Weiterführende Relativsätze: Empirische und theoretische Aspekte 9783050084596, 9783050041353

Die weiterführenden Relativsätze stellen einen grammatiktheoretisch interessanten Phänomenbereich dar, da sie einerseits

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German Pages 331 [332] Year 2005

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Table of contents :
1 Einleitung
2 Das Phänomen
2.1 Philologisch-linguistische Beschreibungsansätze
2.2 Abgrenzung des Phänomenbereiches
3 Nicht-/Restriktive Relativsätze
3.1 Relativsätze und ihre Einteilung
3.2 Zur Phono-Syntax der RS
3.3 Zur Semantik der RS
3.4 Zur Illokutions- und Informationsstruktur der RS
3.5 Zusammenfassung des Kapitels
4 Phono-Syntax der wRS
4.1 Phonologisch-Prosodische Eigenschaften
4.2 Wurzelsatzcharakteristika
4.3 Weitere typische syntaktische Eigenschaften
4.4 Zur linken Peripherie der wRS
4.5 Fokus-Hintergrund-Struktur
4.6 Zur Rolle der wRS im komplexen Satz
4.7 Zusammenfassung des Kapitels
5 Semantik und Diskursstruktur der wRS
5.1 Eine Kurzeinführung in die DRT
5.2 d-wRS-spezifische semantische Aspekte
5.3 w-wRS-spezifische semantische Aspekte
5.4 Diskursorganisation
5.5 Zusammenfassung des Kapitels
6 HPSG-theoretische Analyse der wRS
6.1 HPSG - Eine constraintbasierte Grammatiktheorie
6.2 Grundzüge eines HPSG-Grammatikfragments
6.3 Vorhandene RS-Analysen in der HPSG
6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG
6.5 Zusammenfassung des Kapitels
7 Schlußbemerkung
Literaturverzeichnis
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Weiterführende Relativsätze: Empirische und theoretische Aspekte
 9783050084596, 9783050041353

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Anke Holler Weiterführende Relativsätze

studia grammatica Herausgegeben von Manfred Bierwisch unter Mitwirkung von Hubert Haider, Stuttgart Paul Kiparsky, Stanford Angelika Kratzer, Amherst Jürgen Kunze, Berlin David Pesetsky, Cambridge (Massachusetts) Dieter Wunderlich, Düsseldorf

studia grammatica 60

Anke Holler

Weiterführende Relativsätze Empirische und theoretische Aspekte

Akademie Verlag

ISBN 3-05-004135-8 ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2005 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil des Buches darf ohne Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. All rights reserved (including those of translation into another languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Druck und Bindimg: Medienhaus Berlin Printed in the Federal Republic of Germany

Danksagung Dieses Buch ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung meiner Dissertation, die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 340 "Sprachtheoretische Grundlagen der Computerlinguistik" an der Universität Tübingen und während meiner Tätigkeit bei der IBM Forschung und Entwicklung GmbH in Böblingen entstanden ist. An dieser Stelle habe ich jenen zu danken, die die Entstehung der Arbeit mit ihren Ratschlägen und Ermutigungen, ihrer Erwartung und Neugierde begleitet haben. Zuallererst möchte ich Marga Reis danken - für ihr Vertrauen, ihre Anregungen und Empfehlungen. Ihr "doktormütterlicher" Rat war nicht nur für den Fortgang der Arbeit sehr wertvoll, sondern auch für meine persönliche und wissenschaftliche Entwicklung. Mein besonderer Dank für die Betreuung der Arbeit gilt gleichermaßen Erhard Hinrichs. Zudem danke ich den anderen Mitgliedern meines Promotionsausschusses Fritz Hamm und Wolfgang Sternefeld. Für die wohlwollende Begutachtung der Arbeit bin ich außerdem Manfred Bierwisch zu Dank verpflichtet. Ohne begeisternde und kompetente Lehrer, die mich an den Universitäten Leipzig und Tübingen sowie an der University of Massachusetts, Amherst in die Linguistik eingeführt haben, wäre diese Arbeit nie zustande gekommen. Ihnen allen sei gedankt, stellvertretend Steven Abney, Irmhild Barz, Ulla Fix, Lyn Frazier, Wolfgang Heinemann, Tilman Höhle, Kyle Johnson, Paul King, Angelika Kratzer, Uwe Mönnich, Barbara Partee, Arnim v.Stechow, Anita Steube, Rosemary Tracy und Gerhild Zybatow. Für die angenehme Zusammenarbeit und den produktiven Ideenaustausch danke ich allen meinen damaligen Kolleginnen und Kollegen am Tübinger Institut für Sprachwissenschaft, insbesondere Franz-Josef d'Avis, Peter Gallmann, Pawel Karnowski, Kordula de Kuthy, Uli Lutz, Detmar Meurers, Cécile Meier, Gereon Müller, Jürgen Pafel, Ingo Reich, Frank Richter, Manfred Sailer, Susanne Schüle, Susanne Trissler und Heike Winhart. Petra Schulz und Angelika Storrer bin ich für hilfreiche Kommentare und fortwährenden Zuspruch in verschiedenen Stadien der Arbeit sehr dankbar. Wichtige Hinweise und Anregungen verdanke ich zudem Ludger Hoffmann, Tibor Kiss und den Teilnehmern der HPSG-Konferenz 2003 in Lansing, USA und des ZAS-Workshops "Dislocated Elements" in Berlin. Ich danke meiner Familie und meinen Freunden für ihre anhaltende Unterstützung.

Inhaltsverzeichnis 1

Einleitung

1

2

Das Phänomen

5

2.1

2.2 3

5 6 9 13 22 23

Nicht-/Restriktive Relativsätze

25

3.1

25 25 26 27 27 30 33 41 47 47 47 49 53 58 58 59 60 68 68

3.2

3.3

3.4

3.5 4

Philologisch-linguistische Beschreibungsansätze 2.1.1 Syntaktisch orientierter wNS-Begriff 2.1.2 Semantisch orientierter wNS-Begriff 2.1.3 Pragmatisch orientierter wNS-Begriff 2.1.4 Zusammenfassung Abgrenzung des Phänomenbereiches

Relativsätze und ihre Einteilung 3.1.1 Kennzeichen eines RS 3.1.2 Nicht-/Restriktivität als semantisches Konzept Zur Phono-Syntax der RS 3.2.1 Phonologisch-prosodische Gesichtspunkte 3.2.2 Gesichtspunkte der internen Syntax 3.2.3 Gesichtspunkte der externen Syntax 3.2.4 Theoretische Ansätze zur Strukturanalyse der RS 3.2.5 Zusammenfassung Zur Semantik der RS 3.3.1 Kriterien fur NichWRestriktivität 3.3.2 Zur Interpretation des RS 3.3.3 Präsuppositionales Verhalten der RS 3.3.4 Zusammenfassung Zur Illokutions-und Informationsstruktur der RS 3.4.1 Illokutionsanzeigende Phänomene 3.4.2 Informationsstruktur 3.4.3 Zusammenfassung Zusammenfassung des Kapitels

Phono-Syntax der wRS

71

4.1

73 73

Phonologisch-Prosodische Eigenschaften 4.1.1 Identifizierbare Pause nach dem wRS

viii

Inhaltsverzeichnis

4.2

4.3

4.4

4.5

4.6

4.7 5

4.1.2 Weitgehend unabhängige Akzentstruktur 73 Wurzelsatzcharakteristika 74 4.2.1 Auftreten wurzelsatztypischer Ausdrücke 74 4.2.2 Satztyp 74 4.2.3 Umformbarkeit in einen Hauptsatz 75 Exkurs: Unintegrierte Parenthesen 76 Weitere typische syntaktische Eigenschaften 79 4.3.1 Bezugsgröße 79 4.3.2 Pronominalisierung 79 4.3.3 Extraktion 80 Zur linken Peripherie der wRS 81 4.4.1 Inventar der overten wRS-einleitenden Ausdrücke 81 4.4.2 Funktion des wRS-einleitenden Ausdrucks innerhalb des wRS . . 84 Exkurs: Pronominales es 86 4.4.3 Bezugsverhältnisse in der wRS-Konstruktion 101 4.4.4 Zusammenfassung 109 Fokus-Hintergrund-Struktur 111 4.5.1 Projektion des F-Merkmals und fokussensitive Partikeln 111 4.5.2 Heuristiken zur Fokuskontrolle 112 Zur Rolle der wRS im komplexen Satz 113 4.6.1 Satzgefüge im Deutschen 115 4.6.2 Unintegriertheit der wRS 119 Zusammenfassung des Kapitels 131

Semantik und Diskursstruktur der wRS 5.1

5.2

5.3

5.4

5.5

Eine Kurzeinfuhrung in die DRT 5.1.1 Informeller Überblick 5.1.2 Formalisierung der DRS-Interpretation i/-wRS-spezifische semantische Aspekte 5.2.1 Interpretation der Bezugsgröße 5.2.2 Temporale Beziehungen in der c/-wRS-Konstruktion 5.2.3 Zusammenfassung w-wRS-spezifische semantische Aspekte 5.3.1 Tatsachenbezug? 5.3.2 Abstrakte Objekte nach Asher (1993) 5.3.3 Zur Interpretation der was-wRS 5.3.4 Zur Interpretation der vv-wRS mit w-Adverbien 5.3.5 Zur Interpretation der w-wRS mit komplexen w-Ausdrücken 5.3.6 Zusammenfassung Diskursorganisation 5.4.1 Diskursrelationale Aspekte 5.4.2 Quaestio und Gewichtung 5.4.3 Zusammenfassung Zusammenfassung des Kapitels

133 134 134 142 145 145 153 163 164 165 168 178 200 . . .204 205 206 206 213 215 215

Inhaltsverzeichnis 6

HPSG-theoretische Analyse der wRS

217

6.1 6.2

217 219 219 220 221 224 227 232 232 233 237 241 242 243 243 244 245 254 256 257 270 281 283 300 301

6.3

6.4

6.5 7

ix

HPSG - Eine constraintbasierte Grammatiktheorie Grundzüge eines HPSG-Grammatikfragments 6.2.1 Köpfe und Selektion 6.2.2 Argumentstruktur 6.2.3 Konstituentenstruktur 6.2.4 Semantische Komponente: HPSG mit DRT 6.2.5 Die deutsche Satzstruktur in HPSG 6.2.6 Zusammenfassung Vorhandene RS-Analysen in der HPSG 6.3.1 Phrasenstrukturell 6.3.2 Konstruktionsbasiert 6.3.3 Anmerkungen zur Analyse der linken Peripherie 6.3.4 Anmerkungen zum REL-Merkmal 6.3.5 Zusammenfassung Zur Analyse der wRS in HPSG 6.4.1 Interne Satzstruktur der wRS 6.4.2 Satztypologische Einordnung der wRS 6.4.3 Externe Anbindung der wRS 6.4.4 Der Relativierer für nicht-restriktive RS: Syntax 6.4.5 Grundlagen der semantischen Modellierung 6.4.6 Zur Analyse der Relativausdrücke 6.4.7 Der Relativierer für nicht-restriktive RS: Semantik 6.4.8 Ausgewählte RS-Analysen 6.4.9 Zusammenfassung Zusammenfassung des Kapitels

Schlußbemerkung

Literaturverzeichnis

303 307

1

Einleitung

Im Zentrum dieser Arbeit stehen Sätze wie (1), die in der Literatur unter dem Stichwort 'weiterführender Nebensatz' behandelt werden. (1) a. Otto gab Emil ein Buch, das er dann in die Bibliothek brachte. b. Anna gewann die Schachpartie, was Peter maßlos ärgerte. c. Max hat sich das Bein gebrochen, weswegen er im Krankenhaus liegt. Die Diversität der Beispiele deutet bereits darauf hin, daß der Phänomenbereich der weiterführenden Relativsätze, unter welchem Terminus die Sätze in (1) zusammengefaßt werden, alles andere als klar umrissen ist. So ist es nicht verwunderlich, daß bisher weder eine einheitliche empirische Beschreibung noch eine grammatiktheoretische Analyse dieser Klasse von Sätzen vorliegt. Diese Lücken zu schließen ist Ziel dieser Arbeit. Dabei wird folgendermaßen vorgegangen: Die weiterführenden Relativsätze (im folgenden wRS) werden zunächst hinsichtlich ihrer empirischen Eigenschaften systematisch untersucht. Dabei soll u.a. geklärt werden, inwieweit die wRS Relativsatzeigenschaften aufweisen, welche wRS-Varianten unterschieden werden können, wie diese im einzelnen grammatisch zu charakterisieren sind und woraus die sog. Weiterfiihrung erwächst. Danach werden die ermittelten Daten im Rahmen einer constraintbasierten Grammatiktheorie, der Head-Driven Phrase Structure Grammar (im folgenden HPSG), formalisiert. Es geht also insgesamt um eine präzise Beschreibung der wRS. Ausgangspunkt ist hierbei die folgende Hypothese, die im Verlauf der Arbeit motiviert und überprüft werden wird: HYPOTHESE Ein wRS ist ein anapherneingeleiteter, nicht-restriktiver Relativsatz mit folgenden grammatischen Eigenschaften: • Syntaktisch knüpft der wRS an eine sententiale Bezugsgröße an, ohne selbst eingebettet zu sein. • Semantisch bezieht sich der wRS auf Individuen oder Abstrakta verschiedenen Typs, die in seiner syntaktischen Bezugsgröße enthalten sind, wobei eine zusätzliche adverbiale Relation zum semantischen Antezedens etabliert sein kann. Der wRS selbst hat propositionale Bedeutung.

2

1. Einleitung • Im Diskurs übt der wRS eine strukturierende und kohärenzstiftende Funktion aus, da zwischen dem wRS und seinem Bezugssatz eine symmetrische Diskursrelation etabliert ist.

Die Arbeit setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Im ersten Teil der Arbeit wird unter Maßgabe der obigen Hypothese ein Gesamtbild der grammatischen Eigenschaften der wRS entworfen, während im zweiten Teil die bezüglich der wRS gewonnenen empirischtheoretischen Erkenntnisse in die HPSG implementiert werden. Nach dieser Einleitung gibt Kapitel 2 einen Überblick über den Stand der Forschung bezüglich der weiterfuhrenden Nebensätze. Da diese Klasse von Sätzen vor allem in der germanistischen Literatur bzw. in der Grammatikschreibung thematisiert wird, stehen die dort gewonnenen Erkenntnisse im Vordergrund des Kapitels. In der theoretischen Literatur finden die weiterfuhrenden Nebensätze, was zumindest das Deutsche angeht, relativ wenig Beachtung. Die einzige Ausnahme stellt die Arbeit von Brandt (1990) dar. Sie wird daher hier ausführlich referiert und kritisch diskutiert. Bei der Darstellung des Forschungsstandes wird sich herausstellen, daß zu der Klasse der weiterführenden Nebensätze neben Sätzen wie (1) mitunter auch andere, z.B. bestimmte Konjunktionalsätze, gerechnet werden. Am Schluß des Kapitels wird deswegen der Phänomenbereich, der Gegenstand dieser Arbeit sein soll, auf die weiterführenden Relativsätze beschränkt. In Kapitel 3 werden die grammatischen Merkmale der Nicht-Restriktivität identifiziert. Anhand der Gegenüberstellung von restriktiven und appositiven Relativsätzen werden phono-syntaktische, semantische und diskursstrukturelle Kriterien ausgearbeitet, die zur Ermittlung der Nicht-Restriktivität eines Relativsatzes und damit zum Nachweis der Nicht-Restriktivität der wRS benutzt werden können. Ein wichtiges Ergebnis des Kapitels ist, daß nicht alle der gemeinhin zur Distinktion zwischen restriktiven und appositiven Relativsätzen herangezogenen Mittel tatsächlich als solche nutzbar sind. Kapitel 4 ist das erste zweier Kapitel, die sich mit den empirischen Aspekten der wRS beschäftigen, wobei die jeweiligen empirischen Beobachtungen wo nötig in entsprechende theoretische Zusammenhänge eingebettet werden. Neben den phonologischen Eigenschaften werden in Kap. 4 vor allem die syntaktischen Eigenschaften der wRS untersucht. So wird der wurzelsatztypische Charakter der wRS nachgewiesen und die linke Peripherie der wRS analysiert, was insbesondere eine ausführliche Beschreibung des Inventars der wRS-einleitenden Ausdrücke und ihrer syntaktischen Funktion einschließt. Im Ergebnis dessen werden zwei Konstruktionsvarianten was-eingeleiteter wRS unterschieden. Am Ende des Kapitels wird auf die Frage eingegangen, welche Rolle den wRS im komplexen Satz zukommt und in welchem Verhältnis sie zu anderen Relativ- bzw. Nebensatzformen stehen. Die Diskussion mündet in eine merkmalsbasierte Satztypologie, wobei die wRS als abhängige, aber nicht-eingebettete und nicht-integrierte Sätze eingestuft werden. Kapitel 5 widmet sich den semantischen und diskursstrukturellen Eigenschaften der wRS. Unter Rückgriff auf die Discourse Representation Theory (im folgenden DRT) werden die spezifischen diskurssemantischen Eigenschaften der wRS untersucht. Dabei stehen bei den sog. J-wRS neben den semantischen Eigenschaften der Bezugsgröße insbesondere die temporalsemantischen Verhältnisse zwischen Bezugssatz und Relativsatz im Vordergrund. Anhand von Klein (1994) werden drei semantische Bedingungen formuliert, die es ermöglichen, die weiterführenden Relativsätze von den appositiven abzugrenzen. Hinsichtlich der sog. w-wRS werden die möglichen semantischen Antezedentien der

3 einleitenden Relativanapher identifiziert und klassifiziert. Ferner wird untersucht, welchen Restriktionen der w-Bezug unterliegt. Die anaphorische Beziehung zwischen der wRS-einleitenden Relativanapher und ihrer semantischen Bezugsgröße wird einheitlich im Rahmen der Theorie von Asher (1993) analysiert: Die wRS-einleitende Relativanapher wird in Abhängigkeit vom Typ des von ihr eingeführten Diskursreferenten durch die jeweilige semantische Bezugsgröße resolviert bzw. charakterisiert. Das Kapitel wird mit einer Untersuchung der Diskursstruktur in der wRS-Konstruktion abgeschlossen. Hierbei wird herausgearbeitet, daß in der wRS-Konstruktion eine symmetrische Diskursrelation zwischen Bezugssatz und wRS etabliert sein muß. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen im Rahmen der HPSG-Theorie (Pollard und Sag, 1994) modelliert. Es wird gezeigt werden, daß die wRS einer Analyse bedürfen, die von bisherigen Ansätzen zur Relativsatzbeschreibung in der HPSG nicht geleistet werden kann. Daher wird eine neue phrasenstrukturelle Analyse vorgeschlagen, die auf einem phonologisch leeren nicht-restriktiven Relativierer basiert. Die zentrale strukturelle Annahme ist, daß nicht-restriktive Relativsätze über ein nichtrestriktives Modifikationsmerkmal an ihren Bezugssatz anknüpfen. Außerdem wird gezeigt, wie die in Kap. 4 entworfene Satztypologie HPSG-theoretisch gefaßt werden kann, wodurch es möglich wird, die wRS analytisch von den restriktiven Relativsätzen abzugrenzen. Die semantische Analyse der wRS basiert auf Frank und Reyle (1995), die die DRT als semantische Komponente in die HPSG integrieren. Ihr Ansatz wird so weiterentwickelt, daß die in Kap. 5 präsentierten DR-theoretischen Analysen für die wRSKonstruktion auch in der HPSG vorgenommen werden können. Auf diese Weise wird das Bild der wRS-Grammatik komplettiert.

2

Das Phänomen

Der Begriff'weiterführender Nebensatz' (im folgenden wNS) wurde von Behaghel (1928) geprägt, der ihn vor allem zur inhaltlichen Unterscheidung von hauptsächlich nomenbezogenen, aber auch satzbezogenen Relativsätzen benutzte. 1 Meines Wissens hat sich der Begriff nur in der germanistischen Literatur etabliert.2 Allen Definitionsversuchen gemeinsam ist die implizite oder explizite Annahme, daß der weiterführende Satz Nebensatzcharakter hat, aber wie ein selbständiger Satz verwendet wird und daher mit dem Bezugssatz gleichwertig ist. In den einschlägigen Grammatiken wird bei der Darstellung der wNS von der gegenseitigen Austauschbarkeit des wNS und seines Bezugssatzes, von der inhaltlichen Selbständigkeit des wNS, von seiner lockeren Anfügung an den Bezugssatz oder von der Einführung eines thematisch neuen Sachverhaltes durch den wNS gesprochen. Begriffsbestimmungen dieser Art sind selbstredend nicht befriedigend. Zurecht konstatiert schon (Heibig, 1980,13): "Für die Beschreibung der wNS ist in den grammatischen Darstellungen eine unverkennbare Unsicherheit und verwirrende Uneinheitlichkeit zu beobachten." Seither hat sich an diesem Zustand, abgesehen von der Dissertation von Brandt (1990), nicht viel geändert. Die vorliegende Arbeit soll hier Abhilfe schaffen.

2.1

Philologisch-linguistische Beschreibungsansätze

Die Klasse derjenigen Sätze, die in den einschlägigen Grammatiken oder in entsprechenden Einzelstudien als wNS bezeichnet werden, ist äußerst heterogen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, daß der Begriff 'weiterführender Nebensatz' nur sehr vage bestimmt wird. Die Kriterien, mittels derer entschieden wird, ob ein Satz zu den wNS gehört oder nicht, sind oft disparat, weswegen Sätze ganz unterschiedlichen Typs zu den wNS gerechnet werden. Heibig (1980) gibt hierüber erstmalig einen umfassenderen Überblick. 1 In anderem Zusammenhang findet man auch schon bei Paul (1920) die bekannten Beispielsätze. Er unterscheidet sie durch die Begriffe 'definierender' (i) und 'nicht-definierender' (ii) Relativsatz: (i) Ich begegnete dem Manne, bei dem ich mich gestern nach dem Weg erkundigt hatte. (ii) Ich begegnete einem Manne, bei dem ich mich nach dem Weg erkundigte. 2 In der Literatur zum Englischen wird für ein teilweise vergleichbares Phänomen der Begriff continuative clause benutzt.

6

2. Das Phänomen

Seit Helbigs Bestandsaufnahme sind mehr als 20 Jahre vergangen, an der mißlichen Situation hat sich jedoch nichts Grundlegendes geändert. Eine übersichtliche Darstellung der unterschiedlichen Bestimmungen der Klasse der wNS ist insofern schwierig, als viele Verfasser ihr Verständnis von der Klasse der wNS nicht klar explizieren. Dennoch soll anhand ausgewählter jüngerer deutscher Grammatiken und maßgeblicher Einzelarbeiten zum Thema wNS versucht werden, eine grobe Strukturierung der verschiedenen Ansätze vorzunehmen. Hierbei werden die einzelnen Ansätze dahingehend unterteilt, ob der wNS-Begriff primär syntaktisch, primär semantisch oder primär pragmatisch geprägt ist, vgl. auch Brandt (1990). In den Abschn. 2.1.1 bis 2.1.3 werden vor dem Hintergrund dieser Klassifizierung die einschlägigen Ansätze besprochen. Danach wird in Abschn. 2.2 der durch die Arbeit abgedeckte Phänomenbereich festgelegt.

2.1.1

Syntaktisch orientierter wNS-Begriff

Unter der primär syntaktischen Sichtweise gelten i.a. nur satzbezogene Nebensätze wie (lb) und (lc), nicht aber nomenbezogene Nebensätze wie (la) als weiterführend. Eine syntaktisch orientierte Auffassung vertreten z.B. Heibig (1980), Jüttner (1981), Jung (1984) und gewissermaßen auch Zifonun et al. (1997). Obwohl nicht alle Autoren die wNS gleichermaßen umfassend beschreiben und entsprechend nicht alle Kriterien anlegen, läßt sich sagen, daß den satzbezogenen wNS tendentiell die in (2) vermerkten Eigenschaften zugeschrieben werden. Die Kriterien sind vor allem syntaktisch ausgerichtet, teilweise werden aber auch inhaltliche Aspekte berührt, insbesondere in (2f) und (2g). (2) a. b. c. d. e. f. g.

satzbezogen: fehlendes Bezugswort/Korrelat im übergeordneten Satz initiales w-Wort: Pronomen, (Pronominal-)Adverb, Konjunktion syntaktisch untergeordnet, aber kein Glied(teil)satz übergeordneter Satz in Satzglied des wNS transformierbar platzfest: obligatorische Schlußstellung (quasi-)koordinativ paraphrasierbar durch demonstrativ eingeleiteten Hauptsatz bzw. konjunktional eingeleiteten, subordinierten Inhalts-/Verhältnissatz

Am spärlichsten fallt die Charakterisierung der wNS bei Jung (1984) aus, da er die wNS eher am Rande seiner Grammtikdarstellung behandelt. Er sieht die Eigenschaften (2a), (2b) und (2c) als die für die wNS typischen an und schreibt nur: "Es gibt Nebensätze, die keinem Satzglied oder Gliedteil entsprechen. Sie stellen einen neuen Sachverhalt dar, der neben dem im Hauptsatz dargestellten selbständig existiert und eigentlich einen neuen selbständigen Satz verlangt. Solche Nebensätze besitzen auch kein Korrelat im übergeordneten Satz." (Jung, 1984, 42). Damit stellt Jung (1984) die Klasse der wNS den beiden übrigen Klassen, Gliedsätze und Gliedteilsätze, als dritte gegenüber. Dieses syntaktische Kriterium ist für Jung (1984) maßgeblich, er erwähnt aber auch, daß "in Satzgefügen mit weiterführenden Nebensätzen bestimmte gedankliche Zusammenhänge

2.1 Philologisch-linguistische

Beschreibungsansätze

7

zwischen den dargestellten Sachverhalten (z.B. Wirkung, Folgerung, Gegensatz) ausgedrückt [werden]." (Jung, 1984, 43). In gleicher Weise verfahrt Jüttner (1981). Er räumt den wNS allerdings innerhalb der Grundzüge einer deutschen Grammatik mehr Platz ein und weicht teilweise von den in (2) angegebenen Merkmalen der wNS ab. So stellt er im Gegensatz zu (2d) eine fehlende syntaktische Funktion des wNS im Bezugssatz fest. Die Satzbezogenheit der wNS stellt aber auch Jüttner (1981) außer Frage. In Übereinstimmung mit (2b) respektive (2e) konstatiert er zudem die Anwesenheit einer Pro-Form bzw. einer subordinierenden Form sowie die finale (oder parenthetische) Stellung des wNS innerhalb des zusammengesetzten Satzes. Darüber hinaus beobachtet er, daß zwischen den Propositionen der jeweiligen Sätze eine (semantische) Beziehung ausgedrückt werden kann. Außerdem weitet Jüttner (1981) den wNS-Begriff aus, d.h., er zählt grundsätzlich alle zweiten (Teil-)Sätze in (3) zu den wNS, was zu der ungewöhnlichen Sicht führt, daß auch die unabhängigen Sätze in (3a) und (3c) Nebensätze sein müssen. Da in (3a) und (3c) der zweite Satz jeweils isoliert ist, widerspricht dies aber wiederum folgender Aussage von (Jüttner, 1981): "Der Begriff Nebensatz ist Oberbegriff für alle Sätze, die weder Hauptsätze noch isolierte oder koordinierte selbständige Sätze sind. Er umfaßt neben den Gliedsätzen auch die Gliedteilsätze und die weiterführenden Nebensätze." 3 Jüttner (1981) klärt diesen Widerspruch nicht auf. (3) a. Hans ist gekommen. Darüber habe ich mich gefreut. b. Hans ist gekommen, worüber ich mich gefreut habe. c. Hans ist gekommen. Das hat mich gefreut. d. Hans ist gekommen, was mich gefreut hat. Der zentrale Begriff bei Jüttners Festlegung der Klasse der wNS ist der der 'quasikoordinativen Verknüpfung', die (Jüttner, 1981, 787f.) folgendermaßen bestimmt: • Im Unterschied zur koordinativen Verknüpfung gibt es kein koordinatives Verknüpfungszeichen. • Eine (pronominale/proadverbielle) Pro-Form verweist auf den Partnersatz. Sie nimn eine Satzgliedstelle ein, bezieht sich auf einen vorausgehenden Satz und bringt zum Ausdruck, daß der Satz, den die Pro-Form einleitet, in einem bestimmten Verhältnis zum vorausgehenden Satz steht. • Die verknüpften Sätze sind durch Verbzweitstellung gekennzeichnet. • Keiner der verknüpften Sätze hat eine syntaktische Funktion im jeweils anderen Satz. Daß es sich in allen Sätzen in (3) um wNS handeln muß, folgt - abgesehen vom Verbstellungskriterium - auch aus dieser Festlegung des Begriffs 'quasi-koordinativ'. Die quasikoordinative Verknüpfung ist jedoch kein hinreichendes Kriterium für einen wNS, denn 3 Wenn es sich in (3a) und (3c) um wNS handelt, dann muß es sich auch um Nebensätze handeln. Infolgedessen kann Verbzweitstellung für Jüttner (1981) kein Kriterium für den Hauptsatzstatus sein.

8

2. Das Phänomen

"wNS sind Abwandlungen quasi-koordinativer Verknüpfungen. In einigen Fällen entsprechen den pronominalen Formen subordinierende Formen, die einen Satz platzfest einleiten und Endstellung der finiten Verbform bewirken. Dadurch wird die Quasi-Koordination aufgegeben: der wNS hat jedoch keine syntaktische Funktion in dem Satz, auf den er sich bezieht." (Jüttner, 1981, 787). Insgesamt bettet Jüttner (1981) den wNS-Begriff in keinen theoretischen Zusammenhang ein. Heibig (1980) setzt sich neben Brandt (1990) am umfassendsten mit den wNS auseinander. Genaugenommen werden die in (2) aufgelisteten Eigenschaften der wNS in diesem Umfang erstmalig von Heibig (1980) zusammengestellt. Die Abgrenzung der Klasse der wNS erachtet er nur dann als möglich, wenn die in (2) aufgeführten Merkmale in ihrer Summe zutreffen, weswegen er die Unzulänglichkeiten der Kriterien (2d) und (2g) 4 vernachlässigt. Obwohl Heibig die syntaktischen Kriterien in den Vordergrund stellt, sieht er als das Wesen der wNS ihre inhaltliche Selbständigkeit an und verknüpft somit syntaktische und semantische Aspekte bei der Charakterisierung der wNS. Mittels der Kriterien macht Heibig (1980) typische und weniger typische Vertreter der Klasse der wNS aus. Als den Kernbereich sieht er Sätze wie (4) an, zu der Peripherie zählt er Sätze des Typs (5). Nomenbezogene wNS, redesituierende vWe-Sätze und konsekutive so-daß-Sätze wie in (6) nimmt er ganz von den wNS aus.5 Sie alle ordnet er einer unspezifischen Klasse X von Sätzen zu, die er neben den Klassen Gliedsätze, Gliedteilsätze und wNS stipuliert und die eine Art Auffangbecken für alle diejenigen Sätze darstellt, die keiner der drei genannten Klassen zuordbar sind. 6 (4) a. Der Fußballspieler beleidigte den Schiedsrichter, was zu seinem Ausschluß führte. ( O S "C CA 1> Pi u •fl 0(Zî 1 s on

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B O s K" ist eine komplexe Bedingung von K dann ist y zugänglich von x in K 0 . (iv) Andernfalls ist y nicht zugänglich von x in K ö . Gemäß der Definition 4 ist ein Diskursreferent, der in einer eingebetteten DRS eingeführt wurde, für den nachfolgenden Diskurs nicht zugänglich. Da neben den Quantoren auch die Negation eine komplexe Bedingung einführt, ist es beispielsweise nicht möglich ihn in (263) anaphorisch auf einen Kater zu beziehen. Dies wird in der zugehörigen DRS (Kl3) deutlich. (Kl3) enthält eine unvollständige Bedingung, die nicht aufgelöst werden kann, denn der Diskursreferent y ist wegen der Negation nicht zugänglich. Die DRS ist somit nicht wohlgeformt. (263) * Maria füttert keinen Kater. Sie liebt ihn. X, z,

u

Maria(x) y —1 Kater(y) (Kl 3) füttern(x, y) lieben(z, u) z=x u=? Diese kurze Einführung in die DRT soll mit einigen wichtigen formalen Aspekten der DRS-Interpretation abgeschlossen werden. Die vollständige DR-theoretische Formalisierung findet sich in Asher (1993, 95ff.). 9

Der diskurssemantische Begriff der Zugänglichkeit ist analog, aber nicht äquivalent zum syntaktischen Begriff des k-Kommandos.

142

5. Semantik und Diskursstruktur der wRS

5.1.2

Formalisierung der DRS-Interpretation

Die formalen Aspekte, die hier herausgegriffen werden, umfassen neben dem Vokabular der DRS-Sprache vor allem die Definition der DRS und wesentliche Teile der Modelltheorie. 5.1.2.1

Vokabular der DRS-Sprache

Im folgenden werden die verwendeten objektsprachlichen und metalinguistischen Symbole eingeführt: Symbole der Objektsprache: x, y,xu... e,

eu...

K, K', K; , . . . u, x, y, z, x J v .. e, e J v .. schubsen(_,_), Kind(_), etc.

Diskursreferentvariablen für Individuen/ereignisartige Objekte Diskursreferentvariablen für ereignisartige Objekte (Ereignisse/Zustände) DRSen Variablen für prädikative DRSen Diskursreferenten (Individuen) Diskursreferenten (Ereignisse/Zustände) DRT-Prädikate DRS-Operatoren

Metalinguistische Symbole: x, y, z , x j , . . . e, e i v . . x,y,. • • e, elf... K2, e-K und

5.1 Eine Kurzeinführung in die DRT

143

(iv) Eine DRS ist ein Paar , wobei U die Menge der Diskursreferenten und Con die Menge der Diskursbedingungen darstellt. Diskursbedingungen, die Sub-DRSen enthalten, sind komplexe Bedingungen; Diskursbedingungen, die keine Sub-DRSen enthalten, sind atomare Bedingungen. Eine atomare DRS enthält nur atomare Bedingungen, andernfalls ist sie komplex. 5.1.2.3

Modelltheorie

Die ursprüngliche Modelltheorie der DRT ist extensional. Asher (1993) fügt DRT-Bedeutungen Intensionen (in bezug auf Welten und Zeiten) hinzu, insbesondere um auch propositionale Einstellungen erfassen zu können. 10 Die hier angeführten Definitionen sind Asher (1993, 96ff.) entnommmen. DEFINITION 6 (Modell M für eine intensionale DRS) Ein Modell M für eine intensionale DRS , wobei

ist

ein

Quintupel

(i) W und T sind nicht-leere Mengen (die Menge der Welten bzw. der Zeiten). (ii) D ist eine Funktion von WXT in einen nicht-leeren, atomaren Verband. (D

(iii) E ist eine Funktion von WX T in eine durch die Inklusionsrelation C partiell geordnete Menge von ereignisartigen Objekten, derart daß 3e' € EVe G E\/ Xj,.. .,xn(tp(e, Xi,.. ,,x„) —» e C e'), falls ip eine Beschreibung eines ereignisartigen Objektes ist. (E ist die Domäne der ereignisartigen Objekte in w zu t). (iv) [ J ist eine Interpretationsfunktion, die DRS-Prädikaten Funktionen 5 zuweist, derart daß für G WXT8() G p( U n£ui(Dom())n). Symbolen für Quantorenrelationen weist | ] Funktionen 7 zu, derart daß für G WX T 7() G p p(|J neADom())n), wobeiDom() =D\jE Eine einbettende Funktion g erweitert eine einbettende Funktion / bezogen auf K in M zu (notiert als g DK / ) , falls Dom(g) = Dom(f)\jU K, gD f . Man kann auch sagen, daß g f bezogen auf eine Menge von Diskursreferenten erweitert. 10 Siehe auch Roberts (1986) für eine Ausweitung der DRT-Modelltheorie auf intensionale Modelle.

144

5. Semantik und Diskursstruktur der wRS

Ein externer Anker für K in M ist als partielle Funktion von U ^ in U < 1 U t>eWXr (Dom ()) U T definiert, derart daß A(n) gleich der Äußerungszeit des Diskurses, falls n G U K , und A(i) gleich dem Sprecher des Diskurses ist, falls i e U ^ . Eine verifizierende Einbettung / von K in M zu (notiert als [ / , K ] ^ t ) wird in bezug auf einen (möglicherweise leeren) externen Anker A für K in M definiert. Die Erfullungsrelation zwischen einem Modell M und einer Bedingung wird in bezug auf eine einbettende Funktion / für die DRS, in der die Bedingung zu auftritt (notiert als (M, w, t) |=/), definiert. DEFINITION 7 (Verifizierende Einbettung und Erfullungsrelation) (i) Falls ip eine atomare Bedingung der Form ja/-Komplement selegiert, dann ist (371b) nicht zulässig, weil der Kopf des Komplements des initialen Verbs ein als compl ausgezeichneter Komplementierer ist, die Sorten compl und verbfinal aber unvereinbar sind.

6.2.6

Zusammenfassung

In diesem Abschnitt wurde in die wichtigsten Konzepte der HPSG-Theorie eingeführt, wobei insbesondere die Aspekte herausgegriffen worden sind, die für die weitere wRSDiskussion von Bedeutung sind. So wurden nach der Diskussion der Argument- und Konstituentenstruktur vor allem die Semantikkomponente und eine Satzstrukturanalyse des Deutschen vorgestellt.

6.3

Vorhandene RS-Analysen in der HPSG

In der HPSG sind grundsätzlich zwei Ansätze zur Beschreibung der RS entwickelt worden, die hier 'phrasenstrukturell' respektive 'konstruktionsbasiert' genannt werden sollen. Phrasenstrukturelle Analysen gründen sich auf Pollard und Sag (1994), während konstruktionsbasierte Analysen auf Sag (1997) zurückgehen. Beide Ansätze werden kurz vorgestellt, wobei herausgearbeitet wird, daß ein phrasenstruktureller Ansatz einem konstruktionsbasierten, zumindest für das Deutsche, vorzuziehen ist. Interrogativsätzen. 27 Für eine genaue Erläuterung dieses Zusammenhang siehe Holler-Feldhaus (2001). 28 Siehe Holler-Feldhaus (2001). Dort wird auch auf die süddeutschen Beispiele wie Peter will wissen, wer daß zur Party kommt eingegangen, die kein Gegenbeispiel gegen die hier präsentierte Analyse darstellen, da es gute Gründe für die Annahme gibt, daß der da/?-Komplementierer ein zum deklarativen daß homonymer Interrogativkomplementierer ist.

6.3 Vorhandene RS-Analysen in der HPSG

6.3.1

233

Phrasenstrukturell

Eine phrasenstrukturelle Analyse basiert auf der Annahme, daß sich die RS-Struktur aus einer allgemeinen Phrasenstruktur ergibt und daß die RS-spezifischen Eigenschaften aus den lexikalischen Eigenschaften ausgezeichneter Elemente (wie z.B. dem Relativpronomen oder dem Relativierer) bzw. aus bestimmten Selektionsmechanismen abzuleiten sind. Exemplarisch werden hier die Analysen von Pollard und Sag (1994) und von Netter (1996) diskutiert. 6.3.1.1

Pollard und Sag (1994)

Pollard und Sag (1994) führen in die Grammatik eine neue syntaktische Kategorie relative clause (RC) ein. Der Kopf dieser Kategorie ist ein phonologisch leerer Relativierer, der über seine SUBCAT-Liste zwei Argumente fordert: Das erste Argument entspricht der Relativphrase und das zweite Argument dem verbleibenden 'Rumpf' des RS, also dem RS ohne die Relativphrase. Durch den lexikalischen Eintrag des Relativierers wird der LOCAL-Wert der Relativphrase mit dem SLASH-Wert des RS-Rumpfes identifiziert. An den RS-Rumpf wird weiterhin die Forderung gestellt, daß er aus einem finiten, unmarkierten Satz hervorgegangen ist, d.h. insbesondere, daß der Satz nicht von einem Komplementierer eingeleitet sein darf. Der Relativierer verknüpft aber nicht nur Relativphrase und RS-Rumpf, sondern etabliert auch die Beziehung zwischen dem RS und seinem (im betrachteten Fall nominalen) Antezedens. Dabei handelt es sich um eine Modifikationsbeziehung, weswegen das Antezedens über ein MOD-Merkmal selegiert wird. Um die Kongruenz zwischen dem Relativpronomen und dem (nominalen) Antezedens herstellen zu können und um anzuzeigen, daß in einer Phrase ein Relativpronomen enthalten ist, wird ein weiteres, sog. RELMerkmal benutzt. Der Wert dieses «o«/oca/-Merkmals - im übrigen eine Menge referentieller Indizes, die die relevante Kongruenzinfomation enthalten - perkoliert innerhalb der Relativphrase vom Relativpronomen zur maximalen Projektion. Über die Modifikationsbeziehung wird der Wert des INDEX-Merkmals des in REL enthaltenen Objektes mit dem INDEX-Wert des nominalen Antezedens identifiziert. Außerdem wird die semantische Information dieses Objektes mit dem semantischen Wert des nominalen Antezedens vereinigt. Der Lexikoneintrag des leeren Relativierers in Abb. 6.13 stellt die beschriebenen Zusammenhänge graphisch dar. In der Analyse von Pollard und Sag (1994) kommen dem Relativierer darüber hinaus noch zwei wichtige Aufgaben zu: Erstens, um das Nonlocal Feature Principie (NFP) zu erfüllen und um eine SLASH-Perkolation über den RS hinaus zu verhindern, bindet der leere Relativierer über den sog. INHERLTED-ToBiND-Mechanismus den TOBIND|SLASH-Wert innerhalb des RS. Zweitens, um zu verhindern, daß das REL-Merkmal über den Anknüpfungspunkt zwischen RS und nominalem Antezedens hinaus projiziert, restringiert der leere Relativierer das modifizierte Kopfnomen dahingehend, daß es einen TO-BIND|REL-Wert aufweisen muß, der identisch ist mit d e m INHERITED|REL-Wert der

Relativphrase. 29

29 Netter (1996, 259) weist darauf hin, daß diese Restriktion konfliktträchtig für die Definition von

234

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS rltvzr HEAD CAT LOC

XT. r i rrrm riNDExQJ MOD N TO-BD REL < Li] } : r-, RESTRli)

SUBC ([LOC

INHER | REL {HI}],

S \jin, unmarked, INHER | SLASH { 0 } ] : 0 ) INDEX Q] CONT cp-.-. p., RESTR {[5]}u[3] NLOC | TO-BD | SLASH { S }

Abbildung 6.13: SYNSEM-Wert des leeren Relativierers nach Pollard und Sag (1994)

Die Analyse von Pollard und Sag (1994) wird in Abb. 6.14 anhand des einfachen Beispiels (372) veranschaulicht. (372) Mann, an den Maria gedacht hat

N'

0N'

LOC|CONT|IDX0 NLOC|TO-BIND|REL

"LOC|CONT|IDX[D N L O C | I N H E R | R E L {}_

RP

{HL}

LOC|...|MOD[I] NLOC|INHER|REL{[D}

I Mann 0PP

LOC|CONT|IDXQ]

SUBC ( M

[LOCS])

NLOC|INHER|REL{U1}

LOC|CONT|IDX[J] NLOC|INHER|REL{U1}

an

I den

R 0

I e

S[NLOC|INHER|SLASH|H

I Maria gedacht hat

Abbildung 6.14: Analyse für den restriktiven RS (372) nach Pollard und Sag (1994) Der Relativierer kombiniert über das Subkategorisierungsprinzip mit zwei Komplementen: zuerst mit einem S[NLOC|LNHERLTED|SLASH {XP}]-Komplement Maria gedacht Nomen ist, denn man muß annehmen, daß alle Nomen einen zwischen der leeren Menge und einer nicht-leeren Menge disjunktiven REL|TO-BiND-Wert aufweisen. Man könnte also auch gleich sagen, daß jedes Nomen optional einen RS selegiert.

6.3 Vorhandene RS-Analysen in der HPSG

235

hat, danach mit der vorangestellten Relativphrase an den. Im Anschluß daran wird der RS mit seinem Antezedens Mann über das HEAD-ADJUNCT-Schema bzw. die MOD-Klausel des Selektionsprinzips verknüpft. Der RS-Ansatz von Pollard und Sag (1994) ist, soweit die Komplementation betroffen ist, nicht ohne weiteres mit der HPSGIII, vgl. Pollard und Sag (1994, Kap. 9), kompatibel. Unter der Annahme, daß die Relativphrase als einziges Komplement des RS-Kopfes (d.i. der Relativierer) fungiert, das links von diesem realisiert wird, muß man die Relativphrase mehr oder weniger zwangsläufig als Subjekt ansehen. Das aber steht im Widerspruch zu dem vorausgesetzten homogenen Bild über Subjekte. Eine mögliche Lösung für dieses Problem besteht darin, eine flache Struktur anzunehmen, in der der leere Relativierer links von seinen beiden Komplementen steht, die ihrerseits durch eine LP-Regel zueinander geordnet werden. Eine solche Analyse haben z.B. Lappin und Gregory (1998) vorgeschlagen. 6.3.1.2

Netter (1996)

Eine Alternative zu dem Ansatz von Pollard und Sag (1994) arbeitet Netter (1996) aus. Er schlägt vor, das «o«/oca/-Merkmal REL in ein Selektionsmerkmal umzufunktionieren, dessen Argument das (nominale) Antezedens ist. Damit bekommt REL den gleichen Status wie die Selektionsmerkmale S U B C A T und M O D . R E L ist wie die Valenzmerkmale ein /oca/-Merkmal und wird lexikalisch vom Relativpronomen eingeführt. Der Wert von REL ist eine einelementige Liste, und das entsprechende Element wird durch den SYNSEM-Wert des möglichen nominalen Antezedens restringiert. Die Perkolation des REL-Merkmals wird bei Netter (1996) durch das REL-Selektionsprinzip (REL-Selection Principle) restringiert: (373) In einer HEAD-REL-Phrase entspricht der REL-Wert der Mutter dem REL-Wert der Relativsatztochter minus dem SYNSEM-Wert der Kopftochter. 30 In allen anderen Fällen ergibt sich der REL-Wert der Mutter aus der Konkatenation der REL-Werte der Töchter. Außerdem definiert Netter (1996) ein sog. HEAD-REL-Schema, das appliziert werden kann, wenn die Kopftochter eine nominale Projektion ist und die Nicht-Kopftochter eine sententiale Projektion mit nicht-leerem REL-Merkmal darstellt. Der Wert des RELMerkmals wird mit Hilfe des Schemas mit dem SYNSEM-Wert der nominalen Projektion identifiziert. An der Mutter der Phrase ist das REL-Merkmal leer. Dieser Mechanismus gleicht dem der Komplementselektion und damit der 'Konsumierung' der Komplemente unter dem Selektionsprinzip. Was die Semantik angeht, so wird ebenfalls über das HEAD-REL-Schema festgelegt, daß die semantische Kontribution des RS mit der des Antezedens konkateniert werden muß. Diese im Vergleich zum Ansatz von Pollard und Sag (1994) zusätzliche Annahme ist notwendig, da anders als bei Pollard und Sag (1994), wo die für Kopf-Adjunkt-Strukturen definierte Klausel des Semantikprinzips dafür sorgt, daß die Semantik des RS mit der des 30 D a der REL-Wert auf maximal einelementige Listen beschränkt ist, heißt das, daß der REL-Wert der Mutter letztlich leer ist.

236

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

Kopfnomens intersektiv verbunden wird, das SP nicht standardmäßig angewendet werden kann. Siehe hierzu (Netter, 1996, 264). Die Ersetzung der Selektion über das MoD-Merkmal durch eine reine REL-Selektion für RS hat nicht nur eine Überfrachtung des REL-Merkmals zur Folge, sondern fuhrt auch dazu, daß der Zusammenhang zwischen adjektivischer und Relativsatzmodifikation nicht mehr ausdrückbar ist. Um die syntaktischen und semantischen Unterschiede zwischen restriktiven und nicht-restriktiven RS in Netters Ansatz repräsentieren zu können, müßte außerdem ein zweiter relativsatzspezifischer Selektionsmechanismus eingeführt werden. Zwar ist man grundsätzlich mit diesem Problem auch konfrontiert, wenn man an der Selektion via MOD festhält. Aber wiederum wären alle Lösungen, die man hinsichtlich der MOD-Selektion in Betracht zieht, auch auf andere Formen nicht-restriktiver Modifizierung anwendbar. Insofern ist die Selektion über REL der Selektion über MOD nicht vorzuziehen. Das Relativpronomen wird im Ansatz von Netter (1996) über das FILLER-HEADSchema mit dem Rumpf des RS verbunden, wobei das Relativpronomen als Filiertochter fungiert. Entsprechend wird seine Dislozierung nach links über den SLASH-Mechanismus gewährleistet. Um zu verhindern, daß das Relativpronomen die Domäne der Filiertochter 'überschreitet', wird gefordert, daß die Kopftochter als REL-Wert die leere Liste aufweisen muß.31 Netters Ansatz hat zweifelsohne den Vorzug, daß kein leerer Relativierer stipuliert werden muß. Allerdings ist dieser Vorteil dann fragwürdig, wenn man die übrigen zusätzlichen Mechanismen berücksichtigt, die Netter (1996) benötigt, um die RS adäquat zu beschreiben. Zudem stößt Netter mit seiner RS-Analyse schon im Rahmen seines eigenen Satzstrukturmodells für das Deutsche auf Probleme. Er erkennt zwar diese Probleme, bietet aber keinen befriedigenden Lösungsvorschlag dafür an. Schwierig ist für Netter (1996) insbesondere die Frage nach dem Kopf des RS. Da dieser erklärtermaßen kein phonologisch leeres, funktionales Element wie etwa der leere Relativierer sein soll, kommt nur noch das finite Verb oder das Relativpronomen selbst als RS-Kopf in Frage. Beide Möglichkeiten birgen vor dem Hintergund von Netters Gesamtkonzept aber Probleme, wie kurz erläutert werden soll: Voraussetzung für Netters Satzstrukturmodell ist das Konzept der 'funktionalen Vollständigkeit', das er in die HPSG einführt. Die funktionale Vollständigkeit drückt sich in einem binären Merkmal namens FCOMPL aus. Netter (1996) geht davon aus, daß eine maximale Projektion nicht nur saturiert, sondern eben auch funktional vollständig sein muß. Funktionale Vollständigkeit kann u.a. dadurch erzielt werden, daß sich eine lexikalische Kategorie mit einer funktionalen verbindet. Das heißt beispielsweise, daß eine nominale Phrase durch einen Determinierer, eine verbale Phrase durch einen Komplementierer funktional abgeschlossen wird. Die Frage ist nun, ob auch ein RS funktional abgeschlossen sein muß und wenn ja, wie das gewährleistet werden kann. Nimmt man an, er soll funktional abgeschlossen sein, und geht man gleichzeitig davon aus, daß das finite Verb als Kopf des RS fungiert, dann braucht man für jedes Verb einen zweiten lexikalischen Eintrag, in dem dieses Verb als funktional vollständig spezifiziert ist, und man muß explizit sagen, daß diese Verbform 31 Siehe Netter (1996, 262) zu den Konsequenzen dieser Annahme.

6.3 Vorhandene RS-Analysen in der HPSG

237

nur im RS vorkommen darf. Da dieses nicht sehr elegant wäre, nimmt Netter (1996) stattdessen an, daß die RS generell funktional unvollständig sein können (und dann wohl auch sein müssen). Man fragt sich natürlich, warum dieses so sein sollte und wie man dann die Nähe zu den VLetzt-w-Interrogativsätzen erklären will, die zweifelsohne unabhängig, beispielsweise als deliberative Fragen, vorkommen können und folglich funktional vollständig sind. Wenn das finite Verb als möglicher Kopf des RS aber entfällt, bleibt nur noch die Relativphrase. Gegen eine solche Annahme spricht erstens der phrasale Status der Relativphrase, denn Köpfe sind eigentlich nicht phrasal, sondern lexikalisch. Damit im Zusammenhang steht das zweite Gegenargument, die Existenz der Rattenfängerkonstruktion. Wäre die Relativphrase tatsächlich der Kopf des RS, dann muß man auf Grund der Rattenfängerkonstruktion annehmen, daß der Kopf eines RS beliebig komplex werden kann. Das heißt, genaugenommen sind weder das finite Verb noch die Relativphrase geeignete Köpfe des RS, zumal unter der Annahme, daß maximale sententiale Phrasen funktional vollständig sind, in beiden Fällen eine lexikalische Kategorie die funktionale Vollständigkeit evozieren müßte. Das widerspricht aber Netters allgemeinem Konzept, wie er im übrigen selbst anmerkt. Die Annahme eines phonologisch leeren Kopfes ist daher für die RS durchaus berechtigt, auch weil auf diese Weise die RS-Analyse vereinheitlicht werden kann. Andere phrasenstrukturelle RS-Ansätze, die jedoch auf Pollard und Sag (1994) basieren, sind z.B. von Müller (1999) und Kiss (2001) für das Deutsche vertreten worden. Während Kiss (2001) Gebrauch vom leeren Relativierer macht und den RS durch ein entsprechendes Modifikationsschema anschließt,32 definiert Müller (1999, 130) ein spezifisches, nur auf RS anwendbares Relativsatzschema. Ein weiterer Ansatz, in dem auf den leeren Relativierer als Kopf (zugunsten des finiten Verbs) verzichtet wird, ist Sag (1997). Sags Analyse unterscheidet sich jedoch gravierend von beiden bisher dargestellten, da sie konstruktionsbasiert ist.

6.3.2 6.3.2.1

Konstruktionsbasiert Sag (1997)

Die RS-Analyse von Sag (1997) basiert auf der konstruktionsgrammatischen Annahme, daß eine direkte Assoziation zwischen den formalen Eigenschaften komplexer syntaktischer Strukturen und den Bedingungen für ihre Interpretation besteht. Diese Assoziation wird als Konstruktion (construction) bezeichnet, vgl. Fillmore und Kay (1993), Zwicky (1994) und Goldberg (1995). Konstruktionen unterscheiden sich von Nicht-Konstruktionen darin, daß Konstruktionen syntaktisch wohlgeformt und interpretierbar sind. Konstruktionen werden in derselben Weise als Bestandteil des linguistischen Wissens des Sprechers/Hörers betrachtet wie Lexeme. Demnach verfügt der Sprecher/Hörer über ein Inventar an möglichen, festgeformten komplexen Konstruktionen. Eine Konsequenz der konstruktionsgrammatischen Sichtweise von Sag (1997) ist, daß 32 Ist der RS extraponiert, dann verwendet Kiss (2001) ein Spezifikationsschema.

238

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

er das DTRS-Attribut abschafft und, anstatt auf den Subsorten von headed-struc entsprechende ID-Schemata zu definieren, eine hierarchische Klassifikation der Sorte phrase vornimmt. Damit wird auch die vormals hierarchische Klassifikation der DTRS-Werte von Sag (1997) aufgegeben. Die ID-Schemata entsprechen jetzt Beschreibungen auf den jeweiligen Subsorten von phrase. Die grundlegenden phrasalen Sorten, die Sag (1997) verwendet, sind in der Sortenhierarchie in Abb. 6.15 dargestellt. phrase hd-ph

non-hd-ph

hd-nexus-ph

hd-adj-ph hd-fill-ph

hd-val-ph hd-comp-ph

hd-spr-ph

hd-only-ph hd-subj-ph

Abbildung 6.15: Partitionierung von phrase nach Sag (1997) Man könnte der Meinung sein, daß Sags konstruktionsbasierter Ansatz einfach nur eine konsequente Umsetzung des in Pollard und Sag (1994) eingeschlagenen Weges ist, wo für die jeweiligen Kopfstrukturen der Sorte headed-struc Subsorten eingeführt werden, für die die ID-Schemata, die ja letztlich nichts anderes als eine Menge von Restriktionen sind, gelten. Dies stimmt aber deswegen nicht, weil die von Pollard und Sag (1994) eingeführten ID-Schemata per definitionem finit sind. In Sags Ansatz hingegen gibt es keine Möglichkeit, grundsätzlich die Definition einer infiniten Menge von (Satz-)Konstruktionstypen zu verhindern. Gegen einen konstruktionsgrammatischen Ansatz sprechen weiterhin bestimmte nicht-RS-spezifische empirische Gründe. Diesbezüglich sei auf die entsprechende Diskussion in Reis (1998) und Holler-Feldhaus (2001) verwiesen. Zudem deuten die Holzwegsätze (Garden path sentences) und bestimmte Spracherwerbsdaten daraufhin, daß man einen Begriff der Komplexität von Struktur benötigt. Abgesehen von diesen prinzipiellen Einwänden gegen das konstruktionsgrammatische Vorgehen, gibt es - wie im folgenden gezeigt wird - auch Kritikpunkte, die die RSAnalyse von Sag (1997) direkt betreffen. Die grundlegende Idee bei Sags RS-Analyse ist, daß ein RS eine einfache Satzstruktur hat, bei der das Matrixverb des RS und nicht z.B. ein leerer Relativierer den lexikalischen Kopf des RS darstellt. 33 Dieses Verb muß entsprechend das MOD-Merkmal tragen, worüber die Beziehung zum Antezedens hergestellt wird. Abgesehen von eher unbedeutenden Unterschieden übernimmt quasi das Verb alle Aufgaben des leeren Komplemen33 Sag (1997) begründet diese Analyse mit der Existenz von Sprachen, wie z.B. dem Koreanischen, deren Verben morphologisch markiert sind, wenn sie in einem RS vorkommen.

239

6.3 Vorhandene RS-Analysen in der HPSG rel-cl

hd-nexus-ph -val-ph I

wh-fill-

subj-ph hd-fill-ph hd-fill-ph fin-wh-fill-rel-cl

inf-hd-fill-ph

inf-wh-fill-rel-cl Abbildung 6.16: Sortenhierarchie für RS nach Sag (1997)

tierers. Dieses bedeutet u.a., daß jedes Verb zwei lexikalische Einträge realisiert: einen Eintrag, der ein in einem RS vorkommendes Verb abbildet, und einen, der ein nicht in einem RS vorkommendes Verb abbildet. Darüber hinaus behandelt Sag (1997) die verschiedenen Arten von restriktiven RS im Englischen als eigenständige Konstruktionen, für die er entsprechende Subsorten der Sorte rel-cl definiert. Wie auch Pollard und Sag (1994) unterscheidet Sag (1997) zwischen den Subjekt-RS und den Nicht-Subjekt-RS des Englischen. Erstere werden als einfache Phrasen der Sorte wh-subj-rel-cl analysiert, die ihrerseits eine Subsorte von hd-subj-ph darstellt. Letztere hingegen werden als Filler-Kopf-Strukturen analysiert, was bedeutet, daß sie durch eine Subsorte von hd-fill-ph beschrieben werden. Handelt es sich um einen finiten RS, ist das fin-wh-fill-rel-cl', handelt es sich um einen infiniten RS, ist das inf-whfill-rel-cl. Die gesamte komplexe Sortenhierarchie, die Sag (1997) zur Beschreibung der englischen RS benutzt, ist in Abb. 6.16 dargestellt. Die Subsorten der Sorte rel-cl werden durch entsprechende Constraints restringiert, um dadurch den leeren Relativierer zu ersetzen. Der Constraint (374) für hd-fill-ph fordert zum einen die Strukturidentität zwischen der Filler-Tochter und dem S L A S H der Kopftochter und sorgt außerdem dafür, daß der S L A S H nicht weitervererbt wird. HD-DTR

(374) hd-fill-ph

HEAD

verb

NONLOC | SLASH

(HL[I])

FILL-DTR| L O C I U NONLOCI SLASH [U

Der Constraint (375) regelt die Vererbung des SLASH-Wertes im Zusammenspiel mit (374). Dieser Constraint muß definiert werden, weil Sag (1997) das Nonlocal Feature Principle aufgibt und stattdessen die Vererbung der Merkmale S L A S H , R E L und Q U E durch jeweils eigene Mechanismen sicherstellt. (375) hd-val-ph

HD-DTR | NONLOC | SLASH QJ NONLOCISLASHQ]

240

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

Durch die Bedingung (376) wird das MOD-Merkmal spezifiziert. Außerdem wird mit diesem Constraint gefordert, daß zwischen dem REL-Wert der Filler-Tochter und dem INDEX-Wert des Bezugsnomens Strukturidentität bestehen muß. HEAD | MOD N ' [ L N D E X 00J

(376)

whfill-rel-cl

FILL-DTR

REL

(E)"

QUE elist

(377) garantiert die Finitheit des Verbs im RS, während (378) sicherstellt, daß der Kopf der Filler-Tochter entweder nominal oder präpositional ist. (377) fin-hd-fill-ph

HEAD | VFORM

HD-DTR

SUBJ

NONLOC I SLASH

(378) fin-wh-fill-rel-cl

fin elist

elist

—> [FILLER-DTR | HEAD noun V prep]

Die soeben vorgestellten Constraints sind die, die benötigt werden, um eine englische Relativkonstruktion der Sorte fin-wh-fill-rel-cl zu analysieren. Abb. 6.17 zeigt exemplarisch die Struktur, die der Nicht-Subjekt-RS ...,whose bagels Peter likes unter Sags Ansatz erhält. HEAD



VFORM fin MOD

N'[iNDEX dl]

Peter likes whose bagels Abbildung 6.17: Analyse eines RS der Sorte fin-wh-fill-rel-cl nach Sag (1997)

Obwohl Sags Ansatz auf den ersten Blick dem von Pollard und Sag (1994) in nichts nachsteht, ist er diesem in den semantischen Vorhersagen klar unterlegen. So kann Sag (1997) nicht dem Faktum Rechnung tragen, daß ein restriktiver RS im Gegensatz zu einem Aussagesatz kein propositionales, sondern ein eigenschaftswertiges Denotat besitzt, da ein restriktiver RS eine Menge von Individuen denotiert, die die im RS ausgedrückte Eigenschaft besitzen. 34 Darüber hinaus ist nicht erkennbar, wieso die Stipulation von 34 Daraufhat z.B. auch Kiss (2001) hingewiesen.

6.3 Vorhandene RS-Analysen in der HPSG

241

mindestens vier zusätzlichen Sorten für die verschiedenen Arten restriktiver RS im Englischen einer Analyse mit leerem Relativierer, wie sie von Pollard und Sag (1994) vorgeschlagen wird, überlegen sein soll. Angesichts der Fülle der zu formulierenden Constraints ist sie weder einfacher noch eleganter. Man könnte meinen, daß die wRS ein typischer Kandidat für den konstruktionsgrammatischen Ansatz sein müßten, weil sie eine geschlossene Klasse darstellen und Eigenschaften aufweisen, die man zunächst als konstruktionstypisch bezeichnen könnte. Beim zweiten Hinsehen aber legen gerade die wRS aufgrund ihrer für RS teils typischen, teils untypischen Eigenschaften die Probleme eines konstruktionsgrammatischen Ansatzes offen, abgesehen davon, daß eine konstruktionsgrammatische Analyse der wRS die Proliferation von Konstruktionstypen befördern würde.

6.3.3

Anmerkungen zur Analyse der linken Peripherie

Zwei Fragen sollen in diesem Abschnitt beantwortet werden: Erstens, ist es wirklich sinnvoll, nicht-sichtbare RS-einleitende Elemente wie den phonologisch leeren Relativierer zu stipulieren? Und zweitens, wie sind die Relativausdrücke zu analysieren, als Köpfe, als Spezifikatoren oder als Marker? Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, daß RS-Analysen, die auf einen Relativierer verzichten, der Analyse von Pollard und Sag (1994) mit phonologisch leerem Relativsatzkopf nicht überlegen sind. Darüber hinaus sind bis dato unzählige Argumente dafür gefunden worden, daß finite Sätze Projektionen eines Komplementierers sind. Neuerlich zeigen z.B. Krapova und Karastaneva (1999), daß der Komplementierer Ii im Bulgarischen mit dem Fokusmerkmal ausgezeichnet werden muß. Nimmt man mit Selkirk (1995) an, daß das Fokusmerkmal nur Köpfen zugewiesen werden kann, so ist die Fokussierung von Ii ein Argument für den Kopfstatus dieses Komplementieres. Weiterhin weist Asher (1993) für das Englische nach, daß that-Sätze ganz spezielle Nominalisierungen aufweisen. Dieses Faktum deutet ebenfalls darauf hin, daß der Komplementierer der Kopf der sententialen Projektion ist. Die Liste der Argumente ließe sich fortsetzen. Wieso aber sollte der RS, ebenfalls ein finiter Satz, gerade keinen Komplementierer als Kopf aufweisen, sondern ein Pronomen bzw. einen komplexen Ausdruck? Vielleicht, weil im RS eben kein Komplementierer vorkommt und deswegen ein anderer geeigneter Kopf gefunden werden muß? Die bereits in Kap. 3 zitierten süddeutschen Daten, wonach auf den Relativausdruck der Komplementierer wo, mitunter auch was, stehen kann, widersprechen dem aber, d.h., es gibt durchaus RS, die overt einen Komplementierer realisieren. Auch liefert van den Eynden (1993) historische Daten des Alt- und Mittelenglischen, die die Existenz eines auf ein Pronomen folgenden overten Komplementierers für das Englische belegen können. Es ist sicherlich nicht plausibel anzunehmen, daß immer dann, wenn ein Komplementierer im RS realisiert wird, dieser als Kopf des RS fungiert, aber andernfalls der Relativausdruck. Gleichermaßen lassen sich Argumente finden, die explizit widerlegen, daß der Relativausdruck Kopf des RS ist. Im allgemeinen ist der Kopf einer Phrase genau deswegen ihr Kopf, weil er wesentlich die Eigenschaften dieser Phrase bestimmt. Der Relativausdruck trägt aber weder Finitheitsmerkmale, noch selegiert er in irgendeiner Form

242

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

die übrigen Bestandteile des RS. Im Gegenteil, er ist selbst Argument oder Modifikator des RS-Prädikats und hat damit Satzgliedfunktion. Auch die sog. Kasusattraktion im Ahdt. und Mhdt., vgl. Pittner (1995a), die darin besteht, daß ein Relativpronomen den Kasus vom Verb des Bezugssatzes und nicht vom Verb des RS zugewiesen bekommt, spricht klar gegen die Annahme, daß der Relativausdruck Kopf des RS ist. Zudem würde die Existenz der Rattenfángerkonstruktion erzwingen, daß grundsätzlich komplexe Phrasen als Köpfe zugelassen werden. Außerdem treten Komplementierer erst bei der Einbettung/Anknüpfung auf und signalisieren die semantische Beziehung zwischen den Teilsätzen. Die Relativausdrücke sind aber gewissermaßen vor der Einbettung/Anknüpfung als Glied vorhanden. Alle diese Probleme kann man auf sehr einfache Weise durch die Annahme umgehen, daß ein - ggf. phonologisch leerer - Komplementierer als Kopf des RS fungiert. 35 Wenn der Relativausdruck aber nicht Kopf des RS ist, so bleibt noch die Möglichkeit, ihn als Marker oder als Spezifikator zu analysieren. Gegen eine Analyse als Spezifikator hat Netter (1996) aus HPSG-theorieinternen, technischen Gründen argumentiert, vgl. Netter (1996, 195ff.). Gegen eine Analyse als Marker spricht der Tatbestand, daß die Marker in der HPSG im wesentlichen den Komplementierern gleichzusetzen sind, so daß die gerade angeführten Argumente gegen eine Analyse der Relativausdrücke als Komplementierer wiederum greifen.

6.3.4

Anmerkungen zum REL-Merkmal

Das REL-Merkmal dient dazu, um sicherzustellen, daß ein RS von einer Relativphrase eingeleitet wird. Der Wert des REL-Merkmals wird von Pollard und Sag ( 1 9 9 4 ) definiert als Menge von Indizes 36 . Über Strukturteilung des INDEX-Wertes des Nomens mit dem INDEX-Wert des RS wird die Kongruenz zwischen modifiziertem Nomen und Relativpronomen hergestellt. Damit aber genau eine Relativphrase auch nur genau einen RS lizenziert, muß der REL-Wert dann, wenn ein RS mit seinem Antezedens verbunden wird, in die leere Menge überführt werden. Dies kann im Prinzip auf mindestens drei Weisen geschehen. Erstens, über den von Pollard und Sag ( 1 9 9 4 ) verwendeten INHERITEDToBlND-Mechanismus oder zweitens, über das von Netter ( 1 9 9 6 ) definierte H E A D - R E L Schema, in dem der REL-Wert der Mutter explizit als die leere Liste bzw. Menge festgelegt ist, oder drittens, wie bei Sag ( 1 9 9 7 ) , über die Sorte head-rel-struc, wobei gefordert wird, daß ein Objekt dieser Sorte die leere Liste als REL-Wert aufweist. Für eine schema- bzw. sortengetriebene Lösung spricht, daß der I N H E R I T E D - T O B I N D Mechanismus de facto erfordert, daß für alle Objekte, die als potentielle Antezedentien eines RS fungieren, zwei lexikalische Einträge definiert werden. 37 In einem dieser beiden Einträge ist der TO-BLND|REL-Wert nicht-leer, im anderen ist er leer.38 Trotz dieses Ein3 5 Alternativ könnte man wie Sag (1997) annehmen, daß das finite Verb Kopf des RS ist. Dann muß man aber verhindern, daß restriktive RS als Propositionen gedeutet werden, denn sie sind eigenschaftswertig. Sag (1997) übersieht dieses Problem. 36 Im Englischen und Deutschen ist diese Menge immer einelementig. 37 Diese könnten allerdings über eine Lexikalische Regel zueinander in Beziehung gesetzt werden.

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

243

wandes wird hier - wegen seiner Verbreitung in der Literatur - der I N H E R I T E D - T O B I N D Mechanismus verwendet. Ein zweiter das REL-Merkmal betreffender Aspekt ist die Frage danach, wie der RELWert instantiiert und innerhalb einer Phrase projiziert wird. Die Instantiierung ist relativ leicht: Das Relativpronomen bringt aus dem Lexikon einen spezifizierten REL-Wert mit. Schwieriger ist die Steuerung der Projektion des REL-Wertes. Da das Relativpronomen in eine komplexe Phrase eingebettet sein kann und in dieser Phrase als Kopf oder NichtKopf fungiert, werden i.d.R. relativ unbeschränkte Perkolationsprinzipien für den RELWert definiert. Bei Pollard und Sag (1994) ist das REL-Merkmal als nonlocal-Merkmal definiert, so daß seine Perkolation automatisch unter das Nonlocal Feature Principle fallt. Dieses besagt, das der NONLOCAL-Wert einer Phrase der Vereinigung der N O N L O C A L Werte ihrer Töchter entspricht. Der REL-Wert wird somit aus der Kopf- und der NichtKopf-Tochter projiziert. Sag (1997) schafft das NONLOCAL-Merkmal ab, definiert REL als synse/n-Merkmal und legt in einem REL-Prinzip fest, daß der REL-Wert nur entlang der Kopflinie perkoliert. Die Projektion des REL-Wertes auch aus Nicht-Kopftöchtern regelt Sag (1997) lexikalisch. Er formuliert eine Amalgamierungsbedingung, wonach jeder Kopf den REL-Wert seiner Komplemente bzw. Adjunkte übernimmt. Diese Analyse setzt freilich den 'Adjunkt-als-Argument'-Ansatz, vgl. Bouma et al. (1997), voraus. Den Ansätzen von Pollard und Sag (1994) und Sag (1997) ist gemeinsam, daß der REL-Wert absolut unbeschränkt perkoliert, was bedeuten würde, daß jede beliebige komplexe Phrase in der Rattenfängerkonstruktion vorkommen kann. Daß dies zumindest für das Deutsche nicht stimmt, weisen z.B. Trissler und Lutz (1997) nach. Da in dieser Arbeit die Rattenfangerkonstruktion aber unberücksichtigt bleibt, wird dennoch von der Nullhypothese ausgegangen, daß der REL-Wert unbeschränkt in der Relativphrase perkoliert und damit der REL-Wert der Mutter der Vereinigung der REL-Werte der Töchter entspricht.

6.3.5

Zusammenfassung

In diesem Abschnitt wurden vorhandene einschlägige HPSG-Analysen für die restriktiven RS diskutiert. Dabei wurden die phrasenstrukturellen Ansätze von Pollard und Sag (1994) sowie von Netter (1996) dem konstruktionsbasierten Ansatz von Sag (1997) gegenübergestellt. Es wurde nachgewiesen, daß ein konstruktionsbasierter Ansatz für die RS einem phrasenstrukturellen nicht überlegen ist, und es wurde für einen spezifischen (ggf. phonologisch nicht realisierten) Relativsatzkopf argumentiert.

6.4

Zur Analyse der wRS in HPSG

Kap. 3 und 4 haben sich ausführlich mit den phono-syntaktischen und den diskurssemantischen Eigenschaften der wRS beschäftigt. Die wesentlichen Ergebnisse bestan38 Dieses Problem ist aber nicht auf das REL-Merkmal beschränkt, sondern betrifft ebenso das SLASHbzw. das QUE-Merkmal und ist damit genereller Natur.

244

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

den einerseits in der merkmalsbasierten Kategorisierung der wRS als Sätze des Typs +DEPENDENT, —EMBEDDED und —INTEGRATED und andererseits in der diskurssemantischen Analyse der wRS im Rahmen der DRT, wobei u.a. herausgearbeitet wurde, daß die wRS durch eine Anapher eingeleitet sind, die entsprechend durch eine Größe des Bezugssatzes aufgelöst werden muß. Diese Ergebnisse werden im folgenden durch eine HPSG-theoretische Modellierung der wRS zusammengeführt. Ausgangspunkt hierfür ist die von Pollard und Sag (1994) vertretene Analyse restriktiver RS, da, wie bereits ausführlich erläutert, diese weder dem konstruktionsbasierten Ansatz von Sag (1997) noch dem phrasenstrukturellen Ansatz von Netter (1996) nachsteht. Der Ansatz von Pollard und Sag (1994) wird vor allem dahingehend erweitert, daß er eine Analyse nicht-restriktiver RS erlaubt.

6.4.1

Interne Satzstruktur der wRS

Die hier vorgeschlagene Analyse für die wRS basiert auf der grundlegenden Annahme, daß ein wRS eine Projektion eines für nicht-restriktive RS charakteristischen Relativierers darstellt, der i.d.R. phonologisch nicht realisiert ist. Dieser Relativierer teilt mit dem restriktiven Relativierer die Eigenschaft, zwei Argumente zu sich zu nehmen: eine Relativphrase und eine saturierte verbale Projektion, aus der diese Relativphrase extrahiert ist.39 Zudem wird r(e)l(a)t(i)v(i)z(e)r als weitere Subsorte der Sorte functionals(entential)-head eingeführt, vgl. Abb. 6.18, womit der Relativierer als potentieller Kopf einer funktional vollständigen sententialen Projektion ausgewiesen ist. Auf diese Weise wird dem Fakt Rechnung getragen, daß RS maximale Projektionen darstellen. Um die beiden Relativierer abzubilden, wird die Sorte rltvzr durch die beiden Sorten r(estrictive)r(e)l(a)t(i)v(i)z(e)r und n(on)r(estrictive)-r(e)l(a)t(i)v(i)z(e)r partioniert. verbal verbfinal verbfronted

functional-s-head compl

rltvzr r-rltvzr

nr-rltvzr

Abbildung 6.18: Partielle Sortenhierarchie für verbal (379a) belegt, daß Relativierer und Komplementierer nie gleichzeitig auftreten, während (379b) zeigt, daß der Relativierer anders als die Komplementierer die Verbstellung 39 Wie bereits dargestellt, wird Extraktion als Projektion des Wertes des SLASH-Merkmals repräsentiert, wobei die extrahierte Phrase in der sententialen Projektion durch eine Spur vertreten wird.

245

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

nicht determiniert, sofern man akzeptiert, daß im Deutschen V2-RS existieren.40 (379) a. * Maria gab Emil das Buch, das {e r [ to2r /wo} daß er dann zur Bibliothek brachte. b. Maria gab Emil ein Buch, das hatte nur 20 Seiten. Um diesen Beobachtungen gerecht zu werden, wird angenommen, daß (restriktive und nicht-restriktive) Relativierer als funktionale Elemente ein lexikalisch als ' + ' spezifiziertes FCOMPL-Merkmal aufweisen. Wenn man zudem fordert, daß das zweite Komplement eines Relativierers eine als [ F C O M P L —] ausgezeichnete saturierte verbale Projektion sein muß, ist ein gleichzeitiges Auftreten von Relativierer und Komplementierer ausgeschlossen.41 Diese Festlegung beschränkt die Stellung des finiten Verbs im Komplement des Relativierers nicht, da finale Verben im Lexikon die geforderte [ F C O M P L — ]-Auszeichnung tragen und initiale Verben hinsichtlich des F C O M P L - W e r t e s unterspezifiziert sind. Somit sind unter dieser Analyse grundsätzlich V2-RS und VLetzt-RS zulässig. Die sich ergebende und in Abb. 6.19 graphisch dargestellte verallgemeinerte Satzstruktur ist für alle RS gültig und trifft damit insbesondere auch auf die wRS zu. 42 RS[SS|...|FCOMPL



+]

R'[SS|...|FCOMPL

RP

+]

'PHON ()

m vp

rltvzr



FCOMPL SS|LOC|CAT

sc (OL El

SS|LOC|CAT

HD|FCOMPL —

sc

Abbildung 6.19: Verallgemeinerte Satzstruktur für RS im Deutschen

6.4.2

Satztypologische Einordnung der wRS

Das Thema 'Satztypologie' wird in verschiedenen HPSG-Arbeiten insbesondere zum Deutschen erwähnt, jedoch selten ausführlich diskutiert. Zumeist wird angenommen, daß 40 Die V2-RS sind keine wRS. Zu ihrer Analyse siehe Gärtner (2000). 41 In der P&P-Theorie wird das gleichzeitige Auftreten eines Relativierers und eines Komplementierers durch die Formulierung eines entsprechenden Filters verhindert, der explizit besagt, daß Relativierer und Komplementierer nicht gleichzeitig overt realisiert sein dürfen. 42 Je nachdem, ob ein restriktiver oder ein nicht-restriktiver RS realisiert wird, gehört der Kopf des RS der Sorte r-rltvzr bzw. nr-rltvzr an.

246

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

Verbstellung und Un-/Abhängigkeit eines Satzes fest miteinander verbunden sind. Unter dieser Annahme gehen abhängige Sätze immer mit finaler Verbstellung einher, während unabhängige Sätze ein initiales finites Verb aufweisen müssen. Ein solches Vorgehen wird der Datenlage jedoch nicht gerecht. Dieser Punkt soll im folgenden anhand der Arbeiten von Kathol (1995) und Netter (1996) ausführlich diskutiert werden. Im Anschluß daran wird ein neuer satztypologischer Ansatz entworfen, der insbesondere dazu geeignet ist, die wRS adäquat satztypologisch zu behandeln. 6.4.2.1

Bisherige satztypologische Vorschläge in der HPSG

Die einfachste Form, innerhalb der HPSG selbständige Sätze von abhängigen zu unterscheiden, besteht in der Einführung eines sog. M(AlN)-c(LAUSE)-Merkmals mit binärem Wert. Uszkoreit (1987) und Sag (1997) gehen beispielsweise so vor. Soweit sich die Analysen auf das Deutsche beziehen, wird aus einer [MC +]-Spezifikation in der Regel die initiale Stellung des finiten Verbs abgeleitet, aus einer [MC — ^Spezifikation hingegen die finale. Diese einfache Analyse haben Kathol (1995) und Netter (1996) unabhängig voneinander versucht zu elaborieren. Kathol (1995) unterscheidet in seinem konstruktionsgrammatisch ausgerichteten Ansatz zur deutschen Satztypologie eindimensional zwischen Wurzelsätzen und abhängigen Sätzen und verknüpft die Verbstellung fest mit der jeweiligen Sorte root bzw. subordinate. Das geschieht über die Sortenhierarchie der Sorte clause, die in Abb. 6.20 dargestellt ist. Für Objekte der Sorte clause entwirft Kathol (1995) eine Kreuzklassifikation bezüglich der Eigenschaften Satzmodus und interne Syntax, worunter strukturelle Merkmale gefaßt werden. Für die Kategorien, die sich aus der Klassifikation ergeben, existiert keine unabhängige Evidenz. Sie sind formale Konstrukte, die dazu dienen, Information zusammenzufassen, die spezifisch für bestimmte Satzstrukturen bzw. Satzarten ist. Die Verbposition ist letztlich das Ergebnis der Restriktionen, die festlegen, ob ein Satz der Sorte v2, vi oder subordinate angehört, wobei mit den ersten beiden Sorten explizit die initiale Stellung des finiten Verbs und mit der Sorte subordinate seine finale Stellung verbunden wird. Außerdem sieht Kathol nur root- Sätze als Instanzen unabhängiger Äußerungen an, weswegen das PHON-Merkmal nur angemessen für die Sorte root, nicht aber für die Sorte subordinate ist. Diese Annahme ist jedoch hinsichtlich der von Reis (1997) beschriebenen aV2-Sätze, vgl. (380a), problematisch. Kathol (1995) muß diese Satzkonstruktionen wegen der V2Stellung ihres finiten Verbs als root-Sätze analysieren, obwohl sie gerade keine selbständigen Äußerungen sind. Umgekehrt sind selbständige VLetzt-Sätze wie (380b) in Kathols Ansatz nicht korrekt analysierbar, da sie als subordinate-Sätze kein PHON-Merkmal aufweisen, obwohl sie eigenständig geäußert werden. (380) a. Maria weiß, die Sonne geht im Osten auf. b. Ob Maria die Sonne aufgehen sehen hat? Die RS analysiert Kathol generell als untergeordnete Sätze. Sie gehören der Sorte rel an, die eine weitere Subsorte von subordinate darstellt, vgl. Abb. 6.20. Diese Annahme ist aber unvereinbar mit den nachgewiesenen Wurzelsatzeigenschaften nicht-restriktiver RS, insbesondere der wRS. Eine unerwünschte Konsequenz der Analyse von Kathol ist

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

247

clause

Abbildung 6.20: Sortenhierarchie für clause nach Kathol (1995)

sogar, daß in seinem Ansatz die von Reis (1997) als unintegrierte Sätze eingeordneten wRS als 'abhängiger' als die aV2-Sätze analysiert werden müssen. Neben Kathol (1995) setzt sich auch Netter (1996) mit den Satztypen auseinander. Er schlägt im Rahmen eines phrasenstrukturellen Ansatzes eine merkmalsgetriebene Klassifikation der deutschen Satztypen vor, wobei er acht Satztypen vermittels der binären Merkmale FCOMPL, SPEC, TOPIC und QUE beschreibt. Dies ist in Tab. 6.1 dargestellt: [FCOMPL + ] bedeutet, daß eine Phrase funktional abgeschlossen ist, [SPEC + ] zeigt Clause Type V-2 Declarative Main V-F Declarative Sub V-l Interrogative Main V-F Interrogative Sub V-2 WH-Interrogative Main V-F WH-Interrogative Sub V-F Relative Clause V-F Adverbial Sub

FCOMPL

+ + + + + —

SPEC -

+ -

+ — —



+

TOPIC

+ —

+ + + -

QUE -

• -

+ + + -

Tabelle 6.1 : Satztypanalyse nach Netter ( 1 9 9 6 , 2 6 7 )

die Anwesenheit eines Komplementierers an, da nur dieser eine positive Spezifikation des SPEC-Merkmals lexikalisch einfuhren kann. Das Merkmal TOPIC ist ein strukturell eingeführtes /oca/-Merkmal. Es wird an der Mutter des FLLLER-HEAD-Schemas positiv spezifiziert, um die Mehrfachanwendung dieses Schemas oder seine Anwendung auf Mit-

248

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

telfeldstrukturen zu verhindern. 43 Mit dem TOPic-Merkmal sind bei Netter (1996) keine expliziten theoretischen Annahmen verbunden, insbesondere bedeutet es nicht 'Vorfeld', auch wenn jede Vorfeld-Konstituente letztlich als [TOPIC + ] ausgezeichnet ist. QUE ist wie üblich dazu da, die wA-Information zu speichern. Es wird lexikalisch von entsprechenden Interrogativpronomen eingeführt. Netter (1996) motiviert die Auswahl der Merkmale jedoch nicht. So bleibt offen, warum ausgerechnet diese Merkmale für die Definition der Satztypen herangezogen werden sollen. Der wichtigste Kritikpunkt bezüglich Netters Vorschlag ist, daß er wie Kathol (1995) Subordination und VLetzt-Stellung bzw. Wurzelsatzeigenschaft und V2-Stellung fest miteinander verbindet. Entsprechend trifft die gegen den Ansatz von Kathol (1995) vorgebrachte Kritik auch auf den Ansatz von Netter (1996) zu. 6.4.2.2

Ein neuer Ansatz zur Repräsentation von Satztypen in HPSG

Die Probleme, die die Ansätze von Kathol (1995) und Netter (1996) aufweisen, können vermieden werden, indem nicht eindimensional zwischen 'abhängigen' Sätzen und 'unabhängigen' Sätzen unterschieden wird, sondern zusätzlich eine zweite Dimension berücksichtigt wird, und zwar die zwischen 'eingebetteten' und 'uneingebetteten' Sätzen. Dieser Aspekt wurde bereits in Abschn. 4.6 thematisiert, wo schließlich in Anlehnung an Reis (1997) eine merkmalsbasierte Kreuzklassifikation für die Satztypen des Deutschen entwickelt worden ist. Im folgenden wird gezeigt, wie diese HPSG-theoretisch modelliert werden kann. Die Grundidee dabei ist, beide Dichotomien, die Un-/Abhängigkeit und das Un-/Eingebettetsein, merkmalsbasiert zu repräsentieren. Es wird angenommen, daß die binären Merkmale DEP(ENDENT) und EMB(EDDED) für die Sorte s-head angemessen sind, wodurch die Information über die Un-/Abhängigkeit eines Satzes bzw. sein Un-/Eingebettetsein genau dort zur Verfügung steht, wo auch die übrigen Kopfeigenschaften des Satzes repräsentiert werden. Das Merkmal DEP beschreibt, ob ein Satz überhaupt syntaktisch angebunden ist. Entsprechend werden alle sententialen Projektionen, die an eine andere sententiale Projektion anknüpfen, als [DEP + ] ausgezeichnet. Nur absolut selbständig auftretende sententiale Projektionen werden als [DEP —] spezifiziert. Der Wert des Merkmals EMB hingegen drückt aus, inwieweit ein Satz Gliedsatzstatus hat und als solcher bestimmte Relationen zum Kopf des Bezugssatzes beiträgt 44 und ggf. grammatische Forderungen des Bezugssatzes erfüllt (Komplementsatz). Grob gesprochen bedeutet [EMB + ] , daß eine (direkte oder indirekte) 45 Lizenzierungsbeziehung besteht, [EMB — ] heißt, daß keine solche Lizenzierungsbeziehung etabliert ist. Mit der Definition zweier binärer Merkmale für die Beschreibung von Satzverknüpfungen, können in der Theorie prinzipiell vier Arten von Verknüpfungsrelationen repräsentiert werden: (381) [DEP - , EMB - ] [DEP

EMB + ] [DEP + , EMB - ] [DEP + , EMB + ]

43 Das setzt allerdings eine negative TOPlC-Spezifizierung aller übrigen Phrasen voraus. 44 Adjunktsätze tragen zur Ereignisvariable des Kopfes, Komplementsätze zu seinem 0 - R a s t e r bei, vgl. (Reis, 1997, 6). 45 Vgl. die Erläuterungen in Abschn. 4.6.

249

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

Die in (381) dargestellten Merkmalskombinationen werden allesamt durch entsprechende Satztypen des Deutschen instantiiert: Die Merkmalskombination [DEP —, EMB —] weisen typische selbständige Sätze auf, die von keinem anderen Ausdruck phonologisch und/oder syntaktisch abhängen, wie z.B. V2-Wurzelsätze. Diese Sätze stehen zu keinem anderen Ausdruck in irgendeiner Lizenzierungsbeziehung. Die Merkmalskombination [DEP —, EMB + ] beschreibt die Eigenschaften selbständiger VLetzt-Sätze. Diese sind zwar phonologisch vollkommen unabhängig, unterliegen aber dennoch gewissen Lizenzierungsbedingungen, vgl. Oppenrieder (1989) und d'Avis (1993). Die Merkmalskombination [DEP + , EMB —] erfaßt gerade die aV2-Sätze und die freien daß-Sätze, deren Eigenschaften in Reis (1997) ausfuhrlich beschrieben wurden. Sie weisen einerseits Wurzelsatzeigenschaften auf und werden daher nicht durch einen anderen, z.B. verbalen Ausdruck lizenziert. Andererseits verhalten sie sich aber auch wie typische unselbständige Sätze. Die Merkmalskombination [DEP + , EMB + ] bedeutet, daß ein Satz unselbständig ist und lizenziert wird. Dies trifft auf die Sätze zu, die klassischerweise als subordiniert beschrieben werden, wie z.B. die c/ajß-Komplementsätze oder die o6/w-Sätze. Wie in Tab. 6.2 zusammenfassend noch einmal dargestellt, existiert damit für jede mögliche Kombination von Merkmalsspezifikationen mindestens ein Repräsentant, womit die Festlegung zweier Merkmale auch empirisch gerechtfertigt ist. [DEP - , EMB - ]

[DEP - , EMB + ]

[DEP + , EMB - ]

[DEP + , EMB + ]

selbständiger V2-S.

selbständiger VLetzt-S.

aV2-S„ freier daß-S.

abhängiger Vletzt/V2Komplement-S.

Tabelle 6.2: Exemplarische Satzverknüpfungen basierend auf DEP und EMB Die Tab. 6.3 gibt einen Überblick über die Spezifikationen für die Merkmale DEP und EMB in Abhängigkeit vom jeweiligen Satztyp.46 Es ist ersichtlich, daß die wRS auf Grund ihrer phono-syntaktischen Eigenschaften als [DEP + , EMB —]-Sätze eingestuft werden. Aus Tab. 6.3 ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: 1. Die Un-/Abhängigkeit eines Satzes ist nicht an die Kategorie seines Kopfes gebunden. Es existieren sowohl selbständige (= [DEP —]) komplementierereingeleitete VLetzt-Sätze wie auch unselbständige (= [DEP +]) V2-Sätze. 2. Sententiale Projektionen mit einem initialen Verb als Kopf sind stets uneingebettet (= [EMB —]), was auf ihre Wurzelsatzeigenschaften zurückzuführen ist. 47 Sententiale Projektionen, die durch einen funktionalen Kopf eingeleitet werden und ein finales Verb aufweisen, können hingegen eingebettetet oder uneingebettetet vorkommen. 46 Eine genauere Untersuchung der einzelnen Satztypen ist sicher nötig, würde jedoch vom Thema der Arbeit hinwegführen. 47 Wie diesbezüglich ¿enn-eingeleitete Adverbialsätze zu beurteilen sind, muß hier offen bleiben.

250

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS Satztyp selbständiger V2-S. aV2-S. VLetzt-Komplement-S. selbständiger VLetzt-S. restriktiver VLetzt-RS appositiver VLetzt-RS V2-RS wRS Adverbial-S. freier daß-S. koordinierter V2-S. koordinierter VLetzt-S. Parenthese

DEPENDENT

EMBEDDED -





+

+ + +

-

+ + + + + + + + a

— -

a -



a -

Tabelle 6.3: Satztypabhängige Spezifizierung der cls-type-Merkmale DEP und EMB

3. Die RS sind allesamt abhängige (= [DEP + ] ) Sätze, unterscheiden sich aber hinsichtlich ihres EMB-Wertes. Während die restriktiven VLetzt-RS indirekt lizenzierte und damit eingebettete Sätze darstellen und einen positiv instantiierten EMBWert aufweisen, sind die appositiven VLetzt-RS, die V2-RS und vor allem auch die wRS typische nicht eingebettete Sätze und somit als [EMB —] ausgezeichnet. In einigen Fällen ist in der Tab. 6.3 der Wert des DEP- bzw. EMB-Merkmals unterspezifiziert geblieben, was durch den Wert ' a ' ausgedrückt wird: Der EMB-Wert für Adverbialsätze ist nicht festgelegt, weil im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden kann, ob die Vermutung, daß sich restriktive und nicht-restriktive Adverbialsätze gerade in diesem Wert unterscheiden, zutreffend ist. Der EMB-Wert von koordinierten Sätzen mit finalem Verb ist nicht spezifiziert, weil der Wert des EMB-Merkmals dadurch bestimmt wird, ob die gesamte Koordination 48 eingebettet ist oder nicht. In (382a) fungiert die Koordination als Komplementsatz. Der EMBWert der gesamten Koordination, aber auch der der beiden Konjunkte ist daher positiv spezifiziert. In (382b) hingegen wurden zwei freie daß-Sätze koordiniert, deren EMB-Wert negativ instantiiert ist, weswegen auch ihre Koordination als [EMB — ] ausgezeichnet ist. 49 (382) a. Peter will wissen, ob er schön ist und ob er klug ist. 48 Die Analyse der Koordination ist notorisch schwierig. Hier wird angenommen, daß der EMB-Wert der Konjunkte jeweils an die Mutter vererbt wird und deswegen übereinstimmen muß. Evidenz dafür kommt von Beispielen wie *Maria weiß, daß die Erde rund ist und die Sonne geht im Osten auf. 49 Der EMB-Wert von koordinierten Sätzen mit initialem Verb ist generell als '—' spezifiziert, wodurch zum einen Koordinationen von 'normalen' V2-Sätzen wie Maria kam, sah und siegte und zum anderen Koordinationen von aV2-Sätzen wie Peter weiß, die Erde ist rund und die Sonne geht im Osten auf abgedeckt werden. Die Analyse der Subjektlücke ist für die Festlegung des EMB-Wertes zweitrangig.

251

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG b. Ist denn etwas los, daß Max so schreit und daß Maria gleich durchdreht?

Schließlich ist der DEP-Wert der Parenthesen nicht spezifiziert, da die Parenthesen ein Phänomen sind, das noch nicht vollkommen verstanden ist, siehe auch den Exkurs im Kap. 4. Eine schwierige Frage ist beispielsweise, ob es sinnvoll ist anzunehmen, daß alle Parenthesen sententialen Status haben oder ob man von der Existenz von Parenthesen verschiedener Kategorie ausgehen muß. Ein anderer Aspekt betrifft die strukturelle Unabhängigkeit von Parenthesen. Wie im erwähnten Exkurs diskutiert, gibt es eingeschobene Einheiten, die durchaus als vom Trägersatz strukturell abhängige Einheiten angesehen werden können. Inwieweit sie gleichzeitig sentential sind, ist höchst spekulativ, aber nur in diesem Fall trügen sie überhaupt ein DEP- bzw. ein EMB-Merkmal. Wegen dieser ungeklärten Aspekte bleibt die Spezifikation des DEP-Merkmals für Parenthesen offen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die hier vorgestellte Satztypanalyse die Probleme der Ansätze von Kathol (1995) und Netter (1996) überwindet, da mit der Unterscheidung zwischen Un-/Abhängigkeit und Un-/Eingebettetheit die Stellung des finiten Verbs nicht mehr direkt mit der Selbständigkeit bzw. Abhängigkeit eines Satzes verknüpft wird. Es wird nicht gefordert, daß ein Satz mit initialem finitem Verb automatisch als [DEP —] spezifiziert ist oder daß ein als [EMB + ] ausgezeichneter Satz unselbständig ist. Das heißt, in einem phono-syntaktisch unabhängigen Satz muß nicht zwangsläufig das finite Verb vorangestellt sein bzw. in einem abhängigen Satz kann es sowohl initial als auch final realisiert sein. 6.4.2.3

Zur Instantiierung des DEP- bzw. EMB-Wertes

6.4.2.3.1 Instantiierung des DEP -Wertes. Der DEP-Wert ist ein strukturell festgelegter Wert, der etwas über die Anbindung einer sententialen Projektion an ihre Umgebung aussagt. Als Verknüpfungsoperationen kommen Komplementation, Adjunktion, Spezifikation und Koordination in Frage. HPSG-theoretisch kann die Anbindung mit Ausnahme der Koordination über das Selektionsprinzip (vgl. Abschn. 6.2.3.4) gesteuert werden. Constraint (383) stellt sicher, daß die Nicht-Kopftochter einer komplexen Phrase der Sorte head-comp-struc, head-adjunct-struc oder head-spec-struc per definitionem als [SYN|LOC|CAT|HEAD|CLS-TYPE|DEP + ] ausgezeichnet ist, vorausgesetzt ihr Kopf ist von der Sorte s-head.50 (383) head-comp-struc

V head-adjunct-struc

V head-spec-struc —>

[ N H E A D - D T R I SYN | LOC | CAT | H E A D | C L S - T Y P E | DEP

V

[ N H E A D - D T R | SYN | L O C | CAT | H E A D

+]

->S-head]

Anhand des Beispiels (384) sei das Vorgehen kurz erläutert. (384) Peter weiß, [ s , d a ß die Sonne im Osten aufgeht]. 50 Für koordinativ verknüpfte Sätze wie Peter kaufte ein Pferd, und er verlor seinen Hut müßte man annehmen, daß der ««¿/-eingeleitete Satz als Nicht-Kopftochter fungiert und als [DEP + ] spezifiziert ist. Da die Koordination HPSG-theoretisch kaum untersucht ist, wird eine solche Analyse hier nicht ausgeführt.

252

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

In dem komplexen Satz (384) ist S 3 Argument von wissen. Entsprechend wird S; über das Selektionsprinzip mit wissen verknüpft. Die sich ergebende Phrase gehört der Sorte head-comp-struc an. (383) legt fest, daß der DEP-Wert der Nicht-Kopftochter, also in diesem Fall von S j , als ' + ' spezifiziert ist. S } ist damit korrekterweise als abhängiger Satz ausgezeichnet. Die RS, insbesondere auch die wRS, sind abhängige Sätze. Ihr DEP-Wert wird positiv spezifiziert, weil sie - wie in Abschn. 6.4.3 erläutert wird - über Modifikation mit ihrem Antezedens verbunden sind. Das DEP-Merkmal einer sententialen Projektion wird also immer dann positiv instantiiert, wenn diese Projektion in einer Verknüpfungsbeziehung zu einem anderen Ausdruck steht. Umgekehrt muß aber auch gewährleistet werden, daß eine sententiale Projektion, die in keiner solchen Verknüpfungsbeziehung steht, also im herkömmlichen Sinne selbständig ist, als [DEP — ] ausgezeichnet ist. Dieses ist nicht leicht in die HPSG umzusetzen. Eine mögliche Variante wäre mit sog. Default-Werten zu arbeiten, vgl. Sag (1997) und die dort zitierte Literatur. Man müßte dann festlegen, daß der Wert [DEP —] der DefaultWert des DEP-Merkmals eines Satzes ist, wodurch immer dann, wenn ein Satz nicht angebunden ist und deswegen sein DEP-Merkmal auch nicht als ' + ' instantiiert sein kann, defaultmäßig der Wert '—' zugewiesen würde. Abgesehen davon, daß die Verwendung von Default-Werten im Rahmen der HPSG eine Reihe mathematischer Probleme aufwirft, ist auch linguistisch nicht klar, wieso ausgerechnet unabhängige Sätze die Default-Sätze und damit in gewisser Weise die 'prototypischen', 'regulären' oder 'normalen' Sätze sein sollen. Die zweite mögliche Variante, nämlich auch die negative Instantiierung sortengetrieben vorzunehmen, beispielsweise zu verlangen, daß alle Phrasen der Sorte head-fillerstruc51 als [DEP —] spezifiziert sind, ist deswegen nicht realisierbar, weil damit indirekt wieder Un-/Abhängigkeit starr an die Stellung des Verbs gebunden würde. Man würde erneut mit den bei Kathol (1995) und Netter (1996) auftretenden Problemen konfrontiert. Die dritte, aus meiner Sicht brauchbarste Variante ist die folgende. Jeder Satz muß hinsichtlich des Status seiner Abhängigkeit gekennzeichnet sein, da nach der Definition von Abhängigkeit für jeden Satz entscheidbar sein muß, ob er abhängig oder selbständig ist. Technisch heißt das, daß jeder Satz genau einer maximal spezifischen Sorte angehören muß. Dies folgt aber schon aus der allgemeinen HPSG-Theorie, vgl. Abschn. 6.1. Es muß nur noch sichergestellt werden, daß dann, wenn der DEP-Wert tatsächlich noch nicht instantiiert ist, nur eine negative Spezifikation zugelassen wird. Im Prinzip muß eine Defaultbelegung simuliert werden, ohne das Konzept des Defaults tatsächlich zu benutzen. Dieses leistet der Constraint (3 85). 52 (385) Für jede funktional vollständige Phrase, deren Kopf der Sorte s-head angehört und die einen [ S Y N S E M | LOC | CAT | HEAD | CLS-TYPE | DEP +]-Wert aufweist, trifft genau einer der folgenden Fälle zu: 1. ihr 2. ihr 3. ihr

SYNSEM SYNSEM SYNSEM

-Wert ist Element einer anderen suBCAT-Liste | LOC | CAT | MOD-Wert ist spezifiziert oder | LOC | CAT | SPEC-Wert ist spezifiziert.

oder

51 Bzw. der Sorte der Mutter einer über das Topikalisierungsschema abgeleiteten Phrase. 52 (385) müßte für Objekte der Sorte coord-struc entsprechend erweitert werden.

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

253

Aus dem Zusammenspiel von (385) und der allgemeinen HPSG-theoretischen Annahme, daß jedes sprachliche Objekt genau einer maximal spezifischen Sorte angehört, ergibt sich die [DEP —]-Auszeichnung unabhängiger Sätze, ohne daß explizit auf die Stellung des finiten Verbs rekurriert werden muß. Anhand des Beispiels (386) sei das noch einmal veranschaulicht. (386) Ob Ullrich die Tour gewinnt? (386) stellt eine Phrase dar, deren Kopf von der Sorte s-head ist, denn ob ist ein Komplementierer. Der S Y N S E M | LOC | CAT | H E A D | C L S - T Y P E | DEP -Wert der Phrase muß instantiiert werden. Es kommt ' + ' oder '—' als Wert in Frage. Würde ' + ' verwendet, würde (385) verlangen, daß der S Y N S E M -Wert von (386) von einem anderen Objekt subkategorisiert wird oder aber, daß (386) über MOD resp. SPEC ein anderes Objekt modifiziert bzw. spezifiziert. Nichts davon trifft zu. Also bleibt nur '—' als Wert übrig, um den SYNSEM|LOC|CAT|HEAD|CLS-TYPE|DEP festzulegen. Damit weist der Satz (386) korrekterweise die Spezifikation [DEP —] auf. 6.4.2.3.2 Instantiierung des EMB-Wertes. Die Instantiierung des EMB-Wertes erfolgt lexikalisch. Objekte der Sorte s-head, also initiale Verben, Komplementierer und Relativierer, werden im Lexikon jeweils als [EMB + ] oder [EMB —] ausgezeichnet. Mit diesem Vorgehen wird dem Fakt Rechnung getragen, daß sich die verschiedenen Satztypen in der Verschiedenheit ihrer syntaktischen Köpfe manifestieren. Zum Beispiel geht die Gesamtheit der Wurzelsatzeigenschaften auf die grammatische Merkmale des Kopfes der jeweiligen sententialen Projektion zurück. Wie werden die sprachlichen Objekte der Sorte s-head aber im einzelnen im Lexikon ausgezeichnet? Aus Tab. 6.3 ergibt sich, daß dann, wenn der Kopf einer sententialen Projektion der Sorte verbfronted angehört, der EMB-Wert als '—' spezifiziert ist. Das heißt, initiale Verben bringen aus dem Lexikon ein negativ instantiiertes EMB-Merkmal mit. 53 Die von Reis (1997) identifizierten aV2-Sätze sind somit uneingebettet, weil ihr Kopf der Sorte verbfronted angehört. Was die Klasse der Komplementierer anlangt, so kann man nicht generell von einer positiven oder negativen Spezifikation des EMB-Wertes ausgehen, da, wie die Tab. 6.3 zeigt, sowohl [EMB + ] - als auch [EMB —]-Sätze komplementierereingeleitet sein können. Dennoch ist es die Lexik des jeweiligen Komplementierers, die den EMB-Wert des gesamten Satzes determiniert. So kann z.B. interrogatives ob oder deklaratives daß nur [EMB +]-Sätze einleiten, 'freies' daß (Reis, 1997) oder V2-einbettendes weil (Uhmann, 1991) hingegen leiten nur [EMB — ]-Sätze ein. Mit anderen Worten, man muß davon ausgehen, daß jedes Objekt der Sorte compl im Lexikon einen spezifischen EMB-Wert aufweist. Ist dieser positiv, leitet der entsprechende Komplementierer einen eingebetteten Satz ein, ist er negativ, leitet er einen uneingebetteten Satz ein. Anhand von daß und weil wird deutlich, daß die Konsequenz dieser Analyse ist, daß bestimmte Komplementierer in homonymen Formen mit unterschiedlichen syntaktischen und semantischen Eigenschaften im Lexikon auftreten. 54 Beispielsweise gibt es einen Eintrag 53 Unter der hier vorgestellten Satzstrukturanalyse kann die negative Instantiierung des EMB-Wertes für die initialen Verben über die Lexikalische Regel LR-V2 (Abschn. 6.2.5) erreicht werden, da sie dazu dient, initiale Verbformen aus finalen abzuleiten. 54 Eine lexikalische Mehrdeutigkeit für die Begründungskonjunktion weil schlägt aus unabhängigen

254

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

für daß! und daß2. Daß, leitet deklarative Komplementsätze ein, daß2 freie daß-Sätze. Die syntaktischen Unterschiede beider Satztypen folgen aus der positiven resp. negativen Spezifikation ihres EMB-Wertes. Auch die Relativierer sind im Lexikon in bezug auf den EMB-Wert uneinheitlich ausgezeichnet. Während der restriktive Relativierer, der als Kopf der restriktiven RS fungiert, einen positiv spezifizierten EMB-Wert aufweist, ist der nicht-restriktive Relativierer, der appositive RS und wRS projiziert, als [EMB —] markiert, was u.a. auf die Wurzelsatzeigenschaften der appositiven RS und der wRS zurückzuführen ist. Damit drückt sich Nicht-Restriktivität syntaktisch in der Spezifikation [EMB —] aus.

6.4.3

Externe Anbindung der wRS

Die bereits vorgestellte Standardanalyse für restriktive RS in der HPSG basiert hinsichtlich der Verknüpfung des RS mit seinem Antezedens auf drei Annahmen: (i) Der Kopf des RS stellt über das MOD-Merkmal eine Modifikationsanforderung an sein Antezedens, (ii) der RS wird über das HEAD-ADJUNCT-Schema bzw. das Selektionsprinzip mit seinem nominalen Antezedens, einer NP, syntaktisch verbunden und (iii) semantisch wird die Verknüpfung als intersektive Modifikation gedeutet. Diese Modifikationsanalyse kann sowohl in syntaktischer als auch in semantischer Hinsicht nicht direkt auf die wRS übertragen werden. Syntaktisch ist dies nicht möglich, weil die wRS, wie in Kap. 4 herausgearbeitet wurde, an eine funktional abgeschlossene funktionale Projektion (FP) anknüpfen, denn sie sind unintegriert. Semantisch ist eine intersektive Verknüpfung ungeeignet, weil die wRS nicht-restriktive Sätze darstellen und damit mit ihrem Antezedens konjunktiv zu verbinden sind. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn man davon ausgeht, daß nicht-restriktive RS Propositionen denotieren, während restriktive RS eigenschaftswertig sind. Vgl. hierzu auch die Diskussion in Abschn. 3.2.4 und 3.3.2. Das heißt, daß es nicht möglich ist, die Verbindung zwischen Bezugssatz und wRS ebenfalls über das MOD-Merkmal zu steuern. Dennoch ist es aber nicht grundsätzlich abwegig, anzunehmen, daß der wRS sowohl syntaktisch als auch semantisch seine Bezugsgröße modifiziert, zumal der andere im Rahmen der HPSG zur Verfügung stehende Selektionsmechanismus, die Spezifikation via SPEC, keine Alternative darstellt. 55 Bei genauerer Betrachtung liegt das Problem also darin, daß es im Rahmen der HPSG bislang nicht möglich ist, zwischen restriktiver und nicht-restriktiver Modifikation zu unterscheiden. 56 Es wird daher vorgeschlagen, die Merkmalsarchitektur zu erweitern und Gründen auch Ulimann (1991) vor. 55 Im ersten Moment ist die Idee nicht unattraktiv, wRS und Bezugssatz über eine durch SPEC vermittelte Spezifikationsbeziehung miteinander zu verknüpfen, vgl. z.B.Kiss (2001). Dagegen spricht jedoch, daß die wRS keine natürliche Klasse mit anderen in der HPSG als Spezifikatoren aufgefaßten grammatischen Kategorien bilden, wie z.B. mit Subjekten auf Satzebene oder mit Determinierern auf NP-Ebene. 56 Eine solche Unterscheidung ist nicht nur für die RS sinnvoll, sondern kann auch für die adjektivische Modifikation eingesetzt werden.

255

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

das MOD-Merkmal durch die zwei Merkmale MOD-R und MOD-NR zu ersetzen, wobei ersteres die restriktive Modifikation abbildet und letzteres die nicht-restriktive. Nicht-restriktive Modifikation bedeutet im Falle der RS syntaktisch, daß der Bezugssatz (eine funktional abgeschlossene, also als [FCOMPL —] ausgezeichnete, sententiale Projektion) Modifikand ist und daß der Modifikator ein MOD-NR-Merkmal trägt, das den Modifikanden selegiert. Die in Abb. 6.4.3 dargestellte Struktur verdeutlicht dies. Semantisch bedeutet nicht-restriktive Modifikation, daß der Modifikator keinen Funktor FP

FP R S SS L O C C A T

HEAD SUBCAT

nr-rltvzr MOD-NR

FP

()

Abbildung 6.21: Modifikationsstruktur für nicht-restriktive RS

darstellt, sondern mit dem Modifikanden koordiniert wird, was der Unterscheidung zwischen asymmetrischer und symmetrischer semantischer Verknüpfung bei Zimmermann (1992) (vgl. Abschn. 3.2.4.1) entspricht. M i t der vorgeschlagenen Analyse kann auch der in Abschn. 3.4 beschriebenen Beobachtung Rechnung getragen werden, daß nicht-restriktive RS und insbesondere w R S eine eigenständige F H G aufweisen. Wenn man annimmt, daß das F-Merkmal im Deutschen nur aus Modifikatoren perkolieren kann, die ein MOD-R-Merkmal tragen, nicht jedoch aus solchen, die ein MOD-NR-Merkmal aufweisen. Durch dieses Vorgehen ist auch das vortheoretische Klassifikationsmerkmal INTEGRATED 57 erfaßt, ohne daß in der H P S G ein weiteres Merkmal stipuliert wird. In Abschn. 4.6.2.6 ist ausführlich die Frage diskutiert worden, ob appositive RS und J - w R S syntaktisch einheitlich zu behandeln sind oder ob es genügend Evidenz für eine syntaktische Trennung beider Arten nicht-restriktiver R S gibt. Falls man von Letzterem überzeugt ist, und w i e Zimmermann (1992) annehmen will, daß appositive RS eingebettet sind und an eine D P anknüpfen, dann würde das unter der hier vorgestellten Analyse bedeuten, daß appositive RS ein MOD-NR-Merkmal tragen, dessen Wert als ' D P ' spezifiziert ist. Nicht-restriktive RS hätten dann gemeinsam, daß sie ein funktional vollständiges phrasales Objekt modifizieren. Restriktive RS hingegen modifizieren ein funktional unvollständiges phrasales Objekt. Wenn man jedoch der Auffassung ist, daß die Evidenz nicht ausreicht, um appositive R S und J - w R S syntaktisch getrennt voneinander zu behandeln, so verläuft die Analyse der appositiven RS parallel zu der der d - w R S , das heißt, die appositiven RS weisen ebenfalls ein MOD-NR-Merkmal auf, das als ' F P ' spezifiziert ist. Diese Analyse wird im weiteren verfolgt. 57 Das Merkmal INTEGRATED diente dazu, die nicht-restriktiven RS von den freien daß-Sätzen und den

aV2-Sätzen abzugrenzen.

256

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS

6.4.4

Der Relativierer für nicht-restriktive RS: Syntax

Im Abschn. 6.3 wurde dafür plädiert, daß ein phonologisch i.d.R. nicht realisierter Relativierer Kopf eines RS ist. Der Relativierer bestimmt entsprechend die internen und externen Eigenschaften des RS. Daher ist es naheliegend, neben dem Relativierer zur Beschreibung restriktiver RS einen zweiten nicht-restriktiven Relativierer in die Grammatik einzuführen, der entsprechend als Kopf der nicht-restriktiven RS und damit auch der wRS fungiert. Auf diese Weise werden die verschiedenen Eigenschaften der restriktiven und nicht-restriktiven RS auf jeweils verschiedene Köpfe zurückgeführt. Wie bereits ausgeführt, gehört der nicht-restriktive Relativierer im Gegensatz zum restriktiven Relativierer der Sorte nr-rltvzr an. Weiterhin unterscheidet er sich vom restriktiven in zwei wesentlichen Punkten: Erstens, der nicht-restriktive Relativierer trägt ein MOD-NR-Merkmal, während der restriktive Relativierer ein MOD-R-Merkmal aufweist. Damit einhergeht, daß nicht-restriktive RS eine FP, restriktive RS aber eine NP modifizieren, was jeweils über die Instantiierung des MOD-NR- bzw. MOD-R-Merkmals erreicht wird. Zweitens ist ein wichtiger Unterschied zwischen beiden Relativierern, daß der Wert des EMB-Merkmals im nicht-restriktiven Fall als ' —' spezifiziert ist, während das EMBMerkmal des restriktiven Relativierers als ' + ' festgelegt wird, denn nicht-restriktive RS sind, wie in Kap. 4 nachgewiesen wurde, zwar abhängige Sätze, aber sie sind im Gegensatz zu restriktiven RS nicht eingebettet. Beide genannten Unterschiede betreffen die Art und Weise der Anbindung des RS an seine syntaktische Umgebung, also die externe Syntax. Hinsichtlich ihrer internen Syntax unterscheiden sich der nicht-restriktive und der restriktive Relativierer nicht. Der nicht-restriktive Relativierer ist wie der restriktive Relativierer für zwei Argumente subkategorisiert: eine Relativphrase und eine saturierte Verbalprojektion, in der die Relativphrase als Lücke repräsentiert ist. Das finite verbale Komplement ist funktional unvollständig (= FCOPML-Wert [—]), aber saturiert 58 (= [SUBCAT < >]). Die Voranstellung der Relativphrase wird wie im restriktiven Fall über den SLASH-Mechanismus realisiert. Die vorläufige lexikalische Spezifikation des phonologisch leeren nicht-restriktiven Relativsatzkopfes ist in Abb. 6.22 dargestellt. nr-rltvzr HEAD LOC

MOD-NR EMB

CAT SUBC

FP -

LOC H , INHER | REL dref\,

vp[/w,

FCOMPL

S U B C (), I N H E R | S L A S H { [ [

NLOC | T O - B D | SLASH { E }

Abbildung 6.22: SYNSEM-Wert des nicht-restriktiven Relativierers (vorläufig) Wie bereits in Abschn. 6.3.4 näher erläutert, wird die Relativabhängigkeit im Rahmen der HPSG durch das REL-Merkmal gesteuert, denn mit diesem wird die Information 58 Vor dem Hintergrund der hier vorgestellten Satzstrukturanalyse bedeutet dies, daß ein initiales oder finales finites Verb Kopf des zweiten Arguments sein kann.

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

257

über ein anwesendes Relativpronomen und seine grammatischen Eigenschaften festgehalten und die (Kongruenz-)Beziehung zwischen Relativpronomen und Bezugsgröße etabliert. Im Zusammenspiel mit dem iNHERiTED-ToBlND-Mechanismus wird durch REL sichergestellt, daß jeder RS mit einem passenden Antezedens verknüpft ist, denn in einem grammatischen Satz muß der listenwertige Wert des REL-Merkmals leer sein. Der Wert des REL-Merkmals eines Relativpronomens wird im Lexikon instantiiert. Pollard und Sag (1994) gehen davon aus, daß der Wert von REL ein semantischer Index ist, also ein Objekt der Sorte index. Indizes sind - ebenfalls über entsprechende Merkmale bezüglich Numerus, Genus und Person spezifiziert. Da Indizes nur für nominale Objekte zugelassen sind, ist ein nicht-nominales Antezedens für einen RS in der Standardanalyse von Pollard und Sag (1994) ausgeschlossen. Zudem ist es unter dem Ansatz von Pollard und Sag (1994) nicht möglich, zwischen einem jeweils verschiedenen syntaktischen und semantischen Antezedens des RS zu unterscheiden. Um die wRS zu beschreiben, muß der Ansatz von Pollard und Sag (1994) diesbezüglich also verändert werden. Daher wird die Definition des REL-Wertes dahingehend abgewandelt, daß der REL-Wert nicht mehr der Sorte index angehört, sondern der Sorte d(iscourse)ref(erent). Dadurch wird der in Kap. 5 formulierten Annahme entsprochen, daß das Relativpronomen einen anaphorischen Diskursreferenten in die Repräsentation einführt, der zu einem passenden, in der Bezugs-FP enthaltenen Antezedens in Beziehung gesetzt werden muß. Im nächsten Abschnitt wird dieser Zusammenhang genauer erläutert. Pollard und Sag (1994) verlangen weiterhin über die Definition des Relativierers, daß die Schwesterkonstituente des RS den Wert des INHERITED|REL-Merkmals bindet. Für die nicht-restriktiven RS ist eine solche Bedingung jedoch unzulänglich, denn die FP, an die der nicht-restriktive RS anknüpft, ist nicht mit dem semantischen Antezedens identisch, sondern enthält dieses nur. Das heißt, der INHERITED|REL-Wert darf nur dann von der Schwester des wRS gebunden werden, wenn innerhalb der Schwesterkonstituente ein Antezedens des wRS identifizierbar ist. Wie das technisch gelöst werden kann, wird in Abschn. 6.4.6.2 ausfuhrlich diskutiert.

6.4.5

Grundlagen der semantischen Modellierung

Wie bereits in Kap. 5 dargelegt und schon mehrfach begründet, ist die DRT zur Beschreibung des Phänomenbereiches ' w R S ' besonders gut geeignet, weil intersententiale anaphorische Beziehungen im Rahmen der DRT auf einfache Weise erfaßt werden können. Die hier durchgeführte semantische Analyse ist daher DRT-basiert und baut auf der in Abschn. 6.2.4 eingeführten Integration der DRT in die HPSG durch Frank und Reyle (1995) auf. Im folgenden wird erläutert, wie auf dieser Basis die wichtigsten semantischen Eigenschaften der wRS-Konstruktion erfaßt werden können.

258 6.4.5.1

6. HPSG-theoretische Analyse der wRS Die Sorten drs, dref u n d p d r s

Zur Erinnerung: Der Form nach besteht eine DRS aus Sub-DRSen 59 , die in Abhängigkeit von den Relationen 'V' und ' O ' hierarchisch strukturiert sind. Diese Hierarchie wird durch die Subordinationsrelation ' < ' expliziert. Präziser gesagt wird die strukturelle Information in einer formalen Sprache ausgedrückt, die das zweistellige Prädikat ' < ' enthält, dessen Argumente Individuenkonstanten 1 sind. Diese Konstanten sind Namen für DRSen und heißen Labels. Die Menge der Labels bildet unter ' < ' einen Verband, wobei das maximale Element 1 T ist. Nach Frank und Reyle (1995) werden in der HPSG die Labels als Werte des Merkmals LABEL repräsentiert. Dem semantischen Inhalt nach besteht eine DRS aus einer Menge von Diskursreferenten und entsprechenden Diskursbedingungen. Diese Information wird durch das Merkmal CONDS ausgedrückt, dessen Wert als Menge gelabelter (partieller) DRSen, d.h. Objekten der Sorte pdrs (eine Subsorte von object)60, festgelegt ist. Abb. 6.23 wiederholt die in Abschn. 6.2.4 eingeführte Merkmalsarchitektur für ein Objekt der Sorte drs. 'drs LS

L-MAX [L-MIN

SUBORD { l < CONDS

Imax

Imin J

L'}

set-of-pdrs

Abbildung 6.23: Merkmalarchitektur für Objekte der Sorte drs Um die semantischen Verhältnisse der wRS-Konstruktion vollständig im Rahmen der HPSG beschreiben zu können, muß der Ansatz von Frank und Reyle (1995) erweitert werden, insbesondere müssen die von Asher (1993) vorgenommenen Veränderungen des klassischen DRT-Ansatzes eingearbeitet werden, denn Asher (1993) hat neben der 'normalen' DRS zwei weitere Arten von DRSen definiert: die delineative DRS (= DDRS) zur Repräsentation von Glaubensinhalten und die projektive DRS zur Repräsentation von Fragen, Wünschen und anderen operatoreingeleiteten Diskursstrukturen. Für die DDRS ist ihre Dreiteilung charakteristisch, d.h., neben den Diskursreferenten und den Diskursbedingungen werden die jeweiligen Glaubensinhalte als Werte des Prädikats glauben dargestellt. Die projektiven DRSen zeichnen sich dadurch aus, daß sie DRSen sind, über die ein Operator skopiert. DDRSen und projektive DRSen sind somit spezielle DRSen, weswegen zwei Subsorten ddrs undproj(ective)-drs unter der Sorte drs eingeführt werden, siehe Abb. 6.24. Allerdings ist es dann auch nötig, eine dritte Subsorte zu definieren, die gewissermaßen die 'einfache' DRS abbildet. Diese Subsorte soll simp(ple)-drs heißen. Darüber hinaus wird eine weitere Subsorte der Sorte drs hinzugefügt, und zwar präd(.icative)-drs, um so die ebenfalls von Asher (1993) eingeführten prädikativen DRSen re59 Die einfachste Form einer DRS ist eine ohne eingebettete Sub-DRS. 60 Dies ist ein Zusatz zu Frank und Reyle (1995), denn sie geben nicht explizit an, welcher Sorte die Elemente der CONDS-Menge angehören.

6.4 Zur Analyse der wRS in HPSG

259

präsentieren zu können. Prädikative DRSen sind A-abstrahierte DRSen, vgl. Abschn. 5.1.1. Die Sorte präd-drs weist zwei Subsorten61 auf: e-präd(icative)-drs und e-x-präd(icative)drs. Die Sorte e-präd-drs repräsentiert eine prädikative DRS, über deren Ereignisreferenten abstrahiert wurde; die Sorte e-x-präd-drs repräsentiert eine prädikative DRS, in der über den Ereignisreferenten und zusätzlich über einen Individuenreferenten abstrahiert wurde. Wie in Abb. 6.24 zu sehen ist, ist für die Sorte ddrs das Merkmal BELIEF angemessen. Der Wert dieses Merkmals repräsentiert den jeweiligen Glaubensinhalt und stellt eine Menge von Mengen von /»¿^-Objekten dar. Objekte der Sorte proj-drs sind dadurch gekennzeichnet, daß sie ein Operatormerkmal OP aufweisen, dessen Wert der Sorte op angehört.62 Der Wert dieses Merkmals repräsentiert den Operator. Dieser skopiert über eine DRS, wodurch die entsprechende projektive DRS konstruiert wird. Der jeweilige Skopus wird durch den Wert des SCOPE-Merkmals ausgedrückt, das ebenfalls für die Sorte projdrs definiert ist und dessen Wert der Sorte label angehört, da die DRS im Skopus des Operators in der HPSG-DRT durch ihr maximales Label identifizierbar ist. drs

LS

L-MAX

lmax

L-MIN

\mln

SUBORD { l


S Y N S E M LOC

Ell}

'func-s-hd-pdrs DRS

LABEL

CONDS

E l

REL

interrogative

ARG J

OP

question

SCOPE

E U

M

Abbildung 6.34: LOCAL-Wert für den w-Interrogativkomplementierer

PHON (DAß) "HEAD CAT

compi t

SUBCAT / V P

LS

GJ1

CONDS H]

simp-drs LS

S Y N S E M LOC

SUBORD

{} func-s-hd-pdrs

DRS CONDS

LABEL GÖ

REL ARG J

declarative M

Abbildung 6.35: LOCAL-Wert für den V