fördern, gemeinschaliche Akvitäten unterstützen sowie konstrukve Teamarbeit forcieren.
Es ist diesen Menschen wichg, von anderen Menschen unabhängig zu sein und ihren Freiraum für Weiterentwicklung und Erfolg steg zu vergrößern, um Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit zu erzielen.
Es ist diesen Menschen wichg, Einfluss und wo nög Macht zu haben, um im Kleinen oder Großen proakv etwas zu verändern und dabei ihre Handlungsspielräume mit Netzwerken und Freundeskreisen sinnvoll zu erweitern.
Verantwortung
Respekt
Norm und Gesetz
Netzwerk
Es ist diesen Menschen wichg, nach bestem Wissen eigenverantwortlich, orienert an der Kultur ihrer Organisaon, zu leben und zu handeln sowie die Zusammenarbeit und den Austausch mit Freunden und Kollegen verantwortungsvoll zu gestalten.
Es ist diesen Menschen wichg, auch andersarge Menschen anzuerkennen und zu respekeren, ihnen möglichst viel Verständnis und Achtsamkeit entgegen zu bringen sowie fremde Lebensverhältnisse ohne Vorurteile zu betrachten.
Es ist diesen Menschen wichg, Regeln zu kennen und zu respekeren, weil sie nur dann kulturelle, ökonomische und polische Fehlentscheidungen vermeiden können, nicht angreiar sind und dominant werden können.
Es ist diesen Menschen wichg, sich mit anderen für wichge gemeinsame Ziele zu verbünden, um ihre eigenen Vorstellungen besser durchzusetzen, sowie Wertschätzung und Anerkennung der anderen zu erhalten.
ETHISCH- MORALISCHE WERTE
SOZIAL-WELTANSCHAULICHE WERTE
Abb. 2.2 Werteatlas nach Erpenbeck, Sauter und Sauter
10
2 Was sind Werte?
• Genusswertungen sind handlungsleitende Ordner, die den Mitarbeiter dazu bringen, Handlungen zu bevorzugen, die ihm – physischen oder geistigen – Genuss verschaffen. Dabei kann es sich um das Genießen von Essen oder Kunst, aber auch von physischer Anspannung und Herausforderung handeln, es kann sich auf den Genuss am Denken aber auch auf den Genuss freundschaftlicher oder anerkennender sozialer Kontakte bis hin zum „Bad in der Menge“ beziehen. • Nutzenwertungen beziehen sich auf alles, was irgendwie nützlich ist. Der Nutzen stellt den Kern vieler ökonomischer Theorien und somit des wirtschaftlichen Handelns dar und ist deshalb eines der zentralen ökonomischen Konstrukte. Nutzenwertungen sind handlungsleitende Ordner, die eine Führungskraft Handlungen bevorzugen lassen, die ihnen Nutzen im weitesten Sinne versprechen. Dabei kann es sich um den Nutzen aus Entdeckungen und Entwicklungen handeln, oder um ökonomischen Nutzen, um den Nutzen, den ein Erfinder aus seinem fachlichen und methodischen Wissen zieht oder um den Nutzen, der aus einer Organisation oder einem Beziehungsgeflecht zu ziehen ist. • Ethisch-moralische Wertungen gelten tendenziell für alle Mitarbeiter gleichermaßen, welchen sozialen Stufen sie ansonsten auch zugehörig sind. Sie sind handlungsleitende Ordner, die dem einzelnen Mitarbeiter Handlungen nahelegen, die das Wohl vieler oder aller Menschen ohne Ansehen der Person zum Handlungsanliegen machen. • Sozial-weltanschauliche Wertungen können sowohl auf einzelne Menschen wie auf kollektive Subjekte gerichtet sein. Sie sind handlungsleitende Ordner, die Einzelnen oder Gruppen (Unternehmen, Abteilungen, Teams…) zu einem sozial akzeptierten, optimalen oder auch zu einem innovativen, sogar revolutionären Handeln bewegen. Sie können inhaltlich und systematisch durchdacht in Beratungsprozesse einfließen oder aber durch dazu fähige Menschen in unterschiedlichen sozialen, politischen Bezügen und Gremien kommuniziert werden. Wertemanagement ist eine Managementdisziplin, die es unter Nutzung digitaler Kommunikations- und Kollaborationsmedien auf Organisationsebene, auf Teamebene und der individuellen Ebene der Mitarbeiter ermöglicht, den gezielten, selbstorganisierten Aufbau von Werten zu planen und umzusetzen. Das Wertemanagement hat die Aufgabe, Strukturen, Systeme, Methoden und Werkzeuge zu entwickeln, die eine permanente, immer aktuelle Transparenz der
Wertemodell
11
Werte auf allen Ebenen ermöglicht. Die Hürden, die man in den Organisationen überwinden muss, um diesen Weg zu gehen, sind hoch, aber überwindbar. Aus diesem Grunde benötigen Organisationen ein Wertemanagement, das auf drei Ebenen ansetzt: • Organisationales Wertemanagement, das durch die obere Führung strategisch gesteuert und über ein Wertemanagement-Team unternehmensweit umgesetzt wird. • Wertemanagement auf der Teamebene, das jeweils durch die verantwortlichen Führungskräfte verantwortet wird. • Wertemanagement auf der Mitarbeiterebene, das durch die Mitarbeiter selbst organisiert wird. Es hat sich bewährt, mit dem Wertemanagement zunächst auf der Organisationsebene zu beginnen, um dann das Wertethema über die Teams in die gezielte Mitarbeiterentwicklung zu tragen. Voraussetzung dafür ist die Werterfassung auf allen Ebenen. [1] vgl. Wieland (2004).
3
Werteerfassung
Was Du nicht messen kannst, kannst Du nicht managen Peter Drucker (https://www.zitate-online.de/ autor/drucker-peter/)
Individuelle Kompetenzen und Kompetenzverteilungen lassen sich heute zuverlässig messen (vgl. Erpenbeck, von Rosenstiel et al. 2017). Auch Werte und Werteverteilungen lassen sich heute ebenfalls zuverlässig messen (Rokeach 1973; Schwartz-Bilsky 1987; Klages-Gensicke 2006). Wir geben in Tab. 3.1 eine zusammenfassende Übersicht der unser Ansicht nach bemerkenswertesten wertebezogenen Einschätzungsfahren, die im deutschsprachigen Raum bevorzugt benutzt werden.
Bedeutung der Werteerfassung Die Bedeutung der Werteerfassung nimmt zu. Dafür sind folgende Gründe maßgeblich (vgl. im Folgenden Erpenbeck und Sauter 2018, S. 21–74): • Erstens erweitert sie die Möglichkeiten, über institutionelle und individuelle Werte, z. B. über agile Werte, nachzudenken und zu sprechen. • Zweitens ist dieses Finden einer gemeinsamen Sprache für die Formulierung von Unternehmenszielen, aber auch individueller Entwicklungsmöglichkeiten notwendig. • Drittens sind Wertungen untereinander, mit Kompetenzen, mit dem Handeln von Einzelnen, Gruppen und sozialen Strukturen eng vernetzt. Dies wird in unterschiedlichsten Typologien und Definitionen sehr deutlich und gestattet es, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Erpenbeck und W. Sauter, Werteerfassung und Wertemanagement, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30196-5_3
13
14
3 Werteerfassung
Tab. 3.1 Relevante Einschätzungsverfahren im deutschsprachigen Raum. (Aus Erpenbeck und Sauter (2018, S. 60–62); mit freundlicher Genehmigung. von © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018. All Rights Reserved) Namen des/der Entwickler, entwickelnde Institution
Ersteinsatz
Name des Verfahrens
Kurzcharakteristik des Verfahrens
Klages, Gensicke
Etwa 1984
Wertesurvey Aufstellung wesentWertewandel-Messungen licher, viele Werte abdeckender Wertehaltigkeitsitems, und zwar solcher die sich nur langsam verändern und Langzeitvergleiche ermöglichen
Spranger, Waschulewski
1914/2002
Fragebogen zur Erhebung Eine Umsetzung der der Werteorientierungen „Lebensformen“ in einen Test, unter besonderer Berücksichtigung der Erlebensaspekte
Schwartz, Schwartz/Bilsky
1985/1987
Entwicklung eines Value Survey Universelle Wertestruktur Wertekreises, der eine große Gesamtheit Werteinventar von Werten abdeckt, metrisiert und der Messung zugänglich macht
Rokeach
1973
Value Survey
Witte
Ab 1995
Fragebogen zu ethischen Es werden GenussGrundpositionen werte, Nutzenwerte, ethische Grundpositionen und die logische Struktur der normativ-ethischen Denkformen erfragt
18 instrumentelle, 18 existenzielle Werte, ein leicht ausfüllbarer, gut einsetzbarer Fragebogen
(Fortsetzung)
Bedeutung der Werteerfassung
15
Tab. 3.1 (Fortsetzung) Namen des/der Entwickler, entwickelnde Institution
Ersteinsatz
Name des Verfahrens
Kurzcharakteristik des Verfahrens
Hartmann Hartmann Institute
1967
Hartmann Value Profile HVP
Messung persönlicher Wertehaltungen, viel eingesetzt für Personalauswahl, Personalentwicklung und Coaching
Stanford Research Institute
1984
VALS Ansatz
Values and Lifestyle (VALS) Messung, primär für Lifestyle Messungen, Lifestyle als Ausdruck individueller Werteeinstellungen
Beatty
1985
List of Values LOV List of Values deutsch GLOV
Liste von 9 wichtigen Werten, an Rokeach orientiert, Betonung persönlicher Werte. Vorhandensein in deutscher Sprache einserzbaren Version
Bales Symlog Consulting Group
1978
SYMLOG System fort the Multiple Level of Groups
Messung von Werten im individuellen und gruppenorientiertem Handeln, auch Wertemessung auf Unternehmensebene
Meynhardt
2004/2011
Wertwissensgrid Public Value Scorecard
Wertehaltungen von Managern, Werte die von ihnen gelebt oder abgelehnt werden. Gesamthafte Wertehaltungen von Unternehmen, Regionen, Ländern (Fortsetzung)
16
3 Werteerfassung
Tab. 3.1 (Fortsetzung) Namen des/der Entwickler, entwickelnde Institution
Ersteinsatz
Name des Verfahrens
Kurzcharakteristik des Verfahrens
Barrett Barrett Zentrum
1997
Personal Values Assessment PVA
Erfassung individueller Werte, Werte von Unternehmen und Werte von Organisationen, u. a. von Schulen
Word Value Survey Association
1981
World Value Survey
Große internationale Erhebungen der Wertelandschaften in allen fünf Kontinenten. Periodische Treffen der beteiligten Institutionen
Reiß u. a. Reiß Profile Germany
2000
Reiß Profile
16 Lebensmotive. Charakterisierung und Messung von Werten, die individuellem Handeln zugrunde liegen. Im Unternehmensbereich verbreitet
Früher DISG Persolog
Etwa 1965 VAS Werteanalyse
Früher DISG Insights
Etwa 1965
Values and Attitude Study (VAS). Wertevor stellungen von Mitarbeitern, um Stärken und Schwächen im Unternehmen zu erkennen. Auf eine gelebte Unternehmenskultur gerichtet
Insights Akkreditierungs Messungen persönHandbuch licher Interessen und Wertevorstellungen mit Bezug auf die Persönlichkeits- und Kompetenzanalysen (Fortsetzung)
Bedeutung der Werteerfassung
17
Tab. 3.1 (Fortsetzung) Namen des/der Entwickler, entwickelnde Institution
Ersteinsatz
Name des Verfahrens
Kurzcharakteristik des Verfahrens
Atkins Katcher
1967
LIFO Life Orientation
Erarbeitung und Messung von Grundwerte-Stilen des Handelns. Lebensnahe und in kurzer Zeit auszufüllende Testbogen. Oft in Unternehmen eingesetzt
Kraak Nord-Rüdiger
1989
FLL Fragebogen Lebens- Persönliche Einziele Lebenszufriedenheit stellung zu wichtigen Wertedomänen existenzieller Art. Lebensnah und kurzzeitig ausfüllbar
Von Schumann Böttcher
2015
Wertekompass Was ist mir wichtig
Ein einfaches, in Coachingsituationen und Lebensberatungskonstellationen wirkungsvoll einsetzbares Instrument
Kliebisch
1995
Wertehaltungen
Eingesetzt im pädagogischen Rahmen, Werte nicht lehrend sondern erlebend aufbauen. Eine selbst zu rangende Werteliste und ein Wertehandel zur Werteeinschätzung
Kilmann
1980
Conflict Mode Instrument Messung der instrumentellen Werte Konkurrieren, Vermeiden, Entgegenkommen
Krumm
2014
9stufiges Modell der Wertesysteme 9level onlinetool
Modell von 9 Werteebenen für einzelne Personen, für Teams und für Organisationen (Fortsetzung)
18
3 Werteerfassung
Tab. 3.1 (Fortsetzung) Namen des/der Entwickler, entwickelnde Institution
Ersteinsatz
Name des Verfahrens
Kurzcharakteristik des Verfahrens
Rothenberger
1992
Diagnose von Werten in Unternehmen
Diagnose der Vereinbarkeit von gesellschaftlichen Werten und Werten der Unternehmenskultur einerseits – sowie der Unternehmenskultur und der Werte individueller Mitarbeiter andererseits
Erpenbeck Heyse
2000
KODE® Kompetenzdiagnostik und -entwicklung
Kompetenzfragebogen nach den Basiskompetenzen. Mit vielfachen Wertebezügen, unter anderem Fragen nach den Handlungsidealen
Erpenbeck Brenninkmeijer
2005
WERDE© Wertediagnostik und -entwicklung
Instrument zur Messung von individuellen Werten
Erpenbeck, Sauter, R., Sauter, W.
2018
KODE®W Werteerfassung und -entwicklung
Konzeption und Instrument zur Werteerfassung und gezielten Werteentwicklung auf der Organisations-, der Team- und der Individualebene
sie in reale Arbeits- und Gestaltungsprozesse, in Erziehungs- und Bildungsprozesse fruchtbringend einzubeziehen. • Viertens erlaubt die Möglichkeit, Wertungen zu messen, Einschätzungen, die zuvor nicht möglich waren. Welche Organisationswerte erweisen sich als besonders wirkungsvoll und letztlich ertragreich? Welche Werteausstattungen sind für bestimmte Teams günstig, und wann durchkreuzen andere angestrebte
®
19
Erfassungs-Verfahren am Beispiel KODE W
Erfolge? Welche Werte machen Menschen erfolgreich und zufrieden, welche lassen sie in Widerspruch zu anderen oder zu den Verhältnissen geraten, fördern oder verhindern die Entstehung notwendiger Kompetenzen? Dabei heißt Messung nicht unbedingt eine Zahlenbestimmung bis zur Kommastelle. Schon die Feststellung mehr oder weniger, intensiver oder weniger intensiv wirkender institutioneller Wertefestlegungen oder individueller Werteeinstellungen ist eine große praktische Unterstützung. • Fünftens hat die Verknüpfung von Kompetenz- und Werteaspekten ein völlig neuartiges Herangehen an die Werteproblematik zur Folge, das zu einer großen Praxisnähe führt. Werte werden nur dann konkret, wenn von ihnen ausgehend Handlungsabsichten entstehen, Handlungsvorsätze ausgeführt werden und Handlungsresultate Rückschlüsse auf die Wertetreiber zulassen.
®
Erfassungs-Verfahren am Beispiel KODE W
KODE®W ist ein Verfahren, um Werte auf individueller, teambezogener und organisationaler Ebene transparent zu machen und miteinander mit dem Ziel zu vergleichen, Transparenz der Werte auf allen Ebenen zu ermöglichen.
KODE®W ist die Grundlage für ein systematisches Wertemanagement und bietet den Mitarbeitern, Teams und Organisationen direkt umsetzbare Interpretationsund Entwicklungsangebote. KODE®W • ermöglicht den Vergleich von Werten auf allen, aber auch zwischen Mitarbeitergruppen, Unternehmensbereichen oder Regionen. • schafft die transparente Grundlage, gemeinsam über Werte zu reflektieren, • bildet die Basis die Definition von Wertezielen auf individueller, teambezogener und organisationaler Ebene, • ermöglicht eine gezielte, personalisierte, teambezogene oder organisationale Werteentwicklung, • schafft die Basis für ein organisationsweites Wertemanagement auf allen Ebenen, • macht deutlich, welche Werte für die Kompetenzentwicklung vor allem als Ordner des Handelns dienen. Die Grundkonzeption von KODE®W wurde von Prof. Dr. John Erpenbeck auf Basis der über zehnjährigen Erfahrung mit dem Wertemess-System WERDE
20
3 Werteerfassung
unter Einbeziehung der Items des Klages-Gensicke-Survey (Shell – Jugendstudien) entwickelt und in enger, kreativer Zusammenarbeit mit Roman Sauter und Prof. Dr. Werner Sauter realisiert und in der Praxis erprobt. Werte bilden seit etwa 1985 einen Kern der wissenschaftlichen Arbeit von John Erpenbeck. In seinem Buch „Wertungen, Werte – das Buch der Grundlagen für Bildung und Organisationsentwicklung“ (In Zusammenarbeit mit Sauter 2018 Springer Heidelberg Berlin) gibt er den vielleicht umfassendsten Überblick über die Geschichte der Werteforschung. In zwei weiteren Bänden, die er gemeinsam mit Werner Sauter verfasste, – „Wertungen, Werte – das Fieldbook für ein erfolgreiches Wertemanagement“ (2018 Springer Heidelberg Berlin) sowie „Wertungen, Werte – gezielte Werteentwicklung von Persönlichkeiten“ (2019, Springer Heidelberg, Berlin) – legen die Autoren Methoden der Werteerfassung, Möglichkeiten des Wertemanagements sowie vielfältige Verfahren der gezielten Werteentwicklung von Mitarbeitern praxisbezogen dar. KODE®W wird durch folgende Merkmale gekennzeichnet: • Die digitalen Fragebögen erfassen jeweils die 16 Werte des Werte-Atlas von Erpenbeck, Sauter und Sauter, die sich aus der Werteforschung ergeben. • Die Werte werden auf der Ebene der Individuen, der Teams und der Organisation erfasst. • Die Bewertung der einzelnen Werte erfolgt durch einen Schieberegler. Der Bewertungsbereich reicht von „trifft nicht zu“ bis zu „trifft übertrieben stark zu“. • Als Erfassungsmethode wird ein Rating genutzt, das sich in der Praxis bewährt hat. Die Methode des Ranking hat sich in der Werteerfassung dagegen nicht bewährt. • Durch die gleiche Struktur der Fragebögen auf allen Ebenen können vielfältige Vergleiche zwischen individuellen, teambezogenen und organisalen Ebenen oder zwischen verschiedenen Mitarbeitergruppen (jung-alt, Frauen und Männer, Führungskräfte und Fachkräfte etc.), Unternehmensbereichen (Produktion und Verwaltung, Vertrieb und Beschaffung, Stabs- und Linienabteilungen etc.) oder Regionen (z. B. Deutschland und Frankreich) erfolgen, sowie Ist-, Wunsch- und Sollwerten erfolgen. • Auf der Organisations- und Teamebene wird ein direkter Vergleich der Einschätzung der Mitarbeiter der Ist-Werte mit den Werten, die sie sich wünschen (Wunsch-Werte) möglich. Daraus können wiederum in einem gemeinsamen Prozess Soll-Werte als Ziele für die Werteentwicklung abgeleitet werden. Um Wertungen qualitativ und quantitativ einzuschätzen, hat sich die Methode bewährt, Wertefragen, mit Beispielen unterlegt, in einem Fragebogen zusammen zu stellen und skaliert zu beurteilen.
®
Erfassungs-Verfahren am Beispiel KODE W
21
Abb. 3.1 Erfassungsbogen KODE®W für Werte auf Teamebene. (Quelle: Kode GmbH)
Die Methodik der Befragung mit KODE®W wird mit dem in Abb. 3.1 dargestellten Auszug aus dem Fragebogen für Individuen deutlich. Jede Frage wird dabei durch vier Beispiele, die in einem gemeinsamen Prozess auf die Besonderheiten der Rahmenbedingungen, der Kultur oder der Sprache der jeweiligen Organisationen angepasst werden, konkretisiert. Die Erhebung der Werte erfolgt mithilfe einer Software, die an die bekannten Kompetenzmess-Systeme KODE® und KODE®X angeglichen ist. Wir orientieren uns bei KODE®W an Erfahrungen mit vergleichbaren Erfassungsverfahren. (Bortz, Döring 2014 S. 181) Allen messtheoretischen Einwänden zum Trotz sind Ratingskalen die am meisten eingesetzten Instrumente in der Psychologie und in den Sozialwissenschaften (Schulz von Thun 2018). KODE®W weist folgende Merkmale auf: • Er ist leicht und schnell ausfüllbar (