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German Pages [194] Year 2013
Beiträge zu Grundfragen des Rechts
Band 11
Herausgegeben von Stephan Meder
Gerd Brudermüller / Barbara Dauner-Lieb / Stephan Meder (Hg.)
Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft? Auf dem Weg zu einem partnerschaftlichen Güterrecht – Schlussfolgerungen aus dem 1. Gleichstellungsbericht
Mit 20 Abbildungen
V& R unipress
Die Tagung wurde gefördert vom
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0096-6 ISBN 978-3-8470-0096-9 (E-Book) Ó 2013, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Eva Maria Welskop-Deffaa Neue Wege – gleiche Chancen. Partnerschaft und Verantwortung im Lebensverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stephan Meder Das geltende Ehegüterrecht – ein kritischer Aufriss . . . . . . . . . . . .
13
Carsten Wippermann Partnerschaft und Ehe im Lebensverlauf – Die Rechtsfolgen von Heirat und Scheidung in der empirischen Sozialforschung . . . . . . . . . . . .
23
Gerd Brudermüller Schlussfolgerungen für Änderungen im Güterrecht
. . . . . . . . . . . .
41
Barbara Dauner-Lieb Anforderungen an ein Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland – Thesen und offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
Matre Edmond Jacoby Erfahrungen mit der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich
. . . .
67
Thomas Meyer Statement aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz . . . . . . . . . .
79
Katharina Boele-Woelki Statement aus europäischer Sicht
83
Podiumsdiskussion: Zukunftsperspektiven eines partnerschaftlichen Güterrechts
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 Sonka Gerdes Statement aus gleichstellungspolitischer Sicht
Inhalt
. . . . . . . . . . . . . . .
87
Tobias Helms Statement aus rechtswissenschaftlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . .
89
Angelika Nake Statement aus Sicht des Deutschen Juristinnenbundes . . . . . . . . . . .
93
Anne Sanders Diskussionsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Eva Maria Welskop-Deffaa Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Christoph-Eric Mecke Zwölf Thesen zu einem künftigen Güterrecht in Deutschland . . . . . . . 111 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Programm der Tagung »Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Liste der Teilnehmenden: »Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Eva Maria Welskop-Deffaa
Neue Wege – gleiche Chancen. Partnerschaft und Verantwortung im Lebensverlauf
Herzlich begrüße ich Sie im Namen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur heutigen Tagung »Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft? – Auf dem Weg zu einem partnerschaftlichen Güterrecht – Schlussfolgerungen aus dem 1. Gleichstellungsbericht« hier im Logenhaus in Berlin. Ich freue mich sehr, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Verbandsvertreterinnen und -vertreter, Vertreterinnen und Vertreter aus der juristischen Praxis, Kollegeninnen und Kollegen anderer Ressorts und aus den Bundesländern anwesend sind.
I.
Entwicklung des Projekts
Die heutige Tagung wird aus gleichstellungspolitischer Perspektive (!) einen Blick auf die Weiterentwicklung des Ehegüterrechts werfen. Sie reiht sich damit ein in eine lange Tradition gleichstellungspolitischer Anfragen an das Familienrecht. Das Standardwerk von Ute Gerhard – »Frauen in der Geschichte des Rechts« –, die djb-Anthologie »Juristinnen – Lexikon zu Leben und Werk« und auch der wunderbare Roman über Emily Kempin-Spyri »Die Wachsflügelfrau« sind Zeugnisse dieses langen Ringens um eine Orientierung des Familienrechts an partnerschaftlichen Rollenbildern, auf das wir gleichstellungspolitisch zurückschauen. Seit dem Jahr 2006 befasst sich die Abteilung Gleichstellung und Chancengleichheit des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht in München im Rahmen des Projekts »Was kommt nach dem Ernährermodell?« mit dem Wandel von Rollenleitbildern und seinen Auswirkungen auf das Sozial-, Familien- und Steuerrecht. Wir haben hier den europäischen Vergleich genutzt, um für den von Parlament, Gerichten und GMFK (Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz)
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Eva Maria Welskop-Deffaa
wiederholt thematisierten Harmonisierungsbedarf der angesprochenen Rechtsgebiete im Kontext partnerschaftlich-gleichberechtigter Vorstellungen von Männer- und Frauenrollen in der Gesellschaft neue Anregungen zu erhalten. Im Laufe des Projekts hat sich gezeigt, dass die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Geschlechterrollen in den untersuchten europäischen Ländern gelebte Realität ist. Die Gleichzeitigkeit des Unterschiedlichen, die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen betrifft unterschiedliche Rollenbilder unterschiedlicher Frauenund Männergenerationen. Das Verhältnis von Eigen-, Paar- und Solidarverantwortung in Familie und Gesellschaft unterliegt einem profunden Wandel, der sich in allen untersuchten europäischen Staaten, aber mit sehr unterschiedlichen Dynamiken vollzieht. In diesem Kontext steht das Ehegüterrecht, das die Vermögensverhältnisse in (und nach) der Ehe regelt, im Fokus. Wo Geschlechterrollen im Wandel sind, geht es um (neu) zu gestaltende partnerschaftliche Verantwortung im Lebensverlauf – und das betrifft gerade auch die Ehe als das institutionalisierte Angebot des Staates an die Frauen und Männer, die ihrer auf Dauer angelegten Partnerschaft einen festen rechtlichen Rahmen geben wollen. Dabei muss gelten: Wo Partner gemeinsame Entscheidungen fällen, müssen auch beide Partner für die Folgen dieser Entscheidung gemeinsam Verantwortung übernehmen. Individuelle Entscheidungen werden im Rahmen einer Ehe zu gemeinsam zu verantwortenden Entscheidungen! (Das wird insbesondere deutlich durch § 1356 BGB, wo es ausdrücklich heißt: »Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigem Einvernehmen [!] Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie [beide!!!] auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen.«) Diese gemeinsame Verantwortung und die damit eingeschränkte Freiheit sind gewissermaßen die Folgen der frei getroffenen Partnerwahl. Gemeinsam getroffene Entscheidungen führen zur Übernahme von Verantwortung und das gerade dann, wenn diese gemeinsamen Entscheidungen – etwa die zur Aufteilung von Haus- und Erwerbsarbeit – im weiteren Lebenslauf dazu führen, dass einer der Partner die wirtschaftliche Eigenständigkeit einbüßt und für ihn nachhaltige Arbeitsmarktrisiken entstehen. Der Wandel des Ernährermodells als gesellschaftliches Leitbild – nach welchem der Mann die Familie durch sein Arbeitseinkommen unterhält, während die Frau sich um Haus- und Fürsorgearbeit kümmert und dabei nicht oder nur im geringen Maße erwerbstätig ist – ist offensichtlich in vollem Gange. Nichtsdestotrotz ist es weiter gesellschaftliche Realität, dass es im Lebensverlauf von Paaren Phasen gibt, in denen einer der Partner, meistens die Partnerin, einen überproportional großen Teil der Verantwortung für Haus- und Fürsor-
Partnerschaft und Verantwortung im Lebensverlauf
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gearbeit übernimmt und dabei die eigene Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert. Eine von den (Ehe-)Partnern gemeinsam verabredete asymmetrische Aufgaben-Rollenverteilung darf sich aber nicht nachhaltig einseitig zulasten eines Partners auswirken. Dies ist ein gleichstellungspolitisches Ziel, welches durch Justierungen im Recht immer wieder neu abgesichert werden muss!
II.
Die Lebensverlaufsperspektive
Wir sind überzeugt, dass für eine moderne Gleichstellungspolitik die Orientierung am Konzept der Lebenslaufpolitik wesentliche Herausforderungen schärfer sichtbar werden lässt. Dies ist die zentrale Erkenntnis des ersten Gleichstellungsberichts, der 2011 vorgelegt wurde und der sich Fragen der »Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf« widmete. Lebensverläufe von Frauen und Männern verändern sich und unterliegen heute immer mehr und sich rascher wandelnden Einflüssen. Spielräume, aber auch Herausforderungen für die persönliche Lebensgestaltung sind größer geworden, weil gesellschaftliche Zuschreibungen und auch tradierte Rollenerwartungen die persönlichen Entscheidungen immer weniger beeinflussen oder gar ersetzen. Immer deutlicher wird, dass es, um diese neuen Spielräume zu nutzen, besonderer Kompetenzen bedarf und dass im Lebensverlauf die Unterstützung vor allem in den wichtigen Übergangsphasen von steigender Bedeutung ist. Solche wesentlichen Übergänge sind z. B. der Berufseinstieg, die Geburt eines Kindes, der Wiedereinstieg in den Beruf nach einer Familienphase oder die Übernahme der Pflege eines nahen Angehörigen, und – last but not least – auch die Eheschließung als solche. Dabei sind Männer- und Frauenleben im Hinblick auf diese Übergänge – und die Folgen dieser Übergänge – weiter erkennbar von Unterschieden geprägt. Hieraus ergeben sich besondere Herausforderungen für die Gleichstellungspolitik.
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III.
Eva Maria Welskop-Deffaa
Gleichstellungspolitischer Handlungsbedarf/Unterhaltsrecht
Die Auswirkungen des Wandels des Ernährermodells und die Risiken für den Partner, der zugunsten einer verstärkten Übernahme von Haushalts- und Fürsorgearbeiten eigene Erwerbstätigkeit reduziert, zeigen sich bereits beim Unterhaltsrecht. Das 2008 reformierte Unterhaltsrecht hat unter Berufung auf die veränderte Rollenverteilung in der Ehe und die zunehmende Berufstätigkeit beider Ehepartner der nachehelichen Eigenverantwortung einen spürbar höheren Stellenwert als bisher eingeräumt. Das bedeutet konkret, dass sich die Eheleute nicht länger auf eine lebenslange nacheheliche Solidarität verlassen können, sondern beide Partner nach der Scheidung auch dann im Wesentlichen selbstständig für ihre Existenzsicherung sorgen müssen, wenn sie sich während bestehender Ehe gemeinsam für eine »traditionelle« Aufgabenverteilung entschieden haben. Vom neuen Unterhaltsrecht geht – durchaus vom Gesetzgeber explizit gewünscht – das Signal aus, dass anstelle des Vertrauens auf einen stark ausgestalteten nacheheliche Nachteilsausgleich während bestehender Ehe die gemeinsamen Entscheidungen sorgfältig daraufhin bedacht werden sollen, ob sie für einen der beiden Partner mit unverhältnismäßig großen Risiken verbunden sind. Der Gesetzgeber wollte bestimmte gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten bei der Aufgabenteilung in der Ehe infrage stellen, ohne allerdings grundsätzlich die Möglichkeit zu verbauen, sich einvernehmlich auf eine asymmetrische Aufgabenverteilung zu verständigen.
IV.
Auswirkungen auf das Güterrecht
In diesem Zusammenhang kommt der Frage eine gesteigerte Bedeutung zu, wie das Recht während bestehender Ehe den Nachteilsausgleich für den Partner unterstützt, der sich – ohne auf nacheheliche Unterhaltsleistungen vertrauen zu dürfen – auf den »schwächeren Part«, den Part der Erwerbsreduzierung und Fürsorgearbeit »einlässt«. Hier kommen nun güterrechtliche Ausgleichssysteme neu in den Blick! Die Vorschläge der Arbeitsgruppe »Ehegüterrecht« zielen entsprechend auf eine Stärkung der Verantwortung während bestehender Ehe. Diese Vorschläge stimmen mit den Erwartungen der Deutschen an die Ehe überein. Ergebnisse der aktuellen Studie »Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebensverlauf«, die Professor Wippermann uns an diesem Vormittag vorstellen wird, zeigen ganz deutlich, dass für die Mehrheit der Befragten
Partnerschaft und Verantwortung im Lebensverlauf
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während einer bestehenden Partnerschaft Solidarität und fairer Nachteilsausgleich wichtig und selbstverständlich sind. Nach der Trennung ist die Bereitschaft zur Solidarität gegenüber dem Ex-Partner dagegen deutlich weniger ausgeprägt. Die befragten Frauen und Männer gehen dabei mehrheitlich davon aus, dass das Familienrecht eine gemeinschaftliche Teilhabe am während der Ehe erwirtschafteten Vermögen bewirkt. Dies ist ein – weitverbreiteter – Irrtum. Lassen Sie mich bereits an dieser Stelle klarstellen: Nach dem geltenden gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bleibt das Vermögen der Partner während der Ehe grundsätzlich getrennt. Infolgedessen hat derjenige Partner, der über kein oder nur über ein geringes Einkommen verfügt, rechtlich gesehen während der Ehe nur eine schwache Verhandlungsposition hinsichtlich der Verwendung des Vermögens. Erst nach Beendigung der Ehe findet eine Vermögensteilhabe am Zugewinn statt. Aus gleichstellungspolitischer Sicht ist es dringend geboten, auf diese Befunde zu reagieren. Es ist zu fragen, ob wir einen gesetzlichen oder einen attraktiven Wahlgüterstand brauchen, der bewirkt, dass während der Ehe eine faire Vermögensbeteiligung erreicht und eine Partizipation des weniger verdienenden Partners am Vermögen und der Vermögensverwendung sichergestellt wird. Eine solche Beteiligung am während der Ehe erwirtschafteten Vermögen sieht der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft vor. Beide Partner können in der Errungenschaftsgemeinschaft von Beginn der Ehe an gleichberechtigt über das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen verfügen und werden nicht auf einen nachehelichen Ausgleichsanspruch verwiesen. Zugleich schützt die Errungenschaftsgemeinschaft das vorehelich erworbene persönliche Vermögen als eigenes Vermögen. Zum Gleichberechtigungsgebot der Ehegatten u. a. aus Art. 6 GG passt die Errungenschaftsgemeinschaft unzweifelhaft gut. Aus diesen Erwägungen wurde die Idee der Einführung eines gemeinschaftlichen Güterstandes in Form einer Errungenschaftsgemeinschaft auch von der Sachverständigenkommission für den ersten Gleichstellungsbericht und damit im 1. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung unterstützt. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist der in Europa am weitesten verbreitete Güterstand. Matre Jacoby, Notar in Frankreich, wird uns heute Nachmittag erläutern, welche Erfahrungen unsere französischen Nachbarn mit dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gemacht haben. Im Rahmen der heutigen Tagung wird Ihnen erstmalig ein konkretes Konzept für eine deutsche Errungenschaftsgemeinschaft vorgestellt, welches die wissenschaftlichen Expertinnen und Experten des Arbeitskreises Ehegüterrecht um Frau Professorin Dauner-Lieb, Herrn Professor Meder und Herrn Professor Brudermüller entwickelt haben.
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Eva Maria Welskop-Deffaa
Anschließend wird dieses Konzept im Rahmen der Podiumsdiskussion aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Ich bin darauf sehr gespannt und freue mich auf die sich nun anschließenden Vorträge und Diskussionen. Es ist schade, dass Frau Professorin Hey aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen musste, denn die Errungenschaftsgemeinschaft bietet – das will ich nicht verschweigen – unter dem Vorzeichen der eingangs angesprochenen notwendigen Harmonisierung aus unserer Sicht besonders spannende Gestaltungschancen im Steuer- und Rentenrecht. Wenn diese nicht schon heute in der Diskussion angesprochen werden, dann können wir sie uns für eine spätere Veranstaltung auf die Agenda setzen. Ich danke allen Mitwirkenden, insbesondere der AG Ehegüterrecht für die Vorbereitung und Herrn Kollegen Dr. Meyer aus dem Bundesministerium der Justiz für seine Bereitschaft, an der Podiumsdiskussion teilzunehmen, und das, obwohl er bekanntermaßen kein großer Freund der Errungenschaftsgemeinschaft ist. Vielen Dank!
Stephan Meder
Das geltende Ehegüterrecht – ein kritischer Aufriss
I.
Einleitung
Das Ehegüterrecht hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu einer Art »dualem System« entwickelt. Mit »dualem System« meine ich, dass wir uns gegenwärtig in einer Situation wiederfinden, deren Merkmal in einer radikalen Trennung zwischen totem und lebendigem Recht besteht – oder, wie die Juristen in den USA sagen würden: einem »law in the books« einerseits, also einem Recht, das nur in den Büchern existiert, und einem »law in action« andererseits, also einem Recht, das auch tatsächlich noch praktiziert wird. Diesen Befund bestätigt schon ein kurzer Blick auf die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) versammelten Normen: Das geltende Güterrecht kennt bekanntlich drei Güterstände, und zwar als gesetzlichen Güterstand die »Zugewinngemeinschaft« und als Wahlgüterstände die »Gütertrennung« und die »Gütergemeinschaft«. Die Zugewinngemeinschaft regelt der Gesetzgeber in 27 Normen (§§ 1363 – 1390), die Gütertrennung in nur einer einzigen Norm (§ 1414), während er der Gütergemeinschaft mit über 100 Normen (§§ 1415 – 1518) besondere Aufmerksamkeit widmet. Es gibt keine sachlichen Gründe, die derartige Ungleichgewichte rechtfertigen könnten. Gemessen an ihrer Bedeutung im Rechtsleben würde die Gütergemeinschaft keinen einzigen Paragrafen mehr verdienen. Denn im Unterschied zur Zugewinngemeinschaft und zur Gütertrennung kommt die Gütergemeinschaft in der Praxis gar nicht mehr vor, sie ist, woran heute kaum jemand mehr zweifelt, so gut wie ausgestorben.1 Mehr als zwei Drittel der im geltenden Ehegüterrecht enthaltenen Normen sind also totes Recht, es handelt sich um »law in the books«, um Recht, das nur noch in den Büchern existiert. Wo liegen die Gründe für diesen misslichen Zustand? Um dies erläutern zu können, muss ich kurz auf die beiden Grundprinzipien eingehen, die das mo1 Zur Verbreitung der Gütergemeinschaft vgl. z. B. Kanzleiter, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage (2010), Vor § 1415, Rn. 21.
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Stephan Meder
derne Ehegüterrecht, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bestimmen. Es sind die Prinzipien von Gütertrennung auf der einen und Gütergemeinschaft auf der anderen Seite.
II.
Grundprinzipien des Ehegüterrechts
Gütertrennung bedeutet, dass die Ehe keinen Einfluss auf die Zuordnung des Vermögens nimmt: Jeder Ehegatte bleibt Eigentümer des im Zeitpunkt der Eheschließung vorhandenen Vermögens, auch während der Ehe kommt es zu keiner vermögensrechtlichen Beteiligung und im Fall der Scheidung gibt es keinen Ausgleich. Diese Idee schwebte dem Gesetzgeber vor, als er den bereits erwähnten einzigen Paragrafen zur Gütertrennung in das Gesetz einfügte. Sie muss heute aber als überholt bezeichnet werden: Eine einzige Vorschrift reicht nicht mehr aus, nachdem die höchstrichterliche Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten eine überaus reiche Kasuistik in Form des sogenannten »Nebengüterrechts« hervorgebracht hat, die darauf zielt, den ökonomisch schwächeren Partner, meist die Frau, vor allzu großen Nachteilen einer Gütertrennung zu schützen.2 Auf Einzelheiten dieses »Nebengüterrechts«, das sich inzwischen auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft erstreckt, kann ich hier natürlich nicht eingehen.3 Doch meine ich, kurz andeuten zu dürfen, dass eine erhebliche Kluft zwischen der nur scheinbar klar und eindeutig formulierten einzigen Vorschrift zur Gütertrennung und der Rechtswirklichkeit besteht. Insofern wäre schon im Recht der Gütertrennung erheblicher Reformbedarf zu identifizieren. Die Zugewinngemeinschaft, also der in der Praxis bedeutsamste Güterstand, ist dem Grundtyp nach ebenfalls eine Gütertrennung. Auch hier bleibt jeder Ehegatte Eigentümer des im Zeitpunkt der Eheschließung vorhandenen Ver2 Zum Funktionswandel des Wahlgüterstands der Gütertrennung vgl. Meder, Gütertrennung als Argument bei der richterlichen Inhaltskontrolle von Verträgen über den Ausschluss der Zugewinngemeinschaft, in: FPR 2012, S. 113 – 116. 3 Siehe nur Dauner-Lieb, Gütertrennung zwischen Privatautonomie und Inhaltskontrolle. Ein Zwischenruf, in: AcP 210 (2010), S. 580 – 609, 589 – 591. Den Ausgangspunkt bildet bekanntlich eine Leitentscheidung zur »konkludenten Ehegatteninnengesellschaft« vom 20. Dezember 1952, in welcher der BGH eine Berufung auf Gütertrennung mit dem Hinweis auf die gewandelte »Stellung der Ehefrau« für unzulässig erklärte (BGHZ 8, S. 249 – 256, 256). Nach Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes ist das Thema auch unter Stichworten wie »stillschweigender Abschluss einer Innengesellschaft«, »ehebezogene Zuwendung« oder »familienrechtlicher Kooperationsvertrag« erörtert worden. Sein Hauptanwendungsgebiet findet das Nebengüterrecht deshalb bei Vereinbarung einer Gütertrennung, »weil diese den nicht erwerbstätigen Ehegatten oft benachteiligt« (so bereits Gaul, in: Soergel, BGB, 10. Auflage, 1971, § 1414, Rn. 11). Seine in den letzten Jahrzehnten ständig erweiterte und heute kaum mehr überschaubare Rechtsprechung zum Nebengüterrecht hat der BGH jüngst auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft ausgedehnt (BGH, FamRZ 2008, 1822 – 1828).
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mögens und während der Ehe kommt es ebenfalls zu keiner vermögensrechtlichen Beteiligung. In der Literatur ist der Begriff »Zugewinngemeinschaft« denn auch immer wieder kritisiert worden. Die Bezeichnung »Gemeinschaft«, so meinen viele Autoren, täusche darüber hinweg, dass das Vermögen während der Ehe getrennt bleibt.4 Daran ist richtig, dass das »gemeinschaftliche« Element der Zugewinngemeinschaft erst bei der Scheidung zum Tragen kommt. Nicht schon in der Ehe, sondern erst nach ihrer Auflösung kann also der Ehegatte, der während der Ehe weniger Einkommen erwirtschaftet hat, typischerweise die haushaltführende Ehefrau, einen Anspruch auf hälftige Beteiligung am Zugewinn geltend machen. Zu dieser im Jahre 1958 durch das Gleichberechtigungsgesetz eingeführten Zugewinngemeinschaft ist jüngst noch die sogenannte deutsch-französische »Wahl-Zugewinngemeinschaft« hinzugekommen, die außerhalb des BGB geregelt ist. Sie enthält einige Modifikationen, stimmt in zentralen Punkten aber mit dem gesetzlichen Güterstand überein.5 Auch die deutsch-französische »Wahl-Zugewinngemeinschaft« ist vom Grundtypus eine Gütertrennung mit nachträglichem Vermögensausgleich.6 Zu diesen drei Güterständen kommt als vierter noch die Gütergemeinschaft, die, wie bereits erwähnt, der Gesetzgeber mit Abstand am ausführlichsten geregelt hat. Der Hauptunterschied zwischen der Gütergemeinschaft und den anderen Güterständen, bei denen das Vermögen während der Ehe getrennt bleibt, besteht darin, dass sie ein Gesamtgut kennt. »Gesamtgut« heißt, dass es ein Vermögen gibt, das den Ehegatten schon während der Ehe gemeinsam ge4 Vgl. etwa Gernhuber, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 5: Familienrecht, 1. Auflage (1978), § 1363, Rn. 6 und 7. 5 Die deutsch-französische »Wahl-Zugewinngemeinschaft« ist die »modernere« Variante der Zugewinngemeinschaft. Sie wird dem Wandel der allgemeinen Lebensbedingungen besser gerecht, als der noch stark von den in den 1950er-Jahren herrschenden Vorstellungen über das »Wesen der Ehe« im Sinne einer »Schicksalsgemeinschaft« geprägte deutsche gesetzliche Güterstand. Dabei ist zu beachten, dass in der Literatur schon seit Jahren und nahezu einhellig eine Reform des deutschen gesetzlichen Güterstands gefordert wird. Sollte der Gesetzgeber diesen Forderungen entsprechen, so würde der »Mehrwert« des neuen deutsch-französischen Wahlgüterstands erheblich zusammenschrumpfen oder gar gegen null tendieren. Wir hätten dann in Deutschland zweimal den gleichen oder jedenfalls einen in den entscheidenden Punkten übereinstimmenden Güterstand der Zugewinngemeinschaft – als gesetzlichen und als Wahlgüterstand. Der gegenüber dem aktuellen Rechtszustand unbestreitbar vorhandene »Mehrwert« des neuen Wahlgüterstands kann also nur bewahrt werden, wenn sich der deutsche Gesetzgeber auf Dauer gegen eine weitere Anpassung der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts an internationale Standards sperrt. Dass die Weigerung des Gesetzgebers, den gesetzlichen Güterstand an veränderte Verhältnisse anzupassen, vielen Eheschließenden zum Nachteil gereicht, ist an anderer Stelle näher ausgeführt worden (vgl. Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft. Wandel der Rollenleitbilder und fortschreitende Individualisierung im Güterrecht, 2010). 6 Dazu näher Mecke, Güterrechtliche Grundsatzfragen. Zur Legitimation und Dogmatik güterrechtlicher Teilhabe im Zeichen gesellschaftlichen Wandels und europäischer Harmonisierungsbestrebungen, in: AcP 211 (2011), S. 886 – 929, 899 – 916.
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Stephan Meder
hört, an dem beide dinglich berechtigt sind. Nach der aktuell geltenden Gütergemeinschaft fällt in dieses Gesamtgut sowohl das voreheliche Vermögen als auch das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen. Es gibt nun mehrere Gründe, warum die Gütergemeinschaft hierzulande jede Bedeutung verloren hat, vier davon darf ich kurz nennen: Erstens besteht ein Zwang zur Einigung bei der gemeinschaftlichen Verwaltung, weshalb die Gütergemeinschaft vielen als zu »schwerfällig« gilt. Zweitens fällt bei der Gütergemeinschaft auch das voreheliche Vermögen in das Gesamtgut, was unter den Bedingungen fortschreitender Individualisierung und angesichts des dramatischen Ansteigens der Scheidungsziffern nicht mehr als zeitgemäß erscheint. Drittens läuft ein Ehegatte Gefahr, für voreheliche Schulden, Unterhaltsverbindlichkeiten oder deliktische Schadensersatzverpflichtungen des anderen haften zu müssen: Viele sehen hier ein zu großes Risiko der Gütergemeinschaft. Hinzu kommen viertens steuerliche Nachteile, worauf ich hier nicht näher eingehen kann.7
III.
Zwischenergebnis
Ein Güterrecht, das der Bevölkerung adäquate Optionen und Wahlmöglichkeiten eröffnen möchte, darf sich nicht auf das Trennungsprinzip beschränken, sondern muss auch dem Gemeinschaftsprinzip Rechnung tragen. In Deutschland ist eine Schieflage dadurch entstanden, dass der Trennungsgedanke in drei Güterständen zur Geltung kommt, während die Gütergemeinschaft praktisch tot ist. Dies verdient Hervorhebung, weil das Gemeinschaftsprinzip im Bewusstsein der Bevölkerung durchaus noch lebt. Aktuelle empirische Untersuchungen haben ergeben, dass 93 Prozent der Frauen und 87 Prozent der Männer erwarten, dass alles, was während der Ehe erworben wird, beiden Partnern gleichermaßen gehört.8 Dieser Erwartung kann ein Güterrecht, das durch das Trennungsprinzip beherrscht wird, nicht gerecht werden – ein Befund, der die Politik eigentlich aufhorchen lassen müsste. Denn gerade heute wird von den Parteien ja gefordert, wieder stärker auf die Bedürfnisse der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Wichtiger als die Diskussionen über eine Krise der repräsentativen Demokratie oder die Zukunft einer »liquid democracy« ist aber, dass der Gemeinschaftsgedanke das Güterrecht 7 Vgl. den Überblick über die Nachteile der Gütergemeinschaft bei Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft (Fn. 5), S. 51 – 52. 8 Vgl. die von Carsten Wippermann, Silke Borgstedt und Heide Möller-Slawinski durchgeführte Studie: Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebenslauf. Einstellungen, Motive, Kenntnisse des rechtlichen Rahmens, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.), 2010, S. 50.
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auch international dominiert. So gibt es die Zugewinngemeinschaft mit Vermögenstrennung in der Ehe außerhalb Deutschlands nur in Griechenland als gesetzlichen Güterstand, während die Errungenschaftsgemeinschaft der in Europa am meisten verbreitete Güterstand ist.9
IV.
Eigenarten der Errungenschaftsgemeinschaft
Worin liegt nun die besondere Attraktivität der Errungenschaftsgemeinschaft und was sind ihre Eigenarten? Die Errungenschaftsgemeinschaft ist vom Grundtyp eine Gütergemeinschaft. Wie in der Bevölkerung angenommen, fließt das während der Ehe erworbene Vermögen in ein Gesamtgut, woran beide Partner dinglich berechtigt sind. Diese Lösung ist auch gleichstellungspolitisch relevant. Denn mit der Forderung nach einer Gleichbewertung von Hausarbeit und außerhäuslicher Erwerbsarbeit wird erst dann wirklich ernst gemacht, wenn dem nichterwerbstätigen Ehegatten schon bei bestehender Ehe eine Möglichkeit der Teilhabe eröffnet wird.
1)
Diskussionen über Gleichberechtigung durch »dingliche Teilhabe« in den 1950er-Jahren
Der Hauptunterschied zwischen Zugewinn- und Errungenschaftsgemeinschaft besteht darin, dass bei der Zugewinngemeinschaft die Beteiligung des nichtoder weniger erwerbstätigen Ehegatten nachträglich und bei der Errungenschaftsgemeinschaft schon während der Ehe stattfindet. Diesen Unterschied hat der Reformgesetzgeber von 1958 verkannt. Er meinte nämlich, nach Einführung der Zugewinngemeinschaft als gesetzlichen Güterstand sei eine Aufnahme der Errungenschaftsgemeinschaft in das Güterrecht entbehrlich: Für eine Aufnahme der Errungenschaftsgemeinschaft bestehe »kein Bedürfnis, weil schon beim gesetzlichen Güterstand jeder Ehegatte am Erwerb des anderen Ehegatten teilnimmt«.10 Diese Auffassung ist in der Wissenschaft mehr oder weniger ungeprüft übernommen worden. Es herrschte die Meinung, »den Gedanken der Errungenschaftsgemeinschaft« verwirkliche nach dem Gleichberechtigungsgesetz »die Zugewinngemeinschaft«.11 Dabei wurde übersehen, dass Errungenschafts9 Vgl. den Überblick über die gesetzlichen Güterstände der EU-Mitgliedstaaten bei Gudrun Möller, Die Gütergemeinschaft im Wandel der Gesellschaft (2010), S. 182 – 184. 10 BT-Drucks. 1/3802, S. 54; BT-Drucks. 2/224, S. 39. 11 Reinicke, Zum neuen ehelichen Güterrecht, in: NJW 1957, S. 889 – 893, 893. Siehe auch Felgentraeger, in: Staudinger, BGB, IV. Band: Familienrecht, 10./11. Auflage (1970), Einl. zu §§ 1363 ff., Rn. 19: Es bestehe kein Bedürfnis, »die Errungenschaftsgemeinschaft […] als
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Stephan Meder
und Zugewinngemeinschaft trotz ihrer funktionalen Parallelen auf ganz unterschiedlichen Grundtypen beruhen. Aus heutiger Sicht muss interessieren, dass es auch in den 1950er-Jahren schon eine ganze Reihe von Autoren gab, welche die Eigenarten der Errungenschaftsgemeinschaft zutreffend erkannt und ihre Vorzüge gegenüber der Zugewinngemeinschaft herausgestellt haben. Grundlage bildet eine empirische Studie, deren Ergebnisse 1952 veröffentlicht wurden.12 Ihr Verfasser, Heinrich Alebrand, hatte Anfang der 1950er-Jahre 1500 Fragebögen anteilig nach Berufsgruppen an erwachsene Personen versandt. Dabei wurden drei Güterstände zur Wahl gestellt, und zwar die »Arbeitsgewinngemeinschaft« als eine Form der Errungenschaftsgemeinschaft sowie Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung. Eine deutliche Mehrheit hatte für die »Arbeitsgewinngemeinschaft« votiert, wobei sich weder zwischen den Geschlechtern noch zwischen den Berufsgruppen signifikante Unterschiede ergeben haben. Es herrschte in der Bevölkerung also die Auffassung, dass der »Arbeitsgewinn« schon während der Ehe beiden Partnern gemeinsam gehören müsse.13 In der Literatur wurde daraus der Schluss gezogen, dass die Errungenschafts- gegenüber der Zugewinngemeinschaft zu bevorzugen sei.14 Diese Minderheit war der Meinung, die Gleichberechtigung könne im Güterrecht am besten durch eine »dingliche Mitberechtigung beider Gatten an der Errungenschaft verwirklicht werden«.15 Auch ist in den 1950er-Jahren schon darüber nachgedacht worden, wie Gesamthands- und Verwaltungsgemeinschaft an die zunehmende Individualisierung der Lebensverhältnisse anzupassen seien. So favorisierte etwa Alebrand in Anlehnung an ein tschechisches Gesetz aus dem Jahre 1949 die sogenannte
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Wahlgüterstand weiterhin gesetzlich zu regeln«. Denn »den Gedanken der Errungenschaftsgemeinschaft […] verwirkliche bereits der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft« (S. 7). Alebrand, Eine EnquÞte zur Reform des Ehelichen Güterrechts, in: AcP 152 (1952/1953), S. 373 – 382. In diesem entscheidenden Punkt stimmt die Studie von Alebrand mit eben jenem Ergebnis überein, das jüngst durch die Studie von Wippermann wieder bestätigt wurde (vgl. den Nachweis vorstehend III bei Fn. 8). Haff, Zur Privatrechtsgeschichte und Rechtspolitik der Errungenschaftsgemeinschaft, in: JZ 1955, S. 43 – 45, 44. Haff, Zur Privatrechtsgeschichte und Rechtspolitik der Errungenschaftsgemeinschaft (Fn. 14), S. 43. Vgl. auch Bosch, der ebenfalls ein auch heute wieder diskutiertes Argument gegen die Zugewinngemeinschaft anführt: »Die fehlende Mitbestimmung des nichtverdienenden Gatten hinsichtlich des Einkommens des anderen während bestehender Ehe ist meiner Überzeugung nach deutlicher Beleg dafür, dass auf diesem Wege die Gleichberechtigung nicht wirksam zur Durchführung gelangt« (Zur Neuordnung des ehelichen Güterrechts, in: FamRZ 1954, S. 149 – 156, 154). Siehe ferner ders., Zum ehelichen Güterrecht, in: JZ 1953, S. 448 – 450; ähnlich Beitzke, Gleichberechtigung und Familienrechtsreform, in: JZ 1952, S. 744 – 746; Jung, Das eheliche Güterrecht nach dem 31. März 1953, in: DRiZ 1953, S. 97 – 98.
Das geltende Ehegüterrecht – ein kritischer Aufriss
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»laufende Verwaltungshandlung«, wonach die Ehegatten nur in Ausnahmefällen gemeinsam handeln mussten.16 Diese Vorstellung kommt der »konkurrierenden Verwaltung« des französischen Rechts schon sehr nahe, welches heute in Europa als Vorbild für eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft gilt. Dem Gesetzgeber aber war der Weg zu diesen Ideen versperrt, weil er, wie schon angedeutet, die Differenzen zwischen Errungenschafts- und Zugewinngemeinschaft unterschätzte. Hinzu kam, dass in den 1950er-Jahren die Vorstellung verbreitet war, die Errungenschaftsgemeinschaft sei eher auf die bäuerliche Wirtschaft und kleine Gewerbetreibende zugeschnitten, was ebenfalls unzutreffend ist.17
2)
Gleichstellungspolitische Vorzüge heute
Die Anziehungskraft der Errungenschaftsgemeinschaft rührt aber nicht nur daher, dass sie der Idee einer Teilhabe der Gatten am während der Ehe erworbenen Vermögen in besonderer Weise entspricht. Hinzu kommt, und insoweit dürfte sich ein Unterschied zu früher herrschenden Vorstellungen ergeben, dass heute nur noch geringe Bereitschaft besteht, Verantwortung für den geschiedenen Partner zu übernehmen. Dies haben neueste empirische Untersuchungen bestätigt.18 Dagegen ist die Bereitschaft zu Solidarität während der Ehe ungebrochen.19 Für das Güterrecht resultiert daraus die Aufgabe, neue Lösungen zu entwickeln, welche die Partizipation während der Ehe stärken.20 16 Alebrand, Eine EnquÞte zur Reform des Ehelichen Güterrechts (Fn. 12), S. 373, 374. In diese Richtung auch schon Hedwig Maier-Reimer, Die Gleichberechtigung der Frau, in: DRZ 1950, S. 289 – 294, 291: »Für das während der Ehe errungene Vermögen wäre eine Errungenschaftsgemeinschaft zu begründen, doch sollte jeder Ehegatte die selbständige Verwaltung seiner Errungenschaft haben.« 17 Siehe die Nachweise aus der Literatur der 1950er-Jahre bei Alebrand, Eine EnquÞte zur Reform des Ehelichen Güterrechts (Fn. 12), S. 373, 382. Dass die Errungenschaftsgemeinschaft ein »System der bäuerlichen Bevölkerung« sei, ist bereits auf dem Heidelberger Juristentag von 1924 behauptet worden (vgl. Haff, Fn. 14), S. 43, 44. So auch noch Gernhuber, in: Münchener Kommentar (Fn. 4), Einl. zu §§ 1363 – 1563, Rn. 24: Die Errungenschaftsgemeinschaft sei ein mit der Zugewinngemeinschaft »funktional vergleichbarer, nur eben anders strukturierter (und deshalb den Zeitsignaturen widersprechender) Güterstand«. Siehe dagegen zu recht Haff, Zur Privatrechtsgeschichte und Rechtspolitik der Errungenschaftsgemeinschaft, in: JZ 1955, S. 43 – 45, 44. Der Behauptung von Gernhuber ließe sich allenfalls zustimmen, wenn man die »patriarchalische Errungenschaftsgemeinschaft« aus dem BGB von 1900 als Vergleichspunkt nimmt. Was eine Errungenschaftsgemeinschaft modernen Zuschnitts anbelangt, so ist seine Aussage nicht zu halten. Sie würde allerdings auf die allgemeine Gütergemeinschaft passen. 18 Vgl. die bereits erwähnte Studie zu Partnerschaft und Ehe von Wippermann (Fn. 8), S. 16 – 27, 24. 19 Wippermann, Partnerschaft und Ehe (Fn. 8), S. 16 – 27, 21. 20 Siehe den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung (Hg.), Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf (2011), S. 48 – 50.
20
Stephan Meder
Ein Vorteil der Errungenschaftsgemeinschaft liegt zudem darin, dass sie die Nachteile der BGB-Gütergemeinschaft zu vermeiden hilft. Zwar verwalten die Ehegatten auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft das Gesamtgut gemeinschaftlich. »Gemeinschaftliche Verwaltung« bedeutet bei einer modernen Errungenschaftsgemeinschaft jedoch nicht, dass die Ehegatten – wie bei der deutschen Gütergemeinschaft – bei jeder Verwaltungsmaßnahme zusammenwirken müssen. Vielmehr gilt der Grundsatz der »konkurrierenden Verwaltung«, wonach die Ehegatten nur im Bereich der »außergewöhnlichen Verwaltung« gemeinsam handeln müssen. Außerdem fällt bei einer Errungenschaftsgemeinschaft das voreheliche Vermögen nicht in das Gesamtgut, sondern bleibt Eigengut, was aktuellen Individualisierungstendenzen ebenfalls entgegenkommt. Im Fall der Scheidung behält schließlich jeder Ehegatte sein Eigengut, lediglich das Gesamtgut wird geteilt. Es sind also vor allem zwei Gründe, auf denen die besondere Anziehungskraft der Errungenschaftsgemeinschaft unter gewandelten Lebensbedingungen beruht. Dadurch, dass der haushaltführende Ehegatte bereits während der Ehe an dem durch den erwerbstätigen Partner erzielten Einkommen partizipiert, trägt die Errungenschaftsgemeinschaft dem gemeinschaftlichen Element während der Ehe stärker Rechnung als die Zugewinngemeinschaft. In Zeiten, in denen das »In-Familie-Leben« mehr »als je zuvor zu einer transitorischen Lebensphase für den Einzelnen geworden« ist21 und nicht zuletzt aus diesem Grund die Bereitschaft zur Übernahme postehelicher Verantwortung stark abgenommen hat,22 muss dies als Vorteil anerkannt werden. Hinzu kommt, dass gerade der Eintritt in die Elternschaft für einen der Partner, meist die Frau, zu oft sehr nachteiligen Unterbrechungen im Erwerbsleben führt. Es handelt sich hier also um jene »Knotenpunkte« und »Übergänge« im Lebensverlauf, denen die Rechtsordnung unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten gegenwärtig besondere Aufmerksamkeit zu widmen hat.23 Hier liegt der zweite Grund, warum der nichterwerbstätige Partner nicht erst bei Scheidung, sondern bereits während der Ehe am gemeinsam Erwirtschafteten partizipieren sollte.
21 Nave-Herz, Die These über den »Zerfall der Familie«, in: Friedrichs u. a. (Hg.), Die Diagnosefähigkeit der Soziologie, Sonderheft 38 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1998), S. 286 – 315, 295. 22 Vgl. die Studie zu Ehe und Partnerschaft von Wippermann (Fn. 8), S. 54 – 59. 23 Dazu näher Meder, Individualisierung von Lebensverläufen und Verantwortungskooperationen – Herausforderungen eines geschlechtergerechten Ehe-, Partnerschafts- und Familienrechts, in: Christliches Jahrbuch für Sozialethik (im Erscheinen).
Das geltende Ehegüterrecht – ein kritischer Aufriss
V.
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Ausblick
Warum also diese »Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft«? Das Argument, das schon fast gebetsmühlenartig vorgebracht wird, lautet: »zu kompliziert!« Dann aber müsste als erstes die Gütergemeinschaft aus dem BGB gestrichen werden, deren über 100 Paragrafen an Kompliziertheit wohl kaum zu überbieten sind.24 Andererseits sollte auch nicht übersehen werden, dass eine Anpassung des Rechts an veränderte Gegebenheiten ihren Preis haben kann. Ein Beispiel bildet der Streit, der in der Entstehungsphase des BGB über die Herrschaft in der Ehe geführt wurde.25 Gottlieb Planck z. B. verteidigte das ehemännliche Entscheidungsrecht mit dem Argument, dass die Regelung des ehelichen Lebens zu kompliziert werden würde, wenn beide Ehegatten gleiche Entscheidungsrechte hätten. Daran ist richtig, dass ein Eherecht einfacher ist, in dem nach festgelegtem Rollenmuster ein Partner befehlen kann und der andere gehorchen muss. Aber wer wollte heute ernsthaft noch an einer Gehorsamspflicht der Frau festhalten, nur weil Meinungsverschiedenheiten mehr Probleme aufwerfen und in diesem Sinne komplizierter sein können als autokratisch getroffene Entscheidungen? Im Übrigen steht auch gar nicht fest, wie kompliziert die Errungenschaftsgemeinschaft eigentlich ist. Ein Beispiel bilden die Diskussionen in Frankreich. Obwohl es dort die Zugewinngemeinschaft als Wahlgüterstand gibt, haben viele regelrecht »Angst« vor ihr. Französische Notare pflegen von einer Wahl der Zugewinngemeinschaft abzuraten, weil sie im Vergleich zur Errungenschaftsgemeinschaft zu kompliziert sei. Dem unbefangenen Beobachter drängt sich die Frage auf, ob Juristen nicht einfach dazu neigen, das ihnen bekannte Recht für das bessere zu halten. Allerdings, und darauf darf ich zum Schluss noch hinweisen, bildet die Zugewinngemeinschaft nur einen von mehreren Vergleichspunkten für die Errungenschaftsgemeinschaft. Es geht nicht um eine Ablösung der Zugewinngemeinschaft, sondern um die Zukunft der überkommenen BGB-Gütergemeinschaft. Die eigentliche Konkurrenz besteht also zwischen Güter- und Errungenschaftsgemeinschaft. Die Frage lautet: Bieten die über 100 Vorschriften der BGB-Gütergemeinschaft auch im 21. Jahrhundert noch eine Option für jene Teile der Bevölkerung, die das Gemeinschaftsprinzip favorisieren? Wer diese Frage bejaht, wird eine Diskussion über den Reformbedarf im Güterrecht für überflüssig halten. Wer sie dagegen verneint, wird nach Alternativen Ausschau halten. 24 Kanzleiter, in: Münchener Kommentar (Fn. 1), Vor § 1415, Rn. 2 und Rn. 15. 25 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, IX. Legislaturperiode, IV. Session (1895), Bd. 4 (1896), S. 2916.
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VI.
Stephan Meder
Resümee
Im geltenden Güterrecht lässt sich umfassender Reformbedarf feststellen. Angesichts der üppigen Kasuistik zum Nebengüterrecht reicht die einzige Vorschrift zur Gütertrennung nicht mehr aus. Der Funktionswandel der Gütertrennung hat auch Folgen für das Ehevertragsrecht, die vorstehend nicht erörtert werden konnten. Hinzu kommen die berechtigten Forderungen nach einer Reform des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft, welcher teilweise noch zu stark durch überholte Vorstellungen über das »Wesen der Ehe« als »Schicksalsgemeinschaft« geprägt ist und mit aktuellen Individualisierungstendenzen in Konflikt gerät. Schließlich sollte die Gütergemeinschaft durch eine Form der Errungenschaftsgemeinschaft abgelöst werden, die modernen gleichstellungspolitischen Ansprüchen gerecht wird.
Carsten Wippermann
Partnerschaft und Ehe im Lebensverlauf – Die Rechtsfolgen von Heirat und Scheidung in der empirischen Sozialforschung
Auch wenn wir hier, wie das der Tagungstitel ankündigt, juristische Fragen diskutieren, so lohnt zu Beginn durchaus der Blick auf das Wissen und die Wünsche der Bevölkerung. Aber was heißt: »Auch wenn wir hier …«? Gerade weil wir hier rechtliche, ehegüterrechtliche Fragen behandeln, müssen wir auch den Blick darauf richten, welche Einstellungen die Menschen zu den gesetzlichen Regelungen haben, denn diese sind Rahmenbedingungen und orientieren das Handeln der Menschen. Aber geben die Gesetze wirklich jene Orientierung, die sie geben sollen? Passen die rechtlichen Rahmungen mit den vom Gesetzgeber vorausgesetzten, unterstellten, vermuteten Verhaltensweisen zu den tatsächlichen Verhaltensweisen der Frauen und Männer? Abhängig ist dies unter anderem davon, ob die Menschen den rechtlichen Rahmen, der für sie gilt, überhaupt kennen und richtig wissen, in welchen Rahmungen sie leben. Man könnte auch die Metapher vom Fundament verwenden, auf dem die Menschen stehen und fragen, ob die Menschen wissen, auf welchem Grund sie im Verlauf ihres Lebens ihre Gebäude und Nebengebäude errichten, umbauen, einreißen und neu errichten. In der Wirklichkeit gilt: Die Menschen orientieren ihr Handeln an jenem Rahmen, von dem sie glauben, dass dieser für sie gültig ist – also nicht am objektiv-faktisch geltenden, sondern an dem von ihnen gemeinten Recht. Sie errichten – um wieder die Metapher zu bemühen – ein Gebäude mit dem Material und der Statik, von dem sie meinen zu wissen, dass die Bodenbeschaffenheit dies zulässt und keine unerwünschten Nebenfolgen und Spätfolgen auftreten: Sie können sich das selbst gut ausmalen. Und wir haben es nicht mit einzelnen Entscheidungen zu tun, sondern mit Entscheidungsketten im Lebensverlauf. Vor dem Hintergrund haben wir – im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine bevölkerungsrepräsentative sozialwissenschaftliche Untersuchung durchgeführt. Die Ergebnisse sind dokumentiert in der Broschüre des BMFSFJ mit dem Titel »Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebensverlauf«. Und im Folgenden möchte ich Ihnen gern einige Befunde vorstellen.
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Carsten Wippermann
Kurz zur Untersuchungsanlage: Grundgesamtheit ist die deutsche Wohnbevölkerung im Alter von 18 bis 60 Jahren (= 48,5 Millionen). Die Nettostichprobe umfasst 2001 Befragte, die nach der Methode der systematischen Zufallsauswahl ausgewählt wurden. Dieses Verfahren ist in besonderer Weise geeignet, strukturelle Verzerrungen zu vermeiden. Insofern haben wir Grund davon auszugehen, dass die Stichprobe und die Befunde ein wirklichkeitsgetreues, repräsentatives Abbild der Wirklichkeit sind. Die Erhebung fand im Januar/Februar 2010 statt.
1.
Einstellungen zu Partnerschaft und Ehe
In der repräsentativen Studie wurden den Befragten verschiedene Aussagen zu Partnerschaft und Ehe vorgelegt und nach dem Grad ihrer persönlichen Zustimmung oder Ablehnung gefragt. Den Kosmos von Einstellungen in der Bevölkerung dominiert eine bestimmte Aussage, der 82 Prozent der Frauen und Männer voll und ganz zustimmen: »Man ist für Menschen verantwortlich, die man liebt.«1 Es gibt kaum jemanden, der diese Einstellung ablehnt. Der moralische und funktionale Zusammenhang von Liebe und Verantwortung ist eine gesellschaftlich universale Norm. Am untersten Rang der Einstellungshierarchie steht hingegen die Aussage »Es gibt Gründe, auch nach einer Partnerschaft für seinen Ex-Partner eine gewisse Verantwortung zu tragen«. Dieses Statement ist weich formuliert: Es gibt kein zwingendes Argument vor, sondern weitet den subjektiven Interpretationsraum für »irgendwelche« Gründe; es zielt nicht auf eine bestimmte Form und einen Grad der Verantwortung, sondern bleibt auch hier subjektiv unverbindlich bei einer »gewissen« Verantwortung. Dennoch: Nur 18 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer stimmen dem voll und ganz zu.2 Wie in der obigen Aussage steht auch hier der Begriff »Verantwortung« im Zentrum des Statements. Doch in Bezug auf den Lebensabschnitt nach einer Partnerschaft will man von Verantwortung für den Ex-Partner nichts mehr wissen, sieht und akzeptiert man dies als nicht gesellschaftlich verbindliche Norm. Dreh- und Angelpunkt für Verantwortungsbereitschaft gegenüber dem Partner ist in der Bevölkerung zum einen das subjektive Gefühl von Liebe, zum anderen die zeitliche Voraussetzung, dass die Partnerschaft aktuell besteht. Zwar sind 80 Prozent der Bevölkerung (85 Prozent der Verheirateten) der festen 1 Weitere 14 Prozent stimmen »eher« zu, sodass insgesamt 96 Prozent der Bevölkerung diese Einstellung haben. 2 48 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer stimmen hier insgesamt (»voll und ganz« sowie »eher«) zu.
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Überzeugung, dass die Heirat ein verbindliches Bekenntnis zur Solidarität ist. Doch die eheliche Solidarität ist im Alltagsbewusstsein der Bevölkerung unter die Bedingungen der Subjektivität und Zeitlichkeit gestellt. Gleichwohl wünschen sich etwa 80 Prozent der Menschen sehr, dass eine Par t nerschaf t ein Leben lang hält. Bei Nichtverheirateten sagen dies 71 Prozent, bei Verheirateten 87 Prozent3. Dies ist ein signifikanter Unterschied und gibt Grund zu der Hypothese, dass es eine gewisse (wechselseitige) Kausalbeziehung zwischen dem Wunsch nach lebenslanger Partnerschaft und dem Ehewunsch gibt: Wer heiratet, hat die etwas stärker ausgeprägte Perspektive einer lebenslange Partnerschaftsperspektive – und vice versa. Allerdings ist der Wunsch nach lebenslanger Partnerschaft nicht exklusiv an die Ehe gekoppelt. Soziodemografisch zeigt sich, dass es im Wunsch nach einer lebenslangen Partnerschaft kaum Unterschiede zwischen Frauen (80 Prozent) und Männern (78 Prozent) gibt, wohl aber signifikante Bildungsunterschiede: Je geringer die Formalbildung, umso größer ist der Wunsch, dass die Partnerschaft bzw. Ehe ein Leben lang hält. Deutlich zurückhaltender ist die Einstellung in Bezug auf die lebenslange Ausrichtung explizit der Ehe. Nur 50 Prozent (53 Prozent Männer ; 48 Prozent 3 Die Prozentzahlen beziehen sich auf die Zustimmung »voll und ganz«. Nimmt man jene hinzu, die der Aussage »eher« zustimmen, dann sind dies bei den Verheirateten 98 Prozent, die sich eine lebenslange Dauer ihrer Ehe wünschen, bei den Nichtverheirateten 90 Prozent mit dem Wunsch, dass ihre Partnerschaft ein Leben lang halten möge.
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Carsten Wippermann
Frauen) der 18- bis 60-Jährigen stimmen voll und ganz der Aussage zu, die Ehe sei auf ein ganzes Leben ausgerichtet. Bei Verheirateten ist dieser Anteil mit 61 Prozent signifikant höher (Nichtverheiratete 41 Prozent) und weitere 21 Prozent der Verheirateten stimmen dieser Haltung »eher« zu. Insgesamt gehen also 82 Prozent der Verheirateten von der lebenslänglichen Ausrichtung der Ehe aus. Doch das bedeutet umgekehrt, dass 18 Prozent der derzeit Verheirateten (fast jeder Fünfte!) explizit die lebenslange Ausrichtung der Ehe insofern bezweifeln, dass sie nicht glauben, dass die Ehe/ihre Ehe ganz sicher ein Leben lang hält. Hier gibt es signifikante Unterschiede … – … zwischen Bildungsschichten: Je geringer die Bildung, desto häufiger ist die lebenslange Ausrichtung der Ehe verankert. In Schichten und Milieus am oberen Rand der Gesellschaft gibt es deutlich stärkere Tendenzen, die Ehe als temporäres Projekt zu begreifen, das hoffentlich von langer Dauer ist, das man aber a) jederzeit und b) in jeder Hinsicht vollends und abschließend beenden kann. – … zwischen Alterskohorten: Je jünger die Verheirateten, umso stärker ist die Haltung einer lebenslangen Perspektive der Ehe (75 Prozent der 18- bis 29Jährigen; 60 Prozent bei 50- bis 60-Jährigen). – … zwischen Ehepaaren mit Kindern und jenen ohne Kinder : 55 Prozent der Verheirateten ohne Kinder, aber 67 Prozent der Verheirateten mit Kindern
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haben die Überzeugung einer lebenslangen Ausrichtung der Ehe. Größte Distanz zu dieser Haltung haben jene ohne Kinder : 26 Prozent von ihnen lehnen die Vorstellung einer lebenslangen Ausrichtung der Ehe ab. – … zwischen den Stadien im Paar- und Lebensverlauf: Mit zunehmender Bindung an einen Partner (von Living-Apart-Together über nichteheliche Lebensgemeinschaften bis verheiratet) steigt das Verständnis einer lebenslangen Ausrichtung der Ehe. Diese Grade der Partnerbindung werden zugleich überlagert von einem Alters-(Kohorten-) Effekt: Das lässt sich illustrieren am Vergleich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft (NEL) mit Verheirateten: Bei 18- bis 29-Jährigen ist die Zustimmung zur lebenslangen Ausrichtung der Ehe bei Ehepaaren im Vergleich zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften um 16 Prozent, bei den 50- bis 60Jährigen um 35 Prozent höher.
2.
Motive zu heiraten
Die bisherigen Analysen geben Anlass, der Frage nachzugehen, was für verheiratete Partner die Motive waren zu heiraten. Zu heiraten ist für die Meisten kein selbstverständlicher oder unreflektierter Schritt, sondern eine bewusste Entscheidung aufgrund verschiedener Motive, die ein unterschiedliches Gewicht haben. Es ist auffällig, dass Männer mit der Heirat sehr stark verbinden (oder auch bezwecken), dass ihre Partnerschaft dann krisenfester ist und (länger) hält. Dieses Motiv ist für Frauen weniger relevant. Die Betrachtung der Altersgruppen zeigt für Männer auch, dass dieses Motiv
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Carsten Wippermann
der Festigung der Beziehung bei jüngeren Männern (48 Prozent) deutlich stärker ausgeprägt ist als bei älteren Männern (32 Prozent). Hingegen gibt es bei Frauen hier keinen Trend und keine Verschiebungen im Lebensverlauf (konstant bei ca. 22 Prozent). Das führt zu dem Befund, dass bei jüngeren Paaren die Kluft im Verständnis auf die stabilisierende Funktion der Eheschließung relativ groß ist; bei älteren Paaren jedoch geringer (oder mit zunehmendem Alter wird). Dies kann als biografische Annäherung (der Männer an die Frauen) interpretiert
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werden: Mit der Zeit des Beisammenseins wächst das Vertrauen und Einvernehmen in die stabilisierende Funktion der Ehe. Andererseits kann die große Kluft bei jungen Paaren in dieser Frage als generationenspezifischer Trend des Auseinanderdriftens zwischen Männern und Frauen begriffen werden. Der soziokulturelle Hintergrund ist, dass junge Männer heute in Bezug auf ihre Partnerschaft massiv verunsichert sind, dass sie sich ihrer Partnerin in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht (mehr) sicher sind, ein Auseinandergehen fürchten und daher in der Ehe ein Instrument zur Sicherung ihrer Partnerschaft und Partnerin sehen.
Im Horizont des gesamten Spektrums von Motiven für eine Heirat zeigt sich, … – … dass Frauen und Männer ihrer Partnerschaft mit der Eheschließung einen festen und auch rechtlichen Rahmen geben wollen. Sie entscheiden sich für die Ehe auch aus dem Grund, weil eine Ehe klare Verbindlichkeiten bedeutet und etwas ist, worauf man sich verlassen kann. Diese Motive zu Beginn der Ehe sind deshalb instruktiv und bedeutsam, weil viele Eheleute nach einem möglichen Ende ihrer Ehe kaum noch eine Verbindlichkeit und Verpflichtung für ihren Partner sehen;
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Carsten Wippermann
– … dass vor allem Männer in der Ehe Stabilität und Verlässlichkeit ihrer Partnerschaft suchen sowie Sicherheit für vorhandene oder geplante Kinder ; – … dass das zentrale Motiv für eine Ehe – entgegen der landläufigen Ansicht – nicht der Wunsch nach gemeinsamen Kindern oder die Geburt eines gemeinsamen Kindes ist. Das Thema Kinder ist bei der Entscheidung für die Ehe ein wichtiger Aspekt neben anderen Aspekten; – … dass Frauen von der Ehe eine soziale Absicherung für sich selbst erwarten (was auf Witwenrente etc. zielen mag).
3.
Kenntnisse über den rechtlichen Rahmen einer Ehe
Frauen und Männer gehen selbstverständlich davon aus, dass »Ehe« etwas mit ökonomisch-rechtlichen Verhältnissen bzw. Verhältnisveränderungen zu tun hat. Wer heiratet, hat überwiegend noch die allgemeine Vorstellung, dass man mit der Ehe im Vergleich zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft irgendwie besser gestellt ist. (56 Prozent der Befragten sagen, »in der Ehe ist man finanziell besser gestellt als in einer Partnerschaft »ohne Trauschein«). Allerdings ist diese Überzeugung nicht besonders stark und viele, die verheiratet sind oder eine Heirat planen, wissen nicht oder nur diffus, inwiefern sich ihre ökonomischrechtliche Situation durch die Eheschließung konkret verändert. Begriffe wie »gesetzlicher Güterstand« oder »Ehegattensplitting« sowie deren inhaltliche Bedeutungen sind oft unbekannt – in der jüngeren Altersgruppe der Verheirateten bei weit über 50 Prozent. Mit zunehmendem Alter nimmt das Unwissen über diese Begriffe und Themen ab und mag auf Erfahrung aufgrund von Steuererklärungen und Scheidung zurückzuführen sein. Alarmierend jedoch ist, dass gerade in der jungen Lebensphase, in der die meisten heiraten, das Wissen über die rechtlichen Rahmen und Konsequenzen mehrheitlich nicht vorhanden ist. Viele wissen nicht einmal, dass es diese Dinge überhaupt gibt, dass es sie zu beachten bzw. gar zu regeln gilt – obwohl diese lebenslang gültig sind und verbindliche materielle und soziale Konsequenzen haben und obwohl das zentrale Motiv für die Ehe der Wunsch nach einem verlässlichen rechtlichen Rahmen ist. Man verlässt sich offensichtlich darauf, dass der Staat hier alle Regelungen und Vorkehrungen getroffen hat. Von den Verheirateten im Alter 50 – 60 Jahre wissen nur 34 Prozent nach eigener Auskunft genau, was ein geset zlicher G ü ter st an d ist. Weitere 34 Prozent haben eine ungefähre Vorstellung. Aber 32 Prozent sagen, dass sie den Begriff »gesetzlicher Güterstand« noch nie gehört haben oder nicht wissen, was er bedeutet. So besorgniserregend die Unkenntnis in der Generation jener ist, die meistens schon länger verheiratet sind: Sie erfährt Steigerung mit Blick auf die jüngere Generation. Von den Verheirateten im Alter von 18 – 29 Jahren
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wissen nur 11 Prozent nach eigener Auskunft, was ein gesetzlicher Güterstand ist; weitere 34 Prozent ungefähr. Aber 55 Prozent kennen den Begriff oder seine Bedeutung nicht. Und diese sind in einer Lebensphase (v. a. Familiengründung), in der Entscheidungen getroffen werden, die güterrechtlich relevant sind und Folgen haben.
Man könnte meinen, Unkenntnis sei ein Merkmal unterer Bildungsschichten. Das aber ist bei diesem Thema ein Irrtum! Die Kenntnis über den gesetzlichen Güterstand ist bei Frauen und Männern mit hoher Bildung nur geringfügig höher als bei jenen mit mittlerer oder geringer Bildung. Auch 31 Prozent der Verheirateten mit hoher Bildung geben an, den Begriff »gesetzlicher Güterstand« noch nie gehört zu haben oder seine Bedeutung nicht zu kennen. Wenn in den gehobenen Schichten und Lebenswelten das Wissen über den ökonomischrechtlichen Rahmen ihrer Ehe bei einem Drittel nicht vorhanden ist, dann deutet dies auf ein erhebliches Informations- und Kommunikationsdefizit hin. In diesen – für ökonomische Belange und Risiken sensiblen und reflektierten Milieus – lässt sich dieses letztlich nur mit einem dem Staat zugeschriebenen großen Vertrauen erklären, dass er schon alles – richtig und gerecht – geregelt haben wird und man sich hier nicht individuell kümmern muss. Nimmt man das Spektrum der für eine Ehe relevanten familien- und steuerrechtlichen Begriffe in den Blick und fragt, ob Verheiratete sie schon mal gehört haben und inhaltlich kennen (bzw. zu kennen meinen), dann ergibt sich folgendes Bild:
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Zwei Drittel (67 Prozent) haben schon mal von »Gütertrennung« gehört und meinen, genau zu wissen, was diese bedeutet.4 Nur wenige (9 Prozent) sagen, dass ihnen der Begriff unbekannt sei. In der Rangfolge der weiteren, dem Namen nach bekannten und der inhaltlich gewussten Begriffe kommen das Anfangsvermögen (40 Prozent), der Zugewinnausgleich (40 Prozent), Ehegattensplitting (35 Prozent) und gesetzlicher Güterstand (28 Prozent). Überraschend ist, dass der in den tagespolitischen Reden, Medien und Talkshows vergleichsweise häufig vorkommende Begriff »Ehegattensplitting« in der Bevölkerung und auch bei Verheirateten nur einem relativ überschaubaren Teil bekannt und vertraut ist. 41 Prozent der Verheirateten sagen, dass sie den Begriff »Ehegattensplitting« noch nie gehört haben oder keine Ahnung haben, was er bedeutet. Dies steht im Kontrast zu der Anfangshypothese dieser Untersuchung, die davon ausging, dass dieser Begriff doch fast allen bekannt sein müsste. Um das Antwortverhalten der Menschen und den Befund zu erklären, hilft eine erhebungspsychologische Reflexion: In einer Interviewsituation fürchten sich viele vor Wissensfragen, wollen nicht bloßgestellt werden. Gerade bei medial sehr bekannten Begriffen sagen dann einige lieber »Nein – noch nie gehört« – denn würden sie sagen, dass sie den Begriff kennen, könnte die 4 67 Prozent sagten, sie wüssten, was »Gütertrennung« sei. Aber ob ihr subjektives Wissen dazu der tatsächlichen rechtlichen Wirklichkeit entspricht, bleibt offen. Bei einem Teil ist anzunehmen, dass sie eine individuelle Vorstellung entwickelt haben, die sich assoziativ aus der Interpretation der Wortbestandteile »Güter-Trennung« ergibt – was mit dem tatsächlichen Rechtsbegriff wenig zu tun hat, und somit falsch ist.
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Nachfrage kommen, was denn darunter genau zu verstehen ist und dann wären sie möglicherweise blamiert. Genau dieser Effekt der schützenden Unkenntnis als Abwehrtaktik ist vermutlich in Bezug auf das Ehegattensplitting der Fall. Auch wissen 37 Prozent der Verheirateten nicht, was das Anfangsvermögen, 33 Prozent nicht, was der Zugewinnausgleich ist. Offenbar sind diese eherechtlich elementaren Kategorien, auch wenn sie medial gelegentlich immer wieder kolportiert werden, weiten Teilen der Bevölkerung und Betroffenen inhaltlich nicht bekannt.
Cum grano salis ist dieses Nichtwissen über elementare rechtlichen Aspekte einer Ehe bei Männern und Frauen in gleichem Maße ausgeprägt. Vor allem in der jüngeren Generation und Lebensphase – in der die meisten das erste Mal heiraten – haben sehr viele überhaupt keine Ahnung und Vorstellung über den rechtlichen Rahmen, der für ihre Ehe gilt. Dabei ist anzunehmen, dass dieser in der Befragung zutage gebrachte Befund in der Wirklichkeit noch einmal stärker ist: Das faktische Nichtwissen ist höher als das, was Menschen in einer Befragung angeben und zugeben.
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Kenntnis des eigenen Güterstands
Mangelndes Wissen wird häufig als Indikator für fehlendes Interesse an einer Thematik gedeutet. Die zuvor beschriebenen Einstellungen zur Ehe, zu den Motiven zu heiraten, zum Wissen und Informationsverhalten vor und während der Ehe signalisieren, dass dieser Schluss hier zu kurz greift. Sich nicht aktiv zu informieren, zentrale Passagen in Informationsbroschüren zu überlesen oder zu ignorieren, Erklärungen des Standesbeamten oder Notars einfach wieder zu vergessen, gründet in einem (kulturell) tief verwurzelten Grundvertrauen, dass mit der staatlich eingerichteten und geschützten Institution der Ehe »alles« mit rechten Dingen zugeht und der Staat ein verlässliches Instrumentarium installiert hat, das jeden Einzelnen und jede Einzelne schützt, falls die Ehe doch scheitern sollte. Wie stark dieses Bewusstsein in den Köpfen der Verheirateten verankert ist und dass es dabei zu erheblichen Irrtümern kommt, die in jenem weltanschaulichen, moralischen und politischen Grundvertrauen gründen, soll im Folgenden in mehreren Schritten veranschaulicht werden. Betrachten wir hierzu zunächst alle Verheirateten: Auf die Frage, welcher Güterstand für sie gilt, geben von den Verheirateten 78 Prozent den gesetzlichen Güterstand an. 18 Prozent sagen, dass sie einen anderen Güterstand haben und 4 Prozent, dass sie ihren eigenen rechtlichen Güterstand nicht kennen. Bei Verheirateten unter 30 Jahren kennen 14 Prozent ihren eigenen eherechtlichen
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Güterstand nicht. Dieser Mangel an Wissen über ihre rechtliche Situation (den angestrebten Rahmen) gerade in der jungen Generation der »frisch Verheirateten« ist erheblich. Doch auch die 78 Prozent derer, die den gesetzlichen Güterstand angeben, sind nicht wirklich informiert über die Inhalte der geltenden Regeln. Denn das Nichtwissen über das, was ein gesetzlicher Güterstand überhaupt ist, ist weit größer. Nur 28 Prozent der Verheirateten geben an, dass sie den Begriff »gesetzlicher Güterstand« kennen und wissen, was er bedeutet. 36 Prozent der Verheirateten sagen, dass sie ein »ungefähres« Wissen dazu haben. Aber 17 Prozent sagen, dass sie den Begriff zwar schon mal gehört haben, aber überhaupt nicht wissen, was ein gesetzlicher Güterstand ist. Und 19 Prozent der Verheirateten haben den Begriff »gesetzlicher Güterstand« noch nie gehört. Besonders ausgeprägt ist die Unkenntnis über diese entscheidende Dimension einer Ehe in der Generation der Verheirateten unter 30 Jahren: 55 Prozent haben den Begriff entweder noch nie gehört oder wissen überhaupt nicht, was er bedeutet. Insofern haben wir es bei der Frage nach dem eigenen Güterstand mit einem Reflex zu tun: Viele wissen ihn nicht und geben daher den »gesetzlichen« an. Bei mehr als 75 Prozent der über 30-Jährigen gilt also – nach Selbstauskunft – der gesetzliche Güterstand; doch in der jüngeren Generation nur noch bei 66 Prozent. Das ist ein signifikant geringerer Wert. Wie auch in den älteren Generationen sagt hier nur etwa jeder Fünfte, dass er einen anderen Güterstand hat. 12 Prozent wissen schlicht nicht, ob bei ihnen der gesetzliche Güterstand gilt. Hier zeigt sich ein Generationentrend: Bei den 40- bis 49-Jährigen wussten dies nur 3 Prozent nicht, bei den 30- bis 39-Jährigen bereits 6 Prozent. In der jungen Generation der unter 30-Jährigen hat sich dieser Anteil erneut verdoppelt. »Falsche« Vorstellungen vom gesetzlichen Güterstand: Noch entscheidender als die Kenntnis der güterrechtlichen Fachbegriffe ist das Wissen um konkrete Bedeutung und Sachverhalt – insbesondere wenn man bereits verheiratet ist und sich des Güterstands bewusst zu sein meint. Insofern lohnt ein Blick auf die Gruppe derjenigen, die in einer Zugewinngemeinschaft leben bzw. diese wählen wollen – und ihre güterrechtlichen Irrtümer : – 89 Prozent glauben, dass alles, was während einer Ehe erworben wird, beiden Partnern gleichermaßen gehört (93 Prozent der Frauen; 87 Prozent der Männer). – 65 Prozent vermuten, dass das gesamte Vermögen »per se« beiden Partner gemeinsam gehört (69 Prozent der Frauen; 62 Prozent der Männer). Im Vergleich zu Männern sind diese Fehleinschätzungen (und damit Erwartungen an den gesetzlichen Güterstand) signifikant häufiger bei Frauen vorhanden und etabliert. Mit zunehmendem Lebensalter (Generationeneffekt) und
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mit zunehmender Ehedauer (Lebensverlaufseffekt) werden diese falschen Vorstellungen – psychologisch verständlich – weiter getragen, kultiviert und verfestigt: – 98 Prozent der Frauen in einer mehr als 20-jährigen Ehe glauben, dass alles, was in ihrer Ehe erworben wurde und wird, ihnen und ihrem Ehemann gleichermaßen gehört: Häufig sind dies Frauen mit traditioneller Rollenteilung und geringer Erwerbstätigkeit. – 77 Prozent der Frauen in einer seit mehr als zehn Jahren bestehenden Ehe gehen davon aus, dass das gesamte Vermögen beiden Partnern gemeinsam gehört. Verheiratete im gesetzlichen Güterstand gehen mehrheitlich davon aus, in einer »Gütergemeinschaft« zu leben. Welche ökonomischen Konsequenzen stellen sich Verheiratete im gesetzlichen Güterstand, die den vorher genannten Irrtümern aufsitzen, für den Fall einer Scheidung vor? 47 Prozent gehen davon aus, dass es ihrem Partner finanziell genauso gut gehen wird, wie ihnen selbst. Vor allem 18- bis 29-Jährige haben 71 Prozent diese »egalitäre Konsequenzlogik«. Allerdings nimmt die Zuversicht der Ausgeglichenheit mit der Kinderzahl rapide ab: Vor dem ersten Kind haben noch 72 Prozent dieser Gruppe jene Auffassung; bei Familien mit drei und mehr Kindern so sinkt der Glaube daran auf fast die Hälfte: auf 38 Prozent.
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Verantwortung nach Partnerschaft und Ehe
Die Menschen im Alter zwischen 18 und 60 Jahren wurden gefragt, ob man auch nach einer Par t ner sch af t für seinen Ex-Partner eine gewisse Verantwortung trägt. Dem stimmen 21 Prozent voll zu; weitere 32 Prozent sagen »eher ja«. Insgesamt also eine Zustimmung von 53 Prozent: Geschlechtsspezifisch sind 58 Prozent der Männer und 48 Prozent der Frauen dieser Auffassung. Das heißt umgekehrt, dass 42 Prozent der Männer und 52 Prozent der Frauen die Einstellung haben, nach dem möglichen Ende einer Partnerschaft sei die Verantwortung füreinander vollständig aufgelöst und es bestünden keine wechselseitigen Verpflichtungen und Zuständigkeiten mehr. Besonders ausgeprägt ist dies in der jüngeren Generation (v. a. bei Verheirateten unter 29 Jahren) sowie bei jungen Frauen. Wichtig bei der Beantwortung dieser Frage ist natürlich, ob die Menschen verheiratet sind oder nicht. Jene, die nicht verheiratet sind, stimmen nur zu 18 Prozent einer postpartnerschaftlichen Verantwortung »voll« zu, weitere 30 Prozent stimmen »eher« zu (insgesamt 48 Prozent). Jene, die verheiratet sind, stimmen stärker zu: 24 Prozent »voll und ganz«, 35 Prozent »eher« (insgesamt 59 Prozent). Auch hier zeigen Männer (66 Prozent) ein deutlich stärkeres posteheliches Verantwortungsbewusstsein für ihre Partnerin als umgekehrt die Frauen (52 Prozent) für ihren Partner. D as b edeu tet , dass 48 Prozent der verheirateten Frauen und 34 Proz ent de r ve rheirateten M ä nner n nicht der Auffassung und nicht gew illt sind, im Fall einer Scheidu ng f ü r ihre n Par t ner weiterhin eine gew isse Verantwor t ung zu ü b e r n ehmen. Nach idealistischen, »strengeren« und im aktuellen Ehegüterrecht wohl auch implizierten Maßstäben wäre zu erwarten, dass nahezu alle Verheirateten voll und ganz der Aussage zustimmen, dass es Gründe gibt, auch nach einer Partnerschaft für den Ex-Partner eine gewisse Verantwortung zu tragen. Vor diesem Horizont fallen die Befunde noch drastischer aus, denn 76 Prozent der aktuell Verheirateten stimmen jener Aussage einer postehelichen Verantwortung nicht voll und ganz zu (72 Prozent der verheirateten Frauen, 79 Prozent der verheirateten Männer). Signifikant ist die große Kluft zwischen jüngeren und älteren Verheirateten: Nur 35 Prozent der Verheirateten im Alter 18 bis 29 Jahre sehen Gründe, auch nach der Partnerschaft noch eine gewisse Verantwortung für den Ex-Partner zu übernehmen – das bedeutet: 65 Prozent lehnen dies ab bzw. sehen dazu keine Gründe. Von den Verheirateten im Alter 50 bis 60 Jahre sehen und akzeptieren 67 Prozent solche Gründe – hier lehnen »nur« 33 Prozent eine posteheliche Verantwortlichkeit ab.
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Carsten Wippermann
Partnerschaft und Ehe im Lebensverlauf
6.
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Zentrale Befunde
Entscheidungen rund um »Partnerschaft & Ehe« sind von weichenstellender Bedeutung für die Lebensläufe von Frauen und Männern. Sie sind geprägt von Wünschen und Idealen, die sich aber in der Realität des Lebenslaufs zum Teil nicht umsetzen lassen oder anders darstellen. Die Menschen haben hohe Erwartungen an die »Institution Ehe« bei gleichzeitig geringem Kenntnisstand bezüglich der tatsächlichen rechtlichen Implikationen. Der Wunsch nach einer Partnerschaft, die ein Leben lang hält, ist groß; der Glaube, dass dies heute in Ehe gelingt, ist jedoch deutlich schwächer. Heiraten ist für die Frauen und Männer keine Selbstverständlichkeit, sondern eine bewusste Entscheidung, die aufgrund unterschiedlicher Motive getroffen wird. Das wichtigste Motiv für die Ehe ist für Frauen und Männer, ihrer Partnerschaft einen festen, verbindlichen, rechtlichen Rahmen zu geben. Allerdings wissen die Verheirateten sowie jene, die zu heiraten planen, meistens nicht, inwiefern sich ihre ökonomisch-rechtliche Situation durch die Eheschließung verändert: – Elementare Begriffe im Kontext des Ehegüterrechts sind für einen großen Teil gänzlich unbekannt. – Die meisten gehen davon aus, dass gesetzlicher Güterstand bedeutet, dass das ganze Vermögen irgendwie »beiden gemeinsam« gehört.
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Carsten Wippermann
93 Prozent der Verheirateten haben keine zusätzlichen ehevertraglichen Vereinbarungen getroffen. In der jüngeren Generation der unter 30-Jährigen gibt es sogar nur vereinzelte Ausnahmen, die zusätzliche Vereinbarungen getroffen haben. Das hat vor allem zwei Gründe: – Man sieht keine Notwendigkeit für eine weitere vertragliche Regelung. – Man kennt die Themen und Aspekte, Varianten und Optionen dessen nicht, was vertraglich geregelt werden könnte. Das Wissen ist so gering, dass viele nicht einmal die Fragen danach stellen können und nicht wissen, an wen sie sich hier wenden könnten. Gleichzeitig gehen die Menschen davon aus, dass der Staat mit der Institution Ehe bereits einen fertigen Rahmen geschaffen hat, der es für Frauen und Männer gerecht regelt. Zusätzlich individuelle Regelungen zu treffen, würde ja implizieren, dass der vom Staat gesetzte Rahmen unvollständig oder brüchig ist.
Gerd Brudermüller
Schlussfolgerungen für Änderungen im Güterrecht
Welche Schlussfolgerungen für einen Handlungsbedarf im Güterrecht ergeben sich aus den empirischen Befunden, die ich mit Blick auf ein partnerschaftliches Güterrecht zusammenfasse und auf Kernaussagen fokussiere? Fast 90 Prozent derer, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, glauben fälschlicherweise, dass alles, was während einer Ehe erworben wird, beiden Partnern gleichermaßen gehört. Verheiratete gehen in der Regel davon aus, dass sie in einer Art Gütergemeinschaft leben. Gleichberechtigte Teilhabe während bestehender Ehe erfährt als Partnerschaftskonzept hohe Zustimmung, nacheheliche Solidarität für während der Ehe entstandene Nachteile hingegen wird in weiten Teilen der Bevölkerung kritisch gesehen. In der Ehe sind Solidarität und Verantwortungsbereitschaft füreinander durchaus groß. Die Bereitschaft, auch nach dem Scheitern der Partnerschaft für die Expartnerin oder den Expartner eine gewisse Verantwortung zu tragen, etwa weil sie oder er während der Partnerschaft in verschiedener Hinsicht zurückgesteckt hat, ist aber sehr gering. Was ist nun aus diesem klaren empirischen Befund für das Recht zu folgern? Es gilt, das gemeinschaftlich-partnerschaftliche Element schon während der Ehe zu stärken, da zu dieser Zeit das Bewusstsein wechselseitiger Verantwortung virulent ist und im Fall des Scheiterns der Ehe die Bereitschaft, weiterhin Verantwortung für den anderen zu tragen, drastisch abnimmt. Daher muss optional ein Güterrechtsmodell zur Verfügung gestellt werden, das dem partnerschaftlichen Leitbild der Ehe entspricht und es rechtlich abbildet. Welche Konzeption eines Güterstands würde den Vorstellungen der Bürger entsprechen? Entgegen den Erwartungen der meisten Menschen, die im gesetzlichen ehelichen Güterstand leben, besteht in der Ehe, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde, gerade keine rechtliche Gemeinschaft oder Teilhabe und auch kein Mitentscheidungsrecht in Bezug auf die Verwendung von Einkünften des anderen Ehepartners; denn der gesetzliche Güterstand in Deutschland ist eben nicht durch Gütergemeinschaft während der Ehe, sondern durch Gütertrennung gekennzeichnet. Der Begriff Zugewinngemeinschaft as-
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Gerd Brudermüller
soziiert zwar Gemeinschaft, aber dieser Schein trügt: Zugewinngemeinschaft bedeutet nicht etwa Gemeinschaft, sondern Trennung der Güter und Befugnisse der Ehepartner. Jeder verwaltet sein Vermögen selbst. Weder während noch mit der Scheidung entsteht eine dingliche Gemeinschaft. Der (von Frankreich noch nicht ratifizierte) deutsch-französische WahlGüterstand der Zugewinngemeinschaft behält diese Kernstruktur, insbesondere die Gütertrennung während bestehender Ehe, bei – ist also kein neues Konzept. Er ist keine grundsätzliche Alternative zu dem im geltenden gesetzlichen Güterstand verwirklichten Güterrechtsmodell und behebt auch nicht die Defizite des geltenden deutschen Güterrechts. Naheliegend ist vielmehr die Konzeption der Gütergemeinschaft, da sie das partnerschaftliche Modell abbildet. Die Nachteile der Gütergemeinschaft, wie sie im BGB seit 1900 mit einer aus heutiger Sicht unverhältnismäßig großen Zahl von Normen geregelt ist, liegen aber auf der Hand: Die bestehende Mithaftung auch für voreheliche Schulden, sogar aus Delikt, ist geradezu anachronistisch. Gilt mangels abweichender Vereinbarung die gemeinschaftliche Verwaltung, besteht ein Zwang zur Einigung, der Güterstand kann also sehr »schwerfällig« sein. Es verwundert daher nicht, dass die Gütergemeinschaft nach geltendem Recht in der Praxis überhaupt keine Relevanz hat. Das geltende Recht zum Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft wäre nur dann eine ernstzunehmende Alternative zu einem gesetzlich geregelten Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft, wenn entsprechende vertragliche Modifikationen dispositiver gesetzlicher Regelungen zur Gütergemeinschaft auf ein überschaubares Maß beschränkt bleiben könnten, was aber nicht der Fall ist. Die Vertragsschließenden müssten nämlich derart viele dispositive Regelungen zur Vermögensteilhabe und zur Verwaltung modifizieren, dass schon deshalb die Gütergemeinschaft geltenden Rechts keine praktikable güterrechtliche Alternative zur Zugewinngemeinschaft darstellt. Eine diametral andere Lösung ist die Gütertrennung: Bei der Gütertrennung sind die Ehepartner – im Gegensatz zur Gütergemeinschaft – am Vermögenserwerb des anderen nicht beteiligt. Ein Vorteil dieses Güterstands liegt in seiner rechtlichen Klarheit und Einfachheit, die sich auch in der Tatsache dokumentiert, dass er in einer einzigen Vorschrift, nämlich in § 1414 BGB, geregelt ist. Zu seiner Wahl neigen Eheleute, die beide vermögend oder berufstätig sind. Die Gütertrennung ist für eine bestimmte ökonomische Konstellation durchaus geeignet und findet sich in der Praxis verbreitet in der gehobenen Mittelschicht und der Oberschicht. Zu den eindeutigen Defiziten der Gütertrennung gehört indes, dass sie eine unangemessene Benachteiligung jenes Ehepartners zur Folge haben kann, der aufgrund von Familienarbeit keinen oder nur geringen Vermögenszuwachs zu erwarten hat. Durch das Fehlen jeglicher Beteiligung an dem in der Ehe er-
Schlussfolgerungen für Änderungen im Güterrecht
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wirtschafteten Zugewinn wird der in der Hausarbeit und in der Pflege oder Erziehung von Kindern liegende Wert völlig vernachlässigt und letztlich ignoriert. Dieses gravierende Manko der Gütertrennung zeigt sich prinzipiell auch in der Zugewinngemeinschaft, denn der späte Zeitpunkt güterrechtlicher Teilhabe im gesetzlichen Güterstand ist von erheblichem Risiko für denjenigen Partner, der allein oder ganz überwiegend die Familienarbeit übernommen hat (das ist meist immer noch die Ehefrau). Die Konsequenzen des von Gesetzes wegen übernommenen Güterstands – auch wenn diese nicht notwendigerweise jedem bewusst sind – treten häufig erst im Zeitpunkt der Scheidung zu Tage. Erst bei Beendigung des Güterstands erfolgt bei der Zugewinngemeinschaft eine Teilhabe an den Wertzuwächsen im Vermögen des anderen. Hinzu kommt das weitgehende Fehlen einer wechselseitigen Entscheidungsteilhabe während der Dauer des Güterstands. Es muss deshalb ein Wahlgüterstand zur Verfügung gestellt werden, der die Gleichwertigkeit der Ehebeiträge durch eine dingliche Teilhabe des nicht oder nur eingeschränkt erwerbstätigen Ehepartners am Vermögenserwerb des anderen bereits während der Ehe anerkennt. Dem Selbstverständnis der Ehepartner gemäß sollte das Güterrecht ihnen zumindest die Option für eine dingliche Teilhabe während der Ehe bereitstellen und bereits zu einem früheren Zeitpunkt – wenn die Bereitschaft für Verantwortung in Form eines Anspruchs auf Ausgleich von Risiken generell noch vorhanden ist – mit Blick auf einen Schutz des ökonomisch schwächeren und potenziell bedürftigen Partners für einen fairen Ausgleich sorgen. Neben dem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft sollte daher als Ersatz für die angestaubte Gütergemeinschaft des BGB von 1900 optional ein konkurrierendes neues güterrechtliches Modell angeboten werden, das dem gemeinschaftlichen Element bei bestehender Ehe stärker Rechnung trägt, Anreize für einen Risikoausgleich bereits während der Ehe schafft und den Ausgleich nicht erst nach Auflösung der Ehe vorsieht; denn wenn ein nachehelicher Ausgleich nicht stattfindet, ist es für einen rechtzeitigen Risikoschutz meist zu spät. In Betracht käme eine Regelung nach der Grundstruktur der Errungenschaftsgemeinschaft, wie sie in Europa, allerdings in verschiedenen Ausgestaltungen, weit verbreitet ist. Der Prototyp der Errungenschaftsgemeinschaft beruht – wie auch die Zugewinngemeinschaft – auf dem Gedanken, dass nur das Vermögen geteilt werden soll, zu dessen Erwerb beide Ehepartner unmittelbar oder mittelbar beigetragen haben. Nach Maßgabe einer Errungenschaftsgemeinschaft fallen daher aber nicht nur (entsprechend dem Zugewinnausgleich) das Anfangsvermögen und das durch Schenkung oder Erbschaft erworbene Vermögen in das Eigengut eines Ehepartners, sondern auch Schadensersatz,
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Gerd Brudermüller
Schmerzensgeld oder Wertsteigerungen von Grundstücken. Die Errungenschaftsgemeinschaft entspricht damit zugleich jenen Forderungen zur Erweiterung des privilegierten Erwerbs, wie sie in Deutschland derzeit – zu recht – nachdrücklich erhoben werden. Die Errungenschaftsgemeinschaft kann mit einer individualistischen Eheauffassung durchaus harmonieren, da bei der Verwaltung des vorehelichen Vermögens dem anderen Ehepartner kein Mitspracherecht zusteht. Das Gesamtgut, d. h. das gemeinsam erworbene Vermögen, verwalten die Ehepartner freilich gemeinschaftlich, wobei »gemeinschaftliche Verwaltung« bei der Errungenschaftsgemeinschaft neuen Typs keineswegs bedeutet, dass die Ehepartner – wie bei der deutschen Gütergemeinschaft – bei jeder Verwaltungsmaßnahme zusammenwirken müssen. Im Fall der Scheidung behält jeder Ehepartner sein Eigengut, nur das Gesamtgut wird geteilt. Im Grunde handelt es sich also um das gleiche Prinzip wie bei der Zugewinngemeinschaft. Die Ermittlung des Zugewinns kann aber mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein. Auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft kann die Teilung nicht immer ohne jede Berechnung erfolgen, etwa wenn bei der Auseinandersetzung Wertausgleichansprüche erhoben werden. Auch können sich bei der Errungenschaftsgemeinschaft Haftungsfragen stellen, die in einer Zugewinngemeinschaft so nicht auftreten, aber – wie Frau Dauner-Lieb als Zwischenergebnis unserer Überlegungen zeigen wird – lösbar sind. Die Problemlage ist jedoch eine andere und die Ehepartner sollen entscheiden können, welches güterrechtliche Modell für sie – auch im Streitfall – besser handhabbar sein dürfte. Die Ehepartner sollen den für sie passenden »rechtlichen Rahmen« selbst wählen können und dafür brauchen sie eine echte Wahlmöglichkeit zwischen den beiden wichtigsten Regelungsmodellen, die den europäischen Rechtskreis geprägt haben. Der Gesetzgeber sollte daher diese zwei unterschiedliche Grundtypen von Güterrechtsmodellen anbieten: den bestehenden gesetzlichen Güterstand der »Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns« (wie er zutreffend noch im Regierungsentwurf I von 1952 hieß) und einen künftigen Wahlgüterstand nach dem Muster einer Gütergemeinschaft, man mag ihn Errungenschaftsgemeinschaft nennen. Beide Güterrechtstypen müssten allerdings so aufeinander abgestimmt sein, dass sie eine echte güterrechtliche Option zwischen den konkurrierenden Modellen partieller Teilhabe am Vermögen des anderen Partners ermöglichen. Das gilt auch für die steuerrechtlichen Aspekte der Güterrechtswahl. Der neue Wahlgüterstand der sogenannten Errungenschaftsgemeinschaft wäre mit Blick auf längerfristige Allein- oder Hauptverdienerehen eine nicht nur sinnvolle, sondern – wie ich meine – gebotene Ergänzung des deutschen Gü-
Schlussfolgerungen für Änderungen im Güterrecht
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terrechts. Ein solches Güterrechtsmodell kann auch mit dem Grundsatz des selbstverantwortlichen Handelns in Übereinstimmung gebracht werden, indem jedem Güterstandsbeteiligten durch das – mit einer individualistischen Eheauffassung harmonisierenden – Prinzip der konkurrierenden Gesamtgutsverwaltung ein Höchstmaß an verantwortungsrechtlicher Freiheit verbleibt und gleichzeitig die Haftung für ein Handeln des jeweils anderen auf das notwendige Maß beschränkt wird. Die Bedeutung des Güterrechts ist durch die Unterhaltsreform 2008 signifikant gestiegen. In dem Maße, wie die Eigenverantwortung im Unterhaltsrecht verstärkt wird und die unterhaltsrechtliche Versorgung nach einer Scheidung abnimmt, müssen – ähnlich wie bei kommunizierenden Röhren – die korrespondierenden Ausgleichssysteme (Güterrecht und Versorgungsausgleich) verstärkt Versorgungsfunktionen übernehmen. Das betrifft vor allem diejenigen Ehepartner, die wegen Übernahme von Kinderbetreuung und/oder Familienarbeit keiner Erwerbsarbeit nachgehen oder diese unterbrechen – das sind nach wie vor meist die Frauen. Insbesondere die dadurch fehlende Altersversorgung ist kaum nachzuholen. Daher wird auch das Güterrecht stärker als bisher Beachtung finden müssen, wenn es darum geht, die Konsequenzen einer asymmetrischen Rollenverteilung aufzufangen. Das muss im Übrigen auch bei der Bestimmung der Grenzen der Vertragsfreiheit bei Eheverträgen zum Güterrecht im Blick behalten werden. Um zu verhindern, dass die Ausgleichssysteme zum Nachteil Familienarbeit leistender Ehepartner in eine Schieflage geraten, müssen sie ausbalanciert und stimmig gemacht werden. Das gilt auch und gerade für das Güterrecht. Das Argument, es werde aus Kreisen der Bevölkerung kein Handlungsbedarf signalisiert, ist obsolet, denn mangels hinreichender Kenntnis der Rechtslage kommt ein solches güterrechtliches Petitum erst gar nicht auf. Vielmehr besteht nach allem ein – jedenfalls mittelfristiger – Handlungsbedarf für die Entwicklung eines Güterstands als echter Alternative zur Zugewinngemeinschaft, nämlich einer Form der (aus dem BGB bekannten) Gütergemeinschaft, die zeitgemäßen Ansprüchen genügt und auch in den europäischen Rahmen passt. Das wäre also kein »Dammbruch«, sondern nur eine Weiterentwicklung, die, wie die Studie belegt, die Vorstellungen der Bürger in einem Regelungsmodell widerspiegelt und den Ehepartnern den gewünschten rechtlichen Rahmen gibt.
*
Barbara Dauner-Lieb
Anforderungen an ein Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland – Thesen und offene Fragen
I.
Problemstellung
Die Bestandsaufnahme des Vormittags hat plastisch gemacht, warum es rechtspolitisch sinnvoll und vielleicht sogar notwendig ist, über die Schaffung eines weiteren Wahlgüterstandes in Form einer Errungenschaftsgemeinschaft nachzudenken: Weite Teile der Bevölkerung haben nur unklare und häufig unzutreffende Vorstellungen vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, man verkennt ihren Charakter als prinzipielle Gütertrennung und geht überwiegend diffus davon aus, dass das während der Ehe Hinzuerworbene im Regelfall beiden Ehepartnern zusteht, der gesetzliche Güterstand also eine errungenschaftliche Prägung hat. Dieser offensichtlich tief verwurzelten Vorstellung tragen viele europäische Länder dadurch Rechnung, dass sie eine Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand vorsehen. Der deutsche Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft der §§ 1415 ff. bietet keine tragfähige Alternative zur Zugewinngemeinschaft; er gilt zu recht als »totes Recht«; das kleinteilig ausgefeilte Regelungsmodell findet kaum noch praktische Anwendung; man kann diesen gemeinschaftsbezogenen Wahlgüterstand jungen Eheschließenden nicht guten Gewissens empfehlen. Als widerlegt anzusehen ist auch die immer wieder vorgebrachte These, dass Eheleute durch Modifikation der §§ 1415 ff. durch Ehevertrag einen passgenauen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft schaffen könnten. Schon angesichts dieses Befundes liegt die Schlussfolgerung nahe, vertieft über die Einführung eines weiteren Wahlgüterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft nachzudenken und dementsprechend die §§ 1415 bis 1518 durch ein modernes, gemeinschaftsbezogenes Güterstandsmodell zu ersetzen. Die Hemmschwelle, sich auf eine Diskussion über die Ergänzung des geltenden Güterrechts um einen weiteren Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft einzulassen, ist außerordentlich hoch. Dies gab den entschei* Für die kongenialen Zeichnungen danke ich Ruth Kleikamp und Dr. Anne Sanders.
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Barbara Dauner-Lieb
denden Anstoß für den provokanten Titel der Tagung »Wer Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft«. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist schwerfällig und kompliziert und wirft unlösbare Haftungsprobleme auf, lautet der beliebteste Einwand. Wir haben lange genug daran gearbeitet, die Probleme der Zugewinngemeinschaft zu lösen und endlich eine gewisse Konsolidierung erreicht, wir brauchen keine güterrechtliche Unruhe, könnte man die zweite Abwehrlinie auf den Punkt bringen. Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft enthält jedenfalls aus heutiger Sicht ausreichend Gemeinschaftselemente, der Trend geht doch ohnehin zur Doppelverdienerehe, dementsprechend werde Mein und Dein von den Eheleuten schärfer als in den vergangenen Jahrzehnten auseinandergehalten, lautet der zentrale rechtspolitische Einwand. Die folgenden Überlegungen zielen – dies ist bereits eine große Herausforderung – darauf ab, Vorurteile gegen die Errungenschaftsgemeinschaft zu erschüttern und eine gewisse Diskussionsbereitschaft zu wecken. Es wird kein ausgefeilter wissenschaftlicher Aufsatz zur idealen Konzeption einer Errungenschaftsgemeinschaft verlesen und auch kein detaillierter Gesetzentwurf vorgelegt. Entsprechende Versuche müssten schon an unserem begrenzten Zeitfenster scheitern. Für detaillierte Überlegungen und Entwürfe ist aber auch die Zeit noch gar nicht reif. Es kann zunächst nur darum gehen, die maßgeblichen Fragen zu stellen und Optionen für Antworten aufzuzeigen. Die beiden Kernthesen dieses Beitrags sollen allen weiteren Überlegungen vorangestellt werden: Die erste These lautet, dass die Zugewinngemeinschaft jedenfalls in der Einverdienerehe zu einer bisher nicht ausreichend wahrgenommenen, massiven Gerechtigkeitslücke zulasten des nicht erwerbstätigen Ehepartners führt, die mit der Formulierung von Anne Röthel plastisch als »dingliches Gefälle« gekennzeichnet wird. Die zweite These lautet, dass ein moderner, attraktiver, praktisch handhabbarer Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft rechtstechnisch »machbar« ist; für eine vorauseilende Kapitulation vor tatsächlichen und vermeintlichen Konstruktionsschwierigkeiten ist schon angesichts der Erfolgsgeschichte der Errungenschaft in vielen anderen europäischen Ländern kein Anlass.
II.
Vorüberlegungen
1.
Ausgangspunkt: Die Ehe als rechtsgeschäftsferner Raum
Jedes Nachdenken über die Gestaltung eines zeitgemäßen und gerechten Güterrechts muss sich der Herausforderung stellen, dass die Ehe ein rechtsgeschäftsferner Raum ist, auf die man nicht ohne Weiteres die am Marktgeschehen orientierten Regelungsmodelle der Austauschverträge übertragen kann. Man
Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft
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kann und soll nicht erwarten, dass jeder Ehepartner bei der Eheschließung und während der Ehe seine Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der Gewinnoptimierung oder auch nur des Selbstschutzes zweckrational reflektiert und seine Interessen zielstrebig verfolgt und durchsetzt. In der funktionierenden Ehe reflektieren durchschnittliche Ehepartner ihr Verhalten nicht permanent im Hinblick auf finanzielle Konsequenzen insbesondere für den unerwünschten und für ganz unwahrscheinlich gehaltenen Fall eines Scheiterns der Ehe; Mein und Dein werden nicht mehr klar auseinandergehalten. Die Mutter, die nach der Geburt des zweiten Kindes beruflich zurücksteckt, fordert nicht einen das neue gesetzliche Unterhaltsrecht zu ihren Gunsten abändernden Ehevertrag. Man steht füreinander ein, ohne den Wert der gegenseitigen Unterstützung in betriebswirtschaftlichen Kennziffern festzuhalten. Das ist gut so, für die individuelle Familie und die gesamte Gesellschaft. Dieser Ausgangsbefund ist aber freilich auch die Hauptursache dafür, dass das gesetzliche Güterrecht immer wieder an Grenzen stößt und die Rechtsprechung um das gesetzliche Güterrecht längst die richterrechtlichen Bypässe des Nebengüterrechts gelegt hat, dessen rechtsgeschäftliche Ansätze aus den oben skizzierten Gründen durchweg fiktiv bleiben. Ehen werden im Himmel geschlossen und auf Erden von Juristen geschieden.
Diese Zusammenhänge müssen bei der Entwicklung einer modernen Errungenschaftsgemeinschaft von vornherein berücksichtigt werden. Es müsste ein verlässlicher und auch für Laien transparenter Rahmen konstruiert werden, der im Regelfall zu den Ergebnissen führt, die die Partner bei ausreichendem Problembewusstsein und Problemlösungswillen in fairen Entscheidungen selbst getroffen hätten. Die heute Morgen vorgestellten empirischen Studien zeigen, dass sich die Ehepartner einen solchen sie selbst entlastenden fairen gesellschaftlichen Rahmen wünschen und schon derzeit überwiegend darauf vertrauen, dass die Rechtsordnung einen solchen (gemeinschaftsbezogenen) Rahmen bereitstellt.
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Barbara Dauner-Lieb
Konstruktion und Wertung oder Rechtstechnik und Gerechtigkeit
Juristen neigen häufig dazu, juristische Probleme zu überschätzen ; so liegt auch der Schwerpunkt der Diskussion über die Errungenschaftsgemeinschaft auf der Rechtstechnik. Dementsprechend wurde von einem hochrangigen und sehr kritischen Teilnehmer dieser Tagung schon gefordert, doch endlich die tatsächlichen oder vermeintlichen Defizite der §§ 1415 ff. abzuarbeiten und konkrete Gegenvorschläge zu den gesetzlichen Einzelregelungen zu machen; eingefordert wird eine Detaildiskussion über Gesamthand, Sondervermögen, Haftung, Haftungsbeschränkung und Surrogation. Das alles ist wichtig, aber nachrangig. Zunächst einmal müssen die tragenden Wertungen und Maßstäbe für eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft klar herausgearbeitet werden. Definiert werden muss der wesentliche Inhalt des gesetzlichen Rahmens, den man den künftigen Ehepartnern zur Wahl stellen will. Besteht insoweit Klarheit, ist die Prognose erlaubt, dass sich auch tragfähige juristische Konstruktionen finden lassen. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass juristische Probleme sehr häufig nicht aus unzureichender Rechtstechnik entstehen, sondern aus widersprüchlichen, nicht ausreichend systematisch durchleuchteten Wertungen. Im Übrigen sind die deutschen Juristen mit den Gesamthandsgemeinschaften, dem Testamentsvollstrecker und der beschränkten Erbenhaftung fertig geworden, es ist daher kaum zu befürchten, dass sie vor der Errungenschaftsgemeinschaft scheitern könnten. Dies soll freilich nicht heißen, dass sich eine Errungenschaftsgemeinschaft so perfekt spannungsfrei und für alle denkbaren Problemlagen passgenau konstruieren ließe, dass man zu ihrer Handhabung keine Juristen mehr benötigen würde. Entsprechende Erwartungen waren und sind für jedes komplexe juristische Problemfeld eine Illusion. Niemand konnte wirklich hoffen, dass man nach der Schuldrechtsreform das BGB als Bürger in der Straßenbahn lesen könnte, um sich über seine Rechte als Mieter zu informieren. Im Übrigen wird letztlich wohl auch nicht ernsthaft bestritten, dass auch die Zugewinngemeinschaft Brüche und Probleme aufweist, die bis heute nicht befriedigend gelöst werden konnten. Sie hat nur eben den Vorteil, dass man die Untiefen und Schwierigkeiten kennt und weiß, wie die Rechtsprechung damit umgeht; auch hier ist man aber bekanntlich vor Überraschungen seitens der Rechtsprechung nicht sicher. Letztlich ist zu vermuten, dass jeder Güterstand bestimmte heikle Probleme aufwirft, nur eben an unterschiedlichen rechtstechnischen Stellschrauben. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, sich in der Diskussion zunächst einmal auf die grundlegenden Wertungsfragen zu konzentrieren. Es wird sich zeigen, dass es insoweit zwischen Zugewinn und Errungenschaftsgemein-
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schaft im Ergebnis nicht viele Unterschiede gibt, diese Unterschiede sind jedoch gewichtig und rechtspolitisch brisant.
3.
Zugewinngemeinschaft und Errungenschaftsgemeinschaft: das dingliche Gefälle
Der Unterschied zwischen Zugewinngemeinschaft und einem Modell der Errungenschaftsgemeinschaft wird häufig dahingehend knapp gekennzeichnet, dass ein Ausgleich des in der Ehe (gemeinsam) Erwirtschafteten in der Zugewinngemeinschaft »erst« bei Beendigung der Ehe erfolge. Dass diese Reduktion auf die zeitliche Verschiebung des Ausgleichs eine gefährliche Verharmlosung ist, zeigt sich erst, wenn man einen genaueren Blick auf die Konsequenzen dieses Modells für die Ehezeit wirft.
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Barbara Dauner-Lieb
Zu Beginn der Ehe »besitzen« (untechnisch formuliert) beide Ehegatten ihr Anfangsvermögen, das freilich in vielen jungen Ehen bestenfalls gering sein wird. In der Einverdienerehe erhöht sich einseitig die Vermögensposition des erwerbstätigen Ehegatten. Der andere Ehegatte bleibt während der Ehezeit auf seinem Anfangsvermögen »sitzen«. Die vom Bundesverfassungsgericht postulierte Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit, die regelmäßig auch der Vorstellung der Ehegatten entsprechen wird, die sich für ein arbeitsteiliges Ehemodell entschieden haben, findet im Vermögen der Ehegatten nicht den geringsten Niederschlag. Die Familienarbeit bleibt vermögensmäßig »wertlos«, der nicht erwerbstätige, Familienarbeit leistende Ehegatte bekommt außer Unterhalt und Taschengeld bis zum Ende der Ehe im schlimmsten Fall nichts. Mögen die Ehegatten sich am Anfang der Ehe auf Augenhöhe gegenüber gestanden (oder – um im Bild zu bleiben – gesessen) haben, mit der Zeit gewinnt der erwerbstätige Ehegatte die »Lufthoheit«. Er kann sämtliche während der Ehe erwirtschafteten Vermögenswerte für eigene Projekte investieren, ein Unternehmen gründen, einen teuren MBA absolvieren, kostspielige Hobbys pflegen, zur Not eben auch ohne Einverständnis des anderen Ehepartners. Der nicht erwerbstätige Ehepartner kann dies nicht, er hat, wenn es hart auf hart kommt, nicht einmal eigenes Geld für eine berufliche Weiterbildung, die ihm beim Scheitern der Ehe die finanzielle Unabhängigkeit und Verantwortungsfähigkeit geben würde, die ihm das neue Unterhaltsrecht sehr bald nach der Scheidung abverlangt. Dieses »dingliche Gefälle« (Anne Röthel) führt nicht nur zu einer Benachteiligung des nicht erwerbstätigen Ehegatten, sondern außerdem – und dies ist bisher kaum thematisiert worden – zu einer systemwidrigen Bevorzugung der Gläubiger des erwerbstätigen Ehegatten. Ihnen stehen sein Anfangsvermögen und alles in der Ehe erwirtschaftete Vermögen zur Verfügung, während die Gläubiger des nicht erwerbstätigen Ehegatten auf dessen Anfangsvermögen beschränkt bleiben, auch wenn ihr Schuldner durch seine Familienarbeit zur
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Wertschöpfung beigetragen hat, die rechtstechnisch nur eben ausschließlich im Vermögen des anderen Ehegatten anfällt. Kennzeichnend für die Errungenschaftsgemeinschaft ist demgegenüber, dass die Ehepartner während der Ehe im Hinblick auf das in dieser Zeit erwirtschaftete Vermögen auf Augenhöhe bleiben, selbst wenn die Anfangsvermögen unterschiedlich gewesen sein mögen. Die Familienarbeit schlägt sich sofort vermögensmäßig nieder und nicht erst bei Ende der Ehe.
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Barbara Dauner-Lieb
Schon diese knappe Skizze macht augenfällig, worin sich Zugewinngemeinschaft und Errungenschaftsgemeinschaft im sachlichen Kern wirklich unterscheiden. Es geht letztlich um die Gretchenfrage, wie man es mit dem Postulat der Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit hält. Die Zugewinnsgemeinschaft beruht zwar auch auf der Prämisse, dass beide Ehegatten in ihrer jeweiligen Rolle gleichmäßig zur erfolgten Wertschöpfung beigetragen haben. Sie bleibt aber auf halbem Wege stehen, denn realisiert wird diese Bewertung der Familienarbeit erst am Ende der Ehe, während der Ehe bleibt die Familienarbeit materiell »wertlos«. Dagegen macht die Errungenschaftsgemeinschaft von Anfang an mit der Gleichwertigkeit der Beiträge der Ehegatten ernst, schon während der Ehe hat die Familienarbeit nicht nur ideelle Bedeutung, sondern erhält auch vermögensmäßig Würde und Anerkennung.
III.
Grundlegende Zielstellungen einer modernen Errungenschaftsgemeinschaft
1.
Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit
Der entscheidende Unterschied zwischen Zugewinngemeinschaft und Errungenschaftsgemeinschaft liegt also darin, dass die Familienarbeit in der Zugewinngemeinschaft während der Ehe ökonomisch wertlos bleibt, während in der Errungenschaftsgemeinschaft alle Beiträge zur ehebedingten Wertschöpfung schon während der Ehe auch materiell als gleichwertig behandelt werden. An-
Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft
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gesichts dieser Zuspitzung erscheint es schockierend, dass das deutsche Familienrecht dem Ehegatten bisher keinen Güterstand anbietet, der Erwerbs- und Familienarbeit von Anfang bis zum Ende der Ehe als »gleichwertig« berücksichtigt, wohl aber – unter der Flagge der Privatautonomie – eine Gütertrennung kraft Ehevertrag zulässt, die der Familienarbeit von vornherein jeden wirtschaftlichen Wert nimmt.
Dies gilt umso mehr, als die meisten Eheschließenden – wie die heute Morgen vorgestellte empirische Studie belegt hat – ohnehin davon ausgehen, dass sie während der Ehe in einem »gemeinschaftsbezogenen« Güterstand leben und dies auch begrüßen, weil sie während der Ehe füreinander Verantwortung übernehmen wollen. Das Nachdenken über die Einführung eines Wahlgüterstands einer Errungenschaftsgemeinschaft erscheint also gleichstellungspoli-
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Barbara Dauner-Lieb
tisch überfällig, gerade, wenn man das Postulat hochhält, dass es den Ehegatten freisteht, im Binnenraum ihrer Ehe und Familie die Aufgaben in eigener Verantwortung zu verteilen.
Diese Forderung kommt historisch zu spät, so lautet ein gewichtiger Einwand, die traditionelle Rollenverteilung in der Einverdienerehe ist auf dem Rückzug und wird zunehmend durch das Doppelverdienermodell abgelöst. Für eine güterrechtliche Anerkennung des (auch) materiellen Wertes der Familienarbeit während der Ehe besteht heute kein Bedürfnis mehr, anders vielleicht als bei Einführung der Zugewinngemeinschaft. Dieser Ansatz greift jedoch zu kurz: Zum einen ist das Alleinverdienermodell nach wie vor weit verbreitet, jedenfalls für die Ehephase, in der die Kinder noch klein sind; derzeit ist auch nicht zu erwarten, dass sich daran mittelfristig Entscheidendes ändert. Im Übrigen ist das »Gemeinschaftselement« einer Errungenschaftsgemeinschaft keineswegs überflüssig, wenn beide Ehepartner berufstätig sind. Auch in der Doppelverdienerehe werden typischerweise viele berufliche Entscheidungen mit gravierenden Konsequenzen für die einkommens- und Versorgungssituation der jeweiligen Ehegatten »ehebezogen« bzw. »gemeinschaftsbezogen« gefällt: Ein Ehepartner entscheidet sich für die Arbeit in einer Großkanzlei mit einer 60-Stunden-Woche, der andere Ehepartner wird Richter, weil auf diesem Weg für beide eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht wird; ein Ehepartner folgt dem anderen unter Hinnahme von beruflichen Nachteilen in eine Stadt. Ein Ehepartner steckt nach der Geburt von Kindern oder bei Pflegefällen in der Familie erst einmal beruflich zurück und ermöglicht damit dem anderen Ehepartner, sich auf sein berufliches Fortkommen zu konzentrieren. Eine Errungenschaftsgemeinschaft würde ein Modell bieten, in dem zunächst einmal alle »gemeinschaftsbezogenen« Beiträge der Ehegatten zur Wertschöpfung als gleichwertig behandelt würde, entsprechend würden die Ehegatten von rechtlichen und ökonomischen Überlegungen während der Ehe entlastet.
Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft
2.
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Ehebedingtheit des gemeinschaftlichen Vermögenserwerbs
Ist es das Ziel der Errungenschaftsgemeinschaft, die Gleichwertigkeit aller gemeinschaftsbezogenen Aktivitäten der Ehegatten schon während der Ehe vermögensrechtlich als gleichwertig abzubilden, dann folgt daraus, dass auch nur solche Wertschöpfungen in das gemeinschaftliche Vermögen der Ehegatten fallen dürfen, deren Ursachen im weitesten Sinne »gemeinschaftsbezogen« sind. Es muss also in einer modernen Errungenschaftsgemeinschaft drei Vermögensmassen geben, das Gesamtgut und das Eigengut beider Ehegatten. Zentraler Maßstab für die Zuordnung eines Vermögenserwerbs während der Ehe zum Gesamtgut oder zum Eigengut einer der beiden Ehegatten wäre die »Ehebedingtheit« des Erwerbs. Dabei spricht manches dafür, im Zweifel von der Ehebedingtheit eines Erwerbs auszugehen. Von vornherein gar nicht stellen würde sich eines der zentralen, de lege lata bis heute ungelösten Probleme der Zugewinngemeinschaft, nämlich Wertsteigerungen des Anfangsvermögens. Sie wirken sich de lege lata teleologisch systemwidrig auch zugunsten des anderen Ehegatten aus, obwohl es hier an jeglichem »Gemeinschaftsbezug« der Wertschöpfung fehlt. Im Modell einer Errungenschaftsgemeinschaft ist das bei Eheschluss vorhandene Vermögen eines Ehegatten seinem Eigengut zuzuordnen, Wertsteigerungen fallen damit automatisch auch in seinem Eigengut an.
3.
Keine Gläubigerbenachteiligung
Wie bereits angedeutet, benachteiligt die Zugewinngemeinschaft die Gläubiger eines Ehegatten, der nach der internen Aufgabenverteilung keine Erwerbsarbeit leistet. Weil dieser während der Ehe kein Einkommen und dementsprechend regelmäßig auch keinen Vermögenszuwachs hat, ist seine Arbeit nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine Gläubiger materiell wertlos. Dementsprechend bevorzugt sind die Gläubiger des erwerbstätigen Ehegatten. Sie können auf alles zugreifen, was nicht im Wege des Konsums und durch Unterhalt und durch Taschengeld an den anderen Ehegatten abfließt. Entsprechend systemwidrig größer werden sein finanzieller Spielraum und seine Kreditlinie während der Ehe. »Bremsen« zugunsten eines eventuellen späteren Zugewinnausgleichs und damit auch zugunsten der Gläubiger des nicht erwerbstätigen Ehegatten gibt es im Wesentlichen nicht. Diese strukturelle Benachteiligung des nicht erwerbstätigen Ehegatten und seiner Gläubiger wird in der Errungenschaftsgemeinschaft durch die permanente Bildung eines beiden Ehegatten (und ihren Gläubigern) zustehenden Gesamtgutes vermieden. Beiden Ehegatten steht, unabhängig von Art und Umfang ihrer konkreten Beiträge, wertmäßig die Hälfte der »ehebezogenen« Wertschöpfung zu. Konsequenterweise müsste den Gläu-
58
Barbara Dauner-Lieb
bigern eines Ehepartners neben dessen Eigengut auch wertmäßig die Hälfte des Gesamtguts zur Verfügung stehen.
IV.
Weichenstellung
1.
Vermögenszuordnung/Vermögensteilhabe
Als maßgebliches Kriterium für die Zuordnung eines Vermögenserwerbs zum Gesamtgut oder zum Eigengut eines Ehegatten wurde der »Gemeinschaftsbezug«, die »Ehebedingtheit« herausgearbeitet. Daraus folgt unproblematisch, dass Ersatzgegenstände kraft Surrogation in die Vermögensmasse fallen, aus der der Ausgangsgegenstand stammte.
Dass bei Beginn der Ehe vorhandene Vermögen der Ehegatten bleibt in ihrem Eigenvermögen, gehört also zu ihrem Eigengut. Wertsteigerungen von Gegenständen, die zum Eigengut gehören (Ackerland wird Bauland) bilden sich automatisch nur im Eigengut ab, die Probleme der Bewertung des Anfangsvermögens bei der Zugewinngemeinschaft stellen sich gar nicht erst. Erbschaften eines Ehegatten fallen ebenso unproblematisch in sein Eigengut wie Schenkungen an ihn. Bei Schenkungen von Eltern und Angehörigen eines Ehegatten ist im Zweifel davon auszugehen, dass sie nur ihm zugute kommen sollten, sie sind
Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft
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daher seinem Eigengut zuzurechnen, es sei denn, es gibt klare Anhaltspunkte für einen Willen, die Schenkung auch im Falle einer Scheidung beiden Ehegatten zugute kommen zu lassen. Berufliches Einkommen der Ehegatten, das nicht für die laufenden Verbindlichkeiten der Familie ausgegeben wird, fällt in das Gesamtgut; dies gilt auch für Einkünfte aus selbstständiger beruflicher Tätigkeit. Je mehr »gespart« wird, desto deutlicher wächst das Gesamtgut. Konsumverzicht und sparsame Haushaltsführung kommen von Anfang an beiden Ehegatten zugute. Erträge (Nutzungen, Früchte) aus Gegenständen des Gesamtgutes fallen wiederum in das Gesamtgut (z. B. Mieteinnahmen, Dividenden). Nicht so eindeutig ist die Zuordnung von Erträgen des Eigenguts eines Ehegatten. Im Regelfall sind sie nicht »ehebedingt« und damit wiederum dem Eigengut zuzuordnen. Etwas anderes könnte freilich für die seltenen Ausnahmefälle diskutiert werden, in denen der Ehegatte von diesen Einkünften lebt und deshalb kein Erwerbseinkommen erzielt. Systematisch spricht viel dafür, in dieser Konstellation den Teil der Einkünfte aus Gegenständen des Eigenvermögens, der einem eigenen angemessenen Einkommen entspricht, dem Gesamtgut zuzuordnen. Ebenfalls zu diskutieren wäre die Zuordnung von Abfindungen. Soweit sie auf Ausgleich eines Arbeitsplatzverlustes zielen und damit auf Einkommensersatz, gehören sie systematisch zum Gesamtgut. Auf den ersten Blick wäre man wahrscheinlich geneigt, einen »Ehebezug« von Schmerzensgeld zu verneinen; tatsächlich besteht aber auch insoweit durchaus Diskussionsbedarf: Je mehr ein Schmerzensgeld auch der Erleichterung eines beeinträchtigten Alltags dient, liegt eine Zuordnung zum Gesamtgut nicht ganz fern; die eingetretenen Schwierigkeiten treffen möglicherweise auch den Ehepartner, der etwa einen Betreuungsaufwand zu leisten oder in größerem Umfang Haushaltspflichten zu übernehmen hat. Die insoweit offenen Fragen stellen sich im Übrigen gleichermaßen für die Zugewinngemeinschaft. Dies gilt auch für die berühmte Problematik des Lottogewinns. Bei der Errungenschaftsgemeinschaft könnte man sich schwierige Diskussionen dadurch ersparen, dass man darauf abstellt, mit welchen Mitteln das Los gekauft wurde. Stammen sie aus dem »gemeinschaftsbezogenen« Gesamtgut – und dies wird der Regelfall sein –, dann ist es nur konsequent, den Gewinn beiden Ehepartnern zugute kommen zu lassen. Besondere Schwierigkeiten ergeben sich beim Zugewinnausgleich, wenn ein Ehepartner Inhaber oder Teilhaber eines Unternehmens, insbesondere einer Arztpraxis oder Anwaltskanzlei, ist. Bekanntlich führt die Bewertung des unternehmerischen Vermögens nach dem üblichen Ertragswertverfahren dazu, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte sofort und endgültig einseitig mit dem unternehmerischen Risiko belastet wird; außerdem muss er dem anderen Ehegatten möglicherweise einen Betrag auszahlen, den er durch Veräußerung des unternehmerischen Wertes am Markt gar nicht erzielen könnte. Vor diesem
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Hintergrund wird die Thematik auch bei der Entwicklung einer Errungenschaftsgemeinschaft besondere Aufmerksamkeit erfordern. Systematisch spricht schon bei erster Annäherung viel für eine Differenzierung: Die Verortung der unternehmerischen Substanz wäre grundsätzlich von der Herkunft des Kapitals abhängig zu machen, Einkünfte wären grundsätzlich dem Gesamtgut zuzuordnen, soweit es sich nicht im oben skizzierten Sinne nur um eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals im Eigengut handelt.
2.
Verwaltung/Entscheidungsteilhabe
Es besteht wohl Einigkeit, dass eine gemeinsame Verwaltung des Gesamtguts im Hinblick auf die Alltagsgeschäfte der Ehe eine Errungenschaftsgemeinschaft schwerfällig und damit unattraktiv machen würde. Für eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft kommt also nur ein System konkurrierender Verwaltung in Betracht, in dem jeder Ehegatte das gemeinschaftliche Vermögen im Regelfall selbstständig verwalten und über Gegenstände des Gesamtguts allein verfügen kann. Systeme konkurrierender Verwaltung existieren etwa in Belgien, Frankreich und Italien.
Zu diskutieren ist, ob man für bestimmte, besonders wichtige Geschäfte (untechnisch formuliert »Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung«) ausnahmsweise eine gemeinsame Verwaltung vorsehen sollte. Im Vordergrund des Interesses stehen zunächst einmal Gegenstände, die für die Gemeinschaft, Ehe oder Familie, eine Grundlagenfunktion haben, wie insbesondere das Eigenheim oder Haushaltsgegenstände. Hier wird man zu dis-
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kutieren haben, wie hoch man die Schutzbedürftigkeit der Betroffenen sieht. Insoweit wäre vielleicht sogar ein Einwilligungsvorbehalt entsprechend §§ 1365, 1369 BGB des anderen Ehegatten bedenkenswert, wenn diese Gegenstände gar nicht zum Gesamtgut, sondern zum Eigengut eines Ehegatten gehören, etwa weil dieser sie mit in die Ehe gebracht hat. Zu diskutieren wäre weiterhin eine gemeinsame Verwaltung für besonders wertvolle Gegenstände, die Versorgungsfunktion haben: Grundstücke, Gesellschaftsanteile, Wertpapiere. Eine rechtssichere Abgrenzung wird hier freilich noch schwieriger ; die Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs ist gegen die berechtigten Interessen des anderen Ehegatten abzugrenzen. Dieser ist im Übrigen ohnehin grundsätzlich durch Surrogation geschützt, Gegenleistungen und Ersatzgegenstände fallen ihrerseits wiederum in das Gesamtgut. Ein Schutzbedürfnis des Empfängers fehlt bei Schenkung eines Ehegatten aus dem Gesamtgut, sodass hier die Annahme gemeinsamer Verwaltung naheliegt. Im Übrigen müsste das Verwaltungssystem einer Errungenschaftsgemeinschaft durch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche zwischen den Vermögensmassen und Auskunftsansprüche im Hinblick auf Verwaltungsmaßnahmen eines Ehegatten ergänzt werden. Ob unternehmerische Aktivitäten eines Ehegatten im Hinblick auf die Verwaltung tatsächlich besondere Probleme aufwerfen, wird zu diskutieren sein. Gehört das Unternehmen zum Eigengut eines Ehegatten, steht ihm nach allgemeinen Grundsätzen ohnehin auch die alleinige Verwaltung zu. Gehört ein Unternehmen zum Gesamtgut, weil es mit Mitteln des Gesamtgutes finanziert worden ist, müssten sich die Ehegatten im Hinblick auf die »Führung« dieses Unternehmens ohnehin schon gesellschaftsrechtlich einigen. Jedenfalls erscheint es auf den ersten Blick nicht völlig abwegig, dass der Ehegatte, der maßgeblich auch finanziell beteiligt ist, Mitsprache und Verwaltungsrechte hat.
62 3.
Barbara Dauner-Lieb
Gläubigerschutz/Haftungsteilhabe
Schuld und Haftung der Ehegatten gelten als die schwierigsten Probleme der Konstruktion einer Errungenschaftsgemeinschaft. Die Behauptung ihrer Unlösbarkeit gehört zu den zentralen Argumenten gegen die Eröffnung einer ernsthaften Diskussion über die Einführung eines weiteren, gemeinschaftsbezogenen Wahlgüterstandes. Eine genauere Analyse bietet aber ein differenziertes Bild: Zunächst einmal ist in Erinnerung zu rufen, dass in der Zugewinngemeinschaft die Gläubiger des erwerbstätigen Ehegatten systemwidrig bevorzugt und die Gläubiger des nicht erwerbstätigen Ehegatten systemwidrig benachteiligt werden. Die gemeinsame Wertschöpfung wirkt sich nur im Vermögen der erwerbstätigen Ehegatten aus, die Arbeit des anderen Ehegatten hat während der Ehe keinen Wert, auf den er selbst oder seine Gläubiger zurückgreifen könnten. Demgegenüber steht in der Errungenschaftsgemeinschaft das Ergebnis der gemeinsamen Wertschöpfung von Anfang an beiden Ehegatten und ihren jeweiligen Gläubigern zu, entsprechend erhalten die Gläubiger des erwerbstätigen Ehegatten »Konkurrenz« der Gläubiger des anderen Ehegatten. Um zu verstehen, wie sich dies konkret und praktisch auswirkt, muss man sich auf das grundsätzliche Verhältnis von Schuld und Haftung zurückbesinnen: Wer schuldet, haftet auch, und zwar mit seinem ganzen Vermögen, aber auch nur mit seinem Vermögen. Gehört zu diesem Vermögen eine Gesamthandsbeteiligung, dann kann der Gläubiger eines Gesamthänders keineswegs ohne Weiteres auf das gesamthänderisch gebundene Vermögen zugreifen, sondern muss den Weg über die Gesamthandsbeteiligung seines Schuldners gehen (für die Personengesellschaft bedeutet dies Pfändung des Gesamthandanteils). Übertragen auf die Errungenschaftsgemeinschaft heißt dies, dass für die Verbindlichkeiten eines Ehegatten, mögen sie vor oder während der Ehe begründet sein, sein Eigengut haftet, aber ganz sicherlich nicht das Eigengut seines Ehepartners. Da dieser nicht selbst Schuldner dieser Verbindlichkeit ist, haftet er auch nicht. Die vielbeschworene Formel, die Errungenschaftsgemeinschaft führe zwangsläufig dazu, dass die Ehepartner für die Verbindlichkeiten des anderen Teils mit ihrem »eigenen Vermögen« haften, ist nicht haltbar. Allerdings stellt sich die Frage, ob und wie die Gläubiger im Hinblick auf die Verbindlichkeit eines Ehegatten auf das Gesamtgut zurückgreifen können, das ihrem Schuldner ja wertmäßig nur zur Hälfte zusteht. Eine völlige Verschonung des Gesamtgutes von der Vollstreckung im Hinblick auf Verbindlichkeiten nur eines Ehegatten während bestehender Ehe wäre eine nicht zu rechtfertigende Gläubigerbenachteiligung, ein schwerwiegender Systembruch, wesentliche Vermögenswerte der Ehegatten würden für die Dauer der Ehe vor einem Gläubigerzugriff gesichert. Umgekehrt wäre es kaum zu rechtfertigen, wenn im Hinblick auf jegliche Verbindlichkeit eines Ehegatten ohne
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Weiteres auch in das Gesamtgut vollstreckt werden könnte, das ja wertmäßig zur Hälfte dem anderen Ehegatten zusteht. Der andere Ehegatte würde dann tatsächlich mit einem (in der Normalehe wesentlichen) Teil seines Vermögens für die Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten haften, verschont wäre nur sein Eigengut. Ob diese Benachteiligung durch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche aufgefangen werden könnte, wäre zweifelhaft, weil der Ausgleichsverpflichtete regelmäßig in diesen Konstellationen über kein ausreichendes Eigengut mehr verfügen wird. Die an sich systemkonforme Verweisung des Gläubigers auf den Weg über die Pfändung des Gesamthandsanteils ist für das Güterrecht wenig sachgerecht. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, das für die Vermögensteilhabe und auch für die Verwaltungsteilhabe maßgebliche Prinzip des »Gemeinschaftsbezugs« oder »Ehebezugs« auch auf die Haftung zu übertragen. Es wäre danach zu differenzieren, ob die von einem Ehepartner eingegangene Verbindlichkeit einen Ehebezug im weitesten Sinne hat; in dieser Konstellation, die den Regelfall bilden wird, wäre den Gläubigern der Zugriff auf das gesamte Gesamtgut zu eröffnen. Begründet ein Ehegatte dagegen echte »Eigenverbindlichkeiten«, die die Leistungsfähigkeit seines Eigengutes überschreiten, dann sollte dem anderen Ehegatten für den Fall des Gläubigerzugriffs auf das gesamte Gesamtgut ein außerordentliches Recht zur vorzeitigen Beendigung des Güterstands gegeben werden; für den Fall eines Verzichts auf Geltendmachung dieses Rechts sollten ihm schuldrechtliche Ansprüche auf Ausgleich aus dem Eigengut des anderen Teils eingeräumt werden, dieser kann im Laufe der Ehe ja wieder zu Kräften kommen (etwa durch Erbschaft).
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Barbara Dauner-Lieb
Grenzfälle wird es immer geben: Eine notwendige Arztbehandlung wird man noch nicht als »gemeinschaftsferne« Eigenverbindlichkeit ansehen, die Gesundheit des einen Ehegatten kommt im Regelfall auch dem anderen zugute. Die vorsätzliche Trunkenheitsfahrt wird sicherlich eine »Eigenverbindlichkeit« begründen, für die man nicht unbedingt den anderen Teil mit seinem Anteil am Gesamtgut haftbar machen sollte, im Übrigen wird es bei deliktischen Verbindlichkeiten auf die Umstände des Einzelfalls ankommen.
Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft
V.
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Ausblick
Schon diese erste Skizze über konzeptionelle Anforderungen an eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft hat gezeigt, dass es um eine anspruchsvolle Herausforderung geht. Selbstverständlich gibt es rechtspolitische und rechtstechnische Probleme, selbstverständlich wäre im Detail noch viel Nachdenken erforderlich. Andererseits ist auch die bewährte Zugewinngemeinschaft trotz jahrzehntelanger Diskussion immer noch nicht ohne Probleme, das nach allen Seiten wachsende Nebengüterrecht zeigt, dass die Diskussion über tragfähige gesetzgeberische Angebote für moderne Partnerschaften ohnehin noch viel intensiver als bisher geführt werden muss. Bei der Diskussion um die Errungenschaft geht es um eine gesellschaftliche Kernfrage. Wie ernst will man in Zukunft das verfassungsrechtliche Postulat der Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit einerseits und die Wahlfreiheit der Ehegatten bei der internen Aufgabenaufteilung in ihrer Ehe andererseits nehmen? Die künftigen Eheleute wünschen sich für ihre Ehe ein stabiles, gemeinschaftsbezogenes Gerüst. Dies sollte man respektieren und ihnen das Angebot eines funktionsfähigen, gemeinschaftsbezogenen Güterstandes machen.
Matre Edmond Jacoby
Erfahrungen mit der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich
Sehr verehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, als erstes dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Frau Professor Barbara Dauner-Lieb für Ihre Einladung in Ihre schöne Stadt Berlin zu danken, um an dieser Tagung teilzunehmen, die den Überlegungen zum französischen ehelichen Güterstand – der communaut¦ de biens r¦duite aux acquÞts, der Errungenschaftsgemeinschaft – gewidmet ist. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist seit dem 1. Februar 1966 der gesetzliche Güterstand in Frankreich. Der gesetzliche Güterstand wurde am 23. Dezember 1985 umfassend reformiert. Es gibt derzeit in Frankreich keine Bestrebungen für strukturelle Reformen der Errungenschaftsgemeinschaft, in welcher in Frankreich 80 Prozent der Ehepaare leben. Dieser Feststellung ist hinzuzufügen, dass aufgrund des in Deutschland geltenden Artikel 15 EGBGB beziehungsweise dem in Frankreich geltenden Haager Übereinkommen vom 14. März 1978 zahlreiche deutsche Staatsbürger, die in Frankreich wohnen, ebenfalls im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft leben, ohne vor dieser Angst zu haben oder das Bedürfnis zu verspüren, statt der Errungenschaftsgemeinschaft den Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts oder die participation aux acquÞts1 nach französischem Recht zu wählen. Im Güterstand der participation aux acquÞts, die in großen Teilen vergleichbar mit der deutschen Zugewinngemeinschaft ist, leben in Frankreich nur 3 bis 5 Prozent aller Ehepaare. Wie kann man diese deutliche Präferenz für den gesetzlichen Güterstands der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich erklären? Zwei Hauptgründe können hierfür genannt werden: Erstens begründet die communaut¦ r¦duite aux acquÞts eine Solidarität zwischen den Ehegatten, denn jeder Ehegatte profitiert vom Erwerb des anderen
1 Auf Deutsch: Zugewinngemeinschaft.
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Maître Edmond Jacoby
Partners. Auf diese Weise sind beide Ehegatten am Aufbau, an der Vermehrung und Verwaltung des gemeinsamen Vermögens beteiligt. Zweitens schützt der Güterstand das Vermögen, das beide Ehegatten von ihren jeweiligen Familien durch Erbschaft oder Schenkung erhalten haben als Bestandteil des Sonderguts jedes Ehegatten. Nach französischem Recht fallen unter den Begriff »acquÞts«/Errungenschaften keine Wertsteigerungen des Sonderguts, die folglich auch nicht zwischen den Ehegatten aufgeteilt werden müssen. Dass Wertzuwächse von Gegenständen, die im Sondergut jeweils eines Ehegatten stehen, zwischen den Ehegatten bei Beendigung des Güterstandes nicht ausgeglichen werden, gilt sowohl für den gesetzlichen Güterstand als auch für den Güterstand der participation aux acquÞts, der französischen Zugewinngemeinschaft. Es handelt sich hierbei um einen grundlegenden Unterschied zum deutschen Zugewinnausgleich, der grundsätzlich auch Wertzuwächse von Vermögensgütern erfasst, die dem Anfangsvermögen der Ehegatten zuzurechnen sind. Bevor ich Ihnen den Güterstand der communaut¦ de biens r¦duite aux acquÞts, der französischen Errungenschaftsgemeinschaft, unter besonderer Fokussierung von drei Aspekten näher vorstellen möchte, nämlich er st ens der Zusammensetzung der Vermögensmassen dieses Güterstands, zweit ens der Voraussetzungen für die Verwaltung, Nutzung und Verfügung über das Gesamtgut durch die Ehegatten und als dr itten und l etzt en Aspek t der Auflösung des Güterstands, möchte ich Ihnen die Verknüpfung der in Frankreich geltenden Güterstände zum allgemeinen Güterrecht, dem sogenannten »r¦gime primaire«, aufzeigen. Die Verknüpfung des allgemeinen Güterrechts, des »r¦gime primaire« und der Güterstände mag unter gewissen Aspekten komplex erscheinen. Wenn der deutsche Gesetzgeber die Schaffung eines neuen Wahlgüterstandes anstrebt, sollte er auf eine solche Verknüpfung zwischen allgemeinem Güterrecht und den Güterständen verzichten. Im französischen Recht sind die Ehegatten – unabhängig davon, in welchem Güterstand sie leben – den Bestimmungen der Artikel 215 bis 226 Code Civil2 unterworfen, die das sogenannte »r¦gime primaire« bilden. Das deutsche Recht kennt ein den Güterständen vorgehendes allgemeines Güterrecht nicht. Natürlich gibt es auch im deutschen Eherecht einige Regelungen, die den französischen Notaren gut bekannt sind, wenn sie für deutsche Staatsangehörige Immobilienkaufverträge verfassen, nämlich die Bestimmung zur Verfügung über das Vermögen im Ganzen des von § 1365 BGB, die nicht ohne die Regelung des § 1368 BGB zur Geltendmachung der Unwirksamkeit 2 Art. 215 Code Civil sieht beispielsweise den Schutz des Familienheimes sowie des darin befindlichen Mobiliars vor, über welches die Ehegatten ohne die Zustimmung des jeweils anderen nicht verfügen können.
Erfahrungen mit der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich
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solcher Verfügungen betrachtet werden kann3. Aber die deutschen Verfügungsverbote, die sich aus den §§ 1365 ff. BGB ergeben, sind in ihrer Reichweite lange nicht vergleichbar mit dem französischen »r¦gime primaire«. Nach diesen einleitenden Bemerkungen möchte ich nun gemeinsam mit Ihnen den ersten Punkt meiner Ausführungen erörtern, nämlich die Zusammensetzung der Vermögensmassen des französischen gesetzlichen Güterstands.
1.
Die Gestaltung der französischen Errungenschaftsgemeinschaft
Was die Vermögenszusammensetzung bei der Errungenschaftsgemeinschaft betrifft, gilt es drei verschiedene Gütermassen zu unterscheiden: – das Gesamtgut, – das Sondergut der Frau, – das Sondergut des Mannes.
A – Das Gesamtgut (les biens communs) Die (Vermögens-)Gemeinschaft/das Gesamtgut setzt sich aktiv aus den Errungenschaften zusammen, die von den Ehegatten gemeinsam oder getrennt während der Ehe erworben wurden und sowohl aus ihrer persönlichen Arbeitstätigkeit als auch aus den Ersparnissen der Kapital- und sonstigen Erträge ihrer Sondergüter stammen (Art. 1401 Code Civil). Alle Einkommen, die direkt oder indirekt aus einer Berufstätigkeit stammen, fließen somit als Gesamtgut in die Gemeinschaft ein: Löhne und Gehälter, Provisionen, Prämien und außerordentliche Boni. Die Einkommen aus den beruflichen Tätigkeiten der Ehegatten fließen in die Gemeinschaft ein, selbst wenn sie aus dem Betrieb stammen, der im Eigentum eines Ehegatten steht. Beim Lottogewinn kommt es darauf an, ob der Lottoschein mit Mitteln erworben wurde, die dem Gesamtgut beider Ehegatten oder dem Sondergut eines Ehegatten zuzuordnen sind. Zum Gesamtgut zählen auch Entschädigungen, die aufgrund von gekündigten Arbeitsverträgen ausgezahlt wurden, sowie Abfindungen, die nach Entlassungen oder zum Ruhestandsantritt ausgezahlt werden. Weiterhin fallen Einkünfte aus Gesamtgütern oder Sondergütern wieder ins Gesamtgut. Ins Sondergut fallen solche Erträge aus Sondergütern, die eingenommen und 3 Und im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Zugewinngemeinschaft ähnliche Verfügungsbeschränkungen herbeiführt wie das »r¦gime primaire« in Frankreich.
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nicht verbraucht wurden, mit anderen Worten die gesparten Beträge/Ersparnisse. Solche Erträge aus Sondergütern sollen dann im persönlichen Eigentum eines Ehegatten verbleiben, wenn ihre Höhe den Erwerb eines weiteren Vermögensgegenstandes ermöglicht. Mangels einer präzisen Definition des Begriffs »Ersparnisse« fordert die herrschende Lehre den Gesetzgeber dazu auf, einen größeren Realitätssinn an den Tag zu legen. Die wesentliche Forderung besteht darin, gesetzlich festzulegen, ob die ersparten und über einen langen Zeitraum angesammelten Einkünfte noch als Einkünfte gelten4 oder in die Kategorie des nicht eingesetzten Kapitals ohne bestimmte Einstufung5 fallen. Dieser Aspekt ist nicht nur für die Auflösung des Güterstands von Bedeutung, sondern auch hinsichtlich der Inanspruchnahme der Ehegatten durch Gläubiger. Das französische Recht beinhaltet eine gesetzliche Vermutung dafür, dass ein Vermögensgegenstand der Ehegatten zum Gesamtgut gehört. Dies bedeutet, dass es nicht erforderlich ist, nachzuweisen, dass es sich bei einem Vermögensgegenstand um Gesamtgut handelt. Diese Regel gilt sowohl zwischen den Ehegatten als auch gegenüber Dritten. Im Fall einer Pfändung durch einen Gläubiger muss der Ehegatte, der die Vollstreckung abwenden will, nachweisen, dass es sich um ein Sondergut in seinem Eigentum handelt. Der Nachweis darüber, dass ein bestimmter Gegenstand zum Sondergut eines Ehegatten gehört, muss im Prinzip in schriftlicher Form erbracht werden (1402 al 2 Code Civil). Manche Ehepaare errichten daher vor der Eheschließung ein Inventar des Sonderguts, um Beweisschwierigkeiten dieser Art zu vermeiden.
B – Das Sondergut (biens propres) Alle von den Ehegatten vor ihrer Eheschließung erworbenen oder erhaltenen Güter gelten als Sondergut (Art. 1405 Code Civil). Selbst Güter, welche während der Dauer der Ehe durch Erbschaft, Schenkung oder Vermächtnis in den Besitz der Ehegatten gelangt sind, gelten als Sondergut. In Anwendung von Artikel 1404 Code Civil stellen auch Güter, die einen personenbezogenen Charakter haben und ausschließlich mit der Person verbundene Rechte beinhalten, immer Sondergüter dar, so beispielsweise Kleidungsstücke, familiäre Erinnerungsstücke, Arbeitsgeräte, nicht abtretbare Forderungen und Renten wie Invaliditätsrenten oder Schadenersatzleistungen für Personenschäden oder immaterielle Schäden. Die einem Sondergut zugeordneten Güter sowie die an die Stelle von Sondergütern tretenden Güter gelten ebenfalls als Sondergüter. Zum Beispiel gilt ein 4 (Dann Gesamtgut). 5 (Dann Sondergut).
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Grundstück, das gegen ein anderes Grundstück, welches zum Sondergut eines Ehegatten zählte, ausgetauscht wurde, als Sondergut eben dieses Ehegatten. Und wie bereits erwähnt, erfolgt der Wertzuwachs eines Sonderguts nicht zugunsten des Gesamtgutes. Um Vermögensverschiebungen zu berücksichtigen, die während der Dauer der Ehe zwischen Gesamtgütern und Sondergütern erfolgen können, legt Artikel 1436 Code Civil fest, unter welchen Bedingungen die neu erworbenen Güter als Sondergüter oder Gesamtgüter gelten: Die Regel ist einfach: Wenn der Betrag zur Finanzierung eines Gegenstandes aus dem Gesamtgut höher ist als der Betrag aus dem Sondergut eines Ehegatten, handelt es sich bei dem neu angeschafften Vermögensgegenstand um ein Gesamtgut. Im gegenteiligen Fall handelt es sich um Sondergut, unter der Voraussetzung, dass bereits im Kaufvertrag eine Erklärung über den Einsatz der Mittel zum Erwerb von Sondergut eines Ehegatten enthalten ist. Diese Bestimmungen sind nicht dispositives Recht. Der Inhalt der Verwendungserklärung ist zweifacher Art: Sie enthält einerseits die Bestätigung, dass die zum Kauf eingesetzten Mittel aus dem Sondergut des betreffenden Ehegatten stammen und andererseits eine Angabe über den geplanten Verwendungszweck des erworbenen Sonderguts. Bei Fehlen einer Verwendungserklärung gilt das erworbene Gut als Gesamtgut, selbst wenn der Nachweis über die Finanzierung mit Mitteln aus dem Sondergut erbracht wurde. Diese Situation kann durch eine nachträgliche Erklärung berichtigt werden, wenn der Ehegatte dem Eigentümer des Sonderguts seine Zustimmung gibt. Diese Situation muss von der Ersetzung von Vermögenswerten durch andere Vermögenswerte unterschieden werden. Wenn der Verkaufserlös eines Sonderguts auf ein Sparkonto eingezahlt wird, gilt dieses Konto somit bei Fehlen einer Erlösverwendungserklärung weiterhin als Sondergut.
II.
Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse der Ehegatten
Durch die Reform der Errungenschaftsgemeinschaft vom 23. Dezember 1985 erhielt jeder Ehegatte die gleichen Befugnisse zur Verwaltung und Verfügung über das Gesamtgut. Dies war vorher nicht der Fall gewesen, denn die Befugnisse zwischen den Ehegatten waren unterschiedlich verteilt: Der Ehemann verwaltete die ordentlichen Gesamtgüter, die Ehefrau die vorbehaltenen Güter. Die Handlungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich der Verwaltung der verschiedenen Vermögensmassen, aus denen sich der französische gesetzliche Güterstand zusammensetzt, ist je nach der Art des Rechtsgeschäfts und der betroffenen Güter unterschiedlich geregelt. Manche Verpflichtungen können
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vom Ehemann oder der Ehefrau jeweils allein eingegangen werden (gestion concurrente), andere sind dem einen oder anderen Ehegatten vorbehalten (gestion exclusive), wieder andere erfordern schließlich die Zustimmung beider Ehegatten (gestion conjointe). Bevor wir diese drei Arten der Verwaltung erörtern, müssen erneut zwei einleitende Bemerkungen gemacht werden: – Erste Bemerkung: Selbst wenn die Ehegatten im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, verfügen sie bei der Verwaltung ihrer Güter über eine nicht unerhebliche Unabhängigkeit. Manche Regeln des gesetzlichen Güterstands der Errungenschaftsgemeinschaft wurden für die im Güterstand der Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten eingeführt bzw. ausgedehnt, um zu vermeiden, dass Ehegatten, die in einem anderen als dem gesetzlichen Güterstand leben, ihren Ehevertrag nachweisen müssen. Jeder Ehegatte kann auch im Güterstand der Gütergemeinschaft frei über seine Einkünfte und Löhne und Gehälter verfügen, ein Bankkonto eröffnen und über die Beträge auf diesem Konto verfügen und sogar bewegliche Sachen verkaufen, die zu seinem Sondergut zählen. – Zweite Bemerkung: Die Gleichbehandlung der Ehegatten bei der Vermögensverwaltung beinhaltet das Risiko der gemeinsamen Schuldenhaftung. Die Reform vom 23. Dezember 1985 hat die Autonomie der Ehegatten in Gütergemeinschaft im Bereich der Kreditaufnahme und der Bürgschaftsgewährung stark eingeschränkt. Im Bewusstsein um die Risiken, die solche Handlungen für das Gesamtgut mit sich bringen (Bürgschaftsgewährungen erfolgen oft leichtfertig) verpflichtet ein in Gütergemeinschaft lebender Ehegatte mit Kreditaufnahmen und Bürgschaftsgewährungen nur sein Sondergut und seine Einkünfte. Es obliegt daher dem anderen Ehegatten, zu bestimmen, ob er seine Zustimmung zu der von seinem Partner eingegangenen Verpflichtung und gegebenenfalls dem Einsatz des Gesamtguts oder im Fall der solidarischen Bürgschaft auch seines Sonderguts gibt. Hinsichtlich der anderen finanziellen Risiken, die jeder Ehegatte für das Gesamtgut eingehen kann, hat die Reform vom 23. Dezember 1985 jedem Ehegatten die gleichen Befugnisse über das vollständige Gesamtgut verliehen. Im Gegenzug verpflichtet jeder Ehegatte die gesamte Gemeinschaft für seine Schulden, vorbehaltlich der für Kreditaufnahmen und Bürgschaftsgewährungen geltenden Einschränkungen. Um jedoch die Interessen eines Ehegatten vor unbesonnenen Verpflichtungen seines Partners zu schützen, sind Artikel 1411 und 1415 Code Civil zu berücksichtigen, die besagen, dass in die Einkünfte und Löhne oder Gehälter jedes Ehegatten durch die Gläubiger nicht vollstreckt werden kann.
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Es ist zweifellos davon auszugehen, dass die Regeln der Verwaltung der Gemeinschaft6 hohe Risiken für diese nach sich ziehen können. Wenn beispielsweise einer der Ehegatten einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht, rät der Notar den Ehegatten zum Wahlgüterstand der Gütertrennung oder der Zugewinngemeinschaft (participation aux acquÞts), bei dem die Unabhängigkeit der beiden Ehegatten in viel höherem Maße gewährleistet und die Interessen des anderen Ehegatten weit besser geschützt sind. Wir kommen nun zu den verschiedenen Arten der Verwaltung: 1 – Die Befugnis, das Gesamtgut allein zu verwalten und darüber zu verfügen (gestion concurrente) In Anwendung von Artikel 1421 Code Civil und außer in Ausnahmefällen verfügt jeder Ehegatte über die Befugnis, das Gesamtgut allein zu verwalten und darüber zu verfügen. Ein Ehegatte allein kann beispielsweise beschließen, Instandsetzungsarbeiten im Haus durchzuführen oder eine Immobilie zu erwerben). Ein Ehegatte, der bei der Verwaltung des Gesamtguts eine veruntreuende Handlung begeht, kann jedoch dafür haftbar gemacht werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Ehegatte ein luxuriöses Fahrzeug erwirbt. Jeder mag schon mal vom Erwerb eines Ferraris geträumt haben, ohne dass dieser jedoch den Bedürfnissen noch den finanziellen Möglichkeiten des Ehepaars entspricht. 2 – Die ausschließliche Verwaltung (gestion exclusive) Neben der »gestion concurrente« verwaltet jedoch jeder Ehegatte sein Sondergut allein. Die einzige Nuance dieser Regelung ergibt sich aus dem allgemeinen Güterrecht, dem »r¦gime primaire«: Ein Ehegatte, der Eigentümer des Familienwohnsitzes ist, kann darüber nicht ohne Zustimmung seines Gatten verfügen, eine Verfügung über das Familienheim ohne Zustimmung ist unwirksam. Die Ehegatten haben bei der Ausübung ihrer Berufe die Befugnis zum Abschluss von Verwaltungs- und Verfügungsgeschäften, die zur Ausübung dieser Tätigkeit erforderlich sind (1421 al 2 Code Civil). Jeder Ehegatte ist allein über seine Löhne und Gehälter und seine Einkünfte verfügungsberechtigt (223 und 1428 Code Civil) 3 – Die gemeinsame Verwaltung (cogestion) In Abweichung vom Prinzip der Autonomie der Ehegatten bei Verwaltung des Gesamtguts unterliegen gewissen Rechtsgeschäfte der gemeinsamen Verwaltung, der »cogestion«. Es handelt sich dabei um die wichtigsten, also um grundlegende Rechtsgeschäfte, so beispielsweise um unentgeltliche Verfügun6 Des Gesamtguts.
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gen über Gegenstände des Gesamtguts (1422), die Verpfändung von Gegenständen, Rechtsgeschäfte über die Veräußerung oder Schaffung von dinglichen Rechten an den wichtigsten Gegenständen des Gesamtguts wie etwa Immobilien, Gesellschaftsrechte, Geschäftsvermögen und der Offenlegung unterliegende bewegliche Sachwerte (Schiffe, Flugzeuge). Die »cogestion« verlangt, dass beide Ehegatten ihre Zustimmung zum Abschluss des Rechtsgeschäfts geben, da dieses sonst ungültig wäre. Diese Verwaltungsbefugnisse können von den Ehegatten abweichend geregelt werden. Abgesehen von den durch das allgemeine Güterrecht/r¦gime primaire unabdingbaren Regelungen kann ein Ehegatte dem anderen Ehegatten eine Vollmacht zur Verwaltung des Gesamtguts oder Sonderguts erteilen. Der Ehegatte kann auch erwirken, dass dem anderen Gatten die Verwaltung des Gesamtguts oder Sonderguts verboten wird, wenn er nachweisen kann, dass sein Partner dauerhaft nicht in der Lage ist, seinen Willen zu bekunden oder zur Verwaltung unfähig ist oder auch wenn seine Verwaltung betrügerische Handlungen beinhaltet (1426 Code Civil).
III.
Die Auflösung des ehelichen Güterstands
Damit die Errungenschaftsgemeinschaft aufgelöst und die gemeinsamen Güter aufgeteilt werden können, muss festgestellt werden, aus welchen Vermögenswerten sich das Gesamtgut zusammensetzt. Die Vermutung für das Vorliegen von Gesamtgut hat eine große Bedeutung. Der Ehegatte, der eine Sache als Sondergut beansprucht, muss den entsprechenden Nachweis erbringen. Sobald die Ehegatten wieder ihr jeweiliges Sondergut übernommen haben, muss für jeden von ihnen ein Ausgleichskonto nach 1468 Code Civil angelegt werden, das heißt ein Konto, auf welchem die während der Ehe zwischen Gesamt- und Eigengut erfolgten Vermögensverschiebungen nachträglich ausgeglichen werden. Es ist möglich, dass persönliche Ausgaben aus dem Gesamtgut finanziert wurden und zum Zweck der Gütergemeinschaft muss in diesem Fall jeder Ehegatte für seine Auslagen entschädigt werden. Diese Regeln sind nicht zwingendes Recht. Es ist möglich, davon ehevertraglich abzuweichen. Ausschließlich die Vermögensverschiebungen zwischen dem Gesamtgut und dem Sondergut unterliegen dem Ausgleichsmechanismus. Die Berechnung des Ausgleichs unterliegt der gleichen Regel, unabhängig davon, ob dieser Ausgleich von der Gemeinschaft zu leisten ist oder umgekehrt: Das Prinzip besteht darin, dass die Höhe des Ausgleichs auf die niedrigere der beiden Summen, die durch die geleistete Ausgabe auf der einen Seite und die Wertsteigerung des Vermögens auf der anderen Seite dargestellt werden, festgesetzt wird (1469 Code Civil). Für Immobilienerwerb wird der Ausgleich jedoch anders geregelt: Zuerst wird die
Erfahrungen mit der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich
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Wertsteigerung betrachtet. Falls diese geringer ist als die ursprüngliche Einlage des Ehegatten, ist dieser Betrag als Ausgleich geschuldet. Wenn die Gemeinschaft beispielsweise zu einem Drittel an der Finanzierung eines Sonderguts beteiligt war, beträgt der Ausgleichsbetrag ein Drittel des Wertes dieses Guts zum Zeitpunkt der Auflösung des ehelichen Güterstands, er kann jedoch nicht unter dem Betrag der ursprünglichen Investition liegen. Nach erfolgter Ausgleichszahlung erhält jeder Ehegatte die Hälfte des Gesamtguts (1465 Code Civil). Diese Aufteilung kann ehevertraglich abgeändert werden. Das Prinzip besagt aber, dass die Regel nicht der öffentlichen Ordnung unterliegt, dass die Zusammensetzung des zu teilenden Vermögens am Tag der Auflösung des ehelichen Güterstands festgelegt wird und die Bewertung dieses Vermögens am Tag der Durchführung der Teilung, das heißt an dem Tag, an dem die Liquidationsrechnung endgültig abgeschlossen ist, erfolgt. Wir weisen zudem darauf hin, dass die Teilung in Frankreich eine deklarative Wirkung hat (Art. 883 Code Civil): die Ehegatten gelten vom Tag der Auflösung der Ehe an als Eigentümer der Güter. Nach erfolgter Ausgleichszahlung findet die Teilung der Vermögenswerte einvernehmlich zwischen den Ehegatten statt. Das Gericht wird grundsätzlich nur im Fall der Uneinigkeit befasst. Es kommen die für die Nachlassteilung geltenden Regeln zur Anwendung. Im Allgemeinen werden die gemeinsamen Schulden aus dem Gesamtgut vor der Teilung bezahlt. Diese Regel ist nicht zwingend. Beispielsweise wenn es um die Auflösung eines gemeinsamen Kredits geht, können die Eheleute vereinbaren, diesen Kredit nach Auflösung der Gemeinschaft weiter zu bezahlen. Es kann vorkommen, dass das Gesamtgut zur Zahlung der Schulden nicht ausreichend ist. In diesem Fall ist zwischen dem Begriff der Schuldenrückzahlungspflicht und dem Begriff des Beitrags der Ehegatten zu unterscheiden. Der für die Entstehung der Schulden verantwortliche Ehegatte kann zur Begleichung der gesamten Höhe dieser Schulden herangezogen werden. Der Ehegatte, der nicht selbst für die Entstehung dieser Schulden verantwortlich ist, kann nur zur Begleichung der Hälfte der Schulden herangezogen werden. Aber die Ehegatten können auch solidarisch verpflichtet werden. Was die Beitragsleistung zur Schuldenbegleichung betrifft, so erfolgt die Aufteilung der Schulden zwischen den Ehegatten jeweils zur Hälfte, außer für den Fall, dass einer der Ehegatten die Existenz einer Schuld verheimlicht hat. In der Konsequenz ist dieser Ehegatte allein zur deren Begleichung verpflichtet. Eine zweifellos essenzielle Frage, mit der ich diesen Vortrag beenden möchte, betrifft die praktischen Schwierigkeiten, die in der Praxis bei Auflösung des ehelichen Güterstands der Gemeinschaft in Bezug auf die Komplexität und die
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Maître Edmond Jacoby
für die Auflösung erforderliche Zeit auftreten. Hinsichtlich der Komplexität sind zwei Bemerkungen zu machen: Es ist nicht schwieriger, einen ehelichen Güterstand aufzulösen als die Höhe einer Beteiligungsforderung bei der französischen Zugewinngemeinschaft/ participation aux acquÞts zu berechnen, die ebenfalls von der Idee geleitet wird, dass das wertmäßige Endergebnis des Güterstands die Aufteilung der Sachgüter im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft widerspiegeln muss. Viele Eheleute in Frankreich besitzen keine Sondergüter. Das Vermögen zahlreicher Familien setzt sich ausschließlich aus den Ersparnissen ihrer Einkünfte und ihrem Hauptwohnsitz zusammen. In einem solchen Fall bereitet die Auflösung des ehelichen Güterstands natürlich keine größeren Schwierigkeiten. Man kann feststellen, dass die Nachlassregelung von Eheleuten durch den Notar ohne sichtbare Schwierigkeiten innerhalb von sechs Monaten nach dem Tode eines Ehegatten durchgeführt werden kann. Es handelt sich hierbei um die steuerliche Frist zur Einreichung der Erbschaftserklärung. Und in diesem Fall folgt die Abwicklung des Nachlasses auf die Auflösung des ehelichen Güterstands. Es bleiben jedoch Fälle, die Schwierigkeiten bereiten. Es handelt sich um die gleichen wie die, die Sie in Deutschland kennen. Zum Großteil handelt es sich um Konfliktsituationen von meist geschiedenen Eheleuten. Solche Verfahren ziehen sich in die Länge, nicht immer aufgrund der Schwierigkeiten bei der Auflösung des ehelichen Güterstands, sondern wegen des Verhaltens der Ehegatten. Es geht hierbei nicht nur um die Auflösung des Güterstands, sondern auch um die Festsetzung der Ausgleichs- oder Unterhaltszahlungen. Zur Regelung dieser Situationen wurde im französischen Recht ein Verfahren zur Güteraufteilung bei Scheidungen eingeführt, das diese Auflösung erleichtern soll und im Rahmen dessen der Richter den Notar beauftragt, innerhalb eines Jahres den Entwurf der Teilungs- und Auflösungsurkunde zu errichten.
Podiumsdiskussion: Zukunftsperspektiven eines partnerschaftlichen Güterrechts
Thomas Meyer
Statement aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz
Eine Errungenschaftsgemeinschaft kann in Deutschland als Wahlgüterstand vereinbart werden. Die Vertragsschließenden müssen lediglich eine Gütergemeinschaft gemäß § 1415 des Bürgerlichen Besetzbuchs (BGB) vereinbaren und nach § 1418 Abs. 2 Nr. 1 BGB das jeweilige voreheliche Vermögen zum Vorbehaltsgut zu erklären. Der Gesetzgeber des Gleichberechtigungsgesetzes von 1958 hat wegen dieser Möglichkeit darauf verzichtet, einen zusätzlichen Wahlgüterstand »Errungenschaftsgemeinschaft« auszuformulieren.1 Aber praktisch niemand macht von dieser Möglichkeit Gebrauch. Das dürfte Gründe haben.
1.
These
Die Errungenschaftsgemeinschaft hat erhebliche Nachteile: – Eine echte gemeinsame Verwaltung ist sehr schwerfällig; – gerade berufstätige Frauen legen häufig großen Wert auf alleinige Verfügung über ihre Einkünfte; – die Haftung der Errungenschaft zumindest für die während der Ehe entstandenen Verbindlichkeiten beider Ehegatten ist sehr gefährlich; – die Auseinandersetzung von mindestens drei, tatsächlich aber fünf Vermögensmassen ist extrem kompliziert. Da die Ehegatten während der intakten Ehe in der Regel gemeinsam wirtschaften, ohne die einzelnen Vermögensmassen jeweils genau zu trennen, hat bei der Auflösung ein häufig komplizierter Vermögenstransfer zu erfolgen.
1 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses zu Drucks, 2/3409, S. 25.
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2.
Thomas Meyer
These
Wir brauchen eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft! Die Zugewinngemeinschaft reicht zur Sicherung des nicht erwerbstätigen Ehegatten nicht aus, es besteht ein »dingliches Gefälle«2, weil er nur einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch bei Ende des Güterstandes hat. Eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft gibt es in Italien.3 Dort bilden die Erträge aus der von jedem Ehegatten getrennt ausgeübten Tätigkeit, die zum Zeitpunkt der Auflösung der Gütergemeinschaft angefallen, aber noch nicht verbraucht sind, die sog. Comunio de residuo. Solange die Gemeinschaft nicht aufgelöst ist, gehören sie ausschließlich dem Ehegatten, der sie erworben hat und der eigenständig über sie verfügen kann. Das beklagte »dingliche Gefälle« der Ehegattenbeteiligung wird damit auch in der modernen italienischen Errungenschaftsgemeinschaft nicht beseitigt. Andere »moderne« Lösungen der Probleme der Errungenschaftsgemeinschaft werden leider nicht vorgetragen.4 Vielleicht bleibt es doch beim Bericht des Rechtsausschusses5 zum Gleichberechtigungsgesetz von 1958. Er hat auf die eingehende Darstellung der mit der Errungenschaftsgemeinschaft verbundenen Schwierigkeiten und seine Bemühungen um bessere Lösungen verwiesen. Er hat sich jedoch hierzu außer Stande gesehen, weil wie schon die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch sagen, »keine juristische Technik im Stande ist, ihnen abzuhelfen«6.
3.
These
In Europa, in Europa! – äußerst hilfsweise: in der DDR, in der DDR! In Europa ist die Errungenschaftsgemeinschaft vorherrschend.7 In Europa gibt es aber anderseits auch keinen Versorgungsausgleich, kein spezielles Güterrecht für verrentetes Altersvorsorgevermögen. Sollen wir ihn deshalb in Deutschland abschaffen? Die Frauen, die wegen Erziehungsaufgaben Lücken in ihrer Erwerbsbiografie haben, werden diesen Vorschlag sicher begeistert aufnehmen.
2 Röthel, 7. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009, S. 57, 64 f. 3 Vgl. dazu Henrich, Bitburger Gespräche Jahrbuch 2001, S. 57, 65 ff. 4 Mecke, ACP 211, S. 886, 896 ff. stellt nur die Probleme dar, bietet aber keine Lösungsmöglichkeiten außer dem Hinweis auf konkurrierende Verwaltung auf S. 896. 5 Bericht des Rechtsausschusses zu Drucks, 2/3409, S. 5. 6 Am angegebenen Ort, Motive Bd. 4, S. 155. 7 Vgl. Schwab, Regensburger Symposium Bd. 6, S. 8 f.
Statement aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz
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In der DDR war gem. §§ 13 ff. FGB-DDR eine Errungenschaftsgemeinschaft gesetzlicher Güterstand. In einem Land, in dem es für alle Waren staatlich regulierte Festpreise gibt, in der Firmenbeteiligungen und Wertpapierdepots keine Rolle spielen, Immobilieneigentum angesichts der auf die Friedensmiete 1914 eingefrorenen Mieten eine Last war, das Gericht von Amts wegen ermittelt und unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse das Vermögen verteilt (§ 39 FGB-DDR), mag das funktionieren. Bei unseren heutigen Verhältnissen müsste ermittelt werden, aus welchem Vermögen das Familieneigenheim angeschafft worden ist und welche Verbesserungen oder Reparaturen aus welchem Vermögen bezahlt worden sind. Mit der jeweils gebotenen Indexierung und der Berücksichtigung ehefremder Wertsteigerungen ergeben sich anspruchsvolle Rechenaufgaben.8
Antwort auf die Tagungsfrage: Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft? Hat die gerichtliche Praxis »Angst« vor der Errungenschaftsgemeinschaft? Angesichts des einfachen Systems der Anfangs- und Endbilanz bei zwei Vermögensmassen der Zugewinngemeinschaft in Deutschland9 stellt die Auseinandersetzung einer Gütergemeinschaft auch in Form einer Errungenschaftsgemeinschaft erhöhte Anforderungen an die Gerichte, die zur Entscheidung berufen sind. Vor diesem Hintergrund hat Arbeitskreis 21 des 16. Deutschen Familiengerichtstag 2005 als These IX beschlossen, dass der Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft in Zukunft nicht mehr vereinbart werden dürfe.10 Hintergrund war, dass sich angesichts einiger beim OLG anhängiger Fälle herausstellte, dass niemand in der Lage ist, eine streitige Gütergemeinschaft auseinanderzusetzen.11
8 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Drs. 1/3802, S. 51 unter Bezug auf v. Rümelin: die Errungenschaftsgemeinschaft habe sich deshalb, so gerecht ihr Ausgangspunkt zu sein scheine, in Gebieten, in denen man keine Freude am Schreibereiwesen und der Einmischung der Notare habe, keiner Beliebtheit erfreut. 9 Die sich damit trotz gleichen Namens deutlich von der französischen Zugewinngemeinschaft unterscheidet, weil letztere auf einzelne Vermögensgegenstände abstellt und gerade nicht bilanziert. 10 Brühler Schriften zum Familienrecht Bd. 14, S. 166. 11 Kanzleiter, Münchener Kommentar, 5. Auflage, vor § 1415 RZ 20 weist darauf hin, dass die Gütergemeinschaft bei gestörter Harmonie in der Familie wegen der komplizierten Rechtsbeziehungen noch problematischer ist als andere Güterstände.
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Thomas Meyer
Schlussthese Der Titel der Veranstaltung ist verfehlt. Vielmehr ist die Frage zu stellen: Wen interessiert die Errungenschaftsgemeinschaft eigentlich? Den 37 Mio. Eheleuten und 46 Tsd. Lebenspartnern selbst ist das Güterrecht egal. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe: Die meisten Betroffenen haben kein güterrechtlich relevantes Vermögen. Für sie ist deshalb das Güterrecht ohne Belang. Erst mit dem Erwerb einer Wohnimmobilie während der Ehe wird das Güterrecht interessant. Wohnimmobilien werden aber üblicherweise in Bruchteilseigentum beider Ehegatten erworben. Damit liegt das beklagte »dingliche Gefälle«12 zwischen den Ehegatten (oder Lebenspartnern) nicht vor. Vor allem aber : Eheleute wirtschaften unabhängig vom Güterrecht so zusammen, wie sie es wollen. Daran ändert sich nichts, auch wenn man sie in das Prokrustesbett der Errungenschaftsgemeinschaft mit notwendig komplizierten Verwaltungs- und gefährlichen Haftungsregeln steckte. Das Güterrecht wird erst bei der Auflösung der Ehe interessant, dort aber auch nur, wenn relevantes Vermögen vorhanden ist. Die Zugewinngemeinschaft mit ihrer einfachen Anfangs- und Endbilanz erleichtert die Auseinandersetzung. Dass sie holzschnittartig ist, ist dem Umstand geschuldet, dass es darum geht, die Betroffenen in einem »clean break« möglichst unkompliziert auseinanderzusetzen. Gerechtigkeit bis auf den letzten Cent der beiderseitigen Leistungen ist schon nach einem gemeinsamen Wirtschaften von einigen Monaten nicht mehr zu erzielen. Die Errungenschaftsgemeinschaft interessiert deshalb nur eine Hand voll Wissenschaftler. Es ist nicht vordringlichste Aufgabe der Gesetzgebung und der die Gesetzgebung vorbereitenden Ministerien, dogmatisch fundierte Wünsche der Wissenschaft zu erfüllen. Der Gesetzgeber kümmert sich um die realen Probleme der Betroffenen. Von der Wissenschaft ist zu erwarten, dass sie über den gefühligen Wunsch nach der Errungenschaftsgemeinschaft hinaus vom geltenden Recht ausgehend praktikable Lösungen für die seit über 100 Jahren diskutierten Probleme entwickelt. Falls es solche Lösungen gibt, ist eine Reform durchaus wünschenswert, um den Betroffenen angemessene Lösungen zu bieten.
12 Vgl. Röthel, 7. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009, S. 57, 64 f.
Katharina Boele-Woelki
Statement aus europäischer Sicht
1.
2.
Seit 2007 hat die Commission on European Family Law (ceflonline.net) 26 Güterrechtssysteme in Europa untersucht und verglichen. Es gibt gegenwärtig fünf Systeme: Die Errungenschaftsgemeinschaft (14), die Zugewinngemeinschaft, die wir auch als Errungenschaftsbeteiligung bezeichnen können(4), die aufgeschobene Gütergemeinschaft (5), die Gütertrennung (10) und die Gütertrennung mit behördlicher/richterlicher Vermögensverteilung (3). Diese Güterstände gelten als gesetzliche Güterstände, wenn die Ehegatten nicht etwas anderes vereinbart haben, oder als Wahlgüterstände. Nach Ansicht der CEFL ist es möglich, eine Angleichung der Güterrechtssysteme in Europa zu erreichen. Sowohl die Errungenschaftsbeteiligung als auch die Errungenschaftsgemeinschaft enthalten Merkmale der genannten fünf Güterstände. Damit unterbreitet die rechtsvergleichende Wissenschaft den nationalen Gesetzgebern Modelle, die bei einer etwaigen Reform von Nutzen sein können. Eine Außenseiterrolle spielen die Niederlande, wo als gesetzlicher Güterstand die Gesamtgütergemeinschaft gilt. Dies hat sich auch nach Inkrafttreten des Gesetzes betreffend die Anpassung der Gütergemeinschaft zum 1. Januar 2012 nicht geändert. Das Vermögen beider Ehegatten (einschließlich des vorehelichen Vermögens), Erbschaften und Schenkungen fallen in die Gütergemeinschaft, soweit die Ehegatten in einem notariell beurkundeten Ehevertrag, der Erblasser in seinem Testament oder der Schenkende nicht etwas anderes bestimmt haben. In ca. 25 Prozent der Fälle schließen die Ehegatten bei einem Notar einen Ehevertrag, in dem sie den gesetzlichen Güterstand ausschließen oder abändern. Etwa zwei Drittel dieser Vereinbarungen bestimmen, dass das während der Ehe erworbene Vermögen bei einer Ehescheidung ausgeglichen wird. Die übrigen Vereinbarungen beinhalten eine beschränkte Gütergemeinschaft oder eine völlige Gütertrennung ohne Ausgleichsklausel. Letztgenannte Vereinbarung wird als »kalter Ausschluss« (koude uitsluiting) bezeichnet. Mit dieser Situation
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5.
6.
7.
Katharina Boele-Woelki
ist die vermögensrechtliche Lage nichtehelicher Lebenspartner, die keine Vereinbarung getroffen haben, vergleichbar. Dies gilt selbst dann, wenn die nichtehelichen Partner ein samenlevingscontract geschlossen haben, denn meistens werden darin nur die Kosten der Haushaltsführung, die Rentenansprüche und die im Miteigentum erworbenen Güter im Falle des Todes eines Partners geregelt. Selten enthalten diese Verträge Absprachen über einen Ausgleich des während des Zusammenlebens erworbenen Vermögens oder Unterhaltsansprüche im Falle einer Trennung. Einen deutlichen common core (gemeinsamen Nenner) für Beteiligungssysteme einerseits und Gemeinschaftssysteme andererseits gibt es in Europa nicht. Die Errungenschaftsgemeinschaft ist einer der zwei Güterstände, die die CEFL als Modell für die Angleichung der Güterrechtssysteme in Europa vorschlagen wird. Anfang 2013 ist mit der Veröffentlichung der Prinzipien für europäisches Familienrecht betreffend die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten zu rechnen. Aus europäischer Sicht ist die Einführung eines gesetzlichen Wahlgüterstandes zu befürworten. In den CEFL-Prinzipien wird Nachdruck auf die Eigenverantwortlichkeit der Ehegatten gelegt. Nachdem erst die Rechte und Pflichten der Ehegatten (Ehewirkungen) im ersten Kapitel ausführlich geregelt werden, sind gleich im zweiten Kapitel die Eheverträge zu finden. Erst danach kommen die beiden Güterstände. In einer Vereinbarung (schriftlich, datiert und unterzeichnet und von einem Notar oder einer rechtskundigen Person mit vergleichbaren Funktionen auszufertigen) sollten die Ehegatten ihren Güterstand wählen. Innerhalb des gewählten Ehegüterstandes dürfen die Regelungen modifiziert und auf die eigene Situation angepasst werden. Eheverträge können nicht nur vor der Eheschließung, sondern auch während der Ehe geschlossen werden. Die Ehegatten können den Güterstand abändern oder zu einem anderen Güterstand überwechseln. Wenn die Wahl der Errungenschaftsgemeinschaft nicht auf einfache Weise erfolgen kann, werden Ehegatten davon wenig Gebrauch machen. Gute Informationen über die vermögensrechtlichen Folgen einer Eheschließung sind von großer Bedeutung. »Wie regele ich meine Beziehung?« sollte bereits in der Schule unterrichtet werden. Sogar Jurastudenten sind immer wieder erstaunt, wie viele Unterschiede zwischen nichtehelichen Lebenspartnern und Ehegatten bestehen und welche Folgen eine Eheschließung mit sich bringt. Der Erfolg der Errungenschaftsgemeinschaft als Wahlgüterstand hängt von der einfachen Wählbarkeit ab. Sollte der Standesbeamte eine gemeinsame Erklärung der Ehegatten registrieren können? Diese Möglichkeit wird in den Niederlanden angedacht, wo die Wählbarkeit einer beschränkten Gü-
Statement aus europäischer Sicht
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tergemeinschaft im Sinne der Errungenschaftsgemeinschaft in Erwägung gezogen wird. 8. Sollte die Errungenschaftsgemeinschaft oft gewählt werden, dann wäre der nächste Schritt, diese zum gesetzlichen Güterstand zu befördern. In diesem Falle würden die Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen in Europa weniger prägnant werden. Damit ist dann ein weiterer Beitrag zur Harmonisierung erbracht. 9. Mit der Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft würde sich Deutschland den Ländern in Europa anschließen, die diesen Güterstand auch gesetzlich geregelt haben. Das ist ungefähr die Hälfte. Eine gesetzliche Regelung der Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland würde zur Harmonisierung der verschiedenen Systeme in Europa beitragen. 10. Für grenzüberschreitende Fälle ist unter anderem die Frage des anwendbaren Rechts zu klären. Der Vorschlag für eine europäische Verordnung zum internationalen Ehegüterrecht enthält kein materielles europäisches Ehegüterrecht, sondern nur Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Gerichts und des anzuwendenden Ehegüterrechts und für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Urkunden im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Die Ehegatten können das anwendbare Recht wählen. Ob die Wählbarkeit eines Trennungssystems (Errungenschaftsbeteiligung), soweit die Ehegatten damit eine Verbundenheit aufweisen, besser den Bedürfnissen eines internationalen Ehepaares entspricht, ist empirisch nicht belegt.
Sonka Gerdes
Statement aus gleichstellungspolitischer Sicht
Nach dem Statement aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz von Herrn Dr. Meyer und dem Statement von Frau Prof. Boele-Woelki aus internationaler Perspektive möchte ich noch einmal die gleichstellungspolitische Sicht auf die Diskussion um die Errungenschaftsgemeinschaft darlegen. Im Laufe des interdisziplinären Projekts »Was kommt nach dem Ernährermodell?«, das ich betreut habe, hat sich gezeigt, dass in den untersuchten europäischen Ländern heute unterschiedliche Geschlechterrollen nebeneinander gelebt werden. Es gibt das klassische Ernährermodell neben gleichmäßiger Erwerbstätigkeit beider Partner, aber auch Familienernährerinnen, die das Haupteinkommen erwerben. Im Lebensverlauf können mehrere Modelle gelebt werden. Das Recht muss dieser Rollenpluralität gerecht werden, indem es zum Beispiel unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Rollenmodelle anbietet. Dabei steht auch das Ehegüterrecht, das die Vermögensverhältnisse in und nach der Ehe regelt, im Fokus. Das seit 2008 grundlegend reformierte Unterhaltsrecht hat unter Berufung auf den Rollenwandel und die zunehmende Berufstätigkeit beider Ehepartner der nachehelichen Eigenverantwortung einen deutlich höheren Stellenwert als bisher eingeräumt. Das bedeutet konkret, dass sich die Partner nicht länger auf eine lebenslange nacheheliche Solidarität verlassen können, sondern nach der Scheidung selbstständig für ihre Existenzsicherung sorgen müssen. Eine von den Partnern gemeinsam beschlossene asymmetrische Rollenverteilung darf sich aber nicht einseitig zulasten eines Partners auswirken, da die unterschiedlichen Beiträge zur Ehe als gleichwertig anzusehen sind. Dies ist ein gleichstellungspolitisches Ziel, das auch im Recht verankert werden muss. In diesem Zusammenhang kommt den güterrechtlichen Ausgleichssystemen eine gesteigerte Bedeutung zu. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe »Ehegüterrecht« zielen entsprechend auf eine Stärkung der Verantwortung zwischen den Partnern bei bestehender Ehe:
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Sonka Gerdes
Denn gerade weil das neue Unterhaltsrecht die nacheheliche Solidarität beschnitten hat, besteht ein größerer Bedarf an Solidarität während der bestehenden Ehe. Diese Vorschläge stimmen mit den Erwartungen der Deutschen an die Ehe überein. Ergebnisse der heute Vormittag von Prof. Wippermann vorgestellten aktuellen Studie »Partnerschaft und Ehe – Entscheidungen im Lebensverlauf« zeigen ganz deutlich, dass für die Mehrheit der Befragten während einer bestehenden Partnerschaft Solidarität und fairer Nachteilsausgleich wichtig und selbstverständlich sind. Nach der Trennung ist die Bereitschaft zur Solidarität gegenüber dem Ex-Partner dagegen deutlich weniger ausgeprägt. Die Studie hat gezeigt, dass ein ganz wichtiges Motiv für die Eingehung der Ehe der Wunsch nach einem verlässlichen rechtlichen Rahmen ist. Die befragten Frauen und Männer gehen dabei ganz mehrheitlich davon aus, dass das geltende Güterrecht eine gemeinschaftliche Teilhabe am während der Ehe erwirtschafteten Vermögen bewirkt. Dieser Erwartung sollte auch das Güterrecht entsprechen. Da es zurzeit keinen praktikablen gemeinschaftlichen Güterstand gibt – die Gütergemeinschaft ist schon wegen der Mithaftung für voreheliche Schulden und aufgrund der komplizierten gemeinsamen Verwaltung nicht attraktiv –, würde mit der Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft der tatsächlichen Vorstellung der Bevölkerung vom Ehegüterrecht entsprochen. Aus gleichstellungspolitischer Sicht ist es daher sinnvoll, den Partnern einen Wahlgüterstand zu bieten, der bewirkt, dass während der Ehe eine faire Vermögensbeteiligung stattfindet und damit auch eine Partizipation des weniger verdienenden Partners sichergestellt wird. Eine solche Beteiligung am während der Ehe erwirtschafteten Vermögen sieht der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft vor. In der Errungenschaftsgemeinschaft bestehen vor allem bessere Mitentscheidungsbefugnisse über die Verwendung des Erwirtschafteten während der Ehe. Dabei ist zu betonen, dass die Errungenschaftsgemeinschaft als Alternative zur Zugewinngemeinschaft eingeführt werden sollte. Damit gäbe es eine echte Wahl zwischen Güterständen der Gütertrennung und einem gemeinschaftlichen Güterstand. Für die nach unterschiedlichen Rollenbildern gelebten Ehen würde ein angemessen differenziertes Angebot geschaffen. Insgesamt hat die Studie von Prof. Dr. Wippermann gezeigt, dass es in der Bevölkerung sehr wenige Kenntnisse über das Ehegüterrecht gibt. Hier wäre es wichtig, z. B. im Vorfeld von Eheschließungen besser zu informieren.
Tobias Helms
*
Statement aus rechtswissenschaftlicher Sicht
Lässt man die Vorträge, die wir gehört, und die Diskussionen, die wir geführt haben, Revue passieren, so läuft alles zunächst auf die Frage hinaus, ob es eigentlich die Mühe lohnt, einen Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in das BGB einzuführen. Gibt es in der Lebenswirklichkeit überhaupt ein Problem, das ein Tätigwerden des Gesetzgebers rechtfertigt? Wählt man als Ausgangspunkt die Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit, so kommt man in der Tat, wie Frau Dauner-Lieb das ausgeführt hat, nicht an dem Befund vorbei, dass es im Güterrecht einen Regelungsbedarf gibt. Das Postulat der Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit gehört zu den grundlegenden Prinzipien unseres Familienvermögensrechts, es hat im Recht des Ehegatten- und Verwandtenunterhalts Bedeutung und stellt ein maßgebliches Leitprinzip dar, auf das sich der historische Gesetzgeber bei der Ausarbeitung des gesetzlichen Güterstandes gestützt hat. Betrachtet man aber die Zugewinngemeinschaft vor dem Hintergrund dieses Postulats konsequent und einseitig aus der Perspektive von Art. 3 Abs. 2 GG, kommt man nicht an der Erkenntnis vorbei, dass die mangelnde dingliche Mitberechtigung des haushaltsführenden Ehegatten während bestehender Ehe, das sogenannte dingliche Gefälle1, nicht zu rechtfertigen ist. Durch die Zuweisung von Vermögenswerten und die damit verbundene Verfügungsbefugnis werden nämlich ein Stück weit auch die Machtverhältnisse zwischen den Ehegatten festgelegt. Nun könnte man vielleicht einwenden, dass die traditionelle Hausfrauenehe auf dem Rückzug ist und es sich nicht mehr lohnt, im 21. Jahrhundert Probleme zu lösen, die im 20. Jahrhundert bestanden haben mögen. Doch gibt es nach meinem Eindruck eine Diskrepanz zwischen der vielerorts gefühlten Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Arbeitswelt und der tatsächlichen * Schriftliche Fassung eines mündlichen Statements, das der Verfasser am 22. 6. 2012 auf der Tagung »Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft?« in Berlin abgegeben hat. Die ursprüngliche Form wurde weitgehend beibehalten. 1 Röthel, FPR 2009, S. 273 ff.
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Tobias Helms
Verteilung der Erwerbseinkommen. Die Zunahme der Frauenerwerbsquote ist in ganz erheblichem Umfang auf einen Anstieg von Teilzeitarbeit zurückzuführen. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Männern ist mit 22,5 Stunden nach wie vor fast doppelt so hoch wie die von Frauen, die bei 12 Stunden pro Woche liegt.2 Daher besteht auch heute noch ausreichender Anlass, den Ehegatten, der seine Karriere für die Familie einschränkt, am Vermögenszuwachs des anderen zu beteiligen. In der Diskussion wird teilweise vorgebracht, eine Errungenschaftsgemeinschaft lasse sich bereits nach geltendem Recht in Deutschland begründen, indem die Regeln der Gütergemeinschaft entsprechend modifiziert würden. Dieser Einwand überzeugt nicht, denn zentrale Strukturen einer modernen Errungenschaftsgemeinschaft lassen sich gerade nicht durch güterrechtliche Vereinbarungen nachbilden: So können für die Gütergemeinschaft weder konkurrierende Verwaltungsbefugnisse bestimmt werden, noch lässt sich das besonders gläubigerfreundliche Haftungsregime abbedingen, etwa die Haftung des anderen Ehegatten auch für voreheliche Schulden.3 Auch das Argument, eine Errungenschaftsgemeinschaft berge die Gefahr einer Mithaftung für Schulden des anderen Ehegatten und sei deshalb unter fürsorgerischen Gesichtspunkten nicht zu empfehlen, verfängt kaum. Frau Dauner-Lieb ist dieser Argumentation überzeugend entgegengetreten, indem sie darauf hingewiesen hat, dass es nach dem Konzept des gesetzlichen Güterstandes hingenommen wird, wenn ein Ehegatte durch seine Erwerbstätigkeit das gesamte Vermögen allein erwirbt. Einen Schutz dagegen, dass dieser Ehegatte sich verschuldet und der Vermögenserwerb auf diese Weise wieder zunichte gemacht wird, gibt es auch nach geltendem Recht nicht. Im Gegenteil begründet die Schlüsselgewalt nach § 1357 BGB für viele Verbindlichkeiten eine gesetzliche Mithaftung beider Ehegatten; und soweit diese Vorschrift nicht greift, besteht im Wirtschaftsleben regelmäßig die Praxis, beide Ehegatten für familienbezogene Verbindlichkeiten in die Haftung zu nehmen, etwa beim Abschluss von Mietverträgen über Wohnraum. Dass sich der historische Gesetzgeber des Gleichberechtigungsgesetzes im Jahre 1957 gegen die Errungenschaftsgemeinschaft und für die Zugewinngemeinschaft entschieden hat, sollte heute nicht überbewertet werden, zumal es bei unserer Diskussion nicht um die Frage des gesetzlichen Güterstandes geht, sondern nur darum, einen nach einhelliger Meinung obsolet gewordenen Wahlgüterstand durch einen anderen Güterstand auszutauschen, der in vielen europäischen Staaten seit Jahrzehnten unangefochten der gesetzliche Güterstand ist. Vergegenwärtigt man sich außerdem die Reformdiskussion vor Ver2 Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der Bevölkerung in Deutschland 2001/2002, 2003, S. 9 (abrufbar unter www.destatis.de/). 3 Mecke, AcP 211 (2011), S. 886, 898.
Statement aus rechtswissenschaftlicher Sicht
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abschiedung des Gleichberechtigungsgesetzes, verdienen zwei Gesichtspunkte hervorgehoben zu werden: So wäre es durchaus denkbar gewesen, dass sich die Gütergemeinschaft oder die Errungenschaftsgemeinschaft, die beide in der ursprünglichen Fassung des BGB als Wahlgüterstand vorgesehen waren, als gesetzlicher Güterstand hätten durchsetzen können. Prominenter Fürsprecher einer solchen Lösung war – um nur ein Beispiel zu nennen – F. W. Bosch. Auch ein zweiter Aspekt verdient Beachtung: Aus heutiger Sicht führt die Entscheidung für die Zugewinngemeinschaft zu einer Benachteiligung des Ehegatten, der seine beruflichen Aktivitäten im Interesse der Familie einschränkt. Doch scheint dieser Aspekt in den 1950er-Jahren anders bewertet worden zu sein: Angesichts der rechtlichen und faktischen Dominanz des Ehemannes wurde offenbar eine klare Trennung der Vermögenssphären während der Ehe als das beste Mittel angesehen, um die Selbstständigkeit der Ehefrau in vermögensrechtlicher Hinsicht zu garantieren.4 Allerdings darf man auch keine übertriebenen Erwartungen an die Einführung einer Errungenschaftsgemeinschaft knüpfen. Der Kuchen, der zu verteilen ist, wird nicht größer. Auch die Vermögensaufteilung wird in aller Regel nicht dadurch weniger streitanfällig, dass bereits während bestehender Ehe eine dingliche Mitberechtigung der Ehegatten eintritt. Auch das Machtungleichgewicht zwischen den Ehegatten, das aufgrund des sogenannten dinglichen Gefälles bei der Zugewinngemeinschaft besteht, sollte nicht überbewertet werden. Viele Vermögensgegenstände, insbesondere Immobilien, erwerben Ehegatten typischerweise auch jetzt schon zu Miteigentum. Und im Übrigen sind sich viele Ehegatten – wie wir in dem Beitrag von Herrn Wippermann gehört haben – überhaupt nicht bewusst, dass während bestehender Ehe nicht alles Vermögen beiden Ehegatten automatisch gemeinsam gehört. Selig sind also die Unwissenden! Mein Fazit wäre, dass es im Familienrecht drängendere Probleme geben mag als die Ersetzung der Gütergemeinschaft durch einen neuen Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft. Gleichwohl handelt es sich um ein lohnenswertes Projekt, das der Gesetzgeber über kurz oder lang ernsthaft in Angriff nehmen sollte. Seine Verwirklichung würde nicht nur einen Beitrag zur geschlechtergerechten Fortentwicklung des Familienrechts leisten, sondern auch die Anschlussfähigkeit des deutschen Güterrechts an die europäische Rechtsentwicklung sicherstellen.
4 Helms, FS Spellenberg 2010, S. 27, 29.
Angelika Nake
Statement aus Sicht des Deutschen Juristinnenbundes
Die Zugewinngemeinschaft wurde 1958 gesetzlicher Güterstand. Sicherlich zu recht geht der Gesetzgeber in seinem Entwurf zur Änderung des Zugewinnausgleichs in 2008 davon aus, dass sich das Recht des Zugewinnausgleichs in der Praxis bewährt hat.1 Er stellt sicher, dass beide Ehegatten an dem während der Ehe Erworbenen je zur Hälfte beteiligt werden. Der Gesetzgeber hat mit der Änderung von 2008 Reformen vorgenommen, weil er festgestellt hat, dass das geltende Recht unredliche Vermögensverschiebungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten zulasten des begünstigten Ehegatten nur unzureichend verhindert. Hintergrund ist hier, dass das grundsätzliche Prinzip der Zugewinngemeinschaft die Gütertrennung ist. Der Güterstand führt nicht kraft Gesetzes zu gemeinschaftlichem Eigentum der Ehegatten. Vielmehr behält jeder Ehegatte sein vor und während der Ehe erworbenes Vermögen als sein Eigentum und haftet – abgesehen von den Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie – auch nur für seine Schulden mit seinem Vermögen. Jeder Ehegatte kann sein Vermögen grundsätzlich selbst verwalten und frei darüber verfügen.2 Der Gesetzgeber führt in den Begründungen zum Änderungsgesetz weiter aus, dass die Freiheit jedes Ehegatten mit seiner ehelichen Verantwortung in Einklang gebracht werden muss. Der Sinn des Zugewinnausgleichs besteht darin, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten seinen Anteil an den in der Ehe erarbeiteten wirtschaftlichen Werten zukommen zu lassen; denn die auf Lebenszeit angelegte Ehe verbindet die Ehegatten in einer von Gleichberechtigung geprägten partnerschaftlichen Gemeinschaft, die gegenseitige Verpflichtungen auch in vermögensrechtlicher Hinsicht schafft. Diese Verpflichtungen werden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Trennung und Scheidung nur verändert, aber nicht beendet und rechtfertigen grundsätzlich die Aufteilung des während der gesamten Ehezeit erworbenen Vermögens (so 1 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs und Vormundschaftsrechts, Bundestagsdrucksache 16/10798. 2 wie vor [Satz?]
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Angelika Nake
auch BVerfGE 53, S. 257, 297 und BVerfGE 80, S. 170, 180). Diesem Gedanken entspricht die Errungenschaftsgemeinschaft sicherlich nicht weniger als die Zugewinngemeinschaft. Faktisch gibt es für Ehegatten im deutschen Recht keine Alternative zur Gütertrennung als grundsätzliche Entscheidung des Güterstandes. Auch die Zugewinngemeinschaft gehört zu den Güterständen der Gütertrennung. Die Vereinbarung eines Güterstandes der Gütergemeinschaft ist faktisch kaum möglich. Die Gütergemeinschaft der §§ 1415 – 1482 BGB wird so gut wie gar nicht mehr vereinbart. Sogar für landwirtschaftliche Betriebe wird davon abgeraten, da die Eheleute Miteigentümer des Hofes werden und der frühere Alleineigentümer bei Eheende die Herausgabe des Hofes nur gegen vollen Ersatz der Verkehrswertsteigerung des Hofes verlangen kann. Dies kann eine gravierende Belastung für den Hofeigentümer darstellen. Allenfalls kommt dieser Güterstand noch in Betracht, wenn der Hof zum Vorbehaltsgut erklärt wird. Dann sind aber auch Ausgleichsregeln für den anderen Ehepartner erforderlich. Sie ist durch die Vorschriften der gemeinsamen Verwaltung und der gemeinsamen Haftung für voreheliche Schulden völlig veraltet und sollte reformiert werden. Eine Änderung dieser Vorschriften durch Notarvertrag ist nur ungenügend möglich. Durch den Grundsatz der Beschränkung der Vertragsfreiheit des § 1409 BGB kann eine Änderung des Güterstandes der veralteten Gütergemeinschaft in eine moderne Form der Errungenschaftsgemeinschaft nach dem Vorbild der europäischen Nachbarländer nicht vorgenommen werden. Auch ist beispielsweise der Ausschluss des Sondergutes nicht möglich, da es gesetzlich begründet wird, sodass in der Gütergemeinschaft des deutschen Rechts immer 5 Gütermassen entstehen. Das Eigengut jedes Ehegatten, das unterteilt wird in Vorbehaltsgut, das vereinbart werden kann und Sondergut, das gesetzlich entsteht. Zusätzlich dazu entsteht 1 Gütermasse des Gesamtsgutes. In der modernen Errungenschaftsgemeinschaft entstehen nur 3 Gütermassen, da diese die Unterscheidung zwischen Sondergut und Vorbehaltsgut nicht macht. Die Praktiker und Praktikerinnen im Familienrecht stellen aber immer wieder fest, dass die Mehrzahl der Mandanten, die zur Beratung im Familienrecht kommen, davon ausgeht, in einer Gütergemeinschaft zu leben. Nicht nur in Bezug auf in der Ehe erworbene Häuser und Eigentumswohnungen herrscht die Ansicht vor, dass beide Ehegatten automatisch Miteigentümer der Immobilie sind. Auch bei Lebensversicherungen und beim Hausrat gehen Ehegatten in der Regel vom gemeinschaftlichem Eigentum aus. Dieser Irrtum existiert nicht nur bei der breiten Bevölkerung, sondern auch bei juristisch gebildeten Ehegatten. Die Menschen heiraten eben nicht nur aus steuerrechtlichen Gründen, sondern vielmehr, weil sie füreinander einstehen wollen und dies persönlich, rechtlich und finanziell. Diesem Anspruch wird die Gütertrennung als Güterstand nicht
Statement aus Sicht des Deutschen Juristinnenbundes
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immer gerecht, jedenfalls besteht sicherlich bei einer Anzahl von Ehegatten das Interesse, eine Gütergemeinschaft zu vereinbaren.
Errungenschaftsgemeinschaft Errungenschaftsgemeinschaften gibt es in vielen Staaten als gesetzlichen Güterstand, beispielsweise in Spanien, Italien, Belgien, Frankreich, Luxemburg, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, in der Slowakei und Portugal, um nur einige zu nennen. In diesen Ländern ist die große Mehrheit der Ehegatten im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft verheiratet. Die Grundstruktur ist, dass es gemeinsames Vermögen und das private Vermögen eines jeden Ehegatten gibt. Privates Vermögen in der Errungenschaftsgemeinschaft sind z. B. – Vermögensgegenstände und Rechte, die jedem Ehegatten bei Beginn der Ehe gehörten, – die die Ehegatten später unentgeltlich erwerben, – nicht übertragbare Vermögensrechte, – Schäden an seinem privaten Vermögen, – Kleidungsstücke und Gegenstände des persönlichen Gebrauchs, – Gegenstände, die er für die Ausübung seines Berufs oder Gewerbes benötigt.
Dahingegen ist Gemeinschaftsgut das, was – beide Ehegatten durch ihre Arbeit oder ihr Gewerbe während der Ehe erwerben, – Früchte, Erträge und Zinsen der privaten Güter – wobei es in den verschiedenen Rechtsordnungen, die die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand kennen, durchaus im Einzelnen Unterschiede geben kann; – auf Kosten des Gesamtgutes erworben wurde; – darüber hinaus gibt es eine Vermutung, dass ein Gut im Zweifel Gesamtgut ist, was dazu führt, dass die gemeinschaftlichen Güter im Laufe der Zeit anwachsen. Die Verwaltung der gemeinsamen Güter wird in den verschiedenen Formen der Errungenschaftsgemeinschaften nicht einheitlich geregelt. Teilweise wird von einer gemeinschaftlichen Verwaltung ausgegangen, so zum Beispiel in Spanien, mit Ehevertrag sind aber diese Regelungen zu ändern. Teilweise findet auch eine sogenannte konkurrierende Verwaltung statt, d. h., grundsätzlich sind beide Ehegatten auch einzelvertretungsberechtigt, so zum Beispiel in Belgien.
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Angelika Nake
In allen Formen der Errungenschaftsgemeinschaft aber besteht eine Berechtigung beider Ehegatten zur Mitverwaltung des Gesamtgutes, da beide Ehegatten am Gemeinschaftsgut Miteigentümer sind. Dies bedeutet, dass hierdurch eine Kontrollmöglichkeit der Verwaltungshandlungen des anderen Ehegatten am Gesamtgut besteht. Dies führt auch zu einem vollständigen Informationsrecht hinsichtlich der Verwaltungsmaßnahmen des anderen Ehegatten am Gesamtgut. In der Zugewinngemeinschaft ist dagegen jeder Ehegatte in der Verwaltung des Vermögens frei, Beschränkungen ergeben sich nur aus den §§ 1365 ff BGB, hiernach sind Verfügungen über das Vermögen als Ganzes oder über Haushaltsgegenstände nicht ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten, der nicht Eigentümer der Gegenstände ist, wirksam. Ein Schutz der Familienwohnung vor Verfügungen des Eigentümer-Ehegatten fehlt leider noch, sodass der Eigentümer-Ehegatte sogar die Wohnung der Familie verkaufen kann, selbst wenn als Folge hiervon die Obdachlosigkeit der Familie eintritt. Über diese Beschränkungen hinaus gibt es weder Kontrollrechte noch einen ausreichenden Auskunftsanspruch. Einflussmöglichkeiten auf die Verwaltung des Vermögens des anderen Ehegatten fehlen in der Zugewinngemeinschaft völlig. In der Errungenschaftsgemeinschaft hat jeder Ehegatte einen echten Miteigentumsanspruch auf den Zuerwerb. Dies hat dann auch zur Folge, dass er während der Ehe und nach der Trennung einen eigenen Auskunftsanspruch hinsichtlich des Vermögens hat, an dem er beteiligt ist. Auch dem deutschen Familienrecht ist im Übrigen ein Auskunftsanspruch gegenüber einem Dritten nicht grundsätzlich fremd. § 10 a Abs. 11 VAHRG (Versorgungsausgleichsgesetz) normiert einen eigenen Auskunftsanspruch eines Ehegatten gegenüber dem Versorgungsträger des anderen Ehegatten. Der Auskunftsanspruch der deutschen Zugewinngemeinschaft, der während der Ehe besteht, und der berechtigt, Auskunft über das Vermögen des anderen in groben Zügen einfordern zu können, ist jedoch ein stumpfes Schwert und wird – vielleicht auch deshalb – kaum genutzt. Andererseits ist es aber auch im Unterhaltsrecht so, dass Klagen in der intakten Ehe eine absolute Ausnahme sind. So wird der Taschengeldanspruch des Ehegatten innerhalb der Ehe in der Regel von den Gläubigern des taschengeldberechtigten Ehegatten geltend gemacht und nicht von dem Ehegatten selbst, wiewohl er den Anspruch gegenüber dem anderen hat. Auch der Anspruch auf den Familienunterhalt wird nur äußerst selten eingeklagt und dann auch nur zu Ende der Ehe.
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Situation des Ehegatten, der wegen Kinderbetreuung kein oder ein geringeres Einkommen hat Auch in der Zugewinngemeinschaft kann der Ehegatte ohne eigenes Einkommen im Rahmen der Schlüsselgewalt den anderen Ehegatten als Schuldner verpflichten, beide haften als Gesamtschuldner für die im Rahmen der Schlüsselgewalt eingegangenen Verpflichtungen. Dies ist beispielsweise in der spanischen Errungenschaftsgemeinschaft ebenso. Der handelnde Ehegatte haftet hier allerdings anders als im deutschen Recht vorrangig, der nicht handelnde Ehegatte haftet subsidiär. Dies ist von beiden Rechtsordnungen her folgerichtig. Da die deutsche Nurhausfrau kein Einkommen hat, würde ihr die nachrangige Haftung für Handlungen des Ehemannes im Rahmen der Schlüsselgewalt nichts nutzen, wohingegen die spanische Nurhausfrau eigenes Vermögen durch das Miteigentum am Gesamtgut hat. Die deutsche Nurhausfrau hat lediglich einen Anspruch auf ein angemessenes Wirtschaftsgeld und auf ein Taschengeld, den sie aber auch erst gegenüber ihrem Ehemann geltend machen muss. Im Vergleich beider Güterstände zeigt sich dann auch der gravierende Unterschied. Die deutsche Zugewinngemeinschaft ist ein Güterstand der Gütertrennung. Der sogenannte Zugewinnanspruch realisiert sich erst bei der Beendigung der Ehe. Im Rahmen der Errungenschaftsgemeinschaft findet die Anwachsung bereits während der Ehe statt. Zu einem Zeitpunkt, in dem die gleichberechtigte Teilhabe in der intakten Ehe den Interessen beider Ehegatten entspricht. Der Vorteil des deutschen gesetzlichen Güterstandes zeigt sich bei einer Ehe von zwei berufstätigen Ehegatten, die beide in Vollzeit berufstätig sind und keine Kinder haben (DINKs: double income no kids). Hier ist jeder Ehegatte völlig frei in der Verwaltung, es gibt kein Mitspracherecht des anderen Ehegatten in sein Vermögen. Auch die Schuldenhaftung ist unproblematisch. Anders ist es allerdings bei Ehen, in welchen einer der Ehegatten die Kinder versorgt und hier auf Berufstätigkeit und Einkommen – zumindest teilweise – verzichtet. Nach Abgeltung der Unterhaltspflichten für die Familie ist der arbeitende Ehegatte völlig frei in seinen Dispositionen. Mit dem Überschuss kann der verdienende Ehegatte tun, was ihm beliebt. Lediglich die Vermögensverschwendung ist im Falle der Scheidung hinzuzurechnen, dies muss allerdings vom Antragsteller vorgetragen und nachgewiesen werden. Die freie Vermögensverwaltung nutzt nur dem Ehegatten, der auch etwas zum Verwalten hat. Das spanische Recht sieht einen Güterstand, in welchem ein Ehegatte keine Mitwirkungs- und Kontrollrechte hinsichtlich des in der Ehe erwirtschaften Vermögens hat, als gleichheitswidrig an. So wird in Spanien sogar diskutiert, ob es nicht auch gegen das Gleichbehandlungsgebot der spanischen Verfassung verstößt, wenn ein Ehegatte den anderen per Ehevertrag bevollmächtigt, seine
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Angelika Nake
Hälfte am Gemeinschaftsgut mit zu verwalten. Notarverträge werden hier sehr kritisch überprüft. Dass in der deutschen Zugewinngemeinschaft einer der Ehegatten alleine das vollständige Einkommen der Familie und auch das vollständige Vermögen der Familie verwalten kann, ohne dass der andere Ehegatte auch nur eine Einflussmöglichkeit hierauf hat, wird bisher unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Gleichbehandlung in der deutschen Jurisprudenz nicht diskutiert. Durch die Gütertrennung hat der Ehegatte, der weder Vermögen noch Einkommen hat, faktisch keine Möglichkeit, Vermögen zu bilden oder Vermögen zu verwalten. Selbst wenn der verdienende Ehegatte objektiv derart mangelhaft verwaltet, dass kein Vermögen angespart wird, hat der nichtverdienende Ehegatte keine Möglichkeit der Einflussnahme. Er ist der Verwaltung des anderen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Grundsätzlich ist die deutsche Zugewinngemeinschaft auf Ehen von berufstätigen Ehegatten ohne Kinder zugeschnitten, hier hat sie unbestrittene Stärken. Bei Alleinverdienerehen zeigt sie aber eklatante Nachteile. Es stellt sich die Frage, ob ein gesetzliches Güterrecht nicht ohnehin infrage zu stellen ist, welches sich als Regelungsmöglichkeit nur für eine Minderheit der Ehen anbietet. Vor dem Hintergrund, dass ein Ehegüterrecht auch angemessene Lösungen für die Ehen anbieten sollte, in denen ein Ehegatte – und wenn auch nur zeitweise – ganz oder teilweise aus dem Beruf aussteigt, um gemeinsame Kinder zu erziehen, sollte es den Ehegatten wenigstens möglich gemacht werden, einen Güterstand zu vereinbaren, mit dem sie dem gemeinschaftlichen Gedanken der Ehe Ausdruck verleihen können. Die Ehefrauen und Mütter, die in Zeiten des beruflichen Ausstiegs und der Erziehung von Kindern dringend aufgerufen wären, einen Ehevertrag zu schließen, sind sich der rechtliche Situation überhaupt nicht bewusst, da sie mehrheitlich von einer anderen gesetzlichen Regelung ausgehen. Durch die Einführung eines Wahlgüterstands der Errungenschaftsgemeinschaft würde zum einen überhaupt eine Wahrnehmung in der Bevölkerung dahingehend entstehen, was der gesetzliche Güterstand beinhaltet. Zum anderen würde es eine Möglichkeit geben, den Güterstand zu vereinbaren, in dem vermeintlich mehr als 90 Prozent der Ehegatten schon verheiratet sind. Einwendungen in Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Auflösung des Güterstandes können hier bei der Anzahl der Nachbarländer, die die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand haben, nicht überzeugen.
Anne Sanders
Diskussionsbericht
Die Podiumsdiskussion begann mit einem Statement der Teilnehmer und Teilnehmerinnen und wurde von Dr. Anne Sanders moderiert. Im Kern enthielten die Statements folgende Aussagen: Ministerialrat Dr. Thomas Meyer (Bundesministerium der Justiz) sprach sich gegen die Errungenschaftsgemeinschaft aus. Die Errungenschaftsgemeinschaft der DDR könne kein Vorbild sein. Eine Errungenschaftsgemeinschaft könne in Abwandlung der allgemeinen Gütergemeinschaft nach geltendem Recht vereinbart werden; es fehle aber an Interesse und Bedürfnis. Gegebenenfalls könne die Gütergemeinschaft reformiert werden. Dafür seien konkrete Vorschläge aus Wissenschaft und Praxis willkommen. Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki (Universität Utrecht) erklärte, die Errungenschaftsgemeinschaft sei in Europa weit verbreitet, sodass eine Einführung als Wahlgüterstand in Deutschland positiv wirken könne. Allerdings sei mehr Information erforderlich, damit die Bürger vom neuen Güterstand auch Gebrauch machen könnten. Sonka Gerdes (Bundesfamilienministerium) betonte, die Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft sei aus gleichstellungspolitischen Gründen erforderlich. Prof. Dr. Tobias Helms (Universität Marburg) nahm den Vorschlag Dr. Meyers einer Reform der Gütergemeinschaft auf und erklärte, eine modernisierte Gütergemeinschaft könnte wesentliche Züge der Errungenschaftsgemeinschaft tragen. Von der Errungenschaftsgemeinschaft könnten keine Wunder erwartet werden, jedoch verdiene sie als mittelfristiges Projekt Aufmerksamkeit und Unterstützung. Rechtsanwältin Dr. Angelika Nake (Deutscher Juristinnenbund) bekräftigte, auch die Zugewinngemeinschaft mit dem Nebengüterrecht stelle die Praxis vor zahlreiche Probleme. Größere Probleme seien auch von der Errungenschaftsgemeinschaft nicht zu erwarten. Anschließend wurde die Diskussion für das Publikum geöffnet. Prof. Dr. Anne Röthel (Bucerius Law School) erklärte ihre Zustimmung zu einer Einführung der
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Errungenschaftsgemeinschaft nicht nur als Wahlgüterstand, sondern als gesetzlicher Güterstand. Darüber hinaus müsse diskutiert werden, ob die Freiheit, die güterrechtliche Beteiligung durch Ehevertrag auszuschließen, in jedem Fall angebracht sei. Dr. Christoph-Eric Mecke (Universität Hannover) erklärte in Reaktion auf das Statement Dr. Meyers, die Geltung der Errungenschaftsgemeinschaft in der DDR habe keinen ideologischen Hintergrund gehabt. Im Gegenteil hätten führende DDR-Ideologen einen auf der Gütertrennung beruhenden Güterstand befürwortet. Bis zur Gewährleistung vollständiger Gleichberechtigung der Geschlechter in der Arbeitswelt sei jedoch die Errungenschaftsgemeinschaft als vorzugswürdig angesehen worden. In Bezug auf Dr. Meyers Vorschlag, die Wissenschaft möge Vorschläge zur Reform der Gütergemeinschaft machen, führte Dr. Mecke aus, dringendster Punkt einer Reform sei die unabdingbare Haftung beider Ehegatten für voreheliche Schulden – sogar aus Delikt. Müsse man dies ändern, biete es sich jedoch an, an Stelle der Gütergemeinschaft eine moderne Errungenschaftsgemeinschaft einzuführen, in der nur das in der Ehe erworbene Vermögen auch gemeinsames Eigentum werde. Diese Form der Teilhabe genieße in der Bevölkerung mehr Akzeptanz. Dr. Thomas Meyer erwiderte, in der DDR hätten die Menschen weniger Vermögen besessen, sodass die Berechnung der Errungenschaft einfacher gewesen sei. Erforderlich für eine Reform der Gütergemeinschaft seien konkrete Vorschläge; der pauschale Wunsch nach etwas Modernem reiche nicht aus. Ein solcher Wunsch sei auch von Bürgerseite noch nicht an ihn herangetragen worden. Prof. Dr. h. c. mult. Hilmar Fenge (Universität Hannover) wies auf zwei Nachteile hin, welche die Errungenschaftsgemeinschaft in ihrer reinen Form gegenüber der Zugewinngemeinschaft bei ungleichen Vermögens- und Erwerbsverhältnissen aufweise. Ein von Anfang an vermögender Partner könne grundsätzlich durch Verfügung über sein gesamtes Vermögen der Ehe die wirtschaftliche Basis entziehen, während er ungehinderten Zugriff auf den Erwerb des anderen Ehegatten habe. Diesen Gefahren begegne man in Frankreich im sogenannten »r¦gime primaire« durch eine neben partiellen gesetzlichen Einschränkungen nicht unproblematische Ermächtigung des Familienrichters, zum Schutz der Familieninteressen eigenmächtige Verfügungen eines Ehegatten über eigene oder gemeinschaftliche Vermögensgegenstände zu untersagen. Bei Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft als Wahlgüterstand in Deutschland müsste wohl an eine entsprechende Regelung gedacht werden. Im Übrigen berichtete Fenge über eine von ihm initiierte (von Nicola Ekhtiari und Sigrid Andersen durchgeführte) größere empirische Erhebung zur praktischen Bedeutung der Zugewinngemeinschaft als Wahlgüterstand in Frankreich nach der Reform von 1985. Der Anteil der entsprechenden Eheverträge stieg
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seinerzeit binnen drei Jahren um mehr als das Doppelte auf ca. 8 Prozent an. Die Empfehlungen der Notare waren recht zurückhaltend. Zwar wurde u. a. die Gerechtigkeit des Güterstandes gelobt, aber doch der Meinung Ausdruck gegeben, er sei eher für Intellektuelle geeignet. Ähnlich hatte sich auch der bekannte Rechtswissenschaftler G¦rard Cornu geäußert: »ein Güterstand für eine stark motivierte Minderheit«. Rechtsanwältin Eva Becker (Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein) erklärte, Mängel des neuen Unterhaltsrechts könnten nicht durch das Güterrecht kompensiert werden. Allenfalls müsse das neue Unterhaltsrecht überprüft werden. Weiter argumentierte sie, aus europäischer Sicht habe ein Güterstand wie die Zugewinngemeinschaft, dem die Gütertrennung zugrunde liege, Vorteile. Gerade im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr schaffe Gütertrennung klare Rechtsverhältnisse. Gesamtgut verursache dagegen bei wachsender Mobilität und immer mehr grenzüberschreitenden Fällen große Probleme. Schließlich sei die Errungenschaftsgemeinschaft zwar bewältigbar, allerdings sei zu bezweifeln, dass die Ergebnisse ebenso vorhersehbar seien wie bei der Zugewinngemeinschaft. Dr. Christoph-Eric Mecke fragte Rechtsanwältin Becker daraufhin, ob die Gütergemeinschaft, die heute Vergleichspunkt sei, ebenfalls vorhersehbare Ergebnisse liefere. Das verneinte Rechtsanwältin Becker. Dr. Thomas Meyer erklärte in Anlehnung an die Ausführungen Rechtsanwältin Beckers, Zugewinn und Unterhalt dienten in der Tat unterschiedlichen Zielen. Während der Zugewinnausgleich auf »Vergangenheitsbewältigung« und einen »Clean Break« ziele, diene der Unterhalt der »Zukunftsbewältigung«. Anders als beim Zugewinn wirke hier nacheheliche Solidarität nach. Der Zugewinnausgleich schaffe schematisch klare Lösungen und könne keine absolute Gerechtigkeit gewährleisten. Prof. Dr. Boele-Woelki betonte, die Commission on European Familiy Law (CEFL) habe keine Kompetenz, ein europäisches Familienrecht zu schaffen. Es sei vielmehr eine rein akademische Initiative, die jedoch materiell-rechtliche Impulse für den nationalen Gesetzgeber erarbeite. Derzeit werde diskutiert, welcher Güterstand »europafähig« sei. In der Tat habe ein Güterstand, der von der Gütertrennung ausgehe, für internationale Paare Vorteile. Die CEFL werde zwei Güterstände für Europa vorschlagen, die Errungenschaftsbeteiligung und die Errungenschaftsgemeinschaft. Sonka Gerdes erwiderte auf Prof. Dr. Boele-Woelki, es sei sogar sinnvoll, zwei europäische Ehegüterstände vorzuschlagen: einen mehr gemeinschaftlichen wie die Errungenschaftsgemeinschaft und einen, der auf Gütertrennung basiere wie die Zugewinngemeinschaft. Damit würde man den verschiedenen in Europa gelebten Rollenmodellen besser gerecht. Dr. Thomas Meyer warnte davor, auf europäische Initiativen zu setzen, da der EU die Kompetenz für das materielle
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Familienrecht fehle. Selbst Initiativen im internationalen Privatrecht des Familienrechts erwiesen sich als schwierig. Frau RiOLG Dr. Gudrun Lies-Benachib (OLG Frankfurt, Deutscher Juristinnenbund) bekräftigte die Bedeutung des Versorgungsausgleichs für die Alterssicherung von Frauen, die die Familienarbeit übernommen hatten. Dieser sollte durch die Einführung eines neuen Güterstandes nicht beeinträchtigt werden. Ein neuer Güterstand mache ihr keine Sorgen, da es auch so zahlreiche Probleme mit der Zuordnung der Güter zum einen oder anderen Ehegatten gebe. Eheverträge würden dagegen häufig Schwierigkeiten aufwerfen. Statt eine Errungenschaftsgemeinschaft nach dem Vorschlag Dr. Meyers durch einen Notar aus der Gütergemeinschaft zu konstruieren, sei es vorzugswürdig, wenn der Gesetzgeber ein Regelwerk zur Verfügung stelle. Im Übrigen endeten die meisten Ehen nach wie vor durch den Tod eines Ehegatten. Dass der überlebende Ehegatte nicht Vermögensinhaber sei, verursache nach dem Tod des Partners große Probleme in der Praxis. Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb stimmte Prof. Dr. Tobias Helms zu, dass man keine Wunder erwarten dürfe, es sich aber lohne, die Errungenschaftsgemeinschaft zu diskutieren. Es gäbe dramatische Probleme an der Schnittstelle von Unterhalts- und Güterrecht. Als Exkurs führte sie aus, in vielen Eheverträgen sei in der Vergangenheit auf die lebenslange Absicherung durch den Unterhalt gesetzt und auf den Zugewinnausgleich verzichtet worden. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung zu Inhaltskontrolle von Eheverträgen auch gefordert, die Vorsorge für den die Familienarbeit übernehmenden Ehegatten bei der Inhaltskontrolle von Eheverträgen über das Unterhaltsrecht zu sichern. Nach der Unterhaltsreform von 2008 sei dies nicht mehr möglich. Vor diesem Hintergrund werde der Ausschluss des güterrechtlichen Ausgleichs unter Berufung auf die Ehevertragsfreiheit sehr problematisch. Rechtsanwältin Zümrüt Turan-Schnieders (Kommission Familienrecht Deutscher Juristinnenbund) äußerte sich zum Problem der Haftung für die Verbindlichkeiten des Ehegatten in der Errungenschaftsgemeinschaft bei Selbstständigen. In der Praxis verlangten die Banken Bürgschaften der Ehefrauen, sodass diese im Ergebnis auch jetzt bereits für Schulden des anderen Ehegatten hafteten. Dr. Thomas Meyer erwiderte, dass solche Verträge häufig sittenwidrig seien. In der Praxis lebten die Ehegatten während bestehender Ehe ohnehin nach ihren persönlichen Vorstellungen, das Güterecht habe nur geringen Einfluss. RiOLG Dr. Alexander Schwonberg (OLG Celle) äußerte, dass viele neue Gesetze im Familienrecht, sei es das neue Versorgungsausgleichsrecht, das FamFG oder das neue Unterhaltsrecht, den Gerichten Schwierigkeiten durch ihre Billigkeitsklauseln bereiteten. Diese hätten zwar den Vorteil, Richtern ein breites Handlungsspektrum zu eröffnen, jedoch entziehe sich der Gesetzgeber so seiner
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Regelungsverantwortung und überlasse die Rechtsanwälte einer großen Beratungsunsicherheit. Wenn die Errungenschaftsgemeinschaft eingeführt werde, solle daher möglichst auf Billigkeitsregelungen verzichtet werden. Dass ein Paar eine gemeinsame Haftung im Gegenzug für den sofortigen gemeinsamen Gütererwerb akzeptiere, könne er sich vorstellen. Fraglich sei jedoch, ob zwei gut ausgebildete Partner ihr Einkommen »vergemeinschaften« wollten. Schließlich seien für die Auseinandersetzung dinglicher Gemeinschaften im Streitfall handfeste Kriterien erforderlich, wolle man die Teilungsversteigerung vermeiden, die für alle Betroffenen die denkbar schlechteste Alternative sei. Rechtsanwältin Dr. Nake erläuterte zur Erwartungshaltung der Menschen, dass die Vorstellung sehr verbreitet sei, der Verdienst beider Parteien käme in einen gemeinsamen Topf. Käme ein Paar zur Beratung, würden immer wieder die gleichen Probleme angesprochen. Das erste Problem sei: »Ich habe Schulden. Ich möchte nicht, dass der, den ich jetzt heiraten will, für meine Schulden haftet.« Das nächste Problem sei mit der Erwartung eines Erbes verbunden. Hier sagten die Mandanten: »Ich möchte nicht, das der andere an dem Erbe partizipiert« oder auch: »Meinem Ehegatten soll das Erbe erhalten bleiben«. Drittens würde erklärt: »Ich möchte ein Gewerbe gründen. Ich will aber, dass das Gewerbe dann mir gehört«. Der beratende Anwalt könne es halten wie mit dem Fischer und seiner Frau, der Ilsebill und sagen: »Geh nach Hause, sie hat es schon.« Es gäbe in der Tat weitverbreitete Irrtümer darüber, was gemeinsames Vermögen sei. Paare glaubten tatsächlich, dass das Einkommen eines Partners ihnen sofort gemeinsam zufalle. Prof. Dr. Heinz Holzhauer (Universität Münster) stellte rechtshistorische Überlegungen zur Entstehung des Güterrechts, insbesondere der Gütertrennung, auf. Das Güterrecht sei entstanden in einer Gesellschaft ohne Ehescheidung. Sowohl in der Zugewinn- als auch in der angedachten Errungenschaftsgemeinschaft hafteten Ehefrauen für die Schulden des Ehemannes mit, wenn sie ihren Ausgleich verlören und von ihrer Errungenschaft oder ihrem Zugewinn die Hälfte abgeben müssten. Davor wollten die Befürworter der Gütertrennung Frauen bewahren. Es sei eine Illusion, immer nur an positive Teilhabe zu denken. Wir lebten in einer Zeit, in der zu fürchten sei, dass sich Teilhabe eher negativ verwirklichen würde. Im Interesse der »asymmetrisch« erwerbstätigen Ehefrau läge daher einzig die Gütertrennung. Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd Brudermüller (OLG Karlsruhe, Vorsitzender des Deutschen Familiengerichtstages) erklärte, Zweck der Arbeitsgruppe zum ehelichen Güterrecht sei es gewesen, ein konkurrierendes Modell zu entwickeln, das den in der Wippermann-Studie ermittelten Vorstellungen der Ehepartner Rechnung trägt. Dafür müsse im Übrigen auch die steuerliche Konkurrenzfähigkeit gewährleistet werden. Nach geltendem Recht sei steuerlich aber aus-
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schließlich die Zugewinnausgleichsgemeinschaft privilegiert. Das müsse dann im Ergebnis gleichermaßen auch für die Errungenschaftsgemeinschaft gelten. Rechtsanwältin Dr. Ingrid Groß bestätigte die Unkenntnis der meisten Mandanten über das geltende Recht. Die Zugewinngemeinschaft sei in den 1950erJahren entstanden. Damals, als nur wenige Frauen arbeiteten und keine Verbindlichkeiten außer bei Erwerb der Nahrungsmittel für die Familie begründeten (für die dann § 1357 BGB eingeführt worden sei), sei eine Errungenschaftsgemeinschaft möglicherweise sinnvoll gewesen. Heute aber, wo viele Frauen arbeiteten, wollten diese ihr Einkommen wohl nur ungern vergemeinschaften. Dies würde dem Selbstverständnis und dem neu gewachsenen Selbstbewusstsein vieler Frauen widersprechen. In ihrer Anwaltspraxis habe sie jahrzehntelang erlebt, dass reich geschmückte, im gesetzlichen Güterstand lebende Ehefrauen erschienen seien, die aber keinen Pfennig Geld besaßen, um den anwaltlichen Rat zu bezahlen. Dies sei kein Zustand gewesen. Heute sei dieses Stadium aber wohl überwunden. Matre Edmond Jacoby erklärte abschließend noch einmal, die Auseinandersetzung der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich sei nicht kompliziert, da es eine Vermutung gäbe, dass Vermögen Gemeinschaftsgut sei. Nur Sondergut müsse bewiesen werden. In den meisten Fällen gäbe es keine Probleme bei der Liquidierung von Errungenschaftsgemeinschaften. Die Schlussworte der Diskutanten auf dem Podium beschloss die Diskussion. Dr. Thomas Meyer bekräftigte noch einmal seine Kritik an der Errungenschaftsgemeinschaft. Die Auseinandersetzung der Eheleute würde Schwierigkeiten bereiten. Es fehlten konkrete Hinweise zur Reform des bestehenden Rechts und zur Lösung der Probleme der Errungenschaftsgemeinschaft. Prof. Dr. Katharina Boele-Woelki erklärte, es sei nicht ersichtlich, warum eine Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland nicht ebenso praktikabel sein könne wie in anderen Ländern. Allerdings müsse geklärt werden, wie dieser Güterstand in der Bevölkerung bekannt gemacht werden könnte, um eine effektive Nutzung zu ermöglichen. Sonka Gerdes wies zum einen darauf hin, dass die Errungenschaftsgemeinschaft der Erwartung der Bevölkerung entspreche. Ehepaare sähen sich während der Ehe auch finanziell in einer solidarischen Situation. Zum anderen sei die Errungenschaftsgemeinschaft gleichstellungspolitisch wichtig, weil es bisher in Deutschland keinen praktikablen gemeinschaftlichen Güterstand gäbe. Professor Helms habe gesagt, die Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft sei ein mittelfristiges Projekt. Daher müsse man heute damit anfangen. Prof. Dr. Tobias Helms äußerte sich abschließend noch einmal zur der Frage, die Rechtsanwältin Groß aufgeworfen hatte, ob die Diskussion zu spät komme. Dies sei nicht der Fall. Es gäbe heute weniger Ehen, die sich an einem traditionellen Lebensmodell orientierten, diese stellten aber nach wie vor einen nicht
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unerheblichen Teil der Bevölkerung dar. Es lohne sich, auch für diese Gruppe, ein passendes Güterrecht zu konzipieren. Abschließend betonte Rechtsanwältin Dr. Angelika Nake, in der traditionellen Familienform, die es immer noch gäbe, sei der arbeitende Ehegatte nach Abgeltung der Unterhaltspflichten völlig frei in seinen Vermögensdispositionen. Die freie Vermögensverwaltung nutze nur dem Ehegatten etwas, der auch etwas zu verwalten habe. In Spanien werde ausführlich diskutiert, ob es nicht gleichheitswidrig sei, wenn ein Ehegatte dem anderen Ehegatten die komplette Verwaltung des Gesamtguts notariell übertrage. In Deutschland sei der Ehegatte, der die Familienarbeit übernehme, bereits gesetzlich von der Mitverwaltung ausgeschlossen. Man müsse dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der nur für eine Minderheit der Ehen, nämlich der Ehe ohne Kinder, aber mit doppeltem Einkommen, eine optimale Lösung biete, zumindest noch einen Wahlgüterstand zur Seite stellen, der eine Mitverwaltung ermögliche. Diese Wahlmöglichkeit gäbe es derzeit nicht. In 18 europäischen Ländern sei die Errungenschaftsgemeinschaft gesetzlicher Güterstand, ohne dass dies zu unüberwindlichen Problemen geführt habe. Auch die Probleme bei der Einführung der Errungenschaftsgemeinschaft als Wahlgüterstand in Deutschland könnten bewältigt werden.
Eva Maria Welskop-Deffaa
Schlusswort
Ein knappes Schlusswort soll die Tagung beenden und ich will es in zwei Teile teilen: zuerst der Versuch eines persönlichen Rückblicks auf das, was wir heute gemeinsam erlebt haben und anschließend eine kurze Schlussfolgerung. 1. Herr Professor Wippermann hat vorgetragen: »Die Menschen wollen ihrer Liebesbeziehung einen rechtlichen Rahmen geben!« Ich finde das eine aufregende Nachricht in Zeiten, in denen man jeden Tag in der Zeitung liest, dass vermeintlich (fast) alle Menschen am liebsten unverheiratet zusammenleben möchten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass immerhin 60 Prozent der Erwachsenen zwischen 20 und 60 Jahren in Deutschland heute verheiratet sind. Die Frage, ob es politisch der Mühe wert ist, für diese 60 Prozent der Bevölkerung einen Rechtsrahmen zu gestalten, der passt, ist uneingeschränkt zustimmend zu beantworten. Das Eherecht und seine gleichstellungspolitischen Implikationen sind kein Grenz- und Nebenthema! Im Gegenteil, wir befassen uns mit einer Frage, die die große Mehrheit der Menschen ganz unmittelbar betrifft. Für andere – unbestreitbar ebenfalls wichtige – Themen meiner Abteilung gilt das weniger : Für die gesetzliche Regelung der »Vertraulichen Geburt« zum Beispiel liegt aktuell eine Riesenarbeit vor uns, die Fallzahlen anonymer Kindsabgabe allerdings bewegen sich – zum Glück – nur im niedrigen dreistelligen Bereich. Herr Professor Wippermann hat betont: Die Menschen wollen, solange die Liebe währt, tatsächlich gemeinsam Verantwortung tragen, Vermögen gemeinsam aufbauen …, aber leider Gottes haben sie keine Ahnung von dem, was zur Flankierung dieser Vorhaben das deutsche (Familien-)Recht für sie bereithält. Das bleibt ein Stachel im Fleisch! Es ist – da stimme ich mit Ihnen, Herr Dr. Meyer, völlig überein – nicht so leicht, die Menschen für diesen Rechtsrahmen tatsächlich zu interessieren, schon gar nicht in der rosaroten Phase der Hochzeitsvorbereitungen. Aber es ist des Schweißes der Edlen wert, sich darüber Gedanken zu machen!
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2. Herr Professor Meder hat die Spannung zwischen der wünschenswerten Einfachheit und Verständlichkeit des Rechts und der Komplexität heutiger Lebenswirklichkeit thematisiert. Der Hinweis, eine vorgeschlagene gesetzliche Neuregelung sei komplex und kompliziert, kann daher kein abschließendes Gegenargument sein. Und ich fand es besonders schön, dass Sie, lieber Professor Meder, in Ihrem Vortrag klar gesagt haben: »Zu den einfachen Modellen des 19. Jahrhunderts wollen wir nicht wieder zurück!« Wir müssen auch im (Familien-)Recht der neuen Komplexität unserer Lebensverhältnisse Rechnung tragen und der Tatsache, dass Frauen und Männer gemeinsam entscheiden wollen. Das ist nun mal so und darauf wollen und müssen wir entsprechend Rücksicht nehmen. 3. Herr Professor Meder und Herr Professor Brudermüller waren es, die im Verlauf des heutigen Tages als Erste darauf hinwiesen, dass die deutsche Gütergemeinschaft so defizitär, so unpassend und so kompliziert ist, dass dringender Reformbedarf besteht. Ihre Ausführungen zeigten, dass nicht nur über die europäische Perspektive auf die Zugewinngemeinschaft und Fragen nach Möglichkeiten der Harmonisierung des Familienrechts die Errungenschaftsgemeinschaft in den Blick kommt. Sie waren für mich neu und besonders inspirierend. 4. Liebe Frau Professorin Dauner-Lieb, ich glaube, was von Ihrem Vortrag (bei mir) in Erinnerung bleiben wird, sind Ihre Illustrationen, die Bilder – verbunden mit spezifischen Emotionen, die solche bildlichen Darstellungen im Kopf des Empfängers mit sich bringen. Ich habe es so empfunden, dass der große Zirkusball, den Sie in die Mitte Ihres Bildes zur Errungenschaftsgemeinschaft platziert haben, durchaus eine gewisse Instabilität mit sich brachte. Dagegen sahen die beiden Säulen, die Sie uns bei der Zugewinngemeinschaft angeboten haben, vergleichsweise stabil aus. Was folgert daraus? Mir scheint nach allem, was wir gehört haben: Der Balanceakt Ehe ist nun mal ein Balanceakt und ich glaube, er wird umso besser gelingen, je mehr die Ehepartner wissen, dass sie einen Balanceakt zu vollbringen haben. Wenn man einen Ehepartner quasi in die Luft wegschweben lässt – auf so einer Luftballonsäule der Zugewinngemeinschaft – dann entsteht auf die Dauer ein Gefälle, das – so meine Einschätzung – dem ehelichen Frieden nicht gut tut. Dies, liebe Frau Professorin Dauner-Lieb war die Botschaft Ihrer Bilder an mich. 5. Sehr geehrter Herr Matre Jacoby, Ihnen möchte ich herzlich dafür danken, dass Sie sehr, sehr eindrücklich deutlich gemacht haben, dass die Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich funktioniert. Und dass Sie insbesondere die konkurrierende Verwaltung so nachvollziehbar dargestellt haben. Für mich brachte Ihr Vortrag die Erkenntnis, dass die Errungenschaftsgemeinschaft ein
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Interesse beider Ehegatten am Aufbau gemeinsamen Vermögens schafft. Das ist doch eine wahnsinnige Chance! In einer Errungenschaftsgemeinschaft hat also der Ehemann ein eigenes Interesse daran, dass die Ehefrau erwerbstätig ist, da ihr Erwerbseinkommen zur gemeinsamen Vermögensbildung beiträgt. In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass Frauen heute mehrheitlich erwerbstätig sein wollen. Wir haben aber nicht selten den Eindruck, dass die deutschen Ehemänner das nicht automatisch attraktiv finden. Darauf deuten jedenfalls die Studien hin, die – gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zum Wiedereinstieg nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung in den letzten Jahren vorgelegt worden sind. Wenn in der Errungenschaftsgemeinschaft tatsächlich ein gemeinsames Interesse an der Erwerbstätigkeit beider Ehepartner entsteht, weil ja beide Einkommen am Ende dazu beitragen, das gemeinsame Vermögen zu steigern, dann finde ich das ein sehr schönes Lernbeispiel deutsch-französischer Freundschaft und werde mir das so merken. 6. Es gab im Verlauf des Tages noch viele weitere interessante Hinweise, die ich mir aufgeschrieben habe, insbesondere auch von den Podiumsteilnehmern. Herr Dr. Meyer, was Sie zur Rente gesagt haben, hat mich außerordentlich umgetrieben. Es wäre ein fatales Signal, wenn irgendwo der Anschein erweckt würde, wir wollten den Versorgungsausgleich abschaffen. Umgekehrt wird natürlich ein Schuh draus! Denn Sie haben völlig recht: Es gibt nicht viele begüterte Paare in Deutschland. Aber es gibt sehr, sehr viele (Ehe-)Paare in Deutschland, die vermögensähnliche Ansprüche in der Deutschen Rentenversicherung erwerben. Das ist eigentlich das wesentliche Vermögensgut, das der Alltagsbürger erwirbt. Dass wir es bislang nicht schaffen, in der Deutschen Rentenversicherung das permanente Rentenanwartschaftssplitting als eine Form der partnerschaftlichen Vermögensteilhabe auszugestalten, liegt – jedenfalls ausweislich der Information, die ich von der Deutschen Rentenversicherung habe – ganz entscheidend daran, dass wir als gesetzlichen Güterstand nur die Zugewinngemeinschaft kennen und die Deutsche Rentenversicherung sich daher nicht in der Lage sieht, bei der Rente eine Regelung zu gestalten, die schon während des Bestehens der Ehe die Vermögensgüter »Rentenanwartschaften aus der gesetzlichen Rente« teilt. Ich verlasse an dieser Stelle meinen Rückblick, um in der verbleibenden Zeit einen kurzen Blick nach vorne zu werfen. Was wir von heute mitnehmen, ist kein einvernehmliches Signal, dass wir morgen in Deutschland die Errungenschaftsgemeinschaft brauchen. Einige kritische Hinweise waren durchaus vernehmlich. Aber ich denke, wir nehmen gemeinsam den Auftrag mit, dass die wichtige Lebensform der Ehe, die überdies verfassungsrechtlich besonders geschützt ist, einen guten Rechtsrahmen braucht.
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Eva Maria Welskop-Deffaa
Es bedarf eines rechtlichen Rahmens für die Ehe, der (1.) von den Menschen verstanden wird, (2.) zu ihren Vorstellungen von Partnerschaft passt, (3.) faire Anreize für eine gleichberechtigte Gestaltung der Partnerschaft schafft und (4.) in einen europäischen Rechtsrahmen hineinpasst, binationale Heirat und Mobilität nicht erschwert und europäische Rechtssicherheit schafft. (5.) Wir brauchen einen Rechtsrahmen, der einen fairen Ausgleich dafür gestaltet, dass bei gemeinsam getroffenen Entscheidungen im Lebenslauf individuelle Nachteile entstehen können, die wir nicht sehenden Auges übergehen sollten. (6.) Vorletztens: Angesichts der Unterschiedlichkeit von Rollen- und Partnerschaftsbildern in unserer Gesellschaft braucht es alternative »Regelangebote«. Wir dürfen nicht annehmen, dass mit einem Regelangebot die sehr unterschiedlichen Vorstellungen von und Erwartungen an Partnerschaften angemessen abgebildet werden. Emanzipation hat dazu geführt, dass – wie in der Diskussion deutlich wurde – längst nicht alle Frauen »scharf darauf sind«, dass ihr Einkommen Teil eines gemeinsamen Ehevermögens wird. Aber es gibt eben doch etliche Männer und Frauen, die eine Ehe als umfassende Wirtschafts- und Vermögensgemeinschaft ansehen und für sich – als gleichberechtigte Teilhabegemeinschaft – leben wollen. Deswegen spricht vieles dafür, dass wir alternative Regelangebote für Vermögensteilhabe in der Ehe vorhalten, die diesen unterschiedlichen Vorstellungen Rechnung tragen. (7.) Und letztens – und das ist heute leider nicht mehr ausreichend zur Sprache gekommen – brauchen wir ein Familien- und Ehegüterrecht, das für die anstehenden gleichstellungspolitischen Gestaltungsaufgaben im Steuerund Sozialrecht optimale Voraussetzungen bietet und Anknüpfungspunkte für die vom 1. Gleichstellungsbericht geforderte konsistente gleichstellungspolitische Reform (»aus einem Wurf«) bereithält. Mit diesem skizzenhaften Versuch einer Zusammenfassung schließe ich. Ich freue mich, dass Sie alle bereit waren, an diesem sonnigen Tag mit uns so lange zu diskutieren. Wir werden im Gespräch bleiben! Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise. Vielen Dank sage ich der AG Ehegüterrecht, die diese Tagung vorbereitet und gestaltet hat, und allen, die aktiv mitgewirkt und zu ihrem Gelingen beigetragen haben.
Christoph-Eric Mecke
Zwölf Thesen zu einem künftigen Güterrecht in Deutschland
Das in Deutschland geltende Güterrecht für Eheleute und eingetragene Lebenspartnerschaften ist nicht nur im Zusammenhang mit dem das Familienrecht schon immer in besonderer Weise prägenden sozialen Wandel, sondern mehr denn je auch im europäischen Kontext zu sehen. Die seit einigen Jahren das materielle Familienrecht, darunter auch das Vermögensrecht, erfassenden Überlegungen innerhalb der Wissenschaft zu einer »europäischen Ehe«1, einem »europäischen Güterstand«2 und zur Harmonisierung nationaler Regelungen zum Recht des nachehelichen Unterhalts3 sowie gegenwärtig auch zum Ehegüterrecht4 sind ebenso wie die aktuelle zwischenstaatliche Initiative zu einem deutsch-französischen Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft nicht nur Ausdruck der ständig zunehmenden Ehen mit einem Bezug zum europäischen Ausland.5 Vielmehr spiegelt diese Europäisierung des Familienrechts jenseits von Verordnungs- und Richtlinienkompetenzen europäischer Institutionen auch gesellschaftlich europaweit konvergierende Tendenzen wider. Es gibt innerhalb und außerhalb der EU inzwischen kein europäisches Land mehr, das ausgehend von der Gleichberechtigung von Mann und Frau die freie Vereinbarung der Rollenteilung unter den Ehepartnern und daran anschließend die freie 1 Dethloff, Die Europäische Ehe, in: StAZ 2006, S. 253 – 260. 2 Seevogel, Der Wahlgüterstand der Gütertrennung für die Europäische Ehe. Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Zugewinngemeinschaft des deutschen Rechts und der ehelichen Güterstände der Gütertrennung in Spanien unter besonderer Berücksichtigung der Ausgleichsansprüche bei Beendigung der Ehe, 2011. 3 Boele-Woelki u. a. (Hg.), Principles of European family law regarding divorce and maintenance between former spouses, European Family Law Series, No. 7, 2004. 4 Die Empfehlungen zum Güterrecht werden für Ende des Jahres 2012 erwartet. Vgl. dazu auch unten Fn. 38. 5 Dagegen sind die Bemühungen zu einer Vereinheitlichung der Kollisionsregelungen des internationalen Privatrechts, beispielsweise auch zur jeweiligen Anwendbarkeit nationalen Ehegüterrechts, lediglich Ausdruck der Tatsache, dass immer häufiger Ehen mit Auslandsbezug geschlossen werden und die Rechtspraxis daher im Interesse der Rechtssicherheit auf aufeinander abgestimmte, gut praktikable Regelungen zur Frage der Anwendbarkeit des jeweiligen nationalen Rechts drängt.
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Berufswahl von Ehemann und Ehefrau, dieselbe Pflichtenstellung beider in Ehe und Familie sowie den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Erwerbsarbeit und häuslicher Familienarbeit nicht zum Axiom des Familien- und damit auch des Güterrechts gemacht hätte. Auch die seit 1989 zuerst in Dänemark, inzwischen aber in vielen europäischen Ländern erfolgte rechtliche Regelung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften (»Homo-Ehe«),6 die in Deutschland sogar zu einer völligen güterrechtlichen Gleichstellung mit Ehen geführt hat,7 ist Ausdruck dieser im vorrechtlich gesellschaftlichen Bereich »von unten« konvergierenden Tendenzen. Insofern muss eine Bestandsaufnahme der gegenwärtig in Deutschland gesetzlich geltenden bzw. ehevertraglich zu vereinbarenden Güterrechtstypen auch die Güterrechtsordnungen der europäischen Nachbarländer mit in den Blick nehmen, um Defizite und Vorteile des einheimischen Rechts zu erkennen und gegebenenfalls alternative Lösungen oder Postulate zu formulieren. Betrachtet man die güterrechtliche Lage in Europa, so ließe sich einerseits die Unterschiedlichkeit der in den europäischen Ländern jeweils geltenden Güterrechtssysteme hervorheben. So sehen zum Beispiel in den ca. 30 kontinentaleuropäischen Staaten, die im Unterschied zum Bereich des Common Law ein vom allgemeinen Vermögensrecht gesondertes Ehegüterrecht kennen, die gesetzlichen Regelungen zum Ehegüterrecht auch »ebenso viele Güterrechtssysteme« vor.8 Untersucht man diese Regelungen aber etwas eingehender, kommt man andererseits schnell zu einem Befund, der die dem Familienrecht scheinbar naturgemäß eigene Unterschiedlichkeit der nationalen Regelungen stark relativiert. Ähnlich wie sich schon in Deutschland die Unterschiede der annähernd zweihundert Güterrechtssysteme9, die nach den deutschen Partikularrechtsordnungen am Vorabend des Inkrafttretens des BGB10 noch galten, in weitem Umfang auf Einzelheiten beschränkten, so lassen sich auch die heute in den kontinentaleuropäischen Ländern geltenden Güterrechtssysteme abgesehen von sekundären Unterschieden im Einzelnen auf wenige Grundtypen zurückführen. Verengt man den Blick weiter auf die gesetzlichen Güterstände, die für die überwältigende Mehrheit von Ehen und – soweit anwendbar – für registrierte gleichgeschlechtliche Partnerschaften sowie in einigen Ländern sogar für gemischtgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften11 gelten, dann treten 6 Gesetz über die registrierte Partnerschaft vom 7. 6. 1989 (Dänemark). 7 Seit 2005 erklären §§ 6 und 7 LPartG sämtliche Vorschriften des BGB zum Ehegüterrecht für anwendbar auf eingetragenen Lebenspartnerschaften. 8 Henrich, Zur Zukunft des Güterrechts in Europa, FamRZ 2002, S. 1521. 9 Henrich, a. a. O. (Fn. 8), S. 1521. 10 Im Folgenden bedeutet »BGB« ohne besonderen Länderhinweis das Bürgerliche Gesetzbuch, das am 1. Januar 1900 in Deutschland in Kraft getreten ist. 11 Eine entsprechende Anwendung des Ehegüterrechts auf nichteheliche Lebensgemeinschaf-
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die Gemeinsamkeiten sogar noch stärker hervor. Fast alle gesetzlichen Güterstände in den kontinentaleuropäischen Ländern bestimmen nämlich den Umfang der – im Zeichen des heute europaweit geltenden Grundsatzes der Gleichberechtigung immer wechselseitigen – Vermögensteilhabe im Sinne einer partiellen Teilhabe, die das vorehelich bzw. vorpartnerschaftlich sowie das während der Ehe bzw. Partnerschaft durch Schenkung oder Erbschaft ausschließlich mit Bezug auf nur einen Partner erworbene Vermögen von der Vermögensteilhabe ausschließt. Reine Gütertrennung und vollständige Gütergemeinschaft bilden nur in wenigen Ausnahmefällen den gesetzlichen Güterstand, andere Güterstandsformen wie etwa die Fahrnisgemeinschaft, die bewegliche Sachen und Immobilien im Hinblick auf die Vermögensteilhabe des jeweiligen Partners unterschiedlich behandelt, kommen als gesetzliche Güterstände gar nicht mehr und auch als Wahlgüterstände12 nur noch ganz selten vor. Die Umsetzung dieses keineswegs neuen, anders als früher in den gesetzlichen Güterständen aber praktisch durchgehenden Prinzips einer auf den Vermögenserwerb während der Dauer des Güterstandes beschränkten Teilhabe kann durch zwei güterrechtliche Grundtypen erfolgen. Zumeist wird das Prinzip partieller Vermögensteilhabe durch den Güterstandstypus einer Errungenschaftsgemeinschaft umgesetzt, also durch eine während der Dauer des Güterstandes erfolgende partielle dingliche Vergemeinschaftung des der Vermögensteilhabe unterliegenden Vermögens in einem Gesamtgut. Diesem Grundtypus partieller güterrechtlicher Teilhabe steht ein zweiter Grundtypus zur Seite, der durch Gütertrennung während der Dauer des Güterstandes charakterisiert ist und einen Vermögensausgleich durch schuldrechtlichen Zugewinnausgleich oder durch dingliche Teilung einer aufgeschobenen Gütergemeinschaft erst nach Beendigung des Güterstandes vorsieht.13
ten sieht eine Reihe von familienrechtlichen Gesetzen auf dem Balkan vor. Vgl. Art. 58 Abs. 2 Satz 2 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 263 Abs. 2 FamG v. 6. 6. 2005 (Föderation Bosnien und Herzegowina), § 258 FamG v. 14. 7. 2003 (Kroatien), Art. 284 Abs. 2 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska). 12 Vgl. etwa Art. 1498 – 1500 Code Civil (Frankreich). 13 Henrich, a. a. O. (Fn. 8), 1522; Pintens, Ehegüterstände in Europa, in: Lipp/Schumann/Veit (Hg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell. 7. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2008, Göttingen 2009, S. 23 (28 – 31). Eine entsprechende Typsierung dieser beiden Grundtypen partieller Vergemeinschaftung des Vermögens erfolgte erstmals durch Berent, Die Zugewinnstgemeinschaft der Ehegatten, 1915. Die §§ 1 – 5 von Margarete Berents Dissertation mit der grundlegenden begrifflich-systematischen Klärung wurden bereits im April 1914 publiziert, die gesamte um einen rechtshistorischen und einen rechtsdogmatischen Teil ergänzte Untersuchung erschien 1915. Nach Berents eigener Feststellung ist die »Zugewinnstgemeinschaft« in früheren Darstellungen des Ehegüterrechts noch nicht als ein rechtsdogmatisch von allen Gemeinschaftsgüterständen grundsätzlich zu unterscheidendes Güterrechtsmodell erkannt worden (Berent, a. a. O., S. 21 f.).
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Charakteristisch für die heute geltenden Güterrechtsordnungen der überwiegenden Mehrheit kontinentaleuropäischer Länder ist, dass sie den Eheleuten bzw. Lebenspartnern jeweils die Möglichkeit einer Entscheidung für beide Grundtypen partieller Vermögensteilhabe einräumen. Zwar ist Gütertrennung mit schuldrechtlichem Zugewinnausgleich nach Beendigung des Güterstandes nur in Deutschland und Griechenland gesetzlicher Güterstand.14 Das bedeutet aber nicht, dass diese Form partieller güterrechtlicher Vermögensteilhabe in den meisten übrigen Ländern ausgeschlossen wäre. So ist in diesem Zusammenhang zum einen der insoweit übereinstimmende Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung zu nennen, der in der Schweiz15 und der Türkei16 ebenfalls gesetzlicher Güterstand ist. Vor allem aber sehen eine ganze Reihe von kontinentaleuropäischen Ländern den Güterstand der Gütertrennung mit schuldrechtlichem Zugewinnausgleich als gesetzlich geregelten Wahlgüterstand vor17, und in den meisten übrigen Ländern ist zumindest eine individuelle ehevertragliche Regelung möglich.18 Dasselbe gilt für den zweiten Güterstandstypus mit partieller Vermögensteilhabe, die Errungenschaftsgemeinschaft. Sie bildet den in Europa heute vorherrschenden gesetzlichen Güterstand19 und ist in den meisten übrigen 14 15 16 17
§§ 1363 – 1390 BGB, Art. 1397 – 1402 ZGB (Griechenland). Art. 196 – 246 ZGB (Schweiz). Art. 202, 218 – 241 ZGB v. 22. 11. 2001 (Türkei). Art. 115 – 122 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 33 – 36 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien), Art. 1569 – 1581 Code Civil (Frankreich), Art 1569 – 1581 Code Civil (Luxemburg), Art. 47 § 1, Art. 1:132 – 142 BW (Niederlande), Art. 47 § 1, Art. 51/2 – 51/5 FamVormundG (Polen), Art. 1411 – 1434 Cûdigo civil (Spanien). 18 Art. 1451 Abs. 1, 1466 Code Civil (Belgien), Art. 258 FamG v. 6. 6. 2005 (Föderation Bosnien und Herzegowina), §§ 8 – 12 FamG v. 12. 10. 1994 (Estland), Art. 159, 161, 162, 215 Codice civile (Italien), wohl auch im Rahmen eines Familiengemeinschaftsvertrags gemäß Art. 276 Abs. 1 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), ferner § 255 FamG v. 14. 7. 2003 (Kroatien), Art. 271 Abs. 4 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska), Art. 97 Abs. 5 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine). Ausgeschlossen ist die ehevertragliche Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich heute ausgerechnet in Ungarn [arg. e contrario aus § 27 Abs. 2 FamG (Ungarn)] ungeachtet einer langen Tradition des Zugewinnausgleichsrechts in der ungarischen Güterrechtsgeschichte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, ferner in der Slowakei, wo die Entstehung von Gesamthandseigentum spätestens im Moment der Beendigung des Güterstandes nicht ausgeschlossen werden kann [§ 143a BGB (Slowakei)], und auch in Malta [Art. 1236 f. Civil Code (Malta)], wo der Wahlgüterstand der Restwertgemeinschaft gemäß Art. 1338 ff. Civil Code (Malta) trotz strikt getrennter Verwaltung des während der Ehe erworbenen Vermögens keine Gütertrennung vorsieht. Hinzu kommen weitere Länder insbesondere im mittel- und osteuropäischen Raum. 19 Art. 73 – 107 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 21 – 32 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien), Art. 1398 – 1450 Code Civil (Belgien), Art. 250 – 256, 261 f. FamG v. 6. 6. 2005 (Föderation Bosnien und Herzegowina), §§ 7, 14 – 20 FamG v. 12. 10. 1994 (Estland), Art. 53 – 79 EheG v. 14. 4. 1993 (Island), Art. 1400 – 1491 Code Civil (Frankreich), Art. 177 – 197 Codice civile (Italien), Art. 45 – 57 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), §§ 247 – 254 FamG v. 14. 7. 2003 (Kroatien), Art. 89 – 110 ZGB (Lettland), Art. 3.87 – 3.100 ZGB v. 18. 7. 2000 (Litauen), Art. 1400 –
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Ländern zumindest als Wahlgüterstand vereinbar.20 Rein formal betrachtet gehört zu diesen Ländern, in denen die Errungenschaftsgemeinschaft als Wahlgüterstand ehevertraglich vereinbart werden kann, auch Deutschland. Denn der im BGB geregelte Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft kann ehevertraglich in der Weise modifiziert werden, dass das vorehelich erworbene Vermögen beider Güterstandsbeteiligter21 zum Vorbehaltsgut erklärt wird, das von der wechselseitigen Vermögensteilhabe ausgeschlossen ist (§ 1418 Abs. 2 Ziff. 1 BGB). In praktischer Hinsicht kommt aber eine derartig auf die Errungenschaft beschränkte Gütergemeinschaft noch weniger in Betracht als der nicht ehevertraglich modifizierte Wahlgüterstand der BGB-Gütergemeinschaft. Wird nämlich heute fast einhellig schon von der Option für den Wahlgüterstand der BGBGütergemeinschaft abgeraten, so gilt das mit Blick auf ehevertraglich nicht abdingbare Regelungen für eine auf der Grundlage dieses Wahlgüterstands modellierte Errungenschaftsgemeinschaft in noch höherem Maße. Die wichtigsten Gründe sind seit langem bekannt. Das BGB sieht exklusiv nur zwei Arten von Verwaltungsregimen im Hinblick auf das Gesamtgut vor, die ehevertraglich vereinbarte Alleinverwaltung durch nur einen zum »Verwalter« des Gesamtguts bestellten Güterstandsbeteiligten (§§ 1421 – 1449 BGB) und die gemeinschaftliche Verwaltung des Gesamtguts durch beide Güterstandsbeteiligten (§§ 1421, 1450 – 1470 BGB). Die zur Vermeidung einer vermögensmäßigen »Entmündigung«22 durch Alleinverwaltung erforderliche Vereinbarung des geringeren Übels gemeinschaftlicher Verwaltung ist aber in vielen Situationen nicht nur unzweckmäßig, vor allem zieht gemeinschaftliche Verwaltung eine Haftungsgemeinschaft beider Güterstandsbeteiligter nach sich, die selbst im Falle der weitgehenden Vergemeinschaftung des Vermögens im nicht ehevertraglich 1541 Code Civil (Luxemburg), Art. 1316 – 1337 Civil Code (Malta), Art. 31 § 1 FamVormundG (Polen), Art. 1717, 1721 – 1731 Cûdigo civil (Portugal), Art. 339 – 359 Codul Civil v. 17. 7. 2009 (Rumänien), Art. 33 – 39 FamGB v. 29. 12. 1995 (Russische Föderation), Art. 88 – 107 Gesetz v. 26. 4. 1986 (San Marino), Art. 168 – 187 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), §§ 143 – 151 BGB (Slowakei), Art. 51 – 62 EheFamG (Slowenien), Art. 1316 Cûdigo civil (Spanien), Art. 269 – 283 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska), §§ 143 – 151 BGB (Tschechien), Art. 60 – 73 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine), §§ 27 – 31 FamG (Ungarn). 20 Art. 1403 – 1414 ZGB (Griechenland), Art. 1:123 – 131 BW (Niederlande), Art. 223 Abs. 1 ZGB (Schweiz), Art. 258 ZGB v. 22. 11. 2001 (Türkei). In Österreich kann wohl zumindest durch individuelle ehevertragliche Regelung eine Errungenschaftsgemeinschaft vereinbart werden [Ferrari, Die vermögensrechtliche Situation von Ehegatten und Lebensgefährten in Österreich, in: Henrich/Schwab (Hg.), Eheliche Gemeinschaft, Partnerschaft und Vermögen im europäischen Vergleich (1999), S. 179 (183 f.)]. 21 Mit Blick auf die Tatsache, dass das im BGB geregelte Güterrecht nicht mehr nur für Eheleute, sondern auch für eingetragene Lebenspartnerschaften gilt, wird im Folgenden, soweit nicht ausschließlich Eheleute in Betracht kommen, geschlechtsneutral von »Güterstandsbeteiligten« gesprochen. 22 Vgl. dazu unten Fn. 183 und 194.
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modifizierten Wahlgüterstand der Gütergemeinschaft höchst problematisch ist. So haftet jeder Güterstandsbeteiligte nicht nur mit dem Gesamtgut, sondern auch mit seinem persönlichen Vorbehalts- und Sondergut für Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen des anderen, ohne für den Fall, dass die unerlaubte Handlung vor der Begründung des Güterstandes erfolgte, auch nur einen Regressanspruch gegen den anderen Güterstandsbeteiligten zu haben.23 Diese bereits im nicht ehevertraglich modifizierten Wahlgüterstand für »das moderne Empfinden unerträglich[e] […] Haftungsgemeinschaft«24 würde eine geradezu groteske Gestalt annehmen in einer auf der Grundlage des geltenden Rechts ehevertraglich modellierten Errungenschaftsgemeinschaft, in der einerseits die Vermögensteilhabe auf das während der Dauer des Güterstandes erworbene Vermögen beschränkt würde, andererseits aber die Haftungsteilhabe sich aufgrund der ehevertraglich nicht abdingbaren gesamtschuldnerischen Haftung gemäß § 1459 Abs. 2 BGB nicht nur auf das Gesamtgut, sondern auch auf das persönliche voreheliche Vermögen sowie auf alle anderen Gegenstände im Vorbehaltsgut des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten erstreckte. Weitere Nachteile wie die europaweit inzwischen wohl zum Unikum gewordene und sowohl die Verwaltung als auch die Haftungsregelungen unnötig verkomplizierende Aufteilung des Vermögens beider Güterstandsbeteiligter in fünf statt wie heute üblich drei Vermögensmassen25, ferner erbrechtlich nachteilige Konsequenzen und vor allem die im Vergleich zum gesetzlichen Güterstand fehlende Privilegierung des Wahlgüterstandes der Gütergemeinschaft bei seiner Begründung und seiner Beendigung in schenkungs- und erbschaftssteuerrechtlicher Hinsicht26 lassen die Vereinbarung einer auf die eheliche bzw. partnerschaftliche Errungenschaft beschränkten Gütergemeinschaft nach dem geltenden deutschen Recht als in höchstem Maße nicht ratsam erscheinen.27 Aber auch eine vom Wahlgüterstand der BGB-Gütergemeinschaft unabhängige ehevertraglich individuell vereinbarte Errungenschaftsgemeinschaft mit Verwaltungs- und Haftungsregelungen nach europäischen Vorbildern ist mit Blick auf den im deutschen Privatrecht geltenden Numerus clausus der Gesamthandsge-
23 §§ 1459 Abs. 1 und 2, 1463 Ziff. 1 BGB. 24 So Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 6., grundlegend neubearbeitete Auflage 2011, S. 88, Rn. 338. 25 Selbst der nach dem BGB von 1900 bis 1953 zu vereinbarende BGB-Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft sah nur vier unterschiedliche Vermögensmassen vor (§§ 1519 Abs. 1, 1520, 1526 Abs. 1 BGB i. d. F. von 1900). 26 Langenfeld, a. a. O. (Fn. 24), S. 88, Rn. 339. 27 Vgl. zum Ganzen auch schon Mecke, Güterrechtliche Grundsatzfragen. Zur Legitimation und Dogmatik güterrechtlicher Teilhabe im Zeichen gesellschaftlichen Wandels und europäischer Harmonisierungsbestrebungen, in: AcP 211 (2011), S. 886 (896 – 899).
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meinschaften ausgeschlossen,28 wenn das Gesamtgut – richtigerweise29 – einer stärkeren Bindung unterliegen soll als Gegenstände im Bruchteilseigentum. Das bedeutet, dass die Vereinbarung einer Errungenschaftsgemeinschaft auf der Grundlage des in Deutschland geltenden Güterrechts theoretisch zwar möglich, aber praktisch keine von den Güterstandsbeteiligten heute ernsthaft in Betracht zu ziehende Option ist.30 Nun kann man natürlich fragen, ob das Fehlen dieser Option im deutschen Recht überhaupt einen praktisch relevanten Nachteil für die Betroffenen darstellt. Manche Stimmen in der Literatur verneinen diese Frage ausdrücklich,31 und zwar vor allem mit demselben Argument, mit dem auch schon der deutsche Gesetzgeber des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 diese Frage verneint hatte.32 Danach biete nämlich ein Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gegenüber derjenigen partiellen Vermögensteilhabe, die nach geltendem Recht durch den schuldrechtlichen Zugewinnausgleich bereits im gesetzlichen Güterstand realisiert werde, keine prinzipiell nennenswerten Vorteile, wohl aber viele unvermeidbare Nachteile. An erster Stelle steht das Argument der »Kompliziertheit« des Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft,33 ein Argument, das suggeriert, es gäbe eine 28 Wilhelm, Sachenrecht, 2., neubearbeitete Auflage 2002, S. 55. 29 Dazu unten These 5. 30 Dies übergehen Hinweise wie zum Beispiel bei Schwab, Die Zugewinnausgleich in der Krise, in: Köbler/Heinze/Hromadka (Hg.), Europas universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends. Festschrift für Alfred Söllner zum 70. Geburtstag, 2000, S. 1079 (1080), dass de lege lata die Möglichkeit bestehe, die Errungenschaftsgemeinschaft ehevertraglich zu vereinbaren. 31 Rauscher, Familienrecht, 2., neu bearbeitete und erweiterte Auflage 2008, S. 340, Rn. 444a. 32 Der Frage nach der Beibehaltung eines – reformierten – Wahlgüterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft widmeten die Verfasser des zweiten Entwurfs zum Gleichberechtigungsgesetzes nur wenige Zeilen: »Neben dem gesetzlichen Güterstand sieht der Entwurf nur einen gesetzlich geregelten Wa h l g ü t e r s t a n d vor, den Güterstand der Gütergemeinschaft. Für die Errungenschaftsgemeinschaft besteht kein Bedürfnis, weil beim gesetzlichen Güterstand jeder Ehegatte am Erwerb des anderen Ehegatten teilnimmt« (BTDrs. 2/224, 39). Damit wird die Existenzberechtigung eines von zwei Güterständen ausgerechnet mit Hinweis auf dasjenige bestritten, was beide Güterstände im Hinblick auf die Vermögensteilhabe in der Tat gemeinsam haben, während hingegen die güterstandsspezifischen Unterschiede beider Güterstände bei der Realisierung der Vermögensteilhabe unerwähnt bleiben. Kein Raum blieb damit für die Erörterung der Frage, ob ein reformierter Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft möglicherweise auch Vorteile gegenüber dem geplanten gesetzlichen Güterstand aufweisen und daher als reformierter Wahlgüterstand eine sinnvolle Ergänzung zum gesetzlichen Güterstand bilden könnte. Bereits Schwab, a. a. O. (Fn. 30), S. 1080 hat es zu recht als erstaunlich bezeichnet, dass die Errungenschaftsgemeinschaft 1957 »noch nicht einmal explizit als Wahlgüterstand fortgeführt« worden sei. Mindestens ebenso erstaunlich wie diese Tatsache ist aber die knappe und am Kern der Sache vorbeigehende Begründung in den Gesetzesmaterialien. 33 Vgl. Walther-Reining, Das deutsche eheliche Güterrecht im 20. Jahrhundert. Anspruch und rechtstatsächliche Wirklichkeit, 2009, S. 125 f. zusammenfassend zu den maßgeblichen Argumenten, die den deutschen Gesetzgeber des BGB von 1896 und des Gleichberechti-
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unkomplizierte Alternative. Ohnehin ist das Argument der »Kompliziertheit«, das einst auch gegen die gleichberechtigte Verfügungsfreiheit der Ehefrau im gesetzlichen Güterstand des BGB von 1900 geltend gemacht wurde,34 ein schillerndes Argument mit begrenzter juristischer Tragweite. Nichts könnte das besser belegen als die bis heute aktuelle Tatsache, dass französische Notare Paaren von der ehevertraglichen Vereinbarung des französischen Wahlgüterstandes der Gütertrennung mit schuldrechtlichem Zugewinnausgleich eben mit Verweis auf die »Kompliziertheit« der Auseinandersetzung nach Beendigung des Güterstandes abraten.35 Vermutlich liegt die Wahrheit – wie oft – in der Mitte: Weder der Güterstand der Errungenschaft noch seine güterrechtlichen Pendants, die die Vermögensteilhabe vollständig auf die Zeit nach Beendigung des Güterstandes verlegen, können für jede Konstellation eine unkomplizierte Auseinandersetzung garantieren. Während in der Auseinandersetzung der Errungenschaftsgemeinschaft durch die Existenz eines Gesamtguts nicht nur zwei, sondern drei Gütermassen zu berücksichtigen sind, fordert der Zugewinnausgleich die im Einzelfall schwierige und gelegentlich auch unvermeidbar willkürliche36 Wertberechnung des gesamten, also auch des bereits vor Begründung des Güterstandes vorhandenen Vermögens beider Güterstandsbeteiligter. Auch ist bei dem Vergleich der »Kompliziertheit« beider Güterstände zu berücksichtigen, dass eine Reihe von Wertausgleichsansprüchen, die im Falle der Errungenschaftsgemeinschaft innerhalb der güterrechtlichen Auseinandersetzung erfolgen und diese damit unvermeidbar »verkomplizieren«, im Zugewinnausgleichsrecht lediglich in ein kaum weniger kompliziertes richterliches »Nebengüterrecht« ausgelagert sind, das die Rechtslage für die güterrechtlich Betroffenen noch unübersichtlicher macht.37 Einen idealen, das heißt einen alle Nachteile anderer Güterstände vermeidenden, aber gleichzeitig deren Vorteile wahrenden Güterstand gibt es nicht. Vorschläge und Überlegungen zur europäischen Harmonisierung des Güterrechts laufen daher auch regelmäßig auf zwei nebeneinander bestehende Gü-
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gungsgesetzes von 1957 dazu bewogen haben, sich gegen die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand zu entscheiden. Vgl. dazu den Beitrag von Stephan Meder in diesem Band. Das Argument der spezifischen Kompliziertheit der Errungenschaftsgemeinschaft hat in der deutschen Jurisprudenz inzwischen eine über hundert Jahre währende Tradition, die bis zu den Motiven zum BGB zurückreicht (Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Band IV. Familienrecht, 2. Auflage 1896, S. 153, 155). Vergleichbares wird man in den Nachbarländern vergeblich suchen. Henrich, Europäische Aspekte des ehelichen Güterrechts, FF Sonderheft 2004, S. 173 f. So zusammenfassend Schwab, a. a. O. (Fn. 30), 1092: »Zufall und Willkür sind nicht das Risiko des einen oder anderen Einzelfalls, sondern inhärente Prinzipien« des Güterstandsmodells der Gütertrennung mit schuldrechtlichem Zugewinnausgleich. Vgl. unten Fn. 54.
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terrechtsmodelle zur partiellen, auf die Dauer des Güterstandes beschränkten Vermögensteilhabe hinaus, nämlich ein Modell der Gütertrennung und ein Modell partieller Gütergemeinschaft während der Dauer des Güterstandes.38 Erstens werden selbst in Durchschnittsehen unterschiedliche Ehetypen gelebt, woraus sich auch unterschiedliche Anforderungen an die vermögensrechtliche Regelung unter den Ehegatten ergeben können. Zweitens sind beim Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft nicht anders als bei der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich bestimmte Nachteile allenfalls minimierbar, aber nicht vollkommen vermeidbar. Die gesetzlichen Regelungen für einen in Deutschland – wieder – einzuführenden Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft sollten idealiter daher so konzipiert sein, dass sie so weit als möglich die Nachteile des gesetzlichen Güterstandes vermeiden, um eine echte Ergänzung zu ihm zu bilden. »Idealiter« kann hingegen nicht heißen, dass der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft unter Vermeidung aller Nachteile des geltenden gesetzlichen Güterstandes gleichzeitig auch noch dessen Vorteile39 vollständig 38 Vgl. Martiny, Ein zusätzlicher Güterstand für Europa, in: Hofer/Klippel/Walter (Hg.), Perspektiven des Familienrechts. FS für Dieter Schwab, 2005, S. 1189, 1200 m. w. N., aber auch die auf das deutsche Güterrecht bezogenen Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission zur Erstellung des Ersten Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung im Gutachten »Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf«, 2011, S. 48 f., 63, 218. Auch die Überlegungen im Rahmen des von Nina Dethloff geleiteten Forschungsprojekts zur »Europäischen Ehe« laufen offensichtlich auf den Vorschlag hinaus, durch zwei Wahlgüterstände verbunden mit einer Auswahlverpflichtung die Option zwischen Gütertrennung und Gütergemeinschaft zu ermöglichen [Seevogel, a. a. O. (Fn. 2), 4]. Ebenso wird die aus Wissenschaftlern zusammengesetzte Commission on European Family Law (CEFL) in ihren für Ende des Jahres 2012 erwarteten Empfehlungen für ein materielles Güterrecht in Europa auf der Grundlage der Analyse von über zwanzig nationalen Güterrechtsordnungen voraussichtlich keine Empfehlung für nur ein Güterstandsmodell abgeben, sondern vielmehr zwei Güterstandsmodelle als güterrechtliche Option für die Betroffenen empfehlen, nämlich einerseits das auf dinglicher Vermögensgemeinschaft beruhende Modell einer Errungenschaftsgemeinschaft und andererseits das auf Gütertrennung beruhende, dem Zugewinnausgleichsrecht verwandte Modell einer Errungenschaftsbeteiligung. 39 Zu den Vorteilen der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich zählt vor allem, dass der individuelle Freiraum beider Güterstandsbeteiligter in vermögensrechtlicher Hinsicht während der Dauer des Güterstandes in einem Höchstmaß gewahrt ist. Unmittelbar oder mittelbar beschränkt wird dieser Freiraum nur durch wenige Vorschriften (§§ 1365 – 1369, 1375 Abs. 2 BGB). Da kein Gesamtgut existiert, ist der Zugriff von Gläubigern eines der beiden Güterstandsbeteiligten auf dessen Vermögen aus Sicht des Gläubigers unproblematisch und gefährdet aus Sicht des anderen Güterstandsbeteiligten auch nicht das eigene während der Dauer des Güterstandes erworbene Vermögen. Der andere nichtschuldende Güterstandsbeteiligte haftet im Rahmen des Güterstandsrechts nur für die in seiner Person begründeten Verbindlichkeiten. Ein differenziertes Haftungssystem für das Gesamtgut und die Gesamtgutsverbindlichkeiten, das im Außenverhältnis sowohl den Gläubigern als auch im Innenverhältnis beiden Güterstandsbeteiligten gerecht wird, erübrigt sich. Wegen des fehlenden Gesamtguts bedarf es ferner keiner Regelungen der Vermögenszuordnung zum Eigen- oder
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umfasst. Hier sind dann die Betroffenen selbst gefordert abzuwägen, welche Vorbzw. Nachteile beider Güterstandstypen für den individuell gelebten Ehetyp von größerer Relevanz sind. Vermutlich würden sich von denjenigen Paaren, die an einer partiellen Vermögensteilhabe interessiert sind und nicht reine Gütertrennung vereinbaren, im Falle einer echten Option zwischen dem Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich und der Errungenschaftsgemeinschaft vor allem diejenigen für Gütertrennung mit Zugewinnausgleich entscheiden, deren Vermögen aufgrund eigener Erwerbsarbeit oder durch eigene Kapitaleinkünfte bereits während der Dauer des Güterstandes in keiner wirtschaftlichen Schieflage zum Vermögen des Partners steht. Hingegen könnte die Errungenschaftsgemeinschaft eine interessante Option für diejenigen Paare sein, in denen ein Partner Allein- oder Hauptverdiener ist. Ungeachtet der Tatsache, dass der gesetzliche Güterstand in Deutschland in einer Zeit eingeführt wurde, als die sogenannte Hausfrauenehe der ganz vorherrschende Ehetyp war, ist dieser Güterstand nämlich keinesfalls – wie gelegentlich immer noch behauptet40 – der ideale Güterstand für die Allein- oder Hauptverdienerehe, sofern man – anders als in den 1950er-Jahren – Autonomie in der Ehe nicht nur in einem formalrechtlichen Sinne versteht und die ökonomische Ungleichverteilung während der Dauer des Güterstandes ausblendet.41 Wenngleich die Verbreitung des traditionellen Ehetyps mit männlichem Alleinverdiener in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, bildet er doch weiterhin eine nicht zu vernachlässigende Größe. Vor allem aber bedeutet der Rückgang dieses traditionellen Ehetyps eine Zunahme des Typs der Zuverdienerehe, für den das Problem des stark ungleichen Vermögenserwerbs durch dauernde Teilzeitarbeit – nicht selten sogar in prekären Arbeitsverhältnissen (»400-Euro-Job«) – in kaum geringerer Weise besteht. Gerade für diese Ehetypen könnte die vom Gesetzgeber ermöglichte Option für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft die Vermögensteilhabe bereits während der Dauer des Güterstandes und die Vergrößerung der im geltenden gesetzlichen Güterstand nur rudimentär vorhandenen Entscheidungsteilhabe einen realen Zugewinn an Gleichstellung bedeuten, ohne dass die gemeinsame Haftung mit dem Gesamtgut aus Sicht des Nicht- oder GeringGesamtgut einschließlich von Surrogationsregelungen, ferner keiner Regelungen zur Verwaltung des Gesamtguts und auch keiner Regelungen zum Schutz Dritter, die mit einem der beiden Güterstandsbeteiligten rechtsgeschäftliche Vereinbarungen treffen. 40 Sutter, Ehegüterrecht und Drittinteressen. Zur Frage der Wertigkeit von Drittinteressen im außenwirksamen Bereich des Ehegüterrechts und seinen Schnittpunkten zum Ehevermögensrecht, 1998, 17; Walther-Reining, a. a. O. (Fn. 33), S. 135 et passim. 41 So zu recht Nake, Die Regelungen zum ehelichen Güterrecht, in: djbZ 2008, S. 171 (174 f.); Röthel, Plädoyer für eine echte Zugewinngemeinschaft. Bemerkungen anlässlich des Regierungsentwurfs zur Änderung des Zugewinnausgleichs, FPR 2009, S. 273 (276).
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verdieners ein größeres wirtschaftliches Risiko darstellen würde als das faktische Risiko im gesetzlichen Güterstand, im Moment seiner Beendigung ganz oder teilweise leer auszugehen. Von daher kann es auch nicht verwundern, dass ungeachtet der späteren Entscheidung des Gesetzgebers des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 in der Bevölkerung sogar eine deutliche Mehrheit die Einführung eines reformierten Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand gefordert hat.42 Der Großteil der juristischen Laien ging in den 1950er-Jahren ohnehin »von einem Gesetzesgüterstand der Vermögensgemeinschaft« aus,43 sodass sich Befürworter eines künftigen gesetzlichen Güterstandes der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich sogar veranlasst sahen, darauf hinzuweisen, dass die Auffassungen in der Bevölkerung für die gesetzgeberische Entscheidung nicht maßgeblich sein dürften.44 Ebenfalls mit Blick auf die in der Bevölkerung stark verankerte Vorstellung einer auch güterrechtlichen Gemeinschaft in der Ehe beeilten sich die Verfasser des zweiten Entwurfs zum Gleichberechtigungsgesetz die im ersten Entwurf noch sachlich treffende Bezeichnung des geplanten Güterstandes als »Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns« durch die gerade den juristischen Laien irreführende Bezeichnung »Zugewinngemeinschaft« zu ersetzen.45 Dies sind keineswegs nur Reminiszenzen an längst geschlagene Schlachten. Nach einer repräsentativ geschichteten Zufallsstichprobe, die in Deutschland Anfang 2010 unter 2.001 Befragten durchgeführt wurde, geht die überwältigende Mehrheit der Verheirateten im gesetzlichen Güterstand heute irrigerweise davon aus, in einem Güterstand der »Gütergemeinschaft« zu leben. Nach zwanzig Ehejahren sind bezeichnenderweise 98 Prozent der Ehefrauen davon überzeugt, »dass alles, was in ihren Ehen erworben wurde und wird, ihnen und ihren Ehemännern gleichermaßen gehört«.46 Vorprogrammiert ist damit das böse Erwachen spätestens im Moment vorzei42 Alebrandt, Eine EnquÞte zur Reform des ehelichen Güterrechts, in: AcP 152, S. 373 ff. (381 f.). 43 Urbach, Unzulänglichkeiten der Zugewinngemeinschaft. Reformvorschlag für den gesetzlichen Ehegüterstand der Bundesrepublik Deutschland anhand fremder Rechtssysteme, 1990, S. 262 m. w. N. 44 Vgl. Knur, Reform des Ehegüterrechts und Gleichberechtigung von Mann und Frau, in: DtNotartag 1952, S. 43, 46 im damals noch zeittypischen Überlegenheitsgefühl des Gelehrten: »Richtschnur darf nicht sein, was ein unwissender und vielfach an der rechtlichen Gestaltung auch nicht sonderlich interessierter Teil der Bevölkerung sich unter dem gesetzlichen Güterstand vorstellt. Die Meinung des Volkes ist vielmehr nur insofern von Interesse, als sie von Personen kundgetan wird, die […] intellektuell zu verständiger Beurteilung des Dargelegten fähig sind.« 45 Vgl. BT-Drs. 2/224, S. 38. 46 Vgl. die im Oktober 2010 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebene sozialempirische Studie des Instituts Sinus Sociovision »Partnerschaft und Ehe. Entscheidungen im Lebensverlauf«, S. 50.
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tiger Beendigung des Güterstandes durch Scheidung, also gerade in dem Moment, in dem die Bereitschaft zur wechselseitigen Vermögensteilhabe nachweislich am geringsten ist.47 Vor allem aber hält das geltende Recht durch die vermeidbare eklatante Diskrepanz von Recht und Rechtsvorstellungen der Betroffenen während der Dauer des Güterstandes nicht das, was der wirtschaftliche schwächere Güterstandsbeteiligte an Sicherung und Teilhabe vom Recht erwartet. Es kann kaum überraschen, dass nach der vorzitierten Studie gerade die »Frauen mit traditioneller Rollenteilung und geringer Erwerbstätigkeit« bereits nach zehn Jahren Ehezeit davon überzeugt sind, an dem von ihren Ehemännern Erwirtschafteten dieselben Rechte zu haben wie ihre Ehemänner.48 Aber auch für Ehe- und eingetragene Lebenspartnerschaften mit Auslandsbezug durch grenzüberschreitende Lebens- und Arbeitsbeziehungen oder durch Immobilienbesitz im Ausland könnte die Option für den Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft besonders attraktiv sein, da dieser Güterstand in den europäischen Nachbarländern – mehrheitlich sogar als gesetzlicher Güterstand – geltendes Recht ist. Schon jetzt machen nicht wenige Paare, die nach dem internationalen Güterrecht die Möglichkeit der Wahl eines ausländischen Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft haben, von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch (vgl. Art. 15 Abs. 2 EGBGB). Von daher ist es kaum nachvollziehbar, warum Deutschland einerseits im europäischen Kontext zu einem der wenigen Länder gehört, in dem der Mehrheit der Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften die Wahl der Errungenschaftsgemeinschaft vorenthalten wird, und warum Deutschland andererseits das möglicherweise sogar weltweit einzige Land ist, das sich in seiner zentralen Kodifikation des Privatrechts mehr als hundert Paragrafen mutmaßlich totes Recht leistet.49 Angesichts dessen kann die Feststellung der Bundesregierung aus 47 Vgl. die sozialempirischen Ergebnisse der in vorstehender Fußnote zitierten Sinus-Studie (S. 12, 16, 21, 54 – 57, 63), wonach nach dem Scheitern einer Ehe nur noch eine sehr geringe Bereitschaft besteht, »für die Expartnerin/den Expartner eine gewisse Verantwortung zu tragen, z. B. weil er/sie während der Partnerschaft verschiedentlich beruflich zurückgesteckt hat« oder – schlicht – bedürftig ist. Dies betrifft vor allem die Frage der Dauer nachehelichen Unterhalts, aber auch das Güterrecht, insoweit es die Vermögensteilhabe vollständig auf die Zeit nach Beendigung des Güterstandes verlegt. Vgl. zu demselben Aspekt auch WaltherReining, a. a. O. (Fn. 33), S. 271. 48 Sinus Sociovision »Partnerschaft und Ehe. Entscheidungen im Lebensverlauf«, S. 50. 49 Zwar liegen über die heutige Verbreitung des Güterstandes der BGB-Gütergemeinschaft nach Auskunft der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten sowie der Bundestagsfraktion der FDP aus dem Jahre 2004 keine statistischen Angaben vor (BT-Drs. 15/4292, 2). »Tot« ist der Güterstand auch nicht in dem Sinne, dass heute in Deutschland niemand mehr im Güterstand der BGB-Gütergemeinschaft lebte. Durch ehevertragliche Vereinbarungen aus früheren Jahrzehnten kommt der Güterstand noch gelegentlich vor. Nach einer im Jahre 1990 veröffentlichten Umfrage betrifft dies vor allem die landwirtschaftlich geprägten Gegenden Bayerns (a. a. O. m. w. N.). Da aber mit dem Wegfall
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dem Jahre 2004, »dass besondere Probleme im Recht der Gütergemeinschaft bislang aus der Praxis nicht an die Bundesregierung herangetragen worden sind«,50 kaum verwundern. Um das Missverhältnis von Regelungsdichte und praktischer Relevanz der gegenwärtig geltenden Bestimmungen des deutschen Güterrechts zu belegen, bedürfte es nicht einmal mehr eines Hinweises auf die Tatsache, dass der gesetzliche Güterstand, der für die überwältigende Mehrheit der Ehen geltender Güterstand ist, in 26 Paragrafen des BGB51 und der Wahlgüterstand der Gütertrennung sogar nur in einem einzigen Paragrafen52 geregelt wird, was übrigens auch dazu geführt hat, dass sich richterlich inzwischen längst eine »zweite Spur«53 des Güterrechts, nämlich das sogenannte Nebengüterrecht ausgebildet hat, das im Laufe der Jahrzehnte mit unterschiedlichen Ansätzen und Konjunkturen in der höchstrichterlicher Rechtsprechung die offensichtlichen Lücken dieses Teil des Güterrechts füllen und auch Unzulänglichkeiten der »reinen« Gütertrennung korrigieren soll.54 Gefordert ist also die im Gleichberechtigungsgesetz in den 1950er-Jahren versäumte grundlegende Reform des Wahlgüterstandes der Gütergemeinschaft im Sinne seiner Reformierung zu einem modernen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft mit der Möglichkeit ehevertraglicher Beschränkung oder Ausweitung des Gesamtguts. Mit Blick auf die damit zusätzlich entstehenden Wahlmöglichkeiten sollte aus Verkehrsschutzgründen auch über die Umwandlung des gegenwärtig allseits als »tot« bezeichneten Güterrechtsregisters55 in ein
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der Grunderwerbssteuerpflicht im Verhältnis zwischen den Ehegatten inzwischen das wesentliche steuerliche Motiv von Landwirten zur Vereinbarung der BGB-Gütergemeinschaft entfallen ist [vgl. dazu Langenfeld, a. a. O. (Fn. 24), S. 88, Rn. 88], wird es vermutlich auch im Bereich landwirtschaftlicher Familienbetriebe heute kaum noch zu neuen Vereinbarungen der BGB-Gütergemeinschaft kommen. In der allgemeinen deutschen Notarpraxis spielen die Gütergemeinschaft und erst recht die »Fortgesetzte Gütergemeinschaft« (§§ 1483 – 1518 BGB) schon seit langem keine nennenswerte Rolle mehr. Vgl. auch Walther-Reining, a. a. O. (Fn. 33), S. 268 f. So heißt es wörtlich in der in vorstehender Fußnote angeführten Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage aus dem Jahre 2004. Verwundern kann allerdings die weitergehende Feststellung der Bundesregierung, dass auch »auf wissenschaftlichen Kongressen […], soweit ersichtlich, die Gütergemeinschaft nicht thematisiert« wird (BT-Drs. 15/ 1492,2). Damit scheint dann auch kein politischer Handlungsbedarf mehr zu bestehen. §§ 1363 – 1390 BGB. § 1414 BGB. Grziwotz, Die zweite Spur – ein (neuer) Weg zur Gerechtigkeit zwischen Ehegatten – Bemerkungen zum Urteil des BGH v. 30. 6. 1999 – XII ZR 230/96, in: DNotZ 2000, S. 486 (488). Dazu Herr, Kritik der konkludenten Ehegatteninnengesellschaft. Der Ausgleich ehelicher Mitarbeit als ehebezogene Wertschöpfung im Rahmen richterlicher Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen, 2008 sowie Schlimm, Die Ehegatteninnengesellschaft im außergüterrechtlichen Vermögensausgleich. Rechtsprechungsentwicklung, offene Frage und Folgeprobleme, 2010, XXV – XXXViii mit einem tabellarischen Überblick über die wechselvolle Rechtsprechung des BGH zur Ehegatteninnengesellschaft seit 1950. Nach Walther-Reining, a. a. O. (Fn. 33), S. 268 kommen aufgrund der mangelnden Eintra-
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elektronisches Register56 nachgedacht werden, das entsprechend dem Vorbild einer Reihe von in Europa geltenden Güterrechtsordnungen57 die Eintragung eines ehevertraglich bestimmten oder geänderten Güterstandes obligatorisch werden lässt. Ferner sollte auch der gesetzliche Güterstand über die nur »technische Reform«58 von 2009 hinausgehend vor allem im Hinblick auf den Umfang wechselseitiger Vermögensteilhabe so reformiert werden, dass die Betroffenen hinsichtlich der wirklich güterstandsspezifischen Unterschiede eine echte Wahlmöglichkeit zwischen dem Güterstandsmodell der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich und dem Güterstandsmodell der Errungenschaftsgemeinschaft haben (dazu These 4). Wenn heute in Deutschland – genaue Erhebungen fehlen – nur ungefähr 10 Prozent der Ehen einen Ehevertrag schließen,59 während es in den 1930er-Jahren noch über 30 Prozent waren,60 dann spiegelt sich darin auch der Mangel an attraktiven Optionen, die unser heute noch geltendes Güterrecht bietet. Die folgenden zwölf Thesen sollen Eckpunkte für ein reformiertes Güterrecht markieren.
These 1 Drei Formen güterrechtlicher Teilhabe in Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft sind zu unterscheiden: Vermögensteilhabe, Entscheidungsteilhabe und Haftungsteilhabe. Nach dem grundlegenden Prinzip der Teilhabe stehen alle drei
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gungspflicht zurzeit 95 Prozent der ehevertraglichen Modifikationen des Güterstandes nicht zur Eintragung in das Güterrechtsregister. Da die Eintragung im Register für keinen Rechtsakt konstitutives Element ist, kann es nicht verwundern, dass das Register anders als in anderen Ländern in Deutschland bisher »ein weithin totes Register geblieben« ist [vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 6., völlig neu bearbeitete Auflage 2010, § 33 I, 363 m. w. N.]. So heute etwa Art. 19 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien). Art. 69, 72 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1396 Code Civil (Belgien), Art. 19 f. FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien), § 37 EhewirkG (Dänemark), §§ 43 f. EheG (Finnland), Art. 162 f. Codice civile (Italien), Art. 3.103 ZGB (Litauen), Art. 1246 Civil Code (Malta), Art. 1333 Cûdigo civil (Spanien). So zu recht Rauscher, Technische Reform der Zugewinngemeinschaft – zu kurz gegriffen, in: Bayer/Koch (Hg.), Aktuelle Fragen des Familienrechts, 2009, S. 9 – 26. Stach, Eheverträge. Gesetz und Rechtstatsachen, 1988, S. 13 ff. Davon hat nach Schreiber, Gestaltungsfreiheit in Eheverträgen in rechtsdogmatischer und rechtstatsächlicher Sicht, 1983, S. 5 ff. die übergroße Mehrheit, nämlich 90 Prozent, die Vereinbarung der Gütertrennung zum Gegenstand. In der Tat bildet im Moment die reine Gütertrennung güterstandsrechtlich betrachtet die einzige wirkliche Alternative unter den gesetzlich geregelten Güterstandsoptionen. Reine Gütertrennung ist aber für die übergroße Mehrheit der Güterstandsbeteiligten keine empfehlenswerte Alternative zum gesetzlichen Güterstand. So Siefert, Familien- und erbrechtliche Tatsachen in Baden, in: AcP 132 (1930), S. 339 (340) für Baden.
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Teilhabeformen in einem inneren wechselseitigen Verhältnis: Je größer die Vermögens- und Entscheidungsteilhabe ist, desto weitgehender muss die Haftungsteilhabe sein und umgekehrt. Güterrecht ist besonderes Vermögensrecht für Eheleute und eingetragene Lebenspartnerschaften. Abgesehen von den Fällen reiner Gütertrennung zielt Güterrecht auf wechselseitige Vermögensteilhabe durch eine – hier noch untechnisch verstandene – Form der Vergemeinschaftung des Vermögens beider Güterstandsbeteiligter.61 Darin liegt, abgesehen von der spezifischen Legitimation güterrechtlicher Vermögensteilhabe62, ein wesentlicher Unterschied zum Recht des nachehelichen bzw. nachpartnerschaftlichen Unterhalts. Geht es nämlich beim güterrechtlichen Ausgleich aller von der Vergemeinschaftung erfassten Vermögensvorteile immer um gleichberechtigte Teilhabe an allen bis zur Beendigung des Güterstandes vorhandenen Vermögensvorteilen, deren wertmäßiger Umfang im Moment der Beendigung des Güterstandes endgültig bestimmbar wird, so hat das Recht des nachehelichen Unterhalts die Funktion eines an die gegenwärtige ökonomische Bedürfnislage des Unterhaltsberechti61 Die Bildung von gemeinschaftlichem Sondervermögen in einem bereits während der Dauer des Güterstandes auch dinglich unterschiedenen Gesamtgut ist nur die stärkste Form güterrechtlicher Vergemeinschaftung. Eine schwächere Form bildet die aufgeschobene Gütergemeinschaft in Skandinavien, wo während der Dauer des Güterstandes etwa in Finnland eine Art Anwartschaftsrecht, ein »Gattenanteilsrecht«, jeweils am Vermögen des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten entsteht, soweit dieses Vermögen der späteren Teilhabe unterliegt [vgl. § 35 Abs. 1 und 2 EheG (Finnland)]. Am schwächsten ist die Vergemeinschaftung während der Dauer des Güterstandes im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich. Aber auch hier liegt funktionell bereits eine schwache Form von Vergemeinschaftung vor, die sich während der Dauer des Güterstandes jedoch nur in wenigen Bestimmungen äußert (§§ 1365 – 1369 sowie § 1375 Abs. 2 BGB). 62 Die – wie alle Legitimationsfragen in pluralistischen Gesellschaften – schwierige Frage nach der Legitimation güterrechtlicher Vermögensteilhabe kann nicht für alle Güterstandstypen, die wechselseitige Vermögensteilhabe vorsehen, einheitlich erklärt werden, es sei denn, man sähe mit Battes, Sinn und Grenzen des Zugewinnausgleichs, in: FuR 1990, S. 311, 323 f. in der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft güterrechtlich nichts anderes als eine »bloße Konsumgemeinschaft«, die lediglich darauf gerichtet ist, vorhandene Vermögenswerte gemeinsam zu verbrauchen. Ein solcher Ansatz verengt allerdings das Verhältnis der Güterstandsbeteiligten auf nur einen Aspekt ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen. Vor allem bleiben jedoch die normativen Prämissen für die Begründung der Teilhabe unklar. Selbst nach eigener Auffassung von Battes, a. a. O., S. 324 legitimiert der Gedanke der Konsumgemeinschaft nicht in allen Fällen die Vermögensteilhabe. Jenseits dieses Ansatzes kann man güterrechtliche Vermögensteilhabe güterstandsübergreifend einheitlich legitimieren, sofern man sich auf diejenigen Güterstände beschränkt, die im Sinne nur partieller güterrechtlicher Vergemeinschaftung das im Moment der Begründung des Güterstandes jeweils vorhandene Vermögen von der wechselseitigen Vermögensteilhabe ausnehmen. Das betrifft sowohl das Modell der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich als auch das Modell einer Errungenschaftsgemeinschaft. Vgl. dazu auf der Grundlage des in Deutschland geltenden Rechts die Ausführungen nach These 6 (am Ende).
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gen anknüpfenden Vermögenstransfers,63 dessen Umfang wenigstens in Deutschland ohne einen sogenannten clean break im Extremfall bis zum Moment des Todes des Unterhaltsberechtigten oder des Unterhaltsverpflichteten unbestimmbar bleibt.64 Ein weiterer Unterschied zwischen güterrechtlicher Vermögensteilhabe und nachehelichem bzw. nachpartnerschaftlichem Unterhalt besteht darin, dass es im Güterrecht nicht notwendigerweise um Vermögenstransfer, sondern um eine – je nach Güterstand – geringere oder stärkere Form der Vergemeinschaftung und damit um Teilhabe am vergemeinschafteten Gegenstand geht.65 Anders als mit Transferleistungen verbinden sich mit Teilhabe durch Vergemeinschaftung innerhalb und außerhalb des Vermögensrechts unterschiedliche Teilhabeformen, die in einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit zueinander stehen, denn Chancen und Risiken, Entscheidung und Verantwortung, Vermögensvorteile und Vermögenslasten lassen sich nicht sinnvoll voneinander trennen.66 Das bedeutet: Je mehr Chancen, Entscheidungsrechte und Vermögensvorteile dem einzelnen Teilhabeberechtigten eingeräumt werden (Entscheidungs- und Vermögensteilhabe), desto mehr Risiken, Verantwortung und Vermögenslasten muss er zugunsten des anderen tragen (Haftungsteilhabe) und umgekehrt, je weniger Risiken, Pflichten und Lasten er übernimmt, desto geringer ist die Legitimation seiner Teilhabe an Rechten und Vorteilen im Rahmen der Vergemeinschaftung. Von daher gesehen verstößt es gegen ein grundlegendes Prinzip der Teilhabe, 63 Vgl. allerdings auch Dauner-Lieb/Sanders, Abdingbare Teilhabe – unabdingbare Verantwortung? Grenzen güterrechtlicher Vereinbarungen im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, in: FPR 2005, S. 141 (144) dazu, dass sich die Funktionen von güterrechtlicher Teilhabe und unterhaltsrechtlicher Solidarität »nicht immer vollkommen scharf« voneinander trennen lassen. 64 Daran würde übrigens auch eine künftige Reform des Rechts des nachehelichen Unterhalts nichts grundsätzlich ändern, die den Unterhalt, abgesehen vom besonderen Fall des Betreuungsunterhalts, konsequent auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkte – so im Ergebnis mit veritabler rechtsphilosophischer Grundlegung Brudermüller, Geschieden und doch gebunden? Ehegattenunterhalt zwischen Recht und Moral, 2008, S. 167 – 178. Vgl. zu dem im Text dargelegten grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Recht des nachehelichen Unterhalts einerseits und dem Güterrecht sowie dem Versorgungsausgleichsrecht andererseits jetzt auch Brudermüller, Des »Pudels Kern« – Probleme der Kernbereichslehre bei Eheverträgen zum Güterrecht, in: Schwabe/Dose (Hg.), Familienrecht in Praxis und Theorie. Festschrift für Meo-Micaela Hahne zum 65. Geburtstag, 2012, S. 121 (133 f.). 65 Vgl. zur langen philosophiegeschichtlichen Tradition des Begriffs der Teilhabe und zu unterschiedlichen Teilhabeformen Diederichsen, Teilhabegerechtigkeit in der Ehe, in: Neunter Deutscher Familiengerichtstag, 1992, S. 17 (26 f., 41 f. Fn. 75 m. w. N.) und allgemein zum Zusammenhang von Gemeinschaft und Teilhabe: Larenz, Richtiges Recht. Grundzüge einer Rechtsethik, 1979, S. 114 ff (116). 66 Knöpfel, Gerechtigkeit und nachehelicher Unterhalt – eine ungelöste Frage, in: AcP 191 (1991), S. 107 (132).
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wenn im geltenden Wahlgüterstand der BGB-Gütergemeinschaft beide Güterstandsbeteiligte nicht nur mit ihrem vergemeinschafteten Gesamtgut, sondern zusätzlich auch noch persönlich mit ihrem von der wechselseitigen Vermögensteilhabe gerade ausgenommenen Vorbehaltsgut für rechtsgeschäftlich und gesetzlich begründete Verbindlichkeiten eines Güterstandsbeteiligten einstehen müssen,67 obwohl der jeweils andere auf die Entstehung der Verbindlichkeiten im Rahmen der Entscheidungsteilhabe während der Dauer des Güterstandes keinen Einfluss hatte. Dieses Missverhältnis zwischen Entscheidungs- und Haftungsteilhabe würde sich noch verschärfen, wenn auf der Grundlage des noch geltenden Güterrechts das Gesamtgut im Sinne einer Errungenschaftsgemeinschaft ehevertraglich auf das nach Begründung des Güterstandes erworbene Vermögen beschränkt würde. Dann stünde der ungeschmälerten gesetzlichen Haftungsteilhabe auch noch eine ehevertraglich erheblich geschmälerte Vermögensteilhabe gegenüber. Ein gutes Beispiel hingegen für eine den inneren Zusammenhang der Teilhabeformen beachtende Bestimmung des Verhältnisses von Vermögensteilhabe und Schuldenhaftung bilden die belgischen Regelungen zur ehevertraglichen Modifikation des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft. Danach können die Ehegatten selbst bestimmen, ob das gesamte oder nur ein Teil des gegenwärtigen oder zukünftigen Vermögens zum Gesamtgut gehören soll. Jeweils in Abhängigkeit vom ehevertraglich bestimmten Zuschnitt des Gesamtguts und damit der Vermögensteilhabe bestimmt sich dann auch die Haftungsteilhabe für die Vermögenspassiva des Gesamtguts. Während in den Fällen des gesetzlichen Güterstands der Errungenschaft voreheliches Vermögen Eigengut und voreheliche Schulden Eigenschulden bleiben, führt die ehevertragliche Ausweitung des Gesamtguts auch zu einer umfassenderen Bestimmung der gemeinschaftlichen Schulden beider Güterstandsbeteiligter, und zwar jeweils nach dem Verhältnis des Wertes der gemeinschaftlich gewordenen Güter zum Zeitpunkt ihrer Einbringung im Vergleich zum Wert der im Eigengut verbleibenden Güter.68 Ebenso bestimmt es das niederländische Recht für den Fall einer ehevertraglichen Modifikation des gesetzlichen Güterstandes der Gütergemeinschaft zwingend.69 Nach dem dänischen gesetzlichen Güterstand der aufgeschobenen Gütergemeinschaft kann einerseits jeder Ehepartner während der Dauer des Güterstandes grundsätzlich über alle von ihm selbst eingebrachten Vermögenswerte selbstständig verfügen,70 andererseits haftet er für die
67 §§ 1418 Abs. 1 und 3 Satz 2, 1459 Abs. 2 Satz 1 BGB. 68 Art. 1452 Abs. 2 Code Civil (Belgien). 69 Art. 1:121 Abs. 2 BW (Niederlande). Ähnlich auch § 1235 ABGB (Österreich) für den Fall der ehevertraglichen Vereinbarung eines Gemeinschaftsgüterstandes. 70 § 16 Abs. 1 EhewirkG (Dänemark).
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ihm obliegenden Verbindlichkeiten auch nur mit seinem Teil des gemeinschaftlichen Vermögens sowie seinem Vorbehaltsgut.71 Auch die Regelungen zu einem künftigen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland müssten den inneren Zusammenhang von Vermögens-, Entscheidungs- und Haftungsteilhabe erkennbar werden lassen. Die Möglichkeit ehevertraglicher Modifikation einer Form der Teilhabe müsste gesetzlich zwingend die Anpassung der anderen Teilhabeformen zur Folge haben.
These 2 Mit Blick auf die zunehmenden Individualisierungstendenzen auch innerhalb von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften setzt die Akzeptanz von Vermögensteilhabe auf der einen und Haftungsteilhabe auf der anderen Seite eine möglichst weitgehende Ausrichtung des Teilhabeumfangs am Kriterium der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit voraus. Eine besondere güterrechtliche Teilhabe an Vermögenszuwächsen des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten kann an die bloße Existenz der ehelichen bzw. partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft anknüpfen im Sinne einer Erweiterung der persönlichen Gemeinschaft auf das vermögensrechtliche Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander. Notwendig ist diese Erweiterung von der Lebens- zur Vermögensgemeinschaft allerdings nicht einmal im Zeichen eines institutionellen Eheverständnisses72, wie nicht nur der ursprüngliche von 1900 bis 1953 geltende gesetzliche Güterstand des BGB zeigt, der im Kern auf einer Gütertrennung ohne späteren Vermögensausgleich beruhte.73 Soweit es in der Vergangenheit hingegen zu einer – wie auch immer rechtstechnisch hergestellten – Vergemeinschaftung der Eheleute auch in vermögensrechtlicher Hinsicht kam, wurde der aus dem »Wesen« der Ehe abgeleitete Gedanke einer 71 § 25 EhewirkG (Dänemark). 72 Vgl. dazu Gernhuber/Coester-Waltjen, a. a. O. (Fn. 55), § 4 I, S. 24, Rn. 3. 73 Ebenso wie das deutsche BGB in der Fassung von 1900 sahen das bis 1900 geltende preußische ALR und das bis heute geltende österreichische ABGB oder auch das bis 1975 in Italien geltende Güterrecht ungeachtet eines ausgeprägten christlich-institutionellen Eheverständnisses in der Gesellschaft rechtlich im Kern Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand vor. Hier verlagern sich dann die vermögensrechtlichen Solidarpflichten innerhalb der Ehe ganz auf das Recht des ehelichen und auch nachehelichen Unterhalts. Die früher nach einem patriarchalischen Verständnis geschlechtsspezifischer Fürsorge für die Ehefrau einseitig vor allem den Ehemann treffenden Unterhaltspflichten wurden bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein regelmäßig durch – die Gütertrennung überspielende – einseitige Verwaltungs- und Nutznießungsrechte des Ehemannes am Vermögen der Ehefrau mehr als aufgewogen.
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persönlichen Schicksalsgemeinschaft »in guten und in schlechten Tagen74 auch auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute ausgeweitet. Das lässt sich selbst noch am in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Kraft getretenen gesetzlichen Güterstand ablesen, der zwar Gütertrennung vorsieht, aber in seinem vergemeinschaftenden die Vermögensteilhabe realisierenden Element des rechnerischen Zugewinnausgleichs – nur mit wenigen und nicht im wechselseitigen Verhältnis der Eheleute begründeten Ausnahmen75 – prinzipiell sämtlichen während der Dauer des Güterstandes erfolgten Vermögenserwerb dem Zugewinnausgleich und damit der Vermögensteilhabe unterwirft (vgl. dazu näher These 4). Erst recht gilt diese Verankerung des Zugewinnausgleichs im Gedanken einer Schicksalsgemeinschaft der Güterstandsbeteiligten mit Solidarwirkungen über den Tod hinaus im Falle des erbrechtlichen pauschalierten Zugewinnausgleichs im Todesfall (§ 1371 Abs. 1 BGB), der im Einzelfall sogar die Richtung und damit den güterrechtlichen Zweck des Zugewinnausgleichs in sein Gegenteil verkehren kann. Auch dieses Institut, das weltweit ein Unikum darstellt und in der Theorie, nicht in der Praxis, seit Beginn seiner Schaffung in den1950er-Jahren kritisiert wird,76 müsste auf den Prüfstand, um entweder als güterrechtliches Institut im Hinblick auf das Prinzip der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit modifiziert oder konsequent von einem güterrechtlichen zu einem erbrechtlichen Institut umgeformt zu werden. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch neben vielen anderen Formen des sozialen Lebens auch die innerehelichen Beziehungen von der allgemeinen Tendenz zur Individualisierung erfasst worden. Das betrifft in der Ehe vor allem die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute untereinander,77 wo da, wo Vermögen vorhanden ist, zunehmend individuell gewirtschaftet wird. Die zumeist getrennte Kontenführung beider Eheleute ist nur ein bezeichnendes Indiz. Insofern bildet der Gedanke der Schicksalsgemeinschaft in Bezug auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Eheleute keine ausreichende Legitimation 74 Das Ehegelübde »Einander zu haben und zu halten, von diesem Tage an, in guten und in schlechten Zeiten, in Armut und Reichtum, in Krankheit und Gesundheit, zu Lieben und zu Ehren, bis dass der Tod uns scheidet« wird in der anglikanischen Trauungszeremonie noch heute rezitiert: »To have and to hold from this day forward, for better, for worse, for richer, for poorer, in sickness and in health, to love and to cherish till death do us part and thereto I pledge thee my troth.« 75 § 1374 Abs. 2 BGB. 76 Urbach, a. a. O. (Fn. 43), S. 51 – 60, 64 f., 90 – 99, 132, 197 f. zur »Ungerechtigkeit der Erbpauschale«, die schon in den 1950er-Jahren »in der Literatur ganz überwiegend auf Ablehnung stieß« (52 m. w. N.). Für die Praxis und auch die Betroffenen selbst ist hingegen die einfache Handhabbarkeit dieser Pauschallösung ein bei der Abwägung mit Gerechtigkeitsüberlegungen durchaus im Blick zu behaltender Vorteil. 77 Meder, Grundprobleme und Geschichte der Zugewinngemeinschaft. Wandel der Rollenleitbilder und fortschreitende Individualisierung im Güterrecht, Halle an der Saale 2010, S. 9 et passim.
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mehr für den auf Durchschnittsehen zugeschnittenen gesetzlichen Güterstand. Eingetragenen Lebenspartnerschaften, deren Existenz im Übrigen selbst Ausdruck der Individualisierungs- und Pluralisierungstendenzen der Gegenwart ist, fehlte von vornherein die traditionelle Verankerung des Gedankens der lebenslangen Schicksalsgemeinschaft. Allein die Tatsache der Eheschließung oder der Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft reicht mithin nicht mehr aus, um grundsätzlich das gesamte während der Dauer des Güterstandes von einem Güterstandsbeteiligten erworbene Vermögen der Teilhabe des anderen Güterstandsbeteiligten zu unterwerfen. Akzeptanz für Teilhabe an Vermögensvorteilen des jeweils anderen setzt vielmehr eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen solchem Vermögenserwerb voraus, der in keinem inneren Zusammenhang mit der Lebensgemeinschaft steht, und solchem, für den ein derartiger Zusammenhang zumindest nicht ausgeschlossen werden kann. Prinzipiell setzt Vermögensteilhabe damit voraus, dass der Teilhabeberechtigte durch sein Verhalten in irgendeiner Weise, durch ein Tun oder auch ein Unterlassen,78 eine Bedingung zur Entstehung dieser Vermögensvorteile gesetzt haben könnte. In diesem Sinne wird die »Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit« zum maßgeblichen Kriterium für die Begründung und Begrenzung vermögensrechtlicher Solidarität.79 Das gilt für das Güterrecht wie für das Unterhaltsrecht. Während das Kriterium der Ehebedingtheit im geltenden Recht des nachehelichen und nachpartnerschaftlichen Unterhalts mit einer Anknüpfung an ehe- bzw. partnerschaftsbedingt erlittene Vermögensnachteile aber bereits einen ersten Niederschlag gefunden hat,80 steht dieser Schritt im Güterrecht noch aus. Anders als im Unterhaltsrecht geht es im güterrechtlichen Ausgleich um eine gerechte Aufteilung der von den Güterstandsbeteiligten einzeln oder gemeinsam erworbenen Vermögensvorteile. Vermögensteilhabe sollte – vorbehaltlich ehevertraglicher Modifikationen – also Teilhabe an den ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögensvorteilen sein.81 Zwar kann im güterrechtlichen Vorteils78 Vgl. insoweit Dethloff, Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich – Sind unsere familienrechtlichen Ausgleichssysteme noch zeitgemäß?, in: Verhandlungen des Siebenundsechzigsten Deutschen Juristentages, München 2008, A 90 f. etwa zur Aufgabe oder Rückstellung eigener Karrierepläne. 79 Vgl. Meder, a. a. O. (Fn. 77), S. 27 – 45 zur »Ehebedingtheit« als Kriterium der Vermögensaufteilung. 80 § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB bzw. § 16 LPartG i. V. m. § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB zur Möglichkeit der Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Unterhalts, insoweit nicht »durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.« 81 Vgl. auch Meder, Eigenverantwortung und Solidarität im deutschen Ehegüterrecht: Reformforderungen der bürgerlichen Frauenbewegung und künftige Ausgestaltung des Zugewinnausgleichsrechts, in: Rollenleitbilder und -realitäten in Europa: Rechtliche, ökonomische und kulturelle Dimensionen. Dokumentation des Workshops, 20.–22. Oktober 2008,
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ausgleich immer auch ein Ausgleich ehe- bzw. partnerschaftsbedingter Nachteile liegen. Das ist im Güterrecht aber nur ein die rechtliche causa des Ausgleichs nicht tragender Nebeneffekt, da hier eine Kompensation von Nachteilen nur dann und auch nur insoweit in Betracht kommt, wie in der Vergangenheit Vermögensvorteile erwirtschaftet wurden, die im Moment der Vermögensteilhabe auch noch nicht wieder verbraucht worden sind. Im Recht des nachehelichen bzw. nachpartnerschaftlichen Unterhalts hingegen geht es um die Beseitigung einer gegenwärtigen Bedürfnislage des Unterhaltsverpflichteten, bei der die in der Vergangenheit erwirtschafteten Vermögensvorteile gar keine bzw. nur eine mittelbare Rolle insoweit spielen, als sie die gegenwärtige Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten mitbestimmen. Umgekehrt ist im Recht des nachehelichen Unterhalts ein über Unterhaltszahlungen gegebenenfalls teilweise erfolgender Vorteilsausgleich nur ein Nebeneffekt, der seinerseits nicht die rechtliche causa des Unterhalts bildet. Für beide Ausgleichssysteme läge aber das Kriterium der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit zur Begrenzung des Umfangs des vermögensrechtlichen Ausgleichs82 in der Konsequenz des unaufhaltsam im Vordringen befindlichen Individualisierungsgedankens. Im Rahmen des Güterrechts gilt dies im Übrigen auch für die Beschränkung der Haftungsteilhabe, soweit das Güterrechtssystem eine gemeinsame Haftung beider Güterstandsbeteiligter vorsieht. Die nach dem Recht der Ehewirkungen güterstandsunabhängig geltende Haftung beider Güterstandsbeteiligter für Verbindlichkeiten aus »Geschäfte[n] zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie«83 ist ein klassisches Beispiel der Haftung für ehe- bzw. partnerschaftsbedingte, nämlich im Interesse der Ehe bzw. Partnerschaft eingegangene Verbindlichkeiten. Unterstrichen wird das durch den Ausschluss der Haftung im Falle des Getrenntlebens84, also im Falle der faktischen Auflösung der Lebens- und Haushaltsgemeinschaft. Hingegen widerspricht die gemäß § 1459 Abs. 2 Satz 1 BGB während der Dauer des Wahlgüterstandes der Gütergemeinschaft neben der Haftung des Gesamtguts unbeschränkt gesamtschuldnerische Haftung jedes Güterstandsbeteiligten mit seinem persönlichen Vorbehaltsgut für sämtliche Gesamtgutsverbindlichkeiten nicht nur dem Prinzip des inneren Zusammenhangs von Vermögens- und Haftungsteilhabe (vgl. These 1), sondern auch dem Prinzip einer Beschränkung der Haftung jedes GüterBaden-Baden 2009, S. 142 (155): »Dem unterhaltsrechtlichen Ausgleich ›ehebedingter‹ Nachteile entspricht im Güterrecht, um es etwas zugespitzt zu formulieren, der Ausgleich ›ehebedingter‹ Vorteile.« 82 So für den gesetzlichen Güterstand in Deutschland auch Koppenfels-Spies, Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich – Sind unsere familienrechtlichen Ausgleichssysteme noch zeitgemäß?, in: JZ 2008, S. 801, 805. 83 § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. § 8 Abs. 2 LPartG i. V. m. § 1357 Abs. 1 Satz 1 BGB. 84 § 1357 Abs. 3 BGB bzw. § 8 Abs. 2 LPartG i. V. m. § 1357 Abs. 3 BGB.
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standsbeteiligten auf ehe- bzw. partnerschaftlich bedingte Verbindlichkeiten. Dasselbe gilt auch für die Haftung des Gesamtguts für rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Verbindlichkeiten, die der jeweils andere Güterstandsbeteiligte vor Beginn der Gütergemeinschaft begründet hat.85
These 3 Wechselseitige güterrechtliche Vermögensteilhabe sollte dann ausgeschlossen sein, wenn der Vermögenserwerb offensichtlich nicht durch Ehe oder Partnerschaft bedingt ist. Umgekehrt sollte aber auch weiterhin ein konkreter Nachweis der Mitverursachung eines Vermögenserwerbs während der Dauer des Güterstandes keine Voraussetzung für die Vermögensteilhabe sein. Das Prinzip einer Beschränkung des Umfangs der Vermögensteilhabe auf das während der Dauer des Güterstandes ehe- bzw. partnerschaftsbedingt erworbene Vermögen lässt noch offen, in welcher Weise die Konkretisierung dieses Prinzips durch güterrechtliche Regelungen erfolgen soll. In seiner strengsten Umsetzungsform müsste ein konkreter Nachweis der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit gefordert werden. So besteht zum Beispiel im albanischen Wahlgüterstand der Gütertrennung ein Zugewinnausgleichsanspruch nur, wenn und soweit der jeweils Zugewinnausgleichsberechtigte auf die eine oder andere Art zum Zugewinn im Vermögen des jeweils anderen Ehegatten beigetragen hat. Weist der Zugewinnausgleichsberechtigte seinen Beitrag nach, hat er Anspruch auf Werterstattung des aus seinen Leistungen entstandenen Wertzuwachses im Vermögen des Zugewinnausgleichspflichtigen.86 Im Sinne größtmöglicher Folgerichtigkeit bei der Konkretisierung des Prinzips der Ehebedingtheit stellt Gerd Brudermüller fest: »Bei der Beurteilung, ob ein ehebedingter Vorteil vorliegt, ist es – als Kehrseite zu den ehebedingten Nachteilen konsequent – entscheidend, welche berufliche Ebene dieser Ehepartner ohne die Ehe zum Zeitpunkt der Scheidung erreicht hätte; es kommt nicht darauf an, wie die Aufgabenverteilung in der jeweiligen Ehe war.«87 In der Tat kann ein Kausalzusammenhang zwischen 85 Vgl. nur Langenfeld, a. a. O. (Fn. 24), S. 88, Rn. 338, der darauf hinweist, dass in der BGBGütergemeinschaft jeder Güterstandsbeteiligte mit dem Gesamtgut über das allgemeine Unterhaltsrecht hinaus sogar für den Unterhalt von Schwiegereltern, Stiefkindern und Abkömmlingen von Stiefkindern haftet. 86 Art. 121 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien). Vgl. ähnlich die italienischen Sondervorschriften zum Zugewinn im Familienunternehmen (Art. 230 bis Abs. 1 Codice civile (Italien). 87 So Brudermüller, a. a. O. (Fn. 64), S. 175 im Zusammenhang mit der im Ergebnis konsequent verneinten Frage, ob ein während der Ehe durch den anderen Partner ermöglichtes »großes berufliches Engagement« im Recht des nachehelichen Unterhalts die spätere »Teilhabe an dem während der Ehe erzielten Einkommen auch nach der Scheidung« legitimiere. Zu
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einvernehmlicher Aufgabenverteilung und Zuwächsen im Vermögen des weniger oder gar nicht mit der Haushaltsführung befassten Partners immer nur vermutet werden, was allenfalls für eine typisierende Zurechnung ausreicht, zumal die Aufgabenverteilung nur einen möglichen Faktor für ehebedingte Vermögenszuwächse bildet.88 Allerdings würde die Umsetzung des reinen Prinzips der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit in die Regeln des Ehegüterrechts durch die Notwendigkeit der Bildung einer fiktiven Erwerbsbiografie noch mehr Probleme aufwerfen, als dies im Unterhaltsrecht im Zusammenhang mit § 1578b Abs. 1 Satz 2 BGB ohnehin schon jetzt der Fall ist.89 Denn anders als im Unterhaltsrecht ginge es nicht um eine fiktive Fortschreibung einer im Zeitpunkt der Begründung der Ehe oder Lebenspartnerschaft regelmäßig bereits angelegten tatsächlichen Ausbildungs- und Erwerbsbiografie, sondern um die vollständig fiktive Bildung einer alternativen Erwerbsbiografie, bei der die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft weggedacht und – auch unter Einbeziehung diverser Faktoren außerhalb von Ehe und Lebenspartnerschaft – hypothetische Alternativverläufe gebildet werden müssen. Hier kommt die Umsetzung des reinen Prinzips mit Blick auf die Zumutbarkeit für die Rechtsprechung an seine praktischen und mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit auch an seine rechtlichen Grenzen. Es gibt aber zwischen der schwächsten und der strengsten Form der Umsetzung des Prinzips der Vermögensteilhabe an ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögensvorteilen auch Zwischenlösungen. So sehen eine Reihe von Güterrechtsordnungen in Europa Regelungen vor, die die Vermögensteilhabe zwar im Sinne der Praktikabilität auf typisierend-normative Zuschreibungen gründen, aber unter Auferlegung der Beweislast dem einzelnen Güterstandsbeteiligten die Möglichkeit geben, seine tatsächlichen, von den normativen Zuschreibungen abweichenden Beiträge nachzuweisen, um den Umfang der eigenen Vermögensteilhabe über die gesetzliche Aufteilungsquote hinaus auszudehnen. Beispielsweise geht der griechische gesetzliche Güterstand der Güdemselben Ergebnis kommt man nach der oben (These 2) vertretenen Auffassung, dass im Sinne des Prinzips der Eigenverantwortung sowie der klaren prinzipiellen Unterscheidung zum güterrechtlichen Ausgleich Zahlungspflichten nach dem Recht des nachehelichen Unterhalts in keinem inneren Zusammenhang zu den ehebedingt erlangten Vermögensvorteilen stehen, sondern vielmehr für den Fall nachehelicher Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten auf den Ausgleich der ehebedingt erlittenen Nachteile beschränkt sein sollten. 88 Vgl. Brudermüller, a. a. O. (Fn. 64), S. 175, der zu recht darauf hinweist, dass einerseits »beruflicher und damit wirtschaftlicher Erfolg einerseits auch von Ausbildung, Qualifikation, persönlichem Einsatz und Können und nicht zuletzt gelegentlichen Zufällen, also sehr persönlichen Faktoren, abhängig sind, andererseits auch eine einmal erreichte – gerade höhere berufliche Position – immer wieder verteidigt und durch weiteres Engagement erhalten werden muss.« 89 In der Regel werden die Betroffenen vollkommen unterschiedliche Auffassungen vom fiktiven Verlauf der eigenen und der jeweils anderen Erwerbsbiografie haben.
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tertrennung mit Zugewinnausgleich im Falle eines höheren Zugewinns eines der beiden Güterstandsbeteiligten zwar von der gesetzlichen Vermutung aus, dass der Beitrag des anderen Güterstandsbeteiligten zum höheren Zugewinn ein Drittel beträgt und ihm daher ein Drittel an Zugewinndifferenz gebührt. Es kann aber ein größerer oder geringerer Beitrag oder das Fehlen jeglichen Beitrags vom jeweils beweisbelasteten Güterstandsbeteiligten im Einzelfall nachgewiesen werden.90 In ähnlicher Weise kann im polnischen gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft jeder Ehegatte aus wichtigen Gründen verlangen, dass bei der Vermögensteilhabe von der gesetzlichen Halbteilungsquote unter Berücksichtigung der nachgewiesenen tatsächlichen Beiträge zur Errungenschaft abgewichen wird.91 Zu recht wird aber auch gegenüber solchen Formen einer Flexibilisierung der gesetzlichen Aufteilungsquote eingewandt, dass der »Verlust an Rechtssicherheit […] immer noch beträchtlich« sei, zumal nicht nur der höhere Beitrag eines der beiden Güterstandsbeteiligten, sondern auch ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Beitrag und den entstandenen Vermögensvorteilen nachzuweisen wäre.92 Viele Güterrechtsordnungen machen daher die Teilhabe unter Verzicht auf einen konkreten Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen Beitrag und Vermögenserwerb davon abhängig, dass im Einzelfall überhaupt wechselseitige Beiträge nachweisbar sind. So fällt in einer Reihe von osteuropäischen Güterrechtsordnungen das während der Ehe und auch tatsächlich gelebten Gemeinschaft »durch Arbeit«93 Erwirtschaftete in das der Vermögensteilhabe zugrunde liegende Gesamtgut, wobei allerdings unter »Arbeit« nicht nur beruflich erzielte Einkünfte, sondern auch unentgeltliche Hausarbeit und Kinderbetreuung sowie vermögensfördernde Aktivitäten verstanden werden.94 Damit wird einerseits für die Begründung der Vermögensteilhabe auf den Nachweis eines konkreten Kausalzusammenhangs zwischen dem einzelnen Beitrag und der Vermögensteilhabe verzichtet, andererseits aber für die Fälle, in denen gar keine »Arbeit« als Beitrag zur Vermögensbildung erfolgt ist, möglicherweise wegen faktischer Trennung der Güterstandsbeteiligten auch gar nicht erfolgen konnte, die Teilhabe am Vermögen 90 Art. 1400 Abs. 1 Satz 2 ZGB (Griechenland). 91 Art. 43 §§ 1 und 2 FamVormundG (Polen). Ebenso Art. 21 Abs. 3 und 4 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien) und Art. 273 Abs. 1 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska). Ähnlich Art. 180 Abs. 3 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), Art. 59 Abs. 1 EheFamG (Slowenien). 92 So wohl mit recht Dethloff, a. a. O. (Fn. 78), A 108. 93 Art. 47 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), § 248 FamG v. 14. 7. 2003 (Kroatien), Art. 1320 lit. a) Civil Code (Malta), Art. 171 Abs. 1 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), Art. 51 Abs. 2 EheFamG (Slowenien). 94 Art. 171 Abs. 1, 180 Abs. 3 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), wo neben der Haushalts- und Familienarbeit auch die Sorge für das Vermögen und andere Umstände genannt werden, die für den Erhalt oder die Vergrößerung des Gesamtguts von Bedeutung sind. Vgl. auch Art. 59 Abs. 2 EheFamG (Slowenien), Art. 273 Abs. 2 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska).
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ausgeschlossen. Zwar beschränken zum Beispiel die russischen Regelungen zum gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft den Ausschluss eines Güterstandsbeteiligten von der Vermögensteilhabe auf diejenigen Fälle, in denen jemand aus unabweisbaren Gründen, etwa wegen Krankheit, kein eigenes Einkommen gehabt hat.95 Aber abgesehen davon, dass der sanktionsbewehrte Rekurs auf die Gründe fehlender beruflicher Einkünfte eines Güterstandsbeteiligten ein Relikt einstiger sozialistischer Arbeitspflicht darstellt und eine freie Rollenaufteilung unter den Güterstandsbeteiligten überspielt, scheint auch generell die Verknüpfung von Vermögensteilhabe mit selbst im weitesten Sinne verstandener »Arbeit« eine zu starke Beschränkung der rechtlichen causa von Teilhabe zu sein. Ehe- bzw. partnerschaftsbedingt kann nämlich nicht nur der Erwerb von Vermögensvorteilen eines Güterstandsbeteiligten aufgrund von Arbeitsteilung sein, sondern auch der Vermögenswerb aufgrund von beruflichem Verzicht bzw. Anpassung an die Lebens- und Erwerbsverhältnisse des Partners sowie aufgrund zufälliger Lastenübernahme bei Investitionen in Konsum und bleibende Güter.96 Ob im Einzelfall eine solche Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit vorliegt, wird sich aber kaum jemals im Sinne des Begriffs zivil- oder strafrechtlicher Verursachung nachweisen lassen. Anders als beispielsweise im Schadensrecht muss daher im Güterrecht für die Annahme der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit eine typischerweise bestehende Wahrscheinlichkeit bzw. sogar bereits das Fehlen einer offensichtlichen Unwahrscheinlichkeit der Mitverursachung eines während des Güterstandes erfolgten Vermögenserwerbs für die Begründung der Vermögensteilhabe ausreichen. Die Akzeptanz wechselseitiger Teilhabe aufgrund einer Verursachung in diesem »schwachen« Sinne ist Ausdruck des bis heute verbreiteten Verständnisses der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft als einer – zumindest zeitweiligen –Verantwortungsgemeinschaft. Da das Gefühl der Verantwortung regelmäßig spätestens dann endet, wenn die Ehe bzw. Lebenspartnerschaft aufgelöst wird, und da das Gefühl der Verantwortung auch während der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft nicht mehr wie nach der Vorstellung von der Ehe als Schicksalsgemeinschaft unbedingt besteht, sondern vielmehr bedingt ist durch die Vorstellung der zumindest nicht fernliegenden Möglichkeit einer Mitverursachung konkreter Vermögensvorteile und Vermögensnachteile, sollte heutzutage kein auf partielle Vermögensteilhabe zielender Güterstand mehr über die dadurch bezeichneten Grenzen güterrechtlicher Vergemeinschaftung hinausgehen. Das bedeutet, dass Gegenstände von der Vermögensteilhabe ausgeschlossen sein sollten, deren Erwerb offensichtlich nicht durch die gelebte Ehe bzw. Lebenspartnerschaft bedingt ist, etwa weil sie einer der beiden Güter95 Art. 34 Nr. 3 FamGB v. 29. 12. 1995 (Russische Föderation). 96 Dethloff, a. a. O. (Fn. 78), A 90 f.
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standsbeteiligten durch alleiniges Glücksspiel oder während einer dauernden Trennung erworben hat.97
These 4 Im Hinblick auf Grund und Umfang der Vermögensteilhabe sollten sich ein künftiger Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft und ein reformierter gesetzlicher Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich nicht unterscheiden. Im Interesse einer echten Wahlfreiheit der übergroßen Mehrheit der Güterstandsbeteiligten, die eine partielle Vermögensteilhabe anstreben, kann sich eine konsequente Reform des deutschen Güterrechts nicht auf die Etablierung eines neuen Wahlgüterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft anstelle des bisherigen Wahlgüterstandes der Gütergemeinschaft beschränken. Das betrifft zum einen die bisherigen steuerrechtlichen Privilegierungen des gesetzlichen Güterstandes, die auf einen künftigen Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft ausgedehnt werden müssten.98 Nur so würde es den Güterstandsbeteiligten ermöglicht, sich aus ausschließlich güterrechtlichen Gründen für die eine oder die andere Form partieller Vermögensteilhabe zu entscheiden. Zum anderen wäre es aber im Sinne tatsächlicher Wahlfreiheit zwischen beiden grundsätzlich unterschiedlichen Formen partieller Vermögensteilhabe vor allem erforderlich, dass nicht durch den Gesetzgeber behebbare Reformdefizite im gesetzlichen Güterstand die Entscheidung der Güterstandsbeteiligten für den Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft motivieren oder umgekehrt vermeidbare Inkonsequenzen bei der Regelung des neuen Wahlgüterstandes die Entscheidung der Betroffenen für den gesetzlichen Güterstand nahelegen. Aus diesen Vorgaben folgt, dass die partielle Vermögensteilhabe in beiden Güterständen ihren Grund und ihre Beschränkung im Prinzip der Vermögensteilhabe am ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögenserwerb haben muss (vgl. These 3). Ausgehend von diesem Prinzip sollten weithin kritisierte Inkonsequenzen bei der gegenwärtig zu engen Bestimmung des qualifizierten Anfangsvermögens in § 1374 Abs. 2 BGB behoben werden. Dies könnte geschehen entsprechend der Empfehlung des 16. Deutschen Familiengerichtstags aus dem Jahre 2006 durch eine in § 1374 Abs. 2 neu einzufügende General97 Vgl. auch Dethloff, a. a. O. (Fn. 78), A 100, wonach Teilhabe an dem nach Trennung erworbenen Vermögen grundsätzlich dem Gedanken der gemeinschaftlichen Erwirtschaftung widerspricht. 98 Vgl. nur Langenfeld, a. a. O. (Fn. 24), S. 89.
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klausel, wonach dem privilegierten Anfangsvermögen eines Güterstandsbeteiligten auch derjenige sonstige während der Dauer des Güterstandes erfolgte Vermögenserwerb hinzuzurechnen ist, der »nach seiner Zweckbestimmung in keiner Beziehung zur ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft steht«99 und aus diesem Grunde von der Teilhabe am Vermögens des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten ausgeschlossen werden sollte.100 Dasselbe sollte gelten für die funktionelle Parallelvorschrift im Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft,101 die die Zuordnung von Vermögensgegenständen zum Eigengut im Sinne der vorgenannten Generalklausel bestimmen sollte. Eine Beschränkung des Umfangs der Vermögensteilhabe durch eine stärkere Ausrichtung des gegenwärtig geltenden gesetzlichen Güterstandes am Prinzip der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit würde aber auch den grundsätzlichen Ausschluss der sogenannten echten inflationsbereinigten Wertsteigerungen von Gegenständen des Anfangsguts aus der Vermögensteilhabe nahelegen. Die Tatsache, dass nach geltendem Recht bei Beendigung des gesetzlichen Güterstands der ausgleichspflichtige Zugewinn auch die echten Wertsteigerungen der vor Begründung des Güterstandes erworbenen Gegenstände unabhängig davon einschließt, ob auch nur der entfernteste Zusammenhang mit dem anderen Güterstandsbeteiligten besteht, ist nicht nur »Ausdruck eines doch eher extremen Verständnisses von ehelicher Solidarität«102, sondern vor allem auch nicht legitimierbar durch das Prinzip der Teilhabe am nur ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögenserwerb. Insoweit ist die geltende Regelung des Zugewinnausgleichsrechts ungeachtet der während der Ehe bestehenden Gütertrennung Ausdruck des in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts noch weithin geteilten Gedankens der Ehe als einer Schicksalsgemeinschaft, bei der es für die Vermögensteilhabe am gesamten ehezeitlichen Vermögenserwerb grundsätzlich keiner weiteren Legitimation mehr bedurfte. Da sich dies mit Blick auf ständig zunehmende Individualisierungstendenzen inzwischen geändert hat (vgl. These 3), bedarf es einer entsprechenden güterrechtlichen Neujustierung. Eine zumindest theoretische Möglichkeit wäre die Ersetzung des gesetzlichen Güterstandes der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich durch den güterrechtlich verwandten Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung, der trotz Gütertren99 Empfehlung V des Sechzehnten Deutschen Familiengerichtstags, 2006, S. 165 f. (Arbeitskreis). 100 Vgl. dazu Mecke, a. a. O. (Fn. 27), S. 892 f. m. w. N. 101 Innerhalb der Regelungen des bis 1953 in Deutschland zu vereinbarenden Wahlgüterstands der Errungenschaftsgemeinschaft befand sich die Parallelvorschrift in § 1521 BGB a. F. Diese Vorschrift zum eingebrachten Gut in der Errungenschaftsgemeinschaft bildet bis in den Wortlaut hinein die fast inhaltsgleiche Vorgängerregelung zu § 1374 Abs. 2 BGB. Vgl. auch unten Fn. 153. 102 So zu recht Pintens, a. a. O. (Fn. 13), S. 31.
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nung im Vermögen beider Güterstandsbeteiligter jeweils eine teilhabefähige und nicht teilhabefähige Gütermasse unterscheidet und dadurch die hier in Rede stehenden Wertsteigerungen an vorehelich bzw. vorpartnerschaftlich erworbenen Gütern aus der Teilhabe ausschließt.103 Ein derart tiefgreifender Einschnitt in den deutschen gesetzlichen Güterstand ist aber weder erforderlich noch unbedingt empfehlenswert mit Blick auf das Erfordernis von vier statt zwei Vermögensmassen im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Geltende Güterstandsregelungen zur Gütertrennung mit Zugewinnausgleich wie der französische Wahlgüterstand der participation aux acquÞts oder der künftige deutsch-französische Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft zeigen, dass auch im Rahmen einer Zugewinnausgleichsregelung dasselbe Ergebnis zu erreichen ist. Beide Güterstände – der französische konsequenter als der deutschfranzösische – enthalten Regelungen, die echte Wertsteigerungen an vor Begründung des Güterstands erworbenen Gegenständen nur dann der Vermögensteilhabe des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten unterfallen lassen, wenn die Wertsteigerungen auf Verbesserungen des jeweiligen Gegenstandes beruhen, die »während der Dauer des Güterstands durch vom Anfangsvermögen unabhängige Mittel erzielt wurde[n].«104 Wird auf diese Weise ein gleicher Umfang der Vermögensteilhabe im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich und im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft festgelegt, haben die Güterstandsbeteiligten eine echte Option im Hinblick auf die im Übrigen jeweils bestehenden güterstandsspezifischen Unterschiede beider Güterstände. Dazu gehört zunächst der unterschiedliche Zeitpunkt des Beginns der wechselseitigen Vermögensteilhabe, die in der Errungenschaftsgemeinschaft schon nach Begründung des Güterstandes erfolgt, im Zugewinnausgleichsrecht hingegen erst nach dessen Beendigung. Ferner sehen beide Güterstandstypen eine grundsätzlich unterschiedliche Entscheidungsteilhabe und Haftungsteilhabe sowie auch eine prinzipiell andere Form der Vermögensteilhabe nach Beendigung der Güterstände vor.
103 Pintens, a. a. O. (Fn. 13), S. 31. 104 So lautet die Regelung in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1b) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft. Vgl. auch Art. 1571 Abs. 1 Satz 1 Code Civil (Frankreich), wonach der Bewertung des Anfangsvermögens der Bestand der Gegenstände im Moment der Begründung des Güterstandes, aber der Wert zur Zeit der Beendigung des Güterstandes zugrunde gelegt wird. Unechte und echte Wertsteigerungen von Gegenständen des Anfangsvermögens bleiben damit generell ausgenommen von der Vermögensteilhabe. Hat sich dagegen der Bestand der Gegenstände während der Dauer des Güterstandes geändert, so werden die Bestandsänderungen beiden Güterstandsbeteiligten zugerechnet und gegebenenfalls daraus folgende Wertsteigerungen von der Vermögensteilhabe umfasst. Dazu Mecke, a. a. O. (Fn. 27), S. 908 f.
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Diese güterstandsspezifischen Unterschiede sollten die Betroffenen bei ihrer Entscheidung für einen der beiden Güterstände leiten.
These 5 In einem künftigen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft sollten drei Vermögensmassen unterschieden werden: das jeweilige Eigengut beider Güterstandsbeteiligten und ein gesamthänderisch gebundenes Gesamtgut. Essenziell für eine Errungenschaftsgemeinschaft ist das Vorhandensein eines Gesamtguts (1). Ein Gesamtgut impliziert zwar nicht begriffsnotwendig eine gesamthänderische Bindung beider Güterstandsbeteiligter, das Fehlen einer gesamthänderischen Bindung würde aber der Errungenschaftsgemeinschaft einen entscheidenden Teil ihrer spezifisch güterrechtlichen Funktion nehmen (2). Unabhängig von der güterrechtlichen Funktion ist hingegen die Beschränkung des Güterstandes auf drei Gütermassen, wie die frühere BGB-Errungenschaftsgemeinschaft oder auch die geltende BGB-Gütergemeinschaft mit vier105 bzw. sogar fünf Gütermassen zeigen. Europaweit ist aber die Beschränkung auf drei Gütermassen ausnahmslos die Regel und zur Vermeidung unnötiger Komplikationen auch in Deutschland unbedingt empfehlenswert (3). (ad 1) Jede Form der Gütergemeinschaft ohne vergemeinschaftetes Gut wäre »ein Widerspruch in sich selbst«.106 Funktionell ist zwar auch der Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich eine Form der Vergemeinschaftung von Vermögen. Zu denjenigen Nachteilen des gesetzlichen Güterstandes der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich, die in einem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft ganz oder teilweise vermieden werden könnten, gehört aber vor allem, dass »insbesondere die Ehefrau während bestehender Ehe keine reale Beteiligungsmöglichkeit an dem im Laufe der Ehe Erwirtschafteten« hat, »sofern sie dem Beruf der Hausfrau« nachgeht.107 Zwar wäre es eine einseitige Sicht, wenn man die während der Dauer des Güterstandes typischerweise bestehende tatsächliche Situation des gar nicht oder nur gering verdienenden Güterstandsbeteiligten im Verhältnis zum Allein- bzw. Hauptverdiener ausschließlich durch eine Fokussierung auf das Güterrecht beurteilen würde. So sind in rechtlicher Hinsicht neben dem Güterrecht auch die Unterhaltspflichten 105 Vgl. oben Fn. 25. 106 Gernhuber/Coester-Waltjen, a. a. O. (Fn. 55), § 32 III, S. 359, Rn. 27 m. w. N. 107 So zusammenfassend Urbach, a. a. O. (Fn. 43), S. 1, 40 f., S. 257, 261 m. w. N. zu dem auch bereits in den 1950er-Jahren geltend gemachten Argument (vgl. dazu unten Fn. 112).
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des Alleinverdieners gemäß §§ 1360, 1360a BGB108 sowie die Rechte des Nichtverdieners aufgrund der sogenannten Schlüsselgewalt beider Güterstandsbeteiligten gemäß § 1357 BGB109 zu berücksichtigen, solange die Güterstandsbeteiligten nicht getrennt leben.110 Nicht nur die Unterhaltspflichten desjenigen Güterstandsbeteiligten, der nicht den Haushalt führt, sondern auch das Recht jedes Güterstandsbeteiligten, jeweils mit Wirkung für den anderen Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie besorgen zu können, nehmen Bezug auf den jeweiligen Lebensstandard der Familie und sind daher vom wertmäßigen Umfang her flexibel. Diese Regelungen des Rechts der allgemeinen Ehewirkungen relativieren zu einem gewissen Teil die allzu pauschale Kritik, dass der nicht oder nur gering verdienende Güterstandsbeteiligte im gesetzlichen Güterstand keine reale Beteiligungsmöglichkeit an dem im Laufe der Ehe Erwirtschafteten habe, räumen sie aber nicht aus. Denn es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen einem notfalls einzuklagenden Recht des nicht verdienenden und nicht vermögenden Güterstandsbeteiligten auf angemessenen Unterhalt einerseits und selbstständig auszuübenden Rechten zur Verfügung über das im Extremfall ökonomisch ausschließlich vom anderen Güterstandsbeteiligten herrührende Vermögen des Gesamtguts andererseits. Entsprechend den in jüngster Zeit empirisch nachgewiesenen Vorstellungen und Erwartungen der großen Mehrheit von Eheleuten, insbesondere von Ehefrauen,111 beginnt die güterrechtliche Vermögensteilhabe bereits während der Dauer des Güterstandes und nicht – wie im deutschen gesetzlichen Güterstand – im besten Falle erst danach. Dingliche Mitberechtigung am Gesamtgut bedeutet für den Güterstandsbeteiligten mit geringeren oder vollständig fehlenden Einkünften während der Dauer des Güterstandes erstens Erhöhung seiner Kreditfähigkeit, zweitens ist sie notwendige Bedingung für eigene Zugriffsmöglichkeiten auf Gegenstände des Gesamtguts und drittens Voraussetzung für erheblich mehr Kontrollmöglichkeiten über das güterrechtlich vergemeinschaftete Vermögen als im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich. Diese Einsichten sind nicht neu. Spätestens seit der Güterstandsdiskussion in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts wird von den in der Vergangenheit poli108 Dies gilt gemäß § 5 LPartG i. V. m. §§ 1360 Satz 2, 1360a BGB auch für eingetragene Lebenspartnerschaften. 109 Dies gilt gemäß § 8 Abs. 2 LPartG auch für eingetragene Lebenspartnerschaften. 110 Im Falle des Getrenntlebens ergibt sich die Unterhaltspflicht aus § 1361 BGB, die Rechte aus der sogenannten Schlüsselgewalt erlöschen in diesem Fall (§ 1357 Abs. 3 BGB). 111 Vgl. dazu die Ergebnisse der Sinus-Studie (oben Fn. 46). Der hohe Prozentsatz derjenigen im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehefrauen, die irrtümlicher von einer umfassenden dinglichen Mitberechtigung ausgehen, wirft die Frage auf, wie viele Ehefrauen in Kenntnis der tatsächlichen Rechtslage überhaupt zu einem Verzicht oder einer Einschränkung ihrer Berufsarbeit zugunsten der Familie bereit gewesen wären.
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tisch-ideologisch übrigens ganz unterschiedlich motivierten Befürwortern der Errungenschaftsgemeinschaft übereinstimmend geltend gemacht, dass der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft vor allem einer Benachteiligung des Nicht- oder Geringverdiener-Ehegatten entgegenwirke.112 Gütertrennung während der gesamten Dauer des Güterstandes kann nämlich beiden Güterstandsbeteiligten im Sinne formaler Gleichberechtigung weitgehende vermögensrechtliche Autonomie, niemals aber die ökonomischen Mittel zur tatsächlichen Nutzung der rechtlichen Autonomie im Sinne von tatsächlicher Gleichstellung verschaffen. Dies ist güterrechtlich nur möglich, wenn eine wenigstens partielle Gütergemeinschaft zwischen den Güterstandsbeteiligten durch die Begründung eines dinglich gemeinschaftlichen Gesamtgutes hergestellt wird. (ad 2) Nicht jeder Gemeinschaftsgüterstand in Europa beruht auf einer mit dem deutschen Recht vergleichbar engen Gesamthandsbindung des Gesamtguts.113 Selbst nach deutschem Recht ist keineswegs klar, was rechtsgebietsübergreifend Conditio sine qua non einer Gesamthand als solcher ist.114 Aber 112 So verwiesen in den 1950er-Jahren in der Bundesrepublik die konservativen Befürworter eines traditionellen Typs der Alleinverdienerehe darauf, dass die Errungenschaftsgemeinschaft eine güterrechtlich konsequente Folgerung aus der traditionellen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sei und der Stützung dieser Rollenverteilung diene [zusammenfassend Lincke, Entwicklungslinien im französischen gesetzlichen Güterrecht, dargestellt unter Berücksichtigung von Grundgedanken der deutschen Güterrechtsreform. Eine rechtsvergleichender Beitrag zur Neuordnung des ehelichen Güterrechts in Frankreich, 1961, S. 26 f.]. Ebenso rechtfertigten in der DDR die Befürworter der im Familiengesetzbuch von 1965 verankerten Errungenschaftsgemeinschaft diesen Güterstand als ein Güterrechtsmodell für eine »Übergangsperiode«, bis auch die Frauen in den Berufs- und Erwerbsprozess vollständig eingebunden seien und damit die »in der Entwicklung zum Sozialismus begriffene Gesellschaft […] für eine völlige Vermögenstrennung […] reif« sei [so 1958 Hans Nathan, zitiert nach Lipp, Die Eigentums- und Vermögensgemeinschaft des FGB und der Einigungsvertrag – eine vergebene Chance für eine Reform des Güterstandsrechts?, in: FamRZ 1996, S. 1117 (1123)]. Hilde Benjamin, die spätere Justizministerin der DDR, hatte Ende der 1940er-Jahre dagegen die »Zugewinngemeinschaft« als künftigen gesetzlichen Güterstand gefordert, nämlich als eine »besondere Form der Gütertrennung« und Vorstufe zur reinen Gütertrennung (a. a. O.). 113 So zum Beispiel für das französische Recht Sper, Der neue gesetzliche Güterstand in Frankreich, 1972, S. 53 m. w. N. und für das italienische Recht Funke, Trennung und Scheidung im italienischen Recht – vermögensrechtliche Folge, 1997, S. 57 f. Fn. 44 m. w. N. Angesichts der Tatsache, dass das Gesamthandsprinzip im deutschen Privatrecht und insbesondere im Güterrecht eng mit deutschrechtlichen Vorstellungen rechtlicher Gemeinschaft zusammenhängt, wäre es allerdings eher verwunderlich, wenn sich dieses Gesamthandsprinzip in identischer Form in ausländischen Güterrechtsordnungen wiederfände. Entscheidend ist vielmehr, dass auch in ausländischen Güterrechtsordnungen in aller Regel zwischen einem einfachen Miteigentum und einem stärker gebundenen Miteigentum unterschieden wird. Vgl. unten Fn. 115. 114 So aus rechtshistorischer Perspektive zusammenfassend Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des BGB, 2002, S. 1 f., 294 f., 309 – 316, ferner Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage 1991, § 8 III, S. 167 – 176. Mag die »Theorie
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auch wenn die Gesamthandsbindung innerhalb und außerhalb des deutschen Rechts im Einzelfall unterschiedlich sein mag, zeichnen sich doch praktisch alle europäischen Gemeinschaftsgüterstände dadurch aus, dass die Gesamtgutsbindung über diejenige schlichten Mit- bzw. Bruchteilseigentums hinausgeht.115 Der Grund dafür liegt darin, dass im Falle einer von Gesetzes wegen eintretenden, also nicht durch die Güterstandsbeteiligten im Einzelfall rechtsgeschäftlich steuerbaren dinglichen Vergemeinschaftung besondere Schutzinteressen an Gewicht gewinnen. Jeder Güterstandsbeteiligte hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass er während der Dauer des Güterstandes in der vermögensrechtlichen Gemeinschaft, die nicht nur eine Gemeinschaft dinglicher Rechte, sondern auch eine Haftungsgemeinschaft ist (vgl. These 12), immer nur mit demjenigen Güterstandsbeteiligten in Gemeinschaft steht, mit dem er die Errungenschaftsgemeinschaft einmal ehevertraglich begründet hat.116 Daher sollte – wie nach dem für die BGB-Gütergemeinschaft bisher geltenden Recht auch – im Falle einer künftigen Errungenschaftsgemeinschaft für die Dauer der Gütergemeinschaft nicht nur die Verfügung eines Güterstandsbeteiligten über seinen Anteil am Gesamtgut, sondern auch eine Verfügung über seinen Anteil an den einzelnen der Gesamthand« auch »zu den schwierigsten und umstrittensten Fragen der gegenwärtigen Zivilrechtsdogmatik« gehören (Schmid, a. a. O., S. 167), so berühren diese Fragen nach einem einheitlichen Modell einer Gesamthand, nach der Rechtsträgerschaft und nach der Abgrenzung der Gesamthand zur juristischen Person doch nicht die hier im Text in Rede stehende Frage, ob die dingliche Bindung der Güterstandsbeteiligten im Hinblick auf das Gesamtgut diejenige einer bloßen Bruchteilsgemeinschaft übertreffen sollte oder nicht. Im Übrigen ist es auch im Falle der güterrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft nach dem geltenden Recht des BGB weitgehend unstrittig, dass es sich um »ein spezifisch organisiertes Sondervermögen ohne eigene Rechtssubjektivität« handelt und damit den »Theorien um die Gesamthand für die Gütergemeinschaft keine wesentliche Bedeutung« zukommt [Staudinger-Thiele, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (2007), § 1416, Rn. 3]. 115 So selbst im niederländischen Recht, wo zwar von Miteigentum die Rede ist, gleichzeitig aber zusätzliche Bindungen bestimmt werden (»gebonden mede-eigendom«). Diese stärkere Bindung äußert sich unter anderem darin, dass die Ehegatten selbst dann, wenn dies, wie etwa im italienischen Recht, nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist [vgl. Funke, a. a. O. (Fn. 113), S. 62, Fn. 66], während der Dauer des Güterstandes ihre Teilhaberschaft am Güterstand nicht auf Dritte übertragen und auch nicht jederzeit die Auflösung der Gemeinschaft verlangen können (Möller, Die Gütergemeinschaft im Wandel der Gesellschaft, 2010, S. 185 f.). In diesem Sinne schließt beispielsweise Art. 35 FamVormundG (Polen) ausdrücklich die Auseinandersetzung während des Bestehens der Errungenschaftsgemeinschaft sowie die Verfügung über die erst im Fall der Beendigung des Güterstandes entstehenden Anteile am Gesamtgut und an einzelnen zum Gesamtgut gehörenden Gegenständen aus. Die Formulierungen der polnischen Bestimmung geben der »deutschrechtlichen« gesamthänderischen Bindung sogar noch präziser Ausdruck als das deutsche Recht selbst, wo von »Anteilen« am Gesamtgut und an Gegenständen des Gesamtguts die Rede ist (§ 1419 Abs. 1 BGB), die es während der ungeteilten gesamthänderischen Bindung eigentlich gar nicht gibt. 116 Das übersieht Walther-Reining, a. a. O. (Fn. 33), S. 269.
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Gegenständen des Gesamtguts ausgeschlossen sein.117 Dasselbe gilt im Vollstreckungsrecht für die Pfändung von Gesamtgutsanteilen wegen Geldforderungen, sodass kein Dritter wegen Geldforderungen gegen einen der beiden Güterstandsbeteiligten die güterrechtliche Gemeinschaft auflösen kann durch Pfändung und anschließende Beantragung der Auseinandersetzung.118 Die gesamthänderische Bindung muss damit im Güterrecht besonders eng sein im Unterschied zu Gesamthandsgemeinschaften außerhalb des Güterrechts, bei denen anders als in der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft die jeweilige konkrete Person des Gesamthänders von nachrangiger Bedeutung ist.119 (ad 3) Anders als nach dem geltenden Recht zur BGB-Gütergemeinschaft sollten neben dem Gesamtgut, das den Güterstandsbeteiligten in Gütergemeinschaft und dem jeweiligen Eigengut, das ihnen in Gütertrennung zusteht, keine weitere Vermögensmassen unterschieden werden. Dem BGB-Gesetzgeber erschien allerdings die Unterscheidung weiterer Vermögensmassen in Form eines jeweiligen Sonderguts der jeweiligen Güterstandsbeteiligten aus dogmatischen Gründen erforderlich, die auch in der gegenwärtigen Privatrechtsordnung noch von Belang sind. Das Sondergut im Sinne von § 1417 BGB gilt nämlich im geltenden Recht der BGB-Gütergemeinschaft als eine lediglich aus dogmatischen Gründen geschaffene »Notgütermasse«, die zwar wirtschaftlich,120 nicht aber rechtlich zum Gesamtgut gehört.121 Zum Sondergut gehören von Gesetzes wegen alle Gegenstände, die zwar zum Gesamtgut gehören sollen, aber »nicht durch Rechtsgeschäft übertragen werden können« (§ 1417 Abs. 2 BGB). Wenn ein nicht durch Rechtsgeschäft übertragbarer Gegenstand infolge der ehevertraglichen Begründung der Gütergemeinschaft in das Gesamtgut fiele, würde das seiner Nichtübertragbarkeit widersprechen. Denn alle bei oder nach 117 So bestimmen es nach geltendem Recht für die BGB-Gütergemeinschaft § 1419 Abs. 1 BGB und für die polnische Errungenschaftsgemeinschaft Art. 35 FamVormundG (Polen). Vgl. zum Verhältnis beider Regelungen oben Fn. 115 a. E. 118 So bestimmt es nach geltendem Recht für die BGB-Gütergemeinschaft § 860 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Hingegen ist nach Beendigung der Gütergemeinschaft der Anteil eines Güterstandsbeteiligten an dem Gesamtgut der Pfändung seiner Gläubiger unterworfen (§ 860 Abs. 2 ZPO), da der andere Güterstandsbeteiligten in der Liquidationsphase kein schutzwürdiges, die Belange der Gläubiger überwiegendes Interesse mehr geltend machen kann. 119 Allerdings ist auch in einer BGB-Gesellschaft oder Miterbengemeinschaft die Pfändung von Anteilen eines Güterstandsbeteiligten an einzelnen zum gesamthänderisch gebundenen Vermögen gehörenden Gegenständen ausgeschlossen (§ 859 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO), damit die Rechtszuständigkeit für alle Gegenstände des gesamthänderischen gebundenen Vermögens einheitlich bleibt und sich das Sondervermögen nicht vor der Liquidationsphase ungeordnet auflöst. 120 Vgl. § 1417 Abs. 3 Satz 2 BGB: Jeder Güterstandsbeteiligte verwaltet das Sondergut nicht auf eigene Rechnung, sondern »für Rechnung des Gesamtguts.« 121 Vgl. § 1417 Abs. 3 Satz 1 BGB: »Jeder Ehegatte verwaltet sein Sondergut selbständig« ohne Absprache mit dem anderen.
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Entstehung des Gesamtguts erworbenen Gegenstände, insbesondere also alle allein oder gemeinsam erworbenen Rechte bedürfen im Unterschied zu gemeinsam begründeten Rechten einer Übertragung in das Gesamtgut, sofern sie ins Gesamtgut fallen sollen. Auch wenn diese Übertragung gemäß § 1416 Abs. 2 BGB nicht rechtsgeschäftlich, sondern kraft Gesetzes erfolgt, ist es doch eine Rechtsnachfolge. Der Rechtsgrund des Anfalls an die Gesamthand bleibt die rechtsgeschäftlich vereinbarte Gütergemeinschaft.122 Allerdings spricht nichts dagegen, diejenigen Rechte, die kraft Gesetzes unübertragbar sind, in den Fällen, in denen sie nur einem der beiden Güterstandsbeteiligten zustehen, dem betreffenden Eigengut zuzuordnen. Das schließt auch nach dem bereits geltenden Recht der BGB-Gütergemeinschaft nicht aus, dass rechtsgeschäftlich übertragbare Surrogate, die an die Stelle des unübertragbaren Gegenstandes treten, etwa »die Valuta einer eingezogenen Lohn- oder Unterhaltsforderung«, in das Gesamtgut fallen können.123 Sofern – richtigerweise – das Arbeitseinkommen in das Gesamtgut fällt (dazu These 6), muss allerdings bis zur Einziehung des laufenden Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO auch in einer künftigen Errungenschaftsgemeinschaft weiterhin zwischen einem unpfändbaren Teil und einem pfändbaren Teil unterschieden werden (§ 850 Abs. 1 ZPO). Der unpfändbare Teil beläuft sich auf einen Monatsverdienst in Höhe von 930 Euro bis über 2.000 Euro, soweit sich die Pfändungsgrenze bei Bestehen gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen erhöht. Wegen § 400 BGB gehören daher auch die Forderungen auf das Arbeitseinkommen bis in Höhe der Pfändbarkeit des Arbeitseinkommens zu den nicht durch Rechtsgeschäft übertragbaren Gegenständen. Nach dem geltenden Recht der BGB-Gütergemeinschaft fallen sie gemäß § 1417 BGB in das Sondergut, weil sie nicht zum Gesamtgut gehören dürfen und gleichzeitig nicht zum Vorbehaltsgut (= Eigengut) gehören sollen. Die polnischen Regelungen zur Errungenschaftsgemeinschaft zeigen aber, dass die komplizierte deutsche Regelung zu dem vom Eigengut zu unterscheidenden Sondergut keineswegs erforderlich ist. So ordnen die polnischen Regelungen die Ansprüche auf Arbeitsentgelt dem Eigengut des Arbeitsnehmers
122 Staudinger-Thiele, a. a. O. (Fn. 114), § 1417, Rn. 2. Anderes gilt nur für nicht durch Rechtsgeschäft übertragbare Gegenstände, die unmittelbar in das Gesamtgut fallen, etwa weil sie durch Rechtsgeschäft mit einem Dritten von vornherein für die Gesamthand der Güterstandsbeteiligten begründet werden, z. B. ein für beide Güterstandsbeteiligten in gesamthänderischer Verbundenheit bestellter Nießbrauch (a. a. O., § 1417 Rn. 3). 123 Staudinger-Thiele, a. a. O. (Fn. 114), § 1417, Rn. 21. Vgl. auch Hoppenz (Hg.), Familiensachen, 8. Auflage 2005, § 1417 Rz. 2 mit Bezug auf BGH FamRZ 1990, 851, wonach § 400 BGB lediglich die Abtretbarkeit von der Pfändung nicht unterworfenen Forderungen ausschließt, nicht hingegen die Übertragbarkeit des »zur Erfüllung Geleistete[n]« und dessen Zuordnung zum Gesamtgut.
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zu,124 während hingegen das von jedem Ehegatten bezogene Arbeitsentgelt sogar nach ausdrücklicher Regelung in das Gesamtgut fällt.125. Zwar bleibt nach deutschem Recht auch das auf den unpfändbaren Teil der Forderung auf ein Arbeitsentgelt Geleistete unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 811 Ziff. 8 ZPO (Bargeld) unpfändbar bzw. gemäß § 850k Abs. 1 ZPO (Kontoguthaben) dem Pfändungsschutz unterworfen. Dieser Pfändungsschutz gegenüber Dritten steht aber nicht der Zuordnung zum Gesamtgut entgegen, sodass das ausbezahlte Arbeitseinkommen auch in Deutschland pauschal dem Gesamtgut zugeordnet werden kann.
These 6 Zum Gesamtgut sollten alle Vermögensgegenstände gehören, die nicht Eigengut sind. Insoweit sollte für Zweifelsfälle eine gesetzliche Vermutung zugunsten des Gesamtguts bestehen, die lediglich dann, wenn der Vermögenserwerb offensichtlich nicht ehe- bzw. partnerschaftsbedingt ist, nicht zur Anwendung kommt. Insbesondere sollten das Arbeitseinkommen bzw. vergleichbares sonstiges Erwerbseinkommen ins Gesamtgut fallen. Regelmäßig enthalten Güterrechtsordnungen, die eine zumindest partielle Vermögensteilhabe des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten vorsehen, gesetzliche Vermutungsregelungen zugunsten des Vermögens, das der Teilhabe unterliegt.126 Das stärkt die Vermögensteilhabe und zwingt die Güterstandsbeteiligten dazu, für die Beweisbarkeit der Zugehörigkeit von Gegenständen zu ihrem persönlichen und damit nicht der Vermögensteilhabe unterliegenden Vermögen im eigenen Interesse selbst zu sorgen. In Gemeinschaftsgüterständen bezieht sich die Vermutungsregelung naturgemäß auf das Gesamtgut, das den Gegenstand der Vermögensteilhabe bildet. Im deutschen Wahlgüterstand der BGB-Gütergemeinschaft ist dies implizit geregelt,127 in einer Reihe von auslän-
124 Art. 33 Ziff. 7 FamVormGB (Polen). 125 Art. 31 § 2 Ziff. 1 FamVormGB (Polen). In anderen Güterrechtsordnungen, wie zum Beispiel der französischen, wird hingegen güterrechtlich nicht unterschieden zwischen den schuldrechtlichen Forderungen auf den Arbeitslohn und dem ausgezahlten Arbeitslohn selbst, beide gehören zum Gesamtgut [Antippas, La notion d’¦conomie en droit des r¦gimes matrimoniaux, in: Revue de la recherche juridique – droit prospectif 34 (2009), S. 1275 (1292)]. 126 Vgl. etwa im deutschen gesetzlichen Güterstand die gesetzliche Vermutung, dass das gesamte »Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt« (§ 1377 Abs. 3 BGB). 127 Im Recht der BGB-Gütergemeinschaft wird die Vermutung aus § 1416 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Ausschlussregelungen in §§ 1417 und 1418 BGB abgeleitet. Wer behauptet,
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dischen Regelungen zur Errungenschaftsgemeinschaft ausdrücklich.128 Eine Ausnahme für die Anwendung der Vermutungsregelung zugunsten des der Teilhabe unterliegenden Vermögens sollte entsprechend These 4 aber – güterstandsübergreifend – sowohl in einem reformierten Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich als auch in einem künftigen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft für denjenigen Vermögenserwerb gelten, der »in keiner Beziehung zur ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft steht«,129 und damit offensichtlich nicht ehebedingt ist. Im Übrigen kann auch in der Errungenschaftsgemeinschaft der im Einzelnen kaum zu führende Nachweis der Ehebedingtheit eines Vermögenserwerbs nicht Voraussetzung für eine Zurechnung zum Gesamtgut sein. Den größten Teil des Vermögenszuwachses im Gesamtgut machen in der Regel die Einkünfte der Güterstandsbeteiligten aus. Die wichtigsten Einkünfte stellen in den meisten Durchschnittsehen die beruflichen Einkünfte dar. Da die Erwerbsarbeit nicht nur nach deutschem Recht130 güterstandsunabhängig schon von Gesetzes wegen in einem Zusammenhang mit der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Güterstandsbeteiligten steht,131 liegt es nahe, für die Dauer des Bestehens der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auch unwiderleglich zu vermuten, dass der aus der Erwerbsarbeit herrührende Vermögenserwerb ehe- bzw. partnerschaftsbedingt ist. Entsprechend sehen fast alle europäischen Regelungen zur Errungenschaftsgemeinschaft vor, dass berufliche Einkünfte Teil des Gesamtgutes werden, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Einkünfte aus unselbstständiger oder selbstständiger Arbeit herrühren.132 Dies entspricht insbesondere den Interessen desjenigen Güterstandsbeteiligten, der aufgrund der untereinander vereinbarten Rollenverteilung durch Übernahme von Haus- und Familienarbeit entweder ganz oder teilweise auf eigene berufliche Einkünfte verzichtet. Allerdings sind die beruflichen Einkünfte als Gradmesser des persönlichen Erfolgs in einer Marktgesellschaft auch besonders eng mit der jeweiligen Person
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dass ein Gegenstand nicht zum Gesamtgut gehört, hat das im Streitfall zu beweisen [Staudinger-Thiele, a. a. O. (Fn. 114), § 1416, Rn. 12]. Vgl. beispielsweise Art. 1402 Abs. 1 Code Civil (Frankreich), Art. 3.88 Abs. 2 ZGB (Litauen), Art. 1402 Abs. 1 Code Civil (Luxemburg), Art. 1321 Abs. 1 Civil Code (Malta) und – beschränkt auf bewegliches Vermögen – Art. 1725 Cûdigo civil (Portugal). Empfehlung V des Sechzehnten Deutschen Familiengerichtstags, 2006, 165 f. (Arbeitskreis). § 1360 BGB. Vgl. nur Art. 221 Abs. 1 und 2 Code Civil (Belgien), Art. 17 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien), Art. 214, Code Civil (Frankreich), Art. 44 Abs. 4 und 5 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), Art. 214 Code Civil (Luxemburg), Art. 1676 Abs. 1 Cûdigo civil (Portugal). So auch ausdrücklich etwa Art. 3.88 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 ZGB (Litauen) oder Art. 34 Ziff. 2 FamGB v. 29. 12. 1995 (Russische Föderation).
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des Berufstätigen verbunden. So bestimmt beispielsweise in Frankreich Art. 223 Code Civil als Teil des ordre public zwingend für alle Güterstände die – nach Erfüllung von Unterhaltspflichten – freie Verfügungsfreiheit jedes Ehegatten über sein Arbeitseinkommen, worunter ungeachtet des nicht eindeutigen Wortlauts der Vorschrift auch der Ausschluss des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten von der Verfügung über das Arbeitseinkommen verstanden wird (»gestion exclusive«).133 Das steht in einem von französischer Rechtswissenschaft und Rechtsprechung bis heute nicht ausgeräumten Spannungsverhältnis zu Art. 1401, 1421 Abs. 1 Code Civil, wonach das Arbeitseinkommen im Rahmen des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft gemäß Art. 1401 Code Civil von Anfang an zum Gesamtgut gehört und damit eigentlich auch der konkurrierenden Verwaltung beider Güterstandsbeteiligter unterliegt.134 Im Einzelnen ist im Hinblick auf das Verhältnis der beiden vorgenannten Vorschriften, aber auch auf die Auslegung der Vorschriften selbst bis heute vieles ungeklärt.135 Das ist letztlich Ausdruck des in dieser Güterordnung noch nicht ausgetragenen Konflikts zwischen dem Prinzip freien Zugangs beider Güterstandsbeteiligter zum Gesamtgut und dem Prinzip freier Verfügbarkeit jedes einzelnen Güterstandsbeteiligten über das eigene Einkommen. Sicher ist nur, dass nach französischem Errungenschaftsrecht die Investition des zum Gesamtgut gehörenden monatlichen Arbeitseinkommens in das Eigengut zwar bei Beendigung des Güterstandes eine Ausgleichspflicht auslöst, hingegen der Verbrauch des monatlichen Arbeitseinkommens nicht. Hier gehen die italienische und – ihr darin folgend – seit 2003 auch die albanische Regelung zum gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft erheblich weiter und kommen damit insbesondere dem alleinverdienenden Ehegatten entgegen.136 So beschränkt das italienische Recht der Er133 Antippas, a. a. O. (Fn. 125), S. 1276; Peterka, R¦gimes matrimoniaux, 2. Auflage 2010, S. 44 f., 128 – 130, 173 f. (»pouvoir exclusif«). Insoweit eindeutig ist hingegen der gesetzliche Wortlaut der ebenfalls güterstandsunabhängig zwingenden Regelung zur belgischen Errungenschaftsgemeinschaft in Art. 217 Abs. 1 Code Civil (Belgien). Danach vereinnahmt der Ehegatte seine – nicht weiter spezifizierten – Einkünfte allein. 134 Nach früheren Kontroversen ist in der französischen Rechtswissenschaft heute zumindest unstrittig, dass das Arbeitseinkommen bereits im Moment seiner Auszahlung Gesamtgut wird [vgl. Antippas, a. a. O. (Fn. 125), S. 1275]. 135 Ungeklärt ist im Zusammenhang mit Art. 1401 Code Civil vor allem die grundlegende Frage, ob sich der monatliche Arbeitslohn, von dem der eine Güterstandsbeteiligte den anderen nach Art. 223 Code Civil ausschließen kann, in dem Umfang, in dem er jeweils nach Ablauf eines Monats nicht vom Gehaltskonto abgebucht und verbraucht wurde, von speziellem Gesamtgut (»biens communs extraordinaires«) in »normales«, nämlich der konkurrierenden Verwaltung unterliegendes Gesamtgut (»biens communs ordinaires«) verwandelt [vgl. Antippas, La notion d’¦conomie en droit des r¦gimes matrimoniaux, in: Revue de la recherche juridique – droit prospectif 34 (2009), S. 1275 (1277)]. 136 Das gilt im Übrigen auch für das seit 2009 geltende bulgarische Güterrecht. Nach dem dort
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rungenschaftsgemeinschaft die Vermögensteilhabe des jeweils anderen Ehegatten an bestimmten Arten des Vermögenserwerbs, nämlich an Früchten des Eigenguts und an allen Einkünften aus beruflicher Tätigkeit auf dasjenige, was bei Auflösung der Ehe noch vorhanden ist.137 Im Hinblick auf die insoweit bestehende comunione de residuo (Gemeinschaft auf den Überrest) spricht man in der italienischen Rechtswissenschaft von einer »›eventuellen und zeitlich aufgeschobenen‹ Gemeinschaft«.138 Für die Dauer des Güterstandes besteht insoweit also Gütertrennung. Ein Ehegatte muss für die während der Dauer des Güterstandes erworbenen und selbst verbrauchten Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit auch bei Beendigung des Güterstandes keinen Ersatz leisten. Anders als im französischen Recht sind nicht einmal Investitionen eines Ehegatten mit Mitteln des Arbeitslohns in das von der späteren Gesamtgutsauseinandersetzung unberührt bleibende Eigengut von der Vermögensteilhabe des anderen Güterstandsbeteiligten erfasst.139 Damit ist die Vermögensteilhabe am Arbeitslohn hier sogar noch geringer als im deutschen gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich, wo diejenigen Investitionen des Arbeitslohnes, die sich wertmäßig noch im Endvermögen niederschlagen, der Vermögensteilhabe unterliegen. Während der Trennungsgedanke im Hinblick auf die während der Dauer des Güterstandes gezogenen Früchte des Eigenguts eines jeden Güterstandsbeteiligten vom Gesichtspunkt der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit des Vermögenserwerbs aus betrachtet als durchaus begründungsfähig erscheint (1),140 gilt dies nicht für dieselbe Behandlung des beruflichen Einkommens (2). (ad 1) Anders als nach italienischem Güterrecht und einigen anderen Güterrechtsordnungen werden Früchte des Eigenguts nach den meisten Regelungen zur Errungenschaftsgemeinschaft dem Gesamtgut zugeordnet.141 Die Legi-
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geltenden gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft werden gemäß Art. 21 Abs. 1 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien) lediglich während der Dauer der Ehe als Ergebnis eines gemeinsamen Beitrags erworbene Sachenrechte Teil des Gesamtguts, nicht hingegen Geldguthaben, zu denen auch das Arbeitseinkommen auf dem Gehaltskonto zählt. Vgl. Art. 177 Abs. 1 lit. b) und c) Codice civile (Italien). Ebenso Art. 74 Abs. 1 lit. b) und c) FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien) sowie Art. 90 Abs 1 lit. b) Gesetz v. 26. 4. 1986 (San Marino). Patti, Eheliche Gemeinschaft, Partnerschaft und Vermögen in Italien, in: Henrich/Schwab (Hg.), Eheliche Gemeinschaft, Partnerschaft und Vermögen im europäischen Vergleich, 1999, S. 125, 131 f. Dazu kritisch Henrich, Comunione de beni und Zugewinngemeinschaft: Ein kritischer Vergleich, in: Studi in onore di Cesare Massimo Bianca. Band II, 2006, S. 281 (285 – 289). Im Sinne dieses Gedankens der Ehebedingtheit lassen beispielsweise die spanischen Regelungen zur Errungenschaftsgemeinschaft auch vor der Eheschließung begründete, aber erst während der Dauer des Güterstandes fällig werdende Forderungen eines Ehegatten in dessen Eigengut und nicht in das Gesamtgut fallen [Art. 1348 Cûdigo civil (Spanien)]. So auch ausdrücklich Art. 1405 Ziff. 2 Code Civil (Belgien), Art. 1347 Ziff. 2 Cûdigo civil
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timation der Erstreckung der Vermögensteilhabe auf Früchte des jeweiligen Eigenguts liegt in der traditionellen Auffassung der Ehe als einer Schicksalsgemeinschaft, in der während der Dauer des Güterstandes grundsätzlich142 der gesamte ehezeitliche Vermögenserwerb beiden Eheleuten gebührt, unabhängig davon, ob er in irgendeinem inneren Zusammenhang mit der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Eheleute steht. In denjenigen Errungenschaftsgemeinschaften, in denen hingegen aus güterrechtsgeschichtlichen143 oder gesellschaftlichen144 Gründen das gütertrennende Element stärker akzentuiert wird, differenziert man zwischen den Früchten des Gesamtguts und den Früchten des Eigenguts.145 Eben diese Differenzierung sollte grundsätzlich auch in einer künftigen deutschen Errungenschaftsgemeinschaft übernommen werden, wenn der Umfang der Vermögensteilhabe am Kriterium der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit ausgerichtet sein soll.
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(Spanien), Art. 223 Abs. 2 ZGB (Schweiz). Auch in der französischen Errungenschaftsgemeinschaft werden aus den Früchten und Einkünften des Eigenguts erzielte Ersparnisse Teil des Gesamtguts [Art. 1401 Code Civil (Frankreich), ebenso Art. 1401 Ziff. 2 Code Civil (Luxemburg), Art. 1320 lit. b) Civil Code (Malta), Art. 31 § 2 Ziff. 2 FamVormundG (Polen), Art. 1381 Cûdigo civil (Spanien), § 27 Abs. 1 Satz 2 FamG (Ungarn)]. Dagegen fallen nach den Bestimmungen der lettischen Errungenschaftsgemeinschaft Einkünfte aus dem Eigengut grundsätzlich wieder in das Eigengut [Art. 91 Abs.1 Ziff. 4 ZGB (Lettland)]. Ähnlich Art. 3.89 Abs. 1 Ziff. 7 ZGB v. 18. 7. 2000 (Litauen) sowie Art. 58 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine). Vgl. zu den güterrechtsgeschichtlich und güterstandsübergreifend weithin nachweisbaren gesetzlichen Ausnahmen und der nicht im Fehlen der Ehebedingtheit liegenden Begründung dieser Ausnahmen unten Fn. 155. Das gilt für Italien, wo bis zum Inkrafttreten des Reformgesetzes vom 19. 5. 1975 Gütertrennung der gesetzliche Güterstand war. Die Teilung des Gesamtguts in beni comuni und eine comunione de residuo stellt einen güterrechtspolitischen Kompromiss beim Übergang von der Gütertrennung zur partiellen Vergemeinschaftung des ehelichen Vermögens dar. Es sind bezeichnenderweise vor allem Güterrechtsordnungen aus den ehemaligen sozialistischen Ländern, in denen Früchte des Eigenguts nicht pauschal dem Gesamtgut zugeordnet werden [vgl. nur Art. 89 Abs. 3, 91 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 ZGB (Lettland) und Art. 58 Abs. 1 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine)]. Hier hat der traditionell sowohl vom Bürgertum als auch von der Religion getragene Gedanke der Ehe als einer Schicksalsgemeinschaft schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts an Legitimationskraft eingebüßt. Hingegen hat die Tatsache, dass nach dem geltenden deutschen Wahlgüterstand der BGBGütergemeinschaft Früchte des Vorbehaltsguts diesem und nicht dem Gesamtgut zufallen [Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 191], einen anderen Grund als die Beschränkung der Vermögensteilhabe auf ehebedingten Vermögenserwerb. Ist doch die BGB-Gütergemeinschaft gerade güterrechtlicher Ausdruck des Gedankens der Ehe als Schicksalsgemeinschaft. Da in der Gütergemeinschaft anders als in der Errungenschaftsgemeinschaft grundsätzlich sämtliches Vermögen beider Eheleute vergemeinschaftet wird, hat das Vorbehaltsgut hier nicht die Funktion einer Separierung des nicht ehebedingten Vermögenserwerbs, sondern vielmehr die Funktion der Einräumung eines Restbereichs vermögensrechtlicher Autonomie als Ausnahme von der Regel der Vergemeinschaftung. Diese restliche Autonomie wird realisiert durch die gesetzliche Bestimmung der Verwaltung des Vorbehaltsguts »für eigene Rechnung« (§ 1418 Abs. 3 Satz 2 BGB).
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Allerdings können im Einzelfall auch Früchte des Eigenguts ehe- bzw. partnerschaftsbedingt sein. Dies gilt insbesondere in denjenigen Fällen, in denen Einkünfte aus Eigengut, also zum Beispiel Mieteinnahmen aus zum Eigengut gehörenden Mietobjekten an die Stelle beruflicher Einkünfte treten. Grundsätzlich können zwar weder der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Erwerbsarbeit und Hausarbeit noch das Prinzip frei vereinbarter Rollenaufteilung Teilhabe an der Rendite von zum Eigengut gehörendem Immobilienbesitz oder Wertpapieren legitimieren, für deren Erwerb oder Bestand das Tun oder Unterlassen des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten während der Dauer des Güterstandes vollkommen irrelevant war. Insoweit ist Vermögenserwerb offensichtlich nicht ehe- bzw. partnerschaftsbedingt und sollte von der Teilhabe nicht umfasst sein. Anders liegt der Fall aber, wenn der andere Güterstandsbeteiligte während der Dauer des Güterstandes in irgendeiner Weise zur Erhaltung oder sogar Steigerung der Rendite beigetragen hat, beispielsweise indem er durch Mitarbeit oder durch einseitige Übernahme von Familien- und Hausarbeit dem anderen Güterstandsbeteiligten ermöglicht hat, sich allein um die Verwaltung von Vermietungsobjekten zu kümmern, deren Renditen die Grundlage der gemeinsamen Existenz bilden. (ad 2) Während aber die Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit von Einkünften aus dem Eigengut die Ausnahme darstellt, stellt das berufliche Erwerbseinkommen nicht nur par excellence das während des Güterstandes »Errungene« dar, sondern bildet in der Regel auch den wichtigsten Teil des Vermögenserwerbs überhaupt. Lösungen wie die italienische oder albanische höhlen in allen Fällen, in denen der berufliche Erwerb nicht auf gemeinsamer und gleichrangiger unternehmerischer Tätigkeit,146 sondern auf traditioneller Rollenverteilung zwischen Mann und Frau beruht, das Gesamtgut aus. Vor allem aber spricht für eine ungeteilte Zuordnung des beruflichen Erwerbs zum Gesamtgut, dass das berufliche Einkommen nicht nur rein zeitlich während der Dauer der Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft, sondern auch in innerem Zusammenhang mit ihr erzielt wird. Denn zwei Gesichtspunkte, ein normativer und ein faktischer, legitimieren kumulativ die generelle Qualifizierung beruflichen Einkommens als ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögenserwerb. Normativ liegt der Grund in der aus dem Grundgesetz abgeleiteten Bestimmung von Erwerbstätigkeit einerseits sowie Haus- und Familienarbeit andererseits als güterrechtlich gleichwertigen Beiträgen zur Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dadurch wird wenigstens für die Ehe147 die ökonomische Vergleichbarkeit der 146 Vgl. Art. 177 Abs. 1 lit. d) Codice civile (Italien) als Sondervorschrift für den Fall der gemeinsamen Unternehmensführung. 147 Für die eingetragene Lebenspartnerschaft stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimation der einfachgesetzlichen Gleichstellung im Unterhalts-, Güter- und
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Ergebnisse dieser Tätigkeiten für unterhaltsrechtlich, güterrechtlich und versorgungsrechtlich irrelevant erklärt zur Legitimation ehelichen und nachehelichen Unterhalts sowie wechselseitig paritätischer Teilhabe an Vermögensgewinnen.148 Auf dieser normativen Grundlage folgt die Legitimation in jedem Einzelfall aus der hinzukommenden Tatsache, dass die Güterstandsbeteiligten während der Dauer des Güterstandes ihre Rollenverteilung untereinander selbst vereinbaren und die Vereinbarung jederzeit etwa zur Anpassung an geänderte Lebensumstände überprüfen und modifizieren können. Solange der alleinverdienende Güterstandsbeteiligte aber damit einverstanden ist oder sogar ausdrücklich wünscht, dass der andere Güterstandsbeteiligte ganz oder teilweise auf eigenen Vermögenserwerb zugunsten der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft verzichtet, muss der andere Güterstandsbeteiligte, der sich mit dieser Rollenund Aufgabenverteilung ebenfalls einverstanden erklärt, auch auf diese Vereinbarung vertrauen können. Für den in Deutschland geltenden Zugewinn- und Versorgungsausgleich hat das Bundesverfassungsgericht auch jüngst noch einmal ausdrücklich bekräftigt, dass aufgrund von Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 GG »beide Eheleute gleichermaßen an dem in der Ehe erworbenen Vermögen berechtigt sind« und dass der Versorgungsausgleich »ebenso wie der Zugewinnausgleich der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Eheleute [dienen], welches nur wegen der in der Ehe gewählten Aufgabenverteilung einem der Ehegatten rechtlich zugeordnet war.«149 Dies muss erst recht für eine Errungenschaftsgemeinschaft gelten, in der die aus verfassungsund teilhaberechtlicher Sicht zufällige güterrechtliche Zuordnung von Vermögenserwerb zum Vermögen nur eines der beiden Güterstandsbeteiligten durch Bildung eines beiden Güterstandsbeteiligten rechtlich zuzuordnenden Gesamtguts gerade vermieden werden soll. Hingegen sind Unterscheidungen innerhalb des Gesamtguts zwischen »biens communs ordinaires« und »biens Versorgungsausgleichsrecht auf andere Weise als für die Ehe, da Art. 6 GG und Art. 3 Abs. 2 GG nicht anwendbar sind. 148 Vgl. nur BVerfG FamRZ 2002, S. 527 (529) zum »Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten« aufgrund der aus Art. 6 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 2 GG abgeleiteten »Gleichwertigkeit der familiären Unterhaltsbeiträge«, die »gerade unabhängig von ihrer ökonomischen Bewertung gleichgewichtig sind« und sowohl »für die Zeit des Bestehens der Ehe« als »auch nach Trennung und Scheidung der Ehegatten auf deren Beziehung hinsichtlich Unterhalt, Versorgung und Aufteilung des gemeinsamen Vermögens« ihre Wirkung entfalten. Dazu grundsätzlich Dauner-Lieb/Sanders, a. a. O. (Fn. 63), S. 142 – 144 m. w. N. 149 BVerfG FamRZ 2003, 1173. Anders als im Recht des nachehelichen Unterhalts spielt im Güter- und Versorgungsrecht auch nicht die gegenwärtige Bedürftigkeit des Berechtigten eine anspruchsbegründende oder anspruchsvernichtende Rolle (a. a. O., S. 1174). Vgl. zu dieser zuletzt im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. 1. 2011 (BVerfG FamRZ 2011, 437 (440) bekräftigten Rechtsprechung Brudermüller, in: Schwabe/Dose a. a. O. (Fn. 64), S. 127 f. m. w. N.
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communs extraordinaires«150 oder zwischen »beni comuni«, die sofort der Vermögensteilhabe unterfallen, und solchen, für die dies erst im Moment der Beendigung des Güterstandes gilt, mit dem so verstandenen Grundsatz gleicher Teilhabe am gemeinsam erwirtschafteten Vermögen nicht vereinbar.
These 7 Gegenstände des Eigenguts müssen im Unterschied zu den Gegenständen des Gesamtguts enumerativ aufgelistet werden. Zu ihnen gehören nicht nur das gesamte voreheliche bzw. vorpartnerschaftliche Vermögen, sondern auch diejenigen während der Dauer des Güterstandes erworbenen Gegenstände, die offensichtlich nicht ehe- bzw. partnerschaftsbedingt sind. Im Hinblick auf die Bestimmung des Umfangs der Vermögensteilhabe hat das Eigengut bei Errungenschaftsgemeinschaften dieselbe Funktion, die bei Güterständen der Gütertrennung mit schuldrechtlichem Zugewinnausgleich dem Anfangsvermögen zukommt. Die beiden Güterstandstypen zugrunde liegende Beschränkung der Vermögensteilhabe auf das während der Ehe bzw. Partnerschaft »Errungene« schließt das im Moment der Begründung des Güterstandes in den Privatvermögen beider Güterstandsbeteiligter bereits vorhandene Vermögen von der Teilhabe ausnahmslos aus.151 Darüber hinaus wurde und wird in allen Güterrechtsordnungen, die zum Typus der Errungenschaftsgemeinschaft bzw. Gütertrennung mit Zugewinnausgleich gehören, auch dasjenige Vermögen durch eine Zuordnung zum Eigengut aus der Vermögensteilhabe ausgeschlossen, das einer der Güterstandsbeteiligten während der Dauer des Güterstandes durch Schenkung, Erbschaft oder Vermächtnis erhalten hat.152 Diese sowohl güterrechtsgeschichtlich153 als auch güterstandstypübergreifend154 nachweis150 Vgl. oben Fn. 135. 151 Art. 77 lit. a) FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1399 Abs. 1 (1. Halbs.) Code Civil (Belgien), Art. 1405 Abs. 1 (1. Halbs.) Code Civil (Frankreich), Art. 179 lit. a) Codice civile (Italien), Art. 1346 Ziff. 1 Cûdigo civil (Spanien). 152 Art. 77 lit. b) FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1399 Abs. 1 (2. Halbs.) Code Civil (Belgien), Art. 1405 Abs. 1 (2. Halbs.) Code Civil (Frankreich), Art. 179 lit. b) Codice civile (Italien), Art. 1346 Ziff. 2 Cûdigo civil (Spanien). 153 So stammt die heute im gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich geltende Regelung in Art. 1374 Abs. 2 BGB aus dem bis 1953 geltenden Recht der BGB-Errungenschaftsgemeinschaft. So wird es auch ausdrücklich im Gesetzgebungsentwurf zum Gleichberechtigungsgesetz (BT-Drs. II/224, 43) begründet: »Diese Regelung entspricht dem § 1521 BGB [a. F.], der diese Vermögensgegenstände bei der Errungenschaftsgemeinschaft nicht Gesamtgut werden läßt, und wird in allen Vorschlägen vorgesehen, die eine Zugewinngemeinschaft empfehlen. Auch § 54 des ungarischen Entwurfs von 1914 und Art. 195 Schweiz. ZGB sehen eine derartige Regelung vor.« Der Regelungsgehalt
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bare Einschränkung der Teilhabe an während der Dauer des Güterstandes erworbenem Vermögen hat zwar güterrechtsgeschichtlich betrachtet andere Gründe155 als den Gedanken einer Beschränkung der Teilhabe auf ehebedingten Vermögenswerb, entspricht diesem Grundsatz aber im Ergebnis vollkommen und ist daher auch in Zukunft beizubehalten. Allerdings verlangt der Grundsatz der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit noch darüber hinausgehend eine weitere Beschränkung der Teilhabe am Vermögenserwerb des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten.156 Im Hinblick auf den deutschen gesetzlichen Güterstand dauert die Diskussion um eine entsprechende Beschränkung der Vermögensteilhabe noch an.157 Bei den Güterständen zur Errungenschaftsgemeinschaft zählen im Übrigen
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von § 1521 BGB a. F. hat wiederum in den Vorläufervorschriften der deutschen Partikularrechtsordnungen vor 1900 seinen Ursprung. Vgl. speziell zum systematischen und gesetzgebungsgeschichtlichen Verhältnis von § 1521 BGB a. F. und § 1374 Abs. 2 BGB jetzt Meder, a. a. O. (Fn. 77), 27 – 45 mit unmittelbaren Folgerungen für die heutige rechtsdogmatische Diskussion um die Analogiefähigkeit von § 1374 Abs. 2 BGB, die in der Rechtsprechung des BGH noch bestritten wird. Vgl. etwa § 35 Abs. 2 EheG (Finnland) für die aufgeschobene Gütergemeinschaft. In der Güterrechtsgeschichte wurden Erbschaften bzw. vergleichbarer Vermögenserwerb regelmäßig aus der beschränkten Vermögensteilhabe ausgenommen, um das Familiengut nicht zu zersplittern bzw. – noch archaischer – um es nicht der blutsfremden Familie des Angeheirateten zu überlassen. Für Schenkungen unter Lebenden zum Zwecke vorgezogener Erbfolge gilt dasselbe, im Übrigen müssen alle Regelungen zu Schenkungen in- und außerhalb des Güterrechts in besonderer Weise den Willen des Schenkers achten, da ansonsten die Bereitschaft zur Schenkung gefährdet würde. Insofern schied und scheidet immer noch güterrechtliche Vermögensteilhabe des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten gegen den Willen des Schenkers als gesetzliche Option aus. Das musste der Gesetzgeber sogar in Regelungen zur grundsätzlich unbeschränkten Gütergemeinschaft beachten (vgl. nur § 1418 Abs. 2 Ziff. 2 BGB). Weniger von der praktischen Bedeutung her gesehen, aber für die Legitimation der Vermögensteilhabe aufschlussreich ist die gesetzliche Behandlung von Gewinnen aus Glücksspielen während der Dauer des Güterstandes. Differenzierend macht Art. 172 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien) dies von der Herkunft des Einsatzes abhängig. Dagegen gehen die meisten Güterrechtsordnungen bei dieser Frage im Sinne der Auffassung der Ehe als einer Schicksalsgemeinschaft noch pauschal von einer Vermögensteilhabe aus, entweder implizit wie zum Beispiel die Regelung zum deutschen gesetzlichen Güterstand oder mit ausdrücklichen Regelungen zur Teilhabe an Gewinnen aus Glücksspielen in Art. 270 Abs. 3 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska), Art. 251 Abs. 3 FamG v. 6. 6. 2005 (Föderation Bosnien und Herzegowina), Art. 47 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), Art. 252 FamG v. 14. 7. 2003 (Kroatien), Art. 1320 lit. f) Civil Code (Malta) und Art. 1351 Cûdigo civil (Spanien). Zwei Fragen sind in der gegenwärtigen Diskussion auseinanderzuhalten, nämlich erstens die de lege lata zu entscheidende und von der Rechtsprechung bisher verneinte Frage, ob § 1374 Abs. 2 BGB analogiefähig ist (dazu jüngst unter Verwendung unterschiedlicher Auslegungsmethoden Meyer, Die Analogiefähigkeit von § 1374 II BGB, Diss. jur. Jena 2008), zweitens ist de lege ferenda über eine entsprechende gesetzliche Reform von § 1374 Abs. 2 BGB nachzudenken, die in der Literatur inzwischen fast einhellig gefordert wird (vgl. nur Meder, a. a. O. (Fn. 77), S. 30 f. m. w. N.).
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zum Eigengut diejenigen während der Dauer des Güterstandes erworbenen Gegenstände, bei denen entweder der Erwerbsgrund in besonderer Weise mit dem jeweiligen Güterstandsbeteiligten verbunden ist und daher von der Vermögensteilhabe ausgeschlossen bleiben soll158, sowie solche Gegenstände, deren Verwendungszweck in einem besonderen Zusammenhang mit der Person des jeweiligen Güterstandsbeteiligten steht, wie zum Beispiel persönliche Gebrauchsgegenstände oder berufsbedingt erworbene Arbeitsgeräte,159 oder aber auch Gegenstände, die mit Eigenmitteln erworben wurden, um andere Gegenstände des Eigenguts zu ersetzen.160 Auch Gegenstände, die nach der deutschen Rechtsordnung rechtsgeschäftlich übertragbar sind und daher aus rechtsdogmatischen Gründen nicht Gegenstand des Gesamtguts sein können,161 sollten in einem künftigen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft entsprechend dem Vorbild ausländischer Güterrechtsordnungen dem Eigengut zugewiesen werden. Die im bisherigen Gemeinschaftsgüterstand noch geltende Aufteilung in fünf Vermögensmassen, dem Gesamtgut und jeweils dem Vorbehalts- und Sondergut jedes Güterstandsbeteiligten kann damit ohne Einbußen im Hinblick auf die partielle Vergemeinschaftung vermieden werden. Für den Fall, dass ein Erwerbsgeschäft oder die Familienwohnung sowohl durch Eigen- als auch durch Gesamtgutsmittel finanziert wurde, sehen zum 158 Art. 77 lit. e) FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1399 Abs. 1, 1401 Ziff. 2 – 5 Code Civil (Belgien), Art. 22 Abs. 1 FamG (Bulgarien), Art. 1405 Abs. 1 Code Civil (Frankreich), Art. 179 Abs. 1 lit. e) Codice civile (Italien), Art. 91 Abs. 1 Ziff. 1, 3 und 4 ZGB (Lettland), Art. 3.89 Abs. 1 Ziff. 1, 2, 4, 6 ZGB (Litauen), Art. 33 Ziff. 1, 2, 5 – 9 FamVormundG (Polen), Art. 1722 Abs. 1 lit. b) Cûdigo civil (Portugal), Art. 168 Abs. 2 FamG (Serbien), § 143 ZGB (Slowakei), Art. 1346 Abs. 1 Ziff. 4 – 6 Cûdigo civil (Spanien), § 143 Abs. 1 lit. a) ZGB i. d. F. von 1998 (Tschechien), § 28 Abs. 1 lit. b) FamG (Ungarn). Im polnischen Recht schließt Art. 49 § 1 FamVormundG sogar die ehevertragliche Modifikation der einschlägigen Vorschrift in Art. 33 FamVormundG weitgehend aus, sodass insbesondere Erbschaften, Schenkungen sowie Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche eines Ehegatten wegen Körper- oder Gesundheitsverletzungen im gesetzlichen Güterstand der polnischen Errungenschaftsgemeinschaft zwingend zum Eigengut des betreffenden Güterstandsbeteiligten gehören. 159 Art. 77 lit. c), d) FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1400 Ziff. 6, 1401 Ziff. 1 Code Civil (Belgien), Art. 22 Abs. 2 und 3 FamG (Bulgarien), Art. 1404 Code Civil (Frankreich), Art. 177 Abs. 1 lit. a) a.E., Art. 179 Abs. 1 lit. c) und d) Codice civile (Italien), Art. 90 Ziff. 2 ZGB (Lettland), Art. 3.89 Abs. 1 Ziff. 3, 5 ZGB (Litauen), § 143 ZGB (Slowakei), Art. 1346 Abs. 1 Ziff. 7 und 8 Cûdigo civil (Spanien), Art. 33 Ziff. 4 § 143 Abs. 1 lit. a) ZGB i. d. F. von 1998 (Tschechien), § 28 Abs. 1 lit. c) FamG (Ungarn). 160 Vgl. nur die Surrogationsvorschriften in Art. 77 lit. f), Art. 78 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1400 Ziff. 5 Code Civil (Belgien), Art. 1406 Abs. 3, Art. 1407 Abs. 1 Code Civil (Frankreich), Art. 179 Abs. 1 lit. f) Codice civile (Italien), Art. 90 Abs. 1 Ziff. 5 ZGB (Lettland), Art. 3.89 Ziff. 7 ZGB (Litauen), Art. 33 Ziff. 10 FamVormundG (Polen), Art. 1722 Abs. 1 lit. c), 1723 Cûdigo civil (Portugal), Art. 1346 Abs. 1 Ziff. 3 Cûdigo civil (Spanien), § 28 Abs. 1 lit. d) FamG (Ungarn). 161 Vgl. dazu schon oben nach These 5.
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Beispiel die Regelungen zur spanischen Errungenschaftsgemeinschaft vor, dass das Unternehmen »ungeteilt der Errungenschaftsgemeinschaft sowie dem oder den Ehegatten zu[steht], und zwar im Verhältnis zum Wert der jeweiligen Einlagen«.162 Andere Güterrechtsordnungen, wie etwa die portugiesische, machen die Zuordnung in solchen Fällen davon abhängig, welcher Kapitalbetrag der höhere ist.163 Stellt die Finanzierung aus dem Eigengut den höheren Anteil dar, fällt das Unternehmen nach der vorgenannten portugiesischen Regelung in das jeweilige Eigengut, wobei Ausgleichsansprüche zugunsten des Gesamtguts im Falle der Beendigung der Gemeinschaft bestehen. Im umgekehrten Fall wird das Unternehmen Teil des Gesamtguts. Diese Lösung hat den Vorteil einer klaren Zuordnung zu einer der beiden Vermögensmassen. Die meisten Güterrechtsordnungen sehen Sonderregelungen im Hinblick auf Arbeitsgerätschaften vor wie technische Geräte und sonstige Ausstattungen der Praxis. Sie fallen regelmäßig unabhängig von der Quelle ihrer Finanzierung in das Eigengut desjenigen, der die Praxis führt, es sei denn, sie stellen wesentliche Bestandteile oder Zubehör eines Unternehmens dar, das in das Gesamtgut fällt.164 Gegebenenfalls bestehen Ausgleichsansprüche im Rahmen der Auseinandersetzung.165 Die Tatsache, dass während der Dauer des Güterstandes erfolgende Wertsteigerungen von Gegenständen des Eigenguts nicht dem Gesamtgut zugutekommen und damit grundsätzlich aus der Vermögensteilhabe ausgeschlossen bleiben, bildet mit Blick auf die angestrebte Beschränkung der Vermögensteilhabe auf den ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögenserwerb einen prinzipiellen Vorteil des Güterstandsmodells der Errungenschaftsgemeinschaft gegenüber dem Güterstandsmodell der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich. Es ist nämlich mehr als »eine lediglich technisch bedingte Kapriole« des deutschen Zugewinnausgleichsrechts,166 dass ohne Differenzierung zwischen Wertsteigerungen von Gegenständen, die bereits bei Begründung des Güterstandes vorhanden waren, und Wertsteigerungen an den übrigen Gegenständen167 eine 162 Art. 1347 Nr. 5 i. V. m. 1354, Art. 1357 Abs. 2 Cûdigo civil (Spanien). 163 Art. 1726 Cûdigo civil (Portugal). Ebenso fallen auch nach den Regelungen der belgischen, französischen oder niederländischen Errungenschaftsgemeinschaft neu erworbene Gegenstände nur dann in das Eigengut, wenn sie zu mehr als die Hälfte durch Mittel aus dem Eigengut erworben wurden [Art. 1402 – 1404 Code Civil (Belgien), Art. 1407 Code Civil (Frankreich), Art. 1:124 Abs. 2 BW (Niederlande)]. 164 Vgl. nur Art. 1346 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 Cûdigo civil (Spanien), Art. 1404 Abs. 2 Code Civil. 165 Art. 1346 Abs. 2 Cûdigo civil (Spanien). 166 So Rauscher, a. a. O. (Fn. 58), S. 9. 167 In dieser Differenzierung liegt auch der entscheidende Vorteil des in der Schweiz und der Türkei geltenden Güterstandsmodells einer Errungenschaftsbeteiligung gegenüber dem Zugewinnausgleichsrecht. Erkauft wird dieser Vorteil allerdings durch den Nachteil der Notwendigkeit einer Unterscheidung von vier Gütermassen, ohne dass damit eine wech-
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pauschale »Wertbeteiligung des anderen Ehegatten an bloßen Wertsteigerungen des […] Anfangsvermögens« unvermeidlich ist, was sich aber »nur begründen [lässt], wenn man die Sinnfrage des Ausgleichs [sc. des Zugewinns] stark abstrahiert«.168 Auch ein etwa im Sinne des französischen Zugewinnausgleichsrechts reformierter deutscher gesetzlicher Güterstand169 würde im Rahmen der Bewertung von Anfangs- und Endvermögen nicht in derselben Weise gezielt an einzelnen Gegenständen aus dem Anfangsvermögen anknüpfen können wie die Errungenschaftsgemeinschaft an Gegenständen des Eigenguts, deren Wertsteigerungen im Falle der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit ausnahmsweise von der Vermögensteilhabe umfasst sein sollen. Bei der Beschränkung der Vermögensteilhabe auf ehe- bzw. partnerschaftsbedingten Vermögenserwerb ist die gegenstandsbezogene Methode der Errungenschaftsgemeinschaft der wertbezogenen Methode des Zugewinnausgleichsrechts generell überlegen.
These 8 Spätestens nach Beendigung des Güterstandes muss ein güterrechtlicher Wertausgleich zwischen Eigen- und Gesamtgut erfolgen. Dabei sollte zwischen Ausgleichsansprüchen aufgrund der Begleichung von Schulden zugunsten einer Gütermasse und solchen aufgrund von Investitionen zum Erwerb, zur Verbesserung oder zur Erhaltung von Vermögensgegenständen in der jeweils anderen Vermögensmasse unterschieden werden. Durch die dingliche Zuordnung zum Eigen- oder Gesamtgut ist der tatsächliche Umfang der Vermögensteilhabe nur präjudiziert, aber noch nicht endgültig entschieden. Ungeachtet der dinglichen Rechtslage können schuldrechtliche Wertausgleichsansprüche des Gesamtguts gegen das betreffende Eigengut bestimmte Gegenstände oder Früchte des Eigenguts wertmäßig in die Vermögensteilhabe einbeziehen.170 Wenn beispielsweise von einem Güterstandsbeteiselseitige Vermögensteilhabe während der Dauer des Güterstandes verbunden wäre. Vgl. dazu schon oben die Ausführungen nach These 4. 168 So zu recht Schwab, a. a. O. (Fn. 30), S. 1085. 169 Vgl. dazu oben Fn. 104. 170 Vgl. etwa Art. 1403 Abs. 3 Code Civil (Frankreich) im Hinblick auf gezogene und nicht verbrauchte, schuldhaft nicht gezogene oder bösgläubig verbrauchte Früchte des Eigenguts. In der französischen Errungenschaftsgemeinschaft werden auch Arbeitsgeräte, die zur Ausübung des Berufs eines der Ehegatten erforderlich sind, zur Vermeidung einer gesamthänderischen Bindung dinglich dem Eigengut zugeordnet, aber wertmäßig durch einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch des Gesamtgutes gegen das Eigengut doch der Vermögensteilhabe unterworfen (Art. 1404 Abs. 2 Code Civil). Weitere Ausgleichsansprüche können sich aus der Begleichung von persönlichen Verbindlichkeiten eines Ehe-
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ligten Eigengut im Rahmen partieller Verfügungsfreiheit mit Mitteln des Gesamtguts, etwa des eigenen Arbeitseinkommens, vergrößert wurde, entsteht ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch zugunsten des Gesamtguts und zulasten des betreffenden Eigenguts,171 der mit Blick auf die Vermögensteilhabe »im Ergebnis wie eine Zurechnung […] zum Gesamtgut« wirkt.172 Dasselbe gilt umgekehrt für schuldrechtliche Ausgleichsansprüche zugunsten des Eigenguts eines Güterstandsbeteiligten,173 die die Vermögensteilhabe des anderen Güterstandsbeteiligten bei Beendigung des Güterstandes verringern. In der Auseinandersetzung müssen eine Reihe von Ausgleichsforderungen berücksichtigt werden.174 Güterrechtliche Wertausgleichsforderungen sind keine Besonderheit des Güterstandtyps der Errungenschaftsgemeinschaft. So zeigt das Beispiel der schweizerischen und türkischen Errungenschaftsbeteiligung, dass nicht nur sachenrechtlich unterschiedene Gütermassen einen notwendigen Ansatzpunkt für Ausgleichsansprüche bilden.175 Selbst in Güterständen der Gütertrennung mit und ohne Zugewinnausgleich kann nach Beendigung des Güterstandes dasselbe Problem entstehen, wenn insbesondere im Falle reiner Gütertrennung,176 aber auch bei Gütertrennung mit Zugewinnausgleich ein zusätzlicher Ausgleich im richterrechtlichen Nebengüterrecht geschaffen werden muss, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden.177 Was bei Gütertrennung und im Zugewinnausgleichsrecht allerdings nicht relevant wird, sind Schadensersatzan-
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gatten mit Gesamtgutsmitteln (Art. 1412 Code Civil) oder aus Gesamtgutsverbindlichkeiten ergeben, die ein Ehegatte unter Verstoß gegen gesetzliche Pflichten verursacht hat (Art. 1417 Code Civil). Art. 1432 f., 1437 Code Civil (Belgien), Art. 192 Abs. 1 und 2 Codice civile (Italien), Art. 1437 Code Civil (Frankreich/Luxemburg), Art. 3.98 Abs. 3 ZGB (Litauen), Art. 45 § 1 Satz 1 FamVormundG (Polen), § 150 Satz 2 ZGB (Slowakei), Art. 1346 Abs. 2, 1358, 1359 Abs. 2 Cûdigo civil (Spanien), § 31 Abs. 2 Satz 2 FamG (Ungarn). Ferid, Das französische Zivilrecht. Bd. 3: Familienrecht, Erbrecht, 2. Völlig neubearb. Auflage 1987, S. 176. Umgekehrt gilt das entsprechend auch für die Verbindlichkeiten des Gesamtgutes [vgl. nur Art. 1409 – 1418 Code Civil (Frankreich]. Art. 1434, 1437 Code Civil (Belgien), Art. 192 Abs. 3 Codice civile (Italien), Art. 1433 Code Civil (Frankreich/Luxemburg), Art. 3.98 Abs. 1 und 2 ZGB (Litauen), Art 45 § 1 Satz 2 FamVormundG (Polen), § 150 Satz 2 ZGB (Slowakei), Art. 1358, 1364 Cûdigo civil (Spanien), § 31 Abs. 2 Satz 1 FamG (Ungarn). Vgl. nur exemplarisch Art. 1468 Code Civil (Frankreich/Luxemburg), wonach für jeden der beiden Ehegatten »Konten für die Ausgleichszahlungen« eingerichtet werden müssen. Dazu Ferid, a. a. O. (Fn. 172), S. 195 und Pintens, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.), Rollenleitbilder und -realitäten in Europa: Rechtliche, ökonomische und kulturelle Dimensionen, 2009, S. 112, 114 f. Art. 209 ZGB (Schweiz), Art. 230 ZGB v. 22. 11. 2001 (Türkei). Schlimm, Die Ehegatteninnengesellschaft im außergüterrechtlichen Vermögensausgleich. Rechtsprechungsentwicklung, offene Frage und Folgeprobleme, 2010, S. 215 – 217. Schlimm, Die Ehegatteninnengesellschaft im außergüterrechtlichen Vermögensausgleich. Rechtsprechungsentwicklung, offene Frage und Folgeprobleme, 2010, S. 218 – 225.
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sprüche wegen schuldhafter Verletzung von güterrechtlichen Pflichten,178 da der Anknüpfungspunkt für derartige Ansprüche zum Schutz des Gemeinschaftsinteresses, das Gesamtgut, fehlt. Bei der Frage nach internen Ausgleichsansprüchen zwischen den drei Gütermassen stellt sich zunächst die Frage, durch welches Verhalten der Güterstandsbeteiligten ein Ausgleichsanspruch ausgelöst werden soll. In Betracht kommen Aufwendungen eines Güterstandsbeteiligten, die zu Vermögensopfern einer Vermögensmasse zugunsten einer der beiden anderen, nämlich dem jeweils anderen Eigengut oder dem Gesamtgut führen. Einer besonderen güterrechtlichen Regelung bedürfen daraus resultierende Ausgleichsansprüche nur dann, wenn eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften, namentlich der Vorschriften über die Geschäftsführung sowie über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung als nicht angemessen erscheint. Im Hinblick auf mögliche Ausgleichsansprüche zwischen den Eigengütern beider Güterstandsbeteiligter sehen weder die deutschen Regelungen zur BGBGütergemeinschaft noch die im übrigen Europa geltenden nationalen Regelungen einer Errungenschaftsgemeinschaft einen spezifisch güterrechtlichen Regelungsbedarf. In ihrer Eigenschaft als Träger getrennter Eigengüter stehen sich die Güterstandsbeteiligten in der Tat ungeachtet ihrer gesamthänderischen Verbindung im Hinblick auf das Gesamtgut vermögensrechtlich vollkommen unabhängig gegenüber. Eine besondere güterrechtliche Regelung ist daher zur Bewältigung von Vermögensverschiebungen unter den Eigengütern auch in einem zukünftigen deutschen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft nicht erforderlich. Anders wird die Frage im Hinblick auf Vermögensopfer im Verhältnis von Eigengütern und Gesamtgut zu beantworten sein, da hier die Rückabwicklung ungerechtfertigter Vermögensverschiebungen möglicherweise sowohl verschuldensunabhängig als auch entreicherungsunabhängig sein sollte, was durch güterrechtliche Sondervorschriften sichergestellt wird. Aus diesem Grund statuiert beispielsweise der BGB-Gesetzgeber in den §§ 1445, 1467 BGB eine güterrechtliche Sonderregelung für bestimmte Fälle von Aufwendungen eines Ehegatten, durch die das Gesamtgut zugunsten des Vorbehaltsguts des Handelnden geschmälert wird.179 Auch die güterrechtlichen Ausgleichsregelungen 178 Art. 1421 Abs. 1 (2. Halbs.) Code Civil (Frankreich) zur Haftung für Fehler bei der Verwaltung des Gesamtguts. 179 Vgl. Staudinger-Thiele, a. a. O. (Fn. 114), § 1445, Rn. 2 f., 6 f., wo in Absatz 1 für den Fall der Alleinverwaltung des Gesamtguts durch nur einen Güterstandsbeteiligten der Schutz des von der Verwaltung ausgeschlossenen Güterstandsbeteiligten bezweckt wird. Ebenso sieht § 1467 Abs. 1 BGB für den Fall gemeinschaftlicher Verwaltung des Gesamtguts den Schutz des jeweils nichtverwendenden Ehegatten vor (a. a. O., § 1467 Rz. 2, 4). Beide Vorschriften bemessen die Höhe des Wertersatzes verschuldens- und entreicherungsun-
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für den Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in anderen europäischen Staaten betreffen lediglich das Verhältnis von Eigengütern und Gesamtgut.180 Insoweit bestimmen beispielsweise die einschlägigen Regelungen der belgischen und – mit Einschränkungen – auch der französischen Errungenschaftsgemeinschaft ausdrücklich, dass der Wertausgleichsanspruch nicht geringer sein dürfe als die Entreicherung des ausgleichsberechtigten Vermögens im Zeitpunkt der Entnahme.181 Die Regelungen zur schweizerischen und türkischen Errungenschaftsbeteiligung unterscheiden hingegen einerseits Schulden der Errungenschaft oder des Eigenguts, die jeweils mit Mitteln der anderen Vermögensmassen beglichen wurden, und andererseits Investitionen der einen Vermögensmasse, die »zum Erwerb, zur Verbesserung oder zur Erhaltung von Vermögensgegenständen der andern beigetragen haben.« Nur im Fall der Schuldenbegleichung besteht ein unbedingter Ausgleichsanspruch, im Fall der Investition zugunsten der anderen Vermögensmasse richtet sich die Ersatzforderung danach, ob im Zeitpunkt der Auseinandersetzung oder vorherigen Veräußerung des Gegenstandes »ein Mehr- oder Minderwert eingetreten ist«, die Ausgleichsforderung entspricht dann dem jeweiligen »Anteil des Beitrags«.182 Die Differenzierung zwischen Schuldenbegleichung und Investitionen im schweizerischen und türkischen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung ist überzeugend. Werden Eigengutsmittel eines Güterstandsbeteiligten zur Begleichung von Schulden beider oder umgekehrt Gesamtgutsmittel zur Begleichung der persönlichen Schulden nur eines Güterstandsbeteiligten aufgewendet, müssen entsprechende Ausgleichsforderungen sicherstellen, dass spätestens im Moment der Beendigung des Güterstandes derjenige die Schulden trägt, in dessen Person sie entstanden sind. Bei entsprechend den Regeln zur Verwaltung des Gesamtguts getätigten Investitionen von Gesamtgutsmitteln hinabhängig nach dem Zeitpunkt der Vornahme der Verwendung unabhängig von der Bereicherung des Vorbehalts- bzw. Sonderguts zur Zeit der Verwendung oder Geltendmachung des Anspruchs nach Beendigung der Gütergemeinschaft. Die in §§ 1445 Abs. 2 und 1467 Abs. 2 BGB bestimmten Ausgleichsansprüche gegen das Gesamtgut stellen hingegen keine güterrechtlichen Sonderregelungen dar, da sie nur die Rechtslage nach den allgemeinen Vorschriften bestätigen, mithin genau genommen entbehrlich wären. 180 Art. 1432 – 1438 Code Civil (Belgien), Art. 1412, 1416 f., 1433, 1437 Code Civil (Frankreich), Art. 192 Codice civile (Italien), Art. 45 FamVormundG (Polen), Art. 1346 Abs. 2, 1352 Abs. 2, 1358, 1359 Abs. 2, 1360, 1363, 1390 f., 1397 Ziff. 3, Art. 1398 Ziff. 2 und 3 Cûdigo civil (Spanien). 181 Art. 1435 Satz 1 Code Civil (Belgien). Dasselbe gilt in der französischen Errungenschaftsgemeinschaft mit der Einschränkung, dass die getätigten Ausgaben notwendig waren [Art. 1469 Abs. 2 Code Civil (Frankreich)]. Dagegen offenbar ohne Einschränkungen Art. 192 Abs. 1 und 3 Codice civile (Italien). 182 Art. 209 Abs. 1 und 3 ZGB (Schweiz) sowie in wortgleicher Übernahme Art. 230 Abs. 3 ZGB v. 22. 11. 2001 (Türkei).
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gegen, die zum Erwerb, zur Verbesserung oder zur Erhaltung von Vermögensgegenständen im Eigengut eines der beiden Güterstandsbeteiligten beigetragen haben, steht der Beteiligung an einem am Stichtag der Auseinandersetzung oder Veräußerung noch vorhandenen Mehrwert die Beteiligung am Risiko der Entwertung gegenüber. Dasselbe gilt umgekehrt im Falle einer entsprechenden Investition von Eigengutsmitteln in das Gesamtgut. Dabei richtet sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs im Falle eines Mehr- oder Minderwerts zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung des Güterstandes bzw. der vorzeitigen Veräußerung des Gegenstandes nach dem jeweiligen Anteil des Beitrags zur Investition. Erfolgte die Investition mit Gesamtgutsmitteln jedoch entgegen den Regeln zur Verwaltung des Gesamtguts, darf der inflationsbereinigte Ausgleichsanspruch nicht durch eine Entreicherung des begünstigten Eigenguts verringert werden.
These 9 Die Entscheidungsteilhabe am Gesamtgut einer künftigen Errungenschaftsgemeinschaft sollte nach dem System konkurrierender Verwaltung als Regelfall und nach einem System außerordentlicher Verwaltung als Ausnahmefall erfolgen. Die Entscheidungsteilhabe kann im Rahmen des Güterstandes einer Errungenschaftsgemeinschaft Folgendes umfassen: – die Möglichkeit eigenverantwortlicher Entscheidungen über Gegenstände des Gesamtguts (Alleinentscheidungsrechte), – Beteiligungsrechte im Hinblick auf die Entscheidungen des anderen Ehegatten über Gegenstände des Gesamtguts (Veto- oder Mitentscheidungsrechte), – wechselseitige Auskunftsrechte. Da Auskünfte über den gegenwärtigen Vermögensstand und geplante vermögensrechtlich relevante Entscheidungen des anderen Güterstandsbeteiligten jeweils die Vorstufe zur Einflussnahme auf diese Entscheidungen bilden, lassen sich auch Auskunftsrechte als Teil der Entscheidungsteilhabe verstehen. Da die beiden zuerst genannten Hauptformen der Entscheidungsteilhabe zumindest von Gesetzes wegen183 im Zeichen der Gleichberechtigung beiden 183 Es bleibt der jeweiligen Rechtsordnung überlassen, inwieweit sie ehevertragliche Regelungen zulassen will, die die Entscheidungsteilhabe zugunsten eines der beiden Güterstandsbeteiligten und zulasten des anderen verschieben. Die gegenwärtig in Deutschland geltende Güterrechtsordnung lässt der Privatautonomie insoweit breiten Raum bis hin zur heute geradezu anachronistisch erscheinenden Möglichkeit ehevertraglicher Bestimmung der Alleinverwaltung im Rahmen des Wahlgüterstandes der Gütergemeinschaft. Die im Falle der Alleinverwaltung einschlägigen Bestimmungen der §§ 1422 – 1436 BGB kämen
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Güterstandsbeteiligten eingeräumt werden müssen, stehen sie in einem Spannungsverhältnis zueinander : je mehr Mitentscheidungs- und Vetorechte, desto weniger Alleinentscheidungsrechte eines Güterstandsbeteiligten und umgekehrt je mehr Alleinentscheidungsrechte, desto weniger Mitentscheidungs- und Vetorechte des anderen Güterstandsbeteiligten. Die meisten in Europa geltenden Güterrechtsordnungen suchen daher ein Gleichgewicht zwischen Autonomie und Bindung beider Güterstandsbeteiligter herzustellen. Während das jeweilige Eigengut nur den Bindungen des güterstandsunabhängig geltenden Rechts der allgemeinen Ehewirkungen unterliegt, wird die güterrechtliche Balance zwischen Freiheit und Bindung der Güterstandsbeteiligten im Hinblick auf das Gesamtgut – vergleichbar den einschlägigen Regelungen von Gesamthandsgemeinschaften außerhalb des Güterrechts – bereichsspezifisch differenziert bestimmt, nämlich durch eine größere Autonomie jedes Güterstandsbeteiligten bei Entscheidungen über Gegenstände des Gesamtguts mit geringerer wirtschaftlicher Bedeutung für das Gesamtgut und durch eine größere Bindung beider Güterstandsbeteiligten bei Entscheidungen von großer wirtschaftlicher Tragweite. Häufig ist diese grundsätzliche Differenzierung des Gesetzgebers im Hinblick auf das Verwaltungsregime für das Gesamtgut auch ehevertraglich nicht abänderbar,184 um Gefährdungen des Gesamtguts zu vermeiden, das eben nicht nur Sondervermögen ist, sondern auch wirtschaftliche Grundlage der ehe- bzw. partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft. Nur ganz wenige Güterrechtsordnungen differenzieren nicht in der vorbezeichneten Weise im Hinblick auf die Verwaltung des Gesamtguts, sondern fordern für jede Verwaltungsmaßnahme und Verfügung über Gegenstände des Gesamtguts ein gemeinsames Handeln der Güterstandsbeteiligten,185 also eine durchgehende Bindung beider Güterstandsbeteiligter, die allenfalls für familienbezogene Alltagsgeschäfte – aber keineswegs immer186 – durch traditionelle
aber selbst aus Sicht von grundsätzlichen Befürwortern der geltenden BGB-Gütergemeinschaft einer einseitig unwiderruflichen Entmündigung des nicht verwaltenden Güterstandsbeteiligten nahe [R.Behmer, Ist die Gütergemeinschaft als Wahlgüterstand »obsolet«?, in: FamRZ 1988, S. 339 (341)]. 184 So ausdrücklich etwa Art. 1388 Code Civil (Frankreich), Art. 210 Abs. 3 Codice civile (Italien). 185 Art. 49 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), Art. 52 Abs. 1 EheFamG (Slowenien), Art. 271 Abs. 1, 281 Abs. 1 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska), Art. 65 Abs. 1 und 2 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine). In der portugiesischen Errungenschaftsgemeinschaft fehlen sogar jegliche Regelungen zur Verwaltung des Gesamtguts. 186 Vgl. Art. 44 Abs. 1 FamG v. 20. 1. 2006 (Kosovo), wo lediglich die in eigener Verantwortung erfolgende Verwaltung des Haushalts für den Fall eigenverantwortlicher Haushaltsführung geregelt ist.
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Regelungen zur sogenannten Schlüsselgewalt eine Durchbrechung erfährt.187 Andere Güterrechtsordnungen sehen ausgehend vom Prinzip gemeinsamer Verwaltung des Gesamtguts weitere Erleichterungen zugunsten der Autonomie des einzelnen Güterstandsbeteiligten vor, indem sie zum Beispiel zwischen autonomer Verwaltung und gemeinsamer Verfügung über Gegenstände des Gesamtguts188 unterscheiden oder aber das Erfordernis gemeinsamer Verwaltung und Verfügung – teilweise auch beschränkt auf bewegliche Sachen – durch eine gesetzlich vermutete Einwilligung des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten im Alltag praktikabler machen.189 Autonomie bildet hier die Ausnahme, Bindung die Regel. Diesem Verwaltungsmodell stehen solche Güterrechtsordnungen gegenüber, die grundsätzlich die Autonomie zur Regel und die Bindung zur Ausnahme machen, indem sie zwischen einem dem einzelnen Güterstandsbeteiligten weitgehende Autonomie einräumenden Regime ordentlicher Verwaltung des Gesamtguts als Regelfall und einem Regime außerordentlicher Verwaltung als Ausnahmefall unterscheiden, das ein wie auch immer geartetes Zusammenwirken beide Güterstandsbeteiligter fordert. Zum Bereich außerordentlicher Verwaltung gehören in der Regel enumerativ benannte Rechtsgeschäfte, wie Verfügungen über Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte, Kündigungen von Miet- und Pachtverträgen, unentgeltliche Verfügungen, die über Sittlichkeits- und Anstandsschenkungen hinausgehen, oder wirtschaftlich besonders risikoreiche schuldrechtliche Verträge190, welche die Grundlagen des Gesamtguts oder – damit nicht notwendig deckungsgleich – das Familienheim berühren.191 Aus dem Erfordernis des Zusammenwirkens, das in der Regel die Zustimmung des anderen Güterstandsbeteiligten, gelegentlich aber auch eine noch darüber hinausgehende Form gemeinsamen Handelns erfordert,192 folgt ein 187 Art. 279 FamG v. 29. 7. 2002 (Republika Srpska). Vgl. allerdings unten bei Fn. 208 zum Unterschied von Verwaltungsregeln und Haftungserweiterungen für Schlüsselgewaltgeschäfte. 188 Art. 24 Abs. 2 und 3 FamGB v. 18. 6. 2009 (Bulgarien). 189 § 17 Abs. 1 – 3 FamG v. 12. 10. 1994 (Estland), § 251 FamG v. 14. 7. 2003 (Kroatien), Art. 90 Abs. 2 und 3 ZGB (Lettland), Art. 3.92 Abs. 3 ZGB v. 18. 7. 2000 (Litauen), Art. 174 Abs. 1 und 2 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), §§ 29 Abs. 2 Satz 1, 30 Abs. 2 FamG (Ungarn), Art. 35 Ziff. 1 und 2 Art. 33 – 39 FamGB v. 29. 12. 1995 (Russische Föderation). 190 Vgl. nur Art. 1418 Ziff. 1 c) und e) Code Civil (Belgien) zu langfristigen Miet- und Pachtverträgen sowie Verbraucherkrediten oder Art. 1415 Code Civil (Frankreich) zu Bürgschaften und Darlehen, ebenso Art. 1:88 Abs. 1 lit. b)-d) BW (Niederlande). 191 Art. 1418 f. Code Civil (Belgien), Art. 1422 – 1425 Code Civil (Frankreich), Art. 180 Abs. 2 Codice civile (Italien). 192 So hat das französische Gesetz vom 23. Dezember 1985 zur Reform des gesetzlichen Güterstandes der Errungenschaftsgemeinschaft das bis dahin gemäß Art. 1422 Code Civil a. F. geltende Zustimmungserfordernis (»consentement«) durch das Mitwirkungserfordernis
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Höchstmaß an Sicherheit beider Güterstandsbeteiligter vor eigenmächtigen Verwaltungs- und Verfügungshandlungen des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten, aber – als Kehrseite der Medaille – auch ein Minimum an Flexibilität und Unabhängigkeit. Trotz dieser Kehrseite bleibt festzuhalten, dass gerade der wirtschaftlich schwächere Güterstandsbeteiligte im Bereich außerordentlicher Verwaltung mehr Schutz genießt durch Veto- und Mitwirkungsrechte als in Güterständen der Gütertrennung wie dem deutschen gesetzlichen Güterstand, in dem sich dieser Schutz im Wesentlichen auf wenige gesetzliche Verfügungsbeschränkungen reduziert. Mit Blick auf die fehlende Praktikabilität im Alltagsleben, die ein Verwaltungsregime mit der Pflicht zum Zusammenwirken bei jeder Verwaltungshandlung voraussetzt, ist es allerdings nicht erst eine Erkenntnis jüngeren Datums, dass der Bereich der außerordentlichen Verwaltung auf das unerlässliche Minimum beschränkt bleiben muss. Vor allem traditionell ausgerichtete Güterrechtsordnungen suchen daher für den Bereich ordentlicher Verwaltung ein Höchstmaß an Autonomie herzustellen mit einem Regime der Alleinverwaltung des Gesamtguts durch nur einen Güterstandsbeteiligten,193 traditionellerweise durch den Ehemann. Diese auch im BGB von 1900 verankerte und bis heute geltende Option für die Gütergemeinschaft ist aber im Zeichen von Gleichberechtigung und der gegenwärtigen Individualisierungstendenzen so anachronistisch, dass selbst gelegentliche Verteidiger der BGB-Gütergemeinschaft von einer Option der Güterstandsbeteiligten für diese Form der Verwaltung abraten.194 Eine grundsätzliche Alternative ist die sogenannte konkurrierende Verwaltung, bei der jeder Güterstandsbeteiligte sowohl Maßnahmen der Verwaltung als auch Verfügungen über Gegenstände des Gesamtguts allein ausüben kann und der andere Güterstandsbeteiligte diese Maßnahmen auch im Nachhinein nicht durch einen Widerspruch oder die Verweigerung seiner Zustimmung in ihrer rechtlichen Wirksamkeit beeinträchtigen kann.195 Bei widersprüchlichen Verfügungen gilt die nachweislich frühere Entscheidung (Prioritätsprinzip) und zwar unbedingt sowohl im Verhältnis zu Dritten als auch im Verhältnis der
(»[…] ¦poux ne peuvent, l’un sans l’autre, […]«) ersetzt. Die vom französischen Gesetzgeber offen gelassene Frage, welche inhaltlichen Anforderungen an eine widerrufliche Vollmacht zum Handeln im Namen des nicht persönlichen Mitwirkenden zu stellen sind, zeigt allerdings, dass das Mitwirkungserfordernis nicht notwendigerweise eine größere Entscheidungsteilhabe begründet als das Zustimmungserfordernis. 193 §§ 1422 – 1449 BGB (Deutschland), Art. 93 f. ZGB (Lettland), Art. 189 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), Art. 52 Abs. 2, 53 EheFamG (Slowenien). 194 So zuletzt Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 63, 78, 81 f. (»Entrechtung des nicht verwaltenden Ehegatten bei der Alleinverwaltung). Vgl. auch schon oben Fn. 183. 195 So seit 1976 Art. 1416 Code Civil (Belgien).
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Güterstandsbeteiligten untereinander.196 Konkurrierende Verwaltung des Gesamtguts sah bereits das tschechoslowakische Bürgerliche Gesetzbuch vom 26. 2. 1964 vor,197 dessen Regelungen in den Nachfolgestaaten Tschechien198 und der Slowakei199 bis heute gelten. Die italienische Güterrechtsordnung gehörte 1975 zur ersten, die die jüngere Entwicklung zu einer Verbreitung von Systemen konkurrierender Verwaltung in Europa einleitete.200 Es folgten dann 1976 Belgien201, 1985 Frankreich202, 1986 San Marino203, 2001 der Wahlgüterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in der Türkei204, 2003 der gesetzliche Güterstand in Albanien205 und 2009 in Malta206. Im geltenden deutschen Güterrecht ist die konkurrierende Verwaltung hingegen unbekannt und lässt sich auch nicht ehevertraglich vereinbaren. Entgegen Möller stellt insoweit auch nicht der partielle Bereich der Geschäfte des täglichen Lebens gemäß § 1357 BGB eine Ausnahme dar.207 Konkurrierende Verwaltung im Sinne der oben genannten Güterrechtsordnungen ist nämlich nicht einfach 196 Vgl. dagegen Vorschriften wie früher § 15 Abs. 1 Satz 2 FGB v. 20. 12. 1965 (DDR), wonach jeder Ehegatte gegenüber Dritten allein Verfügungen über Gegenstände des Gesamtguts treffen konnte, solange dem Dritten nicht bei Vornahme des Rechtsgeschäfts ein entgegenstehender Wille des anderen Ehegatten bekannt war. Auch für den Fall der Wirksamkeit im Außenverhältnis konnte das eigenmächtige Handeln im Verhältnis zum anderen Ehegatten durchaus rechtliche Folgen haben. 197 § 145 Abs. 1 Satz 1 BGB (Tschechoslowakei). 198 § 145 Abs. 2 Satz 2 BGB (Tschechien). 199 § 145 Abs. 1 Satz 1 BGB (Slowakei). Allerdings bestimmen weder das tschechische noch das slowakische Gesetzbuch, was zu den von der konkurrierenden Verwaltung umfassten Geschäften der sogenannten allgemeinen Verwaltung gehört und was zustimmungsbedürftige außerordentliche Angelegenheiten sind. Eine umfassende Klärung dieser Frage durch die Rechtsprechung steht noch aus. Unstrittig gehören aber zur allgemeinen Verwaltung Verwaltungs- und Verfügungsgeschäfte, die den Kauf und Verkauf von Gebrauchsgütern und Haushaltsgegenständen zum Gegenstand haben, sofern es sich um Sachen mit angemessenem Wert handelt. Die Regelung übernimmt also zumindest teilweise die Funktion, die in anderen Güterrechtsordnungen durch die sogenannte Schlüsselgewalt abgedeckt wird, ist aber vom gesetzlichen Wortlaut keineswegs darauf beschränkt. Die Hinweise verdanke ich Herrn RA Dr. Petr Bohata (Institut für Ostrecht München e. V.). 200 Art. 180 Abs. 1 Codice civile (Italien). 201 Art. 1416 Code Civil (Belgien). Diese Vorschrift hat 1985 der französische Gesetzgeber zum Vorbild genommen für die in nachstehender Fußnote zitierte Vorschrift. 202 Art. 1421 Code Civil (Frankreich). Dagegen besteht nach dem Code Civil von Luxemburg keine konkurrierende Verwaltung, da sich die Autonomie hier auf das vom jeweiligen Güterstandsbeteiligten in das Gesamtgut eingebrachte Vermögen beschränkt. Vgl. Art. 1421 Abs. 1 und Art. 1421 – 1 Code Civil (Luxemburg), ähnlich die einschlägige Vorschrift zum gesetzlichen Güterstand der niederländischen Gütergemeinschaft [Art. 97 Abs. 1 BW (Niederlande)]. 203 Art. 93 Abs 2 Satz 1 Gesetz v. 26. 4. 1986 (San Marino). 204 Art. 262 Abs. 2 ZGB v. 22. 11. 2001 (Türkei). 205 Art. 90 Abs. 1 und 2 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien). 206 Art. 1322 Civil Code (Malta) in der novellierten Fassung des Gesetzes XII 2009.21. 207 Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 196 f.
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nur eine Erweiterung der Schlüsselgewalt auf Geschäfte, die über solche zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie hinausgehen. Während nämlich einerseits die Schlüsselgewalt häufig nur eine bloße Haftungserweiterung zugunsten der Gläubiger durch die gesamtschuldnerische Verpflichtung auch des anderen Güterstandsbeteiligten ist,208 verschafft das Recht zur Verwaltung des Gesamtguts auch eine Kompetenz zum Abschluss von Rechtsgeschäften, die beide Güterstandsbeteiligten sowohl schuldrechtlich als auch dinglich berechtigen. Und während andererseits die aus der konkurrierenden Verwaltung resultierende Kompetenz darauf beschränkt ist, beide Güterstandsbeteiligten nur in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, also lediglich mit Wirkung für das Gesamtgut gemeinsam zu verpflichten,209 haben die Regelungen zur Schlüsselgewalt regelmäßig eine gesamtschuldnerische Verpflichtung beider Güterstandsbeteiligter auch mit ihren beiden Eigengütern zu Folge. Daher regeln die meisten Güterrechtsordnungen, die für den Bereich der ordentlichen Verwaltung des Gesamtguts konkurrierende Verwaltung vorsehen, gesondert und davon unabhängig die Schlüsselgewalt.210 In Deutschland wurde die Einführung der konkurrierenden Verwaltung in den 1950er-Jahren erwogen, aber mit Verweis auf eine Gefährdung des Gesamtguts verworfen.211 Was aber weder der BGB-Gesetzgeber von 1896 noch – über ein halbes Jahrhundert später – der Gesetzgeber des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957 bei der güterrechtlichen Gesamthand für praktikabel hielten, hat 1897 der Gesetzgeber des bis heute geltenden Handelsgesetzbuchs (HGB)212 und ihm noch vorangehend der Gesetzgeber des Allgemeinen Deut-
208 Vgl. nur Art. 6 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft, ebenso etwa Art. 60 Abs.1 Satz 2 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 222 Code Civil (Belgien), Art. 220 Abs. 1 Code Civil (Frankreich), Art. 30 § 1 FamVormundG (Polen), Art. 56 Abs. 2 EheFamG (Slowenien), Art. 65 Abs. 4 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine). Anders dagegen § 11 Abs. 1 EhewirkG (Dänemark), Art. 87 Abs. 1 ZGB (Lettland) und § 41 Abs. 1 EheG v. 4. 7. 1991 (Norwegen), § 96 ABGB (Österreich) und § 20 Abs. 1 BGB (Slowakei), wo die Regelungen zur Schlüsselgewalt nicht nur die Haftung auf den anderen Güterstandsbeteiligten erweitern, sondern auch dessen Erwerb von Rechten vermitteln. In Deutschland geht § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB zwar über den Charakter einer bloßen Gläubigerschutzvorschrift hinaus, da aus dem Geschäft auch eine Berechtigung des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten folgt. Ob diese Berechtigung aber nicht nur eine schuldrechtliche, sondern auch eine dingliche Mitberechtigung vermittelt, bleibt umstritten. 209 Ferid, a. a. O. (Fn. 172), S. 182. 210 Vgl. nur Art. 60 Abs. 1 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 222 Code Civil (Belgien), Art. 220 Code Civil (Frankreich). 211 Walther-Reining, a. a. O. (Fn. 33), S. 116. 212 Vgl. §§ 115, 125 Abs. 1 HGB zur gesetzlich bestimmten Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung jedes Gesellschafters einer Offenen Handelsgesellschaft und jedes Komplementärs einer Kommanditgesellschaft (§§ 161 Abs. 2, 164, 170 HGB).
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schen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) von 1861213 bezeichnenderweise bei der damals praktisch ausschließlich von Männern getragenen gesellschaftsrechtlichen Gesamthand durchaus für möglich gehalten.214 Beide handelsrechtlichen Gesetze erklären nämlich für personenrechtliche Handelsgesellschaften die Einzelgeschäftsführung und Einzelvertretung jedes Gesellschafters zum gesetzlichen Regelfall. Damit kommen beide Gesetze der konkurrierenden Verwaltungs- und Verfügungsfreiheit im Güterrecht sehr nahe. Ein Unterschied besteht lediglich insoweit, als nach den gesetzlichen Regelungen zum Personengesellschaftsrecht nach einem Widerspruch eines Gesellschafters im Innenverhältnis die Vornahme eines Rechtsgeschäfts unterbleiben muss, im Fall der Zuwiderhandlung aber gleichwohl im Außenverhältnis wirksam bleibt, da die Einzelvertretungsmacht des handelnden Gesellschafters nur durch den Gesellschaftsvertrag beschränkt werden kann. Eine dieser gesellschaftsrechtlichen Einzelgeschäftsführungsbefugnis vergleichbare Regelung gibt es auch im Güterrecht, etwa im polnischen gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft.215 Da hier der Widerspruch des jeweils anderen Ehegatten nur dann Dritten gegenüber wirksam ist, wenn dieser vor Abschluss des Rechtsgeschäfts die Möglichkeit hatte, vom Widerspruch Kenntnis zu erlangen,216 kommt auch die polnische Regelung der konkurrierenden Verwaltung im Ergebnis nahe.217 Die vorbezeichneten Regelungen – vor allem aber die in den letzten Jahrzehnten europaweit zunehmende Verbreitung konkurrierender Verwaltung in reiner Form – zeigen in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Individualisierungstendenzen der jüngeren Zeit, dass eine Regelung zur Verwaltung des Gesamtguts nur dann Chancen auf Akzeptanz hat, wenn die Beschränkung der Autonomie beider Güterstandsbeteiligter gerade im Bereich der ordentlichen Verwaltung des Gesamtguts möglichst gering ist. Dies gilt umso mehr, als sich die frühere Befürchtung eines Verwaltungschaos im Falle konkurrierender Gesamtgutsverwaltung in der schon etwas längeren Praxis des italienischen, bel-
213 Vgl. §§ 102, 114 ADHGB. 214 Kurz gehen die Verfasser des Zweiten Entwurfs zum Gleichberechtigungsgesetz sogar auf diese bezeichnende Diskrepanz ein und rechtfertigen sie ausdrücklich mit der Unvergleichbarkeit der im Güterrecht und im Gesellschaftsrecht an der Verwaltung des Gesamtguts beteiligten Personen: »Die selbständige Verwaltung eines Gesamtguts durch jeden Teilhaber paßt für Handelsgesellschaften, bei denen die Gesellschafter Kaufleute sind […]« (BT-Drs. II/224, 36). 215 Art. 36/1 § 1 FamVormundG (Polen). 216 Art. 36/1 § 2 FamVormundG (Polen). 217 Auch die serbischen und russischen Regelungen der Errungenschaftsgemeinschaft kommen durch die gesetzliche Vermutung der Zustimmung des anderen Ehegatten im Bereich der ordentlichen Verwaltung konkurrierender Verwaltung nahe [Art. 174 Abs. 2 FamG v. 24. 2. 2005 (Serbien), Art. 35 Ziff. 1 FamGB v. 29. 12. 1995 (Russische Föderation)].
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gischen und französischen Güterrechts auch nach Ansicht der Praktiker nicht bestätigt hat.218 Natürlich kann man sich fragen, ob das Gesamthandsprinzip durch die konkurrierende Verwaltung unterminiert wird bzw. – schärfer ausgedrückt –, ob gesamthänderische Verbundenheit und konkurrierende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht unvereinbar sind. Die offensichtlich – etwa in Frankreich – auch von der Wissenschaft nicht in Zweifel gezogene Vereinbarkeit hat für das deutsche Güterrecht noch keine unbedingt präjudizierende Wirkung für die Annahme der Vereinbarkeit, weil in Frankreich, noch mehr als in Deutschland, das Prinzip der Gesamthand umstritten ist bzw. schlicht abgelehnt wird.219 Aber ungeachtet der auch in Deutschland seit dem 19. Jahrhundert virulenten Frage nach dem rechtsgebietsübergreifend zu bestimmenden Wesen der Gesamthand220 bleibt doch die Tatsache, dass einerseits in ausländischen Güterrechtsregelungen zwischen konkurrierender Verwaltung und einer über Bruchteilseigentum bzw. einfache Gemeinschaft hinausgehenden Bindung des Gesamtguts kein Widerspruch gesehen wird und dass andererseits wiederum im deutschen Handelsgesellschaftsrecht eine wenigstens der konkurrierenden Verwaltung annähernde Regelung seit fast 150 Jahren mit gesamthänderischer Verbundenheit für vereinbar gehalten wird. Im Übrigen lässt sich auch in der BGB-Gesellschaft Einzelgeschäftsführung durch Gesellschaftsvertrag vereinbaren und zusätzlich das Widerspruchsrecht gemäß § 711 BGB abbedingen, ohne dass hierin ein Widerspruch zum Gesamthandsprinzip gesehen würde. Auch die Tatsache, dass der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft bisher nur in Rechtsordnungen geltendes Recht wurde, in denen das Abstraktionsprinzip unbekannt ist, bedeutet nicht, dass daran die Einführung eines derartigen Güterstandsmodells in Deutschland scheitern müsste.221 Mit dem Abstraktionsprinzip ist weder das Gesamthandsprinzip unverträglich noch das Prinzip konkurrierender Verwaltung des gesamthänderisch gebundenen Ver218 So Ferid, a. a. O. (Fn. 172), S. 185, mit Bezug auf die belgischen Erfahrungen nach der Reform von 1976, auf die der französische Gesetzgeber 1985 unmittelbar Bezug nahm. Die positiven belgischen Erfahrungen haben sich inzwischen auch in der bald dreißig Jahre währenden französischen Rechtspraxis bestätigt. 219 Sper, a. a. O. (Fn. 113), S. 53 m. w. N. 220 Vgl. nur statt aller Weber-Grellet, Die Gesamthand – ein Mysterienspiel, in: AcP 182 (1982), S. 316 ff. mit einem Überblick zu den in der deutschen Rechtslehre vertretenen Gesamthandstheorien und S. 327 f. zur Funktion der Gesamthand im Gesellschafts- und Güterrecht. 221 Insoweit sieht Rauscher, a. a. O. (Fn. 31), S. 340, Rn. 444a einen Zusammenhang zwischen der Tatsache, dass sich die Errungenschaftsgemeinschaft »in Europa vor allem auf den romanischen Rechtskreis« und die postsozialistischen Länder konzentriere, sowie der Tatsache, dass »der romanische Rechtskreis das Abstraktionsprinzip nicht kennt. Wo ›Können‹ und ›Dürfen‹ keine strikt getrennten Kategorien sind, verliert die Gesamthand manche Schrecken […].«
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mögens, wie sich nicht zuletzt im geltenden Gesellschaftsrecht zeigt. Richtig ist allerdings, dass mit Blick auf die in Deutschland geltende strikte Trennung von schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäften und dinglichen Verfügungsgeschäften besondere Überlegungen im Rahmen der Haftungsteilhabe insbesondere für den Fall angestellt werden müssen, dass beider Güterstandsbeteiligten sich gegenüber unterschiedlichen Vertragspartnern zur Verfügung über denselben Gegenstand aus dem Gesamtgut verpflichten (dazu nach These 12). Ein ganz anderer Einwand gegen konkurrierende Verwaltung im Güterrecht wird von familienrechtlicher Seite geltend gemacht. So weist Rauscher darauf hin, dass »eine flexibel ausgestaltete Errungenschaftsgemeinschaft die Dominanz des geschäftlich stärkeren Ehegatten« begünstige: »Je mehr die Verwaltung zur (verkehrsgerechten) Alleinverwaltung eines Gesamtgutes tendiert, um so mehr wird der erfahrene Ehegatte de facto auch das Vermögen des weniger erfahrenen mit verwalten.«222 In der Tat bedeutet mehr Autonomie des einen Güterstandsbeteiligten in einer dem Gleichberechtigungssatz verpflichteten gesetzlichen Regelung immer auch mehr Autonomie des anderen. Gerade bei der »unter Autonomiegesichtspunkten« geführten Diskussion um das »dingliche Gefälle« beider Güterstandsbeteiligter im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich könnte leicht übersehen werden, dass eine gleichstellungspolitisch gewünschte »Erweiterung wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit und der Schutz des ökonomisch schwächeren Ehegatten – zumeist der Ehefrau – vor zugewinnmanipulierenden und zugewinnschädigenden Verfügungen des anderen Teiles« keineswegs spannungsfrei miteinander zu vereinbarende Ziele sind, die allein schon durch eine »Stärkung der dinglichen Mitberechtigung«223 zu erreichen wären. Auch in der Errungenschaftsgemeinschaft ist dingliche Mitberechtigung am Gesamtgut im Sinne von Autonomie beider Güterstandsbeteiligter nur dann sinnvoll, wenn sie mit einer entsprechend autonomen Verfügungsberechtigung verbunden ist. Rechtlicher Schutz vor der Freiheit des jeweils anderen ist aber so naturgemäß nicht zu erreichen. Insofern ist hier eine Entscheidung zu treffen zwischen mehr Schutz oder mehr Freiheit. Da mehr Schutz auch für den jeweiligen Nutznießer des Schutzes weniger Freiheit bedeutet, sollte mit Blick auf die unter Autonomiegesichtspunkten geführte Diskussion um eine Reform des gegenwärtigen Güterrechts die Freiheit den Vorrang haben. Dies gilt umso mehr, als der im wechselseitigen Alleinentscheidungsrecht, also in der weitgehendsten Form der Entscheidungsteilhabe zum Ausdruck kommende Vorrang der Freiheit auf den Bereich der weniger risiko222 Rauscher, a. a. O. (Fn. 31), S. 340, Rn. 444a. 223 So Röthel, a. a. O. (Fn. 41), S. 274, 276, die am gesetzlichen Güterstand kritisiert, dass er nicht auf den »Typus der Allein- oder Hauptverdienerehe mit typischen Autonomie- und Schutzbedürfnissen des nicht oder weniger verdienenden Ehegatten, zumeist der Ehefrau«, abziele.
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reichen ordentlichen Verwaltung des Gesamtguts beschränkt ist. Soweit dann der wirtschaftlich schwächere und in der Regel auch wirtschaftlich weniger erfahrene Güterstandsbeteiligte keinen oder nur einen geringen Vermögensbeitrag zum Gesamtgut geliefert hat, steht seiner größeren Autonomie durch selbstständige Entscheidungs- und Vermögensteilhabe an den Beiträgen des anderen Güterstandsbeteiligten eine erheblich geringere Einbuße an Schutz gegenüber. Das ändert sich in dem Maße, in dem sich der jeweilige Umfang der Vermögensbeiträge beider Güterstandsbeteiligter – etwa in der Doppelverdienerehe – annähert. Sind die Beiträge nahezu ausgeglichen, stellt sich aber ohnehin die Frage, ob den Autonomie- und Schutzbedürfnissen beider Güterstandsbeteiligter im Hinblick auf das jeweils selbst erwirtschaftete Vermögen ein Güterstand der Gütertrennung mit oder ohne Zugewinnausgleich nicht besser gerecht wird. Für die Errungenschaftsgemeinschaft gilt im Übrigen, dass solange ein wechselseitiges Einverständnis über partielle wechselseitige Autonomie im Bereich der ordentlichen Verwaltung besteht, das wechselseitige Vertrauen und nicht eine rechtliche Regelung den besten Schutz bietet. Danach müsste allerdings jeder Güterstandsbeteiligte für den Fall des plötzlichen Vertrauensverlustes die Möglichkeit haben, die konkurrierende Verwaltung des Gesamtguts durch einstweiligen Gerichtsbeschluss zu beenden. Solange die Vertrauensbeziehung besteht, kommt aber der konkurrierenden Verwaltung gerade in den Fällen, in denen ein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Güterstandsbeteiligten besteht, eine besondere Bedeutung zu. Dies betrifft die klassischen Fälle der Alleinverdiener-/Hausfrauenehe, aber auch die vielen Fälle von Zuverdienerehen, in denen ein Güterstandsbeteiligter, in der Regel die Ehefrau, in Doppel- und Dreifachbelastung Haushalt und Kindererziehung weitgehend in Eigenregie führt sowie zusätzlich entweder in ihrem Beruf Teilzeitarbeit leistet oder aber stunden- bzw. tageweise einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. Dabei ist eine in intakten Ehen bestehende Vertrauensbeziehung, die dem wirtschaftlich schwächeren Güterstandsbeteiligten faktisch häufig ohne dingliche Mitberechtigung und rechtliche Entscheidungsteilhabe autonomen Zugriff auf Vermögensbeiträge des anderen verschaffen mag, keineswegs ein Argument gegen Gesamtgutsbildung und konkurrierende Verwaltung als güterrechtliche Option für die vorbezeichneten Ehetypen. Nicht erst die rechtliche Zugriffsmöglichkeit selbst, sondern bereits das Wissen des Rechtsverkehrs um die auch dem wirtschaftlich schwächeren Güterstandsbeteiligten zustehende rechtliche Möglichkeit eines autonomen Zugriffs auf das Gesamtgut, der nicht durch Widerspruch des anderen Güterstandsbeteiligten nachträglich wieder infrage gestellt werden kann, würde einen wichtigen Schritt von formaler Gleichberechtigung zu tatsächlicher Gleichstellung darstellen. Deren Förderung ist dem Staat für das 21. Jahrhundert im
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Hinblick auf die im Verhältnis von Mann und Frau noch bestehenden faktischen Nachteile von Verfassung wegen in besonderer Weise aufgegeben.224
These 10 Ein künftiger Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft muss insbesondere für die in der Krise befindliche Ehe bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft ein differenziertes Regelungssystem von Schutz- und Sanktionsmechanismen vorsehen. Eine Überschreitung der Grenzen der Verwaltungs- und Verfügungsfreiheit sollte im Außenverhältnis nicht durch schwebende Wirksamkeit, sondern grundsätzlich durch schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts sanktioniert werden. Im Innenverhältnis sollte eine vorzeitige Aufhebung der Errungenschaftsgemeinschaft die Ultima Ratio sein. Unabhängig vom Typus der Verwaltung sind in der Errungenschaftsgemeinschaft Regelungen für Krisensituationen nötig, in denen die Kooperation beider Güterstandsbeteiligter auch im Hinblick auf ihre vermögensrechtlichen Beziehungen gestört ist. Die Störung kann darin begründet sein, dass entweder einer der beiden Güterstandsbeteiligten seine Rechte auf Entscheidungsteilhabe nicht wahrnimmt und die gemeinsame Verwaltung des Gesamtguts blockiert225 oder dass er umgekehrt die Rechte des anderen Güterstandsbeteiligten auf Entscheidungsteilhabe oder aber die gemeinschaftlichen Vermögensinteressen im Hinblick auf das Gesamtgut verletzt. Für den erstgenannten Fall bedarf es für den Bereich konkurrierender Verwaltung des Gesamtguts keiner besonderen Regelungen, weil beide Güterstandsbeteiligten unabhängig voneinander handeln können. Soweit hingegen im Bereich der außerordentlichen Verwaltung die Kooperation des anderen Güterstandsbeteiligten für eine ordnungsgemäße Verwaltung erforderlich ist, sehen güterrechtliche Bestimmungen die Möglichkeit einer Ersetzung der gesetzlich erforderlichen Zustimmung des anderen Güterstandsbeteiligten durch das Familiengericht vor.226 Beschränkte Notverwaltungsrechte des handlungs224 Im Jahre 1994 wurde das Ziel, den Schritt von der formalrechtlichen zur tatsächlichen Gleichberechtigung zu vollziehen, durch Zusatz in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ausdrücklich formuliertes Verfassungsgebot auch für den Gesetzgeber des Güterrechts: »Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.« 225 Vgl. etwa Art. 181 Codice civile (Italien), Art. 3.93 f. ZGB (Litauen), Art. 39 FamVormundG (Polen), Art. 1376, 1377 Abs. 2 Cûdigo civil (Spanien). 226 Vgl. § 1452 BGB (Deutschland), Art. 58 Abs. 1, Art. 59, 61, 92 f. FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1420 Code Civil (Belgien), Art. 181 f. Codice civile (Italien), Art. 1426 Code Civil (Frankreich), Art. 1426 Code Civil (Luxemburg), Art. 1323 Civil Code (Malta), Art. 39
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fähigen Güterstandsbeteiligten ohne die Notwendigkeit der Einschaltung des Gerichts kennen hingegen nur wenige Güterrechtsordnungen.227 Der Fall der Verletzung der Entscheidungsteilhabe des anderen Güterstandsbeteiligten stellt sich grundsätzlich unterschiedlich für den Bereich außerordentlicher Verwaltung sowie bei Verfügungen über das Familienheim und Haushaltsgegenstände auf der einen Seite und für den Bereich ordentlicher Verwaltung auf der anderen Seite dar, sofern für die ordentliche Verwaltung das Prinzip konkurrierender Verwaltung gilt. Der Schutzzweck der Regelungen im erstgenannten Bereich, die auf eine Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der Lebensgemeinschaft sowie eine Sicherung der möglichst ungeschmälerten Vermögensteilhabe am Gesamtgut zielen, fordert die Unwirksamkeit derjenigen Rechtshandlungen, die ohne die gesetzlich erforderliche Zustimmung des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten vorgenommen wurden. In ausländischen Güterrechtsordnungen wird eine derartige Verletzung der Entscheidungsteilhabe bei entgeltlichen Rechtsgeschäften fast ausschließlich durch die Rechtsfolge schwebender Wirksamkeit und befristeter Anfechtungsmöglichkeit durch den übergangenen Güterstandsbeteiligten228, nur in wenigen Rechtsordnungen durch die Rechtsfolge schwebender Unwirksamkeit mit befristeter229 oder unbefristeter230 Möglichkeit der Genehmigung sanktioniert. Einseitige231 und unentgeltliche232 einwilligungsbedürftige Rechtsgeschäfte, die ohne Einwilligung vorgenommen wurden, sind nach einigen Güterrechtsordnungen unheilbar nichtig. Die Rechtsfolge schwebender Wirksamkeit begünstigt den Rechtsverkehr, aber auch den eigenmächtig handelnden Güterstandsbeteiligten, der spätestens nach Ablauf der durchweg bestehenden Ausschlussfristen für die Anfechtbarkeit233 keine Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts mehr befürchten muss. Gleichzeitig schwächt eine solche Regelung den Schutzgedanken, der sich mit
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FamVormundG (Polen), Art. 94 f. Gesetz v. 26. 4. 1986 (San Marino), Art. 1376, 1377 Abs. 2, 1388 Cûdigo civil (Spanien). Vgl. §§ 1454, 1455 Ziff. 10 BGB (Deutschland), Art. 1386 Cûdigo civil (Spanien). Art. 94 FamGB v. 8. 5. 2003 (Albanien), Art. 1422 Abs. 1 Ziff. 1 Code Civil (Belgien), Art. 24 Abs. 4 FamG (Bulgarien), Art. 1427 Code Civil (Frankreich), Art. 184 Codice civile (Italien), Art. 3.92 Abs. 6, Art. 3.96 ZGB (Litauen), Art. 1427 Code Civil (Luxemburg), Art. 1326 Civil Code (Malta), Art. 1300 f. Cûdigo civil (Spanien), Art. 35 Ziff. 2 Satz 2 und Ziff. 3 FamGB v. 29. 12. 1995 (Russische Föderation). Art. 37 §§ 2 und 3 FamVormundG (Polen), Art. 97 Gesetz v. 26. 4. 1986 (San Marino). So wohl nur in der deutschen BGB-Gütergemeinschaft §§ 1452 f. i. V. m. §§ 1366 f. BGB. § 1453 Abs. 1 i. V. m. § 1367 BGB (Deutschland), Art. 37 § 4 FamVormundG (Polen). Art. 37 § 4 FamVormundG (Polen), Art. 1322 Cûdigo civil (Spanien). Nach den Regelungen in § 145 Abs. 1 Satz 2 BGB (Slowakei) und § 145 Abs. 2 Satz 1 BGB (Tschechien) gibt es sogar bei allen jenseits des Bereichs konkurrierender Verwaltung ohne Zustimmung des anderen Güterstandsbeteiligten vorgenommenen Rechtsgeschäften keine Heilungsmöglichkeit. Vgl. nur Art. 1427 Abs. 2 Code Civil (Frankreich).
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dem Erfordernis einer ausnahmsweise gemeinsam erfolgenden Verwaltung verbindet. Umgekehrt stärkt die Rechtsfolge schwebender Unwirksamkeit die im Falle jeder Vermögensgemeinschaftung unerlässlichen Auskunftsrechte. Das Erfordernis wechselseitiger Auskunftserteilung unterscheidet gerade im Falle der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft in der Krise den Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft vom Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich.234 Die Rechtsfolge schwebender Unwirksamkeit bildet für den eigenmächtig handelnden Güterstandsbeteiligten, der sein Interesse auf eine Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nur durch die Genehmigung des anderen Güterstandsbeteiligten verwirklichen kann, eine eigene Motivation zur Auskunftserteilung. Im Bereich der ordentlichen Verwaltung stellen sich bei konkurrierender Zuständigkeit beider Güterstandsbeteiligter die vorstehenden Fragen nicht. Allerdings bedeutet auch konkurrierende Verwaltung im Innenverhältnis beider Güterstandsbeteiligter keineswegs, dass jeder tun und lassen könnte, was er wollte, schade es dem anderen oder dem Bestand des Gesamtguts. Begleitet werden auch die Güterrechtsordnungen mit konkurrierender Verwaltung des Gesamtguts regelmäßig durch Bestimmungen, die eine Vermögensverwaltung im Interesse der Familie fordern,235 nämlich die Möglichkeit, eine richterliche Verfügung zu beantragen, um nachteilige Rechtsgeschäfte im Bereich der konkurrierenden Verwaltung verhindern zu können236, und vor allem die Möglichkeit, im Falle der Vermögensgefährdung oder sogenannter Unfähigkeit eines Güterbestandsbeteiligten zur Vermögensverwaltung diesem die Verwaltung des Gesamtguts entziehen zu lassen237, sowie eine Schadensersatzpflicht für schuldhafte Fehler bei der Verwaltung des Gesamtguts238 und die Beschränkung der Wirksamkeit der im Rahmen konkurrierender Verwaltung vorgenommenen Rechtshandlungen auf solche, die »sans fraude«, also nicht in kollusivem Zu234 Vgl. Nake, a. a. O. (Fn. 41), S. 173 mit Verweis auf den Auskunftsanspruch gemäß § 1379 BGB, der im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich konsequenterweise erst nach Beendigung des Güterstandes oder im Moment des Scheidungsantrags entsteht, während im Übrigen nur ein allgemeiner Unterrichtungsanspruch besteht. 235 So ausdrücklich Art. 1415 Abs. 2 Code Civil (Belgien). 236 Art. 1421 Abs. 1 Code Civil (Belgien). 237 Art. 1426 § 1 Cc (Belgien), Art. 1429 Code Civil (Frankreich), Art. 3.97 Abs. 2 ZGB (Litauen), Art. 1429 Code Civil (Luxemburg). Nach den vorstehenden Vorschriften kann ein Güterstandsbeteiligter sogar beantragen, dem jeweils anderen Güterstandsbeteiligten seine Rechte zur Verwaltung seines Eigenguts gerichtlich entziehen zu lassen, wenn dieser sein Eigengut schlecht verwaltet. Dies lässt nicht mehr durch das Prinzip partieller Teilhabe legitimieren. Dagegen sind die entsprechenden Vorschriften in Art. 1325 Civil Code (Malta) und Art. 40 FamVormundG (Polen) auf die schlechte Verwaltung des Gesamtguts beschränkt. In Italien kann in derartigen Fällen nur Gütertrennung beantragt werden [Art. 193 Codice civile (Italien)]. 238 Art. 1421 Abs. 1 Satz 1 (2. Halbs.) Code Civil (Frankreich).
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sammenwirken mit einem Dritten zum Zwecke der Schädigung des anderen Güterstandsbeteiligten vorgenommen wurden.239 Regelmäßig besteht wie in anderen Güterständen auch bei der Errungenschaftsgemeinschaft die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Güterstandes durch ein rechtskräftiges Aufhebungsurteil. Allerdings kann die vorzeitige Beendigung je nach Konstellation auch ein zweiseitiges Schwert sein, denn mit Rechtskraft des Urteils tritt an die Stelle partieller Teilhabe Gütertrennung.240 Wurde die Aufhebung der Errungenschaftsgemeinschaft durch den wirtschaftlich schwächeren Güterstandsbeteiligten beantragt, weil der wirtschaftlich stärkere Güterstandsbeteiligte die Vermögensteilhabe des anderen faktisch behindert hat, so bedeutete die vorzeitige Beendigung des Güterstandes nur eine rechtliche Sanktionierung der Vereitelung des gleichen Rechts beider Güterstandsbeteiligter darauf, die Gegenstände des Gesamtguts in gegenseitiger Absprache gemeinsam zu besitzen, zu nutzen und darüber zu verfügen.241 Für diese Fälle muss jeweils der in seinen Rechten verletzte Güterstandsbeteiligte die Möglichkeit haben, unterhalb der Schwelle eines Antrags auf vorzeitige Aufhebung des Güterstandes gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.242 Zwar muss jedem Güterstandsbeteiligten schon aus Verkehrsschutzgründen das ungeschmälerte Recht zustehen, über sein eigenes Konto verfügen zu können, selbst wenn – etwa im Falle des Gehaltskontos – die Einlagen zum Gesamtgut gehören.243 Missbraucht einer der beiden Güterstandsbeteiligten beharrlich seine nicht aus dem Güterrecht herrührende Berechtigung gegenüber der Bank, um die güterrechtliche Vermögensteilhabe des anderen Güterstandsbeteiligten faktisch zu hintertreiben, muss dieser vom Gesetzgeber in die Lage versetzt werden, sich auch den tatsächlichen Zugang zum Gesamtgut rechtlich zu erzwingen. Nur so kann aus der formalrechtlichen eine reale Teilhabe werden.
239 Art. 1421 Abs. 1 Satz 2 Code Civil (Frankreich). Zwar ist nach dem Wortlaut der vorstehenden Vorschrift nicht von einem kollusiven Zusammenwirken mit dem Dritten die Rede. Die entsprechende Ergänzung des Wortlauts der Vorschrift ist aber erforderlich, weil andernfalls die mit Einführung der konkurrierenden Verwaltung »proklamierte vollständige Selbständigkeit der Eheleute zunichte gemacht« würde [Ferid, a. a. O. (Fn. 172), S. 186]. So sehen es ungeachtet von Kontroversen zumindest im Ergebnis auch die französische Rechtswissenschaft und Rechtspraxis [Peterka, a. a. O. (Fn. 133), S. 172]. 240 Art. 1446 – 1449 Code Civil (Frankreich). 241 Vgl. zu diesem Recht nur § 17 Abs. 1 FamG v. 12. 10. 1994 (Estland), Art. 63 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine). 242 So sieht es zum Beispiel § 17 Abs. 2 FamG v. 12. 10. 1994 (Estland) vor. 243 Insoweit bestimmt Art. 61 Abs. 2 FamGB v. 10. 1. 2002 (Ukraine) sogar ausdrücklich, dass Lohn und sonstiges Einkommen, das einer der Ehegatten auf ein nur auf seinen Namen laufendes Konto eingezahlt hat, gleichwohl Gesamtgut bleibt.
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These 11 Entsprechend den Vorbildern in fast allen anderen Güterrechtsordnungen in Europa sollten das Familienheim (Familienwohnung, Familienhaus) und die Haushaltsgegenstände sowohl im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich als auch im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft Verpflichtungs- und Verfügungsbeschränkungen unterliegen. Zumindest für die beiden auf Durchschnittsehen zugeschnittenen Güterstände der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich und der Errungenschaftsgemeinschaft sollten den europäischen Vorbildern entsprechend244 Verfügungsbeschränkungen effektiv verhindern, dass einer der beiden Güterstandsbeteiligten über die räumlich-gegenständlichen Grundlagen der ehe- bzw. partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft allein verfügen kann. Eine entsprechende Vorschrift wird bereits mit § 5 des deutsch-französischen Güterstandes der Wahl-Zugewinngemeinschaft erstmals auch in Deutschland adaptiert. Diese Verfügungsbeschränkung zielt genauer auf die zu schützenden Interessen des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten als die nach allgemeiner Auffassung verunglückte Schutzvorschrift im gesetzlichen Güterstand, die für wirksame Verfügungen oder Verpflichtungen zu Verfügungen über das »Vermögen im Ganzen« gemäß § 1365 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung des anderen Güterstandsbeteiligten fordert. Zu recht wird an der geltenden Vorschrift die mangelnde Konsequenz bei der Sicherung des zugewinnausgleichsfähigen Vermögens kritisiert, da § 1365 BGB einerseits »seine Schutzfunktion nicht« oder eher nur »zufällig in dem einen oder anderen Einzelfall« erfülle, und sich »die Vorschrift andererseits als oft sinnlose Sperre für Maßnahmen ordnungsgemäßer Vermögensverwaltung« erweise, »weil oft unklar ist, ob die Voraussetzungen des Zustimmungsvorbehalts gegeben sind oder nicht (was ist ›fast das ganze Vermögen?‹).«245 Anders als bisher sollte es im Güterstand der Gütertrennung mit Zugewinnausgleich künftig irrelevant sein, welchen Wert die Familienwohnung im Verhältnis zum sonstigen Vermögen ausmacht und ob ein Dritter zumindest die Verhältnisse kannte, aus denen sich dieses Wertverhältnis ergibt. Wünschenswert wäre im Übrigen, dass nicht nur Verfügungen im technischen Sinne deutscher Rechtsterminologie sowie die Verpflichtungen zu solchen Verfügungen dem Zustimmungserfordernis unterfallen, sondern ebenso wie beispiels244 In den europäischen Nachbarrechtsordnungen gelten die Bestimmungen zum Schutz des Familienheims in der Regel sogar güterstandsunabhängig und ohne Möglichkeit einer ehevertraglichen Abdingbarkeit. Vgl. den Überblick bei Henrich (Hg.), Der Schutz der Familienwohnung in europäischen Rechtsordnungen, 1995. 245 Schwab, a. a. O. (Fn. 30), S. 1083; Brudermüller, in: Schwabe/Dose a. a. O. (Fn. 64), S. 126 f., 129.
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weise in Frankreich oder Portugal auch die Mietkündigung oder Untervermietung der Familienwohnung.246 Außerdem gibt es keinen Grund, wie bisher im deutschen gesetzlichen Güterstand, das Zustimmungserfordernis als dispositive Regelung der ehevertraglichen Abdingbarkeit zu unterstellen. Das Erfordernis der Hinzuziehung eines Notars beim Abschluss des Ehevertrags bietet nur einen unvollkommenen Schutz, da der einmal erklärte ehevertragliche Verzicht auf eigene Mitsprache bei Verfügungen über das Familienheim unter Umständen Jahrzehnte vor dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem die Frage akut wird. Umgekehrt sollte insoweit in Anlehnung an die bisher geltende Regelung in §1365 Abs. 2 BGB die Möglichkeit der Einschaltung des Familiengerichts sicherstellen, dass beispielsweise kein Güterstandsbeteiligter sein Zustimmungsrecht zum Schaden für die Lebensund Wirtschaftsgemeinschaft missbraucht und dadurch Gefahren für das alleinige bzw. gemeinsame Vermögen heraufbeschwört. Auch in einer Errungenschaftsgemeinschaft muss der Schutz unabhängig davon gelten, ob das Familienheim oder die Haushaltsgegenstände zu einem Eigen- oder zum Gesamtgut gehören.
These 12 Die wechselseitige Teilhabe an der gemeinsamen Haftung gegenüber Dritten und die Lastentragung im Verhältnis beider Güterstandsbeteiliger sollten sich nach drei unterschiedlichen Haftungsregimen unterscheiden: – Wenn aufgrund rechtsgeschäftlichen Handelns oder gesetzlicher Vorschriften b eid e Güterstandsbeteiligten verpflichtet sind, sollten gegenüber Dritten das Gesamtgut und beide Eigengüter haften und im Innenverhältnis beider Güterstandsbeteiligter die Lasten der Gesamtgutsverbindlichkeiten hälftig geteilt werden. – Wenn ein Güterstandsbeteiligter im Rahmen konkurrierender Verwaltung handelt, sollten gegenüber Dritten nur das Gesamtgut und das Eigengut des handelnden Güterstandsbeteiligten haften, im Innenverhältnis beider Güterstandsbeteiligter sollten die Lasten der Gesamtgutsverbindlichkeiten jeweils hälftig geteilt werden. – Wenn die Verbindlichkeit nur in der Person eines Güterstandsbeteiligten begründet ist (z. B. voreheliche Verbindlichkeiten, Delikt, Unterhalt), sollte gegenüber Dritten gleichwohl das Gesamtgut neben dem Eigengut des ver246 Vgl. zu Frankreich Ferid, a. a. O. (Fn. 172), S. 137. In der portugiesischen Errungenschaftsgemeinschaft sind diese Fälle ausdrücklich geregelt in Art. 1682-B Cûdigo civil (Portugal).
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pflichteten Güterstandsbeteiligten haften, im Innenverhältnis aber sollten alle Lasten der Gesamtgutsverbindlichkeit allein diesem Güterstandsbeteiligten auferlegt werden. Haftungsteilhabe ist die Kehrseite der Vermögens- und Entscheidungsteilhabe. Der Teilhabe am Gesamtgut und an Entscheidungen über die Verwendung der Gegenstände des Gesamtguts steht die gemeinsame Haftung mit dem Gesamtgut gegenüber. Das Gesamtgut bezeichnet Gegenstand und Umfang der gemeinsamen Haftungsmasse. Da in der Errungenschaftsgemeinschaft eine nur partielle Vergemeinschaftung der Vermögensaktiva beider Güterstandsbeteiligter stattfindet, nämlich eine Vergemeinschaftung unter Ausschluss der vor Begründung des Güterstands erworbenen Vermögenswerte, darf ihr auch nur eine partielle Vergemeinschaftung der Vermögenspassiva gegenüberstehen,247 also eine Vergemeinschaftung unter Ausschluss des vor Begründung des Güterstandes erworbenen Vermögens als Haftungsmasse.248 Die Frage, ob und wann Gläubiger auf die gemeinsame Haftungsmasse zugreifen können, bestimmt sich nach dem Verpflichtungsgrund. Die rechtsgeschäftlich oder gesetzlich begründete Verpflichtung kann entweder nur einen Güterstandsbeteiligten oder beide gemeinsam treffen. In beiden Fällen kommt das Gesamtgut als zusätzliche Haftungsmasse neben dem jeweiligen Eigengut der Güterstandsbeteiligten in Betracht. Wer hingegen im Verhältnis unter den Güterstandsbeteiligten letztlich die sich aus der Haftung ergebenden Lasten trägt, richtet sich allein nach dem Grund der jeweiligen Verpflichtung. Ausgehend von der grundsätzlichen Beschränkung der Vermögensteilhabe in der Errungenschaftsgemeinschaft auf ehe- und partnerschaftsbedingten Vermögenserwerb zum Gesamtgut muss auch die gemeinsame Lastentragung auf eheoder partnerschaftsbedingte Verbindlichkeiten beschränkt werden. Mit Blick auf die unterschiedlichen Verpflichtungsgründe kann es kein einheitliches Haftungsregime für sämtliche Verbindlichkeiten geben, vielmehr müssen die Regelungen zum Haftungsregime nach dem jeweiligen Verpflichtungsgrund differenziert werden. Dabei ist einerseits darauf zu achten, dass kein 247 Die Bestimmungen zur französischen, belgischen oder luxemburgischen Errungenschaftsgemeinschaft unterscheiden auch in der Regelungssystematik die Vergemeinschaftung des Aktivvermögens auf der einen Seite [Art. 1401 – 1408 Code Civil (Frankreich), Art. 1405 Code Civil (Belgien), Art. 1401 – 1408 Code Civil (Luxemburg)] und des Passivvermögens auf der anderen Seite [Art. 1409 – 1418 Code Civil (Frankreich), Art. 1406 – 1408 Code Civil (Belgien), Art. 1409 – 1416 Code Civil (Luxemburg)]. 248 Weil diese der Beschränkung der Vermögensteilhabe entsprechende Beschränkung der Haftungsteilhabe im geltenden Recht der BGB-Gütergemeinschaft wegen der gesetzlich zwingenden Haftungsregelungen in § 1459 BGB nicht möglich ist, scheiden die geltenden Regelungen des deutschen Güterrechts für eine ehevertragliche Vereinbarung der Errungenschaftsgemeinschaft von vornherein aus.
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Güterstandsbeteiligter Lasten tragen muss, für die er weder rechtsgeschäftlich noch gesetzlich als Schuldner verantwortlich ist. Andererseits dürfen Gläubiger eines Güterstandsbeteiligten bei der Regelung der Haftung nicht dadurch benachteiligt werden, dass ein Teil des Vermögenserwerbs der Güterstandsbeteiligten nicht in ihr jeweiliges Eigengut, sondern in das Gesamtgut fließt. Als Haftungsmasse für die Erfüllung von Verbindlichkeiten beider Güterstandsbeteiligter gegenüber Dritten kommen grundsätzlich alle drei Vermögensmassen, also beide Eigengüter und das Gesamtgut in Betracht. Im Einzelnen entscheidet sich die Frage nach der Anzahl der Vermögensmassen, die dem Drittgläubiger als Haftungsgegenstände zur Befriedigung seiner Forderungen gegen die Güterstandsbeteiligten zur Verfügung stehen, nach dem Grundsatz der Vermeidung der Gläubigerbenachteiligung. Die Lastenverteilung unter den Güterstandsbeteiligten variiert hingegen nach dem Verpflichtungsgrund. Allerdings hat nicht jeder unterschiedliche Verpflichtungsgrund ein unterschiedliches Haftungsregime zur Folge. Vielmehr lassen sich die Rechtsfolgen aller denkbaren Verpflichtungsgründe auf drei verschiedene Haftungsregime reduzieren. Haftungsregime 1: Haftung beider Eigengüter und des Gesamtguts sowie im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander gleichmäßig anteilige Lastentragung beider mit ihren Eigengütern und mit dem Gesamtgut. Das erste Haftungsregime kommt zur Anwendung bei Verpflichtungen beider Güterstandsbeteiligter. Die gemeinsame Verpflichtung kann auf einem rechtsgeschäftlichen Handeln beider Güterstandsbeteiligter beruhen, auf einer gesetzlichen Verpflichtung beider Güterstandsbeteiligter etwa im Rahmen deliktischer Haftung (§ 840 BGB) oder auf rechtsgeschäftlichem Handeln nur eines Güterstandsbeteiligten mit Wirkung für den anderen. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Güterstandsbeteiligter im Rahmen außerordentlicher Verwaltung des Gesamtguts allein, aber mit Zustimmung des anderen handelt. Die Verpflichtung auch des anderen Güterstandsbeteiligten kann ferner aus der gesetzlichen Ermächtigung folgen, auch mit Wirkung für den anderen zu handeln, etwa wenn ein Güterstandsbeteiligter Rechtsgeschäfte »zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie« vornimmt, durch die gemäß § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB »beide Ehegatten […] verpflichtet« werden, soweit sich nicht »aus den Umständen etwas anderes gibt«. Ebenso kann die gesetzliche Ermächtigung in güterrechtlichen Notverwaltungsrechten begründet sein (vgl. § 1454 BGB).
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Begründung des Haftungsumfangs im Haftungsregime 1: Eine nach dem Vorbild von § 1459 Abs. 1 und 2 BGB umfassende gesamtschuldnerische persönliche Haftung beider Güterstandsbeteiligter mit ihrem jeweiligen Eigengut und mit ihrem gesamthänderisch gebundenen Vermögen ist auch in der Errungenschaftsgemeinschaft gerechtfertigt, wenn die Verbindlichkeit beiden Güterstandsbeteiligten aufgrund ihres eigenen Verhaltens oder aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung des handelnden Güterstandsbeteiligten persönlich zugerechnet werden kann. Begründung der Lastenverteilung im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander im Haftungsregime 1: Da beide Güterstandsbeteiligte in derselben Weise verpflichtet sind, müssen sie auch die sich aus der Haftung ergebenden Lasten wie Gesamtschuldner (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) solidarisch tragen. Im Hinblick auf die Lastentragung durch das Gesamtgut bedeutet dies eine wertmäßig jeweils hälftige Übernahme der Verbindlichkeiten durch das im Gesamtgut vorhandene Vermögen. Reicht das Gesamtgut nicht, muss das jeweilige Eigengut anteilig herangezogen werden. Haftungsregime 2: Haftung nur eines Eigenguts und des Gesamtguts sowie im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander gleichmäßig anteilige Lastentragung beider bis in Höhe der Hälfte des Wertes des Gesamtguts. Das zweite Haftungsregime kommt zur Anwendung bei rechtsgeschäftlichem Handeln eines Güterstandsbeteiligten im Rahmen konkurrierender Verwaltung. Begründung des Haftungsumfangs im Haftungsregime 2: Konkurrierende Verwaltung des Gesamtguts bedeutet, dass jeder Güterstandsbeteiligte allein mit Wirkung für das Gesamtgut Verpflichtungen eingehen und über Gegenstände aus dem ungeteilten Gesamtgut verfügen kann, die der jeweils andere Güterstandsbeteiligte sich entgegenhalten lassen muss,249 wenn er nicht seinerseits bereits zu einem früheren Zeitpunkt über denselben Gegenstand in anderer Weise verfügt hat. Konkurrierende Verwaltung bedeutet hingegen nicht, dass jeder Güterstandsbeteiligte den anderen Güterstandsbeteiligten gegenüber Dritten gesamtschuldnerisch verpflichten kann.250 Daraus folgt für die Haftung aus rechtsgeschäftlicher Verpflichtung eines Güterstandsbeteiligten, dass der andere Güterstandsbeteiligte auch nur mit dem gesamthänderisch gebundenen 249 So auch ausdrücklich Art. 1416 Code Civil (Belgien) und Art. 1421 Abs. 1 Satz 2 Code Civil (Frankreich). 250 Vgl. schon oben bei These 9.
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Vermögen haften sollte. Das Eigengut des anderen Güterstandsbeteiligten scheidet hingegen als Haftungsmasse für den Drittgläubiger aus, da der Drittgläubiger kein schutzwürdiges Interesse an dieser Haftungsmasse geltend machen kann. Keinen Grund gibt es für einen Ausschluss der Haftung des Eigenguts des rechtsgeschäftlich handelnden Güterstandsbeteiligten. Der Gläubiger durfte darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner nicht nur mit seinem gesamthänderisch gebundenen Sondervermögen, sondern mit seinem gesamten Vermögen – also auch dem Eigengut – haftet. Reicht also das Vermögen im Gesamtgut zur Erfüllung der Schuld nicht aus, so muss der Güterstandsbeteiligte, der die Verbindlichkeit begründet hat, auch sein Eigengut einsetzen. Begründung der Lastenverteilung im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander im Haftungsregime 2: Soweit ein Güterstandsbeteiligter im Rahmen konkurrierender Verwaltung handelte, hat er mit Wirkung für das Gesamtgut, also mit Wirkung für beide Güterstandsbeteiligte in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit gehandelt. Das rechtsgeschäftliche Handeln eines Güterstandsbeteiligten ist insoweit auch ehe- bzw. partnerschaftsbedingt, da sich der jeweils andere Güterstandsbeteiligte mit Blick auf die wechselseitige Alleinverwaltungskompetenz das Handeln des anderen Güterstandsbeteiligten zurechnen lassen muss. Die spezifische Haftungsteilhabe bei Handlungen eines der beiden Güterstandsbeteiligten im Rahmen konkurrierender Verwaltung offenbart sich bei der Frage nach der Lastenverteilung der Güterstandsbeteiligten untereinander. Da hier beiden Güterstandsbeteiligten die rechtserheblichen Entscheidungen des anderen im Hinblick auf Gegenstände des Gesamtguts ganz zugerechnet werden müssen, bedeutet das für die Lastentragung untereinander, dass beide die Schuld hälftig mit dem gesamthänderisch gebundenen Vermögen tragen müssen. Die solidarische Lastentragung durch das Gesamtgut ist Ausdruck der Tatsache, dass beide Güterstandsbeteiligte jederzeit in gleichem Umfang auf das Gesamtgut zugreifen können. Musste der rechtsgeschäftlich handelnde Güterstandsbeteiligte auch Vermögen aus seinem Eigengut einsetzen, weil das Gesamtgut zur Befriedigung des Gläubigers nicht ausreichte, hat er keinen Regressanspruch gegen den anderen Güterstandsbeteiligten. Umgekehrt hat aber der andere Güterstandsbeteiligte einen Regressanspruch gegen den Güterstandsbeteiligten, der die Haftung durch rechtsgeschäftliches Handeln im Rahmen der konkurrierenden Verwaltung ausgelöst hat, wenn dieser aus Gesamtgutsmitteln mehr als die Hälfte des Werts des Gesamtguts für die Erfüllung der Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten verwendet hat. Die Frage nach der Haftungsteilhabe würde sich auch auf der Grundlage des nach deutschem Privatrecht geltenden Trennungs- und Abstraktionsprinzip
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nicht anders darstellen, wenn sich beispielsweise beide Güterstandsbeteiligte im Rahmen konkurrierender Verwaltung gegenüber unterschiedlichen Vertragspartnern zur Verfügung über denselben Gegenstand aus dem Gesamtgut verpflichtet haben. In diesem Fall kann nur einer erfüllen, der andere wird schadensersatzpflichtig. Zwar tritt die Schadensersatzpflicht von Gesetzes wegen und zudem nur unter der Voraussetzung des Verschuldens des rechtsgeschäftlich Handelnden ein. Aber sie bildet einen Sekundäranspruch zum vertraglichen Primäranspruch. Insofern kann auch für den Sekundäranspruch nichts anderes gelten als für den Primäranspruch aus rechtsgeschäftlichem Handeln im Rahmen konkurrierender Verwaltung. Auch der Sekundäranspruch verpflichtet beide Güterstandsbeteiligte in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit jeweils zur Hälfte. Das ist die Kehrseite der paritätischen Vermögensteilhabe und des wechselseitigen Alleinverwaltungsrechts. Allerdings schadet diese Haftungsteilhabe gerade demjenigen Güterstandsbeteiligten, der selbst wenig oder gar keine Vermögenswerte in das Gesamtgut eingebracht hat, am geringsten. Außerdem liegt in der wechselseitigen Haftungsteilhabe auch ein Motivationsgrund zur gegenseitigen Absprache vor der Eingehung von Gesamtgutsverbindlichkeiten. Haftungsregime 3: Haftung nur eines Eigenguts und des Gesamtguts sowie im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander alleinige Lastentragung eines Güterstandsbeteiligten. Das dritte Haftungsregime kommt zur Anwendung (1) bei rechtsgeschäftlichem Handeln eines Güterstandsbeteiligten ohne Zustimmung des anderen im Rahmen der zustimmungspflichtigen Verwaltung, (2) bei gesetzlicher Verpflichtung nur eines Güterstandsbeteiligten zum Beispiel aufgrund von Delikt oder gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung für nicht gemeinsame Kinder, (3) bei vor Eintritt in den Güterstand begründeten Verbindlichkeiten. Begründung des Haftungsumfangs im Haftungsregime 3: Für alle drei vorgenannten Fallgruppen müsste im Unterschied zu der nach § 1459 Abs. 2 Satz 1 BGB geltenden persönlichen Haftung beider Güterstandsbeteiligter in einer künftigen Errungenschaftsgemeinschaft die Haftung des Eigenguts des jeweils nicht rechtsgeschäftlich handelnden oder nicht gesetzlich verpflichteten Güterstandsbeteiligten ausgeschlossen werden.251 251 Vgl. insoweit de lege ferenda für die bestehende BGB-Gütergemeinschaft auch Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 235 f., die aber im Übrigen an der Haftung des Eigenguts des jeweils anderen Güterstandsbeteiligten gegenüber Dritten festhalten und lediglich im Innenver-
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Haftung in den Fallgruppen 1 und 2 (einseitige Verbindlichkeiten während der Dauer des Güterstandes): In denjenigen Fällen, in denen ein Güterstandsbeteiligter während der Dauer des Güterstandes außerhalb des Bereichs konkurrierender Verwaltung einseitig, also ohne notwendige Zustimmung des anderen Güterstandsbeteiligten rechtsgeschäftlich handelt, oder in denen ein Güterstandsbeteiligter während der Dauer des Güterstandes durch sein alleiniges Verhalten gesetzliche Verbindlichkeiten begründet, besteht auf den ersten Blick kein Grund, neben dem Eigengut des jeweiligen Güterstandsbeteiligten auch noch das Gesamtgut haften zu lassen. Eine solche Sicht überginge aber die Tatsache, dass für die Dauer des Güterstandes ein großer Teil des Vermögenserwerbs des Schuldner-Güterstandsbeteiligten, insbesondere sein Arbeitseinkommen, nicht seinem Eigengut, sondern dem Gesamtgut zufließt. Würde man für die während des Güterstandes eintretenden einseitigen Verbindlichkeiten die Haftung auf das jeweilige Eigengut des Schuldner-Güterstandsbeteiligten beschränken, würde man den Gläubiger vom gesamtschuldnerisch gebundenen Vermögen des SchuldnerGüterstandsbeteiligten, also im Einzelfall gegebenenfalls sogar vom größeren Teil des Vermögens ausschließen und damit gegenüber Gläubigern von anderen Schuldnern, die nicht im Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft leben, unangemessen benachteiligen. Ziel muss in den genannten Fällen also sein, dass der Schuldner-Güterstandsbeteiligte mit seinem gesamten Vermögen einsteht, ohne dass dadurch der andere Güterstandsbeteiligte unangemessen benachteiligt wird. Rechtskonstruktiv kann dieses Ziel auf mindestens drei Wegen erreicht werden: Lösung 1: Am ehesten in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht der BGB-Gütergemeinschaft erschiene die Lösung, bei der das Gesamtgut neben dem jeweiligen Eigengut des Schuldner-Güterstandsbeteiligten unmittelbar und vollständig haftet und ein Ausgleich erst unter den Güterstandsbeteiligten durchgeführt wird. Dies entspräche den Regelungen in § 1463 BGB.252 Denkbar wäre zusätzlich hältnis beider Güterstandsbeteiligter einen Ausgleich herstellen will (S. 237). Eine Haftung des jeweils anderen Eigenguts wäre aber in einer zukünftigen Errungenschaftsgemeinschaft nach dem Grundsatz beschränkter Haftungsteilhabe nicht zu legitimieren. So bestimmt es auch ausdrücklich Art. 1410 Code Civil (Frankreich) für voreheliche Verbindlichkeiten sowie überschuldete Erbschaften und Schenkungen. Ungewöhnlich mit Blick auf die grundsätzlich nur auf das Gesamtgut begrenzte Vergemeinschaftung von Schulden ist dagegen die Regelung in Art. 187, 189 Abs. 1, 190 Codice civile (Italien), wonach auch die Gläubiger vorehelicher Verbindlichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen »subsidiär auf das persönliche Vermögen eines jeden Ehegatten zugreifen« können, »und zwar bis zur Hälfte ihrer Forderung, wenn das Vermögen der Gemeinschaft nicht ausreicht […].« 252 So ist zum Beispiel nach § 1463 Ziff. 1 BGB der Schuldner-Ehegatte zumindest für »Ver-
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auch die Bestimmung eines sofortigen Ausgleichs unter den Güterstandsbeteiligten noch während der Dauer des Güterstands und nicht erst nach seiner Beendigung.253 Der Nachteil einer solchen Regelung wäre allerdings, dass der Gläubiger im Außenverhältnis Zugriff auf das vollständige Gesamtgut erhält, obwohl der Grund der Verbindlichkeit in keinem inneren Verhältnis zur Partnerschaft und zum Güterstand steht, also auch nicht in einem weiteren Sinne ehe- oder partnerschaftsbedingt, sondern vielmehr allein in der Person des Schuldner-Güterstandsbeteiligten begründet ist. Zudem trägt der nicht schuldende Güterstandsbeteiligte im Verhältnis beider Güterstandsbeteiligter untereinander das Ausfallrisiko, wenn der Schuldner-Güterstandsbeteiligte den Ausgleich nicht leisten kann. Lösung 2: Die zumindest aus güterrechtlicher Sicht konsequenteste Lösung wäre eine Beschränkung der Haftung des Gesamtguts auf die Hälfte des Aktivvermögens entsprechend dem Anteil des Schuldner-Güterstandsbeteiligten am Gesamtgut. Diese Lösung sehen z. B. das belgische und das italienische Recht der Errungenschaftsgemeinschaft vor.254 Gegen eine derartige Lösung spricht aber aus der Sicht des deutschen Rechts, dass sie nicht mit dem geltenden Zwangsvollstreckungsrecht vereinbar wäre, da gemäß § 860 Abs. 1 ZPO »der Anteil eines Ehegatten an dem Gesamtgut und an einzelnen dazu gehörenden Gegenständen der Pfändung nicht unterworfen« ist. Eine Änderung der Vorschrift wäre zwar denkbar. So könnte nach dem Vorbild der Anteilspfändung im Gesellschaftsrecht (vgl. § 859 Abs. 1 Satz 1 ZPO) eine entsprechende Möglichkeit auch für das Gesamtgut der Errungenschaftsgemeinschaft eingeführt werden, der »Preis für eine solche Lösung besteht aber darin, dass der Gläubiger und damit ein Dritter die Befugnis erhielte, den Gü-
bindlichkeiten aus einer unerlaubten Handlung«, die er nach »Eintritt der Gütergemeinschaft begeht«, dem anderen Ehegatten im Innenverhältnis zum Ausgleich verpflichtet. Eine entsprechende künftige Regelung für die Errungenschaftsgemeinschaft müsste aber selbstverständlich auch für vor Begründung des Güterstandes entstandene Verbindlichkeiten der genannten Art mindestens eine Ausgleichspflicht im Innenverhältnis bestimmen. 253 So auch Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 231. Vgl. insoweit auch schon nach dem geltenden Recht für die BGB-Gütergemeinschaft die Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs gemäß § 1468 BGB. 254 Art. 1412 Abs. 2 Code Civil (Belgien), Art. 189 Codice civile (Italien), wobei nach beiden Rechtsordnungen die anteilige Haftung des Gesamtguts subsidiär gegenüber der Haftung des Eigenguts ist. Die subsidiäre Haftung gibt dem Güterstands-Schuldner die Einrede der Vorausklage. Ähnlich auch Art. 1373 Abs. 1 Cûdigo civil (Spanien).
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terstand der Ehegatten zu beenden.«255 Das sollte auf jeden Fall vermieden werden. Lösung 3: Eine etwas weniger einschneidende Lösung wäre die Haftung des Gesamtgutes in Verbindung mit der Möglichkeit der Einrede einer Vorausklage des nicht schuldenden Güterstandsbeteiligten. Danach würde das vollständige Gesamtgut nur subsidiär nach dem Eigengut des Schuldner-Güterstandsbeteiligten haften. Solange der Gläubiger des Schuldner-Güterstandsbeteiligten nicht erfolglos eine Zwangsvollstreckung in dessen Eigengut versucht hätte, könnte er nicht auf das Gesamtgut zurückgreifen. Der entscheidende Nachteil dieser Lösung wäre aber, dass der Gläubiger zur Vermeidung von Prozessrisiken zunächst den Schuldner-Güterstandsbeteiligten verklagen müsste und nach erfolglosem Vollstreckungsversuch mit einer zweiten Klage einen Titel gegen beide Güterstandsbeteiligte erwirken müsste, um in das Gesamtgut vollstrecken zu können (§ 740 Abs. 2 ZPO).256 Das wäre einerseits langwierig und für den Gläubiger kaum zumutbar. Andererseits wäre der Gläubiger bei Vollstreckung in das nicht auf einen Anteil beschränkte Gesamtgut – wie in Lösung 1 – auch ungerechtfertigt privilegiert. Von daher gesehen sind die vollständige Haftung des Gesamtguts und ein Ausgleich im Rahmen der Lastentragung unter den Güterstandsbeteiligten die zuträglichste Lösung. Haftung in der Fallgruppe 3 (vorehe- bzw. vorpartnerschaftliche Verbindlichkeiten): In besonderer Weise stellt sich in einer Errungenschaftsgemeinschaft, bei der das vor der Begründung des Güterstandes getrennte Aktivvermögen der Güterstandsbeteiligten auch nach Begründung des Güterstandes nicht im Gesamtgut vergemeinschaftet wird, die Frage, ob konsequenterweise nicht auch die 255 So zu recht Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 230, die im Übrigen auch darauf hinweist, dass eine derartige Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis auf den jeweiligen Anteil des Gesamtguts mit den gesetzlichen Wertungen der Unterhaltsvorschrift in § 1604 BGB kollidieren würde. 256 Möller, a. a. O. (Fn. 115), S. 232 f. Die Vorschrift in § 740 Abs. 2 ZPO bezieht sich zwar auf den Fall der gemeinschaftlichen Verwaltung des Gesamtguts in der BGB-Gütergemeinschaft gemäß §§ 1450 – 1470 BGB. Allerdings müsste die ZPO künftig auch bei einer Errungenschaftsgemeinschaft zumindest für die hier in Rede stehenden Fälle außerhalb des Bereichs der konkurrierenden Verwaltung eine entsprechende Regelung vorsehen, die entweder einen Leistungstitel gegen beide Güterstandsbeteiligte oder zumindest einen Leistungstitel gegen den Schuldner-Güterstandsbeteiligten und einen Duldungstitel gegen den anderen Güterstandsbeteiligten zur Voraussetzung für die Vollstreckung in das Gesamtgut macht.
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vorehelich bzw. vorpartnerschaftlich begründeten Verbindlichkeiten aus der Vergemeinschaftung ausgeklammert werden sollten. So könnte die Haftung für Verbindlichkeiten eines Güterstandsbeteiligten, die bereits vor Begründung des Güterstandes bestanden haben, auf das jeweilige Eigengut beschränkt werden, da auch die vorehelichen Vermögensaktiva in das Eigengut gelangen und der Gläubiger allein durch die Begründung des Güterstandes nicht bessergestellt werden sollte. Allerdings findet sich in ausländischen Errungenschaftsregelungen eine derartig rigorose Regelung – soweit ersichtlich – nicht. Vielmehr werden voreheliche Verbindlichkeiten entweder wie diejenigen Verbindlichkeiten behandelt, die während der Dauer des Güterstandes in der Person eines der beiden Güterstandsbeteiligten begründet werden,257 oder es wird neben der Haftung des jeweiligen Eigenguts des betroffenen Güterstandsbeteiligten zumindest noch die Mithaftung seiner laufenden Einkünfte für voreheliche Verbindlichkeiten bestimmt.258 Letzteres gilt ungeachtet der Tatsache, dass die laufenden Einkünfte zum Gesamtgut gehören.259 Eine derartige Verwischung der Grenzen von Aktivund Passivvermögen im Eigen- und Gesamtgut sollte in einem zukünftigen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft zwar vermieden werden. Trotzdem liegt den ausländischen Regelungen der zutreffende Gedanke zugrunde, dass allein die Tatsache der Begründung einer Verbindlichkeit vor Begründung des Güterstandes keine ausreichende Legitimation ist für die Beschränkung der Gläubiger auf das zum Zeitpunkt der Begründung des Güterstandes vorhandene Vermögen des Schuldner-Güterstandsbeteiligten. Vor allem dann, wenn allein das Arbeitseinkommen, das in einer Errungenschaftsgemeinschaft zum Gesamtgut gehören sollte, den Schuldner-Güterstandsbeteiligten in die Lage versetzt, seine vor Begründung des Güterstandes entstandene Verbindlichkeit während der Dauer des Güterstandes zu erfüllen, erscheint es nicht gerechtfertigt, den Gläubiger insoweit vom Gesamtgut auszuschließen. Das ist der Grund dafür, dass beispielsweise nach den belgischen, französischen oder polnischen Regelungen zur Errungenschaftsgemeinschaft die laufenden Einkünfte für voreheliche Verbindlichkeiten neben dem jeweiligen Eigengut mithaften. Wenn man aber bei der Haftung gegenüber Dritten diesen Weg einer unterschiedlichen Behandlung von laufenden Einkünften und sonstigen Gegenständen des Gesamtguts nicht gehen will, bleibt nur die Möglichkeit, die vor Eintritt in den Güterstand begründeten Verbindlichkeiten wie diejenigen Verbindlich257 Art. 187, 189 Abs. 2 Codice civile (Italien), wobei die (anteilige) Haftung des Gesamtguts subsidiär ist. 258 Vgl. nur Art. 1409 Code Civil (Belgien), Art. 1411 Abs. 1 Code Civil (Frankreich), Art 41 § 3 FamVormGB (Polen). 259 Art. 1405 Ziff. 1 Code Civil (Belgien), Art. 1401 Code Civil (Frankreich), Art. 31 § 2 Ziff. 1 FamVormGB (Polen).
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keiten zu behandeln, die ein Güterstandsbeteiligter während des Güterstandes ohne Beachtung von Zustimmungserfordernissen eingegangen ist oder die aus gesetzlichen Gründen bestehen und nur in seiner Person begründet sind (Fallgruppen 1 und 2). Damit muss auch für voreheliche bzw. vorpartnerschaftliche Verbindlichkeiten dasselbe Haftungsregime gelten, nämlich die ungeteilte Haftung des Gesamtguts neben dem Eigengut des Schuldner-Güterstandsbeteiligten. Das bedeutet, dass zumindest im Rahmen der Haftung gegenüber Dritten Aktiva und Schulden nicht immer nach dem Merkmal der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit gleich behandelt werden können. Die Haftung des Gesamtguts gegenüber Dritten kann zur Vermeidung der Gläubigerbeteiligung also nicht von der Ehe- bzw. Partnerschaftsbedingtheit abhängig gemacht werden, ja noch nicht einmal davon, dass die Verbindlichkeit erst während der Dauer des Güterstandes begründet wurde. Für eine Haftung des Gesamtguts auch für Verbindlichkeiten, die bereits vor Begründung des Güterstandes begründet wurden, spricht zudem, dass manipulativen Vermögensverschiebungen in das Gesamtgut und einer bewussten Aushöhlung des Eigenguts vorgebeugt wäre. Begründung der Lastenverteilung im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander im Haftungsregime 3: Sowohl im Falle von Verbindlichkeiten, die im Moment des Eintritts in den Güterstand bereits bestanden haben, als auch bei erst während der Dauer des Güterstandes entstandenen Verbindlichkeiten, die aber ausschließlich in der Person eines der beiden Güterstandsbeteiligten begründet sind, weil dieser die Grenzen seiner Verwaltungsrechte überschritten hat oder weil er aufgrund von nur in seiner Person liegenden Gründen gesetzlich verpflichtet ist, gibt es im Verhältnis der Güterstandsbeteiligten untereinander keinen Grund für eine solidarische Lastentragung. Daher kann der verpflichtete Güterstandsbeteiligte auch nicht die Gesamtgutsverbindlichkeiten wenigstens zur Hälfte auf den anderen Güterstandsbeteiligten abwälzen. Er muss sie vielmehr allein tragen. Wurde das Gesamtgut im Rahmen des Haftungszugriffs durch Gläubiger über die Hälfte seines Werts hinaus in Anspruch genommen, hat der andere nicht schuldende Güterstandsbeteiligte insoweit eine Regressforderung gegenüber dem Schuldner-Güterstandsbeteiligten.
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Dr. h. c. Katharina Boele-Woelki Professorin an der Universität Utrecht (NL) Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd Brudermüller Vorsitzender Richter am OLG Karlsruhe Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung an der Universität zu Köln Sonka Gerdes Referentin in der Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit im BMFSFJ Prof. Dr. Tobias Helms Professor an der Universität Marburg Matre Edmond Jacoby Notar in Forbach (F) Dr. Christoph-Eric Mecke Lehrstuhl für Zivilrecht und Rechtsgeschichte an der Leibniz Universität Hannover Prof. Dr. Stephan Meder Lehrstuhl für Zivilrecht und Rechtsgeschichte an der Leibniz Universität Hannover Dr. Thomas Meyer Referatsleiter im Bundesministerium der Justiz
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Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
Dr. Angelika Nake Rechtsanwältin, Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften beim Deutschen Juristinnenbund Dr. Anne Sanders, M. Jur. Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung an der Universität zu Köln Eva Maria Welskop-Deffaa, Leiterin der Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit im BMFSFJ (bis Juli 2012) Prof. Dr. Carsten Wippermann Professor an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Abteilung Benediktbeuern
Programm der Tagung »Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft?«
Auf dem Weg zu einem partnerschaftlichen Güterrecht Schlussfolgerungen aus dem 1. Gleichstellungsbericht am 22. Juni 2012, Logenhaus in Berlin
09.30 Uhr Registrierung der Teilnehmenden 10.30 Uhr Stehcaf¦ 11.00 Uhr Neue Wege – gleiche Chancen. Partnerschaft und Verantwortung im Lebenslauf Eva Maria Welskop-Deffaa, Leiterin der Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit im BMFSFJ 11.15 Uhr Das geltende Ehegüterrecht – ein kritischer Aufriss Prof. Dr. Stephan Meder, Universität Hannover Partnerschaft und Ehe im Lebensverlauf – Die Rechtsfolgen von Heirat und Scheidung in der empirischen Sozialforschung Prof. Dr. Carsten Wippermann, Katholische Stiftungsfachhochschule München/Benediktbeuern Schlussfolgerungen für Änderungen im Güterrecht Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd Brudermüller, Vors. Richter am OLG Karlsruhe 12.15 Uhr Mittagspause 13.00 Uhr Anforderungen an ein Konzept für einen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft in Deutschland Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Universität zu Köln Erfahrungen mit der Errungenschaftsgemeinschaft in Frankreich Matre Edmond Jacoby, Forbach 14.15 Uhr Podiumsdiskussion Zukunftsperspektiven eines partnerschaftlichen Güterrechts Prof. Dr. Dr. h. c. Katharina Boele-Woelki, Universität Utrecht Sonka Gerdes, Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit im
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Tagungsprogramm
BMFSFJ Prof. Dr. Tobias Helms, Universität Marburg Dr. Thomas Meyer, Referatsleiter im Bundesministerium der Justiz Dr. Angelika Nake, Deutscher Juristinnenbund Moderation: Dr. Anne Sanders, Lehrstuhl Prof. Dr. Barbara DaunerLieb, Universität zu Köln 15.45 Uhr Schlusswort Eva Maria Welskop-Deffaa, Leiterin der Abteilung Gleichstellung, Chancengleichheit im BMFSFJ 16.00 Uhr Abschlusscaf¦
Liste der Teilnehmenden: »Wer hat Angst vor der Errungenschaftsgemeinschaft?«
Auf dem Weg zu einem partnerschaftlichen Güterrecht Schlussfolgerungen aus dem 1. Gleichstellungsbericht 22. Juni 2012, Logenhaus in Berlin
Liste der Teilnehmenden Romy Ahner
Deutscher Verein für private und öffentliche Fürsorge e. V.
Frank F. F. Arndt Edda Bachmann
Stowe Family Law LLP, Harrogate (GB) Deutsche Rentenversicherung Bund
Prof. Dr. Robert Battes Eva Becker
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Deutscher Anwaltverein (DAV)
Prof. Dr. Dr. h. c. Katharina Universität Utrecht (NL) Boele-Woelki Marlies Brouwers Deutscher Frauenrat Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd Brudermüller Prof. Dr. Barbara DaunerLieb
Oberlandesgericht Karlsruhe Universität zu Köln
Prof. Dr. Elisabeth de Sotelo Deutscher Akademikerinnenbund e. V. Dr. Kerstin Deutsch Bundesnotarkammer Dr. Magdalena Dollinger Gesa Ebert
Deutscher Juristinnenbund Verband Familienarbeit e. V.
Dr. Jürgen Ehler Klaus Ehmann
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Justizministerium Baden-Württemberg
Dorothea Engel
Verband berufstätiger Mütter e. V. (VBM)
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Liste der Teilnehmenden
Universität Hannover
Carolin Fischer Regina Fiß
Familienbund der Katholiken Gleichstellungsministerium Schleswig-Holstein
Sonka Gerdes Alexandra Goy
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rechtsanwältin und Notarin
Dr. Ingrid Groß Gesa Hatje
Rechtsanwältin Gleichstellungsministerium Schleswig-Holstein
Prof. Dr. Bettina Heiderhoff Prof. Dr. Tobias Helms
Universität Hamburg
Sophie Hirdes Harriet Hoffmann-Baasen
Studentin der Rechtswissenschaft Fachanwältin für Familienrecht
Miriam Hoheisel
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V. (VAMV) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Nicola Hoischen
Universität Marburg
Camilla Hölzer Prof. Dr. Heinz Holzhauer
Deutscher Juristinnenbund Universität Münster
Matre Edmond Jacoby Anja Kacani
Notar – Forbach (F) Studentin der Rechtswissenschaft
Dr. Iris Keller Birgit Kemming
Bündnis 90/Die Grünen/Bundestagsfraktion Deutscher Juristinnenbund
Dorette Könecke-Gers Katharina Kraft
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration Deutscher Juristinnenbund
Ulrike Kumpfert Christiane A. Lang
Deutsche Rentenversicherung Bund Erb- und Familienrechtskanzlei Lang – Berlin
Juliane Leinitz-Mierzwa Anna Leszczenski
Büro Axel Knoerig – MdB Lehrstuhl Prof. Dauner-Lieb
Sarah Leuninger Dr. Gudrun Lies-Benachib
Universität Hannover Deutscher Jurstinnenbund
Jasmin Link Brigitte L. Loose
Verband berufstätiger Mütter e. V. (VBM) Deutsche Rentenversicherung Bund
Antje Markfort Dr. Doris Marquardt
Deutscher Caritasverband Bundeskanzleramt
Christine Martin Dr. Christoph-Eric Mecke
Deutscher Anwaltverein Universität Hannover
Prof. Dr. Stephan Meder
Universität Hannover
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Liste der Teilnehmenden
(Fortsetzung) Dr. Thomas Meyer
Bundesministerium der Justiz
Dr. Angelika Nake
Wissenschaftl. Mitarbeiterin – Büro Ingrid Hönlinger – MdB Deutscher Juristinnenbund
Judith Pelzer Dr. Silvia Pernice-Warnke
Universität zu Köln Universität zu Köln
Dr. Lore Maria PeschelGutzeit Silke Raab
Senatorin für Justiz a. D., Rechtsanwältin
Maria Ringler Prof. Dr. Anne Röthel
Verband binationaler Familien und Partnerschaften e. V. Bucerius Law School, Hamburg
Martin Rosowski Gundula Roßbach
Bundesforum Männer DRV Berlin-Brandenburg
Inge Saathoff Dr. Anne Sanders
GfA Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV/Rechtsanwältin Universität zu Köln
Corina Schramm Michael Schreiber
Bundesministerium der Justiz Student – Universität Hannover
Monika Schuler
Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, Berlin Deutscher Juristinnenbund
Gunda Meyer
Birgit Schulte
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Helga Schulz Evang. Aktionsgemeinschaft für Familienfragen e. V. Dr. Alexander Schwonberg Oberlandesgericht Celle Ilham Sittel-Essabik Patrick Thiel
Universität zu Köln Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
Zümrüt Turan-Schnieders Brigitte van Essen
Rechtsanwältin Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen, Rheinland-Pfalz
Jutta Wagner Maja Weise-Georg
Rechtsanwältin und Notarin Hessisches Sozialministerium
Eva Maria Welskop-Deffaa Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Prof. Dr. Carsten Wipper- Kath. Stiftungsfachhochschule München, Abteilung Bemann nediktbeuern Nadine Yilmaz Dr. Gabriele Zinkl
Studentin der Rechtswissenschaft Katholischer Deutscher Frauenbund e. V. (KDFB)
Beiträge zu Grundfragen des Rechts Herausgegeben von Stephan Meder Die drei Grundfragen des Rechts, die vor gut zweihundert Jahren der Rechtsgelehrte Gustav Hugo formulierte – »Was ist Rechtens?«, »Wie ist es Rechtens geworden?« und »Ist es vernünftig, daß es so sey?« – stellen sich bis heute. Die Frage nach dem geltenden Recht zielt heute nicht nur auf dessen Prinzipien und Regeln, sondern auch auf das Verhältnis von Gesetz und Recht, juristischer Geltung und sozialer Wirklichkeit. Die Frage nach der Geschichte des Rechts betrifft auch das sich wandelnde Verhältnis zwischen den Rechtsquellen sowie das Verhältnis von Tradition und Gegenwartsbezug der Rechtsinhalte. Die Frage nach den richtigen Inhalten des Rechts bezieht sich heute vor allem auf das rechtliche Verhältnis zwischen der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen und dem notwendigen Mindestmaß sozialer Gleichheit und Gemeinwohlbindung des Rechts. So sind die Grundfragen des Rechts niemals von lediglich theoretischer Bedeutung, sondern haben einen unmittelbar praktischen Bezug zur Rechtsentstehung, Rechtsauslegung und Rechtsanwendung. Antworten auf diese Fragen versuchen aus unterschiedlichen Perspektiven die Beiträge dieser Reihe zu geben.
Weitere Bände dieser Reihe: Band 10: Stefan Dirscherl Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus Gesetzgebung, Ideologie und Praxis 2012, 277 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-8471-0029-4 Band 9: Han-Wei Jung Rechtserkenntnis und Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht Das Verhältnis zwischen Methodik und Rechtsquellenlehre 2012, 268 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-89971-973-4 Band 8: Marayke Frantzen Mors voluntaria in reatu Die Selbsttötung im klassischen römischen Recht 2012, 180 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-89971-958-1 Band 7: Kirsten Scheiwe / Maria Wersig (Hg.) Cash und Care – Kindesunterhaltsrecht und Geschlechter(un)gleichheit 2011, 127 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-89971-838-6 Band 6: Albert Schug Der Versicherungsgedanke und seine historischen Grundlagen 2011, 467 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-86234-647-9 Band 5: Christoph-Eric Mecke Rudolf von Jhering. Anonym publizierte Frühschriften und unveröffentlichte Handschriften aus seinem Nachlaß 2010, 281 Seiten, gebunden, ISBN 978-3-89971-636-8
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