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German Pages 471 Year 2018
Studien zum vergleichenden Privatrecht Studies in Comparative Private Law Band / Volume 4
Weiterentwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts durch Einflüsse des US-amerikanischen Produkthaftungsrechts unter besonderer Berücksichtigung der Automobilindustrie
Von
Hardy Sieglitz
Duncker & Humblot · Berlin
Meinen Eltern Dr. Gunther und Emilija Sieglitz
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 von der Juristenfakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Besonders bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Rauscher. Während meiner Studienzeit weckten Veranstaltungen und Vorlesungen der von ihm eingeladenen US-amerikanischen Professoren an der Juristenfakultät der Universität Leipzig mein Interesse am US-amerikanischen Recht. Als eine besondere Unterstützung meiner Arbeit empfand ich seine große Offenheit für mein Wunschthema und seine Geduld, bis ich die Arbeit schlussendlich erfolgreich beendete. Aufgrund seiner tiefen Verbundenheit und seines Verständnisses für das USamerikanische Recht war es mir möglich, eine Arbeit einerseits mit einer vertieften Darstellung des US-amerikanischen case laws anzufertigen und andererseits die ganze Breite des Produkthaftungsrechts von der strict products liability über die prozessualen Beweisgrundsätze bis hin zu punitive damages abzudecken. Seine Unterstützung meiner Bewerbung als Visiting Researcher an der University of Pennsylvania Law School war mir eine große Hilfe. Mein weiterer Dank gebührt der University of Pennsylvania Law School, Philadelphia/PA, hier insbesondere meinen betreuenden Professoren William Ewald und Jacques deLisle. Ohne diesen Studienaufenthalt als Visiting Researcher wäre es mir nicht möglich gewesen, die US-amerikanische Rechtslage in der folgenden Breite und Tiefe darzustellen. Ferner bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Justus Meyer für die Erstellung des Zweitgutachtens. Abschließend gilt mein Dank allen, die meine Studienarbeiten durch die großen und kleinen Hilfen neben der juristischen Forschung erleichtert haben. Meinen besonderen Dank gilt dabei Frau Helga Kucera, die als Bibliothekarin an der Deutschen Bücherei (nunmehr Deutsche Nationalbibliothek) jedes von mir als wichtig angesehene Druckwerk in deutscher Sprache zum Lesen bereit stellte, und Dan und Brigitte Diefenderfer, Radnor/PA, die mir bei meinem Aufenthalt an der University of Pennsylvania Law School ein Zuhause gegeben haben. Über allen steht mein Dank an meine Eltern. Ihnen widme ich diese Arbeit. Leipzig, im Juli 2018
Hardy Sieglitz
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einführung – Ist im Produkthaftungsrecht schon alles gesagt?
25
A. Das Produkthaftungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Die Rechtsforschung seit dem Inkrafttreten des ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Das moderne Produkthaftungsrecht als Verbraucherschutzrecht am Beispiel von Kraftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 D. Der Einfluss des US-amerikanischen auf das deutsche Produkthaftungsrecht . . . . . . . 32 E. Der Fokus der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Teil 2 Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
37
A. Die deliktische Haftung aufgrund der Benutzung eines Gegenstandes . . . . . . . . . . . . . 37 I. Der Produktfehler als Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . 39 II. Der Produktfehler als Verstoß gegen die berechtigten Sicherheitserwartungen 41 B. Der Haftungsgrund in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 I. Die Ziele und Zwecke der Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Die Ziele und Zwecke des deutschen Produkthaftungsrechts . . . . . . . . . . . . . 45 2. Die Ziele und Zwecke der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Der Vergleich der Ziele und Zwecke in beiden Rechtsordnungen . . . . . . . . . 54 II. Der Haftungscharakter der Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Der Haftungscharakter der deutschen Produkthaftung im ProdHaftG . . . . . . . 56 2. Der Haftungscharakter der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Der Vergleich des Haftungscharakters des Produkthaftungsrechts in beiden Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Der objektbezogene Produktfehler in der strict products liability . . . . . . . . . . . . 63 1. Das unreasonable dangerous product . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Der consumer expectation test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Die risk/utility-analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Die Verhaltensbezogenheit der risk/utility-analysis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
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Inhaltsverzeichnis 3. Die fehlende Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 a) Die Offensichtlichkeit der Gefahr – open and obvious danger rule . . . . . . 85 b) Der Missbrauch – unanticipated and abnormal misuse . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Die Eigengefährdung – assumption of risk rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Die fehlende Schutzbedürftigkeit des Geschädigten im deutschen Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 e) Die fehlende Schutzbedürftigkeit des Geschädigten als Haftungsbeschränkung im ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4. Die fehlende Zumutbarkeit der Gefahrenvermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Fall 1: Die unbekannte Produktgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Die state-of-the-art-defense . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Der Stand von Wissenschaft und Technik – der Entwicklungsfehler 110 cc) Die unbekannte Produktgefahr als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG 116 b) Fall 2: Die unvermeidbare Produktgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Die Gefahrenvermeidung mittels Anleitungen und Warnungen – duty to warn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Die Entwicklungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Die Haftung für die unvermeidbare Produktgefahr im ProdHaftG . . . 134 c) Fall 3: Die gesetzes- und vorschriftenkonforme Produktkonstruktion . . . . 135 aa) Der regulatory safety standard als Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . 135 bb) Gesetzliche Normen und Verwaltungsakte als Haftungsbeschränkung 137 cc) Die technischen Regeln als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG . . . . . 140 d) Fall 4: Die Einhaltung des üblichen Sicherheitsniveaus . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Industry custom and usage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Das übliche Sicherheitsniveau in der Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . 143 cc) Die Einhaltung des üblichen Sicherheitsniveaus als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 e) Fall 5: Die Umsetzbarkeit der Gefahrenbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Das feasible alternative design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Die Erfüllbarkeit der Herstellerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Die Umsetzbarkeit als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG . . . . . . . . . 163 f) Fall 6: Die mangelnde Perfektion des Herstellers – der Fabrikationsfehler 165 aa) Der manufacturing defect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 bb) Der Fabrikationsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Die Haftungsbegrenzung bei mangelhafter Herstellung . . . . . . . . . . . . 170
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Die Fehlerhaftigkeit des Produkts aufgrund dessen unangemessener Gefährlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Die Auswirkungen in der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Inhaltsverzeichnis
11
Teil 3 Die Hersteller- und Händlerhaftung – Wer haftet für die Gefährlichkeit des Produkts?
188
A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Die Produzentenhaftung der Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Die Produzentenhaftung des Warenhändlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Die Produzentenhaftung des Importeurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Die Rechtslage in der negligence . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Die Rechtslage in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 C. Die Hersteller- und Händlerhaftung in einer objektbezogenen Produktfehlerhaftung
217
Teil 4 Die Beweislast des Klägers – Wie kann der Geschädigte den Schaden aufgrund eines Produktfehlers beweisen?
221
A. Die Beweislast im Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Die prozessuale Konfliktsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 C. Die Beweistiefe im deutschen Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Das Verbot eines Ausforschungsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Die generelle Verringerung der Beweistiefe aus Billigkeitsgesichtspunkten . . . . 225 III. Die Anwendbarkeit des § 287 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 IV. Die Beweislast nach Einflusssphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 V. Der Anscheinsbeweis im Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 VI. Der Indizienbeweis im Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 VII. Schlussfolgerungen zur Beweiswürdigung im Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . 232 D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Die Beweislastumkehr zur objektiven Pflichtwidrigkeit und zum Verschulden 233 II. Die Beweislastumkehr als Folge einer Verletzung der Beweissicherungspflicht 238 III. Die Beweislastumkehr gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . 241 E. Die Beweisführung in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Die Beweislast in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Der prima facie case zur Fehlerhaftigkeit des Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Der prima facie case zur Schadensursächlichkeit des Produktfehlers . . . . . . . . . 252 IV. Schlussfolgerungen zur Beweisführung im ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
12
Inhaltsverzeichnis
F. Die hinreichende Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof . . . . 256 I. Die Beweisregel res ipsa loquitor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Die Übertragung der res ipsa loquitor auf den Fehler- und Kausalitätsbeweis 262 III. Die Beweiswürdigung bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 G. Die Beweislastumkehr in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 H. Alternative Haftungsverteilungen in der strict products liability . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
Teil 5 Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht – Muss das Produkthaftungsrecht mehr als ein Recht des Schadenausgleichs sein?
290
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Die gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 1. Die Ausgleichsfunktion der immateriellen Entschädigung . . . . . . . . . . . . . . . 294 2. Die Theorie von der Doppelfunktion der immateriellen Entschädigung . . . . . 297 3. Die Entschädigung als präventive Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a) Die Präventionsfunktion als Ausfluss der Genugtuungsfunktion . . . . . . . . 302 b) Die immaterielle Entschädigung als Privatstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 c) Ausgewählte Beispiele von immateriellen zivilrechtlichen Entschädigungsleistungen mit präventivem Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 d) Die immaterielle Entschädigung als Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . 312 II. Die immaterielle Entschädigung im Produkthaftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Das Handeln des Herstellers als motiv- und interessengeleitete deliktische Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 2. Die Subsidiarität gegenüber präventiv wirkenden öffentlich-rechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 3. Die besondere Verwerflichkeit des Herstellerverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 4. Vermeidung einer „Amerikanisierung“ des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 334 B. Die punitive damages in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 I. Die Rechtsnatur von punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 II. Die Funktionen der punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 III. Die Haftungssubjekte der punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 IV. Die Beweislast zur Erlangung von punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 V. Der Ausschluss von punitive damages in einigen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . 350 VI. Die punitive damages in der kritischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 VII. Die Notwendigkeit der Verhängung von punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
Inhaltsverzeichnis
13
VIII. Die Bemessung von punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Die reprehensibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Die reasonable relationship von punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 3. Die Höhe sonstiger Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 4. Der Profitentzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 5. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 6. Die Berücksichtigung der Rechtsverfolgungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 7. Die Berücksichtigung von Sanktionen wegen des gleichen Verhaltens . . . . . 383 8. Die Berücksichtigung unerwünschter volkswirtschaftlicher Folgen . . . . . . . . 385 IX. Gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung und Verteilung von punitive damages 386 1. Absolute und verhältnismäßige Obergrenzen für punitive damages . . . . . . . 386 2. Die Beteiligung der Staatskasse an punitive damages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 C. Die billige immaterielle Entschädigung in der deutschen Produzentenhaftung . . . . . . 389 I. Die Bemessung der billigen immateriellen Entschädigung in der Produzentenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Die Bemessung der billigen Entschädigung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 1. Die Notwendigkeit einer präventiven Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . 393 2. Die Bemessung einer präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung . . . . . . 396 III. Der Begünstigte der präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung . . . . . . . . . 400
Teil 6 Schlussfolgerungen – Der objektbezogene Produktfehler und die Erhöhung der immateriellen Entschädigung zur Verfolgung präventiver Ziele sind die Grundlage für ein modernes und verbraucherschützendes Produkthaftungsrecht
402
A. Der Produktfehler im ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 B. Die Haftung von Nichtherstellern im ProdHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 C. Der Maßstab für den erbrachten Beweis eines objektbezogenen Produktfehlers und dessen Kausalität für die Verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 D. Die präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung in der Produzentenhaftung . . . . . . 414 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Rechtsprechungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471
Abkürzungsverzeichnis A.2d
a.A. a.a.O. ABS Abs. A.C.A. AcP AEUV a.F. AfP AG AG AGBG AGG AK AL Ala. Ala. Code Ala. L. Rev. Alas. Alas. Stat. allg.M. A.L.R.4th Alt. Am. Bus. L. J. AMG Am. U. L. Rev. AR Ariz. Ariz. Ariz. App. Ark. A.R.S. Art. AZ
West’s Atlantic Reporter Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Connecticut, Delaware, District of Columbia, Maine, Maryland, New Hampshire, New Jersey, Pennsylvania, Rhode Island, Vermont andere Auffassung am angegebenen Ort Antiblockiersystem (technische Einrichtung zur Vermeidung des Blockierens der Räder bei der Notbremsung eines Kraftfahrzeugs) Absatz Arkansas Code Annotated Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung AfP – Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht Aktiengesellschaft Amtsgericht Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Alaska Alabama Supreme Court of Alabama Alabama Code Alabama Law Review Supreme Court of Alaska Alaska Statutes allgemeine Meinung American Law Reports 4th series Alternative American Business Law Journal Arzneimittelgesetz The American University Law Review Arkansas Arizona Reports – Report of Cases Argued and Determined in the Supreme Court of Arizona Supreme Court of Arizona Court of Appeals of Arizona Supreme Court of Arkansas Arizona Revised Statutes Article/Artikel Arizona
Abkürzungsverzeichnis Az. BAG BAGE BB BGB BGH BGHZ BT-Drs. Burns Ind. Code Ann. BVerfG bzgl. bzw. CA ca. Cal. Cal.2d Cal.3d Cal.4th Cal. App. Cal. App.2d Cal. App.3d Cal. App.4th Cal. Civ. Code Cal. L. Rev. Cal. Rptr. Cir. CO Co. Colo. Colo. App. conc. Conn. Conn. Gen. Stat. Conn. Super. Cornell L. Rev. Corp. C.R.S. CT DAJV
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Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Betriebs-Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundestag-Drucksache Burns Indiana Statutes Annotated Bundesverfassungsgericht bezüglich beziehungsweise California circa Supreme Court of California California Reports Second Series – Reports of the Cases Determined in the Supreme Court of the State of California California Reports Third Series – Reports of the Cases Determined in the Supreme Court of the State of California California Reports Fourth Series – Reports of the Cases Determined in the Supreme Court of the State of California Court of Appeal of California California Appellate Reports Second Series – Reports of Cases Determined in the Courts of Appeal of State of California California Appellate Reports Third Series – Reports of Cases Determined in the Courts of Appeal of State of California California Appellate Reports Fourth Series – Reports of Cases Determined in the Courts of Appeal of State of California California Civil Code California Law Review West’s California Reporter – Cases Argued and Determined in the Supreme Court, Courts of Appeals, Appellate Department, Superior Courts Circuit (Gerichtbezirk eines Bundesberufungsgerichts – United States Court of Appeals) Colorado Company Supreme Court of Colorado Court of Appeals of Colorado Concurring opinion Supreme Court of Connecticut General Statutes of Connecticut Superior Court of Connecticut Cornell Law Review Corporation Colorado Revised Statutes Connecticut Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung
16 DAR DB DC DC Cir. Del. Code ders. dgl. d. h. D.Haw. dies. diss. D.Kan. DM D.Md. D.N.J. D.R.I. D.S.C. E.D.La. E.D.Mich. E.D.N.C. E.D.Penn. E.D.Tex. E.D.Wis EG EGBGB EG-Produkthaftungsrichtlinie Einl. etc. et seq./et seqq. EuGH EuGVÜ EWG f. F.2d
F.3d FAZ Fed. Reg. Fed Rules Evid R ff. FL Fla. App.
Abkürzungsverzeichnis Deutsches Autorecht Der Betrieb District of Columbia United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit The Delaware Code derselbe dergleichen das heißt United States District Court for the District of Hawaii dieselben Dissenting opinion United States District Court for the District of Kansas Deutsche Mark United States District Court for the District of Maryland United States District Court for the District of New Jersey United States District Court for the District of Rhode Island United States District Court for the District of South Carolina United States District Court for the Eastern District of Louisiana United States District Court for the Eastern District of Michigan United States District Court for the Eastern District of North Carolina United States District Court for the Eastern District of Pennsylvania United States District Court for the Eastern District of Texas United States District Court for the Eastern District of Wisconsin Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. 07. 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (85/374/ EWG) Einleitung et cetera et sequens – Singular/Plural Gerichtshof der Europäischen Union Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgend West’s Federal Reporter Second Series – Cases Argued and Determined in the United States Courts of Appeals, United States Court of Claims, United States Court of Customs, and Patent Appeals and Temporary Emergency Court of Appeals West’s Federal Reporter Third Series – Cases Argued and Determined in the United States Courts of Appeals Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Register Federal Rules of Evidence Rule fortfolgend Florida Court of Appeal of Florida
Abkürzungsverzeichnis Fla. Stat. fn. Fn. F. Supp. F. Supp.2d
GA Ga. Ga. App. GesR GG ggf. GPSG Harv. L. Rev. Haw. HBÜ HI h.M. h.Rspr. IA ICD ID Ida. Ida. App. Idaho Idaho Stat. IL ILCS Ill. Ill. App. IN Inc. Ind. App. Iowa IPRax i.V.m. J. JA J. Legal Studies Jura JuS
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Florida Statutes footnote Fußnote West’s Federal Supplement – Cases Argued and Determined in the United States District Courts, United States Customs Court and Ruling of the Judicial Panel on Multidistrict Litigation West’s Federal Supplement Second Series – Cases Argued and Determined in the United States District Courts, United States Court of International Trade and Rulings of the Judicial Panel on Multidistrict Litigation Georgia Supreme Court of Georgia Court of Appeals of Georgia Gesundheitsrecht (Jahr, Seite) Grundgesetz gegebenenfalls Geräte- und Produktsicherheitsgesetz Harvard Law Review Supreme Court of Hawaii Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen Hawaii herrschende Meinung herrschende Rechtsprechung Iowa Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme Idaho Supreme Court of Idaho Court of Appeals of Idaho Idaho Reports – Report of Cases Argued and Determined in the Supreme and the Court of Appeals of the State of Idaho Idaho Statutes Illinois Illinois Compiled Statutes Supreme Court of Illinois Appellate Court of Illinois Indiana Incorporated Court of Appeals of Indiana Supreme Court of Iowa Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts in Verbindung mit Justice Juristische Arbeitsblätter The Journal of Legal Studies Juristische Ausbildung Juristische Schulung
18 JZ Kan. KG KOM KRS KS K.S.A. KY Kz. LA La. La. App. La. C.C. La. R.S. l. c. LEXIS LG lit. LLC MA Mass. Mass. Mass. Super. MCA MCL MD M.D. Md. Md. Md. App. Md. App. M.D.Penn. MDR ME Me. MedR Mfg. MI Mich. Mich. Mich. App. Mich. App. Mich. L. Rev. Minn.
Abkürzungsverzeichnis JuristenZeitung Supreme Court of Kansas Kammergericht Europäische Kommission Kentucky Revised Statutes Kansas Kansas Statutes Annotated Kentucky Kennzahl Louisiana Supreme Court of Louisiana Court of Appeal of Louisiana Louisiana Civil Code Louisiana Revised Statutes loco citato Datenbank der LexisNexis Group, Dayton/OH Landgericht littera (Buchstabe) Limited Liability Company Massachusetts Massachusetts Reports – Decisions of the Supreme Judicial Court of Massachusetts Supreme Judicial Court of Massachusetts Superior Court of Massachusetts Montana Code Annotated Michigan Compiled Laws Maryland Doctor of Medicine Maryland Reports – Cases Adjudged in the Court of Appeals of Maryland Court of Appeals of Maryland Maryland Appellate Reports – Cases Adjudged in the Court of Special Appeals of Maryland Court of Special Appeals of Maryland United States District Court for the Middle District of Pennsylvania Monatsschrift für Deutsches Recht Maine Supreme Judicial Court of Maine Medizinrecht Manufacturing Michigan Michigan Report – Cases Decided in the Supreme Court of Michigan Supreme Court of Michigan Michigan Appeals Reports – Cases Decided in the Michigan Court of Appeals Court of Appeals of Michigan Michigan Law Review Supreme Court of Minnesota
Abkürzungsverzeichnis Minn. App. Minn. Stat. Mio. Miss. Miss. App. MN MO Mo. Mo. App. Mont. MS MT MUPLA NC NC Gen. Stat. ND N.D. N.D. Cent. Code N.D.Ind. N.D.Tex. NE N.E. N.E.2d Neb. Neb. Nev. NH N.H. N.H. NJ N.J. N.J. N.J. Stat. N.J. Super. N.J. Super. NJW NJW-RR NJW-Spezial No. Nr. NRS
19
Court of Appeals of Minnesota Minnesota Statutes Millionen Supreme Court of Mississippi Court of Appeals of Mississippi Minnesota Missouri Supreme Court of Missouri Court of Appeals of Missouri Supreme Court of Montana Mississippi Montana Model Uniform Product Liability Act North Carolina North Carolina General Statutes North Dakota Supreme Court of North Dakota North Dakota Century Code United States District Court for the Northern District of Indiana United States District Court for the Northern District of Texas Nebraska North Eastern Reporter – Cases Argued and Determined in the Courts of Illinois, Indiana, Massachusetts, New York, Ohio West’s North Eastern Reporter Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Illinois, Indiana, Massachusetts, New York, Ohio Nebraska Reports – Official Reports of Cases in the Supreme Court of Nebraska Supreme Court of Nebraska Supreme Court of Nevada New Hampshire The New Hampshire Reports Supreme Court of New Hampshire New Jersey New Jersey Reports – Reports of Cases Argued and Determined in the Supreme Court of New Jersey Supreme Court of New Jersey New Jersey Annotated Statutes New Jersey Superior Court Reports – Reports of Cases Argued and Determined in the Superior Court Appellate Division Chancery Division Law Division of the State of New Jersey Superior Court of New Jersey Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Beilage zur NJW number Nummer Nevada Revised Statutes
20 NV Nw. U. L. Rev. N.W.2d
NY N.Y. N.Y.2d N.Y. App. Div. N.Y.S.2d
NZA NZV o. ä. O.C.G.A. OH OK Okla. Okla. Stat. OLG OLGR OR ORC Ore. Ore. Ore. App. ORS OWiG p. P.
P.2d
P.3d
PA
Abkürzungsverzeichnis Nevada Northwestern University Law Review West’s North Western Reporter – Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Iowa, Michigan, Minnesota, Nebraska, North Dakota, South Dakota, Wisconsin New York Court of Appeals of New York New York Reports 2d Series – Reports of Cases Decided in the Court of Appeals of the State of New York Supreme Court of New York, Appellate Division West’s New York Supplement Second Series – Cases Argued and Determined in the Court of Appeals, Appellate Division of the Supreme Court as well as the Supreme Court and other Courts Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht oder ähnliches Official Code of Georgia Annotated Ohio Oklahoma Supreme Court of Oklahoma Oklahoma Stat. Oberlandesgericht OLG-Report (Jahr, Seite) Oregon Ohio Revised Code Oregon Reports – Reports of Cases Decided in the Supreme Court of the State of Oregon Supreme Court of Oregon Court of Appeals of Oregon Oregon Revised Statutes Gesetz über Ordnungswidrigkeiten page The Pacific Reporter – Comprising all the Decisions of the Supreme Courts of California, Kansas, Oregon, Washington, Colorado, Montana, Arizona, Nevada, Idaho, Wyoming, Utah, New Mexico, Oklahoma, District Courts of Appeal and Appellate Department of the Superior Court of California and Criminal Court of Appeals of Oklahoma West’s Pacific Reporter – Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Alaska, Arizona, California, Colorado, Hawai’i, Idaho, Kansas, Montana, Nevada, New Mexico, Oklahoma, Utah, Washington, Wyoming West’s Pacific Reporter Third Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Alaska, Arizona, California, Colorado, Hawai’i, Idaho, Kansas, Montana, Nevada, New Mexico, Oklahoma, Utah, Washington, Wyoming Pennsylvania
Abkürzungsverzeichnis Pa. Pa. Pa. Super. Pa. Super. PHI PKW ProdHaftG ProdSG RabelZ RCW RG RGZ RI RIW Rn. R.R.S. Neb. RSA R.S.Mo. Rspr. S. SBLRA SC S.C. S.C. SC Code SD S.D. SDCL S.D.Fla. S.D.N.Y. Sec. S.E.2d
So.2d sog. S.p.A. stRspr. StVG Subd. SUV
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Pennsylvania State Reports – Cases Decided by the Supreme Court of Pennsylvania Supreme Court of Pennsylvania Pennsylvania Superior Court Reports – Cases Decided by the Superior Court of Pennsylvania Superior Court of Pennsylvania bis 2002: Produkthaftpflicht International, ab 2003: Haftpflicht International – Recht und Versicherung Personenkraftwagen Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) Produktsicherheitsgesetz Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revised Code of Washington Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rhode Island Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Nebraska Revised Statutes New Hampshire Revised Statutes Annotated Missouri Revised Statutes Rechtsprechung Seite Small Business Liability Reform Act South Carolina South Carolina Reports – Reports of Cases and Matters Determined by the Supreme Court and Court of Appeals of South Carolina Supreme Court of South Carolina South Carolina Code of Laws South Dakota Supreme Court of South Dakota South Dakota Codified Law United States District Court for the Southern District of Florida United States District Court for the Southern District of New York Section West’s South Eastern Reporter – Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Georgia, North Carolina, South Carolina, Virginia, West Virginia West’s Southern Reporters Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Alabama, Florida, Louisiana, Mississippi sogenannten Società per azioni ständige Rechtsprechung Straßenverkehrsgesetz Subdivision Sport Utility Vehicle (geländegängiges Kraftfahrzeug)
22 S.W.2d
S.W.3d
Tenn. Tenn. Code Ann. Tex. Tex. App. Tex. Civ. Prac. & Rem. Code tit. TN TREAD Act TX u. a. UCLA L. Rev. US U.S. USA U.S. Dist. USCS usw. Utah Code Ann. u. U. v. Va. Code VersR vgl. v.H. VI Vol. Vorbem. vs. VW WA Wash. Wash. App. Wash. L. Rev. W.D.Penn. WI Wis.2d Wisc. WM
Abkürzungsverzeichnis West’s South Western Reporter Second Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Arkansas, Kentucky, Missouri, Tennessee, Texas West’s South Western Reporter Third Series – Cases Argued and Determined in the Courts of Arkansas, Kentucky, Missouri, Tennessee, Texas Supreme Court of Tennessee Tennessee Code Annotated Supreme Court of Texas Court of Appeals of Texas Texas Civil Practice and Remedies Code Title Tennessee Transportation Recall Enhancement Accountability Documentation Act Texas unter anderem UCLA Law Review United States United States Reports – Cased Adjudged in the Supreme Court United States of America United States District Court United States Code Service und so weiter Utah Code Annotated unter Umständen versus Code of Virginia Versicherungsrecht vergleiche von Hundert Virgin Islands Volume Vorbemerkung versus Versicherungswirtschaft Washington (State) Supreme Court of Washington Court of Appeals of Washington Washington Law Review United States District Court for the Western District of Pennsylvania Wisconsin Callaghan’s Official Wisconsin Reports Second Series – Cases Determined in the Supreme Court and Court of Appeals of Wisconsin Supreme Court of Wisconsin Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
Abkürzungsverzeichnis Wn.2d Wn. App. WV W.Va. W.Va. Yale L. J. z. B. ZDAR ZEuS ZfS ZHR ZIP ZPO
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Washington Reports Second Series – Cases Determined in the Supreme Court of Washington Washington Appellate Reports – Cases Determined in the Court of Appeals of Washington West Virginia West Virginia Reports – Report of Cases Determined in the Supreme Court of Appeals of the State of West Virginia Supreme Court of Appeals of West Virginia The Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für Deutsches und Amerikanisches Recht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung
Teil 1
Einführung – Ist im Produkthaftungsrecht schon alles gesagt? „Die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geförderte Entwicklung des Produkthaftpflichtrechts scheint, jedenfalls soweit es die Deliktshaftung betrifft, im Wesentlichen abgeschlossen zu sein.“ 1 Hans Josef Kullmann
Die folgende Analyse des deutschen Produkthaftungsrechts wird der Frage nachgehen, ob diese These eines der wichtigsten Wort- und Meinungsführer des deutschen Produkthaftungsrechts zu Beginn des 21. Jahrhunderts korrekt ist. Sollte diese These richtig sein, würde es bedeuten, dass die rechtlichen Probleme und Fragestellungen des deutschen Produkthaftungsrechts auf einem rechtssystematisch sicheren Fundament geklärt sind. Die stürmischen Zeiten für das Produkthaftungsrecht in den 1970er und 1980er Jahren schienen jedenfalls vorüber zu sein. Dazu gehörten insbesondere die an gesellschaftspolitischen Notwendigkeiten orientierte, fallgruppenspezifische Rechtsprechung in der Auslegung der Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB und das heftige Ringen in der Literatur um eine rechtssystematische Begründung eines modernen, den Notwendigkeiten des industriellen Zeitalters und der damit verbundenen Massenproduktion von Konsumgütern genügenden Produkthaftungsrechts. Eine Zäsur dieser Diskussion stellte die spezialgesetzliche Regelung des Produkthaftungsrechts mit der Einführung des ProdHaftG am 01. 01. 1990 dar. Da in den Jahren 2002 und 2003 keine Produkthaftungsfälle bis zum BGH gelangten2, schien das Produkthaftungsrecht nur noch bei einem absurden Anlass3 oder einem äußerst prominenten Beklagten4 die Aufmerksamkeit zu erregen.
1
Kullmann, NJW 2003, 1908; daran anschließend später ders., NJW 2005, 1907. Vgl. Kullmann, NJW 2003, 1908. 3 Vgl. OLG Düsseldorf VersR 2003, 912: zur Fehlerhaftigkeit eines Mars-Riegels wegen seines Zuckergehaltes. 4 Vgl. OLG Hamm NJW 2005, 295: Coca-Cola; LG Essen NJW 2005, 2713: Reemtsma. 2
26
Teil 1: Einführung
A. Das Produkthaftungsgesetz „Die Haftung aus § 1 ProdHaftG spielt für Produkthaftungsprozesse in Deutschland immer noch keine große Rolle.“5 Hans Josef Kullmann
Mit diesem Zitat sät Kullmann erste Zweifel an der Richtigkeit seiner Einschätzung zur Entwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts. Das Produkthaftungsrecht umfasst einen Lebenssachverhalt, dem jeder Mensch täglich ausgesetzt ist, und hat damit eine essentielle Bedeutung für das moderne Dasein. Wenn das diesen Lebenssachverhalt regelnde Spezialgesetz keine wichtige Rolle spielt, obwohl Produkthaftungsfälle mit Massenprodukten auch zu dieser Zeit Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen waren6, erscheint doch erhebliches Entwicklungspotential im Produkthaftungsrecht brach zu liegen. Das ProdHaftG wurde mehr als 10 Jahre nach dem Inkrafttreten noch nicht als taugliche Grundlage zur Lösung produkthaftungsrechtlicher Streitigkeiten angesehen. Zwar wurden verschiedene Gründe angeführt, weshalb das ProdHaftG als verschuldensunabhängige Haftung kaum Vorteile gegenüber der verschuldensabhängigen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB (verbunden mit den Beweiserleichterungen der richterlichen Rechtsfortbildung) hat, etwa die Selbstbeteiligung gemäß § 11 ProdHaftG, die unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für den Verjährungsbeginn und der anfängliche Ausschluss des Schmerzensgeldes, aber auch der Haftungsausschluss von gewerblich genutzten Gegenständen im § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG und die weiterhin offen stehende alternative Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB (über § 15 Abs. 2 ProdHaftG).7 Das allein kann aber nicht erklären, weshalb das ProdHaftG für den Rechtsanwender nicht als primäre Anspruchsgrundlage für produkthaftungsrechtliche Ansprüche gewählt wurde.
5 Kullmann, NJW 2003, 1908 (1909); vgl. ders., NJW 2002, 30 (34); ders., ZEuS 2002, 37 (38); ders., NJW 2000, 1912 (1914); vgl. auch Broichmann, S. 102; Frietsch, ZEuS 2002, 119 (120 f.) sieht in der Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB einen hinreichend geregelten Interessenausgleich zwischen dem Hersteller und dem Geschädigten. 6 Vgl. exemplarisch bzgl. der Wirkung von Zigaretten OLG Hamm NJW 2005, 295, und bzgl. der Auswirkungen des weit verbreiteten Softdrinks Coca-Cola LG Essen NJW 2005, 2713. 7 Vgl. Kullmann, ZEuS 2002, 37 (46 ff.); Zinkann, S. 30 f.; vgl. zur weitergehenden Haftung für Sachschäden an gewerblich genutzten Sachen OLG Frankfurt VersR 2000, 781; Posch, ZEuS, 2002, 55 (57 f.) sieht die Ursachen einer höheren Akzeptanz spezialgesetzlicher produkthaftungsrechtlicher Normen in Österreich in den dort fehlenden Haftungsbeschränkungen, der Prozessführungsbefugnis von Verbraucherverbänden und in der vorher rechtssystematisch weniger fundierten Begründung der Produkthaftung mittels vertraglicher Schutzpflichten.
B. Rechtsforschung seit dem Inkrafttreten des ProdHaftG
27
B. Die Rechtsforschung seit dem Inkrafttreten des ProdHaftG Eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach den Gründen der fehlenden Akzeptanz des ProdHaftG in der Rechtsanwendung gab auch nicht die rechtswissenschaftliche Forschung im Produkthaftungsrecht. Diese konzentrierte sich in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des ProdHaftG auf die Begründung, den Umfang und den Adressatenkreis der im ProdHaftG nicht geregelten Rechtsbehelfe und Rechtsfolgen sowie auf die Verhaltenspflichten nach der Inverkehrgabe (insbesondere auf den Rückruf von Produkten). So stellte Schulenberg im Jahre 1991 die kompensatorische Schadenersatzpflicht des Herstellers wegen eines unterlassenen oder nicht ausreichenden Rückrufes in den Mittelpunkt seiner Arbeit8, wobei er auf den Inhalt und die Reichweite der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale der Verkehrssicherungspflichten vor und nach dem Inverkehrbringen eines Produkts gemäß § 823 Abs. 1 BGB, auf die haftungsbegründende Kausalität, das Verschulden und die Beweislast einging9. Im Jahre 1994 konzentrierte sich Scheller – neben der rechtssystematischen Betrachtung der zivilrechtlichen Produkthaftung als Verschuldenshaftung oder als Gefährdungshaftung – auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Herstellers für seine Ware nach ihrer Auslieferung verbunden mit der Pflicht zur Vornahme schadensabwehrender Maßnahmen und auf die Begründung eines präventiven Rechtsschutzes.10 Mit dem Produktrückruf beschäftigten sich im Jahre 1994 Rettenbeck, der ausgehend von der ökonomischen Tragweite der Rückrufpflicht die grundlegenden Elemente der Produktverantwortung des Herstellers und die Umstände darstellte, unter welchen Gesichtspunkten diese allgemeine Produktverantwortung in eine Pflicht zur Gefahrenabwehr umschlägt und sich zu einer Rückrufpflicht verdichtet,11 und im Jahre 1996 Seeling, der den Inhalt und den Umfang der Rechtsgrundlagen und der Rechtsfolgen der Rückrufpflichten verbunden mit der Schlussfolgerung einer möglichst umfassenden gesetzlichen Regelung von Rückrufpflichten und Produktrückrufen untersuchte.12 Kennzeichnend für diese Arbeiten ist, dass dem Produkthaftungsrecht ein Bedürfnis zur präventiven Wirkung bis hin zu einem präventiven Rechtsschutz zugewiesen wird.13 Auch Bodewig legt dem Produkthaftungsrecht ein präventives Rechtsschutzbedürfnis zu Grunde und entwickelt mit Verweis auf eine besondere deliktische Situation ein besonderes Problembewusstsein im Rechtsverhältnis zwischen dem Rückrufenden und dem Rückrufadressaten (insbesondere bezüglich der 8
Vgl. Schulenberg, S. 7 ff. Vgl. Schulenberg, S.10 ff., 15 ff., 65 ff., 70 ff. 10 Vgl. Scheller, S. 1 ff., 10 ff., 49 ff. 11 Vgl. Rettenbeck, S. 13; umfangreicher dargestellt von Bodewig, S. 163 ff. 12 Vgl. Seeling, S. 2 ff. 13 Vgl. Bodewig, S. 329 ff.; Seeling, S. 101 ff.; Scheller, S. 50 ff.; Rettenbeck, S. 100; Schulenberg, S. 146 ff. 9
28
Teil 1: Einführung
Leistungsstörung).14 Die damit einhergehende Nähe des präventiven Rechtsschutzbedürfnisses mit den general- und spezialpräventiven Aspekten des Strafrechts15 wurde mit dem Ergebnis untersucht, dass die dem zivilrechtlichen Schadenersatz innewohnende generalpräventive Wirkung gering sei, da ein Hersteller trotz Schadenersatzzahlung einen Gewinn aus dem schädigenden Verhalten generieren könne (mittels der Kollektivierung der Zahlungspflicht in der Gesamtheit des Unternehmens, aufgrund der Abwälzung auf eine Versicherung und durch die steuerliche Absetzbarkeit).16 Diese strafrechtliche Sichtweise kam folglich zu dem Ergebnis, dass die Sicherheit der Verbraucher durch strafrechtliche Regelungen besser gewährleistet werden könne, da der präventiven Wirksamkeit des Strafrechts gegenüber der zivilrechtlichen Schadenersatzhaftung aufgrund der persönlichen Haftung und der damit verbundenen psychischen Belastungen des Einzelnen, aufgrund dessen Stigmatisierung und aufgrund dem persönlichen Unbill einer Geldstrafe oder gar – was im Zivilrecht nicht möglich ist – einer Haftstrafe eine größere Bedeutung zukäme.17 Ob diese Einschätzung des Produkthaftungsrechts tatsächlich die Realität beschreibt, darf mit Blick auf die eher geringe Bedeutung des Strafrechts bei Produkthaftungsfällen in der Rechtsprechung und der hohen Zahl an eingestellten Ermittlungsverfahren bei zivilrechtlich relevanten Produkthaftungsfällen18 bezweifelt werden. Kennzeichnend für die rechtswissenschaftlichen Arbeiten in dieser Zeit ist auch, dass auf den produkthaftungsrechtlichen Schadenersatz der Höhe nach, wenn überhaupt, nur auf das kompensatorische Element beschränkt und ohne detaillierte Ausführungen zur Bemessung eingegangen wird.19 Daher erscheint die Frage nach präventiven Rechtschutzwirkungen mittels der Bemessung der nichtkompensatorischen Entschädigung als offen, nachdem bereits Bodewig festgestellt hat, dass der Prävention der Vorrang vor der Kompensation einzuräumen sei, da der Ausgleich des Schadens bei Verletzung der körperlichen Unversehrtheit auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Zuerkennung von Schmerzensgeld nur höchst unvollkommen sei20. Sowohl Schulenberg als auch Rettenbeck21 begründeten den von ihnen angestellten Vergleich der rechtssystematischen Entwicklung im deutschen Produkthaftungsrecht mit der Entwicklung des US-amerikanischen Produkthaftungsrechts 14
Vgl. Bodewig, S. 8. Vgl. Lege, S. 6 ff. 16 Vgl. Lege, S. 7. 17 Vgl. Lege, S. 8 f. 18 Vgl. Lege, S. 2 f. 19 Vgl. Bodewig, S. 444 f.; Seeling, S. 99 ff.; allein auf Sachschäden eingehend Rettenbeck, S. 116 ff.; vgl. auch Scheller, S. 49 f. und Hörl, S. 27, die zwar für einen neuen Anknüpfungspunkt der Herstellerverantwortung ist, jedoch nicht auf die Folgefragen eingeht. 20 Bodewig, S. 445. 21 Vgl. Rettenbeck, S. 161 ff.; Schulenberg, S. 92 ff. 15
B. Rechtsforschung seit dem Inkrafttreten des ProdHaftG
29
damit, dass sich bereits in den frühen 1990er Jahren in den USA ein in der Praxis sehr bedeutendes Produkthaftungsrecht mit rechtlich fundierten Instrumenten herausgebildet hatte.22 Allein die Lektüre der Entscheidung des Supreme Court of New Jersey im Rechtsstreit Hennigsen v. Bloomfield Motors, Inc. unterstützt diese Einschätzung.23 Diesen Ansatz verfolgten weitere Forschungsarbeiten in dieser Zeit.24 Die grenzüberschreitende Bedeutung der Haftungsvoraussetzungen des Produkthaftungsrechts verdeutlichte Rieke, indem er die Voraussetzungen einer jurisdiction der US-amerikanischen Gerichte über deutsche Unternehmen in Produkthaftungsfällen mit den weitreichenden Überlegungen in den USA zu verbraucherschützenden Regelungen zur Sicherstellung eines umfassenden Zugriffs auf alle Beteiligten im stream of commerce in der Heimatrechtsordnung des Verbrauchers untersuchte.25 Punktuell wurde in den rechtswissenschaftlichen Arbeiten auch aufgegriffen, dass das Produkthaftungsrecht – im Gegensatz zu vielen anderen Fallgruppen des allgemeinen Deliktsrechts – von betriebswirtschaftlichen Faktoren beeinflusst ist. Der objektive Produktzustand als haftungsauslösender Umstand ist das Ergebnis eines langwierigen Willensbildungsprozesses des Herstellers unter der betriebswirtschaftlichen Zielstellung, dass die Kosten der Konstruktion, der Herstellung und des Vertriebes der Produkte niedriger sind als die zu erwartenden (und später tatsächlich realisierten) Einnahmen.26 Diese Abwägungshandlung des Herstellers ist die essentielle Grundlage der Bildung eines auskömmlichen Verkaufspreises in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem und damit der Versorgung breiter Schichten der Verbraucher mit industriellen Produkten, nach denen ein Bedürfnis besteht und die eine hohe Nützlichkeit haben. Sie kann also nicht per se – wie im allgemeinen Deliktsrecht die Verletzungshandlung – als (haftungsbegründend) rechtswidrig angesehen werden. Bisher wurde noch nicht abschließend beleuchtet, welchen Einfluss diese – vom allgemeinen deliktischen Anspruch abweichende – essentielle Abwägung zwischen den Interessen des Verbraucherschutzes am Zugang zu sicheren Produkten einerseits und den Verbraucherinteressen an der Verfügbarkeit dieser Produkte sowie an der betriebswirtschaftlich darstellbaren Inverkehrgabe der Produkte andererseits auf den Produkthaftungstatbestand hat. Zwar beschäftigten sich einige Arbeiten seit dem Ende der 1990er Jahre mit einem Neuansatz in der Definition des Produktfehlers. So untersuchte Broichmann den Einfluss der von ihr 22
Vgl. Schulenberg, S. 1; Rieke, S. 1 ff. Vgl. NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 379 et seq., 385 et seq. (1960), worin sogar Rechtsprinzipien zum Schutz des Verbrauchers vor allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere Haftungsausschlüssen, aufgestellt wurden, die der Gesetzgeber im deutschen AGBG erst viele Jahre später statuierte. 24 Vgl. Seeling, S. 160 f.; Scheller, S. 18 ff., 78 ff., 119 ff.; Bodewig, S. 16 ff.; Zoller, S. 205 ff. 25 Vgl. Rieke, S. 71 ff. 26 Vgl. hierzu Potinecke, S. 39 ff., 47 ff., 76 ff., 145 ff., 155 ff., der den Einfluss des betriebswirtschaftlichen Aspekts der Einführung von Just-in-time-Verfahren bei der Konstruktion, der Fabrikation, der Instruktion und der Produktbeobachtung von Massenprodukten, insbesondere Kraftfahrzeugen, beleuchtet. 23
30
Teil 1: Einführung
als öffentlich-rechtliche Normen qualifizierten §§ 4 – 6 ProdSG (1997) auf die Definition der berechtigten Sicherheitserwartungen des § 3 ProdHaftG (und auf die Verkehrssicherungspflichten des § 823 Abs. 1 BGB).27 Weiterhin veröffentlichte Hörl im Jahre 1999 einen – im Folgenden umfangreich berücksichtigten – neuen Ansatz der Definition des Produktfehlers gemäß § 3 ProdHaftG als „unvertretbare Gefahr“ zur Konkretisierung der Konstruktions- und Instruktionspflichten, um mehr Produktsicherheit mittels einer verhaltenssteuernden Anreizhaftung ähnlich der strict products liability zu erreichen.28 Demgegenüber spielte die Besonderheit des ProdHaftG, eine im Wesentlichen wortgleiche Umsetzung der EG-Produkthaftungsrichtlinie darzustellen, keine Rolle. Nachfolgend werden die Neuansätze, die in mehr als zehn Jahren zu keiner Änderung in der Definition des Produktfehlers im § 3 ProdHaftG geführt haben, aufgenommen (Teil 2) und um weitere Schlussfolgerungen bezüglich der Haftung von Importeuren (Teil 3), des Beweisnotstandes (Teil 4) und der Höhe der immateriellen Entschädigung (Teil 5) ergänzt.
C. Das moderne Produkthaftungsrecht als Verbraucherschutzrecht am Beispiel von Kraftfahrzeugen „Unter Produkthaftung versteht man die Haftung des Herstellers im weiteren Sinne für Folgeschäden, und zwar für Personen- und Sachschäden grundsätzlich außerhalb der Fehlerhaftigkeit des Produkts, die der bestimmungsgemäße Verbraucher oder sonstige Personen durch die Benutzung des Produkts infolge eines Fehlers des Produktes erleiden.“29 Sprau
Die Definition der Produkthaftung in einem der wichtigsten Standardkommentare setzt wie selbstverständlich den Gläubiger des Produkthaftungsanspruchs mit dem Verbraucher gleich. Daher ist es nicht überraschend, dass als Hauptziel des Produkthaftungsrechts der Verbraucherschutz angesehen wurde30, auch wenn die als Beginn des Produkthaftungsrechts (als besonderes Rechtsgebiet im Rahmen der deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB) angesehene sogenannte Hühnerpest-Entscheidung des Großen Senats des BGH vom 26. 11. 1968 keinen Verbraucher im Sinne der Definition des § 13 BGB betraf, sondern die darin aufgestellten besonderen richterrechtlichen Beweisgrundsätze zum Nachweis einer Haftung aus 27 Vgl. Broichmann, S. 3 f., 34 ff., 106 f., 109, 119 f., 126 f., 132 f., 157 f., 159 ff., 162 ff., 165, 167 f., 169 ff., 174 f., 237 ff. 28 Vgl. Hörl, S. 98 ff., 151 f. 29 Palandt/Sprau, Einführung ProdHaftG Rn. 1. 30 Vgl. Kullmann, ProdHaftG Einleitung Rn. 21; dagegen skeptisch Frietsch, ZEuS 2002, 119 (120): weniger Verbraucherschutzziel und mehr eine Maßnahme zur Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes (bzgl. EG-Produkthaftungsrichtlinie).
C. Das moderne Produkthaftungsrecht als Verbraucherschutzrecht
31
§ 823 Abs. 1 BGB bei Schäden durch die Produktbenutzung damit begründet wurden, dass bei der „moderne(n) Entwicklung der Warenproduktion“ zur Konsum- und Massenwarengesellschaft „oft nachträglich nur schwer zu ermittelnde Personen oder Menschen beteiligt sind“ und „nur vom Fachmann zu durchschauende und zu kontrollierende Fertigungsprozesse“ angewendet werden31. Eine der wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre im Produkthaftungsrecht – das Airbag-Urteil des BGH im Jahre 2009 – erging zur Störanfälligkeit einer elektronischen Sicherheitseinrichtung an einem Kraftfahrzeug, die zu einem nicht beabsichtigten Auslösen des Airbags führte.32 Die Entscheidung ist in vielfacher Hinsicht richtungsweisend für die folgende Analyse, was eine haftungsbegründende Gefährlichkeit des Produkts von einem rechtlich zulässigen Produktzustand unterscheidet. Der Haftungsgegenstand – ein Kraftfahrzeug – ist ein Konsumprodukt, das in großen Stückzahlen aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten gleichförmig hergestellt, ohne Rücksicht auf spezielle Fähigkeiten an die Gesamtheit der Bevölkerung vertrieben und vom Verbraucher im täglichen Leben genutzt wird. Der Aufbau und die Wirkungsweise von Kraftfahrzeugen hat nicht nur eine derartig hohe Komplexität und Kompliziertheit erreicht, dass der Verbraucher die Funktions- und Fertigungsweise weder kennt noch versteht und sich daher nicht aus eigenem Wissen und mit eigenen Fähigkeiten vor Gefahren schützen kann. Seit dem Jahre 2000 gingen die Hersteller darüber hinaus – zur preisgünstigeren Herstellung und zur Verringerung des Gewichts als Folge von Umweltschutzauflagen – immer mehr dazu über, schwere und teure mechanische Bauteile durch leichte und billige elektronische Bauteile (drive-by-wire) zu substituieren. Außerdem kennt der Verbraucher den Hersteller des ihn verletzenden Produktteils (also den unmittelbaren deliktischen Haftungsschuldner) aufgrund der Arbeitsteilung im Kraftfahrzeugbau nicht zwangsläufig, da ganze Komponentengruppen von Zulieferern fertig montiert dem Markenhersteller übergeben werden. Die Produktnutzung wird von einem hohen Maß an bewusster Eigengefährdung durch den Nutzer charakterisiert, denn jedem durchschnittlich verständigen Menschen ist bekannt und bewusst, dass Unfälle als Folge der vom Produktnutzer gewollten Fahrgeschwindigkeit zu schweren Eigenverletzungen führen können. Trotzdem entwickelt der Verbraucher gewisse Erwartungen an das sichere Benutzen von Kraftfahrzeugen und bei Unfallereignissen, die sich in immer höheren Anforderungen an Sicherheitseinrichtungen manifestieren. Schlussendlich ist der Markt für Kraftfahrzeuge hochgradig wettbewerbsintensiv, insbesondere weil deutsche und europäische Hersteller mit internationalen Herstellern, die mit erheblich geringeren Lohnkosten produzieren können, um Käufer konkurrieren, die aufgrund der Höhe des Preises im Vergleich zum verfügbaren Einkommen der Mehrzahl der Verbraucher sehr preiskritisch sind (das Auto ist das teuerste Konsumgut für die Mehrzahl der Bevölkerung). Rechtsdogmatisch ist diese Entscheidung von – bisher unterschätzter – herausragender Bedeutung, da der 31 32
BGH NJW 1969, 269 (275). Vgl. BGH NJW 2009, 2952.
32
Teil 1: Einführung
Sachverhalt das Gericht zu einer Auslegung und Anwendung des ProdHaftG verleitet, die – ohne dies ausdrücklich festzustellen – bewusst oder unbewusst die Tür zu einer neuen dogmatischen Grundlage des Fehlerbegriffs im ProdHaftG öffnet. Auch aus diesem Grunde erscheinen Kraftfahrzeuge als ideales Produkt, um die Notwendigkeit der Fortentwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts deutlich zu machen und die Praxistauglichkeit neuer Haftungsprinzipien zu prüfen. Auch wenn die Untersuchung nicht auf Kraftfahrzeuge beschränkt werden soll, bleibt die Produktgruppe der Arzneimittel weitgehend unberücksichtigt, da für diese spezielle Interessenverteilung beim Inverkehrbringen von Arzneimitteln mit dem Gesetz vom 24. 08. 1976 eine besondere Gefährdungshaftung im § 84 AMG geschaffen wurde.
D. Der Einfluss des US-amerikanischen auf das deutsche Produkthaftungsrecht Weil in den 1960er Jahre das Produkthaftungsrecht in den USA als am weitesten fortentwickelt angesehen wurde33, stand in der Anfangszeit die rechtssystematische Entwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts unter dem starken Einfluss des US-amerikanischen Produkthaftungsrechts34. Auch später wurden in Deutschland neben den vorstehend erwähnten rechtsvergleichenden Arbeiten intensive Untersuchungen zur Produkthaftung und Produktsicherheit in den USA angestellt.35 So wurde zur Lösung der sich im deutschen Recht stellenden kollisionsrechtlichen Fragestellungen – etwa wenn aufgrund des zeitlichen und örtlichen Auseinanderfallens der zum Schaden führenden Handlung (beim Hersteller) und dem konkreten Schaden (beim Produktnutzer) die beiden deliktischen Orte in verschiedenen Rechtsordnungen liegen – auf die Regelungen im US-amerikanischen Recht zurückgegriffen.36 Neben diesen rechtssystematischen Erwägungen spricht auch die Realität, dass die USA einer der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Kraftfahrzeughersteller sind, für eine enge Verflechtung des deutschen mit dem US-amerikanischen Produkthaftungsrecht, da die Entscheidungen für oder gegen eine Sicherheitskomponente bei weitgehend gleichartigen Kraftfahrzeugen auf beiden Märkten dazu führt, dass das US-amerikanische Produkthaftungsrecht Teil des täglichen Geschäfts für Risikovermeidungsstrategien in den Konzernrechtsabteilungen ist.37 Weiterhin führen die kollisionsrechtlichen Regelungen des Tatort33
Vgl. die Einschätzung von Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (369). Vgl. die Ausführungen von Schlechtriem, ZEuS 2002, 15 (23), hier jedoch ohne detaillierte Begründung; Hörl, S. 25 f.; vgl. auch die Ableitung deutscher Produkthaftungsgrundsätze aus US-amerikanischen Entscheidungen in Simitis, S. 52 (Fn. 3), 65 (Fn. 43). 35 Vgl. Kindler, S. 17 f.; Knapp, S. 39 ff.; Zekoll, S. 42 ff.; Pfeifer, S. 57 ff., 70 ff., 116 ff., 210 ff., 225 ff. 36 Vgl. Wienberg, S. 1 f., 41 ff. 37 Vgl. Knapp, S. 36 f., 214 ff. 34
D. Einfluss des US-amerikanischen auf das deutsche Produkthaftungsrecht
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prinzips für deliktische Handlungen und insbesondere Art. 12 EGBGB zu einer Befassung des deutschen Rechtsanwenders mit dem US-amerikanischen Produkthaftungsrecht, wenn kollisionsrechtliche Fragestellungen oder die Anerkennung und Vollstreckung eines US-amerikanischen Produkthaftungsurteils entscheidungserheblich sind.38 Für einen Rückgriff auf das US-amerikanische Produkthaftungsrecht hinsichtlich der Auslegung der Haftungstatbestände des ProdHaftG spricht besonders, dass die EG-Produkthaftungsrichtlinie, auf der die verschuldensunabhängige Haftung des ProdHaftG beruht, nach einer in der Literatur in den späten 1980er und den 1990er Jahren immer wieder bekräftigten Auffassung unter einem derart starken Einfluss der strict products liability in den USA stand, so dass diese in ihren inneren Grundzügen als eine Angleichung des Haftungsrechts in der Europäischen Union an den damaligen § 402 A Restatement of the Law, Second, on Torts, und damit an das Mehrheitsrecht in den US-Bundesstaaten angesehen wurde.39 Dieser Rückgriff erschien als nahe liegend, da viele produkthaftungsrechtliche Probleme in den USA bereits einer rechtlichen Lösung zugeführt wurden.40 Wenn die strict products liability herangezogen wird, um das ProdHaftG auszulegen, ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass das common law in den USA sowohl materiell-rechtlich als auch prozessrechtlich teilweise anderen Regeln als das deutsche Rechtssystem folgt. Mit der Berücksichtigung des US-amerikanischen Rechts zur Weiterentwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts soll dieses jedoch nicht unreflektiert adaptiert, sondern die bisherige herrschende Meinung zur Haftung aus dem ProdHaftG soll kritisch betrachtet werden, wobei aufgrund der längeren Rechtstradition der strict products liability als strikte Deliktshaftung des Herstellers unabhängig vom Verschulden seit Beginn der 1960er Jahre die Erfahrungen und die Entwicklungen in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können, um Fehlentwicklungen mit negativen volks- und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen in Deutschland zu vermeiden.41 Trotz der Systemunterschiede eignet sich das Rechtssystem der USA besonders als Reservoir von rechtlichen Aspekten zur Lösung von praktischen Rechtsstreiten, da im amerikanischen Recht die richterliche Rechtsfortbildung in einem System von Bindungswirkungen von Präzedenzentscheidungen höherer Gerichte im Mittelpunkt steht, so dass nicht nur durch die Vielzahl der Entscheidungen eine Mannigfaltigkeit von rechtlichen Argumenten, Abwägungen und Schlussfolgerungen zur Verfügung steht, sondern deren Wirkung
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Vgl. Zekoll, S. 22 ff. Vgl. Hörl, S. 25 f.; Hirte/Otte, VersR 1993, 803 (806); Schmidt-Salzer/Hollmann, EGProdukthaftung Band 2, Einl. Rn. 90, 93; Zoller, S. 223; Taschner/Frietsch, Art. 6 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 3; Schilling, Probleme der Produzentenhaftung, S. 63 (65); Zekoll, S. 73 (Fn. 6); de Lousanoff, ZHR 151 (1987), 72; Lorenz, RIW 1980, 609. 40 Vgl. zum Produktrückruf Bodewig, S. 8; kritisch dazu Meermann, S. 203. 41 Vgl. Bodewig, S. 8, der zum Produktrückruf einen entsprechenden Ansatz verfolgt. 39
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Teil 1: Einführung
in der Praxis sofort durch die Bewertung der sich daraus ergebenden Entscheidung im konkreten Rechtsstreit eingeordnet werden kann.42
E. Der Fokus der Arbeit Im Produkthaftungsrecht gibt es eine Vielzahl von Einzelfragen, die sich für eine intensivere Begutachtung anbieten43, die aber den Umfang der Ausführungen sprengen würden. Die Angemessenheit und Praktikabilität von Rechtsfolgen mit Blick auf die sich widersprechenden Interessen zwischen den Parteien des Produkthaftungsprozesses werden besonders dann deutlich, wenn die Folgen für die jeweilige Partei eine existentielle Bedeutung haben, so dass im Folgenden Fallkonstellationen betrachtet werden, bei denen die Vermeidung und die rechtliche Behandlung von Gefahren im Mittelpunkt stehen, die über den Substanzverlust des fehlerhaften Produkts hinausgehen und die das Individuum durch die Gefährdung oder Verletzung von Leib, Leben und Gesundheit existentiell betreffen. Daher werden Fragestellungen rund um die Sachbeschädigung (vgl. § 11 ProdHaftG, Bestimmung der Produktsubstanz zur Bestimmung des materiellen Schadenersatzumfangs) oder bezüglich der Fristen zur Geltendmachung des Schadens nicht vertieft. Im ersten Teil der Untersuchung wird in den Teilen 2 und 3 nachvollzogen, welche rechtssystematische Grundlage das ProdHaftG hat. Der zweite Teil der Untersuchung in den Teilen 4 und 5 wird praktische Fragestellungen zur Effizienz des deutschen Produkthaftungsrechts anhand von realen Produkthaftungsfällen aus den USA mit Kraftfahrzeugen in den Mittelpunkt stellen. Das zentrale Tatbestandsmerkmal im Produkthaftungsrecht ist der Produktfehler. Während dieses Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB das Ergebnis der richterlichen Rechtsfortbildung war, fand es Eingang im ProdHaftG und wird im § 3 ProdHaftG legal definiert. Im Teil 2 wird untersucht, ob die bisherige allgemeine Auffassung, dass es sich bei den beiden Tatbestandsmerkmalen um den gleichen Fehlerbegriff handelt, tatsächlich richtig ist. Da im Produkthaftungsrecht der Geschädigte unmittelbar durch die Benutzung eines Objektes (des Produktes) und nicht durch eine menschliche Handlung geschädigt wird, hat die Frage nach dem Haftungssubjekt eine eigenständige essentielle Bedeutung. Im Gegensatz zur allgemeinen deliktischen Gesundheitsverletzung, bei der die Identifikation des schadensauslösenden Umstandes in den meisten Fällen zwangsläufig zum Haftungssubjekt führt, muss im Produkthaftungsrecht die Haftbarkeit und der Umfang der Haftung für den behaupteten Haftungsschuldner selb42 Vgl. Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 5, 39; vgl. auch Hörl, S. 27, die einen vergleichbaren rechtsvergleichenden Anknüpfungspunkt wählt. 43 Vgl. Frietsch, ZEuS 2002, 119 (121).
E. Der Fokus der Arbeit
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ständig ermittelt und zugeordnet werden. Im Teil 3 wird die systematische Grundlage der derzeitigen Regelung des § 4 ProdHaftG näher beleuchtet. Das Produkthaftungsrecht kann nur dann seine rechtspolitischen Wirkungen entfalten, wenn es in praxi auch vom Geschädigten durchgesetzt werden kann. Dabei sind für den Geschädigten vor allem zwei prozessuale Fragen von existentieller Bedeutung: 1. der Beweis der Existenz des Produktfehlers und 2. der Beweis des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Fehler und dem Schaden. Verletzungen im Zusammenhang mit der Benutzung eines Kraftfahrzeugs gehen meist einher mit einem Unfall, in denen die Substanz des Fahrzeugs als Ganzes erheblich zerstört wird. In diesen Fällen kann es selbst für einen hochqualifizierten, erfahrenen und mit den besten technischen Hilfsmitteln ausgerüsteten Sachverständigen sehr schwierig bis ausgeschlossen sein, zu rekonstruieren, ob ein Produktfehler die Ursache für den Unfall war oder ob der Unfall durch nicht haftungsrelevante Gründe, wie z. B. Fahrfehler, Fremdverursachung, andere – nicht fehlerhafte – Bauteile, verursacht wurde. Die Unfallursache auf ein durch den Unfall völlig zerstörtes fehlerhaftes Einzelteil oder auf einen nichtgegenständlichen Datenverarbeitungsvorgang, der gerade bei den in Kraftfahrzeugen zunehmend genutzten elektronischen Bauteilen immer häufiger vorkommen kann, zurückzuführen, kann mangels eines hinreichenden Untersuchungsobjektes unmöglich sein. Im Teil 4 soll daher der praktischen Frage nachgegangen werden, wie das Prozessrecht an die Erfordernisse moderner Produkte angepasst werden muss. Abschließend wird in Teil 5 der Blick auf die praktischen Rechtsfolgen eines Produkthaftungsfalls gelenkt, in denen der Hersteller aus eigennützigem Gewinnstreben ein fehlerhaftes Produkt in den Warenverkehr gebracht hat. Um die Ziele und Zwecke der Produkthaftung umfassend sicher zu stellen, soll die Entwicklung der immateriellen Entschädigung in den letzten Jahren außerhalb des Produkthaftungsrechts aufgegriffen werden, in der der restriktive Ansatz der Väter des BGB zur Ausgleichsfunktion des Schadenersatzes durch die Verurteilung zu hohen immateriellen Entschädigungen aus generalpräventiven Gründen ergänzt wurde. Dabei sollen die Forschungsergebnisse zum Problem der Bestimmung der immateriellen Entschädigung außerhalb des Schadenausgleichs in den letzten Jahren aufgegriffen werden. Zeytin versuchte die Entwicklung mittels der Zugrundelegung eines „normativen immateriellen Schadens“ in die Ausgleichsfunktion der immateriellen Entschädigung aufzunehmen.44 Demgegenüber lehnte Müller ausdrücklich einen normativen Schadensbegriff ab und stellte auf das auch im zivilrechtlichen Schadenersatz enthaltene Sanktionsprinzip ab.45 Nachfolgend soll im Unterschied zu diesen Arbeiten, in denen die präventiven und sanktionierenden Elemente des 44 45
Vgl. Zeytin, S. 244. Vgl. Müller, P., S. 3, 369 ff.
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Teil 1: Einführung
Schadenersatzes im Ganzen untersucht wurden, allein eine Problemlösung für das Produkthaftungsrecht gefunden werden. Um hinreichend praktikable Problemlösungsansätze zu finden, wird die Entwicklung der punitive damages in den USA und die damit verbundenen Erfahrungen in einer vertieften Auseinandersetzung herangezogen.46 Die Ausführungen zum US-amerikanischen Produkthaftungs- und Schadenersatzrecht haben eine dienende Funktion zur Weiterentwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts. Das bedeutet, dass die Ausführungen nicht den Anspruch einer systematischen, vollständigen oder gar aktuellen Darstellung der Rechtslage bezüglich der jeweiligen Rechtsfrage in der jeweiligen Rechtsordnung erheben. Eine vollständige Darstellung würde den Umfang der Arbeit bei weitem sprengen, da das Produkthaftungsrecht in die Kompetenz der Bundesstaaten fällt, so dass neben den Judikaturen der 50 Bundesstaaten auch noch die Rechtlage im District of Columbia, sowie in Territories and Possessions, wie z. B. Virgin Islands oder Puerto Rico, zu beachten wäre.47 Daher wird im Folgenden darauf verzichtet anzuzeigen, ob die zitierten Entscheidungsgründe noch das aktuelle Recht darstellen, insbesondere ob sie durch ein höheres Gericht oder durch eine spätere Entscheidung des jeweiligen Gerichts oder eines höheren Gerichts kassiert (overruled) wurden.48 Im Gegensatz zu vielen bisherigen Arbeiten in Deutschland, die zur Begründung ihrer Thesen entweder ausschließlich oder fast ausschließlich deutsche Quellen49 oder nur exemplarisch US-amerikanische Entscheidungen50 heranziehen, werden die Rechtsprinzipien des US-amerikanischen Produkthaftungsrechts hinsichtlich der diese stützenden Entscheidungen breiter nachgewiesen, insbesondere auch deshalb, weil der Schwerpunkt der Arbeit in der realitätsnahen Problemlösung liegt, so dass der Praktikabilitätsnachweis der sich in der Praxis bewährten Rechtsprinzipien auch anhand der Häufigkeit ihrer Anwendung und der möglicherweise erfolgten Rechtsprechungsentwicklung oder Konkretisierung geführt wird.
46
Vgl. zu den Gemeinsamkeiten im Proportionalitätsmaßstab bei der Abwägung von punitive damages und deutscher immaterieller Entschädigung Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (840). 47 Vgl. Meermann, S. 107, die jedoch die Territories and Possessions nicht extra ausführt; vgl. auch Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (145); Zekoll, IPRax 1997, 198. 48 Ob die rechtlichen Feststellungen in einem Urteil noch gültig sind, muss tagesaktuell anhand einer Recherche in den einschlägigen Urteilsdatenbanken wie LexisNexis und Westlaw geprüft werden. 49 Vgl. hierzu die Ausführungen zum US-amerikanischen Produkthaftungsrecht für Importeure in Zoller, S. 205 ff., hier insbesondere auch Fn. 1. 50 Vgl. Kindler, S. 17 ff.; mit einem etwas weiteren Umfang an Entscheidungen Knapp, S. 39 ff.
Teil 2
Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller? A. Die deliktische Haftung aufgrund der Benutzung eines Gegenstandes Heutzutage wird es als geradezu selbstverständlich angesehen, dass die Folgen einer Verletzung, die während der Benutzung eines Gegenstandes vom Nutzer selbst erlitten werden, der deliktischen Haftung zugänglich sind. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGB im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Produktbenutzung als liquidationsauslösendes Element noch nicht in den Blick regelungsbedürftiger Sachverhalte geraten, so dass ursprünglich keine derartige explizite Haftung im BGB verankert wurde. Die Industrialisierung verbunden mit der Massenproduktion von Gebrauchsgegenständen führte aber schon früh im 20. Jahrhundert zur Frage, wie ein Schaden zivilrechtlich zu bewerten ist, der durch ein Objekt verursacht wurde, ohne dass ein Subjekt – ausgenommen der Geschädigte selbst – zum Verletzungszeitpunkt gehandelt hat. Als Haftungssubjekt kam in diesem Fall primär derjenige in Betracht, der das Objekt – durch eigenes Handeln – in die Welt gesetzt hat. Gegen eine vertragliche Haftung des Herstellers sprach, dass es keine vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und dem Geschädigten gab. Gegen die deliktische Haftung konnte vorgebracht werden, dass kein Verhalten oder Unterlassen des Herstellers unmittelbar schädigend gewirkt hat. Als eigentlicher Ausgangspunkt des Produkthaftungsrechts kann eine Entscheidung des RG bezüglich eines Unfalls mit einem Kraftfahrzeug angesehen werden. Darin stellte das Gericht fest, dass der Geschädigte gegen den Hersteller einen deliktischen Anspruch aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat, wenn dieser ein nicht verkehrssicheres Kraftfahrzeug in den Straßenverkehr gebracht und daher die Gefahr der Schädigung, die sich dann auch verwirklichte, erhöht hatte.1 Der BGH nahm in seiner – in weiten Teilen als Begründung des Produkthaftungsrechts angesehenen – Hühnerpestentscheidung diese Rechtsprechung auf, zementierte den Weg der Herstellerhaftung als Folge einer Produktbenutzung über das Deliktsrecht und verwarf endgültig alle bis dahin in der Literatur diskutierten schuldrechtlichen Haftungstatbestände (etwa Drittschadenliquidation, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Garantievertrag zwischen Hersteller und Endabnehmer, Ersatzanspruch aus der Verletzung einer aus dem sozialen Kontakt fol1
RGZ 163, 21 (26).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
genden Schutzpflicht oder aus dem Vertrauensgedanken einer quasikontraktlichen Sonderrechtsbeziehung).2 Semantisch drückt sich diese Abgrenzung darin aus, dass der haftungsauslösende Objektzustand im Produkthaftungsrecht als Fehler bezeichnet wird, während in der schuldrechtlichen Sachmängelhaftung des § 434 BGB die Rechtsfolgen an einen Mangel des Objekts angeknüpft werden. Es bleibt festzuhalten, dass die Begründung einer deliktischen Haftung des Herstellers gegenüber dem Produktnutzer nicht vollständig unter den Wortlaut des § 823 Abs. 1 BGB subsumierbar ist, der hinsichtlich der unmittelbaren Verursachung des Schadens an eine Handlung/Unterlassung des Haftungssubjekts anknüpft, während in den Fällen einer Verletzung im Rahmen einer Produktnutzung der Objektzustand die unmittelbare Schadensursache setzt. Dieses Problem ließ sich nur durch eine Projektion des Herstellerverhaltens bei der Produktion des Haftungsobjektes in den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses lösen.3 Zum ersten Mal legal definiert wurde ein Produktfehler im § 3 ProdHaftG. Danach liegt ein solcher vor, wenn das Produkt nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere seiner Darbietung, des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, und des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. Diese umfassende Definition zeichnet sich durch ausschließlich ausfüllungsbedürftige Tatbestände – wie der „berechtigterweise zu erwartenden Sicherheit“ und dem „billigerweise zu rechnendem Gebrauch“ – aus, welche dann noch einzelfallbezogen, nämlich unter Berücksichtigung aller Umstände, konkretisiert werden sollen.4 Ohne dass der Wortlaut des § 3 ProdHaftG dies nahe legt, setzt die ständige Rechtsprechung den Produktfehler im § 3 ProdHaftG und im § 823 Abs. 1 BGB mit der Begründung gleich, dass der Rechtsbegriff „Fehler“ schon zur Begründung der Haftung gemäß § 823 Abs. l BGB genutzt wurde und dass der in der deliktischen Produkthaftung entwickelte Fehlerbegriff durch das ProdHaftG keine Änderung erfahren sollte.5 Dies würde aber voraussetzen, dass der – als Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht angesehene – Fehlerbegriff des § 823 Abs. 1 BGB wesensgleich mit dem Fehlerbegriff des § 3 ProdHaftG ist. 2
BGH NJW 1969, 269 (271 ff.); zuletzt OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); zur Herleitung auf vertraglichen Grundlagen vgl. Simitis, S. 17, der die Imagebildung des Markenartikels – auch mittels Werbung – als ein Verhalten des Herstellers ansah, das die Bereitschaft zur Aufnahme von vertraglichen Beziehungen anzeigte. 3 Die synonymen Bezeichnungen „Produkthaftpflichtrecht“ oder „Produzentenhaftung“ knüpfen stärker an die Verankerung des Haftungsgrundes als Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Herstellers an. 4 Vgl. zu einer möglichen Analogie zu ähnlichen Formulierungen und wesensgleichen Konkretisierungen im ProdSG (1997) Broichmann, S. 99 ff. 5 StRspr., so zuletzt BGH NJW 2009, 2952 (2953); OLG Köln Urteil vom 23. 09. 2015 Az. 5 U 189/14; OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); LG Paderborn Urteil vom 25. 09. 2013 Az. 4 O 104/ 11 Rn. 41; LG Essen NJW 2005, 2713 (2716); zustimmend MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 5; Lenz, PHI 2009, 196 (197); Reinelt, DAR 1988, 80 (84).
A. Die deliktische Haftung aufgrund der Benutzung eines Gegenstandes
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I. Der Produktfehler als Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht Da der Hersteller im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit eine Gefahrenlage gegenüber der Allgemeinheit schafft, indem er Produkte mit innewohnenden Gefahren in den Warenverkehr bringt, hat er die allgemeine deliktsrechtliche Verkehrssicherungspflicht, dass er gegenüber den Nutzern von Produkten und allen mit den Produkten und der Produktnutzung in Kontakt kommenden Personen – im Folgenden vereinfachend Dritten – eine ausreichende Sicherheit durch eine sichere Produktbeschaffenheit auf der Grundlage einer sicheren Konstruktion, mittels technischer Sicherheitsmechanismen und mittels einer planmäßigen Herstellung sowie durch eine Inkenntnissetzung zur sicheren Benutzung mittels einer geeigneten Bedienungsanleitung verbunden mit Warnungen vor den Gefahren bei der Benutzung bietet.6 Mit der Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB wurde eine flexible Rechtsgrundlage geschaffen, durch die Erhöhung der Herstellerpflichten an Konstruktion, Fabrikation und vor allem Instruktion die Haftung auf eine Vielzahl von Gegebenheiten, Entwicklungen und neuen Wertungsgesichtspunkten anzupassen, die im Rahmen der ursprünglichen deliktsrechtlichen Konzeption des BGB keine ausreichende Berücksichtigung gefunden haben und im ausgehenden 19. Jahrhundert auch nicht finden konnten.7 Bereits die Haftung für die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vermischte atypisch das subjektive Verschuldenselement der Unrechtshaftung mit dem die Unwerthaftung charakterisierenden Element der Haftung allein aufgrund des Eintritts einer Verletzung (hier der Verletzung als Folge eines objektiven Produktzustandes). Beide Haftungsarten schließen sich eigentlich aus. Im Falle einer Unwerthaftung haftet der Hersteller allein deshalb, weil das von ihm in den Warenverkehr gebrachte Produkt das Leben oder die Gesundheit des Nutzers oder eines Dritten verletzt hat, ohne dass es auf das Verhalten des Herstellers und seiner Schuld an den Verletzungen ankommt.8 Dagegen knüpft die verhaltensbezogene Unrechtshaftung des Herstellers ausschließlich an eine pflichtwidrige und schuldhafte Handlung des Herstellers zum Verletzungszeitpunkt an.9 Diese zwangsläufig atypische Vermischung beruht auf der Besonderheit des Produkthaftungsrechts, dass nicht jedes Verhalten des Herstellers mit schadensneigender Wirkung (Gefährlichkeit), die sich in der Verletzung konkretisiert hat, zur Haftung führen darf, denn nur in den wenigsten Fällen können die von den Ver6
Bereits BGH VersR 1966, 542 (544); BGH VersR 1960, 1095; BGH VersR 1954, 100; OLG Bamberg VersR 1982, 1146 (1147); zuletzt OLG Saarbrücken Urteil vom 03. 08. 2011 Az. 1 U 316/10 Rn. 37; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (351); zustimmend Hörl, S. 29; Reinelt, DAR 1988, 80 (82); Hager, J., VersR 1984, 799 (800); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (2); ders., Produkthaftung, S. 83 Rn. 98.; Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1598). 7 Vgl. die Darstellung der Entwicklung von Diederichsen, U., VersR 1984, 797 (797 ff.). 8 Vgl. hierzu Potinecke, S. 178. 9 BGH NJW 1981, 1606 (1608); vgl. in der Literatur Potinecke, S. 179; Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (478 f.).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
brauchern begehrten industriellen Massenprodukte – die ein ständig steigendes Schadenspotential aufweisen – frei von jeglichen Gefahren in den Warenverkehr gebracht werden, sondern der Hersteller dürfe erst dann haften, wenn er die vom Rechtsverkehr erwartete Beschaffenheit nicht erfüllt hat, bei der die möglicherweise innewohnende Gefährlichkeit beherrscht werden kann.10 Damit scheidet sowohl eine an der Schadensfolge anknüpfende Unwerthaftung als auch eine allein an der Herbeiführung einer gefährlichen Produktbeschaffenheit durch den Hersteller anknüpfende Haftung aus, da diese eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung unmögliche Herstellerpflicht voraussetzen würde, keine gefährlichen Waren auszuliefern.11 Mit der rechtssystematischen Verortung der Produkthaftung im § 823 Abs. 1 BGB wurde diese als Unrechtshaftung angesehen.12 Demnach haftet der Hersteller aufgrund eines Handlungsvorwurfes als Folge seiner Sorgfaltspflichtverletzung, dass durch ein organisatorisches Sicherheitsdefizit ein Produkt den Herrschaftsbereich des Herstellers verlassen hat, dessen innewohnende Gefährlichkeit und Schadenspotential außerhalb dessen liegt, was die Verkehrsanschauung im Sinne der erforderlichen Beschaffenheit als tolerabel ansieht (es reicht also ein kausaler Zusammenhang zwischen einer Eigenschaft oder Funktion eines Produktes und dem Schaden nicht aus).13 Wenn sich also der Hersteller innerhalb der von der Sorgfaltspflicht festgelegten Grenzen seiner Schadensvermeidungspflicht aufhält, indem er sämtliche der Situation nach erforderlichen Maßnahmen ergreift, die Gebote der Rechtsordnung vollauf beachtet und sein Verhalten damit rechtlich einwandfrei ist, haftet er selbst dann nicht, wenn ein Nutzer (oder Dritter) bei der Benutzung des Produktes verletzt wird.14 Eine solche – sich auf alle erkennbare Gefahren erstreckende – Verkehrssicherungspflicht15 wurde bereits zwischen der KraftdroschkenEntscheidung des RG und der Hühnerpestentscheidung des BGH mit der Feststellung einer Prüfpflicht hinsichtlich des mit der voraussichtlichen Produktbenutzung verbundenen Schadenspotentials für den Nutzer (oder Dritten) sowie der Feststellung einer Aufklärungspflicht über erforderliche Vorsichtsmaßnahmen formuliert.16
10
Weitnauer, Festschrift für Larenz, S. 905 (910 f.); ders., NJW 1968, 1593 (1593 f.). Vgl. Pfeifer, S. 75. 12 So auch Hörl, S. 30. 13 Vgl. Pfeifer, S. 77; Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1593 f.); Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (624). 14 So bereits Simitis, S. 20 f., 75; vgl. auch Stoll, AcP 176 (1976), 145 (161), der in jeder deliktischen Haftung den Übergriff in eine fremde Rechtssphäre als innewohnend ansieht. 15 Vgl. exemplarisch BGH NJW 1981, 1606 (1608). 16 Vgl. BGH VersR 1960, 342 (343); noch eingeschränkter RGZ 163, 21 (26): allgemeine Verkehrssicherungspflicht vor der Inverkehrgabe hinsichtlich bekannter Fehler und dadurch verursachter bekannter Gefahren; vgl. zur späteren weitgefassten Sichtweise statt vieler OLG Köln VersR 1987, 573. 11
A. Die deliktische Haftung aufgrund der Benutzung eines Gegenstandes
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II. Der Produktfehler als Verstoß gegen die berechtigten Sicherheitserwartungen Gemäß § 3 ProdHaftG liegt ein Fehler vor, falls der Hersteller ein Produkt in den allgemeinen Warenaustauschverkehr gegeben hat (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 ProdHaftG), das zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ProdHaftG) nicht die Sicherheit bietet, die vom Rechtsverkehr berechtigterweise erwartet werden kann. § 1 Abs. 1 ProdHaftG enthält weder ein subjektives Tatbestandsmerkmal, noch stellt das objektive Tatbestandsmerkmal „Fehler“ auf eine wie auch immer geartete Handlungspflicht des Herstellers ab, sondern es werden rein objektbezogene Merkmale aufgeführt.17 Die Haftung des Herstellers für einen von der Rechtsordnung ohne Haftung nicht tolerierbaren Lebenssachverhalt ergibt sich aus der Gefährlichkeit der Produkteigenschaft, die zu einer Schädigung des Verbrauchers in seiner körperlichen Integrität oder in seinem Eigentum über die von der Rechts- und Wertegemeinschaft als sozialadäquat akzeptierten Weise führt.18 Der sprachliche Aufbau des Haftungstatbestands des § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG unterscheidet sich also signifikant vom § 823 Abs. 1 BGB. Substituiert man „Fehler“ durch die Legaldefinition des § 3 ProdHaftG, haftet der Hersteller für Schäden, die durch ein Produkt verursacht wurden, das nicht die Sicherheit zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe bietet, welche nach seiner Darbietung und seinem Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Es fehlt also explizit ein mit § 823 Abs. 1 BGB vergleichbarer Verhaltensvorwurf.19 Mehr noch würde eine Übertragung der Fehlerdefinition des § 823 Abs. 1 BGB auf § 3 ProdHaftG zu dem Ergebnis führen, dass der Fehlerbegriff des § 3 ProdHaftG um eine Verhaltenskomponente im Sinne einer kausalen Schädigung durch eine vom Hersteller verletzte Produktsicherungspflicht im Herstellungs- und Vertriebshandeln ergänzt werden würde, die nicht nur der Legaldefinition des § 3 ProdHaftG widerspricht, sondern die vom Gesetzgeber mit Verweis auf die aus den modernen Produktionsmethoden folgenden Beziehungen zwischen Herstellern und Verbrauchern als nicht mehr zeitgemäß abgelehnt wurde.20 Gegen eine Gleichsetzung des Produktfehlers im § 1 Abs. 1 ProdHaftG mit dem des § 823 Abs. 1 BGB spricht auch, dass der Gesetzeswortlaut zur Auffassung in der Rechtsprechung und der Literatur geführt hat, dass §§ 1 Abs. 1, 3 ProdHaftG eine 17
Vgl. hierzu auch die nicht weiter verfolgte Feststellung von Meermann, S. 171; vgl. zur Objektivität des Produktfehlers gemäß § 3 ProdHaftG – mit Verweis auf die Airbag-Entscheidung des BGH – Lenz, PHI 2009, 196 (197) und bzgl. der Ermittlung der Verbrauchererwartungen Micklitz, ZEuS 2002, 77 (93). 18 So im Ergebnis – hinsichtlich der EG-Produkthaftungsrichtlinie – Taschner/Frietsch, Art. 6 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 3. 19 So im Ergebnis auch Hörl, S. 30: „Die Kernfrage nach den Sicherheitserwartungen des Verbrauchers bezieht sich, (…), allein auf den Zustand des Produktes selbst.“ 20 Vgl. BT-Drs. 11/2447 S. 8.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Gefährdungshaftung sei21, also kein verhaltensbezogenes Unrechtselement enthält. Andererseits wurden gegen eine Gleichsetzung mit einer Gefährdungshaftung sehr valide rechtspolitische und rechtssystematische Gründe vorgebracht.22 Rechtspolitisch widerspräche eine Haftung des Herstellers ohne Rücksicht auf die von ihm ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen allein aufgrund der Schädigung durch eine Produktbenutzung dem volkswirtschaftlichen Ziel der Produkthaftung, eine unvertretbare Beschränkung der Freiheit und Selbstverantwortlichkeit des Individuums in einer freien Gesellschafts- und Rechtsordnung zu vermeiden, die eintreten könnte, wenn als Folge eines vermeintlichen Sicherheitsinteresses des Einzelnen jede auch freiwillig in Kauf genommene Gefährdung von vornherein unmöglich gemacht wird.23 Rechtssystematisch spräche gegen eine Unwerthaftung im ProdHaftG, dass sich der Haftungstatbestand signifikant von dem zweifelsohne als Gefährdungshaftung ausgestalteten § 84 AMG unterscheidet, wonach ein Pharmahersteller für Gesundheitsschäden (auch hier ohne jeglichen Handlungsvorwurf) aufgrund der Medikamenteneinnahme oder Nutzung haftet24, denn die Haftung des § 84 AMG wird nicht auf die berechtigterweise zu erwartende Sicherheit und auf den billigerweise zu erwartenden Gebrauch unter Berücksichtigung aller Umstände begrenzt. Weiterhin sprächen die Haftungsausschlüsse im § 1 ProdHaftG gegen eine Unwerthaftung. So wurde im § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG der bereits in der verhaltensbezogenen Haftung des § 823 Abs. 1 BGB anerkannte Haftungsausschluss für Entwicklungsfehler aufgenommen.25 Würde es sich um eine reine Unwerthaftung handeln, dürfte die Nichterkennbarkeit des eindeutig als Voraussetzung formulierten Fehlers keinen Haftungsausschluss begründen.26 Mit einer Unwerthaftung (Gefährdungshaftung) ist auch nicht der Haftungsausschluss des § 1 Abs. 3 ProdHaftG zugunsten des Herstellers eines Teilproduktes (Zulieferer) vereinbar, wenn er über die Art und Weise der Herstellung und Konstruktion sowie über die genaue Verwendung seines Produktes im Endprodukt keine Handlungsmacht hatte.27 21 So OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1076); Böhmer, PHI 1992, 72 (73); Taschner/Frietsch, Art. 1 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 2; vgl. Rolland, § 1 Rn. 9, der – soweit das ProdHaftG keine eigenständigen Regelungen enthält – grundsätzlich eine Gefährdungshaftung annimmt; vgl. zur Auffassung der EU-Kommission, das eine Gefährdungshaftung vorliegt, Micklitz, ZEuS 2002, 77 (92); vgl. allgemein zum Diskussionsstand Broichmann, S. 153 f.; Bodewig, S. 104 f.; Potinecke, S. 178 ff. 22 Vgl. die umfangreiche Darlegung der widerstreitenden Argumente mit Verweisen in Micklitz, ZEuS 2002, 77 (81, 91 f.). 23 Vgl. OLG Hamm NJW 2005, 295 (296); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914). 24 So bereits Schulenberg, S. 88; Reinelt, DAR 1988, 80 (86). 25 Vgl. Schulenberg, S. 88; vgl. dazu auch Bodewig, S. 105; Potinecke, S. 179. 26 Vgl. Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1298), der auf das Fehlen einer „Nicht-Unrechts-/ Gefährdungshaftung“ bei „Ausdehnung der Produzentenhaftung auf Schadensfälle ohne vorausgegangenes menschliches Fehlverhalten“ hinweist. 27 Vgl. Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (61 f.); a.A. Potinecke, S. 181, der die Haftung des Endherstellers für Zulieferteile als einen Hinweis auf eine Gefährdungshaftung ansieht.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Argumentativ beruht die Gleichsetzung der Produktfehlerdefinition im § 823 Abs. 1 BGB und § 3 ProdHaftG darauf, dass die Rechtsprechung aus dem erkennbaren Fehlen einer gesetzgeberischen Intention zur Begründung einer Unwerthaftung schlussfolgerte, dass der Gesetzgeber im ProdHaftG gegenüber der Produkthaftung aus § 823 Abs. 1 BGB keinen neuen Fehlerbegriff entwickeln wollte, sondern dass es sich um eine Unrechtshaftung handeln muss, die dann zwangsläufig auch einen personenbezogenen (verhaltensbezogenen) Anknüpfungspunkt für die Produktfehlerbestimmung nach sich zieht.28 Diese Schlussfolgerung ist weder zwingend noch ausreichend begründet, da sie außer Betracht lässt, dass das ProdHaftG insoweit mit Artikel 6 EG-Produkthaftungsrichtlinie fast wortgleich ist. Die EG-Produkthaftungsrichtlinie sollte von der Konzeption her den Hersteller oder Händler für alle Fehler haften lassen, die in seinem Verantwortungs- und Gefahrenbereich entstehen, selbst wenn ihm daran kein Verschulden trifft.29 Sowohl die Konzeption der EG-Produkthaftungsrichtlinie mit einem starken Einfluss der strict products liability in den USA30 als auch die Gemeinsamkeiten mit der Definition des „gefährlichen Produkts“ in Art. 2 lit. b, c der Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 (EG-Produktsicherheitsrichtlinie)31, in der die vom Verhalten des Herstellers unabhängige Definition wiederholt wird, lassen es näher liegend erscheinen, dass der europarechtliche Produktfehler und damit auch der Produktfehler gemäß § 3 ProdHaftG gegenüber dem deutschen § 823 Abs. 1 BGB autonom zu bestimmen ist32. Mehr noch kann ein Blick auf die Konzeption der strict products liability die aus der deutschen Haftungssystematik entstehenden Widersprüche in der Bestimmung des Haftungscharakters des produkthaftungsrechtlichen Anspruchs im ProdHaftG auflösen.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability Der fest verankerte Wesenskern der strict products liability kann aus einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen wie folgt zusammengefasst werden: In strict products liability, the focus is on the product, rather on manufacturer’s behavior, but the manufacturer is not an insurer that his product is incapable of producing injury, and he is not under a duty to design accident-proof or fool-proof 28 Exemplarisch BGH NJW 2009, 1669 (1670); OLG Hamm NJW-RR 2011, 893; OLG Saarbrücken Urteil vom 03. 08. 2011 Az. 1 U 316/10 Rn. 38. 29 OLG Köln NJW 2006, 2272. 30 Vgl. die Nachweise im Teil 1, Fn. 39. 31 Zu den Gemeinsamkeiten der Definitionen vgl. Broichmann, S. 53 ff.; Scheller, S. 138; Rettenbeck, S. 183. 32 Vgl. Bodewig, S. 104, der von einem „geschlossenen gemeinschaftsrechtlichen Haftungssystem“ spricht und Potinecke, S. 181, der eine „politisch, gemeinschaftsrechtlich geprägte Mischform“ darin sieht.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
products.33 (In der strict products liability liegt der Fokus auf dem Produkt und nicht auf dem Herstellerverhalten, aber der Hersteller hat weder sicherzustellen, dass sein Produkt überhaupt keine Verletzungen herbeiführen kann, noch muss er ein völlig unfall- oder idiotensicheres Produkt konstruieren). Die strict products liability verbindet also zwei – nach deutschem Deliktsrecht unvereinbare – Prinzipien: einerseits einen vom Herstellerverhalten losgelösten und allein auf das Produkt abzielenden Fehlerbegriff (im Folgenden objektbezogener Fehlerbegriff), andererseits aber die Negation einer Herstellerpflicht zur Konstruktion eines Produkts, was unter keinen Umständen (Situationen und handelnde Personen) einen Schaden verursachen kann, so dass der Hersteller nicht allein deshalb haftet, weil eine Gesundheitsverletzung bei der Produktbenutzung eingetreten ist. Damit wird deutlich, dass der EG-Produkthaftungsrichtlinie als Quelle des ProdHaftG eine deliktische Haftung zu Grunde lag, die nicht allein auf den Verletzungserfolg bei der Produktnutzung abstellt, die aber hinsichtlich des haftungsbegründenden Tatbestandes auch nicht an ein Herstellerverhalten, sondern an den Produktzustand anknüpft. Um einschätzen zu können, ob sich daraus Ansätze für die Auslegung des ProdHaftG ergeben, sind drei Fragen zu beantworten: 1. Weisen die Ziele und Zwecke der strict products liability und des ProdHaftG genügend Gemeinsamkeiten auf, um eine Adaption der rechtlichen Haftungssystematik hinreichend zu begründen? 2. Handelt es sich bei der strict products liability tatsächlich um eine Unrechtshaftung? 3. Wie kann ein objektbezogener Fehlerbegriff in die deutsche deliktische Unrechtshaftung eingegliedert werden? 33 Vgl. AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 879, 883 (Alas. 1979); CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 994 (1991); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1056 (1988); McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 208 (1983); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 434 (1978); CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 591 (Colo. 1984); Frazier v. Kysor Industrial Corp., 607 P.2d 1296, 1300 (Colo. App. 1979); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1334 (Conn. 1997); Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 8; Lasser v. Leisure-Lift, Inc., 1993 Conn. Super. LEXIS 658, p. 6 et seq.; Sylvain v. Madison’s, Inc., 1992 Conn. Super. LEXIS 3230, p. 6; FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1109 fn. 1 (Fla. App. 1983); GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 309 (Ga. App. 1994); HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1458 (D.Haw. 1986); KS: Garst v. General Motors Corp., 484 P.2d 47, 61 (Kan. 1971); MA: Touch v. Master Unit Die Products, Inc., 43 F.3d 754, 757 (1st Cir. 1995); Back v. The Wikes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); MO: Lane v. Amsted Industries, Inc., 779 S.W.2d 754, 758 (Mo. App. 1989); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 688 (Mo. App. 1978); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 180 (1983); NY: Miscallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 386 (1976); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 282 (3rd Cir. 1994); in den Sekundärquellen TN: Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (2011), Notes to Decisions, 6. Manufacturer Liability; in der deutschen Literatur Hörl, S. 44; skeptisch Lorenz, RIW 1980, 609 (610).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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I. Die Ziele und Zwecke der Produkthaftung 1. Die Ziele und Zwecke des deutschen Produkthaftungsrechts Wie jeder deliktische Schadenersatzanspruch verfolgt der Produkthaftungsanspruch primär den Zweck, die Schäden unter den beteiligten Personen – Hersteller und Nutzer oder Dritte – oder auf die Allgemeinheit zu verteilen (Schadenallokation)34, indem Ausgleichszahlungen unter den Beteiligten geleistet werden (Schadensliquidation)35. Darüber hinaus sollen die sich daraus ergebenden ökonomischen Zwänge bei dem ausgleichspflichtigen Hersteller zum Verhaltensanreiz führen, zur Vermeidung einer Zahlungspflicht die Produktsicherheit zu verbessern und keine unnötig gefährlichen Produkte in den Warenverkehr zu geben (Prävention)36, ohne dass diese Verbesserung ein technisch-funktionell optimal gestaltetes Produkt erreichen muss37. Im Gegensatz zum allgemeinen Deliktsrecht entfaltet das verbraucherschützende Präventionsziel – insbesondere vor Gesundheitsschäden – eine besondere, gar legitim eigenständige Bedeutung.38 In einer modernen Industriegesellschaft hätten in der Mehrzahl der Fälle weder der private Endverbraucher noch die nicht willentlich mit dem Produkt in Kontakt kommenden Dritten die Sachkunde, die Wirkungsweise von Produkten und die Wechselwirkung mit anderen Produkten und damit das Gefahrenpotential einzuschätzen.39 Um dieser Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers 34
So statt vieler Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2288). So statt vieler Potinecke, S. 177. 36 Vgl. OLG Köln Urteil vom 23. 09. 2015 Az. 5 U 189/14: „Diese Definition folgt dem Fehlerbegriff des Artikels 6 der ProdHaftRL (Richtlinie 85/374/EWG), deren Absicht es ist, den Verbraucher in seiner körperlichen Integrität und in seinem persönlichen Eigentum zu schützen.“; schon hinsichtlich der in den Entwürfen zur EG-Produkthaftungsrichtlinie vorgesehenen strikten Haftung Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (627); besonders weitgehend Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2288, 2291): „Diese Präventionsfunktion des Haftungsrechts ist deshalb so hervorzuheben, weil sie nach dem Marktprinzip funktioniert und damit ein wirksames Selbststeuerungssystem darstellt.“ (S. 2288); weniger konsequent Broichmann, S. 34, 53 f., die einerseits „die Gesundheit und Sicherheit des Einzelnen“ als Schutzzweck der Produkthaftungsrichtlinie erkennt, aber andererseits den Schadenausgleich und nicht die Prävention als Zweck des Produkthaftungsrechts sieht. 37 Vgl. hierzu Potinecke, S. 177; Rolland, § 1 Rn. 143; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, S. 76 f. Rn. 87. 38 Vgl. Pfeifer, S. 76, der sogar das gesamte Produkthaftungsrecht als ein auf präventive Gefahrenvermeidung gerichtetes Schutzsystem im Sinne einer juristischen Handlungsanleitung zur Vermeidung von Gefahren für Personen und Sachgütern ansieht; im Ergebnis auch Potinecke, S. 181. 39 Koch, PHI 2001, 2 (8 f.); Lege, S. 6; Bodewig, S. 1; Rettenbeck, S. 100; von Hippel, S. 46 f.; Baumgärtel, JA 1984, 660 (660 f.); Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (614 f.); Simitis, S. 51 f.; Hopt, AcP 183 (1983), 608 (709); vgl. auch Schmidt-Salzer, BB 1983, 1251 (1256), der die Schutzaufgabe gegenüber dem privaten Endverbraucher auch als Vorteil für gewerbliche Anspruchsteller ansieht; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 623: „Geburtsstunde“ des Produkthaftungsrechts in Deutschland – die Hühnerpest-Entscheidung des BGH – erging in einer Auseinandersetzung zwischen zwei Unternehmen. 35
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
oder Dritten zu entsprechen, wird mittels der Zuweisung der im Zusammenhang mit der Produktbenutzung entstandenen Schadenskosten auf den Hersteller eine gefahrvermeidende verhaltenssteuernde Wirkung bei demjenigen erzeugt, der entscheidet, ob, wie (etwa zur Gewinnsteigerung mittels industrieller Massenproduktion) und mit welchen Personen und technischen Hilfsmitteln ein Produkt hergestellt wird sowie welche fehlerreduzierenden Qualitätssicherungsmaßnahmen in der Produktion ergriffen werden.40 Die richterrechtlich begründete Produktbeobachtungspflicht des Herstellers, das Leben, die Gesundheit und das Eigentum jedes einzelnen Produktnutzers oder Dritten auch nach der Inverkehrgabe des Produktes vor einer eventuellen Schädigung dadurch zu schützen, dass auf bekannte, erkennbare und erkannte Gefahren reagiert wird, sei ohne die Prävention als Hauptziel nicht erklärbar.41 Die besondere Gefahr bei industriellen Massenprodukten mit typisierten Eigenschaften, die Allgemeinheit in einem unbestimmbar potenzierten Umfang zu gefährden42, führte sogar zur Aufweichung der eigentlich undurchlässigen Abgrenzung zwischen der auf das Äquivalenzinteresse im Sinne eines Schutzes der Gebrauchstauglichkeit und der permanenten Verfügbarkeit des Gegenstandes gerichteten vertraglichen und der auf das Integritätsinteresse gerichteten deliktischen Schadenersatzpflicht, und es wurde darüber hinaus eine aktive – über die Warnung vor den nachträglich bekannt gewordenen Gefahren verbunden mit entsprechenden Handlungsempfehlungen hinausgehende – Rückrufpflicht des Herstellers (Reparatur, Ersatz oder Rücknahme auf eigene Kosten) entwickelt, falls die Warnung den Benutzer des Produkts nicht ausreichend ermöglicht, die Gefahren einzuschätzen und sein Verhalten darauf einzurichten, oder falls die Warnung zwar eine ausreichende Gefahrenkenntnis bei den Benutzern eines Produktes herstellt, aber Grund zu der Annahme besteht, diese würden sich – auch bewusst – über die Warnungen und Handlungsempfehlungen hinwegsetzen und dadurch Dritte gefährden.43 40 Vgl. EuGH NJW 2015, 1163 (1164); BGH NJW 2015, 3096 (3097) und BGH NJW 2015, 2507 (2508): Übertragung der Feststellungen des EuGH auch auf § 3 Abs. 1 ProdHaftG; von Hippel, S. 54; Hopt, AcP 183 (1983), 608 (709); Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (635); Simitis, S. 50 f. 41 Klindt, BB 2009, 792 (792 f.); Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (634, 637 f.). 42 Baumgärtel, JA 1984, 660. 43 Vgl. BGH NJW 1990, 2560 (2562 ff.); vgl. auch BGH NJW 2009, 1080 (1081 f.): auf das im Einzelfall zur zuverlässigen Gefahrenabwehr Notwendige abstellend; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 1344 (1345 f.): deliktischer Rückruf- und Austauschanspruch ist Maßnahme der Schadensvorsorge; bereits vorher OLG Frankfurt VersR 1996, 982 (983); OLG Frankfurt VersR 1991, 1184 (1185); LG Frankfurt am Main BB 2007, 2368 (2368 f.); Stöhr, Festschrift für Gerda Müller, S. 173 (183); Kettler, VersR 2009, 274 (275); Molitoris, NJW 2009, 1049 (1050 f.): Warnpflicht verbunden mit einer eventuellen Aufforderung zur Stilllegung oder zur Nichtbenutzung bzw. verbunden mit einer Rückrufpflicht bedingt keine kostenlose Reparaturpflicht; Wagner, JZ 2009, 908 (910 f.) mit kritischen Anmerkungen zur Umsetzbarkeit und Anreizwirkung der Pflegebettentscheidung; Bodewig DAR 1996, 341 (344); Schwenzer, JZ 1987, 1059 (1061 f.): umsatzfördernde Wirkung zu Gunsten des rechtswidrig handelnden Herstellers, wenn der auf das Produkt angewiesene Benutzer entweder dieses reparieren lassen oder sich ein neues anschaffen müsste; Löwe, DAR 1978, 288 (291 f.); Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (316); Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1436); a.A. Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569 (1570):
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Die besonderen verbraucherschützenden Intentionen des Produkthaftungsrechts werden auch bei der Festlegung des deliktisch geschützten Rechtsgutes deutlich. So soll selbst dann das deliktisch geschützte Integritätsinteresse verletzt sein, wenn lediglich ein – funktionell begrenztes – fehlerhaftes Einzelteil einen Schaden an der im Übrigen einwandfrei funktionierenden Gesamtanlage verursacht hat, obwohl es sich dabei eigentlich um eine Verletzung des durch das Vertragsrecht geschützten Nutzungs- und Äquivalenzinteresses des Produktbesitzers (mit der Folge von eventuellen Gewährleistungsansprüchen) handelt.44 Die rechtssystematische Abgrenzung des (vertraglichen) Äquivalenzinteresses vom deliktischen Integrationsinteresse habe danach dann zurückzustehen, wenn das rechtspolitische Schutzinteresse des Produkthaftungsrecht am Schutz der absoluten Rechte des Verbrauchers dies erfordere, weil neben dem Bestehen eines fehlerhaften (Einzel-)Teils ein eigenständiges Integrationsinteresse verletzt wurde.45 Mit dem gleichen verbraucherschützenden Grundgedanken wurde im Produkthaftungsrecht selbst dann eine Verletzung des Integrationsinteresses des Verbrauchers angenommen, wenn die Produkteigenschaft die Integrität eines anderen Gegenstandes schützen sollte und der Verbraucher in Vertrauen auf diese Wirkung eigene präventive Gefahrenvermeidungsmaßnahmen zum Schutz seines Eigentums oder anderer Rechtsgüter unterlassen hat, so dass lediglich das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Verbrauchers
rechtswidrige ignorante Weiternutzung und damit absichtliche Fremd- und Selbstgefährdung aus eigenen finanziellen Interessen oder Komfortinteressen werde faktisch belohnt; Klindt, BB 2009, 792 (794 f.): fehlende Motivation des Besitzers sei nicht ausreichend für die dogmatische Begründung einer Rückrufpflicht bei Verbraucherprodukten; Pieper, BB 1991, 985 (988 f.): „deliktische Ansprüche ohne Delikt bzw. eine Produkthaftung ohne Personen- und Sachschaden“. 44 StRspr. seit BGH VersR 1977, 358 (360); daran anschließend BGH NJW 1996, 2224 (2225); BGH NJW-RR 1995, 342 (342 f.); BGH NJW 1994, 517 (518): allein auf die nicht unerhebliche Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs auch ohne Eingriff in die Substanz abzustellen; BGH NJW 1985, 2420; BGH VersR 1983, 344 (344 f.); BGH NJW 1978, 2241 (2242 f.); OLG Frankfurt VersR 2000, 781; OLG Frankfurt VersR 1991, 1184 (1185); OLG Köln NJW-RR 1991, 740; eine eigenständige Verletzung des Integrationsinteresses ablehnend BGH NJW-RR 1993, 793 (794); BGH NJW 1983, 812 (813); OLG Celle Urteil vom 14. 03. 2002 Az. 11 U 151/01; ausführlich zur Diskussion MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 189 ff.; zustimmend Hager, J., VersR 1984, 799 (805); die Rechtsprechung aufnehmend Kullmann, NJW 2002, 30; ders., NJW 2000, 1912; Hager, G., BB 1987, 1748 (1748 f.); a.A. Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (8 ff.): Ablehnung des Kriteriums der funktionellen Begrenztheit; MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 9: Ablehnung des Ersatzes eines weiterfressenden Schadens im § 1 ProdHaftG mit Verweis auf eine h.M. 45 BGH NJW 1985, 2420 (2420 f.); BGH NJW 1983, 812 (813); BGH VersR 1983, 344 (344 f.); BGH NJW 1978, 2241 (2242 f.): kein Unterschied in der rechtlichen Beurteilung zwischen einer – unzweifelhaft eine deliktische Haftung auslösenden – Nachrüstung mit einem PKW-Reifen und der Reifenerstausstattung; OLG Frankfurt VersR 2000, 781; OLG Köln NJWRR 1991, 740; dagegen BGH NJW-RR 1993, 793 (794): keine deliktische Haftung, wenn ausnahmsweise Integritätsinteresse und Äquivalenzinteresse völlig deckungsgleich sind; a.A. mit Verweis auf den Vorrang des Vertragsrechts MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 195.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
bezüglich der vom Hersteller geweckten Gebrauchs- und Sicherheitserwartung an ein Produkt und damit die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt wurde.46 Die Schadenallokation zu Lasten des Herstellers wurde auch mit der ökonomischen Erwägung begründet, dass der Hersteller nicht nur der wirtschaftliche Nutznießer der Massenproduktion ist, sondern im Gegensatz zum geschädigten Verbraucher das Verletzungsrisiko versichern, die Kosten zum Ausgleich der Verletzungsfolgen in die Preiskalkulation einfließen und über alle Nutznießer der Produktbenutzung verteilen könne.47 Die aus präventiven Verbraucherschutzgründen von der eigentlichen Rechtssystematik abweichende Verteilung der Haftungsrisiken setzt sich im Prozessrecht mit faktisch materiell-rechtlichen Auswirkungen fort.48 Hierbei wurde aufgegriffen, dass sich das Produkthaftungsrecht vom allgemeinen Deliktsrecht dadurch unterscheidet, dass die Ursache der Schädigung in der Produktionssphäre, dem Herstellungsprozess und der Auslieferungskontrolle der fertigen Produkte gesetzt wurde, die zeitlich und örtlich von der Verletzungssituation entfernt sind, und die Risikosphäre allein vom Hersteller überblickt, bestimmt und organisiert wird, so dass er näher dran ist, den Sachverhalt aufzuklären, und die Folgen der Beweislosigkeit bei einer Unaufklärbarkeit der Schadensursache besser tragen könne.49 De facto haftete der Hersteller bereits vor dem Inkrafttreten des ProdHaftG aus § 823 Abs. 1 BGB verschuldensunabhängig, da der Geschädigte seine Beweispflicht bereits dann erbrachte, wenn er die ihm zugänglichen Umstände darlegte und bewies, dass er bei bestimmungsgemäßer Verwendung eines Industrieerzeugnisses durch eine im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers geschaffene Fehlerhaftigkeit an einem absoluten Rechtsgut geschädigt wurde, während der Hersteller die ihm fast unmögliche Prozesspflicht zu erfüllen hatte, die Vorgänge aufzuklären, die den Fehler verursacht haben (objektive Pflichtwidrigkeit), und zu beweisen hatte, dass ihm hieran kein Verschulden traf.50 Damit sollte der dem Beibringungsgrundsatz immanenten Waffengleichheit im Zivilprozess Rechnung getragen werden, da es dem Verbraucher aufgrund der Größe und der komplizierten, verschachtelten, auf 46
BGH NJW 1996, 2224 (2225); BGH NJW 1981, 1606 (1607); BGH NJW 1981, 1603 (1604); OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 285 (287); OLG Oldenburg VersR 1986, 1003; OLG Hamburg VersR 1983, 882; zustimmend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 643: unproblematischer Fall eines Eingriffs in Rechtsgüter ohne aktiven Eingriff; Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (35 f.); Diederichsen, U., VersR 1984, 797 (798 f.); im Ergebnis zustimmend Hager, G., BB 1987, 1748 (1749 ff.): keine deliktische, sondern eine schuldrechtliche Begründung aus einem Garantievertrag vorzugswürdig. 47 Larenz/Canaris, 2. Bd. BT 2. Halbband, § 84 VI.1.a; von Hippel, S. 54 f.; Baumgärtel, JA 1984, 660 (661). 48 Vgl. Pfeifer, S. 74. 49 Vgl. BGH NJW 1969, 269 (274 f.); vgl. exemplarisch daran im Anschluss BGH NJW 1996, 2507 (2508). 50 Vgl. dazu exemplarisch BGH NJW 1996, 2507 (2508); OLG Hamburg NJW 1990, 2322; vgl. zur Beweislastumkehr im Grundsatzurteil BGH NJW 1969, 269 (274); dazu auch Pfeifer, S. 73 f.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Arbeitsteilung beruhenden Organisation moderner Hersteller von Massengütern sowie der verwickelten technischen, chemischen oder biologischen Vorgänge der modernen Produkte praktisch unmöglich war, einen prozessual ausreichend substantiierten Sachvortrag zum Verschulden des Herstellers dem Gericht vorzulegen.51 2. Die Ziele und Zwecke der strict products liability Im common law der USA wird in den Einzelfallentscheidungen ständig aktuell ausgelegt, welche Ziele und Zwecke das jeweilige höchste Gericht in den Rechtsordnungen mit der Einführung der strict products liability verfolgt.52 Diese Stellung der Gerichte im Rechtssystem des common laws führt zum gerichtlichen Selbstverständnis, im Interesse des Zusammenlebens der Menschen dazu aufgerufen zu sein, entsprechend der sich entwickelnden und neu entstehenden Bedürfnisse der Gesellschaft und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls neue Verhaltensregeln festzulegen.53 Dabei nehmen die Urteilsgründe eine dominante Stellung in der Rechtsauslegung ein, da die strict products liability im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung entwickelt wurde, da die Urteile höherer Gerichte gegenüber nachgeordneten Gerichten im gleichen Rechtszug nach dem allgemein geltenden Prinzip der stare decisis bindende Rechtswirkungen entfalten und daher die Urteilsgründe viel größere Detailgenauigkeiten dazu aufweisen, welche bindenden Festlegungen (holding oder ratio decidendi) zu welchen Sachverhalten getroffen wurden und welche Teile der Entscheidung obiter dicta darstellen.54 Die Autonomie der Gerichtsentscheidungen geht sogar so weit, dass gesetzliche Regelungen mit einer gewissen Distanz als Anhaltspunkte zur Entwicklung von angemessenen, sachgemäßen und praktikablen Rechtsregeln zur Kenntnis genommen werden.55 Daher wird im Folgenden der Schwerpunkt der Analyse auf die Recht51 Vgl. BGH NJW 1969, 269 (275); vgl. exemplarisch zur zustimmenden Literatur Hörl, S. 114. 52 Vgl. die sehr emotionale Ablehnung der Argumente des beklagten Herstellers in MO: LaPlant v. E. I. DuPont de Nemours And Co., 346 S.W.2d 231, 246 (Mo. App. 1961): „We are no more impressed than is our Supreme Court by arguments relying on ,social responsibility‘ and ,fairness and justice‘ without demonstrated legal fault (…); but, on the other hand, we immediately reject and emphatically deny DuPont’s notion that our judiciary is so shackled and bound that its function is limited to finding ,the common law of England‘ as it existed in 1607 and the statutory modifications thereof.“ 53 MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 506 (8th Cir. 1968): die Abwägung von sozialen, ökonomischen und rechtsdogmatischen Umständen des Gesetzgebers und die darauf beruhenden Gesetze können sich mehr an politischen und gesellschaftlichen Konzepten orientieren als an der objektiven Welt des Zivilrechts; MO: LaPlant v. E. I. DuPont de Nemours And Co., 346 S.W.2d 231, 245 (Mo. App. 1961). 54 Vgl. Meermann, S. 107; Hay S. 10 f. 55 Anders die strikte Begrenzung durch gesetzliche Regelungen in dem vom Verfassungsrecht stark beeinflussten Straf- und Strafprozessrecht, vgl. zum Ganzen NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1256 (3rd Cir. 1987), diss. Hunter, J.; in der deutschen Literatur Meermann, S. 107.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
sprechung in den einzelnen bundesstaatlichen Rechtsordnungen gesetzt und die Stimmen in der Literatur und die gesetzlichen Regelungen als Ergänzung herangezogen. Bevor auf die Ziele der strict products liability eingegangen wird, sollte ein kurzer Blick auf die Entwicklung der Haftung des Herstellers gegenüber dem Produktnutzer gerichtet werden. Im Gegensatz zum deutschen Produkthaftungsrecht, welches seit der Kraftdroschkenentscheidung des RG und später durch die Hühnerpestentscheidung des BGH allein im Deliktsrecht verankert ist und keinerlei Bezüge zum Vertragsrecht aufweist, ist die strict products liability das Ergebnis einer – in Urteilen über mehrere Jahrzehnte andauernden – Zusammenführung des gewährleistungsrechtlichen Ansatzes (concept of implied warranty) und des deliktischen Ansatzes (tort concept).56 Ähnlich der Kraftdroschkenentscheidung des RG kann als Urknall der strict products liability eine Entscheidung des Court of Appeals of New York im Jahre 1916 bezüglich eines Autounfalls angenommen werden, in der das Gericht mit Blick auf die Gefahren von industriell hergestellten Massenprodukten im Allgemeinen und Kraftfahrzeugen im Besonderen bei dem Produktversagen (Brechen des Rades) die vertragliche Haftung wegen Verletzung der geschuldeten sorgfältigen Herstellung des Produktes über die Ansprüche der Vertragspartner hinaus auch auf den Nutzer des potentiell für Leib und Leben gefährlichen Produktes ausdehnte.57 Dieser vertragsrechtliche Ansatz der Herstellerhaftung außerhalb des Deliktsrechts bedingte einige Einschränkungen des Schutzbereichs der Herstellerhaftung („actionable wrong“), wie etwa eine hinreichende Nähe der Fehlerverursachung des haftenden Herstellers zum Benutzer, eine hinreichende Kenntnis des Herstellers von der Wahrscheinlichkeit der Gefahr und die Nutzung des Endverbrauchers ohne weitere Kontrolle des Produkts.58 Ohne jeden Zwischenschritt, insbesondere die Ausweitung der Gefährlichkeitsrechtsprechung auf immer mehr Produktgruppen – z. B. Lebensmittel, Flugzeuge usw. – auf dem evolutionären Entwicklungsweg zur strict products liability nachzuzeichnen59, stellte die Entscheidung des Supreme Court of California in Sachen Greenman v. Yuba Power Products, Inc. einen weiteren 56 Vgl. AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2 871, 877 (Alas. 1979); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 1, Comment a.; in der deutschen Literatur missverständlich Meermann, S. 118, die breach of implied warranty neben der negligence und strict products liability als weitere produkthaftungsrechtliche Anspruchsgrundlage ansieht, was de facto nicht der Fall ist, da breach of implied warranty in Rechtsordnungen, die keine separate strict products liability kennen (wie z. B. Massachusetts und Michigan) auf alle Handelnden in der Herstellungs- und Vertriebskette ausgedehnt wurde; hierzu systematisch klarer (Haftung sui generis) Darby, ZEuS 2002, 105 (112); vgl. auch Rosengarten, S. 67 f.; von Hippel, S. 53 f. 57 NY: MacPherson v. Buick Motor Co., 111 N.E. 1050, 1053 (N.Y. 1916); darauf in den Sekundärquellen hinweisend Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1340 (1976); in der deutschen Literatur Darby, ZEuS 2002, 105 (106); von Hippel, S. 53 f. 58 Vgl. NY: MacPherson v. Buick Motor Co., 111 N.E. 1050, 1053 (N.Y. 1916). 59 Vgl. die umfassenden Verweise in CA: Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 377 P.2d 897, 900 (Cal. 1963); in der deutschen Literatur Darby, ZEuS 2002, 105 (106).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Meilenstein dar. Diese Entscheidung war die Geburtsstunde eines direkten deliktischen Anspruchs des bei der Produktbenutzung geschädigten Verbrauchers gegen den Hersteller ohne Verschuldensnachweis (daher strict products liability), falls dieser bei der vom Hersteller beabsichtigten Produktbenutzung durch einen Fehler in der Produktsubstanz verletzt wurde und der Verbraucher die Gefährlichkeit des Produkts bei dieser Nutzung nicht kannte.60 Die deliktsrechtliche strict products liability wurde – formal – aus dem regelmäßigen Fehlen vertraglicher Ansprüche zwischen dem Hersteller und dem Produktnutzer und – inhaltlich – aus der Verletzung der Schutzpflicht des Herstellers gegenüber der Gesundheit des Verbrauchers61 hergeleitet, die keine vertragliche Pflicht darstellen könne, da sie nicht vom Hersteller eingrenzbar sein dürfte.62 Neben der – jeder Zahlungspflicht auf einen Schadenersatz innewohnenden – Kompensation für eine Gesundheitsverletzung63 soll die strict products liability insbesondere präventive Wirkungen entfalten, den Verbraucher vor ihm unbekannten und nicht erkennbaren Gefahren zu schützen, indem allen handelnden Personen in der Herstellungs- und Vertriebskette ein Anreiz gegeben wird, keine unsicheren Produkte in den Warenverkehr zu geben64, und allgemein alle Produkte so schnell wie möglich so sicher wie möglich zu machen (maximum protection)65. Dieser präventive 60 CA: Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 377 P.2d 897, 900 et seq. (Cal. 1963) mit Verweis auf ein obiter dictum zur Abschaffung des Verschuldenselements in Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 461 (1944), conc., Traynor, J.; vgl. exemplarisch zuletzt in der deutschen Literatur Meermann, S. 119; Darby, ZEuS 2002, 105 (107). 61 Die aus der allgemeinen Pflicht aller Menschen, andere nicht in Missachtung derer Sicherheit zu verletzen, hergeleitet wird. 62 CA: Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 377 P.2d 897, 901 (Cal. 1963); vgl. auch NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 32 (Neb. 1979); aufgenommen in den Sekundärquellen in 45 Wash. L. Rev. 431, 431 et seqq. (1970). 63 Exemplarisch NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1243 (3rd Cir. 1987); PA: Normann v. Johns-Manville Corp., 406 Pa. Super. 103, 111 (1991). 64 AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2 871, 877 (Alas. 1979); CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1062 (1988); Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 462 (1944), conc., Traynor, J.; CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 124 (Colo. 1983); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 195 (1983), diss., Schreiber, J.; PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 285 (3rd Cir. 1994); Normann v. Johns-Manville Corp., 406 Pa. Super. 103, 111 (1991); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.; l. c., Reporters Notes: Comment a.; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1669 (1994); in der negligence auf die überlegenen Kenntnisse und Erfahrungen zur Begründung einer Verhaltenspflicht abstellend MA: City of Boston v. Smith & Wesson Corp., 2000 Mass. Super. LEXIS 352, p. 76 et seq.; Wright v. Carter Products, Inc., 244 F.2d 53, 59 (2nd Cir. 1957); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 17; Hoechst, S. 34. 65 HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 237 (D.Haw. 1988); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 286 (3rd Cir. 1994); TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 853 (Tex. 1979), conc., Campbell, J.; in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Hauptzweck kann als Erbe der Schutzziele der breach of warranty angesehen werden66, worin auch die beim Verbraucher durch die Werbung, das Marketing und das Markenimage des Herstellers geweckten Erwartungen durch einen Haftungsanspruch geschützt werden sollten (consumer expectations)67. Demnach müsse sich der Verbraucher auf die Kenntnisse, Fähigkeiten und Warnungen des Herstellers bezüglich einer gefahrlosen Benutzung des Produkts verlassen, da er sich faktisch aufgrund der Komplexität der industriellen Produkte und der Geheimhaltung des modernen Herstellungsprozesses nicht vor gefährlichen Produkten selbst schützen könne und die Vertriebsbemühungen des Herstellers gerade darauf zielten, den Verbraucher zur vorbehaltlosen Nutzung des Produkts ohne eigene Prüfung zu veranlassen.68 Dieser im deutschen Produkthaftungsrecht zur Bestimmung von Beweisgrundsätzen – also im Rahmen der prozessualen Durchsetzbarkeit des Anspruchs gemäß § 823 Abs. 1 BGB – berücksichtigte Gedanke wird somit in der strict products liability bereits in der materiell-rechtlichen Begründung des Schadenersatzanspruchs nutzbar gemacht. Zur Erreichung dieser beabsichtigten Präventionswirkung sei der Hersteller der beste Haftungsadressat, da er die Risiken für Leib und Leben aktiv und effektiv aufgrund der von ihm in den Warenverkehr gegebenen Produkte durch konstruktive und fertigungstechnische Maßnahmen sowie durch eine hinreichende Qualitätsprüfung vermeiden kann und er als Unternehmer die Schadenersatzkosten auf der einen Seite und die Schadenvermeidungskosten auf der anderen Seite bei der Entscheidung über die Inverkehrgabe des Produkts abwägt.69 Mit der strict products liability soll erreicht werden, dass der Hersteller zur Inver66
So die Herleitung in AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2 871, 877 (Alas. 1979); CA: Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 377 P.2d 897, 901 (Cal. 1983). 67 CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 652 (1966). 68 CA: Greenman v. Yuba Power Products, Inc., 377 P.2d 897, 901 (Cal. 1983); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 7, 9; KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 945 (Kan. 2000); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co., 123 N.H. 512, 521 (1983); TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 853 (Tex. 1979), conc., Campbell, J.; in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment a.; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1669 (1994); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/ Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 18; mit einer Betrachtung der Haftungsgrundlagen bei einer Abweichung der Produkteigenschaft von einer Werbeaussage unter Berücksichtigung der Haftung in Restatement of Tort, Second, § 402 B (Haftung ohne Vorliegen eines Produktfehlers) Hoechst, S. 65 f. 69 CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 462 (1944), conc., Traynor, J.; HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 237 (D.Haw. 1988); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1142 et seq. (Mont. 1997); NY: Miscallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 385 et seqq. (1976); TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 853 (Tex. 1979), conc., Campbell, J.; sehr instruktiv auch PA: Carrecter v. Colson Equipment Co., 346 Pa. Super. 95, 102 fn. 7 (1985): „When a products liability claim is pleaded the trial judge makes a threshold determination whether as a matter of social policy the case is appropriate for treatment under the rubric of products liability. In making this determination the judge acts as a combination social philosopher and risk-utility economic analyst; (…)“; in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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kehrgabe möglichst sicherer Produkte motiviert wird, indem durch die zu leistenden Schadenersatzzahlungen an möglichst viele geschädigte Verbraucher bzw. mittels der daraus resultierenden höheren Versicherungsprämien die Produktionskosten für gefährliche Produkte verteuert werden und daher dem Hersteller unsicherer Produkte ein Wettbewerbsnachteil entsteht.70 Um zu vermeiden, dass die mit der Nichtbeweisbarkeit der inneren Umstände verbundenen Risiken einer erheblichen finanziellen Belastung in der vorprozessualen Sachverhaltsaufklärung (discovery), die auch bei einem Obsiegen nach der „American rule“ nicht vom Hersteller erstattet werden müssen, eine Vielzahl von geschädigten Verbrauchern von einer gerichtlichen Geltendmachung ihres Schadens abhalten könnten, während der Hersteller in einer ungleich besseren Lage ist, die entscheidungserheblichen technischen Unterlagen und Informationen vorzulegen71, wurde zur Sicherstellung des Erreichens dieses Hauptziels neben der Begründung der materiell-rechtlichen strict products liability der Geschädigte auch prozessual von jeder Darlegungslast zum Verschulden des Herstellers befreit72. Der Gedanke des BGH, dass zur Bestimmung der Beweispflicht zu berücksichtigen ist, dass der Hersteller näher dran ist, die (betriebs)internen Vorgänge aufzuklären, wurde also auch in der strict products liability unter prozessualen Gesichtspunkten einbezogen. Neben der präventiven Zielsetzung wird die strict products liability ökonomisch damit begründet, dass zum einen die finanzielle Haftung für Gesundheitsverletzungen aufgrund der Produktbenutzung bzw. die diese Kosten abdeckenden Versicherungsprämien die Kehrseite des wirtschaftlichen Nutzens des Herstellers am Vertrieb des Produkts sind und dass zum anderen der Hersteller – im Gegensatz zum Geschädigten – durch das schädigende Ereignis nicht in seiner Existenz gefährdet ist, da er diese Kosten an alle Nutznießer des Produkts über die Erhöhung des Verkaufspreises weitergeben kann.73 Daher haftet der Endprodukthersteller auch uneingeschränkt für fehlerhafte Teile des Zulieferers.74 70 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1062 et seq. (1988); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment a. 71 AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 877 (Alas. 1979); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 7 et seq.; HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 238 (D.Haw. 1988); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1243 (3rd Cir. 1987); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 17 f. 72 MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 961 (N.D.Tex. 1978); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a. 73 AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 877 et seq. (Alas. 1979); CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 462 (1944), conc., Traynor, J.; CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 7; HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 237 (D.Haw. 1988); MO: Lippard v. Houdaille Industries, Inc., 715 S.W.2d 491, 492 (Mo. 1986); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 687 (Mo. App. 1978); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co.,
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Aus diesen rechtspolitischen Zielen und ökonomischen Zwecken folgen die beiden wesentlichen Merkmale der strict products liability, der objektbezogene Fehlerbegriff und der Ausschluss eines Verschuldensnachweises durch den Geschädigten. Die elementare Begründung eines rein objektbezogenen (unabhängig eines bestimmten Herstellerverhaltens definierten) Fehlerbegriffs im Produkthaftungsrecht liegt gerade darin begründet, dass die dargestellten Zwecke nicht ein (rechtswidriges, weil nicht sorgfältiges) Verhalten des Herstellers in den Mittelpunkt stellen, sondern sich auf das Trägermedium der verletzungsbegründenden Gefahr fokussieren, nämlich auf das vom Hersteller in den Warenverkehr gegebene Produkt, dessen Gefährlichkeit ab diesem Zeitpunkt für die Verbraucher bis zum schädigenden Zeitpunkt andauernd existent ist, während der konkrete Zeitpunkt der Schädigung und die konkret geschädigte Person eher zufällig sind.75 Ohne einen Verhaltensbezug des objektiven Tatbestandsmerkmals fehlt es auch an jedem Anknüpfungspunkt für ein subjektives Tatbestandsmerkmal.76 Aufgrund dieser Vereinfachung der Begründung und Durchsetzung eines Schadenersatzanspruchs im Zusammenhang mit einer Produktbenutzung hatte die negligence – im Gegensatz zur Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB – mit der Einführung der strict products liability ihre Bedeutung verloren.77 3. Der Vergleich der Ziele und Zwecke in beiden Rechtsordnungen Zwischen der strict products liability und dem Produkthaftungsrecht in Deutschland bestehen signifikante Gemeinsamkeiten in den rechtspolitischen Zielen und ökonomischen Zwecken. Die Schadenskompensation soll bei beiden Ansprüchen präventiv den Verbraucher vor den Gefahren schützen, die er aufgrund der Komplexität und Kompliziertheit von modernen industriellen Massenprodukten nicht aus eigenen Kenntnissen, Erfahrungen und Untersuchungsmöglichkeiten erkennen und gegen die er keinen ausreichenden Selbstschutz ergreifen kann, indem der Hersteller zur Inverkehrgabe von fehlerfreien und möglichst ungefährlichen 123 N.H. 512, 521 (1983); NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1243 (3rd Cir. 1987); PA: Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 (Pa. Super. 2001); Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 285 fn. 14 (3rd Cir. 1994); TX: Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 750 (Tex. 1980), conc., Pope, J.; Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 853 (Tex. 1979), conc., Campbell, J.; in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment a.; aufgegriffen in der deutschen Literatur von Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 17; von Hippel, S. 59. 74 CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 651 (1966). 75 Vgl. CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 462 (1944), conc., Traynor, J.; MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1142 et seq. (Mont. 1997). 76 HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 235 (D.Haw. 1988); TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 853 (Tex. 1979), conc., Campbell, J. 77 Vgl. zum Reformvorschlag zum Restatement (Second) of Torts, die negligence völlig auszuschließen, Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (275).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Produkten motiviert wird. Der Hersteller soll in beiden Rechtsordnungen die Kosten einer Verletzung im Zusammenhang mit der Benutzung seines Produktes tragen, weil er die Gefahr nicht nur durch die Inverkehrgabe des Produkts erst geschaffen hat, sondern die in seinem kommerziellen Absatzinteresse verbreiteten Werbe- und Marketingmaßnahmen mit einem möglichst positiven Markenimage den Verbraucher gerade dazu verführen sollen, sich dem Produkt unkritisch zu nähern und es unkritisch zu nutzen. In beiden Rechtsordnungen wird in der Rechtsfortbildung berücksichtigt, dass der Hersteller in einer ungleich besseren Situation ist, die Produktgefahren zu steuern und zu vermeiden, da er den ökonomischen Nutzen aus dem Inverkehrbringen des (mehr oder weniger gefährlichen) Produkts zieht und dabei die Produkteigenschaften nach einer betriebswirtschaftlichen Abwägung bestimmt, ob es für ihn lohnender ist, ein gefährlicheres Produkt (mit geringeren Fertigungs- aber höheren potentiellen Schadenersatzkosten) oder ein weniger gefährliches Produkt (mit höheren Fertigungs- aber geringeren potentiellen Schadenersatzkosten) auf den Markt zu bringen. Neben diesen Anreizen zur Inverkehrgabe weniger gefährlicher Produkte werden in beiden Rechtsordnungen auch ökonomische Gründe in der Gestalt herangezogen, dass der geschädigte Nutzer (und noch mehr der geschädigte Dritte) weder auf die Risiken der auf dem Markt angebotenen Produkte einwirken kann noch den finanziellen Schaden aus der Produktbenutzung versichern und daher in seiner Existenz bedroht sein kann, während der Hersteller seine Haftungspflicht versichern und die Prämien oder die gezahlten Schadenersatzsummen auf die Gesamtheit aller Produktkäufer durch die Einbeziehung in die kalkulierten Produktionskosten verteilen kann. Wenn sich einerseits die Produkthaftung vom allgemeinen Deliktsrecht dadurch unterscheidet, dass zwischen der Handlung des Schädigers und der konkreten Schädigung eine erhebliche zeitliche und örtliche Abweichung besteht, und andererseits in beiden Rechtsordnungen das Produkthaftungsrecht auf die Prävention vor gefährlichen Produkten im Warenverkehr gerichtet ist, dann kann geschlussfolgert werden, dass das Produkthaftungsrecht weniger ein bestimmtes Herstellerverhalten und dessen Rechtswidrigkeit mit einer Schadenersatzpflicht belegt, sondern es vielmehr darauf ankommt, die mit der Benutzung eines Objekts bedingten Schäden beim Verbraucher auszugleichen und gleichzeitig einen Anreiz zu schaffen, dass nur hinreichend sichere Produkte in den Warenverkehr gegeben werden. Dies wird im objektiven Tatbestand der strict products liability durch die Anknüpfung der Haftung an den gegenständlichen Produktzustand – und nicht an das Verhalten des Herstellers – abgebildet. Anders ausgedrückt, ist es für den Produkthaftungsanspruch unerheblich, aufgrund welcher (Verhaltens-)Umstände das Produkt nicht hinreichend sicher ist, sondern es kommt allein darauf an, dass es rechtswidrig unsicher ist. Dies bedingt wiederum, dass mangels Verhaltenskomponente – wie in der strict products liability – der Geschädigte keine subjektiven (inneren) Umstände in der Person des Herstellers darlegen und beweisen muss. Während in der strict products liability beide Schlussfolgerungen als Einheit betrachtet werden, wird in ständiger Rechtsprechung und in der herrschenden
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Meinung in der Literatur der Produktfehler gemäß § 3 ProdHaftG mit dem Produktfehler des § 823 Abs. 1 BGB gleichgesetzt und verhaltensbezogen bestimmt. Es stellt sich daher die Frage, ob die unterschiedliche Anknüpfung mit einem unterschiedlichen Haftungscharakter zu erklären ist.
II. Der Haftungscharakter der Produkthaftung 1. Der Haftungscharakter der deutschen Produkthaftung im ProdHaftG Bisher haben sich die deutsche Rechtsprechung und Literatur schwer getan, § 1 Abs. 1 ProdHaftG in das deutsche Deliktsrecht einzuordnen.78 Die einerseits vertretene Auffassung, es handele sich um eine Gefährdungshaftung, die die faktische Rechtslage der Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB mit ihren objektiven Haftungskriterien, stark abstrahierten Sorgfaltsanforderungen und implementierten Beweiserleichterungen aufnimmt und die zur Erhöhung der Rechtssicherheit und Verbesserung der Rechtsdurchsetzung als Gesetz formuliert wurde79, ist aufgrund der flankierenden Enthaftungstatbestände systematisch widerlegbar80. Andererseits fehlt dem Haftungstatbestand nicht nur ein Verschuldensvorwurf, sondern überhaupt ein Handlungselement.81 Die rechtssystematische Bedeutung dieses Fehlens eines Handlungstatbestands wird wenigstens im § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG beachtet, wonach allein nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt wird, ob nach den im Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produkts neuesten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen und Möglichkeiten der vorhandene Produktfehler nicht erkannt werden konnte, und nicht danach, ob der Hersteller in seiner Person den Produktfehler erkennen konnte oder ob die Fehlerbeherrschung infolge der Umstände des Herstellers für diesen wirtschaftlich zumutbar war.82 78 So auch MüKoBGB/Wagner, Einl. ProdHaftG Rn. 14; Potinecke, S. 180; Schlechtriem, Festschrift für Rittner, S. 545 (554); zum Diskussionsstand Zoller, S. 157 ff.; Schlechtriem, Festschrift für Rittner, S. 545 (554 f.). 79 Vom Gesetzgeber in BT-Drs. 11/2447 S. 11 offen gelassen: „(…) unterstellt das Produkthaftungsgesetz die Produkthaftung künftig der verschuldensunabhängigen Haftung (§ 1). Dieses Haftungssystem ist weitgehend identisch mit der Gefährdungshaftung, (…)“; daraus eine Gefährdungshaftung schlussfolgernd Hörl, S. 30; Scheller, S. 10; Hollmann, DB 1985, 2389; einschränkend Larenz/Canaris, 2. Bd. BT 2. Halbband, § 84 VI.1.a: Gefährdungshaftung mit Sonderstellung bzgl. Haftungssubjekt und Art der Gefährlichkeit; vgl. auch BGH NJW 1969, 269 (272 f.), der die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung bei einer Annahme der Gefährdungshaftung ohne eine klare Regelung durch den Gesetzgeber als überschritten ansieht, worauf in BT-Drs. 11/2447 S. 8 auch Bezug genommen wird. 80 So auch MüKoBGB/Wagner, Einl. ProdHaftG Rn. 15. 81 Dies auch feststellend MüKoBGB/Wagner, Einl. ProdHaftG Rn. 14. 82 Vgl. MüKoBGB/Wagner, Einl. ProdHaftG Rn. 15: zur Auflösung des Widerspruchs sei auf die Deckungsgleichheit mit dem objektiven Entwicklungsfehlerbegriff des § 823 Abs. 1 BGB abzustellen; Schlechtriem, Festschrift für Rittner, S. 545 (559): Produktfehler im ProdHaftG sei eine „Verschlüsselung von objektiven Verkehrspflichten“; Potinecke, S. 179 f., 182:
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Die Schwierigkeiten in der Bestimmung der Haftungsart resultieren aus dem Versuch, das ProdHaftG in das deliktische Haftungssystem zu pressen, das vor dem Inkrafttreten des Gesetzes herrschte. Danach kannte man entweder die Verschuldenshaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB, die dem Wesen nach subjektiv und damit verhaltensbezogen ist und die das Ziel hat, das Verhalten der Hersteller zu beeinflussen und damit Gefahren abzuwehren, oder die zur reinen Verteilung der Schäden aufgrund fehlerhafter Medikamente kodifizierte Gefährdungshaftung gemäß § 84 AMG, die objektiv und damit produktbezogen ausgestaltet ist.83 Vermittelnd wurde angenommen, dass § 1 Abs. 1 ProdHaftG die prozessuale Rechtslage des § 823 Abs. 1 BGB in Bezug auf die Beweislastumkehr für das Verschulden und der äußeren Sorgfaltspflichtverletzung abbilden solle, so dass es sich um eine deliktische Unrechtshaftung in Gestalt einer Quasi-Gefährdungshaftung handele, die sich vom § 823 Abs. 1 BGB nur in der Weise unterscheide, dass die Frage nach dem Verschulden nicht gestellt werde.84 Eine Mindermeinung in der Literatur versuchte dieses Duopol der Haftungsarten aufzubrechen und nahm an, dass neben der Verschuldens- und der Gefährdungshaftung eine Aufopferungshaftung existiere, wonach der Inhaber des höherwertigen geretteten Gutes eine Entschädigung schulde, wenn zugunsten dieses höherwertigen Gutes ein geringerwertiges geschütztes Gut geopfert wird.85 Völlig neue Wege in der Produkthaftung geht die ökonomische Analyse des Schadensrechts, die bei (über die Produktrisiken) vollinformierten Benutzern zur optimalen Produktdifferenzierung eine Nichthaftung für Produktgefahren arithmetisch nachzuweisen versucht und daher die Produkthaftung dem Grunde nach an einem Informationsdefizit der Konsumenten festmachen will.86 Bei allen Lösungsansätzen zur Bestimmung der Haftungsart wird jedoch der Ansatz außer Acht gelassen, dass das ProdHaftG nicht auf der Haftungssystematik des deutschen Deliktsrechts, sondern auf der durch die strict products liability stark beeinflussten EG-Produkthaftungsrichtlinie beruht.87 in § 3 ProdHaftG sei auf die objektivierten Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit abzustellen; vgl. auch Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (58 f.); a.A. mit Verweis auf das Prinzip der Verschuldenshaftung Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 142. 83 So systematisierend Schlechtriem, Festschrift für Rittner, S. 545 (554); vgl. auch Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2291); Pfeifer, S. 83. 84 Vgl. Schulenberg, S. 88: verschuldensunabhängige Unrechtshaftung, deren Umfang die Pflichtverletzung gemäß ProdHaftG bestimme; ausführlicher Diskussionsstand in Zoller, S. 161 f.; kritisch zum Begriff der Quasi-Gefährdungshaftung Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1298). 85 Deutsch, VersR 1979, 685; vgl. auch Zoller, S. 161 f., 167, der einen eigenen Haftungstypus ablehnt, sich im Übrigen aber nicht festlegt und die Haftung des Importeurs auf die Gefahrerhöhung beruhen lässt; vgl. BGH NJW 1969, 269 (272 f.), worin eine Gefährdungshaftung „aus rechtssoziologischen und rechtstheoretischen Überlegungen“ ohne klare gesetzliche Grundlage abgelehnt wird. 86 Schäfer/Ott, S. 365 ff. 87 Vgl. zur Gleichsetzung des Fehlerbegriffs ohne nähere Begründung OLG Saarbrücken Urteil vom 03. 08. 2011 Az. 1 U 316/10 Rn. 38; in der Literatur Schlechtriem, Festschrift für
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
2. Der Haftungscharakter der strict products liability Die strict products liability unterscheidet sich von der (dem § 823 Abs. 1 BGB ähnlichen) negligence dadurch, dass nicht für ein – vom vernünftigen Handeln eines durchschnittlich umsichtigen Menschen in der Situation des Herstellers abweichendes – Herstellerverhalten gehaftet wird, sondern es sich um eine Haftung für eine Produkteigenschaft ohne Notwendigkeit der Behauptung eines fahrlässigen Handelns oder eines Vertragsbruchs handelt.88 Der Haftungscharakter der strict products liability steht in dem definitorischen Spannungsverhältnis der strikten Haftung einerseits und der bildlichen Eingrenzung andererseits, dass der Hersteller kein „Versicherer“ ist.89 Der Vergleich mit einem Versicherer soll eine Herstellerhaftung allein aufgrund einer kausalen Schadensverursachung durch die Produktbenutzung ausschließen und rechtssystematisch dem Umstand Rechnung tragen, dass es faktisch unmöglich ist, ein Produkt herzustellen, das keinen Menschen unter allen Umständen zu keinem Zeitpunkt schädigen kann90, und dass jedes Konsumprodukt für Verbraucher bei isolierter Betrachtung der Produkteigenschaften in irgendeiner Weise mit weniger Gefahren konstruiert werden kann91. Um Missverständnisse in der deutschen Übersetzung und Betrachtung auszuräumen, ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Unterschied zwischen der Unwerthaftung (absolute liability) und der strict liability die Substanz des Haftungsgrundes betrifft und nicht von rein semantischer Natur ist.92 Der vereinzelt in der deutschen Literatur vertretenen Gleichsetzung der strict products liability mit einer Gefährdungshaftung93 kann Rittner, S. 545 (559), der die Systematisierung in Gefährdungs- oder Unrechtshaftung als nicht notwendig ansieht; wenig konsequent MüKoBGB/Wagner, Einl. ProdHaftG Rn. 19, worin zwar zutreffend und detailliert die Widersprüche dargestellt werden, dann aber eine „Kombination aus Elementen der Verschuldens- und der strikten Haftung, wobei die Verschuldenshaftung klar dominiert“ angenommen wird. 88 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1056 (1988); CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 126 (Colo. 1983); IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 899 (Ill. App. 2007); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/ Appel, Kz. 4510 S. 7, 15; vgl. auch die Nachweise in Fn. 33 (Teil 2). 89 In der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 15: „(…) similar to, but less strict than, ,true‘ strict liability“; vgl. auch die Nachweise in Fn. 33 (Teil 2). 90 AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1063 et seq. (Alas. 1979); Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 879 (Alas. 1979); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1154 (Ind. App. 1990); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 179 et seq., 195 et seqq. (1983); NY: Kaempfe v. Lehn & Fink Products Corp., 249 N.Y.S.2d 840, 845 (N.Y. App. Div. 1964); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990). 91 TX: Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 93 (Tex. 1974). 92 NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 200 (1983), diss., Schreiber, J. 93 Meermann, S. 151; vgl. auch Scheller, S. 26, 30 f.: keine Haftung bei „unavoidably unsafe product“, ohne jedoch die Widersprüche aufzulösen, die die Gleichsetzung der „strict
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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entgegengehalten werden, dass die „strict liability“ gerade nicht, wie die der deutschen Gefährdungshaftung entsprechende „absolute liability“, dem Hersteller aus rechtspolitischen Erwägungen das Risiko für sämtliche Schäden im Zusammenhang mit der Benutzung des von ihm in den Warenverkehr gebrachten Produkts aufbürdet, sondern einen rechtswidrigen Zustand oder Vertrieb des Produkts (einen individuellen objektbezogenen Produktfehler) voraussetzt.94 Es handelt sich also weder um eine klassische Unwert- noch um eine klassische Unrechtshaftung. Vielmehr wurde mit dem Zusammenführen der vertraglichen Gewährleistungshaftung (breach of warranty) und der deliktischen Haftung (negligence) der neue deliktische Haftungscharakter strict liability geboren, der – der breach of warranty entsprechend – die Haftung an einen objektiven, keinem Verschuldensvorwurf zugänglichen Zustand des schadenverursachenden Produkts anknüpft (und nicht, wie in der absolute liability, an einen Handlungs-(Verletzungs-) Erfolg oder, wie in der negligence, an das Verhalten oder gar das Verschulden des Herstellers). Zur Unterscheidung von der erfolgsbezogenen absolute liability enthält die strict (products) liability rechtssystematisch ein Minimum an Verschulden.95 Damit verbleibt der strict products liability als Erbe der negligence der Haftungscharakter einer deliktischen Unrechtshaftung96, ohne dass die geschädigte Partei jedoch darlegen und beweisen muss, dass der Hersteller des schädigenden Produkts fahrlässig gehandelt hat97. Für das tiefere Verständnis der strict products liability ist es wichtig festzuhalten, dass diese nicht frei von Verschuldens- insbesondere Fahrlässigkeitselementen ist, sondern das Verschulden (die Fahrlässigkeit) von Gesetzes wegen als gegeben angesehen wird und der geschädigte Nutzer keine konkrete schuldhafte Handlung des Herstellers vortragen muss.98 Entsprechend liability in tort“ mit der Gefährdungshaftung und die Definition der risk/utility-analysis mit § 84 AMG mit sich bringen; a.A. Lorenz, RIW 1980, 609 (610): verobjektivierte negligence. 94 Sehr ausführlich NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 179, 200 (1983); vgl. auch FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1109 fn. 1 (Fla. App. 1983); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 30 et seqq. (1982). 95 NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co., 123 N.H. 512, 530 (1983); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 31 (1982). 96 Missverständlich Meermann, S. 153, 259, die eine Abkehr der praktizierten strict products liability von der Gefährdungshaftung hin zu einer Fahrlässigkeitshaftung bei Konstruktions- und Instruktionsfehlern sieht. 97 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1056 (1988); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1668 (1994); vgl. in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/ Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 15; Micklitz, ZEuS 2002, 77 (81). 98 FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1109 fn. 1 (Fla. App. 1983); MD: Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 117 (4th Cir. 1981); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990): „Once the plaintiff has met its burden of proof, the seller is deemed negligent per se and may avail himself or herself of the defenses of contributory negligence.“; ausdrücklich in der Gesetzgebung C.R.S. 13 – 21 – 403 (1): „In any product liability action, it shall be rebuttably presumed that the product which caused the injury, death, or property
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
werden von den Gerichten einige gefestigte Rechtsregeln der negligence in der strict products liability fortgeschrieben, wenn diese die besonderen, fundamentalen Grundsätze der strict products liability nicht berühren.99 3. Der Vergleich des Haftungscharakters des Produkthaftungsrechts in beiden Rechtsordnungen Die sprachliche Fassung des § 1 Abs. 1 ProdHaftG in Verbindung mit der Legaldefinition des § 3 ProdHaftG enthält kein Tatbestandsmerkmal, das die Haftung mit dem Verhalten des Herstellers, mit einer Pflicht des Herstellers oder mit einer wie auch immer gearteten Handlung verbindet. Ein Produktfehler soll gemäß § 3 ProdHaftG vorliegen, wenn die Produktsubstanz nicht das Sicherheitsniveau aufweist, das von der Rechtsordnung („berechtigterweise“) verlangt wird. Zur Konkretisierung dieses Sicherheitsniveaus wird beispielhaft (wenn auch mit einer Betonung) auf die Darbietung des Produkts und auf den billigerweise zu erwartenden Gebrauch abgestellt. Damit knüpft § 3 ProdHaftG die Fehlerhaftigkeit des Produkts an dessen Gefährlichkeit (fehlende Sicherheit), also an eine Bewertung der gegenständlichen Produkteigenschaften, an.100 Wie in der strict products liability beruht die Definition des haftungsauslösenden Tatbestandes auf einem verletzungsbedingenden Umstand (Gefährlichkeit des Produkts), so dass keine Unwerthaftung, also keine Gefährdungshaftung, vorliegen kann. Es fehlt aber – ebenfalls wie in der strict products liability – an einer Anknüpfung an das Herstellerverhalten. Bereits aus diesem offensichtlichen sprachlichen Grund verbietet es sich, den Haftungscharakter im ProdHaftG mit dem des § 823 Abs. 1 BGB gleichzusetzen. Darüber hinaus ist der Haftungstatbestand der strict products liability und des ProdHaftG auch in der Substitution des Verhaltensvorwurfs gegenüber dem Hersteller mit der objektiven Gefährlichkeit des Produkts als haftungsbegründendes Element identisch. Diese Substitution ist bei einem Fehlen eines Verhaltensvorwurfs (Verschuldens) des Herstellers im Haftungstatbestand mangels differenzierbaren Herstellerverhaltens auch zwangsläufig. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sowohl die Darbietung als auch der Gebrauch grundsätzlich Handlungen sind. Zum einen müssen es nicht (bezüglich des Gebrauchs) oder nicht notwendigerweise (bezüglich der Darbietung) damage was not defective and that the manufacturer or seller thereof was not negligent if the product: (…)“; vgl. auch Burns Ind. Code Ann. § 34 – 20 – 5 – 1 (1); in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (195); Schollaert, PHI 1998, 20 (21). 99 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991); MO: Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 688 (Mo. App. 1978). 100 Vgl. zu Art. 6 Abs. 1 EG-Produkthaftungsrichtlinie EuGH NJW 2015, 1163 (1164): „Die Sicherheit, die zu erwarten man nach dieser Bestimmung berechtigt ist, ist damit vor allem unter Berücksichtigung des Verwendungszwecks und der objektiven Merkmale und Eigenschaften des in Rede stehenden Produkts sowie der Besonderheiten der Benutzergruppe, für die es bestimmt ist, zu beurteilen.“ (Kursivierung ergänzt).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Handlungen des Herstellers sein. Zum anderen treten diese Verhaltensformen erst lange nach der Konstruktion und Herstellung des Produkts auf. Daher sind diese Handlungen nicht geeignet, eine Verhaltenspflicht des Herstellers – insbesondere hinsichtlich der Konstruktion und der Herstellung – zu beschreiben. Selbst wenn bei der Berücksichtigung „aller Umstände“ auch das Verhalten des Herstellers herangezogen wird, so sind dies nur dienende Erwägungen zur Bestimmung des Sicherheitsdefizits der Produkteigenschaften. Gewisse Zweifel an einer Adaptionsfähigkeit der Grundsätze der strict products liability in das ProdHaftG könnten sich daraus ergeben, dass in der strict products liability das haftungsbegründende Unrecht nicht an die Begehung der Schädigung und damit die Haftung auch nicht an die Vernünftigkeit des handelnden Produktsicherungsverpflichteten bei der Konstruktion, der Produktion und dem Vertrieb des Produkts angeknüpft werden kann (die Schuldhaftigkeit des Herstellerverhaltens wird immer unwiderlegbar vermutet), sondern zwingend der objektive Zustand des Produkts die Haftung begründen muss.101 Aufgrund der Urteile, in denen der Hersteller zwar nicht aus der negligence haftete, weil er alle vernünftigen Sicherheitsvorkehrungen zur Konstruktion eines sicheren Produkts getroffen und auch in sonstiger Weise wie ein verständiger und vorsichtiger Hersteller unter diesen Umständen gehandelt hatte, aber ein Spruchkörper in Anwendung der strict products liability nachträglich zu dem Ergebnis kam, dass das Produkt unsicher gegenüber dem Käufer, Nutzer oder einem Dritten war102, könnte zu befürchten sein, dass der Hersteller bei einer Adaption der objektbezogenen Fehlerbestimmung in das ProdHaftG Haftungsrisiken ausgesetzt wird, die vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt waren. Dieser Einwand kann jedoch eine grundsätzliche Ablehnung der Auslegung des objektbezogenen Fehlerbegriffs im ProdHaftG nicht begründen, sondern sollte in der Analyse der mit der Anwendung des objektbezogenen Fehlerbegriffs verbundenen Rechtsfolgen Anlass für eine Bewertung sein, ob und wie diese Rechtsfolgen
101 Vgl. AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1062 (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 803 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 418 (1978); HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1458 (D.Haw. 1986); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); MO: Elmore v. Owens-Illinois, Inc., 673 S.W.2d 434, 438 (Mo. 1984); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 688 (Mo. App. 1978); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1144 (Mont. 1997); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 610 (Neb. 1994); TX: Carter v. MasseyFerguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir. 1983); vgl. zur deutschen Literatur Schulenberg, S. 92 f.; skeptisch Lorenz, RIW 1980, 609 (610): strict products liability sei eine verobjektivierte negligence. 102 CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 803 (1981); HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1458 (D.Haw. 1986); MO: Elmore v. Owens-Illinois, Inc., 673 S.W.2d 434, 438 (Mo. 1984); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 688 (Mo. App. 1978); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1144 (Mont. 1997); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 180 (1983); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir. 1983); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 800 (Tex. 1975); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 101 et seq. (Tex. 1974), diss., Pope, J.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
den Zielen und Zwecken des deutschen Produkthaftungsrechts und der bisherigen Rechtslage entsprechen bzw. widersprechen. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Haftungscharakters des § 1 Abs. 1 ProdHaftG lassen sich daher stringent mit dem Verweis auflösen, dass der Ursprung dieses Haftungstatbestandes in der EG-Produkthaftungsrichtlinie lag103, die sich wiederum an der strict products liability orientierte. Wenn der Produktfehler im ProdHaftG gegenüber § 823 Abs. 1 BGB autonom und im Lichte der EG-Produkthaftungsrichtlinie ausgelegt wird, kann § 1 Abs. 1 ProdHaftG systemkonform im bestehenden deutschen deliktischen Haftungsregime von vorwurfsorientierter Unrechtshaftung und erfolgsorientierter Unwerthaftung entsprechend dem Haftungscharakter der strict products liability in der Weise eingeordnet werden, dass für ein Unrecht gehaftet wird (es also gerade keine Gefährdungshaftung ist), dessen Verschuldensanteil des Herstellers im Gegensatz zum deliktischen Schadenersatzanspruch des § 823 Abs. 1 BGB von Gesetzes wegen unwiderlegbar festgestellt wird, so dass der Hersteller keinen Entlastungsbeweis über die im § 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG geregelten Fälle hinaus führen kann.104 Mit der Haftung unter Zugrundelegung einer unwiderlegbaren Verschuldensvermutung wird die Grundlage für jegliche Anknüpfung der Haftung an das Herstellerverhalten entzogen, so dass lediglich die objektbezogene Anknüpfung an die jeweiligen Produkteigenschaften übrig bleibt.105 Durch den übereinstimmenden Haftungscharakter als Unrechtshaftung kann für die Auslegung des ProdHaftG auf die zum § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, soweit diese nicht den Grundsätzen einer Haftung aus unwiderlegbar vermutetem Verschulden und der daraus folgenden Anknüpfung an die Produkteigenschaft (und nicht an das Herstellerverhalten) widersprechen. Ein neuer Haftungstyp (z. B. eine Aufopferungshaftung) muss nicht entwickelt werden.
103 Vgl. BGH NJW 2015, 3096 (3097); BGH NJW 2015, 2507 (2508); KG Urteil vom 28. 08. 2015 Az. 4 U 189/11: Urteilsgründe beruhen auf einer bindenden Entscheidung des EuGH nach einem Vorlagebeschluss des BGH zur Auslegung des § 3 Abs. 1 ProdHaftG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EG-Produkthaftungsrichtlinie. 104 Im Ergebnis ähnlich Meermann, S. 263 f., die jedoch die strict products liability und das ProdHaftG als Gefährdungshaftung ansieht, welche durch Fahrlässigkeitselemente wie Wissen und Vorwerfbarkeit durchbrochen werden; vgl. dazu auch Micklitz, ZEuS 2002, 77 (94). 105 Sehr inkonsequent BGH NJW 2015, 3096 (3097); BGH NJW 2015, 2507 (2508); KG Urteil vom 28. 08. 2015 Az. 4 U 189/11: zwar wird die – rechtlich verbindliche – objektbezogene Fehlerbestimmung des EuGH NJW 2015, 1163 hinsichtlich Art. 6 Abs. 1 EG-Produkthaftungsrichtlinie den Urteilen zu Grunde gelegt, ohne aber explizit die daraus folgende Abkehr von der Gleichsetzung der Produktfehlerbestimmung im § 823 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 ProdHaftG zu vollziehen.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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III. Der objektbezogene Produktfehler in der strict products liability Trotz intensiver Bemühungen zur Vereinheitlichung in den letzten mehr als 50 Jahren – bis hin zu einer Initiative des U.S. Department of Commerce im Jahre 1979 mittels eines Modellgesetzes zur Übernahme in die einzelstaatlichen Rechtsordnungen (MUPLA)106 – existiert bis zum heutigen Tage weder eine einheitliche Definition der tatbestandlichen Voraussetzungen einer strict products liability noch eine einheitliche Rechtsanwendung. Die einzelstaatliche Darstellung würde den Umfang der Arbeit bei weitem sprengen, ist aber auch nicht notwendig, da die strict products liability in ihrer mehrheitlich vertretenen Gesamtheit Einfluss auf die EGProdukthaftungsrichtlinie hatte. Daher sollen zur optimalen und gleichzeitig praxisnahen Auslegung des Fehlerbegriffs des § 3 ProdHaftG verschiedene Rechtsansätze, Definitionen, Einschränkungen, Korrekturen in der Rechtsprechung und Erfahrungen in der Praxis genutzt werden, ohne das komplizierte und für den USamerikanischen Rechtsanwender so bedeutende System der Bindungswirkung von Präzedenzentscheidungen, Teil- oder Vollaufhebung von Entscheidungen niederer Gerichte und Teil- oder Vollaufhebung von vorherigen Präzedenzentscheidungen des gleichen Gerichts oder der Bindung der Bundesgerichte an Entscheidungen niederer oder höherer Gerichte in den Bundesstaaten, dessen Recht anzuwenden ist, zu berücksichtigen sowie die Unterscheidung zwischen ratio dicendii und obiter dictum zu beachten. Das erste allgemein anerkannte Tatbestandsmerkmal der strict products liability besteht darin, dass die Tätigkeit des Haftenden bei der Inverkehrgabe des Produkts geschäftlich sein muss.107 Darin stimmt die strict products liability genauso mit dem ProdHaftG überein wie in der Notwendigkeit, dass ein Produktzustand die Ursache für die Verletzung und für den Schaden gewesen sein muss, der bereits zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe bestand, d. h. der Schaden darf nicht auf einer nachträglichen Veränderung ohne Kenntnis des Herstellers beruhen.108 Dabei werden wie in Deutschland109 drei Stadien des Produktzyklus betrachtet: die Konstruktion (design defect), die Herstellung (manufacturing defect) und der Vertrieb (failure to warn).110
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Fed. Reg., Vol. 44, No. 212, p. 62714. Exemplarisch IA: Kleve v. General Motors Corp., 210 N.W.2d 568, 570 et seq. (Iowa 1973); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 16. 108 Bereits CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 468 (1944), conc., Traynor, J.; exemplarisch IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 643 (Ill. App. 1969); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); Kleve v. General Motors Corp., 210 N.W.2d 568, 570 et seq. (Iowa 1973); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 610 (Neb. 1994); NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 449 (1984); PA: Philips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 810 (Pa. Super. 2001); Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 284 (3rd Cir. 1994); aufgegriffen in der deutschen Literatur von Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 16 f. 109 Vgl. hierzu exemplarisch zuletzt OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601). 107
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Damit endet die Verantwortlichkeit des Herstellers aus der strict products liability mit dem Zeitpunkt der Besitzerlangung durch den Endverbraucher. Eine der deutschen Produktbeobachtungspflicht vergleichbare Haftung des Herstellers beim nachträglichen Bekanntwerden von Produktgefahren kennt zwar auch das USamerikanische Verbraucherschutzrecht (selbst wenn er das Produkt nicht mehr herstellt).111 Diese Haftung wird aber systemkonform als Ausfluss der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht zur angemessenen Gefahrenvermeidung und -beseitigung angesehen und nicht der strict products liability zugeordnet, da nach der Inverkehrgabe eines zwar gefährlichen, aber nicht fehlerhaften Produkts alle möglichen gefahrenmindernden Handlungen des Herstellers (egal ob Warnungen, Instruktionen oder Rückrufe) nicht auf die Produktsubstanz einwirken und vom Produktvertrieb unabhängig sind, so dass einer objektbezogenen Haftungsbestimmung der Anknüpfungspunkt fehlt.112 Bei einer objektbezogenen Fehlerdefinition allein anhand der Produktsubstanz des als fehlerhaft behaupteten Produkts ist daher der Ausschluss der Haftung des Herstellers aufgrund von Umständen, die erst nach der Inverkehrgabe entstehen, systemkonform. Auch diese Begrenzung der Tatbestandlichkeit der Haftung findet ihre Entsprechung im ProdHaftG, da dem ProdHaftG jegliche Haftungstatbestände für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nach der Inverkehrgabe des Produkts, wie die Pflicht zur Überwachung des praktischen Produktbewährens nach der Auslieferung und die Rückrufpflicht bei Erkennen oder Erkennbarkeit von Produktgefahren verbunden mit eventuellen Gefahrbeseitigungsansprüchen des Verbrauchers gegenüber dem Hersteller vor einem Schadenseintritt, fehlen.113 Hierzu wurde zwar teilweise vertreten, dass es sich um eine Lücke mit der Gefahr einer ungenügenden effektiven schadenpräventiven Wirkung 110 Exemplarisch CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 995 (1991); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d, 726, 732 (1986); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 7; NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 449 (1984); NY: Speller v. Sears, Roebuck and Co., 100 N.Y.2d 38, 41 (2003); Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 617 (N.Y. App. Div. 1982); in gesetzlichen Regelungen La. R.S. § 9:2800.54 (B); in der deutschen Literatur Meermann, S. 122 f.; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (149 f.); Zekoll, S. 55; Hoechst, S. 44. 111 IA: Fell v. Kewanee Farm Equipment Co., 457 N.W.2d 911, 920 (Iowa 1990); MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 447 et seq. (1992); in den Sekundärquellen MUPLA, Analysis, p. 62728; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1353 (1976); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (C) (6), Sec. 106 (B) (3); Sec. 107 (E) (3); einschränkend KS: Burton v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 397 F.3d 906, 912, 912 fn. 1 (10th Cir. 2005): Warnpflichten nach der Inverkehrgabe nur für verschreibungspflichtige medizinische Produkte oder für Produkte, deren Käufer vom Hersteller ohne Weiteres ermittelt werden können; vgl. in der deutschen Literatur Hoechst, S. 59 ff., der eine Parallele zur deutschen Produktbeobachtungspflicht bei Gefahren aus einer unsachgemäßen Produktbenutzung oder Produktveränderung sieht. 112 MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 446 et seq. (1992); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (C) (6); vgl. dazu auch die Ausführungen in der deutschen Literatur in Zoller, S. 215 und – mit der Betrachtung der Produktbeobachtung als Unterfall des Instruktionsfehlers – Hoechst, S. 44, 59 ff. 113 OLG München VersR 1990, 791 (792); exemplarisch in der Literatur Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (472); Zoller, S. 175; Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1297).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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des ProdHaftG handele.114 Dieses Verständnis eines gesetzgeberischen Mangels ergibt sich aber nur dann, wenn dem ProdHaftG ein verhaltensbezogener Fehlerbegriff zu Grunde gelegt wird. Dann fehlt es tatsächlich an einer überzeugenden sachlichen Begründung, weshalb die dem Hersteller obliegende allgemeine Verkehrssicherungspflicht, im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs keine gefährlichen Produkte in den Verkehr zu bringen115, zwar vom ProdHaftG bezüglich der Handlungspflichten vor der Inverkehrgabe – die Gefährlichkeit aller Produkte der Serie (Konstruktionsfehler), die Mangelhaftigkeit eines Einzelstücks bei sonstiger Fehlerfreiheit der Serie aufgrund mangelhafter Qualitätskontrollen (Fabrikationsfehler) und die Mangelhaftigkeit der Gebrauchsanleitung und der notwendigen Gefahrenwarnungen bei einer einwandfrei konstruierten Ware (Instruktionsfehler) zu vermeiden116 – nicht jedoch bezüglich der Handlungspflichten nach der Inverkehrgabe aufgegriffen werden. Selbst die Annahme einer eigenständigen allgemeinen Organisationspflicht des Herstellers, den Betrieb in gegenständlicher und persönlicher Hinsicht so einzurichten, dass Konstruktions- und Planungsmängel sowie Fabrikationsfehler ausgeschaltet, hinreichende Informationen sowie Beratung vorgesehen und die Produktbeobachtung sowie eine angemessene Reaktion gewährleistet sind117, findet keine Entsprechung in den Tatbestandsmerkmalen des § 3 ProdHaftG. Unter Zugrundelegung eines objektbezogenen Fehlerbegriffs ist das Fehlen der Haftung des Herstellers auf der Grundlage der Produktbeobachtung keine Lücke, sondern die rechtssystemkonforme Folge, dass die Produktbeschaffenheit nur dann dem Hersteller haftungsbegründend zugeordnet werden kann, wenn er darauf noch einwirken konnte, nicht aber wenn sich das Produkt bereits im Warenverkehr befindet und erst dann dessen Gefährlichkeit bekannt wird oder die Gefährlichkeit aus Einwirkungen des Nutzers oder Dritter auf das Produkt entsteht. Die Parallele zwischen der Haftung gemäß der strict products liability für Umstände vor dem Inverkehrbringen und gemäß der negligence für Umstände nach dem Inverkehrbringen lässt sich auch im ProdHaftG widerfinden. Gemäß § 15 Abs. 2 ProdHaftG bleibt die verhaltensbezogene Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB uneingeschränkt neben dem ProdHaftG – und damit auch hinsichtlich der Verletzung einer Produktbeobachtungspflicht und anderer daraus resultierender Pflichten – bestehen.118 Teilweise wird in der strict products liability vertreten, dass diese Haftung keine Anwendung auf Sach- und Vermögensschäden findet, um bei Schäden aufgrund einer Produktbenutzung der breach of expressed and implied warranty einen eigenen 114
Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (472); Pieper, BB 1991, 985 (990). BGH NJW 2009, 2952 (2953); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); LG Essen NJW 2005, 2713 (2716). 116 OLG München VersR 1990, 791 (792); exemplarisch in der Literatur Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (472). 117 Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1302). 118 Vgl. Tiedtke, PHI 1992, 138: bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch nicht durch Auslegung und Rechtsfortbildung überwunden werden kann. 115
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Anwendungsbereich offen zu lassen, so dass die Liquidierung von „economic losses“ allein unter Anwendung der Regeln (und der Einschränkungen) des Vertragsrechts ermöglicht wird, während das Deliktsrecht nur für „personal injuries“ gelten sollte.119 Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass bei Gesundheitsgefahren die rechtlich hinreichend sicheren Produkteigenschaften nicht in der Bestimmungshoheit des Herstellers liegen, sondern anhand von allgemeinen, objektiven und rechtspolitischen Prinzipien zum Schutz der Benutzer oder Dritter vor Gesundheitsverletzungen zu bestimmen seien.120 Demgegenüber können im allgemeinen Vertragsrecht die Liquidation von reinen wirtschaftlichen Schäden des Verbrauchers aufgrund des Fehlens einer behaupteten Gebrauchsfähigkeit sehr wohl von den Vertragsparteien (und damit auch vom Hersteller) bestimmt und somit auch beschränkt werden, wie z. B. mittels eines rechtlich zulässigen Haftungsausschlusses oder einer Beschränkung der Rechtsmittel des Verbrauchers.121 Hier unterscheidet sich das ProdHaftG von der – teilweise vertretenen – Auffassung in der strict products liability. Im ProdHaftG sind alle absoluten Rechte der Verbraucher geschützt, also neben der körperlichen Integrität auch das Eigentumsrecht des Verbrauchers (nicht aber sein Interesse an der Gebrauchstauglichkeit des Produkts).122 Dabei wird die Haftung aus ProdHaftG wie bereits bezüglich der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber der vertraglichen Haftung aus § 434 BGB in der Weise abgegrenzt, dass die Deliktshaftung in erster Linie auf das Integritätsinteresse gerichtet ist123, also der Hersteller für die Gebrauchssicherheit des Produkts haftet und ein Produkt dann fehlerhaft ist, wenn seine Benutzung den Verbraucher inadäquat gefährdet, während in der Vertragshaftung ein Produkt dann mangelhaft ist, wenn das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Benutzers an der Gebrauchstauglichkeit eines Produktes beeinträchtigt ist.124 Da in der Abwägung der Herstellerinteressen und der Verbraucherinteressen zur Bestimmung des Haftungsumfangs im deutschen Produkthaftungsrecht der Schwerpunkt auf den Schutz des Benutzers oder eines Dritten vor einem gefährlichen Produkt liegt125, wird im Unterschied zum Vertragsrecht auch kein Unterschied zwischen dem in der Vertragskette stehenden Käufer und sonstigen 119
Vgl. im Einzelnen AK: Morrow v. New Moon Homes, 548 P.2d 279, 291 (Alas. 1976); NE: Arabian Agriculture Services Co. v. Chief Industries, Inc., 309 F.3d 479, 484 (8th Cir. 2002); im Ergebnis ebenso in den Sekundärquellen LA: La. R.S. § 9:2800.54 (2011), Case Notes No. 49; vgl. in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189); Pfeifer, S. 192 mit Bezugnahme auf ein abweichendes Urteil aus New Jersey im Jahre 1965. 120 AK: Morrow v. New Moon Homes, 548 P.2d 279, 285 (Alas. 1976). 121 AK: Morrow v. New Moon Homes, 548 P.2d 279, 285 et seq. (Alas. 1976). 122 BT-Drs. 11/2447 S. 17 f. 123 Vgl. Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (35); Hager, G., BB 1987, 1748. 124 BGH NJW 1994, 517 (518); BGH VersR 1983, 344; OLG Frankfurt VersR 2000, 781; OLG Oldenburg VersR 1986, 1003; zustimmend Müller, G., VersR 2004, 1073 (1074); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (35); Hager, G., BB 1987, 1748; Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1284); ablehnend ders., VersR 1984, 797 (799). 125 BT-Drs. 11/2447 S. 17 f.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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durch das Produkt gefährdeten Personen gemacht126. Diese übereinstimmende Abgrenzung der deliktischen Haftung (aus ProdHaftG oder § 823 Abs. 1 BGB) einerseits und der vertraglichen Haftung andererseits widerspricht aber nicht einer objektbezogenen Fehlerbestimmung im ProdHaftG, da die Abgrenzung (Integrationsinteresse vs. Äquivalenzinteresse) an Umstände in der Sphäre des geschädigten Verbrauchers anknüpft und keine entscheidende Relation zum spezifischen Herstellerverhalten oder zum Produktzustand aufweist. Diese Übereinstimmung ist vielmehr eine Folge des – bereits in der strict products liability anerkannten – Rechtsprinzips, dass zur Konkretisierung der objektbezogenen Haftung dann die verhaltensbezogenen Haftungsgrundsätze herangezogen werden können, falls diese – wie in der Frage der Abgrenzung zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung – nicht die Objektbezogenheit der Fehlerbestimmung betreffen. Abschließend kann als weitgehend übereinstimmendes Tatbestandsmerkmal in der strict products liability festgehalten werden, dass alle kommerziell Tätigen in der Herstellungs- und Vertriebskette bis zum Verbraucher im vollen Umfang haften.127 Dieses Tatbestandsmerkmal findet seine Entsprechung im § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG, wonach der Endprodukthersteller auch für die vielen Teilkomponenten, die von einem Zulieferer produziert und teilweise sogar zum Einbau vormontiert angeliefert werden, umfänglich haftet. Hier setzt sich das ProdHaftG in einen Widerspruch zur verhaltensbezogenen Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB, die gerade keine umfassende Haftpflicht des Herstellers für zugelieferte Einzelteile kannte, sondern den Endproduktehersteller nur dann uneingeschränkt haften ließ128, wenn Zulieferer und Endprodukthersteller aufgrund der besonderen Konstruktionsvorgaben und Fertigungsanweisungen des Endproduktherstellers zu einer derartigen Einheit verschmelzen, dass der Endprodukthersteller den Zulieferer wie eine verlängerte Werkbank dominierte129. Dieser rechtssystematische Widerspruch wird im Teil 3 detailliert analysiert.
126
Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1598). Exemplarisch MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 (Mont. 1997); NY: Speller v. Sears, Roebuck and Co., 100 N.Y.2d 38, 41 (2003). 128 Vgl. zur Haftung für zugelieferte Teile allgemein BGH NJW 1994, 3349 (3350); BGH VersR 1977, 358 (359); vgl. zur Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 627 ff.; Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1305); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (6); Steckler, BB 1993, 1225 (1226): Verkehrssicherungspflicht zur Spezifikation des zugelieferten Teils; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (60); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1297); vgl. die ähnliche Zurechnung der Fehlerhaftigkeit eines zugelieferten Einzelteils für die Haftung des Endproduktherstellers im Rahmen der negligence (Eigentum des Herstellers an den Produktionsmittel, Lieferung von Ausgangsprodukten, mit denen das fehlerhafte Einzelteil hergestellt wurde, direkte Kommunikation mit den Ingenieuren des Zulieferers bzgl. der Produktion des zugelieferten Teils, exklusive Herstellung des zugelieferten Einzelteils für den Endprodukthersteller zum Zwecke des Verkaufs unter dessen Namen) in FL: Detroit Marine Engineering, Inc. v. Maloy, 419 So.2d 687, 691 (Fla. App. 1982). 129 Vgl. zum Problemaufriss Oehler, ZIP 1990, 1445 (1448). 127
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Es verbleibt daher die entscheidende Frage, wann im Rahmen der strict products liability ein Produkt fehlerhaft ist. 1. Das unreasonable dangerous product A product is defective, if it is unreasonable dangerous to the consumer.130 (Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es gegenüber dem Verbraucher unangemessen gefährlich ist.)
Der zentrale Begriff einer objektbezogenen Fehlerdefinition ist also die unangemessene Gefährlichkeit (unreasonable dangerous). Da es schlicht unmöglich ist, ein Produkt in den Verkehr zu bringen, welches keinerlei Gefahren aufweist, und die strict products liability eine Unrechtshaftung ist, kann es nicht ausreichen, dass ein Produkt mit einer höheren Gebrauchssicherheit konstruiert werden könnte, sondern das Produkt muss Gefahren aufweisen, die die Gesellschaft nicht akzeptiert und die daher unangemessen sind.131 Der Rechtsprechung in der strict products liability ist bewusst, dass bei einer objektbezogenen Fehlerbestimmung die Schwierigkeit überwunden werden muss, dass de facto das in den Warenverkehr gegebene Produkt das Ergebnis eines Herstellerverhaltens ist. So wurde teilweise versucht, dieses „Herstellerverhalten“ in der Weise zu objektivieren, dass die Unangemessenheit der Produktgefahren daran gemessen wurde, ob das Produkt eine Tendenz zur Verursachung gesundheitlicher Schäden über das Maß hinaus hat, was ein vom Hersteller voraussehbarer, gewöhnlicher Verbraucher oder Nutzer mit durchschnittlichem allgemeinen Wissen und entsprechenden Kenntnissen als angemessen ansehen würde.132 Diese Definition verursachte jedoch neue Probleme, insbesondere hinsichtlich der entscheidenden Perspektive für die Bestimmung der Angemessenheit der Gefahr (gewöhnlicher Verbraucher vs. umsichtiger Hersteller). In Texas wurden anfangs beide Perspektiven alternativ berücksichtigt, so dass ein Produkt dann fehlerhaft war, wenn entweder 130 Exemplarisch CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); DC: Rogers v. Ingersoll-Rand Co., 144 F.3d 841, 843 (DC Cir. 1998); IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 643 (Ill. App. 1969); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); LA: Kampen v. American Isuzu Motors, Inc., 157 F.3d 306, 309 (5th Cir. 1998); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 107 et seq. (1985); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 610 (Neb. 1994); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 617 (N.Y. App. Div. 1982); PA: Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1356 (M.D.Penn. 1978); TX: Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 et seq. (E.D.Tex. 2000); General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 588 (Tex. 1999); Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 347 (5th Cir. 1983); WA: Seattle-First National Bank v. Tabert, 86 Wn.2d 145, 154 (1975); in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189); dies., PHI 1999, 144 (147). 131 TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 347 (5th Cir. 1983); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 93 (Tex. 1974); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 217 (1984), diss., Dimmick, J. 132 NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 610 (Neb. 1994).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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aufgrund der Gefährlichkeit des Produkts ein umsichtiger und die Nutzungsgefahr kennender Hersteller ein so konstruiertes Produkt nicht in den Warenverkehr gegeben hätte oder wenn das Produkt nicht den vernünftigen Sicherheitserwartungen eines gewöhnlichen Verbrauchers entsprach.133 Später wurde erkannt, dass die Bestimmung mittels eines umsichtigen Herstellers nichts anderes war als die Bestimmung der vom Hersteller im Verkehr zu beachtenden erforderlichen Sorgfalt, so dass dieser Aspekt als zu stark verhaltensbezogen und damit als untauglich zur objektbezogenen Fehlerbestimmung angesehen und somit abgeschafft wurde.134 Die unangemessene Gefährlichkeit des Produktzustandes ist also an den vernünftigen Sicherheitserwartungen eines gewöhnlichen Verbrauchers zu messen. In Kalifornien wird zur Vermeidung jeglichen Mitschwingens eines verhaltensbedingten Verschuldens der Produktfehler nicht mehr unter der Terminologie „unreasonably dangerous“ bestimmt, was sich aber bei der im Folgenden detaillierter betrachteten spezifischen Fehlerbestimmung zu einer reinen Semantik reduziert.135 § 3 ProdHaftG nimmt beide Hauptaspekte einer objektbezogenen Fehlerdefinition (unangemessene Gefährlichkeit aufgrund gesellschaftlicher Akzeptanz) auf und definiert identisch negativ, dass ein Produkt nicht fehlerhaft ist, wenn es eine angemessene, also berechtigterweise zu erwartende Sicherheit bietet. Sowohl im ProdHaftG wie auch in der strict products liability wurde ein identischer Perspektivwechsel weg von verhaltensbezogenen Umständen, die in der Person des Herstellers begründet sind, hin zu objektbezogenen Umständen, die im Produktzustand begründet sind, vollzogen. Soweit aufgrund des übereinstimmenden Haftungscharakters als Unrechtshaftung Rechtsprinzipien aus der Fehlerdefinition der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Herstellers aus § 823 Abs. 1 BGB übernommen werden, ist dieser Perspektivwechsel zu beachten. Für die Bestimmung einer unangemessenen Produktgefährlichkeit ohne Abstellen auf das Herstellerverhalten fehlt es im deutschen Zivilrecht an gesetzlichen Regelungen oder einer einschlägigen Rechtsprechung. Um diese deliktsrechtliche 133 TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 850 (Tex. 1979); Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 100 (5th Cir. 1978); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 92 (Tex. 1974); l. c., 519 S.W.2d 87, 101 (Tex. 1974), diss. Pope, J.; Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1088 (5th Cir. 1973); vgl. auch MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 643 (1978); in der deutschen Literatur Hoechst, S. 39 f., der ausschließlich auf durchschnittliche Angehörige einer Berufsgruppe abstellt. 134 Texanische Rechtsprechung ausdrücklich aufgehoben in TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 851 (Tex. 1979); gegen die Berücksichtigung der Herstellerbewertung bereits Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 101 et seq. (Tex. 1974), diss., Pope, J.; vgl. auch die Begründung der Ablehnung der state-of-the-art-defense in HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 238 (D.Haw. 1988); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1144 (Mont. 1997); zu den im Wesentlichen gleichen Ergebnissen in der negligence und der strict products liability als Folge der Gefahrenbewertung anhand eines vernünftigen und umsichtigen Herstellers MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 et seq. (1978). 135 Vgl. CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1057 (1988).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Lücke zu schließen, bietet sich eine weitere Betrachtung der strict products liability an. Ausgangspunkt dafür ist die erste Phase im Produktzyklus, in der ein Produktfehler entstehen kann (Konstruktion). Dies ist der Zeitraum, in der der Hersteller ein bestimmtes Produkt entwirft, die Materialien und deren Bearbeitung bei der Fertigung sowie die Funktion und Wirkung der Einzelteile in der Produktgesamtheit auswählt, die Bewährung des Produkts testet und abschließend entscheidet, ob und wie er das Produkt in den allgemeinen Warenverkehr gibt. Damit betrifft ein Konstruktionsfehler nie nur ein Produkt, sondern mindestens die gesamte Produktserie.136 Darüber hinaus kann ein Konstruktionsfehler auch dann vorliegen, wenn sich bei der notwendigen Kombination des Produkts mit anderen Produkten das System generell als gefahrträchtig und die Handhabung für den Benutzer somit als gefährlich erweisen würde oder wenn der Hersteller es unterlässt, eine gefahrvermeidende Sicherheitseinrichtung in das Produkt einzubauen.137 Objektbezogen definiert die strict products liability den design defect nicht mit dem Verhalten des Herstellers in der ersten Phase des Produktzyklus, sondern in der Weise, dass das Produkt genauso hergestellt wurde, wie es der Hersteller beabsichtigte, das Produkt jedoch aufgrund dieser vom Hersteller geplanten Produkteigenschaften unangemessen gefährlich ist.138 a) Der consumer expectation test Nach dem Wegfall der Gefahrenbewertung aus der Sicht eines umsichtigen und vernünftigen Herstellers blieben für die Bestimmung eines objektiven produktbezogenen Fehlers nur noch die Verbrauchererwartungen übrig (daher consumer expectation test).139 Danach ist ein Produkt unangemessen gefährlich, falls nach Einschätzung eines gewöhnlichen und durchschnittlichen Verbrauchers das die Verletzungen bewirkende Produkt unter Berücksichtigung der zum Verletzungszeitpunkt herrschenden Umstände keinen angemessenen Schutz vor Verletzungen geboten hat.140 Die strikte Verbraucherbezogenheit zur Bestimmung der berechtigten 136
Exemplarisch OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691; Kullmann, NJW 2005, 1907 (1908); ders., NJW 2002, 30 (32); ders., NJW 2000, 1912 (1913); von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (770); von Hippel, S. 49; Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1284). 137 Vgl. exemplarisch OLG Saarbrücken NJW-RR 1993, 990 (991 f.). 138 Exemplarisch CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1057 (1988). 139 In der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 20. 140 CA: Morton v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 33 Cal. App.4th 1529, 1534 (1995); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 118 (1982); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 429 et seq. (1978); IA: Fell v. Kewanee Farm Equipment Co., 457 N.W.2d 911, 917 (Iowa 1990); Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 944 (Kan. 2000); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (983); OK: Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1486 (10th
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Sicherheitserwartungen ist eine Folge der Objektbezogenheit der Fehlerbestimmung, da einerseits nur die Verbraucher mit dem Produkt nach der Inverkehrgabe umgehen – und daher nur diese Erwartungen an den tatsächlichen Produktgebrauch entwickeln können – und andererseits die Verbraucher mangels der Kenntnis des Herstellerverhaltens oder einer konkreten Vorstellung dazu ihre Erwartungen nur zu den Eigenschaften der Produktsubstanz bilden.141 Begrenzt wird diese sehr offene Definition vom rechtssystematischen Erbe, das die strict products liability in sich trägt. Zur Bestimmung der allgemein akzeptierten Minimalanforderungen des durchschnittlichen Verbrauchers wurde aus der – ebenfalls auf den objektiven Produktzustand abstellenden – expressed and implied warranty übernommen, dass das potentiell gefährliche Produkt so sicher konstruiert und gebaut sein muss, dass es die Aufgaben sicher erfüllt, die mit der vom Hersteller beabsichtigten und vernünftigerweise voraussehbaren Art und Dauer der Produktnutzung verbunden sind.142 Da es sich um deliktische (Unrechts-)Haftung handelt und es keine absolute Sicherheit geben kann, wird die angemessene Produktsicherheit an den realen Erwartungen des Verbrauchers bestimmt, die er aus den objektbezogenen Umständen an das konkrete Produkt mental entwickelt (wie den Preis und die Darbietung des Produkts, die Schwere, Wahrscheinlichkeit und Art der Gefahren, die Kosten und die Realisierbarkeit einer Vermeidung oder einer Verringerung der Gefahren).143 Aufgrund der Verbraucherbezogenheit kann dabei nur der Kenntnis- und Erfahrungsstand der Allgemeinheit der Produktnutzer, nicht aber ein besonderer Kenntnis- und Erfahrungsstand des Geschädigten, des Herstellers oder sonstiger – insbesondere wissenschaftlicher – Experten oder Behörden, berücksichtigt werden.144
Cir. 1984); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 347 (5th Cir. 1983); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 212 (1984); Seattle-First National Bank v. Tabert, 86 Wn.2d 145, 154 (1975); in der deutschen Literatur Meermann, S. 125; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (147); Rosengarten, S. 68. 141 WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 212 et seq. (1984). 142 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 304 et seq., 309 (Cal. 1994); Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1005 (1991), conc., Broussard, J.; Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 118 (1982); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 429 et seq. (1978). 143 OK: Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1486 (10th Cir. 1984); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); Seattle-First National Bank v. Tabert, 86 Wn.2d 145, 154 (1975); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1659 (1994); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 20. 144 AZ: d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 892 (9th Cir. 1977); CA: Morton v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 33 Cal. App.4th 1529, 1536 (1995); Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 306 (Cal. 1994); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 126 et seq. (1982); IA: Fell v. Kewanee Farm Equipment Co., 457 N.W.2d 911, 917 (Iowa 1990); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 37 (Neb. 1979); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 347 (5th Cir. 1983); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 17
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Die offene Definition des consumer expectation tests ermöglicht es dem Rechtsanwender, eine im Einzelfall als sachgerecht empfundene Haftung des Herstellers zu begründen. Die Weite dieser Flexibilität wird bei Verletzungen als Folge der Benutzung von Kraftfahrzeugen besonders deutlich. So wurden die Minimalanforderungen an den Schutz vor Gesundheitsgefahren, die der Produktgruppe Kraftfahrzeug als solche einheitlich innenwohnen, dann nicht einheitlich bestimmt, wenn sich die Kraftfahrzeuge in den genannten Produktcharakteristika unterscheiden.145 In den – später noch detailliert dargestellten – second-collision cases oder crashworthiness cases wurde klargestellt, dass die vernünftigen minimalen Verbrauchererwartungen an die Sicherheit eines Kraftfahrzeugs auch die Erwartung umfasst, dass der Fahrzeuginsasse im Ergebnis eines – höchst unerwünschten, anderweitig verursachten – Unfalls bei gewöhnlichen Geschwindigkeiten durch konstruktive Eigenschaften des Fahrzeugs nicht über das Maß hinaus verletzt wird, das dem eigentlichen Unfallereignis zuzusprechen ist.146 Ab den späten 1970er Jahren wurden in der Rechtsanwendung des consumer expectation tests auch dessen Schwächen deutlich. Es zeigte sich, dass es höchst schwierig war, klare und vernünftige Sicherheitserwartungen der Verbraucher an moderne technische – und damit komplexe und komplizierte – Industrieprodukte zu bestimmen, wenn der gewöhnliche Verbraucher als technischer Laie wenig oder kein Verständnis von der komplizierten Technik hatte.147 Insbesondere die Hersteller sahen den consumer expectation test aufgrund des fehlenden festen Inhaltsrahmens und der sich daraus ergebenden ständig ändernden Anforderungen an die Konstruktion des Produkts als hochgradig unfair, subjektiv, unvorhersehbar, verwirrend und als praktisch nicht handhabbar an.148 Zur Illustration der Kritik der Hersteller sei auf den Beklagtenvortrag des Kraftfahrzeugherstellers General Motors im Fall Soule v. General Motors Corporation vor dem Supreme Court of California verwiesen, wonach die Fehlerbestimmung: 1. sich jeder klaren Inhaltsbestimmung widersetze,
(1982); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 20. 145 Vgl. die bildliche Formulierung in WA: Seattle-First National Bank v. Tabert, 86 Wn.2d 145, 154 (1975): „The purchaser of a Volkswagen cannot reasonably expect the same degree of safety as would the buyer of the much more expensive Cadillac.“ 146 NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 34 (Neb. 1979). 147 CA: Morton v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 33 Cal. App.4th 1529, 1534 (1995); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 802 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 430 (1978); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1145 (Fla. App. 1981); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1675 (1994); MUPLA, Analysis, p. 62724; aufgegriffen in der deutschen Literatur von Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (282). 148 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 309 (Cal. 1994); vgl. auch FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1145 (Fla. App. 1981); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1673 (1994).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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2. weder objektiv noch produktbezogen sei, sondern auf die subjektiven, volatilen und oft unvernünftigen Meinungen der Verbraucher abstelle, 3. die Realität ignoriere, dass der gewöhnliche Verbraucher wenige Kenntnisse über die Möglichkeiten der Risikovermeidung bei komplexen Produkten, wie bei Kraftfahrzeugen, habe, 4. die Abwägungen von sich widersprechenden Produkteigenschaften negiere, die bei der Konstruktion mit Rücksicht auf die mit der jeweiligen Konstruktionslösung verbundenen Risiken und ihren Nutzen vom Hersteller angestellt werden müssen und 5. den Spruchkörper dazu einlade, die Haftung allein anhand der Umstände des Einzelfalls (wie die besonderen Lebensumstände des Geschädigten, den konkreten Unfall und das konkrete schadenverursachende Einzelteil) zu bestimmen und nicht zu berücksichtigen, ob die Gefährlichkeit des gesamten Produkts unter Beachtung der u. U. widersprechenden Erwartungen aller Nutzer in allen Lebenssituationen rechtlich zulässig ist.149 Diese angebliche Unfairness zu Lasten der Hersteller relativiert sich jedoch, wenn man berücksichtigt, dass die sich aus der Konturenlosigkeit der Fehlerbestimmung bei technisch komplizierten Produkten im consumer expectation test ergebende Gefahr von Zufalls- und Willkürentscheidungen nicht nur zu Gunsten des Verbrauchers, sondern auch zu dessen Lasten wirken kann, denn ohne bestimmbare Sicherheitserwartungen können diese auch nicht enttäuscht werden.150 Mehr noch könnte das Ergebnis einer Fehlerbestimmung allein anhand der Erwartungen der Allgemeinheit die verbraucherschützende und verhaltenssteuernde Wirkung der strict products liability unerwünscht einschränken, falls eine weit verbreitete gefährliche Konstruktion als nicht fehlerhaft angesehen wird, da aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit die Gefahren vom Verbraucher erwartet werden151, oder falls bei einer offensichtlichen Gefährlichkeit kein Produktfehler angenommen wird, da der Verbraucher aufgrund des ihm gewärtigen Risikos keine Sicherheitserwartungen entwickelt152. Weiterhin wurde gegen die Bestimmung der „Verbrauchererwartungen“ eingewendet, dass das Ergebnis entscheidend davon abhängt, ob man selbst Produktnutzer ist oder gar als Käufer in seinen Erwartungen an das Produkt durch die Kaufvertragsverhandlungen und die damit verbundenen Gewährleistungen und Garantien beeinflusst wurde oder ob man lediglich Dritter ist, da dieser keinerlei 149
CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 309 et seq. (Cal. 1994); Kritik in der deutschen Literatur allgemein aufgegriffen von Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/ Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 20. 150 In den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1675 (1994). 151 Kritisch WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 218 (1984), diss., Dimmick, J. 152 In den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d.III.A mit Verweis auf Mary J. Davis; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1675 (1994); in der deutschen Literatur Pfeifer, S. 128.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Erwartungen an die Sicherheit des von ihm nicht genutzten (vielleicht sogar unbekannten) Produkts haben dürfte.153 Diese praktischen Unzulänglichkeiten einer an den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit orientierten Fehlerbestimmung wurde von den Gerichten nicht ignoriert, führte aber nicht zwangsläufig zu einer Abschaffung des consumer expectation test.154 Sie wurden zum Anlass genommen, punktuell kleine Korrekturen vorzunehmen, wie etwa, dass hinsichtlich des zulässigen Verweises auf die Gleichartigkeit der Risiken aus der eigenen Konstruktion im Vergleich zu vergleichbaren Produkten anderer Hersteller oder auf technische Normierungen jedenfalls dann eine Rechtserheblichkeit zur Bestimmung der Verbrauchererwartung versagt wurde, wenn ein gewöhnlicher Verbraucher in Kenntnis der vom Produkt ausgehenden Gefahren und in Anbetracht des dem Produkt innewohnenden Nutzens nicht bereit wäre, diese Gefahren zu akzeptieren.155 Im Übrigen wurde der consumer expectation test als brauchbare Entscheidungsgrundlage angesehen, wenn der durchschnittliche technische Laie aufgrund seiner allgemeinen Lebenserfahrung einschätzen konnte, ob die verletzungsbegründende Produktfunktion den minimalen Sicherheitsanforderungen an vermeidbare Risiken entsprach, etwa bei einfach aufgebauten Produkten mit einer zum allgemeinen Wissen gehörenden Funktionsweise oder bei der Nichteinhaltung von Sicherheitsanforderungen, die von der Allgemeinheit ohne fachliche Kenntnisse der technischen Konstruktion und der Funktionsweise vom Produkt erwartet werden.156 Im § 3 ProdHaftG wird die Produktfehlerbestimmung entsprechend dem consumer expectation test sprachlich aufgenommen, indem auf die „berechtigterweise“ zu „erwartende“ Sicherheit abgestellt wird. Relevante und damit berechtigte Sicherheitserwartungen können wiederum nur diejenigen entwickeln, die mit dem Produkt umgehen, so dass de facto auch im ProdHaftG auf die Verbraucher (Benutzer oder Dritte) abgestellt wird. Auch sind die Erfahrungen in der strict products liability mit der Produktfehlerbestimmung gemäß dem consumer expectation test für die – 153
In den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d.III.A mit Verweis auf Mary J. Davis. 154 Vgl. zu den Rechtsordnungen mit reinem consumer expectation test Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1655 (1994). 155 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1004 et seq. (1991), conc., Broussard, J.; OK: Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1486 (10th Cir. 1984); Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 447 (10th Cir. 1976); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir. 1983); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 213 et seq. (1984); vgl. auch die Argumente des Herstellers in WI: Bittner v. American Honda Motor Co., 194 Wis.2d 122, 151 (1995); offen gelassen in HI: Johnson v. Raybestos-Manhattan, Inc., 740 P.2d 548, 549 fn. 3 (Haw. 1987); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 11, 17 (1982). 156 CA: Morton v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 33 Cal. App.4th 1529, 1535 (1995); Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 308 (Cal. 1994); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 732 (1986); MD: Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 114 et seq. (4th Cir. 1981).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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objektbezogene – Fehlerbestimmung im Rahmen des § 3 ProdHaftG von großer Bedeutung. Zwar entscheiden in einem deutschen Produkthaftungsverfahren keine juries, sondern Berufsrichter, die aber in der Regel auch technische Laien sind und darüber hinaus im Gegensatz zur US-amerikanischen jury, die wenigstens einen – mehr oder weniger – zufälligen Querschnitt der Bevölkerung darstellen soll, aufgrund ihrer beruflichen und sozialen Herkunft keinesfalls einen objektiven Bevölkerungsquerschnitt abbilden. Schon jetzt behelfen sich viele Gerichte bei technisch komplizierten Fällen mit einem rechtsstaatlich äußerst bedenklichen Ausweg, die Beweisbeschlüsse entgegen § 359 ZPO so zu formulieren, dass dem Sachverständigen nicht nur eine technische Begutachtung, sondern auch eine Subsumtion unter Rechtsbegriffen und damit de facto die Streitentscheidung ermöglicht wird. b) Die risk/utility-analysis Auch wenn der gewöhnliche (umsichtige) Verbraucher die Funktionsweise von technisch komplexen und komplizierten Produkten nicht kennt, so wägt er doch intuitiv vor der Entscheidung über die Nutzung des Produkts seine Interessen an dem Nutzen des Geräts mit den sich aus diesem Nutzen ergebenden Gefahren ab und entwickelt dabei eine Vorstellung über die Akzeptanz der innewohnenden Gefahren. Es lag daher nahe, dieses natürliche Verhalten der Menschen als Bewertungsgrundlage der strict products liability heranzuziehen157, falls der consumer expectation test mangels hinreichend konkreter Verbrauchererwartungen zu Ergebnissen führen würde, die dem maximalen Schutz der Verbraucher vor gefährlichen Produkten widersprechen würden158. Daher ist ein Produkt fehlerhaft, wenn die an Vernünftigkeitserwägungen der gesamten Bevölkerung (und nicht der Hersteller) ausgerichtete Abwägung (daher analysis und kein – absolute Ergebnisse versprechender – test) zwischen der dem Produkt konkret innewohnenden Gefährlichkeit – verbunden mit den bei einer Risikoverwirklichung entstehenden Kosten – auf der einen Seite (risk) und den objektiven Vorteilen sowie der persönlichen und gesellschaftlichen Nützlichkeit des konkreten Produkts (utility) auf der anderen Seite zu einem Überwiegen der Gefährlichkeit über die Nützlichkeit führt (risk/utility-analysis).159 Neben der in dieser Definition schon zum Ausdruck kommenden Abwägung 157 Vgl. hierzu die Überlegungen in einer diss. WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 217 (1984), diss., Dimmick, J.: „The ordinary consumer is deemed to expect not absolute safety, but reasonable safety based on consideration of the benefits the product offers and the potential harm it poses. The jury’s function is to decide what degree of risk society is willing to accept to enjoy the benefit of the product before the manufacturer will be found liable for the harm caused.“ 158 Vgl. CA: Morton v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 33 Cal. App.4th 1529, 1534 et seq. (1995); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 802 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 418, 430 (1978); HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1456 (D.Haw. 1986). 159 AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 885 (Alas. 1979); CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 308 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
zwischen den Gefahren und der Nützlichkeit des Gesamtprodukts zur Beurteilung der Angemessenheit der Produktgefährlichkeit wird mit dem Abstellen auf Vernünftigkeitserwägungen die Tür für die Einbeziehung der Vermeidbarkeit des konkreten schadenverursachten Risikos geöffnet160, also ob das konkrete, in der Verletzung sich verwirklichende Risiko unter Abwägung der vom Verbraucher gewünschten Nützlichkeit des Produkts im höchsten möglichen Maße reduziert wurde161 (vgl. hierzu die Ausführungen zu unavoidable unsafe products und feasible alternative design). Mit dieser von den Sicherheitserwartungen des benutzenden Verbrauchers losgelösten Fehlerdefinition kann die strict products liability problemlos auch gegenüber einem Dritten begründet werden. Die weit überwiegende Mehrzahl der Rechtsordnungen stellt die risk/utilityanalysis in den Mittelpunkt der Entscheidungsfindung zur strict products liability und verstellt damit unglücklicherweise den Blick auf eine systematische Betrachtung des Verhältnisses zwischen risk/utility-analysis und consumer expectation test.162 Das Resultat einer genaueren Analyse der gerichtlichen Erwägungen in den Rechtsordnungen, die das rechtssystematische Verhältnis zwischen risk/utilityanalysis und consumer expectation test thematisieren, widerspricht jedoch der in den Sekundärquellen gezogenen Schlussfolgerung, dass der consumer expectation test als eigenständige und abschließende Fehlerbestimmung nicht mehr anzuwenden sei.163 So wurden beide Beurteilungsprinzipien alternativ herangezogen, je nachdem and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 118 (1982); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 et seqq. (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 418, 430 (1978); CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 122 (Colo. 1983); DC: Rogers v. Ingersoll-Rand Co., 144 F.3d 841, 843 (DC Cir. 1998); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 107 et seq. (1985); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 558 (1991); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 618 (N.Y. App. Div. 1982); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); TX: Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 588 (Tex. 1999); Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 347 (5th Cir.1983); Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 745 et seq. (Tex. 1980); Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 99 (5th Cir. 1978); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 97 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1087 et seq. (5th Cir. 1973); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1659 (1994); aufgegriffen in der deutschen Literatur von Meermann, S. 127; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (282); Rosengarten, S. 68; Pfeifer, S. 129. 160 Hierzu etwas missverständlich CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 122 (Colo. 1983): „exception from strict liability“; vgl. auch der Hinweis in Pfeifer, S. 130. 161 NJ: Beshada v. Johns-Manville Products Corp., 90 N.J. 191, 201 (1982). 162 Vgl. die Entweder-oder-Alternativbetrachtung in HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp.1454, 1456 (D.Haw. 1986). 163 So in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment g.; dies unterstützend Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1660 (1994); in der Gesetz-
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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ob die Umstände des Einzelfalls mehr ein Abstellen auf die subjektiven Erwartungen der Verbraucher verlangen oder ob es mehr auf die objektive Abwägung der produktbezogenen Gefahren mit der Produktnützlichkeit ankommt.164 Zum rechtstheoretischen Verständnis ist eine Entscheidung des Supreme Court of Connecticut besonders wertvoll, worin zwar am consumer expectation test festgehalten, gleichzeitig aber festgestellt wird, dass die zur Beurteilung der Angemessenheit der Produktrisiken dienenden Verbrauchererwartungen mittels einer Abwägung der Nützlichkeit der Produktkonstruktion mit dem Ausmaß der Gefahren ermittelt werden müssten, falls der gewöhnliche Verbraucher nicht in der Lage ist, die Sicherheitsanforderungen anhand eigener Vorstellungen genau festzulegen (modified consumer expectation test).165 Die risk/utility-analysis substituiert die gewöhnlichen Verbraucherwartungen bei einer nicht angemessen sicheren Bestimmbarkeit dieser im consumer expectation test, so dass ein Produkt nach den Erwartungen des Verbrauchers dann angemessen sicher ist, falls die Abwägung der gegebenen Umstände bezüglich der Produktrisiken und der Produktnützlichkeit aufgrund der berechtigten Erwartungen der Allgemeinheit zu dem Ergebnis kommt, dass es sich um das ausgewogenste Produkt handelt.166 Eine besondere Antwort auf die Frage zum Verhältnis des consumer expectation test zur risk/utility-analysis haben die Gerichte in Kalifornien gefunden, die beide Beurteilungsmaßstäbe in einem Zwei-Stufen-Test zusammenfassen. Danach ist ein Produkt nach dem sogenannten Barker-test entweder dann fehlerhaft, falls es den Sicherheitserwartungen des gewöhnlichen Verbrauchers nicht entspricht (consumer expectation test), oder wenn es trotz Erfüllen dieser Sicherheitserwartungen unter Abwägung der Gefahren aus den Produkteigenschaften mit dem Produktnutzen sicherer in den Warenverkehr hätte gebracht werden können (risk/utility-analysis)167, etwa weil das Produkt zwar unter gewissen gebung MUPLA Sec. 104 (B) (1), worin ganz auf die Definition und die Fallbeispiele des consumer expectation tests verzichtet wurde (vgl. auch die Erläuterung mit Verweis auf die Subjektivität der Verbrauchererwartung innerhalb der einzelnen Personen des Spruchkörpers, MUPLA, Analysis, p. 62724); in der deutschen Literatur Micklitz, ZEuS 2002, 77 (90); Hirte/ Otte, VersR 1996, 274 (275). 164 Vgl. die eine gewisse Ambivalenz deutlich machenden Erwägungen – im Rahmen der Prüfung der Verbrauchererwartung könne die Abwägung der Vor- und Nachteile der Konstruktion berücksichtigt werden und umgekehrt könnten im Rahmen einer Abwägungsentscheidung auch die Verbrauchererwartungen eine Rolle spielen, so dass beide Theorien nebeneinander anzuwenden sind – in IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 897, 902 (Ill. App. 2007) und die Kriterien zur Entscheidungsfindung über die Verbrauchererwartungen in WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990). 165 CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); im Ergebnis ähnlich KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 945 et seq. (Kan. 2000); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d.II.C. 166 IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 897, 902 (Ill. App. 2007); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1674 (1994). 167 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 732
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Umständen zufriedenstellend funktioniert, es aber unter anderen Umständen unzumutbare oder erheblich vermeidbare Verletzungsgefahren gegenüber den Nutzern hat168. Zwar wird einerseits die ursprüngliche Substitutionsfunktion durch die Formulierung der zwei alternativ nebeneinander stehenden Stufen verwischt. Andererseits aber dominiert der consumer expectation test den Barker-test, da das Nichterfüllen der Verbrauchererwartungen vom Hersteller nicht durch eine KostenNutzen-Abwägung zu seinem Gunsten korrigiert werden kann.169 Eine Gesamtschau dieser Erwägungen zum Verhältnis der beiden Beurteilungsmaßstäbe macht deutlich, dass die risk/utility-analysis kein aliud zum consumer expectation test darstellt, sondern eine besondere, nämlich objektivierte Form der Beurteilung der Verbrauchererwartungen ist. Die Abkehr von einer an absoluten Maßstäben zu messenden Beurteilung (test) hin zu einer die Gefahren und die Nützlichkeit des Produkts berücksichtigenden Abwägung (analysis) ermöglicht es dem Spruchkörper, in jedem konkreten Haftungsfall die Haftungsrisiken flexibel entsprechend den rechtspolitischen Zielen der strict products liability unter Berücksichtigung der Allgemeininteressen sowie der sich dynamisch weiterentwickelnden gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber den Gefahren einer bestimmten Produktart zwischen den Herstellern und den Verbrauchern zu verteilen, je nachdem, wer die Verletzungsrisiken am effizientesten vermeiden und tragen kann.170 Daher gibt es weder abschließende Kriterienkataloge zu den zulässigen Abwägungsfaktoren, noch müssen die Abwägungsfaktoren in jedem Fall zwingend geprüft oder gleichartig bewertet werden.171 Da der Hersteller nicht absolut für das Eintreten einer Verletzung haftet und die risk/utility-analysis als (1986); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 118 (1982); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 802 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 418, 429 et seq. (1978); HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1456 fn. 1 (D.Haw. 1986); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1655 (1994); zu weitgehend die Interpretation von Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (282), der Supreme Court of California hätte das Kriterium consumer expectation test im Barker-test aufgegeben, auch wenn de facto diese erste Stufe mangels ausreichender Einfachheit moderner Produkte kaum noch eine Bedeutung hat. 168 CA: Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 118 (1982); außerhalb der Barker-test-Rechtsordnungen NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 181 et seq. (1983). 169 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 308 (Cal. 1994); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 802 (1981). 170 MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 183 (1983); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1662 (1994). 171 CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 371 et seq. (1984); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); vgl. auch TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 529 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J., mit Bezug auf Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 847 (Tex. 1979), wonach die jury nur allgemein über die Risiken/Nutzen-Abwägung (nicht aber über einzelne Abwägungsfaktoren) belehrt werden darf.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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objektive Bestimmung der Sicherheitsinteressen der Verbraucher darauf gerichtet ist, dass das Produkt anhand eines gesamtgesellschaftlich ausgeglichenen Maßstabes zum sozial akzeptierten Gefahrenpotential die bestmögliche Konstruktion darstellt, ist der Produktfehler weder mit den subjektiven Interessen des Geschädigten noch mit denen des Herstellers zu begründen, sondern es muss ein objektiver Ausgleich zwischen den Erwartungen des Verbrauchers an eine ausreichend sichere Konstruktion zur Erfüllung seiner Bedürfnisse im Rahmen einer angemessenen Nutzung mit den wirtschaftlichen Interessen des Herstellers gefunden werden.172 Dafür wurden zur Gefahrenanalyse folgende Kriterien berücksichtigt: 1. die von der Konstruktion ausgehenden Gefahren (Art, Umfang, Intensität etc.)173, 2. die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung dieser Gefahren (ggf. unter Berücksichtigung des Zeitraums der verletzungsfreien Produktbenutzung durch den Kläger in der die Verletzung bewirkenden Art und Weise)174, 172
TX: Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 100 (5th Cir. 1978). CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 305, 308 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 431 (1978); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 219 (1974): mit allgemeinen Sicherheitserwägungen zur Unfallart; MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 et seq. (Pa. Super. 2001); Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1356 (M.D.Penn. 1978); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 129. 174 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 305, 308 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 431 (1978); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 219 (1974); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 et seq. (Pa. Super. 2001); Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1356 (M.D.Penn. 1978); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 372 (1984); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. 173
80
Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
3. die technologisch zur Verfügung stehenden, vergleichbar kostenintensiven Konstruktionsmöglichkeiten mit ähnlicher Nützlichkeit und einer höheren Produktsicherheit (ggf. unter Verweis auf die in der Konstruktion ähnlicher Konkurrenzprodukte zum Ausdruck kommenden industrieweiten Standards)175, 4. das Wissen des Produktbenutzers von der dem Produkt innewohnenden Gefahr und deren Vermeidung angesichts deren Offensichtlichkeit oder wegen entsprechender Kenntnisse (aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung oder aufgrund von Warnungen und Instruktionen)176 und 5. die Möglichkeit des Nutzers, die Gefahren durch vorsichtige Benutzung des Produkts – ggf. nach einer Warnung – selbst zu vermeiden177. Rev. 1654, 1661 (1994); in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 129. 175 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 305, 308 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 431 (1978); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 et seq. (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 618 (N.Y. App. Div. 1982); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 et seq. (Pa. Super. 2001); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 et seq. (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir.1983); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 372 (1984); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (B) (2) (b); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 129. 176 MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 219 (1974); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 814 (Pa. Super. 2001); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 372 (1984); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d.IV.C; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (B) (2) (a); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Pfeifer, S. 129. 177 MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 814 (Pa. Super. 2001); TX: Smith v.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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6. Auf der Seite der Nützlichkeit des Produkts wurden berücksichtigt: a) die Art, Bedeutung und Erwünschtheit des Produkts im Ganzen und bezogen auf die gefährliche Produkteigenschaft178, b) die für einen Verbraucher möglicherweise entstehenden negativen Folgen durch eine alternative Konstruktion hinsichtlich der Gefährlichkeit des Produkts (etwa aufgrund des Entstehens anderer, neuer Gefahren) und des Produktnutzens (etwa durch Einschränkungen in der Handhabbarkeit)179 sowie c) die mit einer Gefahrenvermeidung verbundenen Mehrkosten und deren Durchsetzbarkeit am Markt, u. U. auch unter Berücksichtigung von unterschiedlichen Qualitätskategorien vergleichbarer Produkte180. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 et seq. (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 372 (1984); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Pfeifer, S. 129. 178 CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 (Pa. Super. 2001); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 129. 179 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 305, 308 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 431 (1978); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 (Conn. 1997); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 et seq. (Iowa 1980); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 219 (1974); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 et seq. (Pa. Super. 2001); Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1356 (M.D.Penn. 1978); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir.1983); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 372 (1984); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1661 (1994); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (B) (2) (c) (e); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/ Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 20; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 129. 180 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 305, 308 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1061 (1988); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co.,
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Soweit in einigen Rechtsordnungen die mit der Anbietung und dem Vertrieb des Produkts erzeugten consumer expectations (Verbrauchererwartungen) explizit in der Abwägung aufgenommen werden181, kann darin kein Abwägungskriterium gesehen werden, denn Verbrauchererwartungen können weder der Bestimmung der Gefahren noch dem Produktnutzen zugeschrieben werden, sondern es handelt sich um einen Hinweis darauf, dass mit Hilfe der Abwägungskriterien der risk/utility-analysis die Erwartungen der Allgemeinheit bestimmt werden, die unter Berücksichtigung des verbraucherschützenden Charakters der strict products liability zur Beantwortung der Frage führen, ob das Produkt unangemessen gefährlich war182. 2. Die Verhaltensbezogenheit der risk/utility-analysis Bereits sehr früh und bis in die Gegenwart anhaltend wird kritisiert, dass die risk/ utility-analysis den Haftungsmaßstab der negligence in die strict products liability injizieren würde. Besonders deutlich wird diese Vermischung der Haftungsmaßstäbe in der Begründung des MUPLA Sec. 104 (B) (1), worin die Abwägung der Gefährlichkeit mit der Nützlichkeit des Produkts auf eine Herstellerpflicht zurückge20 Cal.3d 413, 431 (1978); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1333 et seq. (Conn. 1997); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 220 (Iowa 1980); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 108 (1985); Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 219 (1974); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 538 (3rd Cir. 2007); Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 814 (Pa. Super. 2001); Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1356 (M.D.Penn. 1978); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 528 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir.1983); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 102 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 372 (1984); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1662 (1994); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (B) (2) (d); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 20; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (148); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 129. 181 PA: Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1356 (M.D.Penn. 1978); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 26 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 529 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir.1983); Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 847 (Tex. 1979); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment g.; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1669 (1994); einschränkend bei widerstreitenden Konstruktionserwägungen, die der allgemeinen Lebenserfahrung entzogen sind, CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 308 (Cal. 1994). 182 Sehr instruktiv die Entscheidungsfindung in MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); in den Sekundärquellen kritisch Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1673 (1994): Gerichte entfernen sich von einer effizienten Risikoverteilung zwischen Hersteller und Verbraucher, weil sie sich für die im konkreten ökonomischen Abwägungsprozess notwendige schwierige Quantifizierung der Einstellung der Verbraucher zu den Produktrisiken und dem Produktnutzen nicht zu quantifizierender Umstände bedienen.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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führt wird, ein Produkt so zu konstruieren, dass Verletzungen vermieden werden.183 Entsprechend wurde kritisiert, dass das Ergebnis der Abwägung in der risk/utilityanalysis und damit der rechtliche Haftungsvorwurf der strict products liability mit dem Haftungsmaßstab der negligence deckungsgleich sei, da hierbei nichts anderes als die Frage beantwortet werde, ob die Entscheidung des Herstellers, das Produkt in den Verkehr zu bringen, unter Abwägung der benannten Umstände vernünftig und angemessen war.184 In der deutschen Literatur wurde die Nähe des Vernünftigkeitsbezugs der Abwägungskriterien im Rahmen der in der risk/utility-analysis zu den Haftungskriterien der negligence (die in der Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Gefahren zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produkts sowie in der technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit der zur Gefahrenabwendung notwendigen Sicherheitsvorkehrungen liegen sollen)185 zum Anlass genommen, die strict products liability als verhaltensabhängige Haftung für die Verletzung von Produktsicherungspflichten, ähnlich der äußeren Sorgfaltspflichtverletzung im deutschen Produkthaftungsrecht, anzusehen.186 Lediglich die Haftung des Herstellers ohne jedes Vorwerfbarkeitselement bei einem Fabrikationsfehler sei eine Besserstellung des Geschädigten gegenüber der negligence.187 Demgegenüber manifestiert eine Gesamtschau der Urteile zur strict products liability, dass die Rechtsprechung trotz des Haftungscharakters als Unrechtshaftung, bei der die Fahrlässigkeit lediglich unwiderlegbar vermutet wird, an einer objektbezogenen, verhaltensunabhängigen Fehlerbestimmung188 festhält.189 Zwar wird im Ergebnis mit der Abwägung in der risk/utility-analysis die Vernünftigkeit der Herstellerentscheidung beschrieben, ob dieser als umsichtiger und vernünftig denkender 183
MUPLA, Analysis, p. 62723. Vgl. CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 470 (1970); Thomas v. General Motors Corp., 13 Cal. App.3d 81, 88 et seq. (1970); IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 900 (Ill. App. 2007); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 (1978); NJ: Fabian v. The Minster Machine Co., 258 N.J. Super. 261, 273 (1992); Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 451 (1984); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 181 et seq. (1983); NY: Bolm v. Triumph Corp., 422 N.Y.S.2d 969, 973 et seq. (N.Y. App. Div. 1979); Micallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 386 (1976); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1669 et seqq. (1994); in der deutschen Literatur zustimmend Darby, ZEuS 2002, 105 (112); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Pfeifer, S. 197. 185 Vgl. hierzu Pfeifer, S. 130, 149, 179 f., 197. 186 So die Interpretation in der deutschen Literatur durch Hörl, S. 53, 75, und mit Verweis auf zahlreiche Quellen in der US-amerikanischen Sekundärliteratur, aber ohne Bezug zu Gerichtsurteilen, Pfeifer, S. 174, 183, 197. 187 Pfeifer, S. 196. 188 A.A. Pfeifer, S. 196, der den Unterschied zwischen einem objektbezogenen und einem verhaltensbezogenen Produktfehler in der Existenz eines Verschuldenselements sieht. 189 Implizit bestätigt dies auch Pfeifer, S. 251, indem er mit Bedauern anmerkt, dass der Produktfehler gemäß der EG-Produkthaftungsrichtlinie nicht eine an Sec. 104 MUPLA orientierte verhaltensbezogene Prüfung aufgegriffen hat. 184
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Fachmann das Produkt in Kenntnis der Gefahren in den Warenverkehr hätte bringen dürfen, jedoch wird diese Vernünftigkeitsbetrachtung mit dem Fokus auf die abzuwägenden Produkteigenschaften objektiviert und von der Person des Herstellers gelöst, indem das Wissen um die Gefahren dem Hersteller zugeschrieben wird (Betrachtung eines Idealherstellers).190 Die einer Unrechtshaftung systemimmanenten verhaltensbezogenen Umstände, wie etwa die Erkennbarkeit von Gefahren oder die Berücksichtigung eines Abweichens von gesetzlichen oder berufsständischen Sicherheitsstandards oder Industriepraktiken191, werden somit in die objektbezogene Gesamtabwägung integriert, ohne dass sie eine eigenständige haftungsausschließende Wirkung haben. Gerade die immer wieder betonte objektive und vom konkreten Hersteller losgelöste Bestimmung des Produktfehlers in der strict products liability lässt sich nur aus der Objektbezogenheit der Fehlerbestimmung rechtssystematisch begründen, während ein Abstellen auf ein sorgfaltswidriges Verhalten des Herstellers gegen eine derartige objektive Anknüpfung sprechen würde.192 Zweifelsfreier als der Supreme Court of California, der die Vernünftigkeitsbetrachtung als zu nahe an der negligence ansah und zur Sicherstellung des objektbezogenen Fehlerbegriffs den Begriff des unreasonable dangerous product sogar ganz aufgab193, kann man die Objektbezogenheit der Fehlerbestimmung in der strict products liability trotz der Vernünftigkeitsbetrachtungen in der risk/utility-analysis nicht verdeutlichen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die rechtssystematische Kritik am objektbezogenen Fehlerbegriff der strict products liability als Ergebnis der risk/ utility-analysis darin liegt, dass diese Abwägung ohne Berücksichtigung von Vernünftigkeitserwägungen nicht auskommt. Nur ein bestimmtes Verhalten kann „vernünftig“ sein, nicht aber ein Gegenstand. Die Objektbezogenheit der Bestimmung der Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit ergibt sich jedoch aus einer eigenschaftsbezogenen Gesamtabwägung und aus der objektiven Bestimmung der Abwägungskriterien ohne Rücksicht auf die Person des Herstellers. Dabei können sich die zu berücksichtigenden Vernünftigkeitserwägungen zum einen auf die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers und zum anderen auf die Zumutbarkeit der Gefahrenvermeidung für den Hersteller beziehen.
190 Vgl. MD: Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 451 (1984); TX: Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 97 (Tex. 1974), diss., Johnson, J.; vgl. in der deutschen Literatur Hörl, S. 49. 191 Vgl. hierzu Pfeifer, S. 183; Lorenz, RIW 1980, 609 (610). 192 A.A. wohl Lorenz, RIW 1980, 609 (610), der trotz der „Tendenz zur Verobjektivierung der Haftung“ in der strict products liability die Sorgfaltsmaßstäbe als haftungsbegründend ansieht. 193 Exemplarisch CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 310 (Cal. 1994); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1057 (1988).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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3. Die fehlende Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers Die Rechtssystematik der strict products liability hat deutlich gemacht, dass sowohl unter Anwendung des puren consumer expectation tests als auch unter der ergänzenden Anwendung der risk/utility-analysis die vernünftigen (reasonable) Sicherheitserwartungen den Schutzbereich festlegen. Die Vernünftigkeit beschreibt die mentale Einstellung des Produktnutzers oder der Allgemeinheit (bei nicht beabsichtigten Kontakten von Dritten mit einem Produkt) und ist daher nicht ohne die Aspekte der Gefahrenkenntnis und deren intellektuelle Umsetzung bestimmbar. Der Einfluss der Gefahrenkenntnis und das damit im Zusammenhang stehende Verhalten des Geschädigten sind in drei Fallkonstellationen bedeutend: 1. hinsichtlich der nach außen zu Tage tretenden Offensichtlichkeit der Gefahren bei der zur Verletzung führenden Benutzung (die Offensichtlichkeit der Gefahr), 2. hinsichtlich der nach außen zu Tage tretenden für den Hersteller unvorhersehbaren Produktnutzung mit Verletzungsfolgen (der Missbrauch)194 und 3. hinsichtlich der inneren, in der jeweiligen Person des Geschädigten liegenden Entscheidung, trotz tatsächlicher Kenntnis der Gefahren das Produkt in der zu den Verletzungen führenden Art und Weise zu benutzen. a) Die Offensichtlichkeit der Gefahr – open and obvious danger rule Die Erwartungen der Allgemeinheit an die Produktsicherheit werden bestimmt durch die vom Produktnutzer erkennbaren Produkteigenschaften. Gegenüber den Gefahren, die ohne mentale Eigenleistung (ohne weiteres Nachdenken) für den Produktnutzer offensichtlich sind und vor denen er sich in jeder Situation selbst schützen kann, entwickelt die Allgemeinheit keine gefahrenreduzierende Erwartung, so dass auch kein Produktfehler vorliegen kann.195 Selbst wenn sich der Nutzer nicht in jeder Situation selbst schützen kann oder wenn in komplexen technischen Produkten das volle Ausmaß der Gefahren für den Verbraucher nicht erkennbar ist, kann im Rahmen der risk/utility-analysis berücksichtigt werden, dass sich der Produkt194 Vgl. AZ: O. S. Stapley Co. v. Miller, 103 Ariz. 556, 560 et seq. (1968); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1366 (Okla. 1974); dagegen in der deutschen Literatur Pfeifer, S. 151 f., der einen vorhersehbaren, aber grob abweichenden misuse als notwendig erachtet. 195 Vgl. IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1151 (Ind. App. 1990); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 36 et seq. (Neb. 1979); RI: Guilbeault v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 84 F. Supp.2d 263, 269 (D.R.I. 2000); mit weiteren Verweisen KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 934 (Kan. 2000); TX: Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 383 (Tex. 1995); gesetzliche Festlegung der open and obvious danger rule (mit Ausnahme der Produktnutzung am Arbeitsplatz und einer möglichen konstruktiven Gefahrenvermeidung ohne Einschränkung der Nützlichkeit) in N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (a), (2); in der deutschen Literatur sieht Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (147 f.) die Regel als Kritik am consumer expectation test an.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
nutzer trotz der offensichtlichen und damit bekannten Gefahren für die konkrete Produktnutzung zur Befriedigung seiner Bedürfnisse entschieden hat.196 Für den Fall, dass sich die unangemessene Gefährlichkeit des Produkts nicht aus der Produktsubstanz ergibt, sondern aus der mit dem Produkt verbundenen Vertriebskommunikation, können aus den Gerichtsentscheidungen verschiedene Konkretisierungen extrahiert werden. So soll die Fehlerhaftigkeit des Produkts schon dann ausgeschlossen sein, wenn die Gefahren nach der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt sind oder – in einigen Rechtsordnungen – von einem vernünftigen Produktnutzer hätten erkannt werden können.197 Die Offensichtlichkeit der Gefahr wird bereits als eine Form der Gefahrenwarnung angesehen, so dass zusätzliche Warnungen oder Instruktionen keine zusätzliche Sicherheit bringen können, sondern den Produktnutzer eher abstumpfen, so dass er Warnungen vor unbekannten oder nicht offensichtlichen Gefahren nicht mehr zur Kenntnis nimmt.198 Zur Bestimmung der hierfür ausreichenden Offensichtlichkeit für die potentiellen Nutzer sei in einer Industriegüterwirtschaft mit einem weiten Spektrum an potentiellen Käufern nicht jede noch so intellektuell benachteiligte Käufer- und Nutzergruppe zu berücksichtigen.199 Bei eingrenzbaren Nutzergruppen wird auf deren (Fach-)Wissen abgestellt 196 AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 43 et seq. (Alas. 1979); IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 900 (Ill. App. 2007); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 934 et seq., 939 (Kan. 2000); NY: Micallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 385 (1976); TX: Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 383 et seq. (Tex. 1995); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d. 197 FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 281 (S.D.Fla. 1994); HI: Ontai v. Straubclinic and Hospital Inc., 659 P.2d 734, 743 (Haw. 1983); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 936 et seqq. (Kan. 2000); MA: City of Boston v. Smith & Wesson Corp., 2000 Mass. Super. LEXIS 352, p. 74; MI: Hollister v. Dayton-Hudson Corp., 201 F.3d 731, 741 (6th Cir. 2000); TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 521 (5th Cir. 2001); Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 (E.D.Tex. 2000); Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 382 (Tex. 1995); Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 854 (Tex. 1979), conc., Campbell, J.; Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 102 (5th Cir. 1978); in den Sekundärquel-len Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment j.; l. c., Reporters Notes: Comment j.; MI: MCL § 600.2946 (2011), Case Notes, 3. Duty to warn; in der Gesetzgebung K.S.A. § 60 – 3305 (a) (c); MUPLA Sec. 104 (C) (2) (b); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 21; Hörl, S. 82; a.A. CO: Frazier v. Kysor Industrial Corp., 607 P.2d 1296, 1300 (Colo. App. 1979). 198 MO: LaPlant v. E. I. DuPont de Nemours And Co., 346 S.W.2d 231, 245 (Mo. App. 1961); TX: Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 382 (Tex. 1995); Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 104 (5th Cir. 1978); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment j.; l. c., Reporters Notes: Comment i.; in der deutschen Literatur aufgegriffen von Hörl, S. 83; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (152). 199 So mit deutlicheren Worten die sehr emotionalen Ausführungen in FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 281 (S.D.Fla. 1994): „The obviousness of a danger (…) are determined by a ,reasonable person‘ standard, rather than on each particular plaintiff’s subjective appreciation of the danger. (…) As Defendants point out, if this were not the case, then a different warning would be needed for every single consumer, and manufacturers would need to attach warnings for every conceivable product to accommodate the idiot consumer.“
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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(sophisticated user doctrine).200 Dagegen stellt die Offensichtlichkeit keine ausreichende Gefahrenwarnung dar, falls der Produktnutzer aufgrund der Offensichtlichkeit nicht ausreichend zu einer gefahrenvermeidenden Nutzung angeleitet wird201 oder falls dieser trotz Gefahrenkenntnis aus Eigennutz motiviert sein könnte, die Produktbenutzung fortzusetzen202. b) Der Missbrauch – unanticipated and abnormal misuse Dem Schutzziel der strict products liability, den Hersteller zur Inverkehrgabe von sicheren Produkten zu motivieren, kann nur dann gedient werden, wenn er einer Haftung entgehen kann, weil dem Produkt keine objektiv vorhersehbaren Gefahren anhaften.203 Darüber hinausgehend würde die mit der strict products liability verbundene Schadenverteilung auf alle das Produkt nutzenden Verbraucher (Risikoallokation) pervertiert, wenn alle Produktnutzer über den Produktpreis auch mit den Haftungskosten für abnormales Nutzerverhalten belastet würden.204 Die Vorhersehbarkeit der Gefahr (foreseeability) ist daher ein wesentliches Element, um die objektbezogene Produkthaftung auf ihren Schutzzweck hin zu begrenzen. Ohne die Einschränkung der Herstellerhaftung auf vorhersehbare Umstände würde der Haftungsvorwurf de facto allein auf die Schädigung bei einer Produktnutzung reduziert, die strict products liability also zu einer nicht beabsichtigten grenzenlosen Gefährdungshaftung mutieren.205 Eine Verletzung aufgrund einer Benutzung (Fehlnutzung) des Produktnutzers, die vom Hersteller nicht beabsichtigt war und von diesem auch nicht in vernünftiger Weise hätte vorhergesehen werden können („unanticipated use“, „abnormal use“ oder „misuse“), wird nicht als Folge der Produkteigenschaft, sondern der (selbstgefährdenden) Handlung des Nutzers angesehen.206 Diese kausalitätsbezogene Betrachtungsweise unter Annahme einer 200 In der Gesetzgebung K.S.A. § 60 – 3305 (a); MCL § 600.2947 (4); MUPLA Sec. 104 (C) (5); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/ Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 24; von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (191); vgl. auch Hoechst, S. 53, der auf Alter, Status und Intelligenzgrad abstellt und eine Warnpflicht bereits bei geringsten Zweifeln an der allgemeinen Bekanntheit der Gefahr annimmt. 201 FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 280 et seq. (S.D.Fla. 1994). 202 NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 563 (1991). 203 ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 624 (Me. 1988). 204 TX: Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 750 (Tex. 1980), conc., Pope, J.; in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment m. 205 So im Ergebnis MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 640 et seq. (1978); MO: Higgins v. Paul Hardeman, Inc., 457 S.W.2d 943, 948 (Mo. App. 1970); vgl. im größeren Zusammenhang der Vorhersehbarkeit von Gefahren CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 8 et seq.; MN: Karjala v. Johns-Manville Products Corp., 523 F.2d 155, 159 (8th Cir. 1975). 206 Exemplarisch AK: Lamer v. McKee Industries, Inc., 721 P.2d 611, 615 (Alas. 1986); AZ: O. S. Stapley Co. v. Miller, 103 Ariz. 556, 561 (1968); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1156 (Ind. App. 1990); LA: Kampen v. American Isuzu Motors, Inc., 157
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Unterbrechung der Kausalkette zwischen der vom Hersteller bestimmten Produkteigenschaft und dem Schaden führt zu einer zwingenden Haftungsfreistellung des Herstellers ohne Abwägung (complete defense), wenn die konkrete Benutzung des Produkts207 oder eine nachträgliche substanz- und funktionsändernde Modifikation des vom Hersteller hinreichend sicher ausgelieferten Produkts208 nicht vorhersehbar waren. Die Vorhersehbarkeit der Produktbenutzung ist inhaltlich identisch mit der bereits in der negligence anerkannten Begrenzung der Verkehrssicherungspflichten des Herstellers auf die von ihm vorhersehbaren Gefahren, so dass auf die hier entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden konnte, soweit diese der objektbezogenen Haftung in der strict products liability nicht widersprechen.209 Die Verhaltenspflicht des Herstellers als umsichtiger Mensch in seiner besonders herausragenden Stellung, vermeidbare Gefahren in der Produktkonstruktion mit einer angemessenen Sorgfalt zu erkennen und zu beseitigen, umfasste in der negligence alle vom Hersteller vorhersehbaren Risiken in den voraussehbaren Nutzungsumständen, seien es vom Hersteller beabsichtigte Nutzungsmöglichkeiten oder Fehlbenutzungen, die der Hersteller kannte oder hätte kennen müssen.210 Der objektbezogene F.3d 306, 309 (5th Cir. 1998); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1366 (Okla. 1974); TX: Magic Chef, Inc. v. Sibley, 546 S.W.2d 851, 856 (Tex. App. 1977); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 799 (Tex. 1975); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment m.; in der Gesetzgebung A.R.S. § 12 – 683 (3); La. R.S. § 9:2800.54 (A); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/SpindlerSchwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 17; unter Zugrundelegung eines vorhersehbaren, grob abweichenden misuse, Pfeifer, S. 151 f. 207 IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1156 (Ind. App. 1990); MO: Keener v. Dayton Electric Mfg. Co., 445 S.W.2d 362, 366 (Mo. 1969); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1367 (Okla. 1974); bereits in der negligence vgl. MN: Westerberg v. School District No. 792 of Todd County, 148 N.W.2d 312, 317 (Minn. 1967); in der Gesetzgebung MCL § 600.2947 (2). 208 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1195 (Ala. 1985); ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 623 et seq. (Me. 1988); in der Gesetzgebung A.R.S. § 12 – 683 (2); bereits in der negligence AZ: d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 893 (9th Cir. 1977); MN: Westerberg v. School District No. 792 of Todd County, 148 N.W.2d 312, 317 (Minn. 1967); anders im Gesetzgebungsvorschlag MUPLA Sec. 112 (D) (2) (c), wonach eine Reduzierung oder Aufteilung des Schadenersatzes entsprechend dem Verursachungsanteil an der Produktveränderung vorgesehen war; so Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment p. bzgl. des vorhersehbaren Missbrauchs und der vorhersehbaren Produktveränderung nach der Inverkehrgabe. 209 AZ: d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 893 (9th Cir. 1977); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1156 (Ind. App. 1990); MN: Karjala v. JohnsManville Products Corp., 523 F.2d 155, 159 (8th Cir. 1975); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 32 (Neb. 1979) – „The question of liability under a theory of strict liability poses a different question but in the final analysis the same result.“ 210 Exemplarisch AR: Vanoven v. Hardin, 344 S.W.2d 340, 343 (Ark. 1961); CO: Howard v. Avon Products, Inc., 395 P.2d 1007, 1011 et seq. (Colo. 1964); MA: City of Boston v. Smith & Wesson Corp., 2000 Mass. Super. LEXIS 352, p. 76; Wright v. Carter Products, Inc., 244 F.2d 53, 57 (2nd Cir. 1957); MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 871
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Fehlerbegriff der strict products liability erfordert es, die foreseeability einer angemessenen Nutzung (reasonable anticipated use) objektiv und damit losgelöst von den Fähigkeiten des einzelnen Herstellers zu bestimmen, so dass diese dann vorliegt, wenn die Produktnutzung zum Zeitpunkt der Herstellung des Produkts für einen – informierten, ausgebildeten, vorausschauenden und umsichtigen – Idealhersteller den Umständen entsprechend erwartet werden konnte, auch wenn die Gefahr aufgrund ihrer Einzigartigkeit und Ungewöhnlichkeit lediglich fernliegend wahrscheinlich war.211 Davon werden alle Nutzungssituationen umfasst, bei denen die Allgemeinheit erwartet, dass vom Idealhersteller Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, weil bekannt war oder hätte sein müssen, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die zur Verletzung führenden Umstände bei der Produktnutzung eintreten und dabei – nicht unbedeutende – Verletzungen entstehen könnten (ohne dass sich diese Kenntnis aber auf die konkreten Umstände des Verletzungsereignisses beziehen muss).212 Wie bereits bei open and obvious danger ist zur Bestimmung der foreseeability auf die Kenntnisse und Fähigkeiten aller möglichen Produktnutzer abzustellen (niedrigste Anforderungen bei allgemeinen Konsumprodukten, mit denen auch Kinder in Kontakt kommen können; bei Produkten, die nur von besonders qualifizierten Personen bedient werden, lediglich deren Kenntnisse und Fähigkeiten).213 Diese sehr ernst genommene Begrenzung des Schutzzwecks der Haftung führte hinsichtlich der Benutzung von Kraftfahrzeugen dazu, dass Fahrzeugführer aufgrund ihres mit der Fahrerlaubnis verbundenen Kenntnisnachweises als besonders ausgebildete Personengruppe angesehen wurden, von denen mehr zum Eigenschutz erwartet werden könne als von anderen Verbrauchern.214 Damit liegt ein reasonable anticipated use denklogisch bei jeder vom Hersteller – nach außen kommunizierten – beabsichtigten Nutzung (intended use) vor.215 Eine (Mo. App. 1991); LaPlant v. E. I. DuPont de Nemours And Co., 346 S.W.2d 231, 239 et seq. (Mo. App. 1961); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 32 (Neb. 1979); NY: Micallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 385 et seq. (1976); Kaempfe v. Lehn & Fink Products Corp., 249 N.Y.S.2d 840, 845 (N.Y. App. Div. 1964); OR: McEwen v. Ortho Pharmaceutical Corp., 528 P.2d 522, 530 (Ore. 1974). 211 LA: Kampen v. American Isuzu Motors, Inc., 157 F.3d 306, 309 (5th Cir. 1998); MO: Higgins v. Paul Hardeman, Inc., 457 S.W.2d 943, 948 (Mo. App. 1970); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 32 (Neb. 1979). 212 Vgl. IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1156 (Ind. App. 1990); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 640 et seq. (1978); in der deutschen Literatur Hoechst, S. 40. 213 PA: Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 812 et seq. (Pa. Super. 2001). 214 TX: General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 595 (Tex. 1999). 215 Exemplarisch CA: Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 641 (Cal. App. 1984); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 426 fn. 9 (1978); Thomas v. General Motors Corp., 13 Cal. App.3d 81, 91 (1970); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 610 (Neb. 1994); PA: Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 (Pa. Super. 2001); TX: Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 (E.D.Tex. 2000); zur Bezugnahme in der deutschen Literatur
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Begrenzung auf den intended use hätte aber zur Folge, dass das Ziel der strict products liability, den Hersteller zur Inverkehrgabe möglichst sicherer Produkte zu motivieren, gefährdet ist, etwa weil der Hersteller seine Haftung mittels einer eingrenzenden Produktnutzungsbeschreibung selbst begrenzen kann216 oder er seine Augen davor verschließen könnte, dass das Produkt in der Realität in gefährlicher – wenn auch nicht von ihm beabsichtigter – Art und Weise genutzt wird217. Daher wurde die foreseeability über den intended use hinaus auch auf alle vom Hersteller zwar nicht beabsichtigten, aber in angemessener Weise vorhersehbaren Verhaltensweisen des geschädigten Produktnutzers oder Umstände des Kontakts eines Dritten mit dem Produkt (reasonable foreseeable use) erweitert.218 Die abgrenzende Rechtssystematik zwischen reasonable anticipated use und unforeseeable misuse wird besonders bei den sogenannten crashworthiness cases (auch second-collision cases) deutlich.219 Hierbei handelt es sich um Personenschäden als Folge eines Verkehrsunfalls, in denen der Geschädigte geltend macht, dass die Produkteigenschaften zwar nicht das Unfallereignis als solches (first impact) verursacht haben, er aber zusätzliche, nicht auf den first impact beruhende Verletzungen aufgrund der Produkteigenschaften des Kraftfahrzeugs erlitten hat (second collision), also bestimmte Konstruktionsmerkmale des Fahrzeugs nicht die Ursache des Unfalls, aber der Grund der Verletzung waren.220 Unzweifelhaft ist der Schutzbereich der Haftung des Herstellers auf die Schäden beschränkt, die durch die Produktspezifikation und nicht durch das Unfallereignis verursacht wurden.221 Dem Pfeifer, S. 151; bereits anerkannt in der negligence, vgl. CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 470 (1970); MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 501 (8th Cir. 1968). 216 PA: Phillips v. Cricket Lighters, 773 A.2d 802, 813 (Pa. Super. 2001). 217 AK: Lamer v. McKee Industries, Inc., 721 P.2d 611, 615 (Alas. 1986). 218 AK: Lamer v. McKee Industries, Inc., 721 P.2d 611, 615 (Alas. 1986); CA: Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 641 (Cal. App. 1984); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 426 fn. 9 (1978); Thomas v. General Motors Corp., 13 Cal. App.3d 81, 91 (1970); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1156 (Ind. App. 1990); LA: Kampen v. American Isuzu Motors, Inc., 157 F.3d 306, 309 (5th Cir. 1998); MA: City of Boston v. Smith & Wesson Corp., 2000 Mass. Super. LEXIS 352, p. 70; Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 640 (1978); MO: Higgins v. Paul Hardeman, Inc., 457 S.W.2d 943, 948 (Mo. App. 1970); Keener v. Dayton Electric Mfg. Co., 445 S.W.2d 362, 366 (Mo. 1969); TX: Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 (E.D.Tex. 2000); Magic Chef, Inc. v. Sibley, 546 S.W.2d 851, 856 (Tex. App. 1977); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1099 (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment p.; in der Gesetzgebung La. R.S. § 9:2800.54 (A); MCL § 600.2947 (2); zur Bezugnahme in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/ Appel, Kz. 4510 S. 27; Hoechst, S. 81 f.; Pfeifer, S. 151. 219 Vgl. dazu auch Hörl, S. 52. 220 Exemplarisch MD: Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 206 et seq. (1974); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 33 (Neb. 1979); TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 847 (Tex. 1979). 221 SC: Jimenez v. Daimler Chrysler Corp., 269 F.3d 439, 455 (4th Cir. 2001); bereits in der negligence MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 503 (8th Cir. 1968).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Einwand der Hersteller gegen eine Haftung aus der second collision, dass Verkehrsunfälle von diesen nicht nur nicht beabsichtigt, sondern von Herstellern, Verkäufern, Nutzern und der gesamten allgemeinen Öffentlichkeit höchst unerwünscht sind (und daher Fahrzeuge nicht gebaut und genutzt werden, um mit anderen Fahrzeugen, Gegenständen oder Personen zu kollidieren), wurde in der wegweisenden Entscheidung Larsen v. General Motors Corporation (noch im Rahmen der negligence) entgegengesetzt, dass Verkehrsunfälle trotzdem als reasonable anticipated use und nicht als misuse anzusehen sind, weil alle Lebenssituationen für den Hersteller vorhersehbar sind, die zum normalen Leben gehören, seien sie erwünscht, nicht erwünscht oder höchst unwillkommen.222 Zwar konnte in der strict products liability die Vorhersehbarkeit der Gefährdung nicht wie in der negligence an die Sorgfaltspflicht des Herstellers angeknüpft werden, das Produkt so zu konstruieren und herzustellen, dass die Verletzung der Produktnutzer auch im Falle einer – nicht unwahrscheinlichen – Kollision angemessen, jedoch nicht unter allen Umständen ultimativ, minimiert wird.223 Im Rahmen der strict products liability kann aber insoweit – mit gleichem Ergebnis – nutzbar gemacht werden, dass die Erwartungen der Allgemeinheit an eine angemessene Produktsicherheit jegliche sicherheitsrelevanten Umstände und damit auch die Beschaffenheit des Kraftfahrzeuges bei Unfällen im Rahmen der normalen Benutzung umfassen und dass es der allgemeinen Ansicht entspricht, dass der Fahrzeugnutzer und die Allgemeinheit zwar nicht erwarten können, dass die Fahrzeuginsassen bei der Benutzung in keinem Fall geschädigt werden könnten224, dass aber erwartet wird, dass keine zusätzlichen Schäden als Folge der Produktspezifikation verursacht werden.225 c) Die Eigengefährdung – assumption of risk rule Abschließend stellt sich die Frage, wie das Verhalten des Geschädigten zum Schadenszeitpunkt den Schutzbereich der objektbezogenen Haftung begrenzen 222 MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 501 et seqq. (8th Cir. 1968); im Anschluss daran exemplarisch MD: Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 206, 216 (1974); vgl. auch die weiteren Nachweise im Teil 4, Fn. 125. 223 MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 502 et seqq. (8th Cir. 1968); weiterhin exemplarisch CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 470 (1970); KS: Garst v. General Motors Corp., 484 P.2d 47, 61 (Kan. 1971); MD: Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 217, 219 (1974); NJ: Yetter v. Rajeski, 364 F. Supp. 105, 108 (D.N.J. 1973). 224 Sehr bildlich MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 502 (8th Cir. 1968): „no duty to design an accident-proof or fool-proof vehicle or even one that floats on water“; vgl. auch MA: Back v. The Wikes Corp., 375 Mass. 633, 640 (1978); in den Sekundärquellen TN: Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (2011), Notes to Decisions, 6. Manufacturer Liability. 225 MA: Back v. The Wikes Corp., 375 Mass. 633, 640 (1978); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 33 et seq. (Neb. 1979); TX: Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 93 (Tex. 1974); zu den identischen Herstellerpflichten in der negligence KS: Garst v. General Motors Corp., 484 P.2d 47, 61 (Kan. 1971); MD: Volkswagen of America, Inc. v. Young, 272 Md. 201, 217 (1974).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
kann. Hierzu wurde festgestellt, dass die objektbezogene Fehlerbestimmung keine Pflicht des Produktnutzers kennt, das Produkt auf mögliche Gefahren bei der Nutzung zu überprüfen und sich entsprechend dagegen zu schützen, so dass ein Mangel an derartigen Selbstschutzmaßnahmen nicht Gegenstand einer Mitverschuldenseinrede des Herstellers (contributory negligence) in der strict products liability sein kann.226 Andererseits bleibt auch im Rahmen der unrechtsbezogenen strict products liability die allgemeine Lebensverantwortung bestehen, vernünftig zu handeln und sich zu schützen227, so dass dem Grunde nach auch hier die eigenverantwortliche Selbstgefährdung (assumption of risk) des Geschädigten die Haftung des Herstellers begrenzen muss. Ein derartiges haftungsbegrenzendes Verhalten des Geschädigten liegt dann vor, wenn der Geschädigte über ein allgemeines fahrlässiges Verhalten in eigenen Angelegenheiten hinaus in höchstpersönlicher Kenntnis und im Bewusstsein um den Fehler und des daraus resultierenden Ausmaßes der Gefahr trotzdem in unvernünftiger und freiwilliger Weise die Benutzung des Produkts fortsetzt.228 In einigen Rechtsordnungen wird die assumption of risk lediglich als eine zulässige contributory negligence angesehen, so dass nach den Umständen des Einzelfalls die Schadenersatzpflicht reduziert wird.229 In anderen Rechtsordnungen stellt die assumption of risk sogar eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs dar, so dass 226
AK: Lamer v. McKee Industries, Inc., 721 P.2d 611, 616 fn. 8 (Alas. 1986); AZ: O. S. Stapley Co. v. Miller, 103 Ariz. 556, 561 (1968); CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 474 (1970); Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 243 (1968); MO: Keener v. Dayton Electric Mfg. Co., 445 S.W.2d 362, 365 (Mo. 1969); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 37 (Neb. 1979); TX: General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 593 (Tex. 1999); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 800 (Tex. 1975); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 89 et seq. (Tex. 1974); Hartzell Propeller Co. v. Alexander, 485 S.W.2d 943, 947 (Tex. App. 1972); Pizza Inn, Inc. v. Tiffany, 454 S.W.2d 420, 423 (Tex. App. 1970); vgl. zum deutschen Verständnis die summarische Betrachtung in Rosengarten, S. 150. 227 Vgl. TX: General Motors Co. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 594 (Tex. 1999); vgl. in der deutschen Literatur Hoechst, S. 80 f. 228 AK: Lamer v. McKee Industries, Inc., 721 P.2d 611, 615 et seq., 616 fn. 8 (Alas. 1986); AZ: O. S. Stapley Co. v. Miller, 103 Ariz. 556, 561 (1968); CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 473 (1970); Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 243 (1968); MO: Higgins v. Paul Hardeman, Inc., 457 S.W.2d 943, 948 (Mo. App. 1970); Keener v. Dayton Electric Mfg. Co., 445 S.W.2d 362, 365 (Mo. 1969); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 37 (Neb. 1979); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1366 et seq. (Okla. 1974); TX: Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 103 (5th Cir. 1978); Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 960 (N.D.Tex. 1978); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 800 (Tex. 1975); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 91 (Tex. 1974): „free and intelligent choice“; Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1097 (5th Cir. 1973); Pizza Inn, Inc. v. Tiffany, 454 S.W.2d 420, 423 (Tex. App. 1970); in der Gesetzgebung MCL § 600.2947 (3). 229 AK: Lamer v. McKee Industries, Inc., 721 P.2d 611, 615 et seq., 616 fn. 8 (Alas. 1986); CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 473 (1970); Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 243 (1968); TX: Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1096 et seq. (5th Cir. 1973); Pizza Inn, Inc. v. Tiffany, 454 S.W.2d 420, 423 (Tex. App. 1970); später ausdrücklich offen gelassen in General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 592 (Tex. 1999).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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jegliche Schadenersatzpflicht bei entsprechend eng zu interpretierenden Fällen ausgeschlossen ist.230 Die assumption of risk rule unterscheidet sich von der open and obvious danger rule darin, dass letztere als Einrede gegen das Vorliegen eines Produktfehlers objektiv bestimmt wird, ohne auf das subjektive Wissen des Geschädigten oder anderer gesellschaftlicher Gruppen abzustellen231, während zur Annahme einer assumption of risk das Produkt objektiv (produktbezogen) fehlerhaft bleibt und die Haftung lediglich einzelfallbezogen unter subjektiven verhaltensbezogenen Gesichtspunkten mit Blick auf den Geschädigten vermindert oder ausgeschlossen wird232. Daher müssen sich die Kenntnis und das Bewusstsein der Gefährlichkeit exakt auf die unangemessen gefährliche Produkteigenschaft beziehen (bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen also nicht allein auf die allgemein damit verbundenen Gefahren).233 d) Die fehlende Schutzbedürftigkeit des Geschädigten im deutschen Produkthaftungsrecht In Deutschland werden alle Arten der Haftungsfreistellung aufgrund eines nicht schutzwürdigen Geschädigten als Ausfluss der Selbstverantwortung des Einzelnen gesehen, sich für den Genuss zu entscheiden, sich bewusst über ein gesundheitsbewusstes Verhalten zu stellen und die Gesundheitsgefahren in Kauf zu nehmen, von denen ein Erwachsener im allgemeinen Leben Kenntnisse vermittelt bekommt (etwa durch Erziehung, Lebens- und Berufserfahrung, Schule, Massenmedien, Mitteilungen der Krankenkassen usw.).234 Aufgrund des Verständnisses des Produktfehlers als Folge der Verletzung einer herstellerbezogenen Verkehrssicherungspflicht wird 230
AZ: O. S. Stapley Co. v. Miller, 103 Ariz. 556, 561 (1968); MO: Higgins v. Paul Hardeman, Inc., 457 S.W.2d 943, 948 (Mo. App. 1970); Keener v. Dayton Electric Mfg. Co., 445 S.W.2d 362, 365 (Mo. 1969); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1366 (Okla. 1974); TX: Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 103 (5th Cir. 1978); Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 961 (N.D.Tex. 1978); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 800 (Tex. 1975); in der Gesetzgebung MCL § 600.2947 (3). 231 So ausdrücklich FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 281 (S.D.Fla. 1994). 232 AZ: d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 892 (9th Cir. 1977); CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 473 (1970); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 960 et seq. (N.D.Tex. 1978); Henderson v. Ford Motor Co., 519 S.W.2d 87, 90 (Tex. 1974); in der Gesetzgebung MCL § 600.2947 (3); in der deutschen Literatur Baumbach/ Henkel, PHI 1999, 188, die auf den weitergehenden Schutz des Dritten hinweisen, der das Produkt selbst nicht untersuchen kann. 233 So bereits grundlegend Katz, 69 Harv. L. Rev. 863, 871 et seq. (1956). 234 OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914 f.): Mars-Riegel; LG Essen NJW 2005, 2713 (2714): Coca-Cola; in der Literatur aufgenommen von Kullmann, NJW 2005, 1907 (1908); vgl. auch Schulenberg, S. 22, der zur Bestimmung des erforderlichen Sicherheitsniveaus auf den bewusst entscheidenden Verbraucher abstellt, der sich über den Markt und über Sicherheitsrisiken des Produkts informiert und auch die im Preis enthaltenen Produktionskosten berücksichtigt.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
im Gegensatz zur strict products liability nicht zwischen dem objektiven Kriterium einer offensichtlichen Gefahr (open and obvious rule) und dem subjektiven Kriterium einer Benutzung trotz Kenntnis von der Gefährlichkeit (assumption of risk rule) unterschieden, sondern die Gefahrenabwendungspflicht und damit eine Haftung sind wegen eines fehlenden Pflichtwidrigkeitszusammenhangs allgemein immer dann ausgeschlossen, wenn die Gefahren typischerweise mit der Benutzung eines Produkts verbunden sind und von den Nutzern erkannt und grundsätzlich in Kauf genommen werden.235 Dafür wird auf die durchschnittlichen objektiven vernünftigen Erwartungen aller am Warenverkehr bestimmungsgemäß beteiligten, am wenigsten informierten und zur Gefahrensteuerung kompetenten Personen abgestellt.236 Soweit auch Kinder mit dem Produkt in Kontakt kommen können, stellen sie die am wenigsten informierte Gruppe dar, zu deren Schutz der Hersteller Maßnahmen gegenüber den Gefahren ergreifen muss, die nicht so offensichtlich sind, dass Kinder sich aus ihrem natürlichen Angstgefühl heraus diesen Gefahren nicht bewusst aussetzen, oder denen sie aus anderen Gründen wenigstens ausweichen würden (keine Pflicht zur Gestaltung von hundert Prozent kindersicheren Anlagen gegenüber jedem Gefahrenpotential).237 Je uneingeschränkter die Produkte zugänglich sind, umso strengere Anforderungen an die Sicherheit und Gefahrlosigkeit werden gestellt, während die Anforderungen an die Sicherheit industriell genutzter oder nur einem speziellen Nutzerkreis zur Verfügung stehender Produkte geringer eingestuft werden.238 Die haftungsausschließende Gefahrenkenntnis des Nutzers in Abhängigkeit zur Quantität der Produktnutzung muss sich dabei nur auf ein allgemeines Gefahrenbewusstsein beziehen, nicht jedoch auf die Details der zu erwartenden Gesundheitsschäden oder auf die zu den Verletzungen führenden komplexen Wirkungszusammenhänge.239 Aufgrund dieser rechtlichen Herleitung des Produktfehlers hat der Hersteller auch keine Pflicht zur Vermeidung aller bei der Produktnutzung möglicherweise auftre235 BGH NJW 1990, 906; OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1603); OLG Hamm NJW 2005, 295 (295 f.); LG Essen NJW 2005, 2713 (2714); zustimmend Hörl, S. 38; Kullmann, NJW 2002, 30 (34); Schulenberg, S. 22; vgl. Schäfer/Ott, S. 38, die dies als alleinigen Anknüpfungspunkt für einen Konstruktionsfehler ansehen; die h.Rspr. und h.M. lehnt Buchner, VersR 2000, 28 (29 f., 31 f.) ab und stellt ähnlich der assumption-of-risk-rule auf den Einzelfall ab. 236 BGH NJW 2009, 1669 (1670); auf Benutzer abstellend BGH NJW 1990, 906 (907); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333; LG Paderborn Urteil vom 25. 09. 2013 Az. 4 O 104/11 Rn. 43: Schutzniveau von unbeteiligten Dritten entscheidend; LG Essen NJW 2005, 2713 (2714); Hörl, S. 30, 68 f.; Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1433). 237 Vgl. OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (171); allgemeines Rechtsprinzip im Recht der deliktischen Verkehrspflichtverletzung, vgl. BGH NJW 1995, 2631 (2631 f.). 238 So OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (171); vgl. auch Müller, G., VersR 2004, 1073 (1074): bei Spezialprodukten eventuell besondere Anforderungen an das Produkt mit höheren Erwartungen. 239 OLG Hamm NJW 2005, 295 (296); LG Essen NJW 2005, 2713 (2714); a.A. Buchner, VersR 2000, 28 (29).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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tenden abstrakten Gefahren.240 Eine hinreichend konkrete Gefahr, gegen die der Hersteller Schutzmaßnahmen ergreifen muss, wird erst dann angenommen, wenn sich diese aufgrund einer sachkundigen Einschätzung zu einer naheliegenden Möglichkeit der Verletzung geschützter Rechtsgüter konkretisiert hat, wobei sowohl objektbezogene Kriterien – wie die Art, das Ausmaß, die Wahrscheinlichkeit und die Offensichtlichkeit der Gefahr oder möglicher Schäden, die Anzahl und Lebensdauer der verkauften Produkte sowie die Frage der noch existenten oder bereits eingestellten Produktion des Produktes – als auch verhaltensbezogene Kriterien in Bezug auf den Geschädigten – wie der bereits aufgetretene Fehlgebrauch und objektivierte Wissenskriterien (z. B. die mit der Zeit eintretende Vertrautheit der Personengruppe mit den Gefahren) – berücksichtigt werden.241 Aus der rechtlichen Natur der Verkehrssicherungspflicht folgt, dass von der hinreichend konkreten Gefahr alle Gefahrensituationen umfasst sind, die bei einem sachgemäßen und typischen Gebrauch unter Berücksichtigung des berechtigterweise vorauszusetzenden Wissens des durchschnittlichen Benutzers (ggf. auch unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens des beabsichtigten Gebrauchs mit einer natürlichen menschlichen Reaktion242) entstehen können.243 Darüber hinaus werden alle Gefahrvermeidungsmaßnahmen gegen die Arten und Formen der Fehlbenutzung, der mangelnden Sorgfalt und der Überbeanspruchung des Produkts als von der Verkehrssicherungspflicht des Herstellers umfasst angesehen, die entweder dem Hersteller aufgrund von bereits erfolgten sachwidrigen Verwendungen positiv bekannt oder die dem Hersteller nach der allgemeinen Lebenserfahrung und nach den besonderen Umständen der in Aussicht genommenen Verwendung vorhersehbar sind, weil die Verwendung unter Abwägung aller Interessen von Herstellern auf der einen Seite sowie Nutzern und möglicherweise mit dem Produkt in Kontakt kommenden Dritten auf der anderen Seite noch im Rahmen der allgemeinen Zweckbestimmung des Produkts liegt.244 240 BGH NJW 2007, 762 (763); OLG Köln Urteil vom 23. 09. 2015 Az. 5 U 189/14; OLG Köln NJW 2006, 2272; OLG Karlsruhe VersR 1986, 46 (47); zustimmend – exemplarisch – Hörl, S. 28; Pfeifer, S. 82; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57; Fischer, DB 1977, 71 (74); allgemeines Rechtsprinzip in der deliktischen Verkehrspflichtverletzung, vgl. BGH VersR 1976, 149 (150); BGH NJW 1965, 815. 241 BGH NJW 2007, 762 (763); BGH NJW 1999, 2815 (2816); zum Ausreichen einer nicht nur theoretischen, wenn auch seltenen, aber möglicherweise nicht unerheblichen Gefahr BGH NJW 1990, 906 (907); zustimmend Rothe, NJW 2007, 740 (740 f., 743); Westphalen, Jura 1983, 57 (57 f.); zum zeitlichen Umfang der Produktbeobachtungspflicht Fischer, DB 1977, 71 (75); allgemeines Rechtsprinzip in der deliktischen Verkehrspflichtverletzung, vgl. BGH VersR 1976, 149 (150). 242 OLG Köln VersR 1993, 110 (111); OLG Köln NJW-RR 1991, 285 (286); OLG Celle VersR 1978, 258 (259). 243 BGH VersR 1972, 559 (560); OLG Köln VersR 1993, 110 (110 f.); exemplarisch Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (59); Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1433). 244 BGH NJW 1989, 707 (708); BGH VersR 1972, 559 (560); BGH VersR 1963, 860 (861); BGH VersR 1952, 357 (358); OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 346 (347); OLG Köln NJW-RR 1991, 285 (286); OLG Celle VersR 1984, 276; LG Dortmund NJW-RR 2005, 678; die Rechtsprechung aufgreifend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 650; Müller, G., VersR 2004, 1073
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Als rechtssystematischen Bruch kann es angesehen werden, dass trotz der Auslegung des Produktfehlerbegriffs als Verletzung einer herstellerbezogenen Verkehrssicherungspflicht die haftungsbegründende Vorhersehbarkeit einer Gefahr danach bestimmt wird, ob der Hersteller unnötig gefährliche Materialien in einer unnötig gefährlichen Bauweise unterhalb des objektiv möglichen, erforderlichen und zumutbaren Sicherheitsstandards entsprechend der Verkehrserwartung verwendet hat.245 Objektiv bedeutet dabei, dass unabhängig von Kenntnissen und Erkenntnisfähigkeiten auf die Sorgfalt eines gewissenhaften, umsichtigen, verständigen und in vernünftigen Grenzen vorsichtigen – also normalen und nicht idealen – Angehörigen der betroffenen Verkehrskreise von durchschnittlicher Tüchtigkeit abgestellt wird.246 Das widerspricht der Grundsystematik des § 823 Abs. 1 BGB, der subjektive Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung als Haftungsvoraussetzung normiert. Dieser Systembruch wurde nie stringent aufgelöst. Vereinzelt wurde vorgeschlagen, die adäquate Gefahrenabwehr in einem ersten Schritt allein auf das Produkt und in einem zweiten Schritt auf zusätzliche Risiken in Verbindung mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Benutzung des Produkts zu bestimmen247 oder lediglich den evidenten sach- und funktionswidrigen Missbrauch, der mit dem das Produkt bestimmenden Benutzungszweck nichts mehr zu tun hat, im konkreten Einzelfall von der Haftung auszunehmen248.
(1075); Kullmann, NJW 2002, 30 (33); Littbarski, NJW 1995, 217 (218); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (59); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1300); den naheliegenden Fehlgebrauch in der Produkthaftung bereits im Wesentlichen rechtsdogmatisch und praktisch besprochen in Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1433 f.); Rechtslage zum § 823 Abs. 1 BGB vom Gesetzgeber im der Gesetzesbegründung aufgenommen, vgl. BT-Drs. 11/2447 S. 18. 245 Vgl. BGH NJW 1990, 906 (907); BGH VersR 1972, 559 (560); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (169 f.); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333; Hörl, S. 29; Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569; Rothe, NJW 2007, 740 (740 f., 743); vgl. auch Simitis, S. 78 f., der sich bereits in den 1960er Jahren unter der Prämisse der Unmöglichkeit von Erfolgsunrecht gegen eine subjektive und für eine objektive, wenn auch situationsbezogene Pflichtenbestimmung im Produkthaftungsrecht aussprach; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.747, der zwar auf die Auflösung der Tatbestandsmerkmale der Produkthaftung aus dem § 823 Abs. 1 BGB in der EG-Produkthaftungsrichtlinie und auf die Perspektive eines objektiven Dritten hinweist, nicht aber die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen zieht; allgemeiner Maßstab in der Haftung für deliktische Verkehrspflichtverletzung, vgl. BGH NJW 1974, 453 (454); BGH NJW 1965, 815. 246 BGH NJW 2009, 1669 (1670); OLG Köln NJW 2006, 2272; OLG Karlsruhe VersR 1986, 46 (47); allgemeiner Maßstab in der Haftung für deliktische Verkehrspflichtverletzung, vgl. BGH NJW 1974, 453 (454); BGH NJW 1965, 815; Rothe, NJW 2007, 740 (742). 247 Fischer, DB 1977, 71 (73). 248 Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1433); vgl. Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (59); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1284); im Ergebnis (mit der Begrenzung auf den vorhersehbaren Gebrauch) auch Pfeifer, S. 238.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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e) Die fehlende Schutzbedürftigkeit des Geschädigten als Haftungsbeschränkung im ProdHaftG Der in der Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB mittels richterlicher Rechtsfortbildung entwickelte Ausschluss der Haftung des Herstellers bei offensichtlichen Gefahren, nicht vorhersehbaren Produktnutzungen und darauf beruhenden Selbstgefährdungen mangels einer anhand von objektiven Kriterien bewerteten Verkehrspflichtverletzung findet zwar seine Entsprechung im § 3 Abs. 1 lit. b ProdHaftG. Ein Vergleich mit entsprechenden Haftungsausschlüssen in der strict products liability macht jedoch deutlich, dass dies kein Argument für einen übereinstimmenden verhaltensbedingten Fehlerbegriff ist. Auch die objektbezogene strict products liability geht nicht von der alleinigen Haftungsfreistellung bei absolut gefahrenlosen Produkten aus, sondern bestimmt den Haftungsumfang personell an dem Nutzerkreis und sachlich an der Art und Weise der Sachnutzung. In beiden Rechtsordnungen wird dabei auch der Fehlgebrauch miteinbezogen, der sich noch im Rahmen der objektiven Zweckbestimmung bewegt. Auch wenn das Verhalten des Herstellers bei der Fehlerbestimmung keine Rolle spielt, liegen Verletzungen aufgrund einer bewussten Selbstgefährdung außerhalb des Schutzzwecks der Norm, weil die Verantwortlichkeit des Geschädigten an der Verletzung als so hoch einzuschätzen ist, dass er nicht schutzwürdig ist. Während bei einer objektbezogenen Fehlerbestimmung die Beurteilung dieser Schutzzweckgrenze zwangsläufig anhand von objektiven Kriterien erfolgen muss, lässt die – an die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht des Herstellers anknüpfende – deutsche Produkthaftung offen, weshalb die Vorhersehbarkeit der hinreichend konkreten Gefahren, die eine Gefahrenbeseitigungspflicht begründen sollen, ohne Abstellen auf die Person des Herstellers allein unter Nutzung von objektivierten Kriterien bestimmt wird. Als Begrenzung des Schutzzwecks des § 3 ProdHaftG ist die Haftungsfreistellung des Herstellers mangels Schutzbedürftigkeit des Geschädigten, sei es aufgrund eines Nutzungsmissbrauchs oder einer bewussten Inkaufnahme einer bekannten und offensichtlichen Gefahr, wie in der strict products liability eng auszulegen, da das Produkthaftungsrecht den verbraucherschützenden Zweck hat, die durch die Benutzung von Produkten verursachten Schäden demjenigen zur Last zu legen, der auch die Vorteile des Warenverkehrs monitarisiert. Gerade Kraftfahrzeughersteller machen sich die technische Komplexität der Produkte, die vom Nutzer nicht mehr verstanden werden kann, durch einen höheren Verkaufspreis und indirekt durch den Zwang zur Wartung durch Fachpersonal finanziell zu Nutze. Da die Fälle des Nutzungsmissbrauchs die Art und Weise der Produktnutzung durch den Geschädigten in den Mittelpunkt der Haftungsbetrachtung stellen, weisen sie nur einen zu vernachlässigenden Bezug zur Produktbeschaffenheit auf und können – mit Verweis auf die im ProdHaftG normierte Unrechtshaftung – auf der Grundlage der Rechtsprechung zur verhaltensbezogenen Produkthaftung gelöst werden. Demgegenüber dominiert die Gefährlichkeit der Produktbeschaffenheit die Fälle, in denen die
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Schutzbedürftigkeit des Geschädigten aufgrund der Offensichtlichkeit der Produktgefährlichkeit und der bewussten Selbstgefährdung in Frage steht. Hierbei dominiert aufgrund der Ziele und Zwecke des Produkthaftungsrechts das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis des Produkthaftungsrechts, den Hersteller haften zu lassen, falls sich der Geschädigte nicht schützen kann, weil ihm kein Eigenschutz durch willensgesteuerte Handlungsoptionen möglich ist. Somit ist die Offensichtlichkeit der Gefahr ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Kriterium zur Bestimmung des Schutzzwecks der Norm. Die den crashworthiness-Fällen zu Grunde liegenden Sachverhalte machen deutlich, dass der Schutzzweck des Produkthaftungsrechts erst bei einer freiwilligen Inkaufnahme der Gefahr verlassen wird, die nicht nur die (objektive) Offensichtlichkeit der Gefährlichkeit des Produkts voraussetzt, sondern subjektiv erfordert, dass sich der Geschädigte im tatsächlichen Bewusstsein über die Schutzmöglichkeiten im Rahmen der zweckbestimmten Nutzung des Produkts in die Gefahr gebracht hat. Dies entspricht der Rechtsprechung zur assumption of risk, dass die Fehlerhaftigkeit nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Produktbeschaffenheit von einer derartigen Natur ist, dass der Geschädigte in bewusster Kenntnis der Gefahr und in freiwilliger Weise die Benutzung des Produkts fortgesetzt hat. Beispielsweise kann sich jeder durchschnittliche Kraftfahrer vorstellen, dass ein Lenkrad aus harten Materialien zu erheblichen Verletzungen führen kann. Trotzdem darf dies nicht zu einem Haftungsausschluss führen, da es für den durchschnittlichen Fahrzeugnutzer schlicht unzumutbar oder gar unmöglich ist, sich über die offensichtlichen Gefahren der Kraftfahrzeugeinzelteile ein Urteil zu bilden oder gar die Materialauswahl des Lenkrades zu beeinflussen. Die einzige Alternative, in Kenntnis der offensichtlichen Gefährlichkeit von der Nutzung des Kraftfahrzeugs Abstand zu nehmen, ist in der heutigen Welt gleichsam unzumutbar. 4. Die fehlende Zumutbarkeit der Gefahrenvermeidung Produkte, die bei ihrer Benutzung keinerlei Gefahren aufweisen, sind kaum denkbar. Vielmehr ist vielen alltäglichen Produkten, z. B. wie Kraftfahrzeugen, die Gefahr einer Gesundheitsverletzung wesensimmanent, d. h., eine vollständige Eliminierung aller Risiken würde die Nutzbarkeit des Produkts eliminieren. Um zu vermeiden, dass die strict products liability faktisch zu einer Gefährdungshaftung mutiert, wird der Schutzzweck des Haftungsanspruchs auch hinsichtlich der zu beseitigenden Gefahren in der Produktsubstanz näher bestimmt. Dazu können im Wesentlichen die Fälle unterschieden werden249, in denen die Produktgefahr: 1. allgemein nicht bekannt war, 2. allgemein zwar bekannt war, es aber keine Konstruktion mit einer höheren Sicherheit gab,
249
Vgl. hierzu die Systematisierung bei Pfeifer, S. 137 f.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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3. zwar allgemein bekannt war, der Hersteller aber keine konstruktiven Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat, da er aus gesetzlichen oder verwaltungsrechtlichen Vorschriften dazu nicht verpflichtet war, 4. zwar allgemein bekannt war, der Hersteller aber keine konstruktiven Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat, weil diese in der jeweiligen Industriebranche nicht üblich waren, 5. zwar allgemein bekannt war, der Hersteller aber keine konstruktiven Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat, da diese das Produkt so verteuert oder in seiner Gebrauchsfähigkeit so eingeschränkt hätten, dass er das Produkt nicht am Markt hätte verkaufen können, und 6. deshalb nicht bekannt war, weil die Gefahr erst aufgrund einer dem Hersteller nicht bekannten oder nicht erkennbaren Fehlfunktion im Produktionsprozess entstanden ist. a) Fall 1: Die unbekannte Produktgefahr aa) Die state-of-the-art-defense Bereits in der negligence konnte der Hersteller der Haftung mit der sogenannten state-of-the-art-defense entgegentreten, da ihm als vernünftigem und umsichtigem Hersteller kein Haftungsvorwurf gemacht werden konnte, falls die Gefahr entweder nicht erkennbar war oder es keine technische Möglichkeit der Gefahrenvermeidung gab.250 Jedoch war es umstritten, ob die state-of-the-art-defense in die strict products liability übertragen werden kann. Für die Haftung des Herstellers auch in den Fällen, in denen die Produktgefahren nicht erkennbar oder unvermeidbar waren, wenn er also mit den existierenden Erkenntnissen das sicherste mögliche Produkt in den Warenverkehr gebracht hatte, wurde vorgebracht, dass dies dem Charakter der strict products liability entsprechen würde 251, weil sich die objektbezogene Feststellung des Produktfehlers an den Interessen der Allgemeinheit zu orientieren habe, keine Produkte mit unangemessen gefährlichen Produkteigenschaften in den Warenverkehr zu geben, ohne dass es dabei auf das Herstellerverhalten oder gar auf dessen Verschulden bei seiner Entscheidung, das Produkt wie geschehen herzustellen und in den Verkehr zu bringen, 250
Exemplarisch MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1144 (Mont. 1997); NJ: Beshada v. Johns-Manville Products Corp., 90 N.J. 191, 204 (1982); zu den Einzelheiten siehe in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 6 (1982). 251 MO: Lippard v. Houdaille Industries, Inc., 715 S.W.2d 491, 492 (Mo. 1986); Johnson v. Hannibal Mower Corp., 679 S.W.2d 884, 885 (Mo. App.1984); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 689 (Mo. App. 1978); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1144, 1146 (Mont. 1997); NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1240 et seq. (3rd Cir. 1987); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 11, 14 (1982); in der deutschen Literatur von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (190).
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ankommt.252 Auch entstünde dadurch keine Gefährdungshaftung, da die Haftung des Herstellers das Vorliegen eines objektiv unangemessen gefährlichen Produkts erfordert, dass die Verbrauchererwartung enttäuscht hat.253 Da es gerade das Ziel der strict products liability ist, dem Hersteller die Kosten für unangemessen gefährliche Produkte zuzuweisen, weil er von der Inverkehrgabe des Produkts profitiert und Versicherungs- oder Haftungskosten in den Verkaufspreis einkalkulieren und auf alle Nutzer des Produkts umlegen kann, während der Geschädigte die Gesundheitsschäden aus der Produktnutzung alleine tragen muss, sei es völlig unerheblich, ob der Hersteller erkennbare Gefahren tatsächlich nicht kannte (wofür er in der strict products liability unzweifelhaft haftet) oder ob die Gefahren nicht erkennbar waren.254 Weiterhin könne dem Ziel der strict products liability, die Hersteller zur 252 CT: Greenwood v. Eastman-Kodak Co., 1994 Conn. Super. LEXIS 851, p. 8; Lasser v. Leisure-Lift, Inc., 1993 Conn. Super. LEXIS 658, p. 6 et seq.; Sylvain v. Madison’s, Inc., 1992 Conn. Super. LEXIS 3230, p. 5 et seq.; HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 235 et seq. (D.Haw. 1988); Johnson v. Raybestos-Manhattan, Inc., 740 P.2d 548, 549 (Haw. 1987); In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1458 (D.Haw. 1986); MO: Lane v. Amsted Industries, Inc., 779 S.W.2d 754, 758 et seq. (Mo. App. 1989) mit Verweis auf die Relevanz von verhaltensbezogenen Umständen in Person des Herstellers bei der Bemessung der punitive damages (bzgl. des besonders verwerflichen Verhaltens); Johnson v. Hannibal Mower Corp., 679 S.W.2d 884, 885 (Mo. App.1984); Elmore v. Owens-Illinois, Inc., 673 S.W.2d 434, 438 (Mo. 1984); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1144 (Mont. 1997); NJ: Beshada v. Johns-Manville Products Corp., 90 N.J. 191, 204 (1982); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 285 (3rd Cir. 1994); Normann v. Johns-Manville Corp., 406 Pa. Super. 103, 107 (1991); Carrecter v. Colson Equipment Co., 346 Pa. Super. 95, 101 et seqq. (1985); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 212 et seq. (1984); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 11, 14 et seq. (1982); in der deutschen Literatur Meermann, S. 125; von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (190). 253 So ausdrücklich HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 235 et seq. (D.Haw. 1988); In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1456 et seqq. (D.Haw. 1986); im Ergebnis auch CT: Greenwood v. Eastman-Kodak Co., 1994 Conn. Super. LEXIS 851, p. 8; Lasser v. Leisure-Lift, Inc., 1993 Conn. Super. LEXIS 658, p. 6 et seq.; MO: Lane v. Amsted Industries, Inc., 779 S.W.2d 754, 758 (Mo. App. 1989); Johnson v. Hannibal Mower Corp., 679 S.W.2d 884, 885 (Mo. App.1984); Elmore v. Owens-Illinois, Inc., 673 S.W.2d 434, 438 (Mo. 1984); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 689 (Mo. App. 1978); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1143 et seq. (Mont. 1997); NJ: Beshada v. JohnsManville Products Corp., 90 N.J. 191, 204 (1982); PA: Carrecter v. Colson Equipment Co., 346 Pa. Super. 95, 104 (1985); weitergehend PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 285 (3rd Cir. 1994): „(…) the Pennsylvania Supreme Court stated that the supplier of a product is the guarantor of its safety.“; vgl. die Übersicht der verschiedenen Meinungen in der Rechtsprechung in CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1346 et seq. (Conn. 1997); vgl. in der deutschen Literatur mit Verweis auf die Rechtslage in Illinois, Wisconsin, Montana, Hawaii und New Mexiko, Meermann, S. 129, 145; missverständlich generalisierend von Hippel, S. 59. 254 HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 236 et seq. (D.Haw. 1988); MO: Johnson v. Hannibal, 679 S.W.2d 884, 885 et seq. (Mo. App.1984); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1145 et seq. (Mont. 1997); NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1240 et seq., 1244 (3rd Cir. 1987); Beshada v. Johns-Manville Products Corp., 90 N.J. 191, 205 et seq. (1982); Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 484 (D.N.J. 1982); vgl. in der deutschen Literatur der Verweis durch von Hippel, S. 59 f.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Inverkehrgabe möglichst sicherer Produkte zu motivieren, dadurch besser entsprochen werden, da es die Hersteller selbst in der Hand hätten, durch eine Intensivierung der Gefahrenerforschung mittels einer Weiterentwicklung der Forschungsmethoden und der Prüfung der Gefahren des eigenen Produkts die tatsächlich bestehenden Produktgefahren zu erkennen und – um einer Haftung zu entgehen – zu beseitigen.255 Hingegen hätte der Verbraucher nicht die Fachkunde, sich durch eine Untersuchung der Produkteigenschaften selbst zu schützen, und müsse sich darauf verlassen, dass der Hersteller für die angemessene Sicherheit seines Produkts mit allen Konsequenzen einer Haftung im Falle einer Gesundheitsverletzung einsteht.256 Das Erlauben der state-of-the-art-defense in der strict products liability würde auch das Ziel der prozessualen Entlastung des geschädigten Verbrauchers, keinen Nachweis der Fahrlässigkeit des Herstellers führen zu müssen, komplett entwerten.257 Eine genauere Analyse der Urteilsgründe nährt aber Zweifel, ob die Diskussion der state-of-the-art-defense in der strict products liability von einer einheitlichen Fallkonstellation ausgeht. Gelegentlich fiel auch Gerichten auf, dass die state-of-theart-defense mit unterschiedlichen Regelungsinhalten verwendet wurde.258 So verstanden einige Gerichte darunter den niedrigen Standard der Erfüllung der existierenden branchenüblichen oder administrativen technischen Normen und die Umsetzbarkeit von technischen Lösungen unter Einbeziehung von Kosten, Vermarktbarkeit, entgegenstehenden Sicherheitserwägungen und Fragen der Massenproduktion259, aber auch den hohen Standard des gesamten bekannten wissen255
HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 237 et seq. (D.Haw. 1988); MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1145 et seq. (Mont. 1997); NJ: Beshada v. JohnsManville Products Corp., 90 N.J. 191, 206 et seq. (1982); Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 484 (D.N.J. 1982); vgl. jedoch die Zweifel in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.: klarer normativer Standard zur Bestimmung einer angemessenen Produktsicherheit notwendig. 256 MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1145 et seq. (Mont. 1997). 257 HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 238 (D.Haw. 1988); NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1244 (3rd Cir. 1987); Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 484 (D.N.J. 1982); vgl. in der deutschen Literatur die Verweise durch von Hippel, S. 60. 258 Instruktiv dazu CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1345 (Conn. 1997) – „We begin our analysis of this issue by recognizing that the term ,state of the art‘ has been the source of substantial confusion.“; so auch MO: Lane v. Amsted Industries, Inc., 779 S.W.2d 754, 759 fn. 4 (Mo. App. 1989); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 2 et seqq. (1982). 259 Mit einer sprachlichen Gleichsetzung von state-of-the-art und industry-wide practices AK: Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 887 (Alas. 1979); AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 27, 55; CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1345 (Conn. 1997): „(…)the level of relevant scientific, technological and safety knowledge existing and reasonably feasible at the time of design.“; MO: Lane v. Amsted Industries, Inc., 779 S.W.2d 754, 758 et seq., 759 fn. 4 (Mo. App. 1989); Johnson v. Hannibal, 679 S.W.2d 884, 885 et seq. (Mo. App.1984); Cryts v. Ford Motor Co., 571 S.W.2d 683, 689 (Mo. App. 1978); NJ: Cavanaugh v. Skil Corp., 164 N.J. 1, 6 (2000); NY: Bolm v. Triumph Corp., 422 N.Y.S.2d 969, 975 fn. 2 (N.Y. App. Div. 1979); PA: Jeng v. Witters, 452 F.
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schaftlichen, medizinischen, technischen und sonstigen Wissens zum jeweiligen Anknüpfungszeitpunkt260. Letzteres wurde teilweise so eng definiert, dass die schadensverursachende Gefahr weder bekannt noch bei der Anwendung der höchsten wissenschaftlichen Kenntnisse mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln erkennbar sein durfte.261 Alternativ wurde auch der Begriff der „scientific unknowability“ verwendet262, ohne diesem aber einen trennungsscharfen Inhalt zuzuweisen. Die Konfusion zur state-of-the-art-defense in der strict products liability lässt sich daran festmachen, dass diese, selbst wenn sie grundsätzlich anerkannt wurde, bei nicht erkennbaren Gefahren und damit unvermeidbar unsicheren Produkten dann doch nicht angewandt wurde.263 Vor dem Hintergrund dieses offenen Verständnisses des state-of-the-art wurden vielfältige Argumente gegen die Nichtberücksichtigung des state-of-the-art vorgebracht. Einem der Hauptargumente, die Hersteller könnten die Produktgefahren Supp. 1349, 1363 (M.D.Penn. 1978); TX: Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 752 (Tex. 1980), diss., Campbell, J.: „,State of the art‘ means ,state of industry knowledge.‘“; WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 651 fn. 2 (1990); Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 212 (1984); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50; KY: KRS § 411.310 (2011), Notes to Decisions, 1. In General.; Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 3 et seqq. (1982); in der Gesetzgebung A.R.S. § 12 – 681 (10); R.R.S. Neb. § 25 – 21,182; vgl. zur Systematisierung von customary industry practices, governmental standards und feasibility in der deutschen Literatur Meermann, S. 35, 113; von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (190). 260 HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 234 fn. 1 (D.Haw. 1988); Johnson v. Raybestos-Manhattan, Inc., 740 P.2d 548, 549 fn. 1 (Haw. 1987); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1155 (Ind. App. 1990); IA: Hughes v. MasseyFerguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 300 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 659 (1990); in der Gesetzgebung Fla. Stat. § 768.1257; R.R.S. Neb. § 25 – 21,182; in der deutschen Literatur dies als state-of-the-art ansehend Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (149); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202). 261 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 997, 1002 (1991); CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 126 (Colo. 1983); IA: Olson v. Prosoco, Inc., 522 N.W.2d 284, 290 (Iowa 1994); MD: Lohrmann v. Pittsburgh Corning Corp., 782 F.2d 1156, 1164 et seq. (4th Cir. 1986); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); NC: Horne v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 4 F.3d 276, 281 (4th Cir. 1993); TX: Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 461, 463 (5th Cir. 1985) mit Verweis auf Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1089 et seq. (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen ähnlich Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 5 et seq., 22 (1982); a.A. MS: O’Flynn v. OwensCorning Fiberglas, 759 So.2d 526, 536 (Miss. App. 2000) – „(…), the standard for a manufacturer in a failure to warn theory of recovery in a products liability case is not what any expert may have known, but rather there will be no liability without a showing that the manufacturer knew or, in the exercise of ordinary care, should have known that its product was unreasonably dangerous.“ 262 Exemplarisch AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1063 et seq. (Alas. 1979); vgl. auch MS: O’Flynn v. Owens-Corning Fiberglas, 759 So.2d 526, 533 (Miss. App. 2000), worin der Begriff „state-of-the-art“ für kommunikative Vertriebsfehler abgelehnt wurde. 263 CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 123 (Colo. 1983); kritisch in der deutschen Literatur Pfeifer, S. 178.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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besser erforschen und das Risiko nicht erkennbarer Gefahren besser tragen, da sie es versichern und die Kosten unter den Käufern verteilen könnten, wurde entgegengehalten, dass mit einer derartig weiten Haftung der Hersteller sogar von einer intensiven Forschung oder einem umfassenden Produkttest zur Entwicklung neuer und sicherer Produkte abgehalten werden könnte, da einerseits ohne eine Haftungsbefreiung die dafür notwendigen Ausgaben für ihn betriebswirtschaftlich nicht nur verloren wären, sondern durch die verbesserten wissenschaftlichen und technischen Gefahrenerkenntnisse und späteren Produktänderungen sein Haftungsrisiko steigt, und andererseits selbst bei Umlage der Haftungskosten die Produkte so teuer werden könnten, dass sich diejenigen die Produkte nicht leisten können, die sie am nötigsten brauchen.264 Gerade bei Großschäden aufgrund nicht erkennbarer Gefahren liefe die Schadenallokation entsprechend den Zielen und Zwecken der strict products liability leer, da in den meisten Fällen die Höhe der entstehenden Kosten es dem Hersteller unmöglich macht, diese auf die Gesamtzahl aller Produktnutzer umzulegen, während selbst das Ziel der Beweiserleichterung bei einer state-of-the-art-defense gewahrt bliebe, da sich der Geschädigte die benötigte Fachkenntnis mittels der discovery aneignen kann.265 Die auf den state-of-the-art begrenzte Haftung könnte die Forschung und die Weiterentwicklung der Produktsicherheit anregen266, da der Hersteller den Nachweis der Nichterkennbarkeit und Unvermeidbarkeit der Gefahr nur aufgrund einer im Vorfeld der Inverkehrgabe des Produkts mit einem hohen Aufwand betriebenen Forschung und Prüfung seiner Produkte führen bzw. die objektive allgemeine Nichterkennbarkeit nicht nachweisen kann, falls er diese Forschung und Prüfung unterlassen hat267. Die diesen Argumenten widersprechenden Erwägungen in der älteren kalifornischen Rechtsprechung zur breach of warranty, dass der Hersteller über die verschiedensten Kommunikationswege seine Produkte und deren Qualität den Verbrauchern deshalb nahe bringt, um einen Kaufwunsch zu entwickeln, so dass sich die Haftung des Herstellers bis hin zu einer Garantiehaftung direkt gegenüber dem Verbraucher verdichten könne268, wurden nicht in der strict products liability aufgegriffen. 264 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 999 (1991); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1063, 1065 et seq. (1988); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 9 et seq.; in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 31 (1982); vgl. in der deutschen Literatur Meermann, S. 155 f.; Hörl, S. 131. 265 Vgl. die Argumente in PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 285 fn. 14 (3rd Cir. 1994). 266 In den Sekundärquellen MUPLA, Analysis, p. 62728; in der deutschen Literatur aufgegriffen durch von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (191). 267 Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment n., mit Verweis auf ein zu punitive damages führendes absichtliches und rücksichtsloses schädigendes Verhalten bei Unterlassen von Forschung und Entwicklung. 268 Vgl. CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 652 (1966); aufgegriffen in der deutschen Literatur durch Hoechst, S. 55; vgl. zur deutschen Rechtsprechung mit ähnlichen – im konkreten Rechtsstreit aber als nicht anspruchsbegründend angesehenen – Erwägungen BGH VersR 1955, 765 (766).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Die Gesamtschau der analysierten Gerichtsentscheidungen lässt die Schlussfolgerung zu, dass zur Durchsetzung der Ziele und Zwecke der strict products liability überwiegend ein rechtliches Bedürfnis gesehen wurde, den Wesensgehalt der stateof-the-art-defense aus der negligence in die strict products liability zu übertragen. Um den Charakter der strict products liability als Unrechtshaftung für ein unwiderlegbar vermutetes Verschulden zu erhalten und den Hersteller nicht mittels einer de facto-Gefährdungshaftung zum Garanten seines Produktes zu machen, wurden in der Mehrzahl der Entscheidungen die Haftung des Herstellers ausgeschlossen, falls das Produkt die sicherste Konstruktion aufwies, auch wenn sich durch spätere technologische oder wissenschaftliche Erkenntnisse herausstellte, dass das Produkt doch unangemessen gefährlich war.269 Um sicherzustellen, dass diese state-of-theart-defense völlig von der Beurteilung eines Verschuldensvorwurfs an den Hersteller gelöst wird, wurde die Nichterkennbarkeit einer Gefahr als ein dem Produkt anhaftender Informationsmangel des Herstellers bei der Entscheidung angesehen, ob und wie er das Produkt in den Verkehr bringt.270 Dazu musste die vom Geschädigten in der negligence bezüglich des beklagten Herstellers zu beweisende subjektive individuelle Sorgfaltspflichtverletzung, sich auf dem neuesten Stand von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Entdeckungen und technologischen Anwendungen sowie der Bewährung seines Produkts in der Praxis zu halten, um nach dem state-ofthe-art Gefahren zu erkennen und zu vermeiden271, in einen objektbezogenen Tatbestand unabhängig des individuellen Herstellerhandelns überführt werden. Die verhaltensbezogenen Aspekte der Erkennbarkeit der Gefahr werden der strict products liability entzogen, indem folgende herstellerbezogenen Umstände unwiderlegbar der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit der Produkteigenschaften zu Grunde gelegt werden:272
269
AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1189 (Ala. 1985); AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1063 et seq. (Alas. 1979); CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 991, 997 (1991); MO: Elmore v. Owens-Illinois, Inc., 673 S.W.2d 434, 440 (Mo. 1984), diss., Welliver, J.; Ross v. Philip Morris & Co., 328 F.2d 3, 11 et seq. (8th Cir. 1964); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 20 (1982); vgl. in der deutschen Literatur Meermann, S. 126, 155; von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (190). 270 AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1063 (Alas. 1979); im Ergebnis ähnlich bereits MO: Ross v. Philip Morris & Co., 328 F.2d 3, 11 (8th Cir. 1964); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 16 (1982). 271 CO: Howard v. Avon Products, Inc., 395 P.2d 1007, 1011 (Colo. 1964); MA: Wright v. Carter Products, Inc., 244 F.2d 53, 59 (2nd Cir. 1957); MN: O’Hare v. Merck & Co., 381 F.2d 286, 291 (8th Cir. 1967); Land O’Lakes Creameries, Inc. v. Hungerholt, 319 F.2d 352, 360 (8th Cir. 1963); MO: LaPlant v. E. I. DuPont de Nemours And Co., 346 S.W.2d 231, 240 et seq. (Mo. App. 1961); Braun v. Roux Distributing Co., 312 S.W.2d 758, 763 (Mo. 1958); NY: Micallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 386 (1976); OR: McEwen v. Ortho Pharmaceutical Corp., 528 P.2d 522, 528 et seqq. (Ore. 1974); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 8, 22 (1982). 272 Instruktiv dazu Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment m.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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1. Die bereits in der negligence bekannte Pflicht des Herstellers, sich auf den neuesten Stand des wissenschaftlichen Fortschritts und der verfügbaren Informationen innerhalb der Industrieunternehmen seiner Branche zu halten, wird objektiviert, indem er unwiderlegbar als Fachmann in seinem Produktbereich angesehen wird, dem alle Kenntnisse aus der Praxis und der Wissenschaft – egal ob sie von Experten oder anderen Personen stammen – bekannt sind.273 2. Die bereits in der negligence bekannte Pflicht des Herstellers, sich über den Zustand, die Qualität und das Bewähren seiner Produkte in der Praxis zu informieren, sei es durch verfügbare Informationen von den Verbrauchern oder mittels verfügbarer Test- und Prüfverfahren, wird objektiviert, indem unwiderlegbar angenommen wird, dass der Hersteller diese Informationen hat.274 Indem somit die – nach dem objektiv zu bestimmenden wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisstand – bestehende unangemessene Gefährlichkeit des Produkts als unwiderlegbar verschuldet angesehen wird, wird der foreseeability ein weiterer objektbezogener Inhalt zugeschrieben.275 Diese objektivierte Art und Weise der gerichtlichen Feststellung des state-of-the-art unter Berücksichtigung der allgemeinen technischen und wissenschaftlichen Kenntnisse (und nicht aufgrund der tatsächlichen subjektiven Kenntnisse des Herstellers)276 beschreibt also nicht mehr die Erfüllung der Herstellerpflichten, sondern stellt eine Festlegung des Produkt-
273 CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 126 (Colo. 1983); MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 433 et seq. (1992); mit Bezugnahme zur Rechtsprechung in der negligence MN: Karjala v. Johns-Manville Products Corp., 523 F.2d 155, 159 (8th Cir. 1975); NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1245 fn. 2 (3rd Cir. 1987), conc., Becker, J.; Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 452 et seq. (1984); TX: Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 461 (5th Cir. 1985); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1089 (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment m.; MI: MCL § 600.2946 (2011), Case Notes, 3. Duty to warn; im Ergebnis auch Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 21 et seq. (1982); in der deutschen Literatur Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (190). 274 NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 453 (1984); TX: Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 461 (5th Cir. 1985); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1089 et seq. (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment m. 275 Vgl. die Urteilsgründe in CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 126 (Colo. 1983); NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 450 et seq. (1984); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 349 (5th Cir. 1983); vgl. in der deutschen Literatur Rosengarten, S. 68: Hersteller haftet „unabhängig von seinem Verschulden“; mit einer missverständlichen bildlichen Gleichsetzung des Wissenstandes des Herstellers mit dem des Sachverständigen, den es als objektiven Experten im US-amerikanischen Zivilprozessrecht für gewöhnlich nicht gibt, Hoechst, S. 52. 276 AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1064 (Alas. 1979); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1347 (Conn. 1997); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 16 (1982).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
standards dar, den die Allgemeinheit vom Hersteller verlangt277. Sicher hätte es sich hierfür angeboten, den Begriff state-of-the-art-defense ausschließlich in der negligence und dagegen in der strict products liability einen anderen Terminus – etwa scientific knowability – zu verwenden. Die Gerichte hielten jedoch mehrheitlich an der eingeführten Begrifflichkeit fest. Gleichsam heterogen ist die Rechtsprechung zum Anknüpfungszeitpunkt des state-of-the-art in der strict products liability.278 Als frühester Zeitpunkt wurde die Konstruktion der Produktserie279, als letzter Zeitpunkt wurde die der mündlichen Verhandlung280 und dazwischen die Herstellung281 oder das Inverkehrbringen282 des 277 NJ: In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1247 (3rd Cir. 1987), conc., Becker, J.; vgl. zur Interpretation in der deutschen Literatur Pfeifer, S. 157 f. 278 Vgl. die Übersicht in den Sekundärquellen zu den einzelnen Rechtsordnungen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d.II.A. 279 CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1345 (Conn. 1997); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 554 (1991); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); offen gelassen in CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 124 et seqq. (Colo. 1983); IN: Indianapolis Athletic Club, Inc. v. Alco Standard Corp., 709 N.E.2d 1070, 1075 (Ind. App. 1999); IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 300 (Iowa 1994), conc. Ternus, J.; in den Sekundärquellen auf diesen Zeitpunkt abstellend Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 20 (1982); fokussierter Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1671 (1994), der auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die endgültige Konstruktion mit der Begründung abstellt, dass der Hersteller sich zu dieser Zeit auf der Grundlage der betriebsinternen Abwägung der Vor- und Nachteile (insbesondere der Gefahren) des Produktes entscheidet, wie er ein entwickeltes Produkt in den Warenverkehr gibt. 280 MA: Touch v. Master Unit Die Products, Inc., 43 F.3d 754, 757 (1st Cir. 1995); vgl. in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment m.; vgl. dazu in der deutschen Literatur Pfeifer, S. 179, der die Begründung des Anknüpfungszeitpunktes in dieser Entscheidung mit Bezug auf das ausschließliche Abstellen auf die Produktbeschaffenheit und nicht auf das Herstellerverhalten aufgreift und kritisch anmerkt, dass das konsequente Abstellen auf die Produktbeschaffenheit dazu führen müsste, dass bei nicht erkennbaren Gefahren auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der risk/utility-analysis abgestellt wird, während bei nicht beherrschbaren Gefahren der Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Anknüpfungszeitpunkt wäre, jedoch Fairness und Methodenehrlichkeit es gebieten, in beiden Fällen auf den Zeitpunkt der Inverkehrgabe abzustellen. 281 AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 27; IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1155 (Ind. App. 1990); MD: Lohrmann v. Pittsburgh Corning Corp., 782 F.2d 1156, 1165 (4th Cir. 1986); NY: Bolm v. Triumph Corp., 422 N.Y.S.2d 969, 975 fn. 2 (N.Y. App. Div. 1979); PA: Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1363 (M.D.Penn. 1978); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 651 fn. 2 (1990); offen gelassen in IN: Indianapolis Athletic Club, Inc. v. Alco Standard Corp., 709 N.E.2d 1070, 1075 (Ind. App. 1999); IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 300 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50; Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 5 (1982); MUPLA, Analysis, p. 62728; in der Gesetzgebung A.R.S. § 12 – 681 (10); Fla. Stat. § 768.1257; in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 28; Zoller, S. 223. 282 AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 55; LA: State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Ford Motor Co., 925 So.2d 1, 11 (La.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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die Verletzung verursachenden Produkts herangezogen. Summarisch kann man lediglich feststellen, dass mehrheitlich die Anknüpfung der state-of-the-art-defense in der negligence (an die Inverkehrgabe des Produkts als Zeitpunkt der Verkehrspflichtverletzung283) in der Weise aufgegriffen wurde, dass spätestens auf den Zeitpunkt der letzten gegenständlichen Einflussmöglichkeit auf das Produkt beim Verlassen des Kontrollbereichs des Herstellers und der Inverkehrgabe abgestellt wird284. Die Anknüpfung des state-of-the-art an die Produkteigenschaft und nicht an das Verhalten des Herstellers hat auch essentielle Auswirkungen auf die Rechtsfolgen. Zwar wurde der vollständige Haftungsausschluss (complete defense) wie in der negligence von einigen wenigen Gerichten angewendet.285 Meist erfolgte dies jedoch bezüglich der stark verhaltensgeprägten kommunikativen Fehler, die nicht die Konstruktion, sondern die Warnungen und die Bedienungsanleitungen betreffen.286 Die Mehrzahl der Entscheidungen sieht den state-of-the-art als einen Aspekt der Sicherheitserwartungen der Verbraucher an die Produkteigenschaften an, so dass die diesbezüglichen Einwände des zur Haftung herangezogenen Herstellers nicht zu einem Haftungsausschluss (defense) führen können, sondern lediglich einen Faktor App. 2005); NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co., 123 N.H. 512, 530 (1983); NJ: Cavanaugh v. Skil Corp., 164 N.J. 1, 6 (2000); TX: Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 (E.D.Tex. 2000); bzgl. einer entsprechenden Belehrung der jury offen gelassen, da Urteil aus anderen Gründen aufgehoben wurde, in AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1062 (Alas. 1979); in der Gesetzgebung A.C.A. § 16 – 116 – 104 (a) (1); La. R.S. § 9:2800.54; MCL § 600.2946 (1) (2); Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (b). 283 CT: Tomer v. American Home Products Corp., 368 A.2d 35, 38 (Conn. 1976); MN: O’Hare v. Merck & Co., 381 F.2d 286, 292 (8th Cir. 1967). 284 NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 573, 575 (1998); im Ergebnis auch HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 699 F. Supp. 233, 234 fn. 1 (D.Haw. 1988); Johnson v. Raybestos-Manhattan, Inc., 740 P.2d 548, 549 fn. 1 (Haw. 1987); IA: Hughes v. MasseyFerguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 300 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; sich nicht festlegend NC: Horne v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 4 F.3d 276, 281 (4th Cir. 1993): „State-of-the-art evidence, because it often is scientific in nature and results from a cumulative review of a field over time, should not be applied retroactively to discredit conduct at a given time prior to the culmination of the relevant research.“; in der Gesetzgebung C.R.S. 13 – 21 – 403 (1) (a); dazu in der deutschen Literatur mit Vergleich zum ProdHaftG Zoller, S. 223. 285 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 995 (1991); CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 126 (Colo. 1983); IN: Weller v. Mack Trucks, Inc., 570 N.E.2d 1341, 1343 (Ind. App. 1991); NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co., 123 N.H. 512, 530 (1983); NJ: Cavanaugh v. Skil Corp., 164 N.J. 1, 6 (2000); in der Gesetzgebung A.R.S. § 12 – 683 (1); vgl. zur Frage der Beweislast in der deutschen Literatur von Hülsen/ Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (190). 286 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 997 (1991); CT: Greenwood v. Eastman-Kodak Co., 1994 Conn. Super. LEXIS 851, p. 9; Sylvain v. Madison’s, Inc., 1992 Conn. Super. LEXIS 3230, p. 5; MO: Moll v. General Automatic Transfer Co., 873 S.W.2d 900, 904 (Mo. App. 1994); TX: Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 (E.D.Tex. 2000); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1088 (5th Cir. 1973); offen und unklar formuliert in MD: Lohrmann v. Pittsburgh Corning Corp., 782 F.2d 1156, 1164 (4th Cir. 1986); in der Gesetzgebung R.S.Mo. § 537.764 (2).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
zur Bestimmung der Angemessenheit der Produktrisiken entweder direkt zur Darstellung der objektiven Verbrauchererwartungen oder als Abwägungskriterium in der risk/utility-analysis darstellen.287 Unter Einbeziehung der risk/utility-analysis ist demnach ein Produkt fehlerhaft, wenn nach den besten (existierenden und angemessen umsetzbaren) wissenschaftlichen, technologischen und sicherheitsrelevanten Gefahrenwissen und praktischen Gefahrvermeidungsfertigkeiten in Bezug auf die Konstruktion, die Herstellung, die Qualitätskontrolle und die Etikettierung des streitgegenständlichen Produkts das Produktrisiko größer als die Nützlichkeit des Produkts ist, wofür es konstruiert, hergestellt und vertrieben wurde.288 Dies erscheint auch systematisch überzeugender, denn so wird dem state-of-the-art jeglicher Verhaltensvorwurf gegenüber dem Hersteller entzogen, und es wird berücksichtigt, dass die Bestimmung der Verbrauchererwartung an ein industrielles Produkt immer einen Kontext zu den zu diesem Zeitpunkt bekannten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen aufweist.289 In einigen Rechtsordnungen wird die besondere Bedeutung des state-of-the-art für die Bestimmung der Verbrauchererwartungen prozessual in der Weise berücksichtigt, dass eine Nichterkennbarkeit nach dem state-of-theart eine rebuttable presumption begründet, so dass bei einer Übereinstimmung der Produktsicherheit mit dem state-of-the-art im Regelfall von keiner Haftung auszu-
287 AK: Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc., 604 P.2d 1059, 1063 (Alas. 1979); Caterpillar Tractor Co. v. Beck, 593 P.2d 871, 887 (Alas. 1979); CA: Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 735 (1986); McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 210 (1983); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1347 et seqq. (Conn. 1997); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 554 (1991); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 et seqq. (1983); OK: Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1486 (10th Cir. 1984); RI: Guilbeault v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 84 F. Supp.2d 263, 279 fn. 6 (D.R.I. 2000); einschränkend MT: Sternhagen v. Dow Co., 935 P.2d 1139, 1146 (Mont. 1997): nur bei Existenz von alternativen Konstruktionsmöglichkeiten; NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 575 (1998): keine Anwendung in Asbesthaftungsfällen; in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 7 (1982); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 28. 288 Vgl. die Entscheidungsbegründung in CO: Belle Bonfils Memorial Blood Bank v. Hansen, 665 P.2d 118, 126 (Colo. 1983); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1346 (Conn. 1997); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 554 (1991); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 et seq. (1983); vgl. in den Sekundärquellen die Übersicht in Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50, § 30:51; abweichend Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 2, 21 et seqq. (1982), der eine Kombination aus absolute defense für die nicht erkennbare Gefahr und die Berücksichtigung als Abwägungsfaktor für die erkennbare, aber nicht vermeidbare Gefahr vertritt; in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 106 (A). 289 CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1348 (Conn. 1997); MD: Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 554 (1991); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 18 (1982); a.A. mit Verweis auf eine Entscheidung aus Massachusetts, in der eine modifizierte Form der strict products liability angewendet wird und daher die Unmöglichkeit des Herstellerverhaltens systeminkonform entscheidend ist, Meermann, S. 155.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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gehen ist, es sei denn, im Einzelfall wird ein Produktfehler auch beim Einhalten des state-of-the-art bewiesen.290 Wenn die Fehlerhaftigkeit nicht in der Konstruktion eines Produkts, sondern in den kommunikativen Maßnahmen des Herstellers im Zusammenhang mit dem Produktvertrieb begründet liegt, entwickelt der state-of-the-art die besondere Wirkung, dass es außerhalb der Gefährdungshaftung schlichtweg unmöglich ist, eine Haftung für unbekannte Gefahren zu begründen.291 In der strict products liability wird einhellig angenommen, dass ein Produkt mangels hinreichender Warnungen und Instruktionen erst dann fehlerhaft ist, wenn die Produktgefahren zum Anknüpfungszeitpunkt bezüglich der vorhersehbaren Produktnutzungen bekannt (actual knowledge) oder mittels der vorhandenen wissenschaftlichen, technologischen und sonstigen einschlägigen Informationen und Testmöglichkeiten erkennbar waren (constructive knowledge).292 Da sich der Hersteller auf die Unvermeidbarkeit einer nach allgemeinen Maßstäben unangemessen gefährlichen Produktkommunikation beruft, muss er den Gegenbeweis auf eigenes Risiko führen.293 Neben dieser rechtssystematischen Erwägung soll nicht unerwähnt bleiben, dass zur Begründung der Beweislast auch das in der Hühnerpestentscheidung des BGH enthaltene Ar290 In der Gesetzgebung C.R.S. 13 – 21 – 403 (1) (a); Burns Ind. Code Ann. § 34 – 20 – 5 – 1 (1); KRS § 411.310 (2). 291 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 997, 1002 (1991); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1066 (1988); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 9; in den Sekundärquellen MUPLA, Analysis, p. 62724. 292 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 997, 1003 (1991); Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1065 (1988); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 8 et seqq.; IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1163 (Ind. App. 1990); IA: Olson v. Prosoco, Inc., 522 N.W.2d 284, 289 et seq. (Iowa 1994); KS: Burton v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 397 F.3d 906, 917, 917 fn. 6 (10th Cir. 2005); MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 437 et seq., 438 fn. 8 (1992); MI: Hollister v. Dayton-Hudson Corp., 201 F.3d 731, 741 (6th Cir. 2000); Bradbury v. Ford Motor Co., 333 N.W.2d 214, 217 (Mich. App. 1983); MN: Karjala v. Johns-Manville Products Corp., 523 F.2d 155, 159 (8th Cir. 1975); MS: O’Flynn v. Owens-Corning Fiberglas, 759 So.2d 526, 535 (Miss. App. 2000); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 563 (1991); In re Asbestos Litigation, 829 F.2d 1233, 1245 fn. 2, 1247 et seq. (3rd Cir. 1987), conc., Becker, J.; Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 447, 452 (1984); TX: Keene v. Sturm, Ruger & Co., 121 F. Supp.2d 1063, 1069 (E.D.Tex. 2000); Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 468 et seq. (5th Cir. 1985); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1088 (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment m.; l. c., Reporters Notes: Comment m.; MI: MCL § 600.2946 (2011), Case Notes, 3. Duty to warn; MUPLA, Analysis, p. 62728; in der Gesetzgebung R.S.Mo. § 537.764; MUPLA Sec. 106 (B) (3); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 21; Hoechst, S. 51. 293 CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 11; NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 447, 455 et seq. (1984); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 183 (1983); in der Gesetzgebung R.S.Mo. § 537.764 (2); a.A. MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 438 fn. 8 (1992).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
gument herangezogen wurde, nachdem der Hersteller aufgrund seiner überragend exzellenten Kenntnisse zu den branchenspezifischen technologischen Daten, Materialien und Testergebnissen sowie seinem ökonomischen Nutzen aus der Inverkehrgabe des Produkts die Beweislast eher tragen könne.294 Besonders feinsinnig wurde in einer Entscheidung in New Jersey daher dem Hersteller die Beweislast nur bezüglich des allgemeinen technologischen state-of-the-arts als allgemeines Verteidigungsvorbringen zugewiesen, während dessen Anwendung auf das angeblich fehlerhafte Produkt als Teil der weiter beim Geschädigten verbleibenden Beweislast zur Fehlerhaftigkeit angesehen wurde.295 bb) Der Stand von Wissenschaft und Technik – der Entwicklungsfehler § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG normiert den in der Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB richterrechtlich geschaffenen Entwicklungsfehler. Das erscheint bereits auf den ersten Blick nicht zwangsläufig, da die Haftung des Herstellers nach Risikobereichen (deren Abgrenzung das Ergebnis einer Abwägung der Interessen von Verbrauchern und Herstellern ist) unabhängig vom konkreten Verhaltensvorwurf dem Gesetzgeber – insbesondere bei Annahme des von ihm gebrauchten Begriffs der Gefährdungshaftung – die Kodifizierung einer Haftung auch für Entwicklungsgefahren nahe gelegt hätte.296 Die praktischen Argumente gegen eine derartig umfassende Haftung, wie die fehlende versicherungsmathematische Kalkulierbarkeit nicht bekannter Entwicklungsgefahren297 oder die Gefahr, dass Produkte mit allgemeiner gesellschaftlicher Nützlichkeit wegen fehlender Refinanzierbarkeit der Versicherungsprämien oder eines unkalkulierbaren Insolvenzrisikos im Falle einer Haftung mit eigenen Mitteln nicht mehr hergestellt werden298, haben den Gesetzgeber bewogen, im Interesse des gesellschaftlichen Wohlstands und des Fortschritts dem Hersteller neuartiger Produkte eine gewisse Haftungsfreistellung zuzugestehen299. Diese Gründe können jedoch nicht eine widerspruchsfreie systematische Einordnung der Ausnahmenorm in den Haftungstatbestand ersetzen. Im Rahmen der Haftung für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist es überzeugend, dem Hersteller keinen objektiven Pflichtwidrigkeitsvorwurf eines individuellen und damit auch zu verantwortenden Handlungsversagens zu ma294 NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 456 (1984); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment m. 295 NJ: Fabian v. The Minster Machine Co., 258 N.J. Super. 261, 274 (1992). 296 Vertreten von Reinelt, DAR 1988, 80 (87 f.); zum Diskussionsstand vor Inkrafttreten des ProdHaftG Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2290 f.). 297 Vgl. von Hippel, S. 57. 298 Vgl. zum Einfluss des deutschen Insolvenzrechts im Vergleich zum US-amerikanischen Insolvenzrecht Schlechtriem, ZEuS 2002, 15 (23). 299 Zustimmend Frietsch, ZEuS 2002, 119 (123); Schlechtriem, ZEuS 2002, 15 (23).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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chen300, wenn zum Zeitpunkt der tatsächlich dem Hersteller noch möglichen Schadensabwendung dieser und der Nutzer von einem gefahrlosen Produkt ausgingen, weil für beide aufgrund aller objektiv verfügbaren und zugänglichen Quellen – und damit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik – die Gefahr nicht erkennbar war301. Da es für die meisten Produkte keine absolute Gefahrlosigkeit geben kann, würde die Produzentenhaftung ohne eine derartige Beschreibung des rechtlich erlaubten risikobehafteten Herstellerverhaltens zur Haftung allein aufgrund der Schädigung durch ein Produkt oder aus dem Herstellen und Inverkehrbringen potentiell gefährlicher Geräte oder Stoffe führen302, also de facto zur Gefährdungshaftung mutieren. Der Hersteller müsste dann auch für den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt in der Fehlererkennung während der Verwendungszeit des Produkts haften, was nicht nur der auf eine Verkehrspflichtverletzung abstellenden Produzentenhaftung303, sondern auch dem allgemeinen gesellschaftspolitischen In300
Meermann, S. 47; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EGProdukthaftungsrichtlinie Rn. 132; Simitis, S. 62. 301 Vgl. BGH NJW 2013, 1302; BGH NJW 2005, 2614 (2618); BGH NJW 1995, 2162 (2163); OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (893 f.); OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (693); zustimmend in der Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 21; Schäfer/Ott, S. 381 f.: „weder bekannt noch nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erkennbar war“; Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569: „weder Forschungsergebnisse noch praktische Erfahrungen zu Problemen“; Wagener/Geissl, S. 124: allein die Verfügbarkeit der Erkenntnisse nach objektiven Maßstäben ist entscheidend und nicht die subjektiven Zugriffsmöglichkeiten des Herstellers; Lenz, PHI 2009, 196 (199); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1076); Kullmann, NJW 1996, 18 (24); Pieper, BB 1991, 985; Rolland, § 1 Rn. 146a; a.A. Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 142: aufgrund des Prinzips der Verschuldenshaftung seien sowohl in der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB als auch gemäß der EG-Produkthaftungsrichtlinie die nicht erkennbare und die nicht beherrschbare Gefahr als Entwicklungsgefahr gleichzusetzen; Pfeifer, S. 87, 240; BTDrs. 11/2447 S. 15 macht klar den Willen des Gesetzgebers deutlich, den bereits bzgl. § 823 Abs. 1 BGB geltenden objektiven Entwicklungsfehlerbegriff in das ProdHaftG zu übernehmen; so auch MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 54; zweifelhaft, da unter § 823 Abs. 1 BGB auf die Erkennbarkeit unter der gebotenen Sorgfalt eines vernünftigen Herstellers abgestellt wurde, vgl. dazu exemplarisch die Annahme eines Entwicklungsfehlers, wenn Gefahr in einem anderen Labor erkannt, aber nicht verfügbar veröffentlicht wurde in BGH NJW 1981, 1606 (1608); OLG München VersR 1990, 791 (792); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 652; einschränkend Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2291): Verweis auf Produktbeobachtungspflichten und vertragliche Pflichten; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (58 f.). 302 Marburger, S. 429 f., 434; ähnlich Hörl, S. 22; mit Verweis auf ein erhebliches und wirtschaftlich unkalkulierbares Risiko für die Innovationsbereitschaft der wichtigen Hochtechnologie und damit für die Grundlagen des gesellschaftlichen Wohlstands in Deutschland, wenn für unabsehbare Entwicklungsrisiken zu haften sei, Frietsch, ZEuS 2002, 119 (123) und Zinkann, S. 33; von Hippel, S. 56. 303 Vgl. BGH NJW 1995, 2162 (2163); OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (693); zu § 823 Abs. 1 BGB BGH VersR 1957, 584; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 284; Kullmann/Pfister/ Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22; Schäfer/Ott, S. 382; Kullmann, NJW 1996, 18 (24); Pfeifer, S. 240; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 107; vgl. auch Schmidt-Salzer, BB 1979, 394 (394 ff.), der die Produktbeobachtungspflicht als Korrelat zur Haftungsfreistellung für Entwicklungsgefahren der Produktserien bis zum Bekanntwerden der Gefahr sieht.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
teresse an einer innovationsfreudigen Wirtschaft widerspricht304. Daher war für den Fall einer Nichterkennbarkeit des Produktfehlers zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten, den Schaden verursachenden Produktes der Haftungsausschluss des Herstellers anerkannt.305 Als Ausnahmeregelung für eine Haftungsfreistellung ist die Erkennbarkeit der potentiellen Gefährlichkeit eng auszulegen und bezieht sich bereits auf das allgemeine, mit der gewählten Konstruktion maßgebliche Fehlerrisiko; sie muss sich also nicht explizit auf die konkrete schadenverursachende Gefährlichkeit beziehen.306 Auch sollte der Hersteller durch die drohenden Schadenersatzzahlungen motiviert bleiben, mögliche und wirtschaftlich zumutbare Forschungstätigkeiten zur Verbesserung der Produktsicherheit durchzuführen, ohne ihn aber durch eine zu weit gefasste Forschungspflicht zu Risiken außerhalb aller bisherigen Erfahrungen und erwarteten wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten zu demotivieren, überhaupt kostenträchtige Forschungen durchzuführen, und ohne ihn zu veranlassen, statt dessen den Schadenersatz (für die dann in keiner Weise verbesserte Produktsicherheit) schicksalhaft zu ertragen.307 Im Interesse der Verbrauchersicherheit sind daher von der Ausnahmeregel keine erkennbaren Gefahren umfasst, von denen der Hersteller keine Kenntnis hatte, weil er das Produkt nicht ausreichend geprüft hat308, oder die daraus resultieren, dass der Hersteller – ohne einen weiteren gesellschaftspolitischen und gesamtwirtschaftlichen Vorteil zu generieren – lediglich zur Gewinnsteigerung technische Sicherheitsredundanzen verringert hat309. Aufgrund dieser verbraucherschützenden Erwägungen können Entwicklungsfehler nur auf Gefahren beruhen, die zum Anknüpfungszeitpunkt objektiv nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik, also nach der Gesamtheit der auf dem Fachgebiet gewonnenen und bekannten wissenschaftlichen und technischen Sachkunde, nicht erkennbar waren.310 Der Stand von Wissenschaft und Technik wurde als 304
Zu den Gefahren einer zu weiten Herstellerhaftung Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2288 f.). Vgl. statt vieler zuletzt Meermann, S. 31. 306 BGH NJW 2013, 1302; Lenz, PHI 2009, 196 (199). 307 Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2288); vgl. zum Für und Wider einer Haftung für Entwicklungsgefahren, um den Hersteller zur Forschung zu motivieren, Schäfer/Ott, S. 385 f. 308 OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (894); BT-Drs. 11/2447 S. 15: mit Bezugnahme auf die Rechtslage zum § 823 Abs. 1 BGB; vgl. dazu BGH VersR 1963, 860 (861); in der Literatur für eine enge Auslegung des Ausschlusstatbestands Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22; dazu Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494); Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (291 f.); Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.763, der auch Neu- und Weiterentwicklungen, bei denen konstruktions- oder fertigungstechnisch neue Wege beschritten werden, darunter fasst; Pfeifer, S. 97; von Hippel, S. 56; Graf von Westphalen, WM 1981, 1154; Marburger, S. 162; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, S. 72 Rn. 79; ders., BB 1972, 1430 (1433). 309 Vgl. hierzu die Beispiele bei Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2291). 310 Meermann, S. 262; Wagener/Geissl, S. 124; Reinelt, DAR 1988, 80 (85); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (58 f.); Fischer, DB 1977, 71 (73); vgl. auch die Bezugnahme in der Gesetzesbegründung zum ProdHaftG in BT-Drs. 11/2447 S. 15. 305
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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ein Mehr zu den anerkannten Regeln der Technik, also der herrschenden Auffassung in der Praxis311, verstanden, deren Einhaltung nicht zur Haftungsfreistellung aufgrund von Entwicklungsfehlern führt und deren Nichteinhaltung in aller Regel als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzusehen ist312. Die objektive Expertensicht umfasst die Gesamtheit der neuesten technischen und technologischen Standards und Erkenntnisse, die eine optimale Gefahrensteuerung mit sicherheitstechnisch besonders wirksamen Maßnahmen gewährleistet und deren praktische Eignung durch eine erfolgreiche Erprobung unter den üblichen Betriebsbedingungen bei gleichen oder gleichartigen Verhältnissen (experimentell) nachgewiesen ist oder die jedenfalls soweit gesichert erscheint, dass ihre Anwendung kein unzumutbares Kostenrisiko auferlegt.313 Die Gesamtheit der Sachkunde umfasst alle nationalen oder internationalen (ggf. fremdsprachigen) nicht obskuren Fachveröffentlichungen (Fachliteratur inklusive Vergleiche mit Konkurrenzprodukten, Auswertung von Beschwerdebriefen, Fachkongresse, Branchenchats, Newsletter-Beurteilungen und Kurzfilme über Produktprobleme in der weltweiten Internet-Gemeinde), von denen der Hersteller aufgrund der gesamten Umstände davon auszugehen hat, dass für seinen Produktbereich einschlägige Fragen behandelt werden.314 Im Ergebnis ist damit die Kontroverse, ob „Stand der Technik“ das Fachwissen der in der Praxis der jeweiligen Branche bereits realisierten technischen Möglichkeiten und der „Stand der Wissenschaft“ einen wissenschaftlich höheren Standard als das Fachwissen der Lehre umfasst, der die technisch-naturwissenschaftliche Praxis noch nicht erreicht hat315, oder ob mit „Stand der Wissenschaft“ die zusätzlichen Forschungsergebnisse anderer nichttechnischer wissenschaftlicher Disziplinen gemeint sind,316 von rein akademischer Natur, ohne praktische Auswirkungen und kann dahingestellt bleiben. 311
Vgl. BGH NJW 1980, 1219 (1220); Marburger, S. 146 f., 162 f., 439 f. So OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333; LG Stuttgart NJW-RR 2012, 1169; Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22a. 313 Vgl. Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22a; Pfeifer, S. 87, 221; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (59); Marburger, S. 162, 165. 314 BGH NJW 1981, 1606 (1608); OLG Frankfurt VersR 1987, 1196 (1197); Kullmann/ Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22b; Meermann, S. 183; Wagener/Geissl, S. 124; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203; Rolland, § 1 Rn. 144: ggf. ergänzt mit einer eigenen experimentellen Auswertung; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (59); Schmidt-Salzer, BB 1979, 394 (395); Marburger, S. 156; BT-Drs. 11/2447 S. 15: Abstellen auf den „über Ländergrenzen“ hinausreichenden Erkenntnisstand; einschränkend Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (292), wonach das abstrakte Gefahrenpotential in der Weise zu bestimmen sei, dass auf die Länder, in denen über die betreffenden Produkte hauptsächlich geforscht wird und die dem operativen Feld des Herstellers zuzurechnen sind, abgestellt wird; einschränkend auch Kullmann, WM 1981, 1322 (1325): geographischer Umfang der Erkenntnisgewinnungspflicht bestimmt das Vertriebsgebiet. 315 So Wagener/Geissl, S. 124; Rolland, § 1 Rn. 143; Pfeifer, S. 87; auf den Spezialisierungsgrad abstellend Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 120. 316 So Marburger, S. 164 f. mit Verweis auf einen ansonsten bestehenden begrifflichen Pleonasmus, weil die Technik selbst Gegenstand einer wissenschaftlich-theoretischen Forschung ist. 312
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Um eine möglichst hohe Produktsicherheit zu erreichen, wird der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik weit ausgelegt. Neben den gesicherten und allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen (herrschende Meinung) gehören dazu in Abhängigkeit des Gefahrenpotentials auch neue, ggf. vereinzelte Forschungsergebnisse, praktische Erfahrungen und Mindermeinungen, die Anlass zur Relativierung der herrschenden Meinung sein könnten, weil sie bestimmte Sicherheitsrisiken aufgrund von zumindest experimentell oder praktisch belegten und begründeten wissenschaftlichen Erkenntnissen nachvollziehbar beschreiben.317 Als nicht nachvollziehbar und daher als nicht zum Stand von Wissenschaft und Technik gehörig werden wissenschaftliche Meinungen ohne praktische Belege und ohne Bezug zu experimentell bestätigten Erkenntnissen der Wissenschaft (z. B. bloße theoretische Überlegungen, Hypothesen o. ä.) angesehen, selbst wenn diese in Fachschriften beschrieben und an Hochschulen gelehrt werden.318 Zur Abgrenzung sind die Ausführungen des BVerfG instruktiv, wonach es die verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gegenüber den Gerichten als staatliche Gewalt nicht gebietet, produkthaftungsrechtliche Schutzmaßnahmen zur Vermeidung aller denkbaren Gesundheitsschäden oder gar hypothetischen Gesundheitsgefahren zu treffen, die auf einer wissenschaftlich ungeklärten Tatsachengrundlage beruhen und daher zwar nicht auszuschließen, aber auch nicht dokumentiert sind.319 Das BVerfG wies den Zivilgerichten die Aufgabe zu, durch eine eigenständige Risikoeinschätzung allein aufgrund konkreter gesicherter Erkenntnisse von anerkannten wissenschaftlichen Stellen mit erheblichem wissenschaftlichem Gewicht und damit anhand gesicherter Befunde zu entscheiden.320 In einschränkenden Auffassungen in der Literatur soll der Hersteller nicht zu tatsächlich oder wirtschaftlich unmöglichen Handlungen gezwungen werden, so dass unbedeutende oder wegen der Sprache nur schwer zu vermittelnde Erkenntnisse nicht zu verwerten seien321, ein Mindestmaß an Publizität gewährleistet und für den 317 Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22a; Meermann, S. 179; Schäfer/Ott, S. 383; Rolland, § 1 Rn. 143; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 129; Graf von Westphalen, WM 1981, 1154; Fischer, DB 1977, 71 (73); Pfeifer, S. 87, der bei technischen Neu- und Weiterentwicklungen dem Hersteller einen Zeitraum zur Beobachtung der praktischen Erprobung und der technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit einräumt; Schlechtriem, ZEuS 2002, 15 (23 f.), der bei sich später bewahrheitenden Außenseitermeinungen einen von der Allgemeinheit getragenen Fonds vorschlägt. 318 MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 55; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 128. 319 BVerfG NJW 2002, 1638 (1639): „In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen.“ 320 BVerfG NJW 2002, 1638 (1639). 321 So Rolland, § 1 Rn. 144.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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idealtypischen Hersteller allgemein verfügbar und verifizierbar sein müsste322 oder auf die Spezialisierung des Herstellers abzustellen sei323. Damit wird nicht nur die verhaltensbezogene Bestimmung der Produkthaftung konsequent aufgenommen324, sondern es werden auch Vorschläge aufgegriffen, die Gefahrenerkenntnis nicht als absoluten Haftungsmaßstab, sondern als einen sich allmählich und dialektisch entwickelnden Prozess anzusehen325, und einen Produktfehler nur dann zu bejahen, wenn eine Vielzahl der in dem betreffenden Zweig tätigen Experten dies als zutreffend anerkennen326 oder die Gefahrenkenntnis allen Wettbewerbern zugänglich ist327. Diese Gedanken nimmt die Rechtsprechung lediglich bezüglich der Produktbeobachtungspflicht in der ausdrücklichen Einschränkung auf, dass die Erkenntnisgewinnungspflicht des Herstellers unter dem Vorbehalt der Geeignetheit und Erforderlichkeit – also Verhältnismäßigkeit oder Zumutbarkeit – steht, indem eine Abwägung – unter Berücksichtigung der Art des Produkts, des Vertriebs und seiner Häufigkeit in der Hand der Endabnehmer, der Art des gefährdeten Rechtsgutes, der Wahrscheinlichkeit der Gefahrenverwirklichung, der Zahl der Betroffenen, der Schwere der Rechtsgutverletzung, der Höhe des zu erwartenden Schadens, der Schutzbedürftigkeit des Betroffenen, des Verhältnisses des individuellen Vorteils des Herstellers zum sozialen Nutzen des Produktes, des Vorhandenseins von Ausweichmöglichkeiten und deren Zumutbarkeit für den Gefährdeten, der Kosten der Maßnahme sowie des Umfangs und der Kosten der erforderlichen Mitwirkung der Gefährdeten – durchgeführt wird.328 Die Anwendung dieser – dem verhaltensbezogenen Fehlerbegriff entsprechenden – Haftungsgrundsätze auf den angeblichen Ausschluss der objektiven Pflichtwidrigkeit im § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG lässt diese Haftungsausnahme als gesetzessystematischen Fremdkörper erscheinen. Bereits sprachlich setzt § 1 Abs. 2 Nr. 5 322 Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22b; Meermann, S. 180; Reinelt, DAR 1988, 80 (86); Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EGProdukthaftungsrichtlinie Rn. 143 f. 323 Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 144 ff. 324 Vgl. Meermann, S. 185, 262, die subjektive Faktoren wie die Betriebsgröße, den Spezialisierungsgrad, die Branchenzugehörigkeit und die regionale Verankerung eines Herstellers zwar als unerheblich, die Zugänglichkeit aber als Zumutbarkeitskriterium ansieht. 325 So Rolland, § 1 Rn. 144. 326 Vgl. Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 114. 327 Vgl. Simitis, S. 60. 328 StRspr., exemplarisch BGH NJW 1990, 906 (907 f.); BGH NJW 1987, 1009 (1010 f.); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (443); allg.M., exemplarisch Kullmann, NJW 2005, 1907 (1910); systematisch Bodewig, DAR 1996, 341 (342); Pieper, BB 1991, 985 (987); noch einschränkend Schmidt-Salzer, BB 1979, 394 (395), Löwe, DAR 1978, 288 (290) und SchmidtSalzer, Produkthaftung, S. 87 Rn. 108, die die Dauer der Produktbeobachtung mittels einer Abwägung unter Berücksichtigung des Umfangs und der Wahrscheinlichkeit der Gefahren sowie der Anzahl und Lebensdauer der verkauften Produkte bestimmen.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
ProdHaftG das Vorliegen eines „Fehlers“ gemäß § 3 ProdHaftG voraus329, was auch zum Ausschluss einer Unwerthaftung notwendig ist330. Da die Haftung aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG mit der Fehlerdefinition des § 3 ProdHaftG nicht an ein konkretes Herstellerverhalten anknüpft, fehlt dem ProdHaftG eine geeignete Anknüpfung des Ausschlusses der objektiven Pflichtwidrigkeit (die die Verkehrspflichtverletzung im § 823 Abs. 1 BGB zur Verfügung stellt), um beim Vorliegen von Entwicklungsfehlern nicht den Tatbestand der Fehlerhaftigkeit – sondern lediglich die objektive Pflichtwidrigkeit – entfallen lassen zu können331. cc) Die unbekannte Produktgefahr als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG Der Ausschluss der Produkthaftung des Herstellers für eine nicht erkennbare Gefährlichkeit lässt einige rechtssystematische Konflikte entstehen. Da die dem Haftungsausschluss wesensimmanente Erkennbarkeit der Gefahr eine Eigenschaft ist, die nur im Zusammenhang mit einem Menschen oder einer Menschengruppe bestimmbar ist und die damit die objektbezogene Fehlerbestimmung mit einem Verhaltenselement infizieren könnte, stellt sich die – in der strict products liability kontrovers diskutierte – Frage, ob überhaupt die (Nicht-) Erkennbarkeit der Gefährlichkeit die Haftung des Herstellers ausschließen kann. Andererseits bietet aber auch die von der allgemeinen Meinung vertretene einheitliche verhaltensbezogene Fehlerbestimmung keine Lösung, dass im deutschen Produkthaftungsrecht – gleich ob im § 823 Abs. 1 BGB oder im § 1 ProdHaftG – die Haftungsfreistellung objektiv bestimmt wird, und nicht subjektiv, wie es eine verhaltensbezogene Verkehrspflichtverletzung des Herstellers erfordern würde, da auch dieser Systembruch lediglich zielorientiert, nicht aber systematisch erklärbar ist. Das gilt umso mehr, als in der Literatur zu bedenken gegeben wurde, dass die rein objektive Betrachtungsweise anhand des Wissens- und Erkenntnisstandes aller mit Fachwissen ausgestatteten Experten in diesem Fachgebiet, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Experten aus betrieblichen Einrichtungen (Stand der Technik) oder aus akademischen Einrichtungen (Stand der Wissenschaft) handelt, zu nicht wünschenswerten Marktbeeinflussungen zu Gunsten der jeweiligen Marktführer mit ihrer eigenen langen und umfangreichen Fachkunde und ihren finanziellen Mitteln für Forschungen führen könnte, die gegenüber kleineren Konkurrenten oder Neueinsteigern ohne solche Mittel zur Erkenntnisgewinnung nicht nur derart überlegen sind, dass sie diese über das Haftungsrisiko aus dem Markt drängen, sondern die Konkurrenten durch Ge329 So auch Meermann, S. 262; bereits im Gesetzgebungsverfahren BT-Drs. 11/2447 S. 15 f.: das Produkt ist bereits zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe fehlerhaft und die Norm bezieht sich allein auf die Fehlererkennung. 330 Mit der Annahme einer Regelung, die Wissenselemente in eine verschuldensunabhängige Haftung trägt, Meermann, S. 202; a.A. Hörl, S. 101, die darin eine Begründung für die verhaltensbezogene Haftung des ProdHaftG sieht. 331 So bzgl. § 823 BGB Hager, J., VersR 1984, 799 (801).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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heimhaltung der Forschungsergebnisse von Gefahrenerkenntnissen sogar ausschließen können.332 Auch wenn es bei Produkten, die entweder eine hohe Gefahr für Leib und Leben entwickeln können oder die einem niedrigen gesellschaftlichen Nutzen oder Bedürfnis entsprechen, als vertretbar oder gar wünschenswert angesehen werden könnte, dass bestimmte Produkte, Produktgruppen oder gar Hersteller vom Markt verdrängt werden, müsste die volkswirtschaftliche Schädlichkeit einer Marktmonopolisierung333 wenigstens im Vorwurf einer Verkehrspflichtverletzung berücksichtigt werden.334 Die Lösung dieser methodischen Konflikte liegt in einer Neuinterpretation der Haftungsbeschränkung des Herstellers im § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG, da es in der Fehlerdefinition des § 3 Abs.1 ProdHaftG an einer Handlungspflicht des Herstellers fehlt, die zur Anknüpfung eines Ausschlusses einer objektiven Pflichtverletzung einer Verhaltenspflicht (wie bei Entwicklungsfehlern in der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB) geeignet ist. Vielmehr bestimmt der Erkenntnisstand über die Produktgefahren die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit an dem Produkt und muss daher in die allgemeine Produktfehlerbestimmung des § 3 ProdHaftG einbezogen werden. Das heißt, dass die Nichterkennbarkeit der Gefahr zwar ein dominanter, aber nur ein Abwägungsfaktor zur Bestimmung der angemessenen Produktsicherheit ist und nicht zwangsläufig zum Ausschluss der Fehlerhaftigkeit führt. Wenn nirgendwo auf dieser Welt zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe den Menschen die Gefährlichkeit des den konkreten Schaden verursachenden Produkts bekannt war oder unter Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen hätte erkannt werden können, dann können sich kaum – für eine Haftung sprechende – Sicherheitserwartungen entwickeln. Ist die Gefahr in irgendeiner Weise bekannt geworden, gibt es also irgendjemanden auf dieser Welt, der das Risiko bereits beschrieben hat, oder wäre die Gefahr mit den bereits entwickelten Erkenntnisquellen ermittelbar, dann können die in der deutschen Literatur diskutierten, rechtssystematisch aber schwer begründbaren Einschränkungen der objektiven Pflichtwidrigkeit bei einer objektiven Fehlerbestimmung mit Zumutbarkeitsaspekten (Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit der Schadensgefahr, Kenntnisse aller Beteiligten, Größe, wirtschaftliche Stellung und Spezialisierung des Herstellers, dessen Absatzmärkte usw.) im Rahmen der risk/ utility-analysis mit gleichen (gewünschten und als sachgerecht angesehenen) Ergebnissen rechtssystematisch stringent eingebunden werden. Auch kann der Umfang der zu berücksichtigenden Mindermeinungen entsprechend der Schwere der Schädigungsgefahr bestimmt werden.335 Um deutlich zu machen, dass diesem Abwägungskriterium jegliche verhaltensbezogene Komponente entzogen ist, sollte der stärker objektivierende Begriff der Vorhersehbarkeit – ähnlich der foreseeability in der strict products liability – verwendet werden. 332 333 334 335
Vgl. Simitis, S. 56 ff. Vgl. Simitis, S. 57 f. A.A. Meermann, S. 185. So auch Meermann, S. 184.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Die derzeitige Auslegung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG widerspricht dieser flexiblen Anwendung. Mehr noch ist diese Norm unter Zugrundelegung der objektbezogenen Fehlerdefinition des § 3 Abs. 1 ProdHaftG als Fremdkörper anzusehen. Zur Bestimmung eines objektbezogenen Produktfehlers ist § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG einschränkend so auszulegen, dass die Vorhersehbarkeit der Gefahr allgemein im Rahmen des § 3 Abs. 1 ProdHaftG zur Bestimmung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu berücksichtigen ist und § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG lediglich eine ausdrückliche gesetzliche Regel dafür darstellt, dass die Abwägung zwingend zugunsten der Angemessenheit der Gefährlichkeit des Produkts führt, falls die zur Verletzung führende Gefahr von niemanden auf dieser Welt hätte erkannt werden können, weil sie bisher nicht bekannt war und auch nicht durch die vorhandenen Erkenntnismittel hätte erkannt werden können. b) Fall 2: Die unvermeidbare Produktgefahr Falls die Gefahr dem Hersteller bekannt ist, ihm aber keine alternativen Konstruktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, diese zu vermeiden oder wenigstens zu verringern, muss er sich unternehmerisch entscheiden, ob er das Produkt trotzdem in den Warenverkehr gibt oder davon absieht. Ihn immer für die Realisierung bekannter, unvermeidbarer Gefahren haften zu lassen, birgt die gewichtige Gefahr in sich, dass dem Verbraucher sehr nützliche, vielleicht sogar lebensnotwendige Produkte unzugänglich sind. Das kann und darf das Produkthaftungsrecht nicht bewirken. Daher ist anerkannt, dass bei produktimmanent unvermeidbar gefährlichen Produkten die Fehlerhaftigkeit des Produktes davon abhängig ist, ob die Gefahren – aufgrund dessen sozialer Nützlichkeit – von der Allgemeinheit in Kauf genommenen werden.336 Bei einer konsequenten Umsetzung der allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts müsste bei der – nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur – verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung sowohl das Vorliegen einer nach dem Stand von Wissenschaft und Technik unvermeidbaren Gefahr wie auch das Vorliegen einer nicht erkennbaren Gefahr kategorisch zum Ausschluss eines Produktfehlers führen337, da niemand Anspruch auf eine unmögliche Leistung hat (§ 275 Abs. 1 BGB), also die Rechtsordnung nicht verlangen kann, dass der Hersteller Gefahren an seinem Produkt beseitigt, wozu er technologisch nicht in der Lage ist. Daher erscheint die Auffassung des Gesetzgebers, dass sich der Anwendungsbereich
336 Sogar für Tabakprodukte bejaht, vgl. OLG Hamm NJW 2005, 295 (296 f.); vgl. in der Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 21 und bereits vorher Kullmann, ZEuS 2002, 37 (41); Zoller, S. 182 f.; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.779; Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1302); Simitis, S. 62 f.; vom Gesetzgeber akzeptiert, vgl. BT-Drs. 11/2447 S. 18. 337 So BGH NJW 1995, 2162 (2163); OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 284; Pfeifer, S. 240, 247.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG allein auf den nicht erkennbaren, aber bestehenden Fehler bei der Inverkehrgabe beschränken solle338, als systeminkonform. Gegen eine Gleichbehandlung von nicht erkennbaren und unvermeidbaren Gefahren unter Zugrundelegung eines verhaltensbezogenen Fehlerbegriffs wurde vorgebracht, dass Entwicklungsgefahren die Grenzen der menschlichen Gefahrenerkenntnis betreffen, während sich unvermeidbare Gefahren auf die Grenzen der menschlichen Problemlösungsmöglichkeiten beziehen.339 In der Literatur wurde – mit Verweis auf die Verhaltenspflicht des Herstellers, keine Ursachen für eine Rechtsgutverletzung Dritter zu setzen – vorgeschlagen, eine Verletzung einer konstruierten Unterlassungspflicht anzunehmen, keine unvermeidbar gefährlichen Produkte in den Warenverkehr zu geben, falls zwischen dem Risiko für den Benutzer einerseits und dem Nutzen des Produkts – entweder für den einzelnen Benutzer oder aber generell für die Gesamtheit der Verbraucher – andererseits im begründeten Ausnahmefall ein besonders großes Missverhältnis zu Lasten der Nützlichkeit besteht.340 Diese Systematik erscheint überzeugend, wenn man berücksichtigt, dass die Grenzen der Unvermeidbarkeit – im Gegensatz zur Nichterkennbarkeit der Gefahr, die eindeutig bestimmbar ist – sich aus einer Gesamtschau vieler Umstände ergeben und das Ergebnis eines Abwägungsvorgangs unter technischen, finanziellen und marktorientierten Gesichtspunkten sind. Die Entscheidungen zur strict products liability machen aber deutlich, dass es keiner derartigen – mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht des Verbrauchers zweifelhaften – Rechtskonstruktion einer Unterlassungspflicht bedarf, um zu den vom Gesetzgeber und der Literatur als wünschenswert erachteten Ergebnissen zu gelangen. In der strict products liability wurde das Problem im Rahmen der Bestimmung der Verbrauchererwartungen auf der Grundlage der berechtigten Sicherheitsinteressen aufgegriffen, auch wenn in den Entscheidungen sprachlich nicht immer sauber zwischen der unbekannten und der bekannten – durch konstruktive Maßnahmen unvermeidbaren – Gefahr unterschieden wird. Diese abwägungsbestimmte Berücksichtigung der Unmöglichkeit einer Gefahrenvermeidung ist im Rahmen einer objektbezogenen Fehlerbestimmung stimmig, da dem Produkt von seiner Inverkehrgabe ab die Gefährlichkeit innewohnt. Wenn ein Produkt nach dem state-of-theart die maximale Sicherheit aufweist, können die im Rahmen der risk/utility-analysis zu berücksichtigenden rechts- und gesellschaftspolitischen Ziele zum Ergebnis führen, dass dieses unangemessen gefährlich und damit fehlerhaft ist, falls einer großen Gefahr schwerer Gesundheitsschäden eine geringe (persönliche und/oder gesellschaftliche) Nützlichkeit gegenübersteht und daher ein hohes allgemeines 338
BT-Drs. 11/2447 S. 16. So auch Meermann, S. 33, 257; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 108 f. 340 Sehr instruktiv die Ausführungen in MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 655 f., die der Rechtslage in der strict products liability fast deckungsgleich entsprechen; vgl. bereits Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (623 f.); Schmidt-Salzer, Produkthaftung, S. 75 Rn. 85; klargestellt in Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.688. 339
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Interesse besteht, das Produkt mittels eines großen finanziellen Haftungsrisikos des Herstellers aus dem Warenverkehr zu drängen.341 Unter Zugrundelegung einer objektbezogenen Fehlerbestimmung ist es daher möglich, dem eigentlichen Ziel der Nichtberücksichtigung der unvermeidbaren Gefahr im § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG – aus gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Gründen unterschiedliche Rechtsfolgen bei unvermeidbar gefährlichen Produkten mit niedriger alltäglicher Nützlichkeit (Spaß- und Luxusprodukte) einerseits und für die im alltäglichen Leben nützlichen oder sogar lebensnotwendigen Produkte andererseits zu bestimmen – rechtssystematisch stringent zu entsprechen, ohne zweifelhafte Unterlassenspflichten des Herstellers konstruieren zu müssen. Wenn die Abwägung der Nützlichkeit des Produkts mit der konstruktiv unvermeidbaren Gefährlichkeit des Produkts zum Ergebnis kommt, dass ein Verdrängen vom Warenverkehr nicht den allgemeinen Verbraucherinteressen entspricht, dann stellt sich die Frage, ob der Hersteller andere Gefahrenvermeidungsmaßnahmen ergreifen muss. Da die objektbezogene Fehlerbestimmung die angemessene Gefährlichkeit des Produkts nicht mittels des Herstellerverhaltens, sondern mittels der Akzeptanz der Gesellschaft zur Produktgefahr bewertet, liegt der Fokus der Bestimmung eines objektbezogenen Fehlers allein in der Beurteilung der Produktbeschaffenheit, wie sie sich dem Verbraucher und Dritten gegenüber manifestiert, und nicht in der Beurteilung der Handlungen des Herstellers im Verlaufe der Entstehung und des Vertriebs eines Produkts. In der konkreten Anwendung der strict products liability wird der Frage nachgegangen, ob mit anderen Produkteigenschaften die vorgegebene Produktnützlichkeit mit einer größeren Produktsicherheit erreichbar gewesen wäre, so dass die konkreten Verletzungen (wahrscheinlich) vermieden worden wären.342 Die konsequent angewendete objektbezogene Produktfehlerbe341
Vgl. zum Ganzen CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1332 (Conn. 1997); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 183 et seq. (1983); TX: Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 100 (5th Cir. 1978); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment e.; l. c., Reporters Notes: Comment b., d.II.A. mit Verweis auf das Recht in West Virginia, d. II. B., d.II.C., e.; in der Gesetzgebung mit einer weiteren Konkretisierung der Abwägung N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (b); in der deutschen Literatur hierauf vermutlich Bezug nehmend Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (149); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202). 342 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1189, 1191 (Ala. 1985); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1154 (Ind. App. 1990); IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 299 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; LA: State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Ford Motor Co., 925 So.2d 1, 11 (La. App. 2005); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 184 (1983); OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1331 (9th Cir. 1993); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 284, 286 (3rd Cir. 1994); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 28 et seq. (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 666, 671 (Tex. App. 2005); General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 588 (Tex. 1999); Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 384 (Tex. 1995); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d.; l. c., Reporters Notes: Comment d. II. B.; LA: La. R.S. § 9:2800.54 (2011), Case Notes No. 200; in der Gesetzgebung La. R.S. § 9:2800.56 (1); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 21.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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stimmung unterscheidet also nur ein fehlerhaftes Produkt von einem nicht fehlerhaften Produkt, unterteilt den Produktfehler aber nicht in – die insoweit unbeachtlichen Verhaltenspflichten des Herstellers aufgreifenden – Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler343. Die weiteren Ausführungen werden zeigen, dass es notwendig ist, die Gefahrbeseitigungsmöglichkeiten in substantielle Maßnahmen (Konstruktion) und in kommunikative – mit dem Produkt verbundene – Maßnahmen (Warnungen und Instruktionen) zu unterteilen.344 Trotzdem stellen aber fehlerhafte Instruktionen und Warnungen lediglich einen Teilaspekt der einheitlichen juristischen Beurteilung dar, ob die Produktbeschaffenheit den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit genügt.345 Die allgemeine Meinung im deutschen Produkthaftungsrechts, jegliche Tatbestände der Produkthaftung würden auf einem verhaltensbezogenen Fehlerbegriff beruhen, führt dazu, dass die einzelnen Produktfehlertypen Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler gleichwertig nebeneinander geprüft werden346 und dass der Produktfehler unter ausdrücklichem Verweis auf die daneben noch zusätzlich in Frage kommende, für das Ergebnis aber nicht mehr zu prüfende Verhaltenspflicht bejaht wird347. Dass ist auch systematisch stringent, denn es ist den einzelnen Verhaltenspflichten des Herstellers im Produktzyklus per se keine Priorisierung zu entnehmen; die Verkehrssicherungspflichten bezüglich der unterschiedlichen Produktzyklen in der Produktion und dem Vertrieb sind also gleichwertig. Trotzdem ist in der neueren Rechtsprechung zu beobachten, dass – wie in der 343
Vgl. Hörl, S. 78; nicht so weit gehend Pfeifer, S. 156, der aber anerkennt, dass die Produktkonstruktion und die Produktkommunikation in einem unlösbaren Zusammenhang stehen und sich in der Weise gegenseitig bedingen, dass bei konstruktiven Restgefahren der Hersteller darüber genau aufklären muss und umgekehrt, bei fehlenden ausreichenden Instruktionen die Konstruktion so sicher sein muss, dass auch der uninformierte Verwender nicht übermäßig gefährdet wird. 344 AZ: d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 893 (9th Cir. 1977); CA: Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 732 (1986); Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 651 (1966); CO: Frazier v. Kysor Industrial Corp., 607 P.2d 1296, 1300 (Colo. App. 1979); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 8 et seq.; HI: Ontai v. Straubclinic and Hospital Inc., 659 P.2d 734, 743 (Haw. 1983); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 938 (Kan. 2000); MN: Karjala v. Johns-Manville Products Corp., 523 F.2d 155, 158 et seq. (8th Cir. 1975); NJ: Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 447 et seq. (1984); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 183 (1983); OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1324 (9th Cir. 1993); TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 521 (5th Cir. 2001); Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 469 (5th Cir. 1985); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1088 et seq. (5th Cir. 1973); in der Sekundärliteratur Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment l.; MUPLA, Analysis, p. 62723; in der Gesetzgebung La. R.S. § 9:2800.56 (2); N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (a) (3); MUPLA Sec. 104 (C) (1), 106 (B) (3); aufgegriffen in der deutschen Literatur Zekoll, IPRax 1997, 198 (202). 345 Vgl. Hörl, S. 78. 346 Seit BGH VersR 1959, 523 (524); exemplarisch im Anschluss OLG Köln VersR 1993, 110 (111 f.); vgl. auch Graf von Westphalen, WM 1981, 1154 (1156). 347 BGH VersR 1972, 1075 (1076).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
strict products liability – eine funktionelle Einheit zwischen dem untrennbar dem Produkt anhaftenden Konstruktions- und Fabrikationsfehler und dem in einem fehlerhaften Produktvertrieb liegenden Instruktionsfehler, dessen Gefährlichkeit erst unter Berücksichtigung des Benutzerverhaltens entsteht, angenommen wird, so dass nur dann ein Produkt als fehlerfrei angesehen wird, wenn es entweder gegenständlich für die voraussehbaren Verwendungszwecke und die voraussehbaren Benutzer nicht unnötig gefährlich oder aber hinsichtlich der nicht vermeidbaren gefährlichen Eigenschaften mit ausreichenden Instruktionen versehen ist.348 Der fehlerhafte Vertrieb des Herstellers in Gestalt von Instruktionen und Warnungen hat in den neueren Entscheidungen nur dann eine eigenständige haftungsbegründende Bedeutung, wenn die bekannten Gefahren nach dem Stand der Wissenschaft und Technik unvermeidbar waren.349 aa) Die Gefahrenvermeidung mittels Anleitungen und Warnungen – duty to warn Der einheitliche Fehlerbegriff in der objektbezogenen Produktfehlerbestimmung legt nahe anzunehmen, dass die Erhöhung der Sicherheit durch die Veränderung der Produktsubstanz und kommunikative Gefahrbeseitungsmaßnahmen gleichwertig sind, da es nur auf die Gefährlichkeit des Produkts in seiner Gesamtheit, wie es sich dem Nutzer oder Dritten präsentiert, ankommt. Konstruktive und kommunikative Maßnahmen unterscheiden sich aber substantiell, so dass sie nicht gleichwertig sind. Warnungen und Anleitungen stellen Sicherheitsmaßnahmen dar, die nicht dem Benutzungszweck des Gerätes selbst dienen, sondern nur die Möglichkeit von Verletzungen aufgrund der – vom Hersteller als sicherheitstechnischen Experten – vorhersehbaren Fehlbenutzung reduzieren sollen.350 Mehr noch beseitigt die Vertriebs- und Produktkommunikation nicht die latente Gefährlichkeit der Produktsubstanz, sondern es wird lediglich die von der Rechtsordnung akzeptierte Ge348 So die Definitionen des „Instruktionsfehlers“ des OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); vgl. bereits OLG Köln VersR 1987, 573; in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 662; Kullmann, NJW 2005, 1907 (1908 f.): Instruktionspflicht auch bei Einhaltung aller gesetzlichen Anforderungen; Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1434): Instruktionsfehler ist Sonderbereich des Konstruktionsfehlers; Schäfer/Ott, S. 370: aufgrund des informationellen Fehlerbegriffs besteht eine innere Einheit zwischen Konstruktions- und Informationsfehler; mit gleichem Ergebnis bzgl. der Kommunikationspflichten des Herstellers nach dem Inverkehrbringen Schmidt-Salzer, BB 1979, 394 (395). 349 BGH NJW 1999, 2815; BGH NJW 1992, 2016 (2018); OLG Bamberg VersR 2010, 403 (404); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (172); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); AG Simmern NJW-RR 2002, 384; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 664; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (771); Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.779 f.; von Hippel, S. 49 f.; Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1301); Marburger, S. 130; Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1434); im Ergebnis auch Kullmann, NJW 2005, 1907 (1908 f.). 350 Vgl. AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 44 (Alas. 1979); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 942 (Kan. 2000).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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fährlichkeit dem Produktnutzer vermittelt, damit er sich selbst vor den unvermeidbaren Gefahren schützen kann.351 Selbst deutlich sichtbare und eindringliche Warnungen vor einer Fehlbedienung des Produkts können aber nicht ausschließen, dass Menschen die (bisweilen sehr umfangreichen) Warnungen nicht zur Kenntnis nehmen, aus Unachtsamkeit vergessen, ihnen mangels hinreichender Motivation nicht folgen oder diese nicht beachten können, weil sie in der zur Verletzung führenden Situation instinktiv oder intuitiv handeln.352 Daher wird überwiegend zur Hierarchie der Gefahrvermeidungsmaßnahmen vertreten, dass Anleitungen und Warnungen nicht die unangemessene Gefährlichkeit der Produktsubstanz ausgleichen können und das Produkt fehlerfrei werden lassen.353 Die Berücksichtigung kommunikativer Gefahrvermeidungsmaßnahmen zur Bewertung der Angemessenheit der Gefährlichkeit des Produkts kommt demnach nur in Betracht, falls die Produktsubstanz als solche nicht unangemessen gefährlich ist354. Um jedoch im Einzelfall ein als gerecht angesehenes Ergebnis zu erzielen, wurden gelegentlich kommunikative Maßnahmen, die bei ihrer Beachtung das Produkt hinreichend sicher gemacht hätten, zur Bestimmung der nach den Interessen der Allgemeinheit akzeptablen Gefahrenver351 CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 651 (1966); MI: Hollister v. Dayton-Hudson Corp., 201 F.3d 731, 740 (6th Cir. 2000). 352 AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 44 (Alas. 1979); CA: Anderson v. OwensCorning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991); DC: Rogers v. Ingersoll-Rand Co., 144 F.3d 841, 845 (DC Cir. 1998); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 942 (Kan. 2000); NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 564 (1998); TX: Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 337 (Tex. 1998); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment l.; l. c., Reporters Notes: Comment l.; in der deutschen Literatur im Ergebnis zustimmend Hörl, S. 86. 353 AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 44 (Alas. 1979); CA: Anderson v. OwensCorning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 732 (1986); Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 651 (1966); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super. LEXIS 2353, p. 8 et seq.; DC: Rogers v. Ingersoll-Rand Co., 144 F.3d 841, 844 (DC Cir. 1998); FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 467 (Fla. App. 1981); KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 942 (Kan. 2000); NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 564 (1998); Feldman v. Lederle Laboratories, 97 N.J. 429, 447 et seq. (1984); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 183 (1983); OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1324 (9th Cir. 1993); TX: Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 336 et seq. (Tex. 1998); nunmehr auch im Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment l.; l. c., Reporters Notes: Comment l., aufgenommen; in der deutschen Literatur Hirte/Willamowski, VersR 2007, 143 (148); a.A. FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1145 fn. 4 (Fla. App. 1981) „Other products – although not unavoidably unsafe – that are also required to bear warnings or directions. (…) When proper warnings are attached to such products, they are excepted from the Restatement’s standard of defectiveness.“ 354 Vgl. hierzu die Urteilsgründe in TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 521 (5th Cir. 2001) „Even a product that is safely designed and manufactured may be unreasonably dangerous as marketed because of a lack of adequate warnings or instructions.“; so auch Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 469 (5th Cir. 1985); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1088 et seq. (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment l.; in der Gesetzgebung N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (a) (3).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
meidung (zwar) nicht als absolute defense, aber zur Bestimmung einer hinreichenden Akzeptanz der Produktgefährlichkeit selbst bei einer bestehenden Möglichkeit einer sichereren Konstruktion im Rahmen der risk/utility-analysis berücksichtigt.355 Eine weitere Besonderheit der kommunikativen Gefahrbeseitungsmaßnahmen wurde in der deutschen Literatur zum Anlass genommen, die Bewertung der Angemessenheit der Produktkommunikation als Systembruch in der objektbezogenen strict products liability356 oder als Indiz anzusehen, dass die strict products liability verhaltensbezogen sei357. Richtig ist, dass die mit dem Produkt verbundene Vertriebskommunikation des Herstellers kein notwendiger Bestandteil der Produktsubstanz, sondern wesensimmanent eine substanzlose Informationsvermittlung ist (auch wenn sie sich medial körperlich manifestieren kann), die neben der das Produkt ausmachenden Substanz und der sich daraus ergebenden Gebrauchsmöglichkeit steht.358 Die kommunikativen Gefahrenbeseitigungsmaßnahmen sind wesensimmanent Handlungen des Herstellers, ohne sich in der Produktsubstanz zu manifestieren. Eine umfassende Analyse der strict products liability führt zur Erkenntnis, dass sich die kommunikativen Gefahrbeseitigungsmaßnahmen widerspruchsfrei in die objektbezogene Produktfehlerbestimmung in der strict products liability einfügen lassen, wenn man berücksichtigt, dass die strict products liability eine dem Verbraucherschutz dienende Symbiose aus dem vertraglichen Gewährleistungsrecht und der deliktischen Verhaltenshaftung ist, die auf die in der negligence entwickelten Grundsätze zurückgreift, soweit es der objektbezogenen Fehlerbestimmung nicht widerspricht.359 Wenn ein Produkt eine konstruktiv unvermeidbare Gefährlichkeit aufweist und die Interessen der Allgemeinheit dennoch eine Inverkehrgabe des Produkts begründen, dann sind – um eine Gefährdungshaftung zu vermeiden – zur Bestimmung der Einhaltung der Sicherheitsinteressen der Verbraucher – insbeson355 AZ: d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 893 (9th Cir. 1977); DC: Rogers v. Ingersoll-Rand Co., 144 F.3d 841, 844 (DC Cir. 1998); MN: Karjala v. Johns-Manville Products Corp., 523 F.2d 155, 158 (8th Cir. 1975); TX: Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 337 (Tex. 1998); in den Sekundärquellen MUPLA, Analysis, p. 62723; in der Gesetzgebung La. R.S. § 9:2800.56 (2); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/ Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 21; Meermann, S. 131 f. 356 Hierauf bezieht sich wohl die Andeutung in Rosengarten, auf S. 68, dass in der strict products liability nicht selten auf Verschuldenselemente zurückgegriffen werde. 357 Vgl. Pfeifer, S. 157 f., 196 f. 358 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1059 (1988); CT: Sterling v. Vesper Corp., 1993 Conn. Super LEXIS 2353, p. 10; IA: Olson v. Prosoco, Inc., 522 N.W.2d 284, 289 (Iowa 1994); in der Gesetzgebung La. R.S. § 9:2800.56 (2); vgl. CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991) und die darin gezogene Schlussfolgerung, dass eine zwangsläufige Haftung allein aufgrund des Fehlens jeglicher Warnungen und Instruktionen eine unmittelbare (unzulässige) Gefährdungshaftung darstellen würde. 359 So besonders deutlich CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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dere in der risk/utility-analysis – die mit dem Produkt und seiner Benutzung im Zusammenhang stehenden Warnungen und Instruktionen des Herstellers (also ein Verhalten des Herstellers bei der Inverkehrgabe) zu berücksichtigen, auch wenn sich erhebliche Überschneidungen mit der Sorgfaltsflicht des Herstellers zur Warnung vor erkennbaren Gefahren in der negligence ergeben.360 Die Berücksichtigung der kommunikativen Gefahrbeseitigung in der strict products liability unterscheidet sich von den in der Verhaltenshaftung zu berücksichtigenden Sorgfaltspflichten des Herstellers in der Weise, dass sich die zu beweisenden Umstände in der negligence auf die schuldhafte Verletzung der Warn- und Instruktionspflicht des Herstellers beziehen361, während in der strict products liability ohne Berücksichtigung des persönlichen Verschuldens des Herstellers allein auf das Fehlen der hinreichenden Warnung vor bekannten oder – unter Berücksichtigung der zum Anknüpfungszeitpunkt verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse – erkennbaren Gefahren abgestellt wird362. Dabei wird objektiv bewertet, ob die Warnung oder Instruktion die Gefährlichkeit der Produktsubstanz dem Verbraucherschutz entsprechend akzeptabel verringert oder gar beseitigt, weil sie aufgrund ihrer Form und ihres Inhalts vom Produktnutzer so wahrgenommen und verstanden werden kann, dass bei ihrer Befolgung eine sichere Produktbenutzung garantiert ist.363 Das wird als 360
CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1163 (Ind. App. 1990); IA: Olson v. Prosoco, Inc., 522 N.W.2d 284, 289 (Iowa 1994); vgl. auch die Urteilsgründe in CT: Tomer v. American Home Products Corp., 368 A.2d 35, 39 et seq. (Conn. 1976) mit Verweis auf OR: McEwen v. Ortho Pharmaceutical Corp., 528 P.2d 522, 529 et seq. (Ore. 1974); MI: Hollister v. Dayton-Hudson Corp., 201 F.3d 731, 741 (6th Cir. 2000); MN: Karjala v. Johns-Manville Products Corp., 523 F.2d 155, 159 fn. 6 (8th Cir. 1975); MS: O’Flynn v. Owens-Corning Fiberglas, 759 So.2d 526, 535 (Miss. App. 2000); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 618 (N.Y. App. Div.1982); Lancaster Silo & Block Co. v. Northern Propane Gas Co., 427 N.Y.S.2d 1009, 1015 (N.Y. App. Div.1980); TX: Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1093 (5th Cir. 1973). 361 Vgl. zu den Verhaltenspflichten des Herstellers in der negligence AR: Schenebeck v. Sterling Drug, Inc., 423 F.2d, 919, 922 et seq. (8th Cir. 1970); CO: Howard v. Avon Products, Inc., 395 P.2d 1007, 1011 et seq. (Colo. 1964); MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 505 (8th Cir. 1968); MN: Westerberg v. School District No. 792 of Todd County, 148 N.W.2d 312, 316 (Minn. 1967); Land O’Lakes Creameries, Inc. v. Hungerholt, 319 F.2d 352, 360 (8th Cir. 1963); a.A. MA: Wright v. Carter Products, Inc., 244 F.2d 53, 58 et seq. (2nd Cir. 1957), worin – aufgrund des Status des Herstellers als Experte – der Verschuldensbeweis bei Nachweis der Gefährlichkeit des Produkts und dem Fehlen einer Warnung als erbracht angesehen wird; vgl. auch Sylvania Electric Products, Inc. v. Barker, 228 F.2d 842, 848 et seq. (1st Cir. 1955). 362 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1002 (1991); a.A. IA: Olson v. Prosoco, Inc., 522 N.W.2d 284, 289 (Iowa 1994), worin ein einheitlicher, nicht unterscheidbarer Haftungsmaßstab in der strict products liability und negligence angenommen wird; vgl. auch MS: O’Flynn v. Owens-Corning Fiberglas, 759 So.2d 526, 535 (Miss. App. 2000); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 618 (N.Y. App. Div.1982); vgl. zur Interpretation in der deutschen Literatur Pfeifer, S. 157 f. 363 AZ: d‘Hedouville v. Pioneer Hotel Co., 552 F.2d 886, 893 (9th Cir. 1977); HI: Ontai v. Straubclinic and Hospital Inc., 659 P.2d 734, 743 (Haw. 1983); in den Sekundärquellen Owen,
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
gegeben angesehen, wenn dem potentiellen Produktnutzer durch die vermittelten Informationen die Möglichkeit gegeben wird, aufgrund einer wissensbasierten Entscheidung unter Abwägung der Gefahren mit den Vorteilen und der Nützlichkeit des Produkts von der Nutzung des Produkts ganz abzusehen, das Produkt in einer Art und Weise zu nutzen, welche die Gefahren minimieren, oder sich der Gefahr bewusst auszusetzen.364 Da selbst hinreichende Warnungen oder Anleitungen die Gefahr nicht unmittelbar beseitigen, sondern es dafür einer tatsächlichen Mitwirkung des Produktnutzers im Wege einer Beachtung bedarf, nehmen viele Gerichte – um einer dem Schutzzweck der strict products liability unangemessenen Ausweitung der Herstellerhaftung bei einer Ignoranz des Produktnutzers entgegenzutreten – an, dass ein gewöhnlicher Nutzer das Produkt nicht entgegen den hinreichenden Warnungen oder Instruktionen in klarer und deutlicher Sprache oder mittels Piktogrammen nutzt, so dass trotzdem erlittene Verletzungen kein Indikator für eine unzulängliche kommunikative Gefahrenbeseitigung sind.365 Eine Mindermeinung plädiert dafür, selbst Warnungen vor Gefahren als Folge eines unvernünftigen Verhaltens des Geschädigten zur Bestimmung des Produktfehlers heranzuziehen (ggf. verbunden mit einer Haftungsfreistellung des Herstellers im Rahmen des Mitverschuldens), weil sonst nicht hinreichend berücksichtigt werde, dass bei vorhersehbarer Ignoranz der Hersteller kontraproduktiv nicht hinreichend motiviert werde, Produkte mit einer sich aufdrängenden Warnung in den Warenverkehr zu geben.366
74 Mich. L. Rev. 1257, 1349 (1976); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (C) (2) (d) (e) (3); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 21; Hoechst, S. 54 f.: klare, übersichtliche und von jeder mit dem Produkt in Berührung kommenden Person wahrnehmbare Warnung. 364 CA: Anderson v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 53 Cal.3d 987, 1003 (1991); TX: Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 468 (5th Cir. 1985); Hagans v. Oliver Machinery Co., 576 F.2d 97, 101 (5th Cir. 1978); Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1089 (5th Cir. 1973); in den Sekundärquellen mit Hinweis auf die abstumpfende Wirkung eines Zuviels an Warnung Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment i.; MUPLA, Analysis, p. 62724 et seq.; in der deutschen Literatur mit Verweis auf Warnschilder mit auffälligen Farben, großer Schrift, Signalwörtern und allgemein verständlichen Symbolen, die zum Nachdenken anregen und an gut sichtbarer Stelle in der gesamten Zeit der voraussichtlichen Lebensdauer des Produktes befestigt sind, Hoechst, S. 55 f.; umfassende Darstellung in Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (152). 365 IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1156 (Ind. App. 1990); LA: Kampen v. American Isuzu Motors, Inc., 157 F.3d 306, 313 (5th Cir. 1998); vgl. für den umgekehrten Fall KS: Burton v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 397 F.3d 906, 918 (10th Cir. 2005): „An inadequate warning, however, creates a presumption of causation.“; in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (152); a.A. Hoechst, S. 57 f.: unwiderlegbare Vermutung. 366 LA: Kampen v. American Isuzu Motors, Inc., 157 F.3d 306, 324, 326 et seq. (5th Cir. 1998), diss., Benavides, J.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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bb) Die Entwicklungslücke Im deutschen Produkthaftungsrecht wird die bekannte, nach dem Stand der Wissenschaft und Technik konstruktiv nicht vermeidbare Gefahr als Entwicklungslücke bezeichnet.367 Dem Hersteller obliegt nach den allgemeinen Regeln der Verkehrssicherungspflicht im Rahmen einer verhaltensbezogenen Produkthaftung dann eine Handlungspflicht, wenn ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch es als ausreichend und zumutbar hält, andere Personen vor Schäden zu bewahren, was alle Maßnahmen gegen Gefahren ausschließt, die sich aus einem vorsätzlichen oder leichtfertigen Fehlgebrauch (Missbrauch), aus einer unsachgemäßen Benutzung oder einem ungewöhnlichen Gebrauch ergeben und die somit gänzlich außerhalb der Zweckbestimmung eines Produkts liegen und mit denen der Hersteller nach Lage der Dinge nicht rechnen muss.368 Es muss also über alle bekannten Gefahren aufgeklärt werden, mit denen nach den berechtigten Erwartungen eines verständigen Herstellers auch unter Beachtung der allgemeinen Lebenserfahrung gerechnet werden muss, also neben den Gefahren aus dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Produkts auch bezüglich der Gefahren aus einem nahe liegenden unsachgemäßen, unvorsichtigen und bestimmungswidrigen, jedoch sich noch innerhalb des allgemeinen Verwendungszwecks bewegenden Fehlgebrauchs sowie aus jedem spezifischen Produktmissbrauch und Fehlgebrauch, die bereits aufgetreten und dem Hersteller bekannt sind.369 Die Anknüpfung an eine Ver367
Exemplarisch Meermann, S. 33, 257. StRspr. und h.M., so BGH NJW 1999, 2815 (2816); BGH NJW 1992, 2016 (2018); BGH NJW 1981, 2514 (2515); BGH VersR 1972, 1075 (1077); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); OLG Bamberg VersR 2010, 403 (404); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914): in Abhängigkeit zum gefährdeten Rechtsgut ist auf einen nicht dringenden, aber ernst zu nehmenden Gefahrenverdacht abzustellen; OLG Bremen VersR 2004, 207 (208); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25; OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 665, § 3 ProdHaftG Rn. 21; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204, 1207) mit Verweis auf OLG Koblenz; Kullmann, NJW 2005, 1907 (1909); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1077); Kullmann, NJW 2000, 1912 (1913); Hörl, S. 65, 68 f.; auch Baumgärtel, JA 1984, 660 (669); noch mit einer sehr weitgehenden Haftungsfreistellung BGH VersR 1959, 523 (524 f.). 369 Vgl. BGH NJW 1999, 2815; BGH NJW 1992, 2016 (2018); BGH NJW 1992, 560 (560 f.); BGH NJW 1981, 2514 (2515); BGH VersR 1972, 149 (150); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); OLG Bamberg VersR 2010, 403 (404); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Celle VersR 2004, 864; OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914 f.); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 346 (347); OLG Hamm NZV 1993, 310; OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317); OLG Köln VersR 1987, 573; AG Simmern NJW-RR 2002, 384 (384 f.); Molitoris/Klindt, NJW 2015, 1568 (1570) mit Verweis auf OLG Naumburg Urteil vom 21. 11. 2013 Az. 1 U 38/12; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 662, § 3 ProdHaftG Rn. 20; Lenz, PHI 2009, 196 (199); Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204, 1207) mit Verweis auf OLG Koblenz; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1077); Hörl, S. 64 f.; Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1301); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1285); Fischer, DB 1977, 71 (75); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (62 f.); kritisch Littbarski, NJW 1995, 217 (219, 222): Gefahr einer 368
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
kehrssicherungspflicht bedingt auch, dass zur Beurteilung des Umfangs der kommunikativen Gefahrbeseitigungsmaßnahmen auf das gesamte Verhalten des Herstellers abgestellt wird, etwa auch, ob er durch eine verharmlosende Werbung die Bedenken der Verbraucher gegenüber den Gefahren zerstreut oder diese gar veranlasst, das Produkt für ungeeignete Zwecke einzusetzen.370 Die Verankerung als allgemeine Verkehrssicherungspflicht hat zum einen zur Folge, dass die Gefährdung, vor der gewarnt oder die durch Anleitungen vermieden werden soll, hinreichend konkret sein muss.371 Das Maß der hinreichenden Konkretisierung der Gefahrenlage ergibt sich aus dem gefährdeten Rechtsgut.372 Bei drohenden Schäden für die menschliche Gesundheit reicht dafür bereits ein Gefahrenverdacht ohne gesicherte Erkenntnisse aus373, während bei drohenden Sachschäden der Hersteller die Bewährung seines Produkts in der Praxis intensiv beobachten kann, bis die jeweilige Sachschadensgefahr akut wird374. Kein valider Beurteilungsaspekt ist ein eventuelles Absatzrisiko, das sich aus den mit der Bedieunscharfen, konturenlosen und für den Hersteller nicht prognostizierbaren Ausweitung der Haftung auf den Fehlgebrauch als Folge fehlender verlässlicher objektivierbarer Wertungsmaßstäbe und statistischer Zahlen, die insbesondere bei Massenprodukten und bei einer medial gesteigerten Motivierung der Verbraucher zur unbegründeten Geltendmachung von Schäden oder gar zum unvernünftigen Produktgebrauch führen, deren Kosten dem Verbraucherschutz widersprechend von der Gesamtheit der (zumeist vernünftigen) Käufer durch höhere Produktpreise zu finanzieren wären oder gar zur arbeitsplatzgefährdenden Einstellung der Produktion nützlicher Gegenstände führen könnte; ebenfalls kritisch Hasskarl, BB 1973, 120 (122, 124): keine Instruktionspflicht über den bestimmungsgemäßen Gebrauch hinaus; in den wesentlichen Grundzügen bereits angeklungen, im konkreten Rechtsstreit aber das Vorliegen einer Verkehrspflichtverletzung verneint, in BGH VersR 1955, 765 (766). 370 Vgl. OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (915); LG Paderborn Urteil vom 25. 09. 2013 Az. 4 O 104/11 Rn. 47; MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 14; Buchner, VersR 2000, 28 (29, 32); Zoller, S. 177: zurückhaltende Werbebotschaften können eine Form der passiven gefahrenreduzierenden Information und Warnung sein. 371 Vgl. BGH NJW 1981, 1603 (1604): „(…) nicht jeder denkbaren Gefahr muß (sic) durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden.“; BGH VersR 1959, 523 (524): ein Produkt ist auch dann fehlerfrei, wenn es völlig ohne Instruktionen in den Warenverkehr gegeben wurde; OLG Frankfurt VersR 1987, 1196 (1197); OLG Köln VersR 1987, 573; OLG Celle NJW-RR 1986, 25; exemplarisch zu gleichen Einschränkungen der Haftung außerhalb des Produkthaftungsrechts BGH VersR 1980, 863 (864 f.); BGH NJW 1980, 392. 372 BGH NJW 1987, 1009 (1011); BGH NJW 1981, 1603 (1604); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914); OLG Köln VersR 1987, 573 (574); vgl. auch zu den Nuancen der hinreichend konkreten Gefahrenlage Kullmann, NJW 1996, 18 (19). 373 Vgl. BGH NJW 1989, 1542 (1544 f.): „ernst zu nehmender Verdacht“; BGH NJW 1981, 1603 (1604); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914); OLG Köln VersR 1987, 573 (574); OLG Celle VersR 1985, 148: zwei ungeklärte Fälle in mehr als fünf Jahren nicht ausreichend; Molitoris/Klindt, NJW 2015, 1568 (1571) mit Verweis auf OLG Naumburg Urteil vom 21. 11. 2013 Az. 1 U 38/12; Lenz, PHI 2009, 196 (199); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (63); Günter, NJW 1972, 309 (312). 374 Vgl. BGH NJW 1981, 1603 (1604); bei seltenen, aber typischen Gefahren mit hohen Sachschäden bejaht von OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 285 (286); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (63).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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nungsanleitung verbundenen Komforteinbußen oder aus der mit der Warnung verbundenen Abschreckungswirkung ergeben könnte.375 Zum anderen erfüllt der Hersteller nur dann seine Verhaltenspflicht, wenn durch die mit dem Produkt verbundene Kommunikation die Gefahren aus der Benutzung hinreichend effektiv vermieden oder gar beseitigt werden.376 Da es als zum allgemeinen Lebensrisiko gehörend angesehen wird, dass sich der Produktnutzer selbst über den richtigen gefahrlosen Umgang mit dem Produkt informiert, sind Warnungen und Instruktionen vor Gefahren entbehrlich, die so offensichtlich sind, dass man sie zum allgemeinen Lebensrisiko zählt, oder die zum allgemeinen Erfahrungswissen des in Betracht kommenden Benutzerkreises gehören (mit einer Differenzierung zwischen technischen Laien in privaten Haushalten, sachunkundigen Benutzern oder ausschließlich sach- und fachkundigen gewerblichen Nutzern377).378 Neben dem 375
BGH VersR 1972, 1075 (1076); OLG Köln VersR 1987, 573; Simitis, S. 64. BGH NJW 1987, 372 (373); OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317 f.); OLG Celle NJWRR 1986, 25; LG Duisburg DAR 1999, 550; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 668; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (63); Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1434). 377 Vgl. BGH NJW 1996, 2224 (2226): „Zwar können Instruktions- und Warnpflichten des Herstellers deutlich herabgesetzt sein, wenn das Produkt an Fachpersonen in Verkehr gebracht wird (…); sie sind aber keineswegs schon allgemein deshalb ausgeschlossen, weil das betreffende Produkt von Fachpersonal gehandhabt wird (…).“; wenn ausschließlich Fachleute mit dem Produkt in Kontakt kommen, ausschließlich Warnpflicht vor Gefahren, die selbst Fachleuten unbekannt sein können, so BGH NJW 1992, 2016 (2018); BGH VersR 1972, 149 (150); OLG Hamm NZV 1993, 310; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 346 (347): Aufklärungs- und Warnpflichten umso geringer, je weiter der geschädigte Verbraucher von der eigentlichen Zielgruppe des Produkts (Fachpersonal) entfernt ist; LG München I DAR 1999, 127 (128): in der Produktbeobachtungspflicht kann sich der Verbraucher auf eine Pflichtverletzung gegenüber der Fachwerkstatt hinsichtlich der Wartungsvorgaben berufen; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25 (26): wenn nicht ganz ungefährliche Produkte von Personen mit unterschiedlichen Gefahrenkenntnissen benutzt und die Vertriebswege nicht getrennt sind, ist auf die am wenigsten informierte und damit gefährdetste Benutzergruppe abzustellen; Hörl, S. 71, 147: Abstellen auf die effektive Wahrnehmung durch jeden einzelnen Verwender (Arbeitnehmer); Kullmann, NJW 2002, 30 (33); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (62); vgl. besonders Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (315): der Fahrer eines Kraftfahrzeugs ist als besonders geschulter Fahrerlaubnisinhaber anzusehen. 378 Vgl. zu den Grenzen der Warn- und Instruktionspflichten BGH NJW 1999, 2815 (2816); BGH NJW 1992, 2016 (2018); BGH NJW 1992, 560 (561); BGH NJW 1987, 372 (372 f.); BGH NJW 1986, 1863 (1864); BGH NJW 1975, 1827 (1829); BGH VersR 1972, 149 (150); BGH VersR 1959, 523 (524 f.); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601 f.); OLG Bamberg VersR 2010, 403 (404); OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (351): allgemeine Kenntnis, dass unregelmäßig gewartetes Fahrzeug Gefahren für Leib und Leben verursachen kann, ist nicht ausreichend, um spezifische Gefahrenkenntnis über Gefahr einer aufschlagenden Motorhaube bei korrodiertem Haubenschloss zu begründen; OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Hamm NJW 2005, 295 (296); OLG Celle VersR 2004, 864 (865); OLG Bremen VersR 2004, 207 (208); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (915); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333 (2333 f.); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25; OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 798 (799); OLG Saarbrücken NJWRR 1993, 990 (992); OLG Hamm NZV 1993, 310; OLG München VersR 1988, 635 (636); OLG Köln VersR 1987, 573; OLG Celle NJW-RR 1986, 25; OLG Bamberg VersR 1977, 771 (772); 376
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
typischerweise bestimmungsgemäßen Benutzerkreis gehören dazu auch alle sonstigen vorhersehbaren Personen.379 Der Hersteller muss also über die Produktgefahren informieren, mit denen der Nutzer nicht rechnet380, und den Nutzer durch die Aufklärung über die zu beachtenden Vorsichtsmaßnahmen und Grenzen der Produktverwendung in die Lage versetzen, sich vor diesen Gefahren zu schützen.381 Für eine hinreichende Information über die Gefahren und möglichen Schäden müssen die Anleitungen, Hinweise und Warnungen ihrer Form und ihrem Inhalt nach so eindeutig, ausführlich, eindringlich, sinnvoll und unmissverständlich über den vollen Umfang des spezifischen Risikos und möglicher negativer Folgen einerseits und über die Möglichkeiten einer gefahrenfreien Benutzung inklusive der zu unterlassenden Verwendungsarten und der notwendigen Vorsorgemaßnahmen andererseits aufklären, dass sie den Benutzer befähigen, eine eigene vernünftige Entscheidung dahin gehend zu treffen, entweder von der Verwendung des Produktes Abstand zu nehmen oder durch entsprechende Vorsorge der von dem Produkt ausgehenden Gefahr entgegenzuwirken.382 In der Bewertung des Einzelfalls wird dabei auch berücksichtigt, AG Simmern NJW-RR 2002, 384 (385); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 666, § 3 ProdHaftG Rn. 15; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204) mit Verweis auf LG Essen NJW 2005, 2713; Kullmann, NJW 2005, 1907 (1909); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1077); Kullmann, NJW 2002, 30 (33); ders., ZEuS 2002, 37 (41); ders., NJW 2000, 1912 (1913); Hörl, S. 38, 63; Kullmann, NJW 1996, 18 (19); Littbarski, NJW 1995, 217 (222); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (62); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1285); ders., DAR 1976, 312 (315); Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (389). 379 BGH NJW 1992, 2016 (2018); OLG Celle NJW-RR 1986, 25: Abstellen „auf den typischen Benutzer“; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 667, § 3 ProdHaftG Rn. 7 ff.; Baumgärtel, JA 1984, 660 (669): Abstellen auf die am wenigsten informierte Benutzergruppe. 380 Kullmann, NJW 1996, 18 (19). 381 Vgl. BGH NJW 1992, 2016 (2018); BGH NJW 1981, 2514 (2515); BGH VersR 1977, 918 (920); BGH VersR 1966, 542 (544); BGH VersR 1959, 523 (524); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914); OLG Frankfurt VersR 1996, 982 (983): Erkennbarkeit der Gefahr unabhängig von der Intelligenz und der Sorgfalt des Einzelnen; OLG Hamm NZV 1993, 310; OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317); OLG Celle NJW-RR 1986, 25; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 666; Kullmann, NJW 2005, 1907 (1909); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1076); Kullmann, NJW 2002, 30 (33) und ders., NJW 2000, 1912 (1913): Instruktionspflicht unabhängig der technischen Regeln und behördlichen Genehmigungen bzgl. der dem Benutzer unbekannten Gefahren; vgl. im Rahmen der ökonomischen Analyse des Schadensrechts Schäfer/Ott, S. 370: auf die volle Information des Verbrauchers über Produktgefahren im Rahmen der Möglichkeit abzustellen. 382 Vgl. BGH NJW 1999, 2273 (2274): ggf. Anbringen am Produkt, wenn separate Anleitungen den Benutzer nicht erreichen könnten; BGH NJW 1995, 1286 (1287): das Wichtigste durch kurze Texte zur schnelleren und besseren Lesbarkeit hervorheben und Produktgewöhnung beachten; BGH NJW 1992, 560 (561): drucktechnische Herausstellung gegenüber Darreichungsformen oder Werbung und Plausibilität der Informationen ohne eigenes Nachdenken oder durch Schlussfolgerungen des Benutzers notwendig; BGH NJW 1987, 372 (373): möglichst allgemeinverständliche, bekannte und aussagekräftige, insbesondere in Rechtsverordnungen und technischen Regelwerken erwähnte und damit im Verkehr eingeführte Gefahrensymbole zur Kennzeichnung verwenden; BGH NJW 1986, 1863 (1864); BGH VersR 1972, 1075 (1076): bei großen Gesundheitsrisiken unmissverständliche und sinnfällige Darstellung; BGH VersR 1960, 342 (343): Pflicht zur festen Verbindung mit dem Produkt; OLG Düsseldorf
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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dass ein Zuviel an Informationen zu Überdruss und Gleichgültigkeit beim Verbraucher führen kann, so dass er die Gefahreninformationen, die er noch nicht kennt, nicht mehr zur Kenntnis nimmt.383 Während bei Gefahren für Leib und Leben eine Folgenwarnung, also die eindringliche Schilderung des spezifischen Gefahrenrisikos in seiner ganzen Tragweite, notwendig ist, reicht in allen anderen Fällen die Anwendungswarnung, also die vollständige Darstellung der zur Gefahrenvermeidung erforderlichen Schutzmaßnahmen aus.384 Grundsätzlich müssen Warnungen und Instruktionen mit dem Produkt verbunden sein, können also nicht durch Sachveröffentlichungen ersetzt werden.385 Der Umfang und der Inhalt einer fehlerfreien kommunikativen Maßnahme wird im Einzelfall aus einer Abwägung der Schwere und Wahrscheinlichkeit der Gefahren, dem Wert des gefährdeten Rechtsgutes, den subjektiven Umständen der Fehlanwendung und dem Grad des Fehlgebrauchs ermittelt.386 OLGR 2009, 349 (351): „deutlich, ausreichend und vollständig“; OLG Celle VersR 2004, 864 (865): drucktechnisch und graphisch auffällige Gestaltung von Warnungen und Anleitungen sowie deutliche Trennung von sonstigen Informationen und Werbeaussagen; OLG Bremen VersR 2004, 207 (208): Warnhinweis in deutscher Sprache; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25 (26): Plausibilität der Informationen bei Gesundheitsgefahren für den Benutzer ohne eigenes Nachdenken oder Schlussfolgerungen auch durch drucktechnisch und graphisch auffällige Gestaltung von Warnungen und Anleitungen abgesetzt von sonstigen Informationen und Werbeaussagen; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 346 (347): besondere Herausstellung der Gefahren bei einer Produktänderung, wenn eine langjährige Produktkenntnis des Verbrauchers vorliegt; OLG Hamm NZV 1993, 310 (311): wenn separate Anleitungen den Benutzer nicht erreichen könnten, dann am Gerät anzubringen; OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317 f.): drucktechnisch und graphisch auffällige Gestaltung abgesetzt von sonstigen Informationen und Werbeaussagen und Verwendung von Gefahrensymbolen; OLG Köln VersR 1987, 573; LG Duisburg DAR 1999, 550; allgemeines Rechtsprinzip, vgl. außerhalb des Deliktsrechts BGH NJW 1973, 1688; vgl. zur Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 668, § 3 ProdHaftG Rn. 35; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.780; Hopt, AcP 183 (1983), 608 (709); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1301); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1285); Fischer, DB 1977, 71 (75): bessere Übersichtlichkeit bei Darstellung in gedrängter Form; Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1434); vgl. zu den inhaltlich ähnlichen vertraglichen Aufklärungspflichten zur gefahrenlosen Produktbenutzung BGH NJW 1975, 824 (825). 383 BGH NJW 1987, 372 (373); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (915); Klindt/Handorn, NJW 2010, 1105 (1108); Diederichsen, U., VersR 1984, 797 (798); mit Verweis auf entsprechende Meinungen in den USA Hörl, S. 80. 384 BGH NJW 1992, 560 (561); BGH NJW 1986, 1863 (1864); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25 (26); OLG Hamm NZV 1993, 310 (311); OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317); OLG Celle VersR 2004, 864 (866); vgl. auch LG Duisburg DAR 1999, 550: bei Kraftfahrzeugen reicht allgemeine Betonung der Wichtigkeit von Inspektionen ohne Bezug auf konkrete Fahrzeugkomponenten (Zahnriemen) aus; Kullmann, NJW 1996, 18 (19); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (63); ders., WM 1981, 1154 (1156); kritisch zur Rechtsprechung Hasskarl, BB 1973, 120 (122). 385 Vgl. exemplarisch OLG Düsseldorf OLGR 1993, 208; OLG Köln VersR 1987, 573. 386 BGH NJW 1981, 1603 (1604); BGH VersR 1972, 149 (150); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 25 (26); OLG Hamm NZV 1993, 310; OLG Köln VersR 1987, 573 (574); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (62); Günter, NJW 1972, 309 (312); vgl. die sehr instruktive Abwägung in BGH VersR 1972, 1075 (1076 f.); OLG
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Im Zusammenhang mit der Bewertung der Effektivität der Gefahrenbeseitigung stellt sich auch die Frage, ob die konstruktiven – meist teureren – Sicherheitseinrichtungen, die die Gefahr substantiell beseitigen, und die kommunikativen – meist billigeren – Gefahrenbeseitungsmaßnahmen, die durch Instruktionen oder Warnungen den Nutzer davon abhalten, sich in eine Situation zu begeben, in der er verletzt werden könnte, gleichwertig sind. In einer Marktwirtschaft liegt es nahe, dass sich der Hersteller aus Kostengründen primär für die zweite Alternative entscheidet, um die ihm – aus präventiven Gründen – auferlegte Verkehrssicherungspflicht, sichere Produkte in den Warenverkehr zu bringen, mittels dieser Instruktion als Schutzpflicht in eigenen Angelegenheiten auf den Nutzer zu verlagern und sich über § 254 BGB der Produkthaftung zu entziehen.387 Mit einer ähnlichen Begründung wie in der strict products liability, dass nicht auszuschließen sei, dass sich selbst der informierte Benutzer aufgrund von vorhersehbaren Umständen in eine Verletzungsgefahr begibt (z. B. bei unwillkürlichen Bewegungsreflexen)388, lehnt die Rechtsprechung eine Gleichwertigkeit der Gefahrenbeseitungsmaßnahmen ab und geht offensichtlich von der als Primat sicherheitsgerechter Konstruktionen bezeichneten Hierarchie aus, dass Maßnahmen zur direkten (aktiven) Gefahrenbeseitigung grundsätzlich den Vorrang vor indirekten (passiven) Maßnahmen haben, so dass eine fehlerhafte Konstruktion, die zu vermeidbaren Gefahren führt, nicht durch entsprechende Instruktionen gerechtfertigt werden kann.389 Neben diesen Instruktions- und Warnpflichten des Herstellers, die er mit der Inverkehrgabe des Produkts erfüllen muss, entspricht es der allgemeinen Meinung, dass der Hersteller als Nutznießer der Inverkehrgabe auch hinsichtlich der im Warenverkehr befindlichen Produkte verpflichtet ist, die aufgrund der tatsächlichen Verwendung (auch Fehlanwendung) oder des Fortschritts von Wissenschaft und Technik erkannten Produktgefahren effektiv mit zumutbaren Maßnahmen zu vermeiden, da nur er die Kenntnisse und technischen Voraussetzungen zur Beseitigung der von ihm geschaffenen Gefahrenquelle und das Vertrauen der Nutzer in die sichere Karlsruhe Urteil vom 09. 08. 2001 Az. 9 U 38/01: keine Aufklärungspflicht bzgl. einer primär dem Komfort und nur unwesentlich der Sicherheit dienenden Funktion (manuelle Aktivierung der Zentralverriegelung in einem Kfz); Molitoris/Klindt, NJW 2015, 1568 (1571) mit Verweis auf OLG Naumburg Urteil vom 21. 11. 2013 Az. 1 U 38/12. 387 So die Erwartungen von Schwenzer, JZ 1987, 1059 (1061). 388 OLG Köln VersR 1993, 110 (111); vgl. hierzu den Sachverhalt und die Begründung in der Entscheidung des LG Stuttgart NJW-RR 2012, 1169 (1171). 389 OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (443 f.); mit Verweis auf Maschinenrichtlinie 98/37/EG LG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1033 (1033 f.); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 194, 657, 664, § 3 ProdHaftG Rn. 36; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1207); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1075); Broichmann, S. 106; Bodewig, DAR 1996, 341 (343); Schwenzer, JZ 1987, 1059 (1061); Marburger, S. 130; Fischer, DB 1977, 71 (75); noch weniger konsequent BGH VersR 1972, 149 (150); a.A. Schäfer/Ott, S. 370: aufgrund des von diesen vertretenen informationellen Fehlerbegriffs sei auf eine primäre Verbraucherinformation und nur bei Unmöglichkeit der Erzeugung einer hinreichend realistischen Gefahreneinschätzung der Verbraucher durch Informationen primär auf Sicherheitsmaßnahmen abzustellen.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Benutzbarkeit bis zur Zerstörung des Produkts besitzt.390 Bei einer einheitlichen verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung ist es daher systematisch nicht stringent erklärbar, weshalb die Haftung des Herstellers nach der Inverkehrgabe des Produkts gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG ausgenommen wurde. Dagegen lässt eine objektbezogene Fehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG diese Haftungsbegrenzung in einem neuen – rechtssystematisch stringenten – Licht erscheinen. Die Haftung vor und nach der Inverkehrgabe unterscheidet sich grundlegend dadurch, dass nach der Inverkehrgabe der Hersteller jegliche Einwirkmöglichkeit – mangels Eigentum oder Besitz – auf die Produktsubstanz verliert und nur noch durch eine kommunikative Handlung (Warnung und Instruktion) die Gefahr beseitigen kann391, die sich gegenüber der möglichen Produktkommunikation vor der Inverkehrgabe zusätzlich dadurch unterscheidet, dass der Hersteller lediglich als Außenstehender allgemeine Informationen über die tatsächliche Verwendung und Bewährung seiner Produkte erlangen und angemessen auswerten kann, ohne Kenntnisse über den Zustand oder die Zustandsveränderungen der konkreten Produkte zu haben392. Damit ist nach der Inverkehrgabe der Produktkommunikation jegliche Objektbezogenheit entzogen. Die Produktbeobachtung kann also ausschließlich eine Verkehrssicherungspflicht des Herstellers zur effektiven Gefahrenverminderung gegenüber dem Produktnutzer und allen potentiell gefährdeten Personen umfassen393, durch geeignete, erforderliche und zumutbare Maßnahmen die Bewährung seines Produkts – bei einem konkreten Anlass auch Produkte anderer Hersteller, die die Verträglichkeit mit den eigenen Produkten beeinflussen könnten (sog. Kombinationsgefahren) – zu beobachten, den Nutzer im Gefahrenfall zu warnen und ggf. das Produkt zurückzurufen.394 Dieser als Produktsicherungspflicht zu qualifizierende Haftungsgrund des Herstellers ist ein aliud gegenüber dem objektbezogenen Produktfehler gemäß 390 Dazu exemplarisch BGH NJW 2009, 1080 (1081); BGH NJW 1981, 1606 (1607 f.); zustimmend in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 672; Bodewig, DAR 1996, 341 (342); Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (474); Pieper, BB 1991, 985 (987); Hager, J., VersR 1984, 799 (802 f.); Löwe, DAR 1978, 288 (290); Günter, NJW 1972, 309 (312); mit einer rechtshistorischen Entwicklung des Produkthaftungsanspruchs Birkmann, DAR 1990, 124 (126). 391 Im Ergebnis ähnlich MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 671. 392 Vgl. Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (474); vgl. zur Einzelfallentscheidung über die Handlungsmöglichkeiten des Herstellers Schmidt-Salzer, BB 1979, 394 (395); vgl. zu den Problemen des Medikamentenherstellers, Kenntnisse über Nebenwirkungen in Erfahrung zu bringen, Günter, NJW 1972, 309 (314). 393 So herausstellend OLG Frankfurt VersR 1996, 982 (983). 394 Dazu exemplarisch BGH NJW 2009, 1080 (1081); BGH NJW 1987, 1009 (1010 f.); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (443); OLG Saarbrücken NJW-RR 1993, 990 (992); OLG Frankfurt VersR 1991, 316 (317); OLG Frankfurt VersR 1987, 1196 (1197); die Rechtsprechung aufgreifend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 663, 673 ff.; Kullmann, NJW 2002, 30 (34); zustimmend in der Literatur Bodewig, DAR 1996, 341 (342); Kunz, BB 1994, 450 (451); Hübner, NJW 1988, 441 (448); Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (315 f.); Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1435): „Pflicht zur Selbstkontrolle“; Pieper, BB 1991, 985 (987 ff.): im Wesentlichen – insbesondere mit Blick auf die Abgrenzung zum Gewährleistungsrecht und der Kostentragungspflicht – auf die Warnpflicht eingeschränkt.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
§ 3 ProdHaftG, so dass der Ausschluss der Haftung im ProdHaftG für Gefahren, die erst nach der Inverkehrgabe bekannt werden, ein klares Indiz für eine objektbezogene Fehlerbestimmung im ProdHaftG ist. cc) Die Haftung für die unvermeidbare Produktgefahr im ProdHaftG Die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zur Beurteilung der Fehlerhaftigkeit beziehen sich auf die Gesamtheit eines Produkts, wie es sich dem Nutzer oder Dritten gegenüber manifestiert. Eine Einteilung in verschiedene Fehlerarten, insbesondere eine Unterscheidung des Konstruktions- vom Instruktionsfehler, widerspricht daher dem objektbezogenen Fehlerbegriff.395 Wenn die Konstruktion der Produktsubstanz nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit entspricht, ist sie grundsätzlich fehlerhaft, egal ob eine kommunikative Möglichkeit zur Beseitigung der bekannten Gefahren zur Verfügung steht. Lediglich für den Fall, dass es sich um ein Produkt handelt, an dem die Allgemeinheit dessen ungeachtet ein Interesse hat, dass es in den Warenverkehr gegeben wird396, kann es den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit entsprechen, dass der Hersteller einer Haftung für die Gefährlichkeit des Produkts entgeht, indem er – hinreichend mit dem Produkt verbunden – auf die Gefahren des Produkts und auf die gefahrenvermeidende Benutzung hinweist. Diese Hinweise müssen effektiv sein, also dem potentiellen Produktnutzer durch die vermittelten Informationen die Möglichkeit geben, aufgrund einer wissensbasierten Entscheidung unter Abwägung der Gefahren mit den Vorteilen und der Nützlichkeit des Produkts von der Nutzung des Produkts ganz abzusehen, das Produkt in einer Art und Weise zu nutzen, welche die Gefahren minimieren oder sich der Gefahr bewusst auszusetzen. Dabei kann die allgemeine Meinung zum Umfang und Inhalt der Instruktionspflicht des Herstellers im Rahmen der verhaltensbezogenen Herstellerhaftung objektiv, also ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände in der Person des Herstellers, herangezogen werden, da die Produktkommunikation ein von der Produktsubstanz separiertes Verhalten und keinen integralen Bestandteil des Produkts darstellt, also nicht unmittelbar mit der Funktionsweise des Produkts und dessen Integrität verbunden sein muss. Sind die mit dem Produkt in den Warenverkehr gegebenen Warnungen und Instruktionen zur Gefahrenbeseitigung oder Gefahrenverminderung im Sinne der berechtigten Sicherheitserwartungen nicht ausreichend, so verbleibt es bei der unangemessenen Gefährlichkeit der Produkteigenschaft aufgrund einer fehlerhaften Produktsubstanz.
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Vgl. hierzu bereits OLG Köln VersR 1987, 573: „Demzufolge ist die Instruktionshaftung ein Sonderbereich der Konstruktionshaftung: Ein Produkt ist nur dann nicht unnötig gefährlich, wenn es entweder für die voraussehbare (sic) Verwendungszwecke und die voraussehbaren Benutzer fehlerfrei ist oder aber hinsichtlich der nicht beseitigten gefährlichen Eigenschaften mit ausreichenden Instruktionen versehen ist.“ 396 Hörl, S. 128: selbst die Überprüfung des Nutzens des Produkts ist unzulässig.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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c) Fall 3: Die gesetzes- und vorschriftenkonforme Produktkonstruktion Um objektiv, allgemeingültig und eindeutig die berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit zu ermitteln, drängt sich das Abstellen auf staatliche – formelle und materielle – Gesetze oder technische Regeln auf, da diese nicht vom Hersteller selbst, sondern von demokratisch legitimierten Parlamenten (Legislative), pluralistischen und aus mehreren Personen zusammengesetzten Gremien oder mit Fachkunde versehenen Fachverbänden festgelegt werden. aa) Der regulatory safety standard als Haftungsbeschränkung In der verhaltensbezogenen negligence wurden Sicherheitsnormen und behördliche Anordnungen, bei Kraftfahrzeugen z. B. der National Traffic Safety Act, vor allem dafür herangezogen, um die Verletzung einer Sorgfaltspflicht des Herstellers zur Gefahrenvermeidung und damit einen Konstruktions-, Fabrikations- oder Instruktionsfehler bei einem Verstoß dagegen zu begründen, ohne jedoch umgekehrt bei Einhaltung der Norm oder von Anordnungen die Haftung des Herstellers gänzlich auszuschließen.397 Da die Objektbezogenheit der strict products liability nicht einer Übernahme dieser rechtlichen Wertung widersprach, wird auch bei der Bestimmung der Verbrauchererwartungen angenommen, dass der Einhaltung gesetzlicher Regelungen jeglicher Art (legislative or administrative regulatory safety standard kurz regulatory safety standard) keine haftungsausschließende Wirkung, sondern lediglich eine indizielle Wirkung für die Fehlerfreiheit zukommt.398 Um diese indizielle Wirkung in der Bestimmung der angemessenen Produktsicherheit weiter zu konkretisieren, legt der Gesetzgeber in einigen Rechtsordnungen fest: 1. dass die Übereinstimmung des schadenverursachenden Produkts zum Zeitpunkt der Herstellung mit dem regulatory safety standard nur dann zwingend zur Haftungsfreistellung des Herstellers führt, falls das Produkt zum Zeitpunkt der Herstellung den verpflichtenden gesetzlichen Festlegungen zur Konstruktion und zur Instruktion entsprochen hat, und
397 Statt vieler CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 591 (Colo. 1984); MI: Larsen v. General Motors Corp., 391 F.2d 495, 503 fn. 5, 506 (8th Cir. 1968); OR: McEwen v. Ortho Pharmaceutical Corp., 528 P.2d 522, 534 (Ore. 1974). 398 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1198 (Ala. 1985); CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 591 et seq. (Colo. 1984); CT: Greenwood v. Eastman-Kodak Co., 1994 Conn. Super. LEXIS 851, p. 5; IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 296 (Iowa 1994); OK: Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 446 (10th Cir. 1976); TX: Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 667 (Tex. App. 2005); Dartez v. Fibreboard Corp., 765 F.2d 456, 471 (5th Cir. 1985); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); vgl. zur deutschen Literatur Meermann, S. 200; Pfeifer, S. 140; Hoechst, S. 47; mit einer Darstellung des unterschiedlichen Beweiswertes der verschiedenen Arten von amtlichen und berufsständischen Sicherheitsstandards Lorenz, RIW 1980, 609 (611); a.A. Zekoll, IPRax 1997, 198 (203): keine Vermutungswirkung.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
2. dass in allen anderen Fällen einer Erfüllung des regulatory safety standards die Fehlerfreiheit so lange angenommen wird, bis der Geschädigte hinreichend beweist, dass unter den Gesichtspunkten der Vernunft und der Umsichtigkeit zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen notwendig waren; 3. dass bei einem Verstoß gegen zwingende gesetzliche Regelungen das Produkt in jedem Fall als fehlerhaft anzusehen ist und 4. dass in allen anderen Fällen solange von einer Fehlerhaftigkeit auszugehen ist, bis der Hersteller hinreichend beweist, dass den Umständen nach die Abweichung von den gesetzlichen Regelungen trotzdem zu einem angemessenen Sicherheitsstandard führte.399 Die Zubilligung eines erheblichen Indizes der Fehlerfreiheit ohne Ausschluss jeglicher Haftung des Herstellers bei Einhaltung des regulatory safety standards wird als optimaler verbraucherschützender Interessenausgleich angesehen, da einerseits der Hersteller nicht demotiviert werden dürfe, die von Experten aufgestellten technischen Normen einzuhalten, indem technische Laien in Gerichtsverfahren diese ohne feste Grundsätze wieder aufheben und den Hersteller trotz Einhaltung der Normen haften lassen können, aber andererseits dem Verbraucher im Falle besonderer Umstände trotz Einhaltung der Sicherheitsstandards die Inanspruchnahme des Herstellers offen stehen müsse, da diese nur einen Minimalstandard beschreiben und das Ergebnis von Kompromissen und unsachlicher Beeinflussung durch Industrieverbände sein können.400 Einen besonderen verfassungsrechtlichen Fall zwingender Normen stellt die sogenannte preemption rule dar. Bundesgesetzliche technische Normen sollen damit einer unterschiedlichen Anwendung in den einzelnen Bundesstaaten als Folge einer unterschiedlichen Beurteilung von Laienjurys entzogen werden, wenn sie das Ergebnis von intensiven und fachlich durch Experten fundierten Abwägungen zwischen den Risiken und dem Nutzen des Produkts darstellen und erlassen wurden, um durch die abschließenden technischen Anforderungen und mittels einer einheitlichen Anwendung in den gesamten USA ein höheres Sicherheitsniveau sicherzustellen.401 399 Ausgangspunkt MUPLA Sec. 108; Regelungen vollständig übernommen in K.S.A. § 60 – 3304; nur Vermutung zugunsten Hersteller in C.R.S. 13 – 21 – 403 (1) (b); Burns Ind. Code Ann. § 34 – 20 – 5 – 1 (2) und MCL § 600.2946 (4); in den Sekundärquellen KY: KRS § 411.310 (2011), Notes to Decisions, 4. Conformance to State of the Art; MI: MCL § 600.2946 (2011), Case Notes, 6. Compliance with governmental and industrial standards; vgl. dazu in der deutschen Literatur Meermann, S. 198 und die zusammenfassende Darstellung dieser Fehlervermutung der Rechtsprechung, die mit der Feststellung in der negligence identisch sein soll, in Lorenz, RIW 1980, 609 (610). 400 So die Begründung des MUPLA Sec. 108 in l. c., Analysis, p. 62730 et seq., verbunden mit dem Hinweis, dass die Haftung nur entfallen könne, wenn der Hersteller durch das Gesetz zu einer bestimmten Produkteigenschaft gezwungen wird, da dann der die zwingende Norm erlassende Staat der richtige Adressat für einen Schadenersatzanspruch sei. 401 Exemplarisch die sehr umfangreiche Diskussion und Darstellung der Rechtsprechung in MA: Wood v. General Motors Corp., 865 F.2d 395 (1st Cir. 1988); in der deutschen Literatur mit
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bb) Gesetzliche Normen und Verwaltungsakte als Haftungsbeschränkung Auch im deutschen Produkthaftungsrecht wird zur Bestimmung des angemessenen Sicherheitsniveaus auf die Einhaltung der einschlägigen technischen Sicherheitsnormen (anerkannten Regeln der Technik) abgestellt.402 Zu derartigen technischen Normen gehören alle gesetzlichen und sonstigen Sicherheitsvorschriften, die zur Vermeidung der zum Schaden führenden Gefahr dienen.403 Mit Verweis auf die Einheitlichkeit der Rechtsordnung hätte es nahe gelegen anzunehmen, dass der Hersteller im Rahmen der verhaltensbezogenen Produkthaftung seine Verhaltenspflichten vollständig dann erfüllt, wenn er die vom Gesetzgeber in technischen Normen beschriebenen Verhaltenspflichten einhält.404 Die ständige Rechtsprechung und allgemeine Meinung waren jedoch der Auffassung, dass die einschlägigen technischen Normen nicht den produkthaftungsrechtlich hinreichenden Sicherheitsstandard beschreiben, den der Hersteller in den Grenzen des technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren einzuhalten hat (Normkonformität bedeutet nicht Rechtskonformität).405 Diese Unterscheidung wurde damit begründet, dass gesetzliche Normen und Verordnungen ein Sicherheitsniveau zu einem fixen Zeitpunkt beschreiben, während das Sicherheitsniveau zur Gefahrenabwehr im Produkthaftungsrecht bei der Produktbenutzung aufgrund der ständigen technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen sowie Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Benutzung des Produkts ein sich fließend verändernder, objektiv dynamischer Maßstab sei, der alle geeigneten und praktisch bewährten
einer sehr ausführlichen und den Schutzzweck der preemption rule zugunsten des Herstellers vor unterschiedlichen einzelstaatlichen Produkthaftungsvorschriften herausstellenden Darstellung Brock/Lach, PHI 2009, 184; vgl. zu den unterschiedlichen Entscheidungen zur preemption des National Traffic and Motor Vehicle Safety Act (1966) Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 806 (812) und Hirte/Otte, VersR 1997, 18 (26). 402 Vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691; OLG Celle VersR 2007, 254; Molitoris/ Klindt, NJW 2008, 1203 (1207) mit Verweis auf LG Düsseldorf. 403 Vgl. OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (444); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914); zum „Merkblatt über Aufbauten von Viehtransportfahrzeugen“ des Bundesministers für Verkehr vom 04. 12. 1968 OLG Düsseldorf OLGR 1993, 208; BGH NJW 1989, 1542 (1544): „Gesetze und Rechtsverordnungen“; BGH NJW 1987, 372 (373): „Gesetze bzw. Rechtsverordnungen oder darin in Bezug genommene technische Regeln“; mit Bezugnahme auf die in Unfallverhütungsvorschriften aufgenommenen typischen Gefahren und deren Vermeidungsmaßnahmen BGH VersR 1972, 149 (150); vgl. dazu in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 651 i.V.m. 360 ff., § 1 ProdHaftG Rn. 43; Kullmann, NJW 2000, 1912 (1914) mit Verweis auf OLG Bamberg: Abstellen auf die sich aus Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften ergebenden berechtigten Sicherheitserwartungen am Arbeitsplatz. 404 So noch Marburger, S. 343 mit Verweis auf den BGH: „Ganz allgemein ist der Satz aufgestellt wurden (sic), daß (sic) mangels besonderer Umstände nicht schuldhaft handelt, wer auf die Richtigkeit einer DIN-Norm vertraut.“ 405 OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (692); Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569; Rothe, NJW 2007, 740 (740 f., 743); auf der Grundlage der ökonomischen Analyse des Schadensrechts Schäfer/Ott, S. 375.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Schutzvorkehrungen umfasst.406 Insbesondere berücksichtigen technische Normen nicht die Erkenntnisse des Herstellers über mögliche gefahrerhöhende Produktveränderungen407 oder über die technische Beanspruchung, die eventuell zur Notwendigkeit eines Sicherheitszuschlags führen408. Die Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit können also über das in den technischen Normen festgelegte Sicherheitsniveau hinausgehen.409 Daher konkretisieren zwar technische Normen die Sorgfaltspflichten des Herstellers, ohne sie aber abschließend festzulegen.410 Der Hersteller kann auch dann seine Verkehrssicherungspflichten verletzen, wenn er zwar die technischen und ggf. unfallrechtlichen Regelungen eingehalten hat, aber keine Maßnahmen gegen weitere vermeidbare Gefahren ergriffen hat, die für den Hersteller – im Gegensatz zum Benutzer – erkennbar waren.411 Umgekehrt liegt aber auch nicht zwingend eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Herstellers vor, wenn dieser die technischen Regeln nicht eingehalten hat, da er das gleiche Sicherheitsniveau mit anderen technischen Maßnahmen erreicht haben könnte.412 Lediglich liegt es prozessual nahe zu vermuten, dass der Schaden durch die vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahme verhindert worden wäre, so dass der Hersteller beweisen muss, dass die Abweichung von den technischen Normen nicht das damit beschriebene Sicherheitsniveau verringert hatte.413 Auch wenn im Rahmen des § 3 406 Vgl. die Beweiswürdigung in OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (893 f.); Brinkmann, DB 1980, 777 (778). 407 OLG Celle VersR 2007, 254; daran anschließend Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204). 408 Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1284). 409 OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (443); Kullmann, NJW 2002, 30 (32); ders., NJW 2000, 1912 (1914). 410 Allgemein BT-Drs. 11/2447 S. 19; vgl. die Bezugnahme zu den unterschiedlichen Regelungen über Gefahrenhinweise in technischen Regeln, die an die – für die Gefahrenvermeidung irrelevante – Behälterart festmachte, in BGH NJW 1987, 372 (373); vgl. zur Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 651 i.V.m. 360 ff.; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204 f.) mit Verweis auf OLG Köln und OLG Schleswig; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1076); Kullmann, NJW 2000, 1912 (1914). 411 Vgl. BGH NJW 1999, 2815 (2816); OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (893 f.); die Rechtsprechung aufgreifend Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1493); Kullmann, NJW 2002, 30 (32 f.). 412 Vgl. hierzu Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204) mit Verweis auf OLG Celle; Marburger, S. 169 f.; vgl. auch BGH VersR 1972, 149 (150): Unfallverhütungsmaßnahmen gehen gegenüber Produkthaftungsrecht weiter, weil sie auf alle denkbaren Gefahren eingehen und vorbeugend wirken müssen. 413 Verstoß gegen ein Schutzgesetz als Indiz für die Annahme des subjektiven Verschuldens geprüft und abgelehnt, wenn das Schutzgesetz lediglich den Verletzungserfolg verbieten soll, BGH NJW 1992, 1039 (1042) und BGH NJW 1985, 1774 (1775); zum Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften BGH VersR 1972, 149 (150); OLG München VersR 1975, 605 (606); LG Stuttgart NJW-RR 2012, 1169 (1170); LG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1033; vgl. auch Molitoris/Klindt, NJW 2014, 1567 (1571) mit Verweis auf LG Stuttgart; Meermann, S. 189, 262; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1076): Verweis auf ein vom Hersteller angebotenes gefahrminderndes Sonderzubehör nicht ausreichend; Marburger, S. 440, 469 ff.: Abstellen auf den Einzelfall, aber indizielle Wirkung.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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ProdHaftG nunmehr in den Entscheidungsgründen formuliert wird, dass bei Einhaltung aller anwendbaren technischen Normen zur Gefahrenvermeidung und damit beim Vorliegen einer normgerechten, branchenüblichen und bisher von den Benutzern akzeptierten Produktbeschaffenheit im Rahmen der Beweiswürdigung ein gewisser Anschein für die Einhaltung der berechtigten Sicherheitserwartungen eines durchschnittlichen Benutzers und damit für eine Fehlerfreiheit spricht414, ist – aufgrund der Annahme eines verhaltensbezogenen Fehlerbegriffs – von einer konsequenten Übertragung dieser Grundsätze in das ProdHaftG auszugehen.415 Ungelöst bleibt aber der Widerspruch in einer verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung, dass sich Gerichte besetzt mit technischen Laien durch die Formulierung von zivilrechtlichen Verhaltenspflichten und die Auferlegung einer Schadenersatzpflicht über die Wirkung der öffentlich-rechtlichen Legitimität des Herstellerverhaltens hinwegsetzen können, die durch demokratisch legitimierte staatliche oder mit technischen Fachleuten arbeitende privatrechtliche Einrichtungen festgelegt werden.416 Den gerne gewählten juristischen Notausgang über das Verfassungsrecht hat das BVerfG in der Mobilfunkmast-Entscheidung versperrt, indem es feststellte, dass es keine verfassungsrechtliche Pflicht der staatlichen juristischen Stellen (Gerichte) zu einer weitergehenden Gefahrenvermeidung gibt, als sie staatliche politische Stellen im Ergebnis einer Abwägung des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts und unter der gebotenen politischen Beachtung öffentlicher und privater Interessen in den technischen Normen festgelegt haben, so dass das Zivilrecht nicht als Korrelat zu diesen staatlichen Einrichtungen genutzt werden kann, solange verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse keinen unzureichenden Schutz in den Normen offensichtlich erkennen lassen (z. B. keine, gänzlich ungeeignete oder völlig unzulängliche Schutzvorkehrungen zum gebotenen Schutzziel vorsehen).417 Der Haftungsausschluss des § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG macht weiterhin deutlich, dass es selbst dem Gesetzgeber im extremsten Fall der Widersprüchlichkeit – bei verbindlichen technischen Festlegungen – auffiel, dass es mit der Einheit der Rechtsordnung schwer erklärbar ist, wenn der Hersteller einerseits durch 414
OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691; OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333 (2334); in der Literatur zustimmend Meermann, S. 190, 262; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204) mit Verweis auf OLG Köln; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1076); vom Gesetzgeber zustimmend aufgenommen in BT-Drs. 11/2447 S. 19. 415 Allgemein BT-Drs. 11/2447 S. 19; vgl. BGH NJW 1999, 2815 (2816); BGH NJW 1994, 3349 (3350); BGH NJW 1989, 1542 (1544); BGH NJW 1987, 372 (373); OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (893 f.); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (443 f.); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (914); OLG Dresden VersR 1998, 59; AG Simmern NJW-RR 2002, 384 (385); MüKoBGB/ Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 42, § 3 ProdHaftG Rn. 22; Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1493) mit Verweis auf OLG Hamm NJW-RR 2011, 893; vgl. auch BT-Drs. 11/2447 S. 15; a.A. Marburger, S. 468, der die Verletzung der Sorgfaltspflicht des Herstellers bei Einhaltung der gesetzlichen technischen Regeln ablehnt, weil der Hersteller sich auf deren Fehlerfreiheit verlassen darf, es sei denn, die Mängel an den technischen Normen sind offensichtlich. 416 Dies wird – ohne es weiter zu verfolgen – von Hübner, NJW 1988, 441 (446) aufgegriffen. 417 BVerfG NJW 2002, 1638 (1639).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
verpflichtende Gesetze und den darin enthaltenen Verweis auf technische Normen zu verbindlichen Produktspezifikationen gezwungen wird418 und andererseits ein Gericht ihn deshalb haften lässt, weil es das Produkt für nicht hinreichend sicher hält (und damit den Hersteller stellvertretend für den Gesetz- oder Verordnungsgeber haften lässt). Schlussendlich wird der rechtssystematisch ungelöste Widerspruch besonders dann deutlich, wenn der Hersteller der unmittelbare Adressat einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ist. Mehrheitlich wurden Verhaltenspflichten des Herstellers auch über das von Behörden verlangte Maß hinaus mit der Begründung aufgestellt, dass der Prüfumfang meist nicht alle potentiellen Produktgefahren abdeckt, somit die Prüfung nicht jede Gefährlichkeit entdecken könne und folglich die Genehmigung lediglich feststelle, dass die amtliche Überprüfung (meist nur eines Musters) nichts Vorschriftswidriges gefunden habe, nicht aber, dass das Produkt ordnungsgemäß beschaffen sei.419 Lediglich vereinzelt wurde vertreten, dass sich der private Kraftfahrzeughersteller bezüglich aller bis dahin aufgetretenen Umstände auf die behördliche Betriebserlaubnis verlassen könne und somit von der Haftung für Konstruktionsmängel freigestellt werden muss420 sowie dass sich ein Hersteller bei einer erteilten Genehmigung darauf verlassen könne, dass seine Entwicklung dem erforderlichen Sorgfaltsmaßstab entspricht.421 cc) Die technischen Regeln als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG Die Analyse sowohl des Meinungsstandes zur strict products liability als auch zur deutschen verhaltensbezogenen Produkthaftung macht deutlich, dass es unabhängig von der Art der Fehlerbestimmung als zwingend angesehen wird, dass technische Regeln bei der Fehlerbestimmung zwar indiziell berücksichtigt werden, die Haftung aber nicht abschließend bestimmen. Der im deutschen verhaltensbezogenen Produkthaftungsrecht ungelöste Widerspruch zwischen gesetzlichen Handlungspflichten aus den technischen Normen einerseits und den gerichtlich festgelegten Handlungspflichten aus der Verkehrssicherungspflicht des Herstellers andererseits kann vollständig aufgehoben werden, falls nicht das Herstellerverhalten sondern die Gefährlichkeit der objektiven Produkteigenschaften in Relation zu den allgemeinen Sicherheitserwartungen die Haftung begründen. Dann können die technischen 418 BT-Drs. 11/2447 S. 15; daran anschließend OLG Dresden VersR 1998, 59; MüKoBGB/ Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 44; bereits Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (57). 419 BGH NJW 1989, 707 (709); BGH NJW 1987, 1009 (1011); BGH NJW 1987, 372 (373); allgemein dazu OLG Hamm NZV 1993, 310 (311); die Rechtsprechung aufgreifend Hübner, NJW 1988, 441 (448); vgl. in der Gesetzesbegründung zum ProdHaftG BT-Drs. 11/2447 S. 15: aufgrund der Rechtsmittelfähigkeit hoheitlicher Einzelakte sind reines hoheitliches Handeln oder öffentlich-rechtliche Genehmigungen keine Fälle des § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG. 420 So von Münch, DAR 1958, 62 (64 f.); vgl. zu den verschiedenen Auffassungen auch Hübner, NJW 1988, 441 (448). 421 Vgl. OLG Frankfurt OLGR 2009, 478 (480); daran anschließend Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569 (1569 f.); a.A. BGH NJW 1999, 2815 (2816).
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Normen im Rahmen der Abwägung zwischen der Gefährlichkeit und der Nützlichkeit des Produkts einzelfallspezifisch in Abhängigkeit von der Autorität der erlassenden Institution (etwa ob es sich um formell-gesetzliche Normen oder um technische Normen von Standardisierungsverbänden handelt) und ihres Inhaltes (etwa hinsichtlich der zu vermeidenden Gefahren und deren Detailliertheit) berücksichtigt werden. Im Einzelfall kann also tatsächlich entschieden werden, wie die technische Norm die Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit beeinflusst hat. Dabei können alle die Umstände, die für die Haftungsbegrenzung des Herstellers aufgrund der Einhaltung der technischen Normen sprechen, insbesondere die demokratische Legitimation der Normsetzung und die Umstände des Zustandekommens (z. B. Einbeziehung und Abwägung widerstreitender Interessen als Ergebnis eines gesellschaftlich legitimierten und akzeptierten Normsetzungsprozesses, über das sich ein Gericht – insbesondere der Einzelrichter – als technischer Laie nicht hinwegsetzen sollte), genauso einbezogen werden wie die Umstände, die gegen einen zwingenden Haftungsausschluss bei der Einhaltung von technischen Normen sprechen (z. B. veraltete Normen, die den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht berücksichtigen, oder technische Normen von Industrieverbänden, die vor allem oder ausschließlich die Interessen der Hersteller vertreten). Die Einhaltung oder Nichteinhaltung stellt also im Einzelfall ein mehr oder weniger erhebliches Indiz für die Erfüllung der berechtigten Sicherheitserwartungen dar, entscheidet aber nicht allein über die Haftung des Herstellers. Das gleiche gilt für das Vorliegen von behördlichen Genehmigungen. Auch hier ist in Abhängigkeit des Prüfungsgegenstandes, des Prüfungsumfanges, des Inhaltes des Prüfungstestates und der Aktualität der behördlichen Prüfung zu entscheiden, wie stark die behördliche Genehmigung und die Einhaltung der in der Genehmigung enthaltenen Festlegungen für die Erfüllung der berechtigten Sicherheitserwartungen sprechen. d) Fall 4: Die Einhaltung des üblichen Sicherheitsniveaus Indem § 3 ProdHaftG auf die „berechtigten“ Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit abstellt, wird zwangsläufig das Sicherheitsniveau des einzelnen Produkts in einen Kontext mit allen anderen auf den Markt befindlichen vergleichbaren Produkten gestellt. Einerseits liegt es nahe, dass die Allgemeinheit keine höheren Sicherheitserwartungen ausbilden kann, als jene, denen die sichersten auf dem Markt befindlichen Produkte genügen. Andererseits erscheint es nicht den Zielen des Produkthaftungsrechts zu entsprechen, dass die Hersteller durch ein konzertiertes Nichteinsetzen moderner Sicherheitsmaßnahmen das objektive Sicherheitsniveau möglichst niedrig halten können. aa) Industry custom and usage In der strict products liability wird der praktische Sicherheitsstandard in der jeweiligen Industriebranche (industry custom and usage), also die Spezifikation aller
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
vergleichbaren Produkte bezüglich der Konstruktion, der Methoden, der Standards und Technologien bei der Herstellung, der Aufsicht und der Prüfung, als Indiz angesehen, welche Erkenntnisse zu diesem Produkttyp vorhanden waren422 und welche zumutbaren Sicherheitsmaßnahmen aufgrund der einschlägigen Erfahrungen von den Fachleuten bezüglich der jeweiligen Gefahren ergriffen wurden423. Die Nähe der Definition zur Beschreibung der vernünftigen Sorgfaltspflicht der Hersteller bewog einige Gerichte zur Entscheidung, industry custom and usage in der strict products liability als irrelevant zur Bestimmung der produktbezogenen Sicherheitserwartungen des gewöhnlichen Verbrauchers anzusehen.424 Die Mehrzahl der Entscheidungen berücksichtigt industry custom and usage zwar nicht als haftungsausschließend425, aber doch zur Bestimmung der gewöhnlichen Verbrauchererwartungen, so als Abwägungsfaktor in der risk/utility-analysis.426 Dadurch soll ein sach422
TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir. 1983). Vgl. MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 et seq. (1978); OK: Smith v. Minster Machine Co., 669 F.2d 628, 634 (10th Cir. 1982); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 350 (5th Cir. 1983), conc., Garwood, J.; WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 218 (1984), diss., Dimmick, J.; vgl. auch die Begründung zu MUPLA Sec. 107 (C) in l. c., Analysis, p. 62729, wonach ein industrieller Standard auch das höchste technologisch mögliche und verfügbare Niveau darstellen könne, wenn dieser das Ergebnis von umfassenden Testverfahren mit einer dokumentierten Evaluation der Produktsicherheit ist und ständig unter Berücksichtigung des Standes von Wissenschaft und Technik weiter entwickelt wird. 424 CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1134 (2008); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 735 (1986); McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 210 (1983); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 803 (1981); KS: Rexrode v. American Laundry Press Co., 674 F.2d 826, 831 (10th Cir. 1982); MA: Touch v. Master Unit Die Products, Inc., 43 F.3d 754, 757 (1st Cir. 1995); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 616 (Neb. 1994); NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co., 123 N.H. 512, 530 (1983). 425 Exemplarisch ausdrücklich IA: Hillrichs v. Avco Corp., 514 N.W.2d 94, 98 (Iowa 1994); so auch in der deutschen Literatur Meermann, S. 114: „Ein Hersteller, der über einen Wissensvorsprung verfügt, soll sich nicht hinter dem niedrigeren branchenüblichen Standard verstecken können.“ 426 AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 44 et seq. (Alas. 1979); AZ: Gosewich v. American Honda Motor Co., 737 P.2d 365, 370 (Ariz. App. 1985); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1347 (Conn. 1997) mit Verweis auf andere Entscheidungen; GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 311 (Ga. App. 1994); IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 296 (Iowa 1994); Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 222 (Iowa 1980); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 et seq. (1978); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 35 (Neb. 1979); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 554 (1991); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 (1983); OK: Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1486 (10th Cir. 1984); Smith v. Minster Machine Co., 669 F.2d 628, 634 (10th Cir. 1982); TN: Johnson v. Husky Industries, Inc., 536 F.2d 645, 648 (6th Cir. 1976); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir. 1983); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); Cantu v. John Deere Co., 24 Wn. App. 701, 706 (1979); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50; Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 7 (1982); in der Gesetzgebung A.C.A. § 16 – 116 – 104 (a) (2); MCL § 600.2946 (1); Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (b); MUPLA Sec. 107 (C); vgl. in der deutschen Literatur Meermann, S. 116; Zoller, S. 221. 423
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Argumenten hergestellt werden, dass zwar einerseits industry custom and usage die tatsächlichen Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit, jedoch andererseits nicht zwangsläufig das berechtigterweise abschließend hohe Niveau, beschreiben kann427, da industry custom and usage nicht ausschließlich das Ergebnis von Sicherheitserwägungen, sondern auch von Profiterwartungen in Verbindung mit Produktionskosten und Marketing sein kann428, die zu einem niedrigeren als dem – nach dem Stand von Wissenschaft und Technik – möglichen Standard führen könnten. Um den Hersteller zur Inverkehrgabe möglichst sicherer Produkte zu motivieren, kommt es – fokussiert formuliert – bei der Bestimmung der unangemessenen Gefährlichkeit des Produkts im Rahmen der strict products liability nicht darauf an, ob irgendjemand ein Mehr an Sicherheit angeboten hat, sondern ob nach objektiven Gesichtspunkten ein Mehr an Sicherheit mittels der sichersten verfügbaren Technologien erforderlich war, so dass ein Produkt auch dann fehlerhaft sein kann, wenn es so sicher wie alle anderen Produkte vergleichbarer Hersteller ist.429 bb) Das übliche Sicherheitsniveau in der Produkthaftung In Deutschland kommt der Berücksichtigung des in der jeweiligen Industriebranche üblichen Sicherheitsniveaus aufgrund der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung keine besondere Bedeutung zu.430 Vereinzelt wurde darauf hin427 TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 350 (5th Cir. 1983), conc., Garwood, J. 428 Vgl. die Erwägungen in TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 349 (5th Cir. 1983). 429 AZ: Gosewich v. American Honda Motor Co., 737 P.2d 365, 370 (Ariz. App. 1985); CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1347 (Conn. 1997) mit Verweis auf andere Entscheidungen; IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1155 fn. 5 (Ind. App. 1990); IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 295 (Iowa 1994); Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 222 (Iowa 1980); MD: Lohrmann v. Pittsburgh Corning Corp., 782 F.2d 1156, 1164 (4th Cir. 1986); MA: Back v. The Wickes Corp., 375 Mass. 633, 642 et seq. (1978); NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 35 (Neb. 1979); NH: Heath v. Sears, Roebuck & Co., 123 N.H. 512, 530 (1983); NJ: Crispin v. Volkswagenwerk AG, 248 N.J. Super. 540, 554 (1991); O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 182 et seq. (1983); OK: Smith v. Minster Machine Co., 669 F.2d 628, 633 (10th Cir. 1982); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 347 et seq. (5th Cir. 1983); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 218 (1984), diss., Dimmick, J.; in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50; KY: KRS § 411.310 (2011), Notes to Decisions, 1. In General. 430 Vgl. zur Berücksichtigung des industriellen Branchenstandards bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in den USA, ohne dass die Haftung bei der Einhaltung ausgeschlossen ist, AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 45 (Alas. 1979); IN: Montgomery Ward & Co. v. Gregg, 554 N.E.2d 1145, 1155 fn. 5 (Ind. App. 1990); KS: Garst v. General Motors Corp., 484 P.2d 47, 62 (Kan. 1971); MA: Touch v. Master Unit Die Products, Inc., 43 F.3d 754, 757 (1st Cir. 1995); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 348 (5th Cir. 1983); in den Sekundärquellen Katz, 69 Harv. L Rev. 863, 865 et seq. (1956); in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 28.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
gewiesen, dass es bei der Bestimmung einer Verkehrspflichtverletzung gerade nicht darauf ankommt, ob eine Sicherheitsmaßnahme innerhalb eines Verkehrskreises üblich ist, sondern vielmehr darauf, welche Maßnahmen rechtlich erforderlich sind431, dass die Bestimmung des haftungsbegründenden Sicherheitsstandards nicht auf eingerissene Nachlässigkeiten und Unsitten unter den Herstellern432 und die Toleranz der Hersteller gegenüber Gefahren für die Abnehmer433 Rücksicht zu nehmen hat oder dass ein Hersteller einen Produktmangel unabhängig von den Produkten der Konkurrenten abzustellen hat434. cc) Die Einhaltung des üblichen Sicherheitsniveaus als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG Zwar können die berechtigten objektiven Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit an das Produkt durch die Sicherheitsmaßnahmen konkurrierender Hersteller vergleichbarer Produkte beeinflusst werden, so dass das sich daraus ergebende übliche Sicherheitsniveau nicht – wie bei einer verhaltensbedingten Fehlerbestimmung – unberücksichtigt bleiben kann. Andererseits muss das übliche Sicherheitsniveau nicht nur auf Sicherheitserwägungen, sondern könnte auch auf betriebswirtschaftlichen Erwägungen beruhen, durch eine von den Herstellern konzertierte Produktion mit niedrigen Sicherheitsstandards das objektive übliche Sicherheitsniveau niedrig zu halten. Daher sollte das übliche Sicherheitsniveau nur einer unter vielen Faktoren zur Bestimmung des berechtigterweise zu erwartenden Sicherheitsniveaus sein. Ein Produkt kann also auch dann fehlerhaft sein, wenn kein (anderer) Hersteller ein Produkt mit einer höheren Sicherheit anbietet. e) Fall 5: Die Umsetzbarkeit der Gefahrenbeseitigung „The question therefore is not whether anyone else was doing more, although that may be considered, but whether the evidence disclosed that anything more could reasonably and economically be done.“ 435 Hancock v. Paccar, Inc.
431 BGH NJW 1994, 3349 (3350); OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (692); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (443); OLG Köln VersR 1993, 110 (111 f.); Kullmann/Pfister/Stöhr/ Spindler-Kullmann, Kz. 3602 S. 22a; Rolland, § 1 Rn. 143; Schmidt-Salzer/Hollmann, EGProdukthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 111. 432 OLG Karlsruhe VersR 1986, 46 (47). 433 BGH NJW 1990, 906 (907). 434 OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (444). 435 NE: Hancock v. Paccar, Inc., 283 N.W.2d 25, 35 (Neb. 1979); dies zitierend IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 222 (Iowa 1980), worauf sich dann auch Hughes v. MasseyFerguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 295 (Iowa 1994) bezieht; in den Sekundärquellen TraversHodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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(Es kommt nicht darauf an, ob jemand anderes mehr gemacht hat, auch wenn das zu berücksichtigen ist, sondern ob die vorgelegten Beweise nachweisen, dass ein Mehr vernünftig und ökonomisch durchführbar gewesen wäre.)
Die bis hierher diskutierte Bestimmung des – haftungsausschließenden – angemessenen Sicherheitsniveaus des Produkts würde immer dann zu einer Haftung des Herstellers führen, wenn sich eine produktimmanente bekannte Gefahr in einer Verletzung verwirklicht hat, die mit Hilfe einer zur Verfügung stehenden alternativen Konstruktion oder Sicherheitseinrichtung hätte vermieden oder wenigstens vermindert werden können. Der Hersteller würde also nur dann nicht haften, wenn er das sicherste aller möglichen Produkte in den Warenverkehr gebracht hat. In der verhaltensbezogenen Produkthaftung – negligence – war es unumstritten, dass der Hersteller seine Sorgfaltspflicht nicht schon dann verletzte, wenn er ein Produkt mit höheren Sicherheitseigenschaften hätte konstruieren können, sondern erst, wenn ein Fachmann eine unter technologischen und ökonomischen Gesichtspunkten sicherere Konstruktion gewählt hätte, weil etwa andere Hersteller eine sicherere Konstruktion nutzten oder weil eine sicherere und ausreichend getestete, aber noch nicht genutzte Konstruktion als umsetzbar bekannt war.436 Mit der Begründung der strict products liability stand in Frage, ob auch dieses Rechtsprinzip – mit Verweis auf den grundsätzlichen Charakter einer deliktischen Unrechtshaftung – übernommen werden kann. Gegen eine Übernahme wurde vorgebracht, dass die Bewertungen zur Umsetzbarkeit, Praktikabilität oder der Realisierbarkeit verhaltensbezogene Aspekte seien, die wieder eine subjektive Komponente verbunden mit einem Vorwerfbarkeitsgedanken in die strict products liability einführen würden.437 Bei der Ermittlung der Verbrauchererwartungen darf in einer Marktwirtschaft nicht unberücksichtigt bleiben, dass das – zur Vermeidung einer Haftung genügende – höchste Sicherheitsniveau nicht selten einher geht mit höheren Produktionskosten und damit mit höheren Verkaufspreisen. Wenn der Hersteller die Produkte mit den theoretisch höchsten Sicherheitseigenschaften unter praktischen Marktbedingungen nicht veräußern kann, weil nach Ansicht der Verbraucher die mit der Gefahrenbeseitigung verbundenen Komfortverluste oder finanziellen Belastungen nicht durch das höhere Sicherheitsniveau kompensiert werden, wird das Ziel der strict products liability, den Hersteller zur Inverkehrgabe von möglichst sicheren Produkten zu motivieren, verfehlt.438 Auch werden die zu schützenden Verbraucherinteressen als gefährdet angesehen, falls breite Teile der Bevölkerung einerseits von den materiellen Vorteilen aus der Nutzung moderner Industrieprodukte ausgeschlossen wären, weil sie sich aufgrund ihrer Vermögenssituation die neusten und sichersten, aber auch 436 Exemplarisch CA: Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 472 (1970); KS: Garst v. General Motors Corp., 484 P.2d 47, 61 et seq. (Kan. 1971). 437 Vgl. Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 31 (1982). 438 Dazu ausführlich in der Begründung zu MUPLA Sec. 104 in l. c., Analysis, p. 62723; vgl. auch die Ansätze von Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1660 (1994) und Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 24 et seq., 31 (1982).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
extrem teuren Technologien und Konstruktionen nicht leisten können, aber andererseits bereit wären, preisgünstige Produkte mit gleichem Nutzwert bei einem niedrigeren Sicherheitsniveau zu nutzen und die damit verbundene Gefahr zu akzeptieren.439 Daher ist ein Produkt nicht bereits dann unangemessen gefährlich und damit fehlerhaft, weil es nicht der technologisch ultimativ sichersten Konstruktion mit allen möglichen Sicherheitseinrichtungen entspricht440, sondern die Enttäuschung der Verbrauchererwartungen, die in der strict products liability die objektbezogenen Produktfehler bestimmt, setzt voraus, dass es ein Produkt mit einer höheren, technisch möglichen Sicherheit für die potentiellen Käufer und Nutzer gibt, das dem Verbraucher zur vollständigen Befriedigung seiner Nutzungsbedürfnisse zur Verfügung steht und am Markt verkaufsfähig ist, weil es trotz der mit der höheren Sicherheit verbundenen Komfortverluste (z. B. Einschränkungen in der Handhabbarkeit) und finanziellen Belastungen (höhere Verkaufspreise als Folge der höheren Produktionskosten) vom Käufer als attraktiv angesehen wird.441 Zur Abgrenzung von der negligence wurde es als selbstverständlich angesehen, dass im Rahmen der objektbezogenen Fehlerbestimmung der strict products liability die zu berücksichtigenden zeitlichen, sachlichen und finanziellen Tatsachen rein objektiv zu bestimmen sind, ohne darauf abzustellen (selbst wenn dadurch Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen), ob es die betriebswirtschaftlich-ökonomische Situation des Hersteller des schädigenden Produkts zuließ, ein höheres Sicherheitsniveau anzubieten.442 aa) Das feasible alternative design Der Einbeziehung ökonomischer Erwägungen in die Bestimmung eines angemessenen Sicherheitsniveaus wird in der strict products liability im Rahmen des intensiv diskutierten feasible alternative design eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Grundkonstruktion des Produkts, ggf. unter Einbeziehung möglicher 439 WA: Seattle-First National Bank v. Volkswagen of America, Inc., 11 Wn. App. 929, 936 (1974), diss., Green, C.J.; in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 32 et seq. (1982). 440 AZ: Gosewich v. American Honda Motor Co., 737 P.2d 365, 370 (Ariz. App. 1985); OK: Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 460 (10th Cir. 1974); grundsätzlich zur möglichen Fehlerhaftigkeit des Produkts wegen fehlender Sicherheitseinrichtungen CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1057 (1988); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 120 (1982); Pike v. Frank G. Hough Co., 2 Cal.3d 465, 475 (1970); MO: Higgins v. Paul Hardeman, Inc., 457 S.W.2d 943, 947 (Mo. App. 1970); in den Sekundärquellen Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (2011), Notes to Decisions, 6. Manufacturer Liability; Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 23 (1982). 441 Vgl. die Urteilsgründe in CA: Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 639 (Cal. App. 1984); McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 209 et seq. (1983); IA: Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 222 (Iowa 1980); OK: Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1486 (10th Cir. 1984); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 658 (1990); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d.; l. c., Reporters Notes: Comment d. IV. B. 442 Vgl. Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment f.; l. c., Reporters Notes: Comment f.; MUPLA, Analysis, p. 62730.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Sicherheitseinrichtungen und der Unfallsicherheit (crashworthiness), wird erst dann als unangemessen gefährlich angesehen, wenn ein alternative design (eine andere Konstruktion), das nachweislich zu einer höheren Produktsicherheit und damit zu geringeren oder keinen Verletzungen des geschädigten Verbrauchers geführt hätte, unter allen technischen, wissenschaftlichen, ökonomischen und praktischen Aspekten als umsetzbar (realisierbar) angesehen werden kann (feasible alternative design), weil eine den Zielen der strict products liability dienende billige, vernünftige und angemessene Abwägung zum Ergebnis führt, dass die mit dem alternative design zusammenhängende Verringerung der Gefährlichkeit (gegenüber der gewählten Produktspezifikation hinsichtlich der Art, Wahrscheinlichkeit, Häufigkeit, Vorhersehbarkeit und Offensichtlichkeit der Gefahr) auch unter Beachtung der Nützlichkeit des Produkts für das Leben der Menschen in der modernen Industriegesellschaft (und der Möglichkeiten der Befriedigung ihrer Bedürfnisse mittels anderer Produkte oder Produktarten) die mit dem alternative design zusammenhängenden Nachteile für den Verbraucher – wie etwa Komfortverluste, finanziellen Belastungen (inklusive der höheren Anschaffungskosten, der kürzeren Nutzungsdauer, des teureren Wartungs- und Reparaturaufwandes) – und für die Vermarktung – etwa durch die notwendigen Veränderungen des Aussehens – überwiegt.443 Auch 443
Instruktiv zur Abwägung alternativer Konstruktionsmöglichkeiten in der Bewertung der Fehlerhaftigkeit CT: Sylvain v. Madison’s, Inc., 1992 Conn. Super. LEXIS 3230, p. 4: bei einer Skibindung einerseits einfache Installation und Wartung sowie geringe Kosten, andererseits Resistenz gegen Schmutz, Schnee, Eis und Korrosion, einerseits Auslösen bei einem Sturz, andererseits aber fester Halt bei einer schnellen Abfahrt; vgl. auch AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1188 et seq., 1191 (Ala. 1985); IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 299 et seq. (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; Chown v. USM Corp., 297 N.W.2d 218, 222 (Iowa 1980); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 478 (6th Cir. 2002); LA: State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Ford Motor Co., 925 So.2d 1, 11 (La. App. 2005); Lawrence v. General Motors Corp., 73 F.3d 587, 589 (5th Cir. 1996); ME: Espeaignnette v. Gene Tierney Co., 43 F.3d 1, 6 fn. 7 (1st Cir. 1994); NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 570 et seq. (1998); Roberts v. Rich Foods, Inc., 139 N.J. 365, 379 et seqq. (1995); OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1331 (9th Cir. 1993); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 284, 286 (3rd Cir. 1994); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 29 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 671 (Tex. App. 2005); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 529 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 588 (Tex. 1999); Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 335, 339 (Tex. 1998); Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 384 (Tex. 1995); Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 746 (Tex. 1980); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 799 (Tex. 1975); WA: Crittenden v. Fibreboard Corp., 58 Wn. App. 649, 651 fn. 2; 659 (1990); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50 – 30:52; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d., f.; l. c. Reporters Notes: Comment d. II. A., f.; KY: KRS § 411.310 (2011), Notes to Decisions, 2. Strict Liability; LA: La. R.S. § 9:2800.54 (2011), Case Notes No. 200; MI: MCL § 600.2946 (2011), Case Notes, 2. Duty to provide safety devices; TN: Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (2011), Notes to Decisions, 2. Unreasonably Dangerous Product; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1660 (1994); Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 23 et seqq. (1982); in der Gesetzgebung MCL § 600.2946 (2); N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (a) (1); Tex. Civ. Prac. & Rem. Code § 82.005; einschränkend KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 945 (Kan. 2000): „reasonable alternative design“ zulässiger, wenn auch nicht notwendiger Aspekt der Fehler-
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
wenn der Rechtsgedanke des feasible alternative design gelegentlich als Teilaspekt im state-of-the-art oder industry custom geprüft wird444, so bedingt die Loslösung des Produktfehlers von einem einheitlichen Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung und der Bestimmung der Verbrauchererwartung gemäß dem – um die risk/utilityanalysis ergänzten – consumer expectation test, dass die Beschränkung der Herstellerhaftung auf Produktkonstruktionen, für die es ein feasible alternative designs gibt, als eigenständige Haftungsbeschränkung mit eigenen Voraussetzungen angesehen wird445. Mehr noch muss rechtssystematisch die Prüfung eines feasible alternative designs von der allgemeinen risk/utility-analysis mit ihren vielfältigen Abwägungsaspekten abgegrenzt werden und substituiert diese nicht446, da selbst bei Vorliegen eines feasible alternative designs die Verbrauchererwartungen unter allgemeinen Erwägungen zur Akzeptanz eines höheren Gefahrenpotentials führen können447. So ist es bei Kraftfahrzeugen zwar möglich, die meisten gefährlichen Verletzungsfolgen durch die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf Schrittgeschwindigkeit zu vermeiden, jedoch wird diese Produkteigenschaft aufgrund des rechtlich zu akzeptierenden Bedürfnisses der Verbraucher an einer schnelleren bestimmung; so wohl auch CT: Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co., 694 A.2d 1319, 1331 et seqq. (Conn. 1997); Sylvain v. Madison’s, Inc., 1992 Conn. Super. LEXIS 3230, p. 5; in der deutschen Literatur aufgegriffen durch Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (151); Pfeifer, S. 143 f., 166 f. 444 Expressis verbis als absolute defense dargestellt im Products Liability Act in New Jersey (mit Verweis auf state-of-the-art-defense im Sinne der Existenz eines feasible alternative design), vgl. auch NJ: Cavanaugh v. Skil Corp., 164 N.J. 1, 7, 9 (2000); Fabian v. The Minster Machine Co., 258 N.J. Super. 261, 271 et seq. (1992); vgl. zur Ambivalenz der Begrifflichkeiten CT: Sylvain v. Madison‘s, Inc., 1992 Conn. Super. LEXIS 3230, p. 4; TX: Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 748 (Tex. 1980); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 17 et seq. (1982); in der deutschen Literatur Meermann, S. 116, 127. 445 Vgl. die „kombinierte“ Prüfungsabfolge in der Entscheidung AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1188 et seq. (Ala. 1985); vgl. auch MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 109 (1985); Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 530 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; im Ergebnis auch KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 945 (Kan. 2000); in den Sekundärquellen AR: A.C.A. § 16 – 116 – 104 (2011), Case Notes, Alternative Safer Design; mit einem deutlichen Implementierungsgedanken K.S.A. § 60 – 3305 (b); mit einem „two-step approach“ des state-of-the art auf der ersten Stufe und des feasible alternative design auf der zweiten Stufe Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 21 et seqq. (1982). 446 Vgl. NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 570 (1998): „A plaintiff must prove either that the product’s risks outweighed its utility or that the product could have been designed in an alternative manner so as to minimize or eliminate the risk of harm.“; im Ergebnis auch IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 299 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; KS: Delaney v. Deere and Co., 999 P.2d 930, 945 (Kan. 2000); NJ: Fabian v. The Minster Machine Co., 258 N.J. Super. 261, 271 et seq. (1992); TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 530 (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J.; so in den Sekundärquellen AR: A.C.A. § 16 – 116 – 104 (2011), Case Notes, Alternative Safer Design; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d. 447 Vgl. TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 350 (5th Cir. 1983), conc., Garwood, J.; Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 746, (Tex. 1980); vgl. zu den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d. IV. B.
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Fortbewegungsmöglichkeit von diesen nicht toleriert oder gar akzeptiert. Das sich aus der Rechtsprechung zum feasible alternative design ergebende allgemeine Erfordernis der Umsetzbarkeit als Voraussetzung jeglicher Haftung aus der strict products liability betrifft aufgrund des einheitlichen Fehlerbegriffs natürlich auch kommunikative Maßnahmen, wobei es sich hierbei nur um eine unbedeutende Haftungsbeschränkung handelt, da Warnungen und Instruktionen mit geringen Kosten und ohne relevante Einschränkungen der Produktfunktionen umsetzbar sind.448 Die Rechtsprechung zum feasible alternative design macht deutlich, dass ohne eine sicherere umsetzbare Konstruktion das Produkt nicht fehlerhaft sein kann. Folglich wurde aus dem Fehlen einer Darstellung eines feasible alternative designs der Umkehrschluss gezogen, dass das den Schaden verursachende Produkt den höchsten Sicherheitsanforderungen entsprach.449 Damit erwächst die – mit erheblichen fachlich-technischen und finanziellen Belastungen verbundene450 – Darlegung und Beweisführung eines feasible alternative designs zur zentralen Aufgabe für den Geschädigten. Dafür kann er den Verweis auf eine bereits in den Warenverkehr eingeführte Konstruktion nutzen, oder er muss – sollte es sich um eine noch nicht umgesetzte Sicherheitseinrichtung handeln – beweisen, dass nach dem Stand der Forschung zum Anknüpfungszeitpunkt diese Maßnahme für die serienmäßige Verwendung entweder generell verfügbar war oder – wenn noch nicht einmal ein Prototyp existierte – die wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten und Erkenntnisse bereits vorhanden waren, um die Gefahrbeseitungsmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.451 Neben der materiell-rechtlichen Haftungsbegrenzung 448 Vgl. in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (C) (2) (c), 107 (E); in der deutschen Literatur Meermann, S. 126; Pfeifer, S. 161. 449 IA: Hughes v. Massey-Ferguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 300 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; NJ: Cavanaugh v. Skil Corp., 164 N.J. 1, 7 (2000); Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 570 et seq. (1998); Fabian v. The Minster Machine Co., 258 N.J. Super. 261, 271 (1992); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 286 (3rd Cir. 1994); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:51 mit Verweis auf die Rechtslage in einigen Rechtsordnungen und § 30:52; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment f., mit einen Überblick über die einzelnen Rechtsordnungen; l. c., Reporters Notes: Comment d. II. A.; zur Beweislast des Geschädigten im Falle des Erhebens der open-and-obvious-danger-Einrede durch den Hersteller NJ: N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (2011), Case Notes No. 13; vgl. auch TN: Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 105 (2011), Notes to Decisions, 3. Evidence; in der Gesetzgebung MCL § 600.2946 (2); Tex. Civ. Prac. & Rem. Code § 82.005 (a) (1); in der deutschen Literatur Micklitz, ZEuS 2002, 77 (86); a.A. mit der Ablehnung der Nachweispflicht einer angemessenen Konstruktionsalternative Zekoll, IPRax 1997, 198 (202). 450 So auch Micklitz, ZEuS 2002, 77 (86). 451 AZ: Gosewich v. American Honda Motor Co., 737 P.2d 365, 370 (Ariz. App. 1985); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 286 (3rd Cir. 1994); TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 529 et seq. (5th Cir. 2001), diss., Dennis, J., mit Bezug auf Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 746 (Tex. 1980); in den Sekundärquellen Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 21 et seq. (1982); den gleichlautenden Reformvorschlag im Restatement (Second) of Torts aufgegriffen von Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (275).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
entwickelt industry custom and usage damit auch eine prozessuale (indizielle, nicht zwingende) Wirkung bezüglich eines Nachweises eines feasible alternative designs und zwar sowohl zugunsten des Herstellers im Sinne der Unmöglichkeit der Realisierung der vom Geschädigten vorgeschlagenen Konstruktion, wenn niemand bisher die Maßnahme eingesetzt hat, als auch zu Lasten des Herstellers, wenn andere Hersteller die Maßnahme bereits eingesetzt haben.452 Während das Einbringen eines vergleichbaren Produkts mit wirkungsvolleren Sicherheitseinrichtungen keine größeren Schwierigkeiten bereiten dürfte, ist die Beweisführung für den Geschädigten am schwierigsten, wenn zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produkts die von ihm geltend gemachte Sicherheitsmaßnahme zwar entwicklungsfähig, bekannt oder gar verfügbar war, jedoch in der jeweiligen Industriebranche noch nicht angewendet wurde.453 Soweit das feasible alternative design in Fachzeitschriften bereits beschrieben wurde, wird dem Hersteller im Rahmen der objektbezogenen Fehlerbestimmung die Kenntnis des Inhaltes der Publikation zugeschrieben.454 Weiterhin könnte in den Sinn kommen, dass der Geschädigte seinen Beweis damit führt, dass er auf nachträgliche konstruktive Änderungen des Herstellers an seinen Produkten verweist. Eine pauschale Beweisführung, dass der Hersteller zu einem späteren Zeitpunkt die vom Geschädigten zum Beweis der Fehlerhaftigkeit eingeführte Sicherheitseinrichtung eingebaut hat, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ansonsten zu befürchten sei, dass der Hersteller von der gesellschaftlich erwünschten intensiven Forschungs- und Entwicklungsarbeit sowie von Verbesserungen und Reparaturen bereits im Warenverkehr befindlicher Produkte abgeschreckt werden könnte455 und dass zwischen der wissenschaftlichen Ent452 CA: McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 209 et seq. (1983); TX: Carter v. Massey-Ferguson, Inc., 716 F.2d 344, 349 (5th Cir. 1983); Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 748 et seq. (Tex. 1980); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 218 (1984), diss., Dimmick, J.; Cantu v. John Deere Co., 24 Wn. App. 701, 704 (1979); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:50; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d.; l. c., Reporters Notes: Comment d. IV. B.; Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 21 et seq. (1982); anders die gesetzliche Regelung bzgl. Flugzeugteilen in N.D. Cent. Code, § 28 – 01.4 – 03. 453 So auch die Problembeschreibung in Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment d. IV. B. 454 MI: Fletcher v. Ford Motor Co., 342 N.W.2d 285, 288 (Mich. App. 1983); Bradbury v. Ford Motor Co., 333 N.W.2d 214, 217 (Mich. App. 1983); bereits in der negligence AR: Schenebeck v. Sterling Drug, Inc., 423 F.2d 919, 922 et seq. (8th. Circuit 1970); bzgl. Fachartikel in französischer und finnischer Sprache MO: Braun v. Roux Distributing Co., 312 S.W.2d 758, 763 (Mo. 1958); in der deutschen Literatur Hoechst, S. 42. 455 FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 464 et seq. (Fla. App. 1981); GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 309 et seq. (Ga. App. 1994); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 114 (1985); TX: Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 852 (Tex. 1979); vgl. zur Unzulässigkeit in der negligence CA: Boeing Airplane Co. v. Brown, 291 F.2d 310, 315 et seq. (9th Cir. 1961); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 618 (N.Y. App. Div. 1982); OK: Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 447 (10th Cir. 1976); in der Gesetzgebung in MUPLA Sec. 107 (A) aufgegriffen und sehr il-
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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wicklung einer Sicherheitsmaßnahme und der serienmäßigen Ausrüstung der Produkte eine angemessene Karenzzeit zugestanden werden müsse456. Einem Ausschluss der Beweisführung wurde entgegengehalten, dass der Hersteller von Massenprodukten trotz der eventuellen Haftungsrisiken die Gefahrenerkenntnisse nach der Inverkehrgabe zur Produktverbesserung einsetzen wird, um den mit massenhaften Schadenersatzklagen verbundene Imageverlust mit betriebswirtschaftlichen Gefahren zu vermeiden.457 Für den Nachweis der generellen Gefahren- und Fehlerkenntnisse des Herstellers, der Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden, der Falschheit des vom Kläger behaupteten Unfallverlaufs und der Umsetzbarkeit oder Verfügbarkeit einer modifizierten Produktspezifikation wurde der Verweis auf spätere Produktänderungen als unschädlich hinsichtlich der Ziele und Zwecke der strict products liability angesehen.458 Damit die vom Geschädigten dargelegte Sicherheitseinrichtung tatsächlich ein feasible alternative design ist, muss er sowohl die gegenständliche als auch die finanzielle Umsetzbarkeit darlegen.459 Die gegenständliche Komponente umfasst im Wesentlichen die technologische Frage der Gleichwertigkeit bezogen auf die Nützlichkeit und die Funktionalität, also ob und in welcher Weise mit der vom Geschädigten als sicherer behaupteten Produktspezifikation die Produkteigenlustrativ in l. c., Analysis, p. 62729 begründet: „all they show is that ,as one gets older, one may get wiser,‘“; in der deutschen Literatur Hoechst, S. 49 f. 456 TX: Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 748 et seq. (Tex. 1980); anders wohl die Interpretation der Rechtslage in der deutschen Literatur durch von Hülsen/BrüningBrinkmann, RIW 1985, 187 (188). 457 CA: West v. Johnson & Johnson Products, Inc., 174 Cal. App.3d 831, 855 (1985); Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 120 (1974); in der deutschen Literatur zustimmend Pfeifer, S. 146; dieses Argument aufgreifend und im Ergebnis ablehnend GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 309 (Ga. App. 1994); Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 113 et seq. (1985); vgl. in einem Minderheitsvotum CA: Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 125 et seq. (1974), diss. Clark, J.: möglicherweise beruhen Änderungen der Produktspezifikation auf ökonomischen, funktionalen und ästhetischen Zielen, die für die Bewertung der Fehlerhaftigkeit des Produkts irrelevant sind. 458 FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 465 et seq. (Fla. App. 1981); GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 310 (Ga. App. 1994); MA: Simmons v. Monarch Machine Tool, Co., 413 Mass. 205, 214 (1992); NY: Lancaster Silo & Block Co. v. Northern Propane Gas Co., 427 N.Y.S.2d 1009, 1016 (N.Y. App. Div. 1980); Bolm v. Triumph Corp., 422 N.Y.S.2d 969, 975 (N.Y. App. Div. 1979); PA: Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1363 (M.D.Penn. 1978); in der negligence CA: Boeing Airplane Co. v. Brown, 291 F.2d 310, 315 (9th Cir. 1961). 459 MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 109 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); NJ: Roberts v. Rich Foods, Inc., 139 N.J. 365, 381 et seq. (1995); PA: Habecker v. Clark Equipment Co., 36 F.3d 278, 286 (3rd Cir. 1994); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 29 (Tex. App. 2007); Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 746 (Tex. 1980); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 799 (Tex. 1975); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:52; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment f.; in der Gesetzgebung MCL § 600.2946 (2); Tex. Civ. Prac. & Rem. Code § 82.005 (b) (2).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
schaften nicht negativ beeinträchtigt werden.460 Dabei muss der Geschädigte nicht zwingend eine noch nicht gebaute, technologisch aber zur Verfügung stehende Konstruktion selbst bauen461 sowie die spezifische Gefahrenlage bezüglich der verwendeten Materialien, Technologien etc. konkretisieren462. Um anschließend den Nachweis zu führen, dass der Verbraucher zur Vermeidung des Verletzungsrisikos die zusätzlichen Kosten der dargelegten Sicherheitseinrichtung bereit ist zu tragen, um die Vorzüge des Produkts nutzen zu können463, muss der Geschädigte weder einen exakten und detaillierten Kostenvergleich noch den Nachweis eines Idealprodukts erbringen, sondern es genügt darzulegen, dass die mit dem feasible alternative design verbundenen Kosten die Verbraucherakzeptanz in der marktwirtschaftlichen Wettbewerbssituation nicht so negativ beeinträchtigen werden, dass voraussichtlich das Produkt auf kein ausreichendes Käuferinteresse mehr stoßen wird.464 In der strict products liability steht der Geschädigte vor der besonderen Herausforderung, seine subjektive Auffassung so zu objektivieren, dass sie die objektive 460 Sehr anschaulich NJ: Roberts v. Rich Foods, Inc., 139 N.J. 365, 381 et seq. (1995): „To require a manufacturer to eliminate all the dangers associated with motorcycle accidents would require a manufacturer to deprive the motorcycle of its intended use and turn the motorcycle into an enclosed vehicle.“; aufgegriffen in den Sekundärquellen in NJ: N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (2011), Case Notes No. 3. 461 So TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 534 et seq. (5th Cir. 2001), diss. Dennis, J.; General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 592 (Tex. 1999); in der deutschen Literatur Hörl, S. 115. 462 RI: Guilbeault v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 84 F. Supp.2d 263, 279 (D.R.I. 2000). 463 MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 109 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 218 (1984), diss., Dimmick, J.; Seattle-First National Bank v. Volkswagen of America, Inc., 11 Wn. App. 929, 935 (1974), diss., Green, C. J.: „A Volkswagen’s ability to protect its occupants in a collision will never equal that of a Cadillac, a Mercedes or other higher-priced cars because of the price differential.“ (dieses Zitat hat wohl Meermann, S. 126 inspiriert); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:52; in der Gesetzgebung MCL § 600.2947 (5). 464 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1188 (Ala. 1985); MD: Troja v. The Black & Decker Mfg. Co., 62 Md. App. 101, 109 (1985); Singleton v. International Harvester Co., 685 F.2d 112, 115 (4th Cir. 1981); OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1331 (9th Cir. 1993); TX: Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 746 (Tex. 1980); Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 799 (Tex. 1975); WA: Lenhardt v. Ford Motor Co., 102 Wn.2d 208, 217 et seq. (1984), diss., Dimmick, J.; bereits in der negligence, vgl. KS: Garst v. General Motors Corp., 484 P.2d 47, 62 (Kan. 1971); NY: Micallef v. Miehle Co., 39 N.Y.2d 376, 386 (1976); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment f.; l. c., Reporters Notes: Comment f.; in der Gesetzgebung bzgl. Flugzeugen und Flugzeugteilen N.D. Cent. Code, § 28 – 01.4 – 03.; vgl. in der deutschen Literatur Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 21; Hörl, S. 115; Pfeifer, S. 168, 195 f., der darin einen Ausfluss der ökonomischen Analyse des Schadensrechts sieht, dies als cost/benefit-analysis bezeichnet und mit Verweis auf den „Learned Hand negligence calculus“ eine aus der negligence adoptierte Auffassung vertritt, dass ein Konstruktions- oder Instruktionsfehler vorliegt, wenn die zur Gefahrenprävention erforderlichen Kosten geringer sind als die drohenden Schäden.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Umsetzbarkeit hinreichend begründen kann. Das in Deutschland dafür genutzte Beweismittel eines gerichtlich bestellten Sachverständigen steht in den USA im Regelfall nicht zur Verfügung.465 Soweit sich der Geschädigte auf Publikationen beruft, handelt es sich auch nur um subjektive Ansichten des Autors, so dass es nicht ausreicht, dass die Meinung in einer Fachzeitschrift publiziert wurde oder der Autor gar ein angesehener Experte ist466, sondern er muss entweder eine allgemein anerkannte fachliche Autorität oder die fachliche Meinung muss allgemein in der Berufsgruppe anerkannt sein467. Da andere Beweismittel dem Geschädigten im Regelfall nicht zur Verfügung stehen, berufen sich die meisten Geschädigten auf den expert witness, also einen vom Beweisführer bezahlten und von ihm als Experten auf dem Gebiet des Beweisthemas eingeführten Zeugen.468 Die Objektivierung der Aussage des – aufgrund der Bezahlung durch den Beweisführer hochgradig subjektiven – expert witness soll dadurch erreicht werden, dass die Aussage der widerstreitenden wissenschaftlichen Theorien der expert witness beider Parteien von der Laienjury als (objektivierende) Personenmehrheit (ausgenommen im Falle eines summary judgment vor der Eröffnung des jury trials oder im Falle eines judgment notwithstanding the verdict – judgment non obstante veredicto oder judgment n.o.v. nach der Entscheidung der Jury) abgewogen und anschließend der Entscheidung zu Grunde gelegt wird.469 Um eine hinreichende Objektivierung zu erreichen, ist daher von essentieller Bedeutung, welche Theorien der jury vorgetragen werden dürfen.470 Rule 702 der Federal Rules of Evidence stellt die allgemeine Grundlage zur Handhabung solcher Expertenaussagen vor Gericht dar. Das vorgetragene wissenschaftliche, technische oder sonstige Spezialwissen muss den Spruchkörper unterstützen, den Beweis zu verstehen oder die streitigen Fakten zu bestimmen, wobei sich 465
Vgl. zur geringen Nutzung der Beweisführung durch Gerichtssachverständige Meyer, ZDAR 2014, 55 (59). 466 Vgl. MA: Mechino v. North American Drager, Inc., 841 F.2d 429, 434 (1st Cir. 1988): gestiegene Publikationserfordernisse im Zeitalter der quantitativen Forschung; OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1331 (9th Cir. 1993): die isolierte Meinung von Ingenieuren zur technischen Umsetzbarkeit ohne hinreichenden Nachweis der ökonomischen Umsetzbarkeit ist nicht ausreichend; bereits in der negligence MO: Braun v. Roux Distributing Co., 312 S.W.2d 758, 762 et seq. (Mo. 1958): die Vorlage eines wissenschaftlichen Fachzeitschriftenartikels reicht für die Richtigkeit der publizierten Meinung nicht aus; in den Sekundärquellen TraversHodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:60. 467 MA: Mechino v. North American Drager, Inc., 841 F.2d 429, 434 (1st Cir. 1988); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:60; vgl. auch die Beweiswürdigung des expert witness im Teil 4. 468 Vgl. zur interessengerechten Auswahl des expert witness Meyer, ZDAR 2014, 55 (57). 469 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 592 et seq. (1993); in den Sekundärquellen exemplarisch Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 21 (1982); in der deutschen Literatur sehr missverständlich Hörl, S. 115, die dies als „Beibringung eines Sachverständigengutachtens“ bezeichnet. 470 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 592 et seq. (1993); darauf verweisend AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9 et seq.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
die Theorien nicht auf rein subjektive Ansichten und unbegründete Spekulationen begrenzen dürfen, sondern ein objektives, hinreichend akzeptiertes, auf wissenschaftlichen Methoden und Verfahren beruhendes Wissen über Fakten und alle Ideen, die von diesen Fakten hergeleitet werden, umfassen müssen (accepted as truths on good ground).471 Da erkannt wurde, dass es keine absolute Erkenntnissicherheit in der Wissenschaft gibt und dass die im Rechtsstreit dargelegte entscheidungsrelevante Wahrheit diesen endgültig beenden muss und diese Wahrheit nicht – wie in der Wissenschaft – ständig korrigiert werden kann, ist gemäß den sogenannten Daubert-Kriterien472 die hinreichende Akzeptanz nicht auf die als absolut sicher anerkannte wissenschaftliche Meinung begrenzt, sondern umfasst alle als seriös angesehenen Thesen oder Schlussfolgerungen mit einer hinreichenden wissenschaftlichen Verbindung zur Entscheidungserheblichkeit, die aufgrund einer wissenschaftlichen Methodik hergeleitet, getestet und nachprüfbar sind.473 Im Einzelnen umfassen die Daubert-Kriterien, gleich ob es sich um wissenschaftliche oder nichtwissenschaftliche Sachverhalte handelt474, folgende Aspekte: 1. Kann die vorgetragene wissenschaftliche Meinung nachgeprüft – und damit auch mit objektiven Argumenten angezweifelt werden475 – oder haben gar einschlägige Gesetze und Normen diese Meinung aufgegriffen oder weiterentwickelt476 ? 471 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 589 et seq. (1993); vgl. dazu im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 8 et seqq.; NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Notes, Interpretive Notes and Decisions, I. In General, 8. Helpfulness to trier of fact, 18. Reliability and relevancy. 472 Vgl. NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995), worin auf die Ersetzung des sogenannten Frye-Standards aus dem Jahre 1923 (wonach eine wissenschaftliche Methode als Beweismittel nur zugelassen ist, wenn die Entscheidungsgrundlagen in der wissenschaftlichen Fachwelt generell als verlässlich und für entsprechende Schlussfolgerungen geeignet angesehen werden) hingewiesen wird; vgl. hierzu in der deutschen Literatur Meyer, ZDAR 2014, 55 (57); Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 473 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 592 et seq., 596 et seq. (1993); dazu im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9 et seq.; FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 282 (S.D.Fla. 1994); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 et seq. (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 16. Scientific opinions. 474 So in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; vgl. in der deutschen Literatur Meyer, ZDAR 2014, 55 (57). 475 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 593 (1993); daran im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9; FL: Byrnes v. Honda Motor Co,, 887 F. Supp. 279, 282 (S.D.Fla. 1994); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995); TX: General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 590 (Tex. 1999); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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2. Wurde die vorgetragene Meinung bereits von anderen Experten nachgeprüft und wurden dazu evaluierende Publikationen veröffentlicht?477 Ohne eine Nachprüfung sei es eine ungetestete Mutmaßung, was als Indiz für eine subjektive Hypothese spräche.478 Demgegenüber wird das Teilen der wissenschaftlichen Hypothese mit der wissenschaftlichen Gemeinde als eine Form der Objektivierung angesehen, da durch Fachdiskussionen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eventuelle methodische Mängel entdeckt werden können und der jeweils anderen Partei für das Kreuzverhör zur Verfügung stehen.479 Allein der Umstand, dass die Meinung nicht publiziert wurde, schließt aber nicht per se die Objektivität aus, da auch eine gut begründete, aber neuartige Theorie noch nicht veröffentlicht sein könnte, weil sie sich so stark auf Einzelinteressen richtet, dass kein hinreichendes Interesse an einer Publikation besteht.480 3. Wie hoch ist die bekannte oder potentielle Fehlerquote der genutzten wissenschaftlichen Erkenntnismethode?481 Decisions,16. Scientific opinions, 18. Reliability and relevancy; in der deutschen Literatur Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 476 Vgl. NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 555 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen aufgegriffen in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 18. Reliability and relevancy. 477 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 593 (1993); daran im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9; FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 282 (S.D.Fla. 1994); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995); TX: General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 590 (Tex. 1999); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 16. Scientific opinions, 18. Reliability and relevancy; in der deutschen Literatur Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 478 NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 557 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 17. General acceptance, 18. Reliability and relevancy; LA: La. R.S. § 9:2800.56 (2011), Case Notes No. 17. 479 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 593 (1993); daran im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9; NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Interpretive Notes and Decisions, 18. Reliability and relevancy. 480 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 593 (1993); vgl. im Anschluss NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 16. Scientific opinions. 481 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 594 (1993); daran im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9; TX: General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 590 (Tex. 1999); in den Sekundär-
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
4. Wie hoch ist die Akzeptanz der vorgetragenen Meinung in Fachkreisen einzuschätzen?482 In der Folgezeit wurden weitere Faktoren entwickelt: 5. Handelt es sich um Auffassungen, die aus einer vom gerichtlichen Verfahren unabhängigen Forschung entstanden sind (was für eine höhere Objektivität spricht), oder sind die Ergebnisse eine Auftragsarbeit der Prozesspartei?483 6. Ist die vom expert witness gezogene Schlussfolgerung unvertretbar, weil er hinsichtlich technischer und wissenschaftlicher Schlussfolgerungen die bisher allgemein anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungen nicht aufgegriffen hat oder versucht, diese unbegründet zu widerlegen?484 7. Hat der expert witness auch andere offensichtliche Erklärungen in Erwägung gezogen?485 8. War der expert witness bei seiner Aussage genauso sorgfältig, wie er außerhalb seiner von einer Prozesspartei bezahlten Beratung ist?486 Wenig seriös seien Theorien, die sich allein auf eigene Arbeiten mit wenigen Fallbeispielen beziehen, ohne dass die entwickelte wissenschaftliche Hypothese real nachgeprüft wurde.487 Falls also Fakten behauptet werden, die nicht auf einer ausreichenden quellen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 16. Scientific opinions, 18. Reliability and relevancy; in der deutschen Literatur Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 482 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 594 (1993); daran im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9; FL: Byrnes v. Honda Motor Co., 887 F. Supp. 279, 282 (S.D.Fla. 1994); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 555 (E.D.N.C. 1995); TX: General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 590 (Tex. 1999); in den Sekundärquellen MI: MCL § 600.2946 (2011), Case Notes, 5. Evidence; USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 16. Scientific opinions, 17. General acceptance, 18. Reliability and relevancy; in der deutschen Literatur Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 483 Mit Verweisen dargestellt in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; vgl. zum Manipulationseinwand in der deutschen Literatur Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 484 Mit Verweisen dargestellt in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments. 485 Mit Verweisen dargestellt in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments. 486 Mit Verweisen dargestellt in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; vgl. auch l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin. 487 Vgl. USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Forschung und nicht auf bekannten technisch-mechanischen Fachkenntnissen beruhen, dann müsse eine vernünftige Verbindung zu den Erkenntnissen und Verfahren durch den tatsächlichen Nachbau und Test des behaupteten feasible alternative designs hergestellt werden.488 9. Können mittels der behaupteten Fachkompetenz die vorgetragenen Ergebnisse überhaupt tatsächlich ermittelt werden?489 Zusammenfassend ist festzustellen, dass zur Objektivierung der berechtigten Sicherheitsinteressen in der strict products liability weder auf die Erfüllung von Handlungspflichten des Herstellers noch allein auf die gewonnenen Schlussfolgerungen aus der Erkenntnisgewinnung (und damit auf die Akzeptanz der Erkenntnisse unter Ausschluss von Mindermeinungen) abgestellt wird, sondern die Prinzipien und Methoden der Erkenntnisgewinnung müssen hinreichend objektiv begründet sein.490 Die dadurch in Betracht kommende Gefahr, dass mit der Berücksichtigung von Mindermeinungen und mit der Abschaffung der allgemeinen Akzeptanz der wissenschaftlichen Meinung die juristischen und technischen Laien in der jury absurde und pseudowissenschaftliche Entscheidungen treffen könnten, soll durch die Angreifbarkeit jeder dargelegten Meinung im Kreuzverhör des expert witness und durch Entscheidungen des Richters ausgeräumt werden.491 Zur Maximierung der Objektivität wird teilweise zusätzlich vertreten, dass die jury im Rahmen ihrer Arbeit nicht auf bestimmte Faktoren bei der Abwägung zwischen den Gefahren und der Nützlichkeit des Produkts festgelegt werden dürfe.492 Wenn und soweit der Geschädigte vorgetragen hat, dass durch ein alternative design die zur Verletzung führende Gefahr beseitigt worden wäre, kann der Hersteller dagegen vorbringen, dass das alternative design zum maßgeblichen Zeitpunkt aus 488
Vgl. USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 182. Engineers. 489 Mit Verweisen dargestellt in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 17. General acceptance. 490 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 594 et seq. (1993); daran im Anschluss AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 9 et seq.; NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 554 (E.D.N.C. 1995); aufgegriffen in den Sekundärquellen in USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), History, Notes of Advisory Committee on 2000 amendments; l. c., Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; l. c., Interpretive Notes and Decisions, 16. Scientific opinions, 17. General acceptance, 18. Reliability and relevancy; in der deutschen Literatur skeptisch zum Gelingen einer Objektivierung mittels der Beurteilung der Wissenschaftlichkeit Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1395). 491 Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 509 U.S. 579, 596 (1993); zitiert in AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 10. 492 TX: Smith v. Louisville Ladder Corp., 237 F.3d 515, 534 (5th Cir. 2001), diss. Dennis, J., mit Bezug auf Turner v. General Motors Corp., 584 S.W.2d 844, 847 (Tex. 1979); vgl. zum Abweichen des juristischen Spruchkörpers von der Expertenmeinung Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 329 (Tex. 1998).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
technologischen, finanziellen und funktionellen Gründen nicht umsetzbar war, dass das alternative design nicht die Sicherheit, sondern höchstens den Komfort oder die Haltbarkeit des Produkts verbessert, dass neue Gefahren von gleichem oder höherem Ausmaß entstanden wären, dass die vom Geschädigten erlittenen Verletzungen auch mit dem feasible alternative design eingetreten wären sowie dass üblicherweise der Produktnutzer die für die endgültige Produktbenutzung notwendigen Sicherheitseinrichtungen anbringt, da diese dem Hersteller unbekannt ist.493 bb) Die Erfüllbarkeit der Herstellerpflicht Der verhaltensbezogene Fehlerbegriff bedingt zwangsläufig, dass sich die Bestimmung der Fehlerhaftigkeit des Produkts aus einem prinzipiell erfüllbaren Haftungsvorwurf ergibt.494 Dem Hersteller kann kein Vorwurf unrechtmäßigen Verhaltens gemacht werden, wenn ihm keine umsetzbaren Verhaltensalternativen (z. B. ein serienmäßig herstellbarer und voll brauchbarer Schutzmechanismus495) zur Verfügung standen.496 Die dadurch verbleibenden technischen Produktrisiken werden von der Rechtsordnung und vom Verbraucherschutz als tolerierbare und angemessene Gefahren – auch für die Gesundheit – angesehen, stellen als allgemeines Lebensrisiko also die Kehrseite der vom Verbraucher gewollten Nutzung industrieller und hochtechnisierter Massenprodukte dar.497 Solange die zur Vermeidung von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendige Gefahrenprävention (erforderliche Basissicherheit) nicht unterschritten ist, soll jeder erwachsene Mensch selbst entscheiden können, ob er – im Bewusstsein der Gefahren und der fehlenden höchstmöglichen Sicherheit gegen alle Risiken – Produkte zur Befriedigung seiner
493 AZ: Gosewich v. American Honda Motor Co., 737 P.2d 365, 370 (Ariz. App. 1985); CA: McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 210 (1983); IA: Hughes v. MasseyFerguson, Inc., 522 N.W.2d 294, 300 (Iowa 1994), conc., Ternus, J.; NJ: Lewis v. American Cyanamid Co., 155 N.J. 544, 571 (1998); Roberts v. Rich Foods, Inc., 139 N.J. 365, 381 et seq. (1995); TX: Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 329 (Tex. 1998); Caterpillar, Inc. v. Shears, 911 S.W.2d 379, 384 et seq. (Tex. 1995); Boatland of Houston, Inc. v. Bailey, 609 S.W.2d 743, 748 et seq. (Tex. 1980); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:53; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d.; Katz, 69 Harv. L. Rev. 863, 872 (1956); in der Gesetzgebung N.J. Stat. § 2 A:58C-3 (a) (1); N.D. Cent. Code, § 28 – 01.4 – 03.; MUPLA Sec. 107 (E). 494 Vgl. Pfeifer, S. 76, 83. 495 Vgl. BGH VersR 1957, 584, worin sogar die Verfügbarkeit eines serienmäßig herstellbaren Schutzmechanismus abgelehnt wurde, wenn dieser so unpraktisch war, dass nur eine eingeschränkte Haltbarkeit zu erwarten war und er daher von den Anwendern teilweise überbrückt wurde. 496 Vgl. Hörl, S. 34 f.; Pfeifer, S. 199; Marburger, S. 132 f. 497 Vgl. BGH NJW 1990, 906 (907); BGH NJW 1988, 2611 (2612); Marburger, S. 121 f., 124, der das erlaubte technische Risiko als Kehrseite der nicht erreichbaren völligen Risikofreiheit der hochtechnisierten Lebensform in der Industriegesellschaft ansieht.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Bedürfnisse nutzen möchte (in der sozialen Marktwirtschaft sollen möglichst breite Schichten an der Nutzung von Industrieprodukten teilhaben).498 Die Umsetzbarkeit von Gefahrbeseitigungsmaßnahmen im Sinne der erfüllbaren Verhaltenspflichten wird also als Teil der Haftungsbegrenzung durch das allgemeine Lebensrisiko angesehen, wie etwa auch der Ausschluss von Schadensursachen, die nicht dem Verantwortungs- und Gefahrenbereich des Herstellers entspringen (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG), dem Ausschluss von Entwicklungsrisiken (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG) und späteren Weiterentwicklungen (vgl. § 3 Abs. 2 ProdHaftG).499 Darüber hinaus wird mit praktischen Erwägungen argumentiert, dass eine Haftung des Herstellers auch dann, wenn weitergehende Gefahrbeseitigungsmaßnahmen grundsätzlich fehlen, serienmäßig nicht herstellbar oder wirtschaftlich nicht implementierbar sind, den technischen und gesellschaftlichen Fortschritt und die Verbrauchersicherheit gefährden kann, da der Hersteller motiviert sein könnte, den Schadenersatz als Geschäftskosten zu akzeptieren und dafür die hohen Kosten für die Entwicklung neuer und umsetzbarer Gefahrbeseitigungsmaßnahmen zu sparen.500 Auch wird angeführt, dass im Falle von patentrechtlich geschützten Gefahrbeseitigungsmaßnahmen der Hersteller vom Produkthaftungsrecht nicht in das Dilemma gebracht werden sollte, entweder vom Konkurrenten zu schwer refinanzierbaren Kosten das Patent zu erwerben, was sich ggf. noch nicht einmal ausreichend bewährt hat, oder die Haftung und den Imageschaden zu erleiden.501 Die allgemeine Meinung stand vor der Herausforderung, die Begrenzung der Verhaltenspflichtverletzung des Herstellers in die objektive Gesetzessprache des § 3 ProdHaftG zu implementieren. Teilweise wurde in Abkehr von der Beschreibung von Verkehrssicherungspflichten bei der Bestimmung der Umsetzbarkeit auf ein gesellschaftliches Interesse an der Benutzung bestimmter – gefährlicher – Produkte abgestellt, dass das Produkthaftungsrechts zu respektieren habe, dass es nicht 498
BGH NJW 1990, 908 (909); vgl. zu Produkten, bei denen die Nutzungsgefahren den Reiz zur Benutzung bilden, BGH VersR 1977, 334 (335); OLG Celle VersR 1978, 258 (259); in der Literatur; Molitoris/Klindt, NJW 2015, 1568 (1571) mit Verweis auf OLG Naumburg Urteil vom 21. 11. 2013 Az. 1 U 38/12; Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 1520 S. 4 f.; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 655 f., § 3 ProdHaftG Rn. 24: sehr weitgehend auf die risk/ utility-analysis abstellend; Hörl, S. 38; Zoller, S. 180; Schulenberg, S. 22; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1075); von Münch, DAR 1958, 62 (64); vgl. auch die Diskussion der Rechtsprechung in Rothe, NJW 2007, 740 (741); in der Gesetzesbegründung zum ProdHaftG zustimmend BT-Drs. 11/2447 S. 18 f.; a.A. OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (692): effektive Schadenfolgenreduzierung auf umkämpften Markt auch dann vorrangig, wenn dadurch Mehrkosten entstehen. 499 Vgl. exemplarisch OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (169 f.); OLG Köln NJW 2006, 2272; bereits RGZ 163, 21 (26), wonach nachträgliche konstruktive Änderung als nicht haftungsbegründend angesehen wurde, da auch am ordnungsgemäßen Kraftfahrzeug Verbesserungen vorgenommen werden könnten. 500 Vgl. Rothe, NJW 2007, 740 (743), der wirtschaftlich nicht vertretbare Maßnahmen zur Produktsicherheit als Teil des Verbraucherrisikos ansieht; vgl. auch Zoller, S. 89, 93; Pfeifer, S. 75 f.; Nicklisch, NJW 1986, 2287 (2288 f.). 501 Vgl. Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1433).
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Aufgabe des Produkthaftungsrechts und der damit verbundenen Haftung des Herstellers sei, die Bedürfnisse der Gesellschaft zu lenken.502 Dabei wird dem Verbraucher das Wissen unterstellt, dass mehr Sicherheit ihren Preis hat, so dass der durchschnittliche Benutzer von einem teureren Produkt derselben Produktart im Allgemeinen mehr Sicherheit als von einer vergleichsweise billigeren Ausführung erwartet.503 Allgemein wird – um auszuschließen, dass der Hersteller allein aufgrund des Verfehlens einer absoluten Sicherheit durch das Abweichen von der technischfunktionell optimalen Produktgestaltung haftet – zur verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung ohne Bezug auf den Hersteller auf einen objektiven Erwartungshorizont der gefährdeten Benutzerkreise unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung und der zumutbar vorhersehbar abweichenden Benutzungsarten abgestellt und ermittelt, ob es ein verständiger, umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger und gewissenhafter Hersteller unter Abwägung der Risikofaktoren der Produktbenutzung mit dem Produktnutzwert und der Durchsetzbarkeit höherer Produktionskosten am Markt als wirtschaftlich angemessen und zumutbar ansehen würde, die Nutzer oder Dritte durch verfügbare technisch geeignete Gefahrbeseitigungsmaßnahmen vor Schäden zu bewahren.504 Die Umsetzbarkeit von Gefahrbeseitigungsmaßnahmen des Herstellers hat also sowohl eine technische, wie auch eine ökonomische Komponente. Die Ermittlung der Zumutbarkeit von technisch optimalen Gefahrbeseitigungsmaßnahmen, die zwar in einer Sonderanfertigung verfügbar wären, jedoch noch nicht zur Serienreife entwickelt wurden, wird als Ergebnis einer Abwägung des notwendigen Forschungs- und Entwicklungsaufwandes mit dem Stand der Technik, der Größe und Wahrscheinlichkeit der in Betracht kommenden Gefahren und dem ungefähr erzielbaren Verkaufspreis unter Berücksichtigung der Seriengröße ange502
OLG Frankfurt VersR 1993, 845 (847); OLG Saarbrücken NJW-RR 1993, 990 (991): kein Zwang zur Produktion in Abweichung der Benutzererwartung; vgl. bereits von Münch, DAR 1958, 62 (64). 503 BGH NJW 1990, 908 (909); BGH NJW 1990, 906 (907); Hörl, S. 37 f.; vgl. dazu die Diskussion der Rechtsprechung in Rothe, NJW 2007, 740 (741); in der Gesetzesbegründung zum ProdHaftG zustimmend BT-Drs. 11/2447 S. 18 f. 504 Vgl. BGH NJW 2009, 1669 (1670); BGH NJW 2007, 762 (763); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1602 f.); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (692); OLG Köln NJW 2006, 2272; OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249); Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569; dies., NJW 2008, 1203 (1207) mit Verweis auf OLG Köln; Rothe, NJW 2007, 740 (740 f., 742 f.); vgl. zur Berücksichtigung des technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren in der Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB BGH NJW 1990, 906 (907); BGH NJW 1988, 2611; BGH VersR 1972, 559 (560); OLG Frankfurt VersR 1993, 845 (846 f.); Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 1520 S. 4 f.; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 645, § 3 ProdHaftG Rn. 5; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.687, 4.748 f.; Pfeifer, S. 76, 236; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (57 f.); ders., WM 1981, 1154; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, S. 76 f. Rn. 87; allgemeines deliktsrechtliches Prinzip, vgl. BGH VersR 1976, 149 (150); BGH NJW 1965, 815; vgl. auch Schäfer/Ott, S. 375: gemäß der ökonomischen Analyse des Schadensrechts sei auf den Ausgleich der Kosten der Produktsicherung mit den vermiedenen Schadenskosten abzustellen.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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sehen, ohne dass es auf die individuelle Leistungsfähigkeit und die persönlich-individuelle Zumutbarkeit der finanziellen Aufwendungen für den Hersteller ankommt und darauf abgestellt wird, ob die Benutzer mangels einer besseren Alternative das Risiko zu akzeptieren bereit waren.505 Allein aufgrund der Tatsache, dass kein Mitbewerber in vergleichbaren Geräten besondere Schutzmaßnahmen installiert hat, kann also nicht geschlossen werden, dass die Benutzer bei Kenntnis der Gefahr und der möglichen Schutzmaßnahmen den Mehrpreis nicht toleriert hätten.506 Die Abwägung kann neben ökonomischen Kriterien auch außerökonomische Bewertungsfaktoren heranziehen.507 Zu den außerökonomischen Faktoren gehört, dass aufgrund der Werbung für das Produkt Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit begründet werden, die ohne die Werbung entweder nicht vorhanden wären oder deren zugrundeliegenden Risiken ohne die Werbung als allgemeinkundig oder vom allgemeinen Lebensrisiko umfasst anzusehen ist, da die aktive Werbung des Hersteller den Benutzer mental derartig beeinflusst, dass er eine Vorsicht als überflüssig und gegenstandslos erachtet, die er sonst beachtet hätte.508 In der Gesamtabwägung soll auch berücksichtigt werden, dass die finanziell inkommensurablen Gesundheitsgefahren auf der einen Seite und die wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien auf der anderen Seite nicht saldierbar sind und insbesondere der Hersteller nicht motiviert werden darf, aus betriebswirtschaftlichen Gründen eine Fehlerquote mit Gefahren für die Gesundheit der Nutzer zu akzeptieren, weil entsprechende Anstrengungen zur Fehler- und Schadensverhütung mehr kosten würden als die Produkthaftung (auch unter Berücksichtigung eines möglichen Entgehens der Haftung, weil nicht jeder auf einem Produktfehler beruhende Produktschaden als solcher erkannt und dem Hersteller zugerechnet wird).509 505
Vgl. BGH NJW 1990, 906 (907); vgl. dazu in der Literatur Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.748 f.; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 111: keine Seite solle den Sicherheitsstandard setzen, sondern das rechtlich Erforderliche sei zu bestimmen; betriebswirtschaftlich begründet, aber rechtlich bedenklich der Ratschlag von Fischer, DB 1977, 71 (73), auch die mutmaßlichen prozessualen Schwierigkeiten des Geschädigten bei der Durchsetzung seiner Ansprüche in der Ermittlung des Produktrisikos einzubeziehen. 506 So entschieden vom OLG Schleswig NJW-RR 2008, 691 (692); so bereits vorher Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.762 mit Verweis auf umfassende Rechtsprechung. 507 Vgl. OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1602 f.): „Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls“; Rolland, § 1 Rn. 144: keine obskuren oder wegen der Sprache schwer zu vermittelnden Erkenntnisquellen; Marburger, S. 138: sowohl ökonomische als auch außerökonomische Kriterien seien zur Bestimmung des technisch erlaubten Risikos zu berücksichtigen; Fischer, DB 1977, 71 (74): die Erhöhung des Budgets für Forschung und Entwicklung sei zu berücksichtigen; einschränkend Pfeifer, S. 87. 508 Vgl. BGH NJW 2009, 1669 (1670); BGH NJW 1996, 2224 (2225 f.); BGH VersR 1963, 860 (861); LG Essen NJW 2005, 2713 (2715); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1075); Kullmann, NJW 2003, 1908 (1909); Zoller, S. 179; Brüggemeier, ZIP 1991, 379 (380); Fischer, DB 1977, 71 (78); aufgegriffen in BT-Drs. 11/2447 S. 18; ablehnend Hörl, S. 34, 109 f. 509 Vgl. Marburger, S. 135, 137 f., 140, der hierbei auch auf den Zweck des Produkthaftungsrecht, nicht nur allein dem monetären Schadenausgleich zu dienen, sondern auch prä-
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Bei Kraftfahrzeugen führen die berechtigten Verbraucherinteressen zu den Basiserwartungen, dass die bei der gewöhnlichen Benutzung von Kraftfahrzeugen nicht vollständig vermeidbaren – wenn auch höchst unerwünschten – Unfälle möglichst weitgehend nicht zu Verletzungen der Benutzer oder Dritter (z. B. Fußgänger) führen, so dass grundsätzlich von den berechtigten Verbrauchererwartungen sowohl die gesetzlich vorgeschriebenen typischen als auch die sonstigen nach dem Stand der Technik in Serie verfügbaren Sicherheitseinrichtungen umfasst sind.510 Wie der Hersteller diese Sicherheitserwartungen in der konkreten Produktspezifikation erfüllt, ist eine Frage der Einzelfallabwägung aller Umstände511, so etwa auch, ob der Nutzer mit derartigen Sicherheitssystemen – auch mit Blick auf die Neuartigkeit der Systeme – rechnet, weil sich die Systeme als Sonderausstattung bewährt und – mit entsprechender Kostenreduzierung – so weit verbreitet haben, dass sie als Stand der Technik anzusehen sind512. Als zumutbare Gefahrbeseitigungsmaßnahmen werden gleichwertig sowohl unmittelbare Sicherheitsmaßnahmen (Schutzvorkehrungen in der eigentlichen Produktfunktion) als auch mittelbare Sicherheitsmaßnahmen (separate Produktteile, die mit der eigentlichen Produktfunktion und Produktnützlichkeit nichts zu tun haben, aber die Produktbenutzung sicherer machen) angesehen.513 Der rechtssystematische Bruch zwischen dem – auf die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit abstellenden – Gesetzeswortlaut des ProdHaftG und der verhaltensbezogenen Interpretation des Fehlerbegriffs werden bei der Haftungsbeschränkung aus ökonomisch-technischen Gründen besonders deutlich. Die Allgemeinheit – insbesondere die Produktnutzer – entwickeln Vorstellungen zu der (objektiven) Umsetzbarkeit eines sicheren Produktzustands, ohne sich dafür zu interessieren, welche (zumutbaren) Handlungsalternativen dem Hersteller zur Herstellung dieses Produktzustandes zur Verfügung standen. Ohne sich vom verhaltensbezogenen Produktfehlerbegriff zu lösen, wird in der Literatur teilweise zur Bestimmung der Zumutbarkeit darauf abgestellt, ob zum Zeitpunkt der letztmöglichen Pflichterfüllung (dem Inverkehrbringen) Handlungsalternativen ohne Beschränkungen in der Funktionalität des Produkts bestanden, die ein technisch und wirtschaftlich umsetzbares Alternativdesign erfordert hätten, weil die Wahrscheinlichkeit einer Schadensverursachung durch das Produkt und die Schwere der möglichen Schäden ventiv zu wirken, hinweist; vgl. auch die Interpretation der BGH-Rechtsprechung in Rothe, NJW 2007, 740 (741) und Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (59). 510 Dazu ausführlich Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 1520 S. 23 ff. 511 Vgl. Marburger, S. 169. 512 Sehr ausführlich Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Kullmann, Kz. 1520 S. 24 ff.; am Beispiel des ABS Reinelt, DAR 1988, 80 (81 f.); Marburger, S. 162: bei Schutzmaßnahmen mit unsicherem Erfolg sei das hohe Risiko nutzloser finanzieller Aufwendungen bei der Bestimmung einer Implementierungspflicht heranzuziehen. 513 Einen Schutzbügel als ausreichend angesehen vom OLG Hamm BB 1971, 845; vgl. auch OLG Saarbrücken, NJW-RR 1993, 990 (991): zur Bewertung der Sicherheitseinrichtungen sei nicht isoliert auf eine Funktion, sondern auf die Gefahrenbewertung des Gesamtprodukts (hier Waffe) abzustellen; Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1284); Marburger, S. 129 f.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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die Aufwendungen und Nachteile für die Gefahrenbeseitigung überwiegen.514 Dabei wird übersehen, dass diese fast wörtliche Übersetzung der Abwägung im Rahmen der risk/utility-analysis für eine objektbezogene Produktfehlerbestimmung spricht. cc) Die Umsetzbarkeit als Haftungsbegrenzung im ProdHaftG Der Wortlaut des § 3 ProdHaftG stellt zur Begründung eines Produktfehlers auf die berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit ab. Die berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit sind das Ergebnis eines objektivierten Ausgleichs der Interessen aller Teilnehmer am Warenverkehr. Dazu zählt neben dem primären Verbraucherschutzinteresse an einer möglichst hohen Produktsicherheit auch das Interesse der Allgemeinheit an bezahlbaren, funktionellen und komfortablen Industrieprodukten. Ein Produkt wird nur dann den Verbrauchern im Warenverkehr offeriert, wenn der Hersteller seine Kosten refinanzieren kann. Die Konstruktion muss es dem Hersteller unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile für die Primärfunktionen des Produkts, der Handhabbarkeit, der Nützlichkeit, des Designs, der Kosten, der innewohnenden Gefahren und allgemein der Vertriebsfähigkeit ermöglichen, das Produkt in ausreichender Stückzahl und mit einem auskömmlichen Preis abzusetzen. Das Kriterium der Haftungsbegrenzung unter Umsetzbarkeitserwägungen ermöglicht also den dringend notwendigen gesamtgesellschaftlichen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und Dritter auf der einen Seite und der Hersteller auf der anderen Seite zur Erreichung eines optimalen Verbraucherschutzes und eines hinreichenden wirtschaftlichen Warenkreislaufs verbunden mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt und der Wohlstandsmehrung. Die Implementierung dieses Interessenausgleichs in die Produkthaftung gemäß dem ProdHaftG kann insoweit nicht auf die Prinzipien der Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB zurückgreifen. Verkehrssicherungspflichten können entsprechend ihrem Wesen als Verhaltensvorwurf nur dann bestehen, wenn deren Erfüllung zumutbar ist. Die Sorgfaltspflichten des Herstellers werden also durch die Frage der Zumutbarkeit der behaupteten Gefahrenvermeidungsmaßnahme begrenzt. Zur Übertragung der verhaltensbezogenen Zumutbarkeitserwägungen in das ProdHaftG fehlt es jedoch an einem an die Handlung des Herstellers anknüpfenden Tatbestandsmerkmal in der Legaldefinition des Produktfehlers im § 3 ProdHaftG. § 3 ProdHaftG knüpft an die berechtigte Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit, also an keine Handlungspflichten, an. Gegen eine Gleichsetzung der „berechtigten Sicherheitserwartungen“ der Allgemeinheit – die vor allem von den Nutzern oder von gefährdeten Dritten und damit von Umständen außerhalb der Herstellersphäre bestimmt werden – und der zumutbaren Verhaltenspflichten des Herstellers – die auf Umstände in der Herstellersphäre abstellen – spricht, dass die Verbraucher immer geneigt sein werden, maximale Sicherheit zum günstigsten Handelspreis ohne Be514 Pfeifer, S. 76, 199, 238; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (57 f.); ders., WM 1981, 1154; Schulenberg, S. 21 f.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
rücksichtigung der Herstellungskosten zu verlangen, während dem Hersteller als Unternehmer nur dann die Inverkehrgabe eines Produktes zugemutet werden kann, wenn dessen Preis die Herstellungskosten und einen angemessenen Gewinn erwirtschaften kann. Der Blick in die feasibility-Grundsätze der strict products liability zeigt einen Weg, den durchzuführenden Interessenausgleich auch im Rahmen des ProdHaftG mit einer Abkehr von der verhaltensbezogenen hin zu einer objektbezogenen Produktfehlerbestimmung zu erreichen. Dafür ist die Betrachtung der – auf die Bewertung eines Verhaltens gerichteten – Zumutbarkeit der Gefahrbeseitigungsmaßnahme durch die Bestimmung der – auf eine gegenständliche Produktspezifikation gerichteten – Umsetzbarkeit der geforderten Sicherheitseinrichtung zu ersetzen. Ein Produkt ist demnach unangemessen gefährlich und damit fehlerhaft, falls die bekannten Risiken der Konstruktion durch eine umsetzbare Produktspezifikation hätten vermieden oder vermindert werden können. Eine umsetzbare Produktspezifikation liegt vor, falls: 1. diese unter den gegebenen Umständen in der Praxis herstellbar war, weil sie entweder tatsächlich von anderen Herstellern angewendet wurde oder aufgrund der wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten und Erkenntnisse verfügbar war, 2. die gewonnenen Sicherheitsvorteile die durch die geforderte Konstruktion bedingten Nachteile überwiegen, weil die mit der alternativen Konstruktion bedingte Risikovermeidung höher zu bewerten ist als die mit dieser Konstruktion verbundenen neuen Gefahren und negativen Veränderungen in der Nützlichkeit und Langlebigkeit des Produkts (z. B. verminderte Akzeptanz bei den Verbrauchern aufgrund negativer Einschränkungen des Bedienungskomforts und des Aussehens, zusätzlicher Wartungs- und Reparaturaufwand), und 3. der Hersteller die Produkte mit der geforderten alternativen Konstruktion hätte vermarkten können, also die eventuellen Mehrkosten in der Produktion auch am Markt durch einen höheren Verkaufspreis refinanzierbar waren. Die Umsetzbarkeit ist allein anhand eines objektiven Maßstabs frei von subjektiven Meinungen, Emotionen und Interessen einzelner Personen zu bestimmen. Dazu gehört auch, dass die Bewertung der möglicherweise technisch und betriebswirtschaftlich hochgradig komplizierten und komplexen Einschätzung der Umsetzbarkeit von Sicherheitseinrichtungen vom Gericht (das in der Regel mit technischen und betriebswirtschaftlichen Laien besetzt ist) nicht auf den gerichtlich bestellten Sachverständigen übertragen wird, indem das Gericht bei der Entscheidungsfindung die technischen Fakten nicht autonom juristisch bewertet, sondern die subjektive Meinung des Sachverständigen unreflektiert übernimmt.515 Um zu vermeiden, dass 515 Ob die von Meyer, ZDAR 2014, 55 (56, 58), behauptete Sicherung eines Neutralitätsanspruchs des gerichtlich bestellten Sachverständigen aufgrund dessen öffentlicher Bestellung
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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mit der Bestimmung des Sachverständigen und damit der von ihm vertretenen wissenschaftlichen oder technischen Meinung das Ergebnis der Beweisaufnahme determiniert ist, und um die objektive Bestimmung des Produktfehlers wieder in die Hände des Gerichts zu legen516, sollten die Gerichte zur rechtlichen Bewertung einer Sachverständigenansicht den folgenden – objektiven – Kriterienkatalog in Adaption der Daubert-Kriterien heranziehen: 1. Handelt es sich um ein Fachgebiet, bei dem überhaupt objektivierbare Erkenntnisse ermittelt werden können? 2. Können die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien mit objektiven Testverfahren überprüft werden? 3. Wurden die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien bereits publiziert und wurden diese von den jeweiligen Experten nachgeprüft und bestätigt? 4. Liegen für die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien Erkenntnisse über potentielle Fehlerwahrscheinlichkeiten vor, und wenn ja, wie hoch sind diese? 5. Wurden die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen vertretenen technischen und wissenschaftlichen Theorien unabhängig vom Prozess aufgestellt? 6. Weichen die Schlussfolgerungen des Sachverständigen auf der Grundlage eines anerkannten Forschungsstandes von den Schlussfolgerungen der anderen Experten ab? 7. Hat der Sachverständige alle möglichen Schlussfolgerungen in seinem Gutachten diskutiert? 8. Welchen zeitlichen, personellen und gerätebezogenen Aufwand hat der gerichtlich bestellte Sachverständige zur Ermittlung seiner Ergebnisse betrieben? f) Fall 6: Die mangelnde Perfektion des Herstellers – der Fabrikationsfehler Selbst wenn die Konstruktion des Produkts nach den bisher diskutierten Kriterien keine unangemessen gefährliche Produkteigenschaften aufweist, könnte das konkrete, die Verletzung bewirkende Produkt eine unangemessen gefährliche Produkteigenschaft aufweisen, weil es aufgrund menschlichen oder technischen Versagens abweichend von den Konstruktionsplänen hergestellt wurde. Diese Abweichung wird in der strict products liability als manufacturing defect bezeichnet.
tatsächlich vorliegt, darf in Anbetracht der täglichen Praxis vor deutschen Gerichten mehr als bezweifelt werden. 516 Vgl. hierzu auch Meermann, S. 175.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
aa) Der manufacturing defect Anders als der design defect, der eine Folge einer fehlerhaften Konstruktion des Produkts ist, beruht der manufacturing defect auf einem fehlerhaften Produktionsprozess. Es weisen also nicht zwingend alle Produkte der Serie die gleiche unangemessene Gefährlichkeit auf, sondern der konkret die Verletzung bewirkende Gegenstand ist unangemessen gefährlich, weil der Istzustand dieses Gegenstandes von dem konstruktiv gewollten Sollzustand abweicht.517 Mangels eines verhaltensbezogenen Anknüpfungspunktes können in der objektbezogenen Fehlerbestimmung keine Gründe berücksichtigt werden, die im Verlauf des Herstellungsprozesses den manufacturing defect verursacht haben. Auch die Umsetzbarkeit eines fehlerfreien Produkts wird überwiegend als unproblematisch angesehen, da sich diese aus den Konstruktionsplänen und eventuell aus dementsprechend hergestellten (sicheren) Produkten ergibt.518 Damit haftet der Hersteller für einen manufacturing defect allein aufgrund der Abweichung des tatsächlichen Herstellungsergebnisses von dem im Produktionszyklus Gewollten, ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten des Herstellers, durch Produktionskontrollen die gefahrbegründende Abweichung zu erkennen.519 Der Geschädigte muss lediglich die Kausalität zwischen der (gefahrbegründenden) Abweichung und seiner Verletzung beweisen.520 Eine neuere Entscheidung berücksichtigt stärker die Einheitlichkeit des objektbezogenen Fehlerbegriffs und lehnt ähnlich der Haftungsbegrenzung zum design 517
CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1057 (1988); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 732 (1986); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 119 (1982); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 429 (1978); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 181 (1983); NY: Opera v. Hyva, Inc., 450 N.Y.S.2d 615, 617 (N.Y. App. Div. 1982); TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 600 (Tex. 2004); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment c.; Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1660 (1994); in der Gesetzgebung La. R.S. § 9:2800.55; in der deutschen Literatur aufgegriffen von Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 19; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (150); Zekoll, IPRax 1997, 198 (201 f.); Pfeifer, S. 116, 138; Zoller, S. 212. 518 CA: Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 429 (1978); LA: Lawrence v. General Motors Corp., 73 F.3d 587, 589 (5th Cir. 1996); NJ: O’Brien v. Muskin Corp., 94 N.J. 169, 181 (1983); in den Sekundärquellen Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1660 et seq. (1994); in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 104 (A); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (150); Zoller, S. 212; Pfeifer, S. 165. 519 Vgl. in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment d.; Robb, 77 Nw. U. L. Rev. 1, 10 et seq. (1982); aufgenommen in MUPLA Sec. 106 (B) (2), mit der Begründung in l. c., Analysis, p. 62728; in der deutschen Literatur Meermann, S. 123; Kullmann/Pfister/Stöhr/Spindler-Schwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 19; Darby, ZEuS 2002, 105 (106 f.); Micklitz, ZEuS 2002, 77 (80); Zekoll, IPRax 1997, 198 (202); Zoller, S. 212 f.; Hoechst, S. 50. 520 Darin eine annähernd absolute Einstandspflicht erkennend, die aufgrund der Unterschiede zwischen Konstruktions-/Instruktionsfehler und Fabrikationsfehler plausibel sei, Pfeifer, S. 138, 165 f.
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
167
defect eine Haftung des Herstellers ab, wenn die Methoden und Techniken des Herstellungsprozesses, der Inspektion, Kennzeichnung und Prüfung der gefertigten Produkte zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe dem technischen, mechanischen und wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprachen und in angemessener Weise umgesetzt wurden.521 bb) Der Fabrikationsfehler Die Abweichung des schadenverursachenden Produkts vom hinreichend gefahrlosen Konstruktionsmuster aufgrund einer – durch menschliches oder technisches Versagen verursachten – mangelhaften Herstellung, die – im Gegensatz zum Konstruktionsfehler, bei dem alle Exemplare fehlerhaft sind – nur einzelne Exemplare betrifft, wird im deutschen Recht als Fabrikationsfehler bezeichnet.522 Die verhaltensbezogene Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB konnte die Umstände, die zum Produktfehler führten, nicht unberücksichtigt lassen.523 Ein die Haftung ausschließender Fabrikationsfehler (sogenannter Ausreißer) wurde jedoch auf den extrem seltenen Fall beschränkt, dass der Hersteller die Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflicht mittels einer idealtypisch sorgfältigen Organisation des Herstellungsprozesses nachweist, wobei der Fertigungsablauf einer fehlerfreien Herstellung bis hin zur Verpackung und Versendung so lückenlos mit Schutzmaßnahmen zu versehen und mittels Qualitätskontrollen zu überwachen ist, dass maschinelle Fehler und individuelle Fehlleistungen von Menschen mit der Folge von Gefahren für Leib und Leben im Idealfall für jedes einzelne Produkt ausgeschlossen werden können.524 Darüber hinaus haftet ein Endproduktehersteller nicht nur für die selbst sondern auch für die – von einem Zulieferer – fremdhergestellten fehlerhaften Einzelteile, wenn diese nach Konstruktionszeichnungen und Fertigungsanweisungen des Endprodukteherstellers produziert wurden, wenn eine Qualitätskontrolle erst nach dem Einbau des Einzelteils möglich ist, wenn die fremdhergestellten Einzelteile in ihren Materialeigenschaften und ihrer Funktionsweise mangels Ausgereiftheit fehlerhaft sind, wenn der Zulieferer nicht über die Verwendung, Gefahren und Probleme des Produktteils im Endprodukt deutlich unterrichtet wurde oder wenn die ordnungsgemäße Beschaffenheit der gelieferten Einzelteile nicht entsprechend dem 521 AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p.55; vgl. hierzu in der deutschen Literatur bereits Baumbach/Henkel, PHI 1999, 144 (150 f.). 522 OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601); Schäfer/Ott, S. 361; Hörl, S. 30 f.; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1074); von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (770 f.); Rolland, § 3 Rn. 10; Pfeifer, S. 77; von Hippel, S. 49; Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1284). 523 Vgl. Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1599): Haftung für Maschinenversagen sei Gefährdungshaftung. 524 MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 658; Pfeifer, S. 84; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (61); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1300); Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1434); skeptisch von Hippel, S. 52, ob der Fabrikationsfehler bei jeglicher Fehlleistung des Arbeiters oder gar bei technischem Versagen mit Verschuldenskriterien erfassbar ist.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
nach den sachlichen und persönlichen Gegebenheiten erforderlichen Sicherheitsstandard laufend überprüft wurde.525 Um dieser Überprüfungspflicht zu genügen, durfte der Hersteller selbst bei einer industriellen Massenproduktion keine Fehlerquote planmäßig in Kauf nehmen, sondern war verpflichtet, sich wenigstens stichprobenartig über die einwandfreie Beschaffenheit seiner Waren durch eine Qualitätskontrolle zu vergewissern.526 Dem in jeder Verhaltenspflicht enthaltenen Prinzip der Verhältnismäßigkeit und damit der Zumutbarkeit wurde in der Rechtsprechung zur idealtypischen Sorgfaltspflicht des Herstellers in der Weise Genüge getan, dass die Verkehrssicherungspflicht nur alle tatsächlich und finanziell möglichen Sorgfaltsmaßnahmen umfasst, wobei auch berücksichtigt wird, ob neben der fehlenden technischen Kontrollmöglichkeit auch anderweitige Gefahrvermeidungsmaßnahmen möglich wären.527 Teile der Literatur konnten sich diesem extrem hohen Sorgfaltsmaßstab nicht anschließen und wollen die der generalpräventiven Wirkung des Produkthaftungsrechts zur Gefahrenabwehr und dem Verbraucherschutzinteresse dienende Sorgfaltspflicht des Herstellers danach bestimmen, ob die nach dem neuesten Stand der Wissenschaft und Technik geeigneten Test- und Prüfverfahren unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter und der Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung der Gefahren erforderlich und zumutbar waren.528 Mit der Übernahme des verhaltensbezogenen Fehlerbegriffs des § 823 Abs. 1 BGB in den § 3 ProdHaftG wäre zu erwarten gewesen, dass die Haftungsfreistellung für Ausreißer auch in das ProdHaftG übernommen wird.529 Mit Verweis auf § 1 525
Pfeifer, S. 97 f.; vgl. bereits Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1285). MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 658; Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1204) mit Verweis auf OLG Oldenburg; gegen die Akzeptanz einer Fehlerquote bereits Schmidt-Salzer, BB 1972, 1430 (1434). 527 Vgl. zu Warnhinweisen bei Risikogruppen und Selbsterklärungen BGH NJW 1991, 1948 (1950); zur Notwendigkeit, verschiedene Produkte auf verschiedenen Produktionsanlagen herzustellen, wenn es keine ausreichenden Kontrollmöglichkeiten gibt, BGH NJW 1989, 707 (708); zur Prüfung der Bruchfestigkeit durch neuartige technische Geräte oder andere Maßnahmen OLG Frankfurt VersR 1985, 890. 528 Vgl. hierzu MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 660; Pfeifer, S. 84 ff.; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (61); ders., WM 1981, 1154 (1155); vgl. bereits Schmidt-Salzer, Produkthaftung, S. 73 f. Rn. 81 ff., der Testanlagen nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik als adäquat ansieht, die die im Fabrikationsprozess voraussehbar auftretenden Fehler ermitteln können, auch wenn diese gegebenenfalls bei neuen Produktkonstruktionen erst entwickelt werden müssten, und bei zugelieferten Einzelteilen, die der Hersteller aus tatsächlichen Gründen nicht testen kann, die Zumutbarkeit auf die Übertragung der Prüfung auf ein geeignetes und zuverlässiges Unternehmen bezieht (Kontrollbetrieb ist nicht als Verrichtungsgehilfe des Warenherstellers bei der Erfüllung der diesem obliegenden deliktsrechtlichen Sorgfaltspflichten, sondern als Zurechnungssubjekt der vertraglich übernommenen deliktsrechtlichen Kontrollpflichten des Warenherstellers anzusehen). 529 Dies erkennt auch das OLG München in seinem Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 15, worin es feststellt, dass die Haftung für unvermeidbare Ausreißer im ProdHaftG „keine Verantwortung für Verhaltensunrecht“ sei, sondern eine „Verantwortung des Herstellers für 526
B. Der Haftungsgrund in der strict products liability
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Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG soll der Hersteller jedoch den Nachweis einer einwandfreien Organisation des Herstellungsprozesses nicht nutzen dürfen530, so dass er gemäß § 1 ProdHaftG auch dann haftet, wenn selbst unter Nutzung aller zumutbarer Vorkehrungen der Produktfehler weder vermieden noch erkannt werden konnte.531 Die Begründung des Lösens der Produktfehlerbestimmung vom verhaltensbezogenen Fehlerbegriff nur hinsichtlich der Gefährlichkeit aufgrund der Planwidrigkeit des Herstellungsvorgangs, dass aufgrund der grundsätzlichen Fehlerfreiheit der Produktspezifikation – im Gegensatz zum Konstruktionsfehler, dessen Gefahren sich in der grundsätzlichen Beschaffenheit des Produkts manifestieren – der Produktnutzer bei einem Fabrikationsfehler von einem ungefährlichen Produkt ausgehe und die Gefährlichkeit des fehlerhaft hergestellten Einzelstücks nicht erkennen könne532, erscheint rechtsfolgebezogen konstruiert. Gegen eine differenzierte Fehlerbestimmung hinsichtlich einer planmäßigen (Konstruktion) oder planwidrigen (Fabrikation) Gefährlichkeit des Produkts spricht, dass weder § 3 ProdHaftG noch § 1 ProdHaftG explizit zwischen verschiedenen Fehlertypen unterscheidet, so dass herstellungsbedingte Fehler wie jeder andere Produktfehler anhand der berechtigten Sicherheitserwartungen unter Berücksichtigung der möglichen und umsetzbaren Sicherheitsstandards zu bestimmen sind.533 Daher ist es rechtssystematisch nahe liegend, dass § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG auch auf unangemessen gefährliche ProGefahren des Produktes“. Ohne die weiteren rechtssystematischen Konsequenzen für § 3 ProdHaftG zu diskutieren, ist dies eine der deutlichsten Entscheidungen, dass sich die Produkthaftungsrechtsprechung dem objektbezogenen Fehlerbegriff nähert. 530 So Kullmann, ZEuS 2002, 37 (39 f.); Rolland, § 1 Rn. 112, § 3 Rn. 10; vgl. zur Unmöglichkeit der gerichtlichen Festlegung von Kontrollstandards zur Erreichung eines nach der ökonomischen Analyse des Schadensrechts optimalen Vorsorgeniveaus Schäfer/Ott, S. 368. 531 BGH NJW 1995, 2162 (2164); OLG München Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 15 f.; LG Dortmund NJW-RR 2005, 678; vgl. dazu auch MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 51; Meermann, S. 56; Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494) mit Verweis auf OLG München, 18. Senat: Anwendbarkeit des Haftungsprinzips nur auf den tatsächlichen Fabrikationsfehler, nicht aber auf einen (nachträglich) als unbegründet erwiesenen Fehlerverdacht; Kullmann, ZEuS 2002, 37 (39 f.); Rolland, § 1 Rn. 112; mit gleichem Ergebnis auf der Grundlage des informationellen Fehlerbegriffs Schäfer/Ott, S. 368 f. 532 Dazu OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1601): „Abweichung des konkreten Stücks vom allgemeinen Standard, den der Hersteller für die Produktserie vorgesehen hat und an dem deshalb der Verwender seine Sicherheitserwartungen orientiert.“; allgemeiner BGH NJW 1995, 2162 (2163): Entwicklungsfehler liegt nur bei konstruktiver, nicht bei herstellungsbedingter Unvermeidbarkeit vor; vgl. auch Schäfer/Ott, S. 368 f., die im Rahmen des informationellen Fehlerbegriffs auf die Erkennbarkeit der gefahrenerhöhenden Abweichung der tatsächlichen von der geplanten Produktbeschaffenheit abzustellen, im Ergebnis aber eine Gefährdungshaftung annehmen. 533 Dies macht das OLG München, ohne die rechtssystematischen Konsequenzen zu diskutieren, im Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 16 – auch zitiert in Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494) – deutlich, indem das Gericht die berechtigten Sicherheitserwartungen hinsichtlich eines fehlerhaft hergestellten Glaskörpers nicht an den technischen Vermeidungsoder Aussonderungsmöglichkeiten bei der Herstellung festmacht, sondern auf die technisch und finanziell zumutbaren konstruktiven Maßnahmen (Ummantelung) unter Berücksichtigung der gefährdeten Rechtsgüter Gesundheit und Leben.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
dukte Anwendung findet, deren Gefährlichkeit nicht in der (hinreichend sicheren) Konstruktion, sondern in einer mangelhaften Herstellung begründet liegt, und deren Existenz auch bei einer nach dem Stand von Wissenschaft und Technik bestmöglichen Qualitätskontrolle unvermeidbar unerkannt bleiben musste.534 Einigen neueren Urteilen lässt sich eine Tendenz zur Einbeziehung der Erkennbarkeit entnehmen, auch wenn diese einzelfallbezogen begründet wurden. So prüfte das OLG Köln, ob es tatsächlich und wirtschaftlich zumutbar war, jeden einzelnen Grundstoff (Erdnuss) vor der Verarbeitung daraufhin zu testen, ob davon eine Verletzungsgefahr beim Verzehr des industriellen Produkts (Schokoriegel) ausgeht.535 Soweit die Rechtsprechung im eng umrissenen Ausnahmefall auch eine Haftung aufgrund eines reinen Verdachts eines herstellungsbedingten Fehlers annimmt, wird auf berechtigten Sicherheitserwartungen abgestellt, die nicht eine „Fehlerquote von Null“ umfassen, sondern danach zu bestimmen sind, „inwiefern die streitgegenständliche Serie die Quote an Fabrikationsfehlern bei anderen Serien und bei anderen Herzschrittmachern überschritten habe und welche Sicherheit nach den damaligen technischen Standards erwartet werden konnte“.536 cc) Die Haftungsbegrenzung bei mangelhafter Herstellung § 3 ProdHaftG sieht keine unterschiedlichen Definitionen eines Produktfehlers in Abhängigkeit von den Handlungen des Herstellers im Verlaufe eines Produktzyklus vor, sondern die Fehlerhaftigkeit des schädigenden Produkts wird nur an dessen tatsächlichem Produktzustand angeknüpft, der das Ergebnis aller Stationen der Herstellung und des Vertriebs des Produktes von der ersten Konstruktionszeichnung über das Testen von Konstruktionsentwürfen vor Beginn der Produktion, über die Herstellung des fertig entwickelten Produkts (inklusive der Überwachung der hergestellten Produkte und des Testens der Produktserie) bis hin zum Vertrieb des Produkts (inklusive der Werbung und der Art der Produktaufmachung im Handel) ist.537 Für die Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit an das in den Warenverkehr gebrachte Produkt ist es auch tatsächlich unerheblich, aus welchem Teil des Produktions- und Vertriebszyklus sich die unangemessene Gefährlichkeit des Produktzustandes ergibt538, sondern es kommt nur darauf an, dass das den Schaden verursachende Produkt tatsächlich unangemessen gefährlich war. 534
Vgl. MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 51; Meermann, S. 57. OLG Köln NJW 2006, 2272; daran anschließend Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1207). 536 Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494) mit Verweis auf eine Entscheidung des 18. Senats des OLG München (AZ 18 U 1549/09). 537 Deutlich gemacht in KS: Burton v. Reynolds Tobacco Co., 397 F.3d 906, 920 (10th Cir. 2005). 538 Vgl. die Bestimmung des state-of-the-art bei einem manufacturing defect in gleicher Weise wie bei einem design defect in AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 55. 535
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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Da somit der herstellungsbedingte Fehler ein Teilaspekt des einheitlichen Produktfehlers ist, liegt erst dann ein haftungsbegründender Fehler vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 ProdHaftG erfüllt sind.539 Eine Verschuldenshaftung, auch wenn das Vorliegen eines Verschuldens unwiderlegbar vermutet wird, kann nach der allgemeinen Systematik des Deliktsrechts erst dann einsetzen, wenn die Gefahr erkennbar war und eine objektive Möglichkeit zur Gefahrenvermeidung bestanden hat.540 Wie bei der unangemessenen Gefährlichkeit des Produkts aus konstruktiven Gründen – und auch im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung in der strict products liability – ist demnach ein Produkt dann nicht fehlerhaft, wenn nach dem Stand von Wissenschaft und Technik die gefährliche Abweichung des hergestellten Produkts von der beabsichtigten Sollbeschaffenheit fertigungstechnisch unvermeidbar und diese Abweichung im Rahmen einer Qualitätskontrolle nicht erkennbar war541 oder wenn die Gesamtabwägung aller Umstände unter Berücksichtigung der vorhersehbaren Gefahren nach ihrer Art, Intensität und Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts sowie der Genauigkeit der zur Verfügung stehenden alternativen Fertigungs- und Qualitätsprüfungsmethoden zu dem Ergebnis kommt, dass die höhere Fertigungsgenauigkeit und Qualitätskontrolle nicht in angemessener Weise umsetzbar waren542.
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Fehlerbegriff des § 3 ProdHaftG von dem des § 823 BGB autonom und dem Wortlaut entsprechend objektbezogen auszulegen ist. Der Wortlaut und die Systematik des ProdHaftG manifestieren eine sehr große Nähe zur strict products liability, was sich aus dem Beruhen des ProdHaftG auf der – stark durch die strict products liability geprägten – EG-Produkthaftungsrichtlinie erklären lässt. Mangels vergleichbarer Rechtsprinzipien im deutschen Deliktsrecht bietet es sich daher an, zur Auslegung der objektbezogenen Produktfehlerbestimmung des § 3 ProdHaftG die Erfahrungen und Entwicklung der strict products liability heranzuziehen, ohne die strict products liability mit dem ProdHaftG gleichzusetzen, was sich aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Rechtssysteme in den USA (Common Law) und Deutschland (kodifiziertes Zivilrecht) auch verbieten würde. Sowohl das Produkthaftungsrecht des ProdHaftG als auch die strict products liability sind deliktsrechtliche Haftungsnormen zur Schadenskompensation, bei denen zur Umsetzung eines effektiven präventiven Verbraucherschutzes, Gesundheitsschäden durch unsichere Produkte zu vermeiden, auf 539 540 541 542
So auch MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 31. Vgl. die grundsätzlichen Erwägungen in BGH NJW 2005, 2614 (2618). So auch MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 51; Meermann, S. 257. So auch MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 51.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
die Darlegung und den Beweis einer subjektiven (inneren) Komponente der Schadenersatzpflicht verzichtet wird. Dabei wird in beiden Haftungsregimen übereinstimmend darauf verwiesen, dass der Benutzer von dem Produktrisiko entlastet werden soll, weil dieser aufgrund der Komplexität und Kompliziertheit der industriellen Produkte nicht in der Lage ist, die Gefahren aus der Produktbenutzung zu erkennen oder gar einen ausreichenden Selbstschutz dagegen zu ergreifen, und darüber hinaus durch absatzsteigernde Maßnahmen, wie Werbung, Marketing und Markenimage, vom Hersteller sogar dazu angeregt wird, sich über die Gefahren keine Gedanken zu machen. Auch wird übereinstimmend zur Begründung der Rechtsfolgen berücksichtigt, dass der Hersteller den ökonomischen Nutzen aus der Inverkehrgabe des Produkts zieht und das Produktrisiko auf die Vielzahl der Nutznießer des Produkts (Käufer) umlegen kann, indem er die Versicherungs- oder Haftungskosten in den Verkaufspreis einkalkuliert.
I. Die Fehlerhaftigkeit des Produkts aufgrund dessen unangemessener Gefährlichkeit Bereits sprachlich kommt in dem Begriff Produkthaftungsgesetz zum Ausdruck, dass für den Zustand des Produkts und nicht für ein bestimmtes Verhalten (des Herstellers) deliktisch gehaftet wird.543 Wenn der Haftungsgrund in einer Handlung (etwa einer falschen Konstruktion) oder einer Unterlassung (etwa der Überprüfung des falsch konstruierten Produkts) besteht, handelt es sich sprachlich um eine Produzentenhaftung.544 Der aufgrund der verwirrenden Regelungen im ProdHaftG bestehende Dissens, ob es sich um eine Gefährdungs- oder um eine Verschuldenshaftung handelt545, lässt sich mit einer Analogie zur strict products liability ohne Kreation eines neuen Haftungstyps (z. B. der Aufopferungshaftung) mit der Annahme einer Verschuldenshaftung lösen, bei der das Verschulden des Herstellers von Gesetzes wegen festgestellt ist, so dass der Hersteller keinen Entlastungsbeweis über die im § 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG geregelten Fälle hinaus führen kann. Die beiden wichtigsten haftungsbegrenzenden Tatbestandsmerkmale des § 3 ProdHaftG sind „berechtigterweise“, was die Begrenzung des Schutzbereichs der 543 A.A. und widersprüchlich Hörl, die auf den S. 99 f. einen objektbezogenen Fehlerbegriff als zu eng ansieht und die von ihr postulierte Fehlerdefinition mittels der unvertretbaren Gefahr um das Herstellerverhalten ergänzen will, aber auf S. 133 konkrete herstellerbezogene Umstände (wie z. B. Betriebsgröße, individuelle Finanzausstattung), bei der Frage der Zumutbarkeit aus allgemeinen, nicht näher untersetzten Gründen dann doch nicht berücksichtigen will. 544 Vgl. Simitis, S. 52 f. 545 Vgl. Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 142: reine Verschuldenshaftung; Meermann, S. 263 f.: Gefährdungshaftung mit den Fahrlässigkeitselementen Wissen und Vorwerfbarkeit; Pfeifer, S. 198: bei Fabrikationsfehlern (nicht jedoch bei Konstruktionsfehlern) Unrechtshaftung mit einem unwiderlegbar vermuteten Verschulden, jedoch ohne Einordnung in einen Gesamtzusammenhang.
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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Norm widerspiegelt, und „Sicherheit“, was die Bestimmung des haftungsrelevanten Produktzustands (die Fehlerhaftigkeit des Produkts) umfasst. Die Produktfehlerbestimmung mittels rechtlicher Verhaltenspflichten des Herstellers546 lässt eine sprachliche Anknüpfung im § 3 ProdHaftG vermissen. § 3 Abs. 1 ProdHaftG stellt lediglich darauf ab, ob das den Schaden verursachende Produkt den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht entsprochen hat. Damit entspricht die Formulierung exakt der Systematik der objektbezogenen Fehlerbestimmung, wonach ein Produkt entweder fehlerhaft ist, weil die Produktsubstanz unangemessen gefährlich war oder – falls diese Gefahren konstruktiv unvermeidbar waren – der Produktnutzer nicht hinreichend durch Warnungen und Instruktionen zu einer sicheren Produktbenutzung angeleitet wurde547, oder nicht fehlerhaft ist. Damit löst der objektbezogene Fehlerbegriff die an die Verhaltenspflichten des Herstellers im Kontext mit dem Produktzyklus verknüpfte Einteilung der Fehlerarten auf.548 Entgegen der überwiegenden Meinung in der strict products liability und der allgemeinen Meinung in der Auslegung des ProdHaftG verbleibt insbesondere durch den Gesetzeswortlaut kein Raum, Konstruktionsfehler und Fabrikationsfehler unterschiedlich zu behandeln. Auch teleologisch ist weder für das konkrete Schadensereignis und noch weniger für die rechtspolitischen Ziele der Produkthaftung relevant, ob die berechtigten Sicherheitserwartungen bezogen auf die ganze Produktserie oder nur auf ein Produkt enttäuscht wurden. Der Fehler haftet dem Produkt als solchen an, ohne dass es auf die Person ankommt, die mit dem Produkt bewusst (Nutzer) oder unbewusst (Dritter) in Kontakt kommt. Daher lassen alle Faktoren, die zu einer Haftungsbegrenzung des Herstellers aufgrund von Umständen führen, die in der Person des Geschädigten begründet liegen, weil sich dieser entgegen seinem eigenen Wissen und seinen Erfahrungen in Gefahren gebracht hat, die Fehlerhaftigkeit eines Produkts unberührt und begründen lediglich eine Haftungsfreistellung im Einzelfall wegen des fehlenden Schutzzwecks der Norm.549 Wenn also die Verletzung auf einer Produktnutzung beruht, die derart weit außerhalb des mit dem Produkt verbundenen bestimmungsgemäßen Gebrauchs steht, dass sie als allgemein nicht vorhersehbar anzusehen ist, oder wenn die zur
546 Vgl. zuletzt BGH NJW 2013, 1302 (1303), worin die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers mit der tatsächlichen Handlung des Geschädigten im schädigenden Zeitpunkt saldiert und das Vorliegen eines Produktfehlers bei einem nichtsorgfältigen Umgang des Geschädigten mit dem Produkt verneint wird. 547 So im Ergebnis – auf der Basis einer verhaltensbezogenen Bestimmung einer unvertretbaren Gefährlichkeit des Produkts – auch Hörl, S. 116. 548 A.A. Hörl, S. 100 f., die sich zwar vom Fehlerbegriff lösen und die unvertretbare Gefahr aus der strict products liability übernehmen, die Haftungsgrundlage aber verhaltensbezogen bestimmen und daher in den verschiedenen Fehlerarten differenziert ausgestalten will; vgl. hierzu auch a.a.O. S. 29, 62 f. 549 A.A. Hörl, S. 149, die diese Kriterien zur verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung heranzieht.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Verletzung führende Gefahr derart offensichtlich war550, dass der Geschädigte in Kenntnis der Gefahr in bewusster unvernünftiger und freiwilliger Weise die Benutzung des Produkts fortsetzt, und damit – wie bei der assumption of risk – die Verletzung nicht mehr dem Produkt und dessen Gefährlichkeit, sondern dem eigenverantwortlichen Handeln des Geschädigten zuzuordnen ist551, handelt es sich um eine Einzelfallbetrachtung unter dem Schutzzweck der Norm und nicht um eine generelle – für und gegen alle Produktnutzer geltende – Einschätzung der Fehlerhaftigkeit des Produkts. Die Zuordnung des Kriteriums der Vorhersehbarkeit zur objektiven Bestimmung des Schutzzwecks der Norm und nicht zur Bestimmung der Angemessenheit der Risiken der Produktspezifikation552 dient dem Verbraucherschutzziel des ProdHaftG, den Produktnutzer möglichst weitgehend vor den Gefahren aus der Benutzung von komplexen und komplizierten industriellen Produkten zu schützen, so dass die Verletzung des Geschädigten nur dann außerhalb dieses Schutzzwecks liegt, wenn der Hersteller anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls in der Person des Geschädigten und dessen unsachgemäßen Verhaltens553 beweist, dass sich eine nicht vorhersehbare Gefahr (sei sie allgemein unvorhersehbar oder aufgrund der bewussten Eigengefährdung des Geschädigten unvorhersehbar) verwirklicht hat.554
550 A.A. Hörl, S. 61, 67, die einerseits dies bei Konstruktionsfehlern im Rahmen ihrer verhaltensbezogenen Bestimmung der unangemessenen Gefahr als entbehrlich ansieht, da die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers an dessen Ursachensetzung anknüpfe, und die andererseits auf den S. 138, 141, 152 die Offensichtlichkeit der Gefahr bei Warnpflichten als haftungsausschließende Abgrenzung vom allgemeinen Lebensrisiko mit strengen Anforderungen als notwendig ansieht, da Warnungen bei offensichtlichen Gefahren „dem Verbraucher nicht mehr sicherheitsrelevantes Wissen vermitteln, als dieser ohnehin schon hat“. 551 Vgl. – bezogen auf Instruktionen – Hörl, S. 63: „Bei einer normativen Bestimmung der berechtigten Verbrauchererwartung“ müssen „die Verständnismöglichkeiten des Verbrauchers (…) berücksichtigt werden.“; vgl. auch a.a.O. S. 138, 152. 552 Im Gegensatz zur teilweise in der strict products liability erfolgten Berücksichtigung der Vorhersehbarkeit als Abwägungskriterium in der risk/utility-analysis bleibt das Produkt fehlerhaft. A.A. BGH NJW 2013, 1302 (1303), worin grundsätzlich die Kriterien der Vorhersehbarkeit und der Eigengefährdung zwar berücksichtigt werden, aber die fachwidrige Installation trotz ausdrücklichen Hinweises in der Bedienungsanleitung ein nicht vom Produktfehler umfasster unsorgfältiger Umgang sein soll, so dass anzunehmen ist, dass eine objektive konkrete Bewertung des Schutzzwecks im Einzelfall einen engeren Rahmen für die Haftungsfreistellung des Herstellers darstellt. 553 Wohl a.A. BGH NJW 2013, 1302 (1303), wonach die berechtigten Sicherheitserwartungen zwar die vorhersehbare übliche Verwendung unter Beachtung der Installations- und Gebrauchsanleitung, die auch zu einer Fehlanwendung führen kann, nicht jedoch den Verstoß gegen die Installations- und Gebrauchsanleitung umfassen. 554 Ähnliches Ergebnis (jedoch mit einer verhaltensbezogenen Herleitung des Fehlers) bei Hörl, S. 141, die die Offensichtlichkeit der Gefahr erst prüft, wenn die Warnung bereits als erforderlich erachtet wurde. Im Interesse der nicht unvernünftig handelnden Verbraucher sollte der Hersteller nicht mit dem Prozessrisiko des Nachweises eines Mitverschuldens gemäß § 6 Abs. 1 ProdHaftG i.V.m. mit § 254 BGB belastet werden, da die Haftungskosten über die Verkaufspreiskalkulation von jedem Nutzer mitbezahlt werden.
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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Das zentrale Tatbestandsmerkmal des § 3 Abs. 1 ProdHaftG – die von der Allgemeinheit erwartete Sicherheit – bezieht sich dem Wortlaut nach auf den Produktzustand, wie er sich der Allgemeinheit gegenüber manifestiert. Um eine unpraktikable Grenzenlosigkeit der in Betracht kommenden Sicherheitserwartungen zu vermeiden, entfaltet das Kriterium der Vorhersehbarkeit eine weitere haftungsbegrenzende Wirkung, indem zur Bestimmung der Sicherheitserwartungen alle Personengruppen einbezogen werden, die vorhersehbar mit dem Produkt in Kontakt kommen. Implementiert in § 3 Abs. 1 ProdHaftG ist ein Produkt fehlerhaft, falls nach Ansicht der vorhersehbar mit dem Produkt in Kontakt kommenden Personen die Produkteigenschaften unangemessen gefährlich sind. In der objektbezogenen strict products liability wird hierzu auf die Verbraucher abgestellt und die Fehlerbestimmung als consumer expectation test bezeichnet. Im Laufe der Anwendung der strict products liability wurde deutlich, dass ein unsystematisches freies Ermessen bei der Bestimmung der Verbrauchererwartungen nicht praktikabel ist und zu zufälligen Ergebnissen führen kann, wenn – wie für die Mehrzahl der Konsumgüter – der Verbraucher ohne die nötigen Fachkenntnisse zur Beurteilung des Gefahrenpotentials keine oder nur ungenügende Sicherheitsvorstellungen hat.555 Zur Lösung dieses Anwendungsproblems wurde die risk/utility-analysis entwickelt, wonach sich die objektiven Sicherheitserwartungen aus einer umfassenden objektiven Abwägung der Gefahren mit dem Nutzen des Produkts bestimmen, die das Produkt für die mit dem Produkt in Kontakt kommenden Personen hat.556 In Analogie zur risk/utility-analysis entspricht der Produktzustand gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen, wenn das Produkt nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unangemessen gefährlich ist, weil die Allgemeinheit höhere Sicherheitserwartungen an das Produkt im Warenverkehr hatte.557 Das ist dann der Fall, wenn 1. allgemein die innewohnenden Gefahren den Nutzen des Gesamtprodukts überwiegen558 oder 2. zwar der Nutzen die innewohnenden Gefahren überwiegt, aber die konkrete, den Schaden verursachende Produktspezifikation diese Gefahren im Rahmen der Produktnützlichkeit nicht im höchsten umsetzbaren Maße reduziert hat. 555
So auch Hörl, S. 32 f., 109. Vgl. Hörl, S. 35: „Die Fehlerbestimmung verschiebt sich daher notwendigerweise auf die Feststellung dessen, was nach Ansicht der Gerichte an Sicherheit berechtigterweise zu fordern ist.“ 557 So im Ergebnis auf der Basis einer verhaltensbezogenen Bestimmung der unvertretbaren Gefährlichkeit des Produkts als Substitut für den Fehlerbegriff Hörl, S. 117, 151. 558 Vgl. hierzu Hörl, S. 58, die eine Klassifizierung nach Luxusgütern und lebensnotwendigen Gütern ablehnt. Dem ist zuzustimmen, soweit an eine derartige Klassifizierung feste Rechtsfolgen geknüpft werden. In der Rechtsprechung zur strict products liability gibt es auch keine derartige Klassifizierung, sondern es wurden im Rahmen der Abwägung zwischen den Gefahren und dem Nutzen des Produkts die Produkte mit einem extrem niedrigen Nutzen als Luxusgüter umschrieben. Es bleibt aber bei der immer durchzuführenden Abwägung im Einzelfall. 556
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Alle in der Abwägung zu berücksichtigenden Umstände sind Teil des Fehlernachweises und daher vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen.559 Die im § 3 Abs. 1 ProdHaftG statuierte Einzelfallbetrachtung kann hinsichtlich der allgemeinen Betrachtung des Gesamtprodukts folgende Aspekte in die Abwägung einfließen lassen, ohne dass diese abschließend oder obligatorisch wären: 1. die Art und Intensität der vom Produktzustand ausgehenden Gefahren, 2. die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Gefahren tatsächlich Schäden verursachen560, u. U. auch verbunden mit der Berücksichtigung des Zeitraums der verletzungsfreien Produktbenutzung durch den Kläger (und zwar in der Art und Weise, die angeblich zur Schädigung geführt hat), 3. die Verminderung der konstruktiv unvermeidbaren Gefahren durch hinreichende Anleitungen und Warnungen, die eine nach den allgemeinen Erwartungen hinreichend sichere Produktbenutzung sicherstellen, 4. die Art, Bedeutung, Erwünschtheit und Nützlichkeit des Produkts für die Gesellschaft in seiner Gesamtheit und für jeden einzelnen Produktnutzer561 und 5. sonstige bestehende und ermittelbare Verbrauchererwartungen an die Sicherheit dieser Produktart, soweit diese nicht schon Teil eines anderen Abwägungsfaktors sind562. Um zu bestimmen, ob die konkrete, die Verletzung verursachende Produktspezifikation eine angemessene Sicherheit aufwies, ist in mehreren Stufen die Umsetzbarkeit einer Produktspezifikation mit höheren Sicherheitsmerkmalen zu prüfen, die den Schaden im konkreten Fall verhindert hätte. Diese Prüfung gilt aufgrund des einheitlichen Fehlerbegriffs auch dann, wenn sich die Produktrisiken aus einer gefährlichen Abweichung des hergestellten Produkts von der beabsichtigten Sollbeschaffenheit ergeben. Auf der ersten Stufe ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG zu bestimmen, ob das konkrete Produktrisiko oder die fertigungstechnische Abweichung objektiv, d. h. für irgendjemanden auf dieser Welt, zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe des schadenverursachenden Produkts bekannt war oder unter Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen hätte erkannt werden können.563 Da der Fehlerbegriff von jeglicher Subjektivität gelöst ist, muss sich der Hersteller den neuesten Wissens559
Wie hoch die Anforderungen an den Beweis sind, muss sich im Einzelfall daran orientieren, welchen Informationszugang der Geschädigte tatsächlich hat. Ggf. – wie beim Umsetzbarkeitsnachweis alternativer Sicherheitsmaßnahmen – müssen diese auf einen substantiierten Klägervortrag beschränkt werden, den der Hersteller entkräften muss. 560 So auch Hörl, S. 138, 151 f., die jedoch eine verhaltensbezogene Bestimmung der Haftungsgrundlage vertritt und dieses Kriterium sowie Ziffer 1 explizit für die Abgrenzung von Warnpflichten gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko einsetzt. 561 So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 149. 562 So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 151. 563 So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 149.
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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und Erkenntnisstand aller mit Fachwissen ausgestatteten Experten auf diesem Fachgebiet ohne Rücksicht darauf zurechnen lassen, ob es sich um Experten mit einem Fachwissen aus betrieblichen Tätigkeiten (Stand der Technik), aus der akademischen Forschung (Stand der Wissenschaft) bzw. aus sonstigen Quellen handelt oder ob der Hersteller die Erkenntnisse aus den Ergebnissen seiner Produktbeobachtungspflicht erhalten hätte. Entgegen dem Wortlaut, der Gesetzesbegründung und der allgemeinen Meinung in der Rechtsprechung und Literatur ist § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG so auszulegen, dass darin ein Aspekt der Fehlerbestimmung in der Gesamtabwägung geregelt wird, die Regelung aber keinen Ausschluss der Rechtswidrigkeit eines Produktfehlers beinhaltet.564 Hierbei wird lediglich das Ergebnis der Abwägung gesetzlich festgelegt, wenn der Hersteller seinen Entlastungsbeweis aufgrund der echten Beweislastumkehr565 gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 ProdHaftG erbringt. Durch den Charakter als Abwägungsfaktor ist auch rechtssystematisch sichergestellt, dass in Abhängigkeit der Art der Risiken, der Schwere der möglichen Verletzungen und des Produktnutzens das geforderte Sicherheitsniveau unter Einbeziehung von Minder- oder Neumeinungen einzelfallbezogen bestimmt werden kann, um allgemein akzeptable Ergebnisse ohne rechtssystematische Brüche zu erhalten. Falls die Risiken bekannt und nicht durch eine andere Konstruktion, andere Produktionsverfahren oder Qualitätskontrollen vermeidbar waren, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen, ob das Produkt mit hinreichenden Instruktionen in der Bedienungsanleitung oder mit hinreichenden Warnungen vor den Gefahren versehen wurde.566 Sollte festgestellt werden, dass die Gefahren bekannt waren und mittels einer alternativen Konstruktion grundsätzlich hätten vermindert oder gar vermieden werden können, ist eine gefahrenspezifische Abwägung vorzunehmen. Dazu kann als Indiz auf einer dritten Stufe herangezogen werden, ob die gefährliche Produkteigenschaft in Übereinstimmung oder im Widerspruch zu technischen Normen oder behördlichen Genehmigungen steht. Primär ist in der Abwägung heranzuziehen, wie stark die Sicherheitserwartungen dadurch beeinflusst wurden, was daran festgemacht werden kann, ob es sich um formell-gesetzliche Normen oder um technische Normen von Standardisierungsverbänden handelt, welche Gefahren von der Norm vermieden werden sollen, wie detailliert die technische Norm die Produktspezifikationen regelt, welchen Prüfungsgegenstand, Prüfungsumfang und Inhalt die behördliche Genehmigung hat und wie aktuell die behördliche Prüfung ist. Auch wenn die Nichteinhaltung ein starkes Indiz für eine unangemessene Gefährlichkeit liefert, folgt daraus nicht zwangsläufig eine Fehlerhaftigkeit, da ansonsten der technische Fortschritt in den bestehenden Regeln erstarren würde und technische Innovationen verhindert werden würden. Lediglich in den Fällen, in denen die gefährliche Pro564
A.A. die allg.M., die auf den direkten Zusammenhang zwischen § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG und dem Ausschluss der objektiven Pflichtwidrigkeit des Herstellers in § 823 Abs.1 BGB bei Vorliegen eines Entwicklungsfehlers verweist, so BGH NJW 2009, 2952 (2955). 565 Vgl. zur Beweislast des Geschädigten nach den allgemeinen Regeln Meermann, S. 173. 566 So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 149.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
duktspezifikation das Ergebnis von alle Details regelnden verbindlichen Gesetzen oder Rechtsverordnungen ist, kann dem Hersteller nicht das sich daraus ergebende Haftungsrisiko zugewiesen werden, so dass gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG die Abwägung zwingend zugunsten der Nichthaftung statuiert wird. Falls es hierzu keine technischen Normen gibt, könnte in der Abwägung auf einer vierten Stufe als Indiz, nicht jedoch als Haftungsausschluss567, herangezogen werden, ob die gefährliche Produktspezifikation dem sichersten Standard entspricht, den vergleichbare am Markt erhältliche Produkte aufweisen. Auf einer fünften Stufe muss die Umsetzbarkeit einer höheren Produktsicherheit im engeren Sinne, also ob die gefährliche, die Verletzung verursachende Produktspezifikation durch umsetzbare alternative Konstruktionen oder Fertigungs- und Qualitätsprüfungsmethoden hätte vermieden oder vermindert werden können568, ermittelt werden. Diese ist gegeben, wenn 1. Sicherheitseinrichtungen oder Testprozeduren unter den gegebenen Umständen in der Praxis verfügbar waren, etwa weil sie tatsächlich von anderen Herstellern angewendet wurden oder aufgrund der wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten und Erkenntnisse hätten entwickelt und umgesetzt werden können,569 2. die dadurch gewonnenen Sicherheitsvorteile die damit bedingten Nachteile überwiegen, was dann der Fall ist, wenn die Produktgefahren, die mit der alternativen Konstruktion vermieden werden, höher zu bewerten sind als die sich daraus ergebenden negativen Veränderungen bezüglich dadurch verursachter neuer (anderer) Gefahren, bezüglich der Nützlichkeit und Langlebigkeit des Produkts, bezüglich der verminderten Käuferakzeptanz aufgrund von Einschränkungen des Bedienungskomforts und des Aussehens und bezüglich des zusätzlichen Wartungs- und Reparaturaufwands570 und 3. die Sicherheitsmaßnahmen mit finanziellen Mitteln umsetzbar gewesen wären, die es dem Hersteller ermöglicht hätten, die eventuellen Mehrkosten in der Produktion auch am Markt durch einen höheren Verkaufspreis zu refinanzieren und damit das Produkt erfolgreich zu vermarkten.571 567
So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 124. So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 58 f., 118, 122 f.; vgl. auch BGH NJW 2007, 762 (762 f.), das die Umsetzbarkeitsfaktoren in Gestalt der Gefahrenwahrscheinlichkeit, Verhältnismäßigkeit des Aufwands zum Risiko, Grad der Vermeidbarkeit und Bewertung neuer Gefahren in der Händlerhaftung prüft. 569 So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 123 f., 151. 570 So auch im Rahmen der verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung Hörl, S. 151. 571 Vgl. Schilling, Probleme der Produzentenhaftung, S. 63 (66), der das Vorliegen eines Produktfehlers beim Fehlen von reinen Sicherheitstechniken in einem Kraftfahrzeug auch daran festmacht, dass der Verbraucher die Entscheidungsfreiheit hat, ob er für eine höhere Produktsicherheit mehr Geld ausgeben will oder das weniger sichere, dafür aber billigere Produkt vorzieht; einschränkend Hörl, S. 128 ff., 152, die ein Stufenverhältnis von Erforderlichkeit und Zumutbarkeit bzgl. der Bestimmung der Verhaltenspflichten des Herstellers vertritt, wonach die 568
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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Um sicherzustellen, dass die objektiven Abwägungskriterien in der Rechtsanwendung nicht durch Meinungen, Emotionen und Interessen subjektiviert werden, dürfen die Gerichte die abwägende Entscheidung der technischen und betriebswirtschaftlichen Faktoren nicht zum Beweisthema eines Sachverständigengutachtens machen, da Wissenschaftler und andere Experten, wie auch alle anderen Menschen – wenn auch unter Nebenbedingungen und nicht unter allen Umständen – , ggf. eigene Interessen verfolgen.572 Objektivität kann daher selbst in der Wissenschaft vor allem das Ergebnis eines sinnvoll organisierten Prozesses und weniger eine Folge der Objektivität der Person sein.573 Daher sollten die Gerichte angehalten werden, in der Beweiswürdigung die Sachverständigenaussagen unter den folgenden objektiven Kriterien rechtlich zu bewerten: 1. Handelt es sich um ein Fachgebiet, bei dem überhaupt objektivierbare Erkenntnisse ermittelt werden können? 2. Können die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien mit objektiven Testverfahren überprüft werden? 3. Wurden die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien bereits publiziert und wurden diese von den jeweiligen Experten nachgeprüft und bestätigt? 4. Liegen für die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien Erkenntnisse über potentielle Fehlerwahrscheinlichkeiten vor, und wenn ja, wie hoch sind diese? 5. Wurden die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen vertretenen technischen und wissenschaftlichen Theorien unabhängig vom Gerichtsverfahren aufgestellt? 6. Weichen die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus einem anerkannten Forschungsstand von den Schlussfolgerungen der anderen Experten ab? 7. Hat der Sachverständige alle möglichen Schlussfolgerungen in seinem Gutachten diskutiert? 8. Welchen zeitlichen, personellen und gerätebezogenen Aufwand hat der gerichtlich bestellte Sachverständige zur Ermittlung seiner Ergebnisse betrieben?
Herstellungskosten kein Kriterium der Erforderlichkeit, sondern der Zumutbarkeit sein können, und daher das bestehende Produktrisiko mit den Kosten zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen ohne ein Abstellen auf die Refinanzierbarkeit am Markt abzuwägen ist. 572 Kirchgässner, FAZ vom 26. 10. 2012 S. 12. 573 Kirchgässner, FAZ vom 26. 10. 2012 S. 12.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
II. Die Auswirkungen in der Rechtsanwendung Eine objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 Abs. 1 ProdHaftG ist die rechtssystematisch korrekte Umsetzung der EG-Produkthaftungsrichtlinie574, welche durch die strict products liability inspiriert wurde und daher eine von der verhaltensbezogenen Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB autonome Festlegung der Haftungsvoraussetzung verlangt.575 Die umfangreiche Analyse verschiedener US-amerikanischer Rechtsordnungen hat gezeigt, dass – entgegen einer in der deutschen Literatur vertretenen Auffassung576 – die Produktfehlerbestimmung in der strict products liability keine verhaltensbezogene Prüfung ist. Wenn sich die dieser Feststellung entgegenstehende Interpretation darauf beruft, dass die Gefahren in der Produktsubstanz das Ergebnis von Herstellerentscheidungen sind577, wird übersehen, dass die objektbezogene Fehlerbestimmung, insbesondere die Erwartungen an die Sicherheit578, mehr Aspekte umfasst als nur die zu den Herstellerentscheidungen führenden Umstände. Für eine Verhaltensbezogenheit der Produktfehlerbestimmung spricht auch nicht die zwangsläufig auf ein Herstellerverhalten abstellende Bewertung der mit dem Produktvertrieb verbundenen Instruktionen und Warnungen579, da die Umstände des Produktvertriebs zwar Teil des einheitlichen Fehlerbegriffs sind, aber nur sekundär zur Bewertung einer ansonsten unangemessen gefährlichen Produktsubstanz (Konstruktion) herangezogen werden. Selbst die in der strict products liability berücksichtigten mitursächlichen Verhaltensumstände bezüglich des Geschädigten oder Dritter sprechen rechtssystematisch nicht gegen die Objektbezogenheit der Produktfehlerbestimmung und gegen eine Übertragung dieser Grundsätze in das ProdHaftG, da – wie in der strict products liability – die Haftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG eine Haftung für gesetzlich unwiderlegbar vermutetes Verschulden ist.580 Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung stellt nicht nur keinen Widerspruch zur Unrechtshaftung dar, sondern wird – mangels des differenzierbaren berücksichtigungsfähigen Herstellerverhaltens – von einer Unrechtshaftung für unwiderlegbar vermutetes Verschulden bedingt. Schlussendlich steht dem Geschädigten, falls eine verhaltensbezogene Fehlerbestimmung seinen Interessen mehr dient, gemäß § 15 Abs. 2 ProdHaftG die Möglichkeit offen, seine Ansprüche zusätzlich 574
Vgl. EuGH NJW 2015, 1163 (1164). Vgl. zur Auslegung des in den Tatbestandsmerkmalen mit § 3 ProdHaftG identischen Art. 2 lit. b, c EG-Produktsicherheitsrichtlinie mit Hilfe der risk/utility-analysis Scheller, S. 138. 576 Pfeifer, S. 198. 577 So Pfeifer, S. 198; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (776); widersprüchlich Meermann, S. 172: einerseits Ablehnen der klaren Objektbezogenheit des Fehlers, andererseits keine Berücksichtigung des Verhaltens des Herstellers bei der Bestimmung der berechtigten Sicherheitserwartungen. 578 Vgl. zur Kritik Pfeifer, S. 198. 579 Vgl. Pfeifer, S. 197. 580 Vgl. zur Kritik Pfeifer, S. 198. 575
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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auch aus § 823 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Dazu zählt auch die Haftung für Produktgefahren, die nach dem Inverkehrbringen bekannt geworden oder entstanden sind, da diese – mangels Einwirkungsmöglichkeit des Herstellers auf die Produktsubstanz – dem Regelungszweck der objektbezogenen Produkthaftung aus dem ProdHaftG entzogen – und von diesem daher auch nicht geregelt – sind und zwingend rein verhaltensbezogen gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu liquidieren sind (Herstellerpflicht zur Beobachtung der Produktbewährung, der Erteilung von Instruktionen und Warnungen sowie der Durchführung von Rückrufen). Eine rechtssystematisch autonome Bestimmung des Produktfehlers im § 3 Abs. 1 ProdHaftG mit Bezug auf den Produktzustand und ohne Rücksicht auf das Herstellerverhalten lässt sich nicht nur widerspruchsfrei in die Gesamtsystematik und den Wortlaut des ProdHaftG implementieren, sondern damit lassen sich festgestellte rechtsystematische Unklarheiten und Brüche widerspruchsfrei aufklären. Das Primat sicherheitsgerechter Konstruktionen, dass primär die Produktgefahren konstruktiv zu vermeiden sind und nur dann, falls dies nicht oder in nicht zumutbarer Art und Weise technisch und wirtschaftlich möglich ist, der Nutzer über den Produktgebrauch zu instruieren ist581, kann mit einer objektbezogenen Fehlerbestimmung besser begründet werden, da ein verhaltensbezogener Fehlerbegriff nicht hinreichend rechtssystematisch fundiert begründet, weshalb die Verhaltenspflichten hinsichtlich der Konstruktion und der Instruktion nicht gleichwertig sind, während die Gesamtbetrachtung der Benutzungssicherheit des Produkts im Rahmen einer objektbezogenen Fehlerbestimmung zwangsläufig zum Vorrang einer sichereren Produktsubstanz gelangt.582 Der strikte Ausschluss jeglicher Haftungsminderung des Herstellers im § 6 Abs. 2 Satz 1 ProdHaftG, wenn neben dem Produktfehler auch das Verhalten eines nichtgeschädigten Dritten den Schaden verursacht hat583, ist eine rechtslogische Folge des objektbezogenen Fehlerbegriffs, der allein an der objektiven Produktbeschaffenheit anknüpft, so dass kein Raum für die Berücksichtigung des (zusätzlichen) Verhaltens eines Dritten bleibt. Vor allem kann aber § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG als offensichtlichster Widerspruch zu einer verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung widerspruchsfrei in das Haftungsregime des ProdHaftG eingegliedert werden. Der Wortlaut dieser Haftungsbegrenzung des Herstellers verlangt nach einem vorab festgestellten Produktfehler gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG, um dann – wenn man dieser Definition einen verhaltensbezogenen Fehlerbegriff zu 581
BGH NJW 2009, 2952 (2954); dies aufgreifend Lenz, PHI 2009, 196 (198 f.). So auch Hörl, S. 87, 89, 134 f., 151, die unter Zugrundelegung eines verhaltensbezogenen Fehlerbegriffs und unter Ablehnung eines einheitlichen Fehlerbegriffs ein Stufenverhältnis zwischen Konstruktions- und Instruktionsfehler damit begründet, dass konstruktive Sicherheitsmaßnahmen den Nutzer auch im Falle eines nicht steuerbaren oder menschlich fehlerhaften Verhaltens effektiv schützen könnten; zum Offenlassen der Fehlerhaftigkeit der Produktsubstanz unter Durchbrechung des Primats sicherheitsgerechter Konstruktionen, wenn das Gericht gewillt ist, einen Instruktionsfehler zu bejahen, LG Paderborn Urteil vom 25. 09. 2013 Az. 4 O 104/11 Rn. 45; einen einheitlichen Fehlerbegriff ablehnend, MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 29. 583 Vgl. hierzu Molitoris/Klindt, NJW 2014, 1567 (1571) mit Verweis auf LG Paderborn. 582
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
Grunde legt – die objektive Pflichtwidrigkeit ausschließen zu können.584 Dies würde aber zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass sich – zur Begründung eines Produktfehlers gemäß § 3 ProdHaftG – zu einer Gefährlichkeit berechtigte Sicherheitserwartungen entwickelt haben müssten, die gar nicht erkennbar waren. Darüber hinaus müsste zur Begründung eines Produktfehlers als Verkehrspflichtverletzung entgegen § 275 BGB der Verkehrssicherungspflicht eine unmögliche Handlungspflicht (nämlich die Inverkehrgabe eines ungefährlicheren Produkts, bei dem eine unbekannte Gefährlichkeit beseitigt wurde) zu Grunde gelegt werden. Außerdem begründet nur die objektbezogene Fehlerbestimmung rechtssystematisch widerspruchsfrei, dass die von Gesetzes wegen notwendige Erkennbarkeit der Gefahr objektiv und ohne Rücksicht auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten des Herstellers zu bestimmen ist.585 Falls es aus Verbraucherschutzinteressen im Einzelfall als notwendig erscheint, stünde der Praxis sogar die Möglichkeit offen, in der zur Bestimmung der berechtigten Sicherheitsinteressen der Nutzer oder Dritter durchzuführenden Gefahren-Nutzen-Abwägung von der gesetzlichen Vermutung einer Haftungsfreistellung bei Vorliegen von – nach dem Stand der Wissenschaft und Technik – nicht erkennbaren Gefahren dann abzusehen, wenn sich in der Öffentlichkeit aufgrund der mit dem Produkt verbundenen Werbung und Imagebildung eine Vorstellung über Sicherheitsaspekte gebildet hat, die später enttäuscht wurde, weil sich eine Gefahr unterdessen verwirklichte, die zum Zeitpunkt der Werbung nicht erkennbar war.586 Mit der objektbezogenen Abwägung kann auch das in der Literatur als relevant angesehene Problem in der Praxis gelöst werden, dass praktisch sehr gut brauchbare, die Gesamtsicherheit des individuellen Fahrzeugs wie des kollektiven Fahrzeugverkehrs insgesamt erhöhende Sicherheitssysteme allein deshalb nicht auf den Markt gebracht werden, weil einer Entwicklungsabteilung im Grunde bekannte Restrisiken nicht mit hinreichender technischer Sicherheit und finanziell zumutbarem (und im Markt refinanzierbarem) Aufwand vermeidbar erscheinen.587 Das vom BGH festgestellte Ziel des Produkthaftungsrechts, darüber zu entscheiden, ob die Inverkehrgabe der streitgegenständlichen Produktart erleichtert oder erschwert werden soll (oder gar das Produkt aus den Warenverkehr gedrängt werden soll), indem mit größeren Gefahren die Anforderungen an die Gefahrbeseitigungsmaßnahmen steigen und „bei erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen (…) dem Hersteller weitergehende Maßnahmen zumutbar (sind) als in Fällen, in denen nur Eigentums- und Besitzstörungen oder aber nur kleinere körperliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind“588, spricht für eine explizite Anwendung der Abwägungsfaktoren analog der risk/utility-analysis im § 3 ProdHaftG. Mittels der einzelfallbezogenen Abwägung unter Berücksichtigung der Interessen 584 585 586 587 588
Vgl. Meermann, S. 31, 167. BGH NJW 2009, 2952 (2955); kritisch Pfeifer, S. 198. Vgl. Meermann, S. 31, 167, 173 f. Vgl. hierzu Klindt/Handorn, NJW 2010, 1105 (1107). BGH NJW 2009, 2952 (2954).
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des Herstellers, der Verbraucher und der gesamten Gesellschaft im Sinne einer gesellschaftlichen Akzeptanz der Inverkehrgabe des Produkts kann die Haftung des Herstellers dynamisch weiter entwickelt und können die Haftungsrisiken zwischen den Hersteller und den Verbrauchern danach aufgeteilt werden, wer die Verletzungsrisiken am effizientesten vermeiden kann.589 Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung würde auch nicht zu einem Bruch mit der derzeitigen Rechtsprechung führen, sondern würde sogar rechtssystematisch stringent die Begründungsstruktur von Produktfehlern in der neuesten Rechtsprechung erklären, die sich schwer aus einer verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung herleiten lassen. So wurden vor allem seit der Jahrtausendwende Produktfehler gemäß ProdHaftG mit Formulierungen begründet, die nicht nur – ohne dies explizit auszuführen – eine autonome Bestimmung des Produktfehlers gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG gegenüber der Verkehrssicherungspflicht aus § 823 Abs. 1 BGB erkennen lassen590, sondern eine deutliche Nähe zu den Haftungskategorien und Haftungsprinzipien einer objektbezogenen Produktfehlerbestimmung in Analogie der strict products liability aufweisen. Wegweisend hierfür war eine Entscheidung zur Produkthaftung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs. Darin führte der BGH aus, dass bei einem Kraftfahrzeug bei gewissen Risiken, die nach dem maßgeblichen Stand von Wissenschaft und Technik unvermeidbar sind, die Art und der Umfang der immanenten Kollisions- und Verletzungsrisiken sowie die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung mit dem Nutzen des Kraftfahrzeugs abzuwägen sind, um zu entscheiden, ob in diesem Fall das Kraftfahrzeug überhaupt in den Verkehr gebracht werden durfte.591 Allgemein werden nunmehr die berechtigten Sicherheitserwartungen gemäß § 3 Abs. 1 ProdHaftG gegenüber den nicht berechtigten Erwartungen einer totalen Sicherheit allein objektbezogen (und nicht verhaltensbezogen) mit der Beantwortung der Frage abgegrenzt, ob das Produkt – abgestellt auf das Wissen und die Gefahrensteuerung der am wenigsten informierten Verkehrskreise – diejenige Sicherheit bietet, die objektiv die herrschende Verkehrsauffassung an die Herstellung, den Verkauf und den Gebrauch fordert.592 Noch deutlicher wird die faktische autonome objektbezogene Produktfehlerbestimmung im Rahmen der neuesten Rechtsprechung zu technischen Geräten, die nach Art des Gebrauchs im menschlichen Körper eingesetzt werden. Hier wurden Produktfehler bereits bei einer vom Sachverständigen festgestellten geringen Ausfallwahrschein589
Vgl. zur Aufgabe des Interessenausgleichs Micklitz, ZEuS 2002, 77 (103). Vgl. die Formulierung in OLG Köln NJW 2006, 2272 (2272 f.). 591 BGH NJW 2009, 2952 (2953); vgl. hierzu auch das vom EuGH verbindlich vorgegebene Zugrundelegen der objektbezogenen Fehlerbestimmung im Art. 6 Abs. 1 EG-Produkthaftungsrichtlinie zur Auslegung des § 3 Abs. 1 ProdHaftG in BGH NJW 2015, 3096 (3097); BGH NJW 2015, 2507 (2508); KG Urteil vom 28. 08. 2015 Az. 4 U 189/11. 592 Vgl. BGH NJW 2013, 1302 (1302 f.); OLG München Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 16; OLG Hamm VersR 2011, 637 (638); OLG Frankfurt Urteil vom 20. 05. 2010 Az. 1 U 99/09 Rn. 8; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (351); OLG Köln NJW 2006, 2272; MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 7; Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494). 590
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
lichkeit (ohne konkrete Fehlfunktion) allein mit der produktbezogenen, nicht auf eine Verhaltenspflicht des Herstellers abstellenden593 Begründung einer besonders hohen berechtigten Sicherheitserwartung bejaht, weil der Nutzer den Gebrauch des Produktes nicht einstellen kann, ein Austausch fehlerhafter Komponenten nur mit erheblichem Aufwand (z. B. einer Operation) möglich ist und die Folgen des Versagens gravierend (schwere Gesundheitsschädigung bis zum Tod) sind594. Wenn in der neuesten Rechtsprechung die Umstände des Einzelfalls im Sinne einer Erforderlichkeit und Zumutbarkeit einer Gefahrenabwehr des Herstellers nach dem jeweiligen Erkenntnisstand von Wissenschaft und Technik sowie den Gegebenheiten des konkreten Produktes und dessen Nutzung verstanden werden595, haben de facto die feasibility-Grundsätze bereits Eingang in die Rechtsprechung gefunden. So prüft der BGH – ähnlich der Rechtsprechung zum unreasonable dangerous product –, ob das Produkt unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt, indem er einen absoluten Maßstab ablehnt und zur objektiven Bestimmung der zumutbaren konstruktiven Maßnahmen zur Vermeidung der bei der Produktbenutzung entstehenden Gefahren auf eine Abwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zurückgreift (wie etwa Art und Umfang der Risiken, Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung, mit dem Produkt verbundener Nutzen, wirtschaftliche Auswirkungen der Sicherungsmaßnahme, Verbrauchergewohnheiten, Produktionskosten, Absatzchancen für ein entsprechend verändertes Produkt, „Kosten-Nutzen-Relation“).596 Die Gefahrenvermeidungspflicht des Herstellers umfasst nach der Rechtsprechung selbst bei erheblichen Gefahren für Leib und Leben der Nutzer und Dritter lediglich die nach objektiven Gesichtspunkten technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren effektiven Konstruktionen zur Beseitigung des Risikos von Fehlfunktionen.597 Besonders bemerkenswert ist dabei, dass der BGH neben technischen auch wirtschaftliche Erwägungen, wie produktspezifische Verbrauchergewohnheiten, Produktionskosten und Absatzchancen für ein entsprechend verändertes Produkt sowie die Kosten-Nutzen-Relation eines erhöhten Sicherheitsmaßstabes, zulässt598 und damit anerkennt, dass zwar ein konkret bedrohtes Menschenleben mit 593
So auch Meermann, S. 262. OLG Hamm VersR 2011, 637 (638 f.); OLG Frankfurt Urteil vom 20. 05. 2010 Az. 1 U 99/09 Rn. 8; vgl. auch die Besprechung der Urteile in Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1493 f.). 595 So exemplarisch BGH NJW 2009, 1669 (1670); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170); vgl. exemplarisch in der Literatur Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569. 596 BGH NJW 2009, 2952 (2953 f.); so bereits vorher OLG Köln NJW 2006, 2272; aufgegriffen von MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 32. 597 Vgl. BGH NJW 2013, 1302 (1303); BGH NJW 2009, 2952 (2954); vgl. auch LG Stuttgart NJW-RR 2012, 1169; a.A. Rothe, NJW 2007, 740 (741): Rechtsprechung sieht Schutz von Leib und Leben immer vorrangig an. 598 BGH NJW 2009, 2952 (2954); zustimmend Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569; Klindt/ Handorn, NJW 2010, 1105 (1106 f.); Lenz, PHI 2009, 196 (198, 200): mit der Erläuterung der Kosten/Nutzen-Abwägung als „risk-utility-test“; Rothe, NJW 2007, 740 (740 f., 743); wei594
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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einem Höchstmaß an den zur Verfügung stehenden Mitteln geschützt werden muss, dass dies aber nicht bedeutet, dass es nicht auf die Kosten der Sicherheitseinrichtungen ankäme599. Diese fast wortgleiche Analogie zur feasibility perpetuiert sich auch in der konkreten Bestimmung der Zumutbarkeit, wonach Gefahrenvermeidungsmaßnahmen nach objektiven Maßstäben zu bestimmen und dann technisch möglich sind, wenn nach „gesichertem Fachwissen der einschlägigen Fachkreise praktisch einsatzfähige Lösungen zur Verfügung stehen“, weil „eine sicherheitstechnisch überlegene Alternativkonstruktion zum Serieneinsatz reif“ und damit konstruktiv möglich und geeignet ist, Schäden zu verhindern.600 Wie in der strict products liability sind davon keine rein theoretischen („auf dem Reißbrett erarbeitet“) oder „noch in der Erprobung befindlich(en)“ Sicherheitskonzepte umfasst.601 Auch wenn diese Ausführungen wieder auf die Zumutbarkeit und damit auf die Bestimmung der Verhaltenspflichten des Herstellers abstellen, wird vom Gericht zur Bestimmung der Zumutbarkeit einer konstruktiven Gefahrbeseitigungsmaßnahme auf die Kriterien der risk/utility-analysis zurückgegriffen.602 Dieser faktischen Auslegung der berechtigten Sicherheitserwartungen im Sinne der objektbezogenen Produktfehlerbestimmung ähnlich der strict product liability fehlt es bisher an einer rechtssystematisch gesicherten Basis. Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 BGB verlangt nach einer dem consumer expectation test vergleichbaren Fehlerbestimmung.603 Um trotzdem die in der Mehrzahl der Schädigungen praktikablere – und von der Rechtsprechung in den Grundzügen bereits genutzte – risk/ utility-analysis anzuwenden, sollte der Ansicht der Vorzug gegeben werden, dass – entgegen der Mehrzahl der Rechtsordnungen, die die risk/utility-analysis exklusiv im Rahmen der strict products liability anwenden604, – es sich bei der risk/utility-analysis lediglich um ein Substitut der konkreten Erwartungen der Allgemeinheit für den Fall handelt, dass die objektiven Erwartungen der Allgemeinheit an die Produkteigenschaften aufgrund der Kompliziertheit und Komplexität der Produkteigenschaften nicht ermittelbar sind. Um zufällige oder unrealistische Ergebnisse der im Zweifel auf die sicherste bekannte Konstruktionsvariante gehenden Sicherheitsertergehend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 655 f.: diese Rechtsprechung ist – auch im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB – eine risk/utility-analysis; vgl. zum Meinungsvorstand vor der AirbagEntscheidung Hörl, S. 131 f. 599 So zuletzt BGH NJW 2013, 1302 (1303); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 655 f.; a.A. Rothe, NJW 2007, 740 (741): Rechtsprechung sieht Schutz von Leib und Leben immer vorrangig an. 600 BGH NJW 2009, 2952 (2953); in den Grundsätzen zustimmend Klindt/Handorn, NJW 2010, 1105 (1106), mit dem Problemhinweis – insbesondere bei Kraftfahrzeugen –, dass eine erhebliche zeitliche Lücke zwischen dem theoretisch neuesten Stand von Wissenschaft und Technik einerseits und der Serienreife praktisch einsatzfähiger besserer Sicherheitskonzepte andererseits bestehen kann; die Rechtsprechung aufgreifend Lenz, PHI 2009, 196 (198). 601 BGH NJW 2009, 2952 (2953). 602 BGH NJW 2009, 2952 (2954). 603 Siehe hierzu das von Meermann, S. 174 gebildete Beispiel. 604 Im Ergebnis zustimmend Meermann, S. 175 f.
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Teil 2: Der Produktfehler – Wofür haftet der Hersteller?
wartungen des Verbrauchers zu vermeiden, kommt es dann zur Bestimmung der objektiv unangemessenen Gefährlichkeit auf die Abwägung der Gefahren und der Zusatzkosten der vom Geschädigten geforderten zusätzlichen Sicherheitskonstruktion an.605 Dabei können im Rahmen eines der feasibility nachgebildeten objektbezogenen Umsetzbarkeitskriteriums bisher in der Rechtsprechung nicht beachtete Umstände, wie das spezifische Risiko-Nichtwissen sowie die Neuartigkeit und der Vertriebsradius des Produkts606, herangezogen werden. Der Vergleich der Rechtsprechung zur strict products liability und der bisherigen Rechtsprechung auf der Grundlage der verhaltensbezogenen Fehlerbestimmung macht deutlich, dass in wichtigen Einzelfragen keine gravierend abweichenden Entscheidungen als Folge der Implementierung eines objektbezogenen Fehlerbegriffs zu erwarten sind. So wird die Branchenüblichkeit – wie in der strict products liability – nicht mit dem objektiven Sicherheitsstand gleichgesetzt, weil die in der jeweiligen Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben können.607 Ebenso wie die objektbezogene Fehlerbestimmung in der strict products liability definiert der BGH den Umfang der Instruktionspflicht des Herstellers im ProdHaftG als das erforderliche Maß, um einerseits dem Verwender des Produktes eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er sich in Anbetracht der mit dem Produkt verbundenen Gefahren diesen aussetzen will, und um andererseits den Nutzer in die Lage zu versetzen, den Gefahren so weit wie möglich entgegenzuwirken.608 Dabei können die bisherige Systematik der Instruktionshaftung des § 823 Abs. 1 BGB, den Inhalt und den Umfang der Instruktionspflichten im Einzelfall mittels einer Abwägung unter Berücksichtigung der Art und des Ausmaßes der Gefahr und des gefährdeten Rechtsgutes zu bestimmen609, sowie viele Einzelaspekte der Instruktionshaftung in das Haftungssystem des ProdHaftG übertragen werden, da kommunikative Maßnahmen nicht unmittelbar mit der Funktionsweise des Produkts und dessen Substanz verbunden sein müssen, so dass auf diesen Teilaspekt der Fehlerbestimmung begrenzt eine rein objektbezogene Fehlerbestimmung nicht möglich ist. Wie dringend der gedankliche Abschied von einer einheitlichen Fehlerbestimmung im § 823 Abs. 1 BGB und § 3 Abs. 1 ProdHaftG ist, machen die Ausführungen von Wagner deutlich, der die inhaltliche Nähe oder gar Deckungsgleichheit der neueren Rechtsprechung zum Fehlerbegriff mit der Fehlerbestimmung gemäß der risk/utility-analysis erkennt und der diese – der einheitlichen Fehlerbestimmung
605
So jedenfalls auch Meermann, S. 174. So auch Meermann, S. 183 f., 262. 607 BGH NJW 2009, 2952 (2953); vgl. hierzu schon Schmidt-Salzer, Produkthaftung Band III/1 1. Teil, Rn. 4.762. 608 BGH NJW 2009, 2952 (2954). 609 Hierzu exemplarisch BGH NJW 2009, 2952 (2954 f.). 606
C. Die objektbezogene Produktfehlerbestimmung im § 3 ProdHaftG
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geschuldet610 – in die Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB projiziert.611 Mit Blick auf die dargestellte Genesis der strict products liability und ihrem Ursprung in der strikten Ablehnung einer verhaltensbezogenen Fehlerbestimmung führt das zu dem paradoxen Ergebnis, dass die am objektbezogenen Fehlerbegriff in der strict products liability entwickelten Rechtsprinzipien in eine verhaltensbezogene Produkthaftung implementiert werden.
610 611
MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 3. MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 656.
Teil 3
Die Hersteller- und Händlerhaftung – Wer haftet für die Gefährlichkeit des Produkts? A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG haftet der „Hersteller“. „Hersteller“ sind nach der Legaldefinition des § 4 ProdHaftG alle Produzenten in der Herstellungskette (Grundstoff, Teilprodukt, Endprodukt – Abs. 1 Satz 1), der Quasihersteller (Abs. 1 Satz 2), der Importeur in den Europäischen Wirtschaftsraum (Abs. 2) und, subsidiär, jeder Verkäufer in der Vertriebskette, wenn der Hersteller nach Abs. 1 und 2 nicht feststellbar ist und der Verkäufer diesen nicht innerhalb einer Frist dem Geschädigten gegenüber benennt. Die – bis auf § 4 Abs. 3 ProdHaftG – gleichartige Haftung aller Beteiligten in der Herstellungs- und Vertriebskette setzt sich in einen offenen Widerspruch mit einer verhaltensbezogenen Haftung des Herstellers. Müsste im ProdHaftG tatsächlich für die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gehaftet werden, müsste – wie gemäß § 823 Abs. 1 BGB – jeder in der Herstellungs- und Vertriebskette auf die Herstellung einer ausreichenden Sicherheit bezüglich der von ihm geschaffenen Gefahrenlage haften1. Die Verkehrssicherungspflicht ist also stets für einen Haftungsschuldner entsprechend seinem Aufgabenbereich und seinem individuellen spezifischen Anteil an der Gefahrensetzung zu bestimmen.2 In der Literatur wurde dazu vorgeschlagen, neben der Beherrschbarkeit (Erkennbarkeit sowie rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Gefahrenabwendung) und dem Vertrauensschutz (wer aus einem Vertrauen Dritter Vorteile zieht, müsse sich auch um die aus diesem Vertrauen herrührenden Gefahren kümmern) den Grad der durch den Einzelnen zu verantwortenden Gefahrenerhöhung heranzuziehen.3 Eine auf die Verhaltenspflicht des Haftungsschuldners abstellende Fehlerbestimmung führt zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass der Haftungsumfang der Beteiligten in der Herstellungs- und Vertriebskette unterschiedliche Gefahrenabwendungspflichten beinhaltet, nämlich für den Hersteller die Pflicht, die der Produktsubstanz anhaftenden Gefahren durch 1 Kremer, DAR 1996, 134 (138); zur allgemeinen umfassenden Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen BGH VersR 1965, 1157 (1158). 2 Zoller, S. 34; vgl. Schmidt-Salzer, BB 1987, 721. 3 Zoller, S. 35 f., 38.
A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht
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geeignete Abwendungsmaßnahmen zu neutralisieren, und für die im Warenvertrieb tätigen Personen eine von der Herstellung des Produkts losgelöste Verkehrssicherungspflicht.4 Wie sehr ein verhaltensbezogenes Haftungsregime auf die tatsächliche Handlung im Produktions- und Vertriebszyklus abstellt, wird besonders bei einem Hersteller deutlich, der das Produkt unter zwingender Beachtung einer vom Lizenzgeber vorgeschriebenen Konstruktion (oder gar eines Fertigungsverfahrens) herstellt, da hierbei allein dem Lizenznehmer, der das Produkt herstellt und in den Verkehr bringt, die produkthaftungsrelevanten Verkehrssicherungspflichten obliegen.5 Es stellt sich also die Frage, wie die Einzelaspekte des Haftungsumfangs der Beteiligten in der Herstellungs- und Vertriebskette im Rahmen der verhaltensbestimmten Produktfehlerbestimmung mit § 4 ProdHaftG in Einklang zu bringen sind. Dabei wird auch auf die bis heute im Rahmen einer verhaltensbestimmten Produktfehlerbestimmung offen gebliebene Frage eingegangen, wie sich rechtssystematisch die im § 4 ProdHaftG statuierte Haftung des Importeurs (und eingeschränkt des Verkäufers) für das gesamte Ursachenspektrum eines Produktfehlers begründen lässt, ohne dass im Gesetzestext auf eine individuelle Verkehrssicherungspflicht in Abhängigkeit der gefahrenerhöhenden Handlung abgestellt wird.6
I. Die Produzentenhaftung der Hersteller Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG haftet jeder Hersteller für jeden Produktfehler. Die von der allgemeinen Meinung angenommene gleichartige verhaltensbezogene Fehlerbestimmung im ProdHaftG und im § 823 Abs. 1 BGB müsste zu dem Ergebnis führen, dass diese Norm die Produzentenhaftung des Herstellers gemäß § 823 Abs. 1 BGB wiedergibt. Für eine derartige Annahme könnte sprechen, dass bei einer verhaltensbedingten Fehlerbestimmung der Hersteller des Endprodukts – gleich ob er selbst oder durch eine Vertriebsgesellschaft das Produkt in den Warenverkehr gebracht hat – grundsätzlich bezüglich aller Gefahren aus dem Endprodukt haftet.7 Insbesondere Instruktions- und Warnpflichten obliegen demjenigen, der das Produkt – wie es sich dem Benutzer manifestiert – in den Warenkreislauf brachte, weil nur dieser erfassen kann, welche Anleitungen und Warnungen aufgrund der Spezifikationen und der potentiellen Nutzer des Produkts, ggf. auch bezüglich der Leistungsfähigkeit, Leistungsgrenzen, Verarbeitungseigenschaften 4
Zoller, S. 34. Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1306); vgl. die Bezugnahme zur Gesetzesbegründung des § 4 Abs. 1 ProdHaftG in BT-Drs. 11/2447 S. 20. 6 Das Problem aufgreifend MüKoBGB/Wagner, Einl. ProdHaftG Rn. 18. 7 BGH NJW 1994, 517 (519); hinsichtlich einer Reparatur sehr weitgehende Gleichsetzung des Inhabers einer Reparaturwerkstatt mit einem Hersteller durch BGH VersR 1993, 239 (240); vgl. auch OLG Frankfurt VersR 1985, 890: Hersteller von Limonade haftet auch für Pfandflaschen, die er nicht selbst hergestellt hat; vgl. exemplarisch in der Literatur MüKoBGB/ Wagner, § 823 BGB Rn. 626; Hübner, NJW 1988, 441 (446 f.). 5
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
und Verarbeitungserfordernisse zwischen Zulieferer und Hersteller, notwendig sind.8 Wie gemäß § 4 Abs. 1 ProdHaftG haftet ein Zulieferer im Rahmen der Produzentenhaftung als Hersteller für alle seiner Machtsphäre zuzurechnenden Handlungen hinsichtlich des von ihm hergestellten Produkts9, also dass es entsprechend den konkreten Angaben in der Produktbeschreibung, der Bedienungsanleitung, der Werbung, der Beratung etc. und entsprechend dem in Betracht kommenden Einsatzspektrum fehlerfrei ist.10 Damit erschöpfen sich aber im Wesentlichen die Gemeinsamkeiten zwischen der Produzentenhaftung des Herstellers (§ 823 Abs. 1 BGB) und der Produkthaftung des Herstellers (§ 1 Abs. 1 ProdHaftG). Im Gegensatz zur Produkthaftung, wonach keine weitere Differenzierung nach der Organisationsform und dem Anteil an der Herstellung des Produkts vorgenommen wird, entwickelte sich eine sehr differenzierende Rechtsprechung bezüglich der Produzentenhaftung, wenn – wie überwiegend bei industriellen Massenprodukten – der Hersteller gesellschaftsrechtlich als Personen- oder Kapitalgesellschaft und in der Herstellung arbeitsteilig mit vielen Mitarbeitern organisiert ist und wenn das Endprodukt ganz oder teilweise aus zugelieferten Einzelteilen besteht. Im ersten Fall stand die Rechtsprechung im Rahmen einer verhaltensbezogenen Haftung vor dem Problem, das Verhalten der tatsächlich ausführenden Mitarbeiter dem Hersteller (gleich ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt) zuzurechnen.11 Einerseits entsprach es der allgemeinen Auffassung, dass der Hersteller (und nicht der Mitarbeiter) primär haften müsse, da dieser durch geeignete Vorkehrungen im Produktionsprozess die Wahrscheinlichkeit von Schadensfällen reduzieren, die Haftungskosten über den Verkaufspreis streuen sowie das spezifische Herstellerrisiko über den Abschluss einer Versicherung diversifizieren kann, aber andererseits erschien der Weg über § 831 BGB aufgrund des dezentralisierten 8 Sehr instruktiv BGH NJW 1996, 2224 (2225 f.) und OLG Hamm NZV 1993, 310 (310 f.); vgl. auch BGH NJW-RR 1995, 342 (343): zu Instruktionspflichten des Quasiherstellers; BGH NJW 1987, 372 (373); OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 798 (799); zustimmend MüKoBGB/ Wagner, § 823 BGB Rn. 630; Pfeifer, S. 99; aufgegriffen durch Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (43); vgl. auch Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (316), der unter intensiver Abwägung auch von wirtschaftlichen Faktoren eine Informationspflicht des Zulieferers an Verbraucher bejaht, wenn dem Zulieferer bekannt wird, dass der Hersteller aus Profitsucht, unverantwortlicher Imagepflege oder ähnlichem seine Pflichten nicht erfüllt. 9 BGH NJW 1996, 2224 (2226); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); vgl. dazu in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 630; Pfeifer, S. 99; Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1599); skeptisch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Risikoübertragung auf den Zulieferer bei einem verhältnismäßig geringfügigen Werkstück, das im Gesamtprodukt ein hohes Haftungsrisiko entstehen lässt, Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1286) und ders., DAR 1976, 312 (317). 10 BGH NJW 1996, 2224 (2225); OLG Koblenz OLGR 2009, 169 (170); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 594 (596): Einwirkungspflicht des Zulieferers auf den Endprodukthersteller zur sicheren Verwendung, wenn der Zulieferer als Spezialist mit der Entwicklung und Herstellung des Einzelteils beauftragt wurde; vgl. zur zustimmenden Literatur Müller, G., VersR 2004, 1073 (1075); Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1599). 11 Das Problem adressiert durch Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (36).
A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht
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Entlastungsbeweises hinsichtlich der Organisationsverantwortung dafür als wenig geeignet.12 Zur Lösung des Dilemmas konstruierte man auf der Grundlage des Rechtsgedankens des § 831 BGB die Verkehrssicherungspflicht des Herstellers, durch eine hinreichende Personal- und Sachorganisation sicherzustellen, dass die von ihm konstruierten und hergestellten Erzeugnisse frei von Produktfehlern sind und im Rahmen des geschützten Gebrauchs keine Schutzgüter Dritter verletzt werden.13 Der Verkehrssicherungspflicht zur Personalorganisation kam der Hersteller nur dann nach, wenn er die für die Produktsicherheit verantwortlichen Betriebsabteilungen hinreichend personell ausstattete, die Mitarbeiter hinsichtlich kritischer Sicherheitsfragen genügend sensibilisierte, den Personen der Forschungsund Entwicklungsabteilungen Zugang zu möglichst allen neuen Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik auf ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet ermöglichte und dafür eine Betriebsfachdokumentation einrichtete.14 Die Sachorganisation umfasste eine sichere Konstruktion neuer Produkte, die mangelfreie Produktion, die ausreichende Instruktion und eine umfassende Produktbeobachtung.15 Aus Verbraucherschutzgründen konnte der Geschädigte bei ausländischen Herstellern zwischen der Haftung nach dem Recht des Handlungsortes und dem Recht des Erfolgsortes wählen, wobei die Anknüpfung an das deutsche Rechtssystem bereits dann möglich war, sobald entweder der Ort der schädigenden Handlung, der Ort der Herstellung, der Ort des Inverkehrbringens oder der Ort der Rechtsgutverletzung in Deutschland lag.16 Im zweiten Fall, also wenn der Hersteller das Endprodukt aus zugelieferten Einzelteilen hergestellt hat und ein derartiges Einzelteil fehlerhaft ist, wurde in der Produzentenhaftung (§ 823 Abs. 1 BGB) zwar der Endprodukthersteller nicht vollständig aus der Haftung für die zugelieferten Einzelteile entlassen.17 Hierzu wurde darauf verwiesen, dass die Ausgliederung der Produktion auf Zulieferer nichts anderes darstelle als eine innerbetriebliche Arbeitsteilung, die nur auf mehrere Unternehmen verteilt wird.18 Jedoch wurde dem Endprodukthersteller keine unbe12
Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1299). Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (36 f.); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1299). 14 Dazu detailliert Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (37 ff.). 15 Dazu detailliert Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (38 ff.); zur entsprechenden Systematisierung der Produktfehlerarten in einen Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- und Produktbeobachtungsbereich Schmidt-Salzer, BB 1987, 721 (721 f.). 16 LG Hildesheim VersR 2007, 253; Kullmann, NJW 2000, 1912 (1917) mit Verweis auf OLG Düsseldorf. 17 BGH VersR 1977, 358 (359); BGH NJW 1975, 1827 (1828); BGH VersR 1960, 855 (856); bzgl. der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten allgemein BGH VersR 1954, 364 (365); OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 1338; OLG München NJW-RR 1999, 1657 (1658); zustimmend in der Literatur Kremer, DAR 1996, 134 (137); Reinelt, DAR 1988, 80 (86); Baumgärtel, JA 1984, 660 (666); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1286); Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1599). 18 Vgl. Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1305); vgl. zu den gleichen Pflichten bei der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten allgemein BGH VersR 1954, 364 (365). 13
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
dingte Einstandspflicht auferlegt, sondern er haftete – im Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren – nur für eigene Verhaltenspflichten, so dass die haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht im Wesentlichen auf die Erfüllung der an die äußere Sachlage anknüpfenden Kontrollmöglichkeit des einwandfreien Funktionierens der Einzelteile im Gesamtprodukt beschränkt wurde.19 Dabei wurde zwischen dem Outsourcer, dem Montagebetrieb, dem Assembler und dem Quasihersteller unterschieden.20 Der Outsourcer, nach dessen eigenen Konstruktionsplänen die fremdproduzierten Einzelteile hergestellt wurden, haftet nicht nur für die Verletzung eigener Verkehrssicherungspflichten (z. B. bei fehlerfreien Einzelteilen, die lediglich in der vom Outsourcer vollzogenen Verwendung fehlerhaft sind)21, sondern uneingeschränkt für alle Produktfehler.22 Die haftungsbegründende eigene Verkehrssicherungspflicht des Assemblers, der das Endprodukt mit allgemein auf dem Markt verfügbaren und vom Zulieferer eigenverantwortlich konstruierten und hergestellten Einzelteilen zusammenbaut, umfasste lediglich das eigene Verhalten bei der Auswahl und der vertraglichen Bindung des Zulieferers, bei der Sicherstellung der Verwendung fehlerfrei hergestellter Einzelteile durch laufende Eingangskontrollen sowie das eigene substanzbezogene Verhalten, wie die Auswahl tauglicher Einzelteile und der Zusammenbau des Endprodukts mittels ausreichender Verfahrenstechniken oder Verbindungsmaterialien.23 Der Verkehrssicherungspflicht zur fehlerfreien Auswahl des Zulieferers kam der Assembler nach, wenn er – in Abhängigkeit von bekannten Zweifeln – mittels eines hinreichenden Verfahrens einen Zulieferer ausgewählt hatte, der ausreichend qualifiziert und zuverlässig war, die fehlerfreien Einzelteile in der vom Assembler gewünschten Quantität und Qualität zu liefern, d. h., die übertragene Zulieferung bezüglich der objektbezogenen Gefährlichkeit des Zulieferteils ordnungsgemäß auszuführen.24 Die Verkehrssicherungspflicht zur Auswahl fehlerfrei 19
Vgl. OLG Köln NJW-RR 1991, 740. Einschränkend Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (7): unzumutbar für den Geschädigten, die tatsächliche Ausgestaltung der Aufgabenteilung zwischen Endprodukthersteller und Zulieferer zu ermitteln. 21 Hierzu BGH VersR 1977, 358 (359). 22 BGH VersR 1977, 358 (359); BGH NJW 1975, 1827 (1828); Steckler, BB 1993, 1225 (1226): Haftung folgt aus der Pflicht zur Spezifizierung der Zulieferteile; Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (60); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1305); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (6). 23 OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 1338; OLG Köln NJW-RR 1991, 740; OLG Celle VersR 1978, 258 (259); vgl. zur Auswahl und dem Informationsaustausch mit dem Zulieferer BGH NJW 1994, 3349 (3350); vgl. dazu in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 628 f.; Steckler, BB 1993, 1225 (1226 ff.); Pfeifer, S. 97 f.; Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (4); ders., BB 1972, 1430 (1436); noch vorsichtig formulierend Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1599). 24 BGH VersR 1960, 855 (556); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 594 (597); OLG-Köln NJW-RR 1990, 414; MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 628; Kremer, DAR 1996, 134 (137); Steckler, BB 1993, 1225 (1226); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (60); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (3); ders., BB 1972, 1430 (1436); Simitis, S. 68. 20
A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht
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konstruierter Zulieferteile umfasste vor dem Erstbezug die Aufstellung von Zielvorgaben, die zusammen mit Einsatz- und Funktionsanforderungen dem Zulieferer mitzuteilen waren, und nach dem Erstbezug das Hinwirken auf Konstruktionsänderungen zur Vermeidung von Gefahren durch erwiesenermaßen untaugliche Einzelteile oder, falls dies nicht gelang, das den Umständen entsprechend schnellstmögliche Beziehen von fehlerfreien Zulieferteile von einem anderen Zulieferer (nicht etwa erst nach Absatz der Lagerbestände oder durch Abwarten einer nicht sachlich gerechtfertigten Zeit zur Umrüstung der Produktion des Zulieferers).25 Der Assembler kam seiner Verkehrssicherungspflicht, mangelhaft hergestellte Einzelteile auszusortieren und nicht zu verarbeiten, bereits nach, wenn er eine ständige Wareneingangskontrolle in Abhängigkeit von der Größe der Gefahren und von den tatsächlichen Möglichkeiten, der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit der Kontrolle einrichtete.26 Die Haftung des Assemblers im Rahmen der verhaltensbezogenen Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB ging daher keinesfalls so weit, wie § 4 Abs. 1 ProdHaftG es legal definiert.27 Mindermeinungen in der Literatur, wonach der Assembler, der sich auf die Nichtverantwortlichkeit bezüglich der Fehlerhaftigkeit des Einzelteils beruft, die Vorgänge aufklären und zur Entlastung dem Geschädigten gegenüber auch offenbaren müsse, welcher Zulieferer bezüglich welchem Einzelteil den Schadenersatz schulde28, oder wonach der Assembler und der Zulieferer gegenüber dem Geschädigten als Gesamtschuldner einzustehen haben und lediglich im gesamtschuldnerischen Innenausgleich entsprechend der Verletzung von eigenen Verkehrssicherungspflichten haften sollen29, führen entweder auch nicht zu einer völligen Deckungsgleichheit oder hatten sich nicht durchgesetzt. Noch weiter entfernt vom Haftungsumfang des § 4 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG ist die Rechtsprechung zum sogenannten Montagebetrieb, also einem Unternehmen, das lediglich die vom Zulieferer vorgefertigten Einzelteile nach der vom Zulieferer vorgegebenen Anlei25
BGH NJW 1996, 2224 (2225); BGH NJW 1994, 3349 (3350). BGH NJW 1975, 1827 (1828); BGH VersR 1960, 855 (556); BGH VersR 1954, 364 (365): bzgl. der Aufsichtspflichten bei der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten allgemein, ggf. mit Pflicht zur Beauftragung einer Fachkraft; OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 1338 (1338 f.); OLG Köln NJW-RR 1991, 740: Abstellen auf die „besonderen fachlichen Erfahrungen und Einrichtungen“ der Prüfeinrichtungen des Zulieferers; OLG Köln NJW-RR 1990, 414; MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 628 f.: mit besonderer Betonung der Vermeidung von doppelten Kontrollen bei Zulieferer und Assembler und der Durchführung beim am besten geeigneten Produzenten; Kremer, DAR 1996, 134 (137); Oehler, ZIP 1990 1445 (1448); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (3); ders., BB 1972, 1430 (1436); Simitis, S. 68; Steckler, BB 1993, 1225 (1228 f.); Graf von Westphalen, Jura 1983, 57 (60 f.). 27 A.A. Simitis, S. 68 f.: uneingeschränkte Haftung des Assemblers, da sich dieser mit den – nicht als Produkte eines anderen Herstellers gekennzeichneten – Einzelteilen identifiziere; vgl. auch BGH VersR 1993, 239 (240): keine Einschränkung des haftenden Personenkreises im § 823 Abs. 1 BGB mit Hilfe des § 4 ProdHaftG (hier bezogen auf den Inhaber einer Reparaturwerkstatt). 28 Weitnauer, NJW 1968, 1593 (1599). 29 Steckler, BB 1993, 1225 (1226). 26
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
tung zusammenbaut30. Dessen Verantwortlichkeit für die Verletzung von Verhaltenspflichten wurde allein auf dessen Handlungen begrenzt, also grundsätzlich auf die fehlerfreie Integrität des Gesamtproduktes inklusive einer Funktionsprüfung, und – falls die Endmontage ein eingehendes Erfassen der Konstruktion und der ihr zugrunde liegenden Berechnungen voraussetzte – auf die sich daraus ergebenden Herstellerhandlungen.31 Am weitesten entfernt von den produktiven Herstellerhandlungen ist der Quasihersteller, der ein vom Zulieferer konstruiertes und vollständig von diesem hergestelltes Produkt unter eigenem Namen in den Warenverkehr bringt. Konsequent an den erfüllbaren Verhaltenspflichten und dem eigenen Verhaltensanteil an der Begründung der Gefahr festmachend, wurde dessen Haftung für Substanzfehler des Produkts allein auf die seltenen Fälle beschränkt, in denen der Quasihersteller in den Konstruktions- und Fabrikationsvorgang in irgendeiner Weise eingeschaltet war oder durch Anbringen des Markennamens selbst eine Gefahr begründet hatte, etwa weil der Benutzer dem Markennamen ein besonderes Vertrauen entgegenbrachte und deshalb Vorsichtsmaßregeln unterließ, die er andernfalls beachtet hätte.32 Demgegenüber haftet der Quasihersteller gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG unbeschränkt für jeden Produktfehler. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich § 4 Abs. 1 ProdHaftG essentiell von der Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB unterscheidet, da es die diversifizierte Haftung der einzelnen Herstellerarten (ob Assembler, Outsourcer, Montagebetrieb, Quasihersteller, Zulieferer) entsprechend ihrem Verhaltensanteil am Produktzyklus einebnet.33
30 BGH BB 1977, 1117 (1118); OLG Dresden VersR 1998, 59 (60); mit gleicher Abgrenzung Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1306), der jedoch den Begriff „Assembler“ verwendet; vgl. auch Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (7). 31 Vgl. BGH BB 1977, 1117 (1118): wenn der produzierende Hersteller ein Spezialunternehmen mit internationalem Ruf ist, liegt der Schwerpunkt auf einer der Gefahrenlage angemessenen Sichtprüfung und Aussonderung offensichtlich fehlerhaft hergestellter Einzelteile sowie auf der Verantwortlichkeit für eine ordnungsgemäße Montage der Einzelteile inklusive einer Funktionsprüfung; vgl. auch OLG Dresden VersR 1998, 59 (60); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1306); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1286). 32 Vgl. zu Gefahrenabwendungspflichten im Rahmen der Produktbeobachtung BGH NJWRR 1995, 342 (343); BGH NJW 1994, 517 (519); BGH NJW 1987, 372 (373); BGH NJW 1980, 1219; BGH BB 1977, 1117; OLG München VersR 1988, 635 (636); in der Literatur aufgegriffen und diskutiert durch MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 633; Foerste, NJW 1994, 909 (910); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (42); ders., WM 1981, 1322 (1326); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (7); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1286); allgemeine Ausführungen für alle Nichthersteller in Zoller, S. 39 f.; die Rspr. ablehnend Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (720). 33 Vgl. Steckler, BB 1993, 1225 (1229 f.); Reinelt, DAR 1988, 80 (86).
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II. Die Produzentenhaftung des Warenhändlers Gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG haftet der Warenhändler nur und dann als Hersteller, wenn der Hersteller nicht festgestellt werden kann und der Warenhändler auf Aufforderung dem Geschädigten nicht die Identität des Herstellers mitteilt. Die Haftung des Warenhändlers wird also allein an einen Umstand angeknüpft, der keine Verbindung zum Verhalten des Warenhändlers hinsichtlich der Verursachung oder Vermeidung von Produktgefahren aufweist. Mehr noch ist jegliche Haftung des Warenhändlers ausgeschlossen, falls der Hersteller feststellbar ist bzw. dessen Identität vom Warenhändler mitgeteilt wird, selbst wenn er durch sein Verhalten eine Produktgefahr begründet hat. Demgegenüber haftet der Warenhändler gemäß § 823 Abs. 1 BGB nur für die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten im eigenen Herrschaftsbereich (also für händlerspezifische Vertriebsfehler), nicht jedoch für die Verletzung von Herstellerpflichten (Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler).34 Die verhaltensbezogene Produktfehlerbestimmung bewirkt, dass er lediglich seiner individuellen Stellung im Warenvertrieb entsprechend haftet, also für seine Verteilerfunktion im Produktzyklus.35 Entsprechend den allgemeinen Regeln zur Begründung einer Verkehrssicherungspflicht wird auf die Sicht des durchschnittlichen Händlers abgestellt, wobei auch besondere Umstände, wie eine aus Sicht der Verbraucher besondere wirtschaftliche Nähe des Händlers mit dem Hersteller – erkennbar an einem einheitlichen Marketing und einer Einbindung des Händlers in eine interne Kommunikation mit dem Hersteller –, berücksichtigt werden können.36 Der Warenhändler hat dabei die Verhaltenspflicht, dafür Sorge zu tragen, dass von der Erlangung der Sachherrschaft über das Produkt bis zur Übereignung des Produkts an den Käufer keine neuen Schadensursachen, etwa durch falsche Lagerung, Transport oder Beratung des Käufers37, Abgabe von gefährlichen Produkten an Personen, die das Produkt in gefährlicher Art und Weise benutzen38, oder Vermarktung von erkennbar gefahrträchtigen Produkten39, entstehen. Besondere Umstände, die zu einer wei-
34 BGH NJW 1981, 2250; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (350 f.); OLG Zweibrücken NJW 1987, 2684 (2685); OLG Celle VersR 1981, 464; in der Literatur zustimmend MüKoBGB/ Wagner, § 823 BGB Rn. 631 f.; Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569; Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (771); Hübner, NJW 1988, 441 (447); Schmidt-Salzer, BB 1987, 721; Baumgärtel, JA 1984, 660 (666); Kossmann, NJW 1984, 1664 (1665, 1667); Kullmann, WM 1981, 1322 (1325); Schmidt-Salzer, BB 1980, 445; Brinkmann, DB 1980, 777; Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (4); ders., BB 1972, 1430 (1436). 35 Kossmann, NJW 1984, 1664 (1667). 36 Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (5). 37 MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 632; Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1308); Brinkmann, DB 1980, 777. 38 MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 632; Kullmann, WM 1981, 1322 (1325). 39 Vgl. OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (350 f.) zur früheren gesetzlichen Regelung im § 5 Abs. 3 GPSG; vgl. auch Molitoris/Klindt, NJW 2010, 1569; MüKoBGB/Wagner, § 823
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
tergehenden Verkehrssicherungspflicht des Warenhändlers führen können, sind etwa ein vorprozessuales Verhalten des Händlers, dass der Geschädigte so auffassen musste, dass dieser auf Kosten des Herstellers für dessen Haftpflichtverbindlichkeiten gegenüber dem Käufer der Produkte einstehen wolle und solle40, eine vertragliche Pflicht des Händlers zur Ablieferungsinspektion41 und eine nach außen deutlich werdende vertragliche Pflicht des Händlers, im Auftrag des Herstellers die Weitergabe der Informationen an den Verbraucher zu übernehmen42. Hinsichtlich Produktgefahren, die durch das Verhalten anderer Beteiligter in der Herstellungsund Vertriebskette bis zu einer Inbesitznahme verursacht wurden, obliegt dem Warenhändler lediglich ein eingeschränktes Gefahrenerkennungsgebot, nicht aber eine allgemeine Kontrollpflicht, da er auf die vollständige Erfüllung der Sorgfaltspflichten durch den Hersteller vertrauen könne.43 Eine Kontrollpflicht hinsichtlich der in Besitz genommenen Produkte wurde weiterhin nur auf eventuelle Fabrikationsfehler beschränkt, da dem Warenhändler keine Konstruktionsunterlagen vorliegen, er keine Fachkompetenz hat, die Konstruktion eines Produkts kritisch auf offene oder versteckte Konstruktionsfehler zu prüfen, und es ihm finanziell nicht zumutbar ist, die von ihm zum Vertrieb erworbenen Produkte zur Kontrolle zu zerstören.44 Besondere Umstände, die eine spezielle originäre Sichtkontrollpflicht auf ersichtliche Fabrikationsfehler begründen können, sind eine bekannte Unzuverlässigkeit des Herstellers oder bekannte Schadensfälle bei der Benutzung gleicher oder ähnlicher Produkte.45
BGB Rn. 631; Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); Schmidt-Salzer, BB 1980, 445; ders., BB 1979, 1 (5). 40 Nicht ausreichend: BGH NJW 1981, 2250 (2251); ausreichend: OLG Frankfurt BB 1986, 1117 (1117 f.). 41 Zoller, S. 41; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (771); vgl. aber BGH VersR 1956, 259 (260): oberflächliche Besichtigung und eine Probefahrt im üblichen Rahmen bei nicht angezweifelter Zuverlässigkeit des Händlers reicht aus. 42 OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (351); OLG Karlsruhe, VersR 1986, 46: allgemeine „spezifisch deliktische Sicherungspflicht im Rahmen der Produktinformation“. 43 BGH NJW 1981, 2250; BGH VersR 1960, 855 (856); LG Mannheim DAR 1983, 22 (23); MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 627; Zoller, S. 41; Kullmann, WM 1981, 1322 (1325). 44 BGH NJW 1980, 1219; OLG Frankfurt VersR 2000, 781 (782): bezogen auf Alleinimporteur; OLG Celle VersR 1981, 464; Baumgärtel, JA 1984, 660 (666); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1308); offen gelassen in OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (351). 45 BGH NJW 1981, 2250; BGH NJW 1980, 1219; BGH VersR 1960, 855 (856); OLG Frankfurt VersR 2000, 781 (781 f.) bezogen auf Alleinimporteur; OLG Dresden VersR 1998, 59 (60); OLG Zweibrücken NJW 1987, 2684 (2685); OLG Karlsruhe VersR 1986, 46; OLG Celle VersR 1981, 464; MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 631; Zoller, S. 41; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (771); Baumgärtel, JA 1984, 660 (666); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1308); Kullmann, WM 1981, 1322 (1325); Brinkmann, DB 1980, 777; Rspr. ablehnend Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (719): Größe, Renommee und Erfahrungen sind als Kriterien zur Abgrenzung der Kontrollpflicht ungeeignet.
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Die strenge formal-juristische Bestimmung der Verkehrssicherungspflichten des Warenhändlers im § 823 Abs. 1 BGB wird besonders bei Vertriebsgesellschaften deutlich, die zwecks gemeinsamer Leitung und Verwaltung personell, kapitalmäßig oder rechtlich mit dem Hersteller verbunden sind, aber vom Hersteller rechtlich selbständige juristische Personen darstellen und lediglich die Waren vertreiben, so dass auch hierbei auf deren Händlerstellung abgestellt wird.46 Selbst bei einem gesellschaftsrechtlich geprägten Beherrschungsverhältnis als Mittel zur Durchsetzung von Weisungen im Konzernverbund soll die Vertriebsgesellschaft nicht an den Herstellerpflichten gemessen werden, es sei denn, es liegen besondere Wissenselemente zur Begründung einer höheren Pflichtenstellung vor, etwa wenn bezüglich Substanzfehlern die gesetzlichen oder bestellten Vertreter bei dem allgemeinen Erfahrungs- und Meinungsaustausch im Konzernverbund oder sogar aufgrund ihrer Tätigkeit in beiden Unternehmen von diesen Kenntnis erhalten oder wenn bei Kommunikationsfehlern die Vertriebsgesellschaft vom Hersteller mit der Produktinformation beauftragt ist.47 Vereinzelt wurde in der Literatur diesem formal-juristischen Ergebnis entgegengehalten, dass der Charakter der Verkehrssicherungspflichten als Verhaltenspflichten eine Berücksichtigung der Gefahrenkenntnis und Gefahrenvermeidungsmöglichkeit impliziert, die wiederum von der Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit der Vertriebsgesellschaft vom Herstellerunternehmen bestimmt werden.48 Dabei müsse selbst bei einer großen inhaltlichen Entscheidungsfreiheit und einer personell eigenverantwortlichen Führung der Vertriebsgesellschaft berücksichtigt werden, dass das „Mutterunternehmen“ aus der Tätigkeit der Vertriebsgesellschaft den Nutzen zieht und aus diesem Vorteil die eigene Pflicht folge, Schadensgefahren für Dritte und Haftungsgefahren für das eigene Unternehmen zu vermeiden.49 Nach einer anderen Auffassung sollte jedenfalls dann, wenn die Vertriebsgesellschaft durch ein einheitliches Erscheinungsbild mit dem Hersteller im Marketing das vom Endverbraucher dem Hersteller gegenüber entwickelte Vertrauen in die Sicherheit und Qualität der Produkte zum Zwecke der eigenen Geschäfte und finanzieller Vorteile im Vertrieb nutzt, die Inverkehrgabe des gefahrträchtigen Produkts durch die Vertriebsgesellschaft als Herstellerverhalten angesehen werden.50
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BGH NJW 1981, 2250; LG Mannheim DAR 1983, 22; aufgegriffen in der Literatur durch Zoller, S. 46 ff.; Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (43); ders., WM 1981, 1322 (1325). 47 BGH NJW 1981, 2250 (2251); LG Mannheim DAR 1983, 22 (22 f.); MüKoBGB/ Wagner, § 823 BGB Rn. 631; Zoller, S. 49; Kullmann, NJW 1994, 1698 (1702); ders., Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (44); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1308); Kullmann, WM 1981, 1322 (1325); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (5). 48 So Oehler, ZIP 1990, 1445 (1450 f.). 49 So Oehler, ZIP 1990, 1445 (1451). 50 Kossmann, NJW 1984, 1664 (1664 f.).
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
III. Die Produzentenhaftung des Importeurs Ein identisch verhaltensbezogen bestimmter Produktfehler im § 1 Abs. 1 ProdHaftG und im § 823 Abs. 1 BGB hätte zur logischen Konsequenz, dass die Kodifizierung der Importeurshaftung im § 4 Abs. 2 ProdHaftG die Rechts- und Meinungslage zur Haftung des Importeurs gemäß § 823 Abs. 1 BGB wiedergeben müsste.51 Umgekehrt würde § 4 Abs. 2 ProdHaftG bei einer verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung die gesetzliche Festlegung der Verkehrssicherungspflicht des Importeurs darstellen, so dass die gesetzliche Festlegung des Umfangs und der Grenzen der Verkehrssicherungspflicht des Importeurs für jegliche verhaltensbezogene Produktfehlerbestimmung – also auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB – anzuwenden wäre.52 Gemäß § 4 Abs. 2 ProdHaftG haftet der Importeur von Waren uneingeschränkt wie ein Hersteller, falls er diese in den Geltungsbereich des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einführt.53 Ausschließlich auf das Verhalten abstellend haftet der Importeur gemäß § 823 Abs. 1 BGB allein nach dem Händlerstandard (der Importeur stellt das Produkt nicht her, sondern ist seinem Wesen nach ein Warenhändler)54 und nur dann für Konstruktions- und Fabrikationsfehler, wenn aufgrund der personellen und konzernrechtlichen Verflechtung eine Wissenszurechnung zwischen dem (ausländischen) Hersteller und dem deutschen Importeur begründet ist.55 Zu den Verkehrssicherungspflichten aufgrund besonderer Umstände kann – neben den Umständen, die bereits bei Warenhändlern bedeutsam sind – die Stellung als Alleinimporteur zählen, da seine Monopolstellung als Bindeglied zwischen ausländischem Hersteller und Inlandsmarkt und das damit verbundene beiderseitige planmäßige und langfristige Zusammenarbeiten zur Entwicklung und Förderung des Warenabsatzes (teilweise auch verbunden mit Verpflichtungen zum adäquaten Reparatur- und Wartungsservice) zu einer umfassenderen Kenntnis über 51 Hierzu konsequent Zoller, S 168 f., der die zu berücksichtigenden Umstände im § 3 ProdHaftG personenbezogen versteht und daher dem Importeur nur dann einen zu verantwortenden Fehler zuweist, wenn keine vergleichbare Präventionssituation im Herkunftsstaat besteht; mit Annahme einer weitgehenden Wertungskonkordanz zwischen § 823 Abs. 1 BGB und § 4 Abs. 2 ProdHaftG Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); vgl. auch Hübner, NJW 1988, 441 (447). 52 A.A. unter Ansehung des § 1 Abs. 1 ProdHaftG als Gefährdungshaftung Hübner, NJW 1988, 441 (448). 53 Zu den Einzelfällen BT-Drs. 11/2447 S. 20; vgl. auch Zoller, S. 132. 54 Vgl. BGH NJW 2006, 1589 (1591); BGH NJW 1994, 517 (519); BGH NJW 1987, 1009 (1010); BGH NJW 1980, 1219 (1220); OLG Celle NJW-RR 2006, 526 (527); OLG Frankfurt VersR 2000, 781; OLG Dresden VersR 1998, 59 (60); LG Köln NJW-RR 1987, 864 (865); LG Mannheim DAR 1983, 22 (23); Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 62; Foerste, NJW 1994, 909 (910); Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (772); Schmidt-Salzer, BB 1980, 445. 55 Vgl. OLG Frankfurt VersR 2000, 781; OLG Celle VersR 1981, 464 (464 f.); LG Köln NJW-RR 1987, 864 (865); vgl. auch Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (44): Importeur sei Vertriebsgesellschaft und daher mit dieser gleich zu behandeln.
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die Zuverlässigkeit und Qualifikation des Herstellers, über die Produkteigenschaften und deren Bewährung führen, so dass er nicht nur – gegenüber einem Warenhändler oder einem einfachen Importeur – eine größere Nähe zum Hersteller aufweist, sondern für die Marktdurchdringung des Produktes eine höhere Verantwortlichkeit hat.56 Gegen eine Unterscheidung verschiedener Importeure wurde vorgebracht, dass die Gefährdung als solche nicht davon abhinge, in wie vielen Händen die Einfuhr liegt.57 Durchgesetzt hat sich aber in der Rechtsprechung, dass aufgrund der inländischen Monopolstellung als Verteiler der Waren und als Bindeglied zwischen dem deutschen Verbraucher und dem ausländischen Hersteller der Alleinimporteur eine eigene Produktbeobachtungspflicht hat.58 In der Literatur wird aufgrund der besonders guten Vertrautheit mit dem Warenmarkt jedem Importeur grundsätzlich die Produktbeobachtungspflicht zugewiesen, d. h., er soll die Schadensmeldungen der Verbraucher, Händler oder Behörden und die Ergebnisse von wissenschaftlichen Tagungen, von Prüf- und Testberichten, aus Fachbüchern etc. bezüglich Hinweisen auf Produktgefahren und spezifischen Problemen bei der Produktbewährung unter den besonderen (z. B. klimatischen) Verhältnissen in Deutschland gezielt erfassen, sammeln und weiterleiten sowie ggf. selbst die dem Hersteller obliegende Gefahrenbeseitigung durch Warnungen oder Rückrufe durchführen oder – in letzter Konsequenz – den Import einstellen, falls der Hersteller die Hinweise ignoriert, erkennbar falsch bewertet oder gebotene Untersuchungen verzögert.59 Darüber hinaus kann, wenn ein Alleinimporteur vor dem Weiterverkauf das Produkt oder die Bedienungsanleitung mit dem eigenen Namen versehen hatte, eine herstellergleiche Einstandspflicht in Frage kommen, wenn der Abnehmer den Eindruck haben konnte, der Importeur sei entweder Hersteller oder will dessen Funktion übernehmen und für dessen Haftpflichtverbindlichkeiten gegenüber dem Käufer einstehen60. Wenn der 56 MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 634; Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 81; Zoller, S. 66, 108; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 192; Pfeifer, S. 107 f.; Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (6); vgl. auch Foerste, NJW 1994, 909 (910); Hübner, NJW 1988, 441 (447); Schmidt-Salzer, BB 1987, 721 (722). 57 Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 81; Zoller, S. 66, 108. 58 BGH NJW 1994, 517 (519); BGH NJW 1987, 1009 (1010); OLG Celle NJW-RR 2006, 526 (528); OLG Frankfurt VersR 2000, 781 (781 f.): keine Forschungspflicht bzgl. theoretisch denkbarer Auswirkungen bekannter Funktionsweisen; OLG Frankfurt VersR 1996, 982 (982 f.); in der Literatur zustimmend Foerste, NJW 1994, 909 (910); Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); Schmidt-Salzer, BB 1987, 721 (721 f.); vgl. auch LG Köln NJW-RR 1987, 864 (865): keine Verkehrssicherungspflicht nach der Inverkehrgabe. 59 Mit verschiedenen Begründungen und teilweise auch nur bezogen auf Alleinimporteur MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 634; Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 73 ff.; Foerste, NJW 1994, 909 (910); Zoller, S. 108 ff.; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (773); Hübner, NJW 1988, 441 (447); Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 187; Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (6); Anhalt S. 130. 60 Bzgl. Produktbeobachtungspflicht BGH NJW 1994, 517 (519); bzgl. Fabrikationsfehler OLG Celle NJW-RR 2006, 526 (528); bzgl. Instruktionspflicht OLG Düsseldorf VersR 1990, 906.
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Importeur eine eigene Gefahrenerforschung zum Produkt vorgenommen oder die Betriebsanleitung entworfen oder verändert hatte61, dann erwächst ihm aus der – aus diesem Verhalten resultierenden – eigenen Gefahrensetzung eine eigene Verkehrssicherungspflicht.62 Teilweise wurden gegenüber der allgemeinen Warenhändlerhaftung importeurspezifische Verkehrssicherungspflichten bezüglich der Häufigkeit von händlerbezogenen Stichproben aufgestellt.63 Gegenüber dem allgemeinen Warenhändler unterscheidet sich der Importeur darin, dass der Importeur zwar keine mit dem Hersteller vergleichbare Handlung bei der Erstellung der Produktsubstanz erbringt, aber durch das Verbringen der Waren über staatliche Grenzen hinweg eine dem Herstellerverhalten in Gestalt der Inverkehrgabe des Produkts ähnliche Handlung vollzieht, nämlich die partielle Inverkehrgabe in den inländischen Warenverkehr. Die Schlussfolgerungen aus diesem Importeursverhalten und der sich daraus ergebenden eigenen Gefahrensetzung sind – auch in der rechtssystematischen Fundierung – sehr konturenlos.64 Zwar führte das gefahrenerhöhende Verhalten des Importeurs in der Rechtsprechung grundsätzlich zur Begründung einer eigenen Prüfpflicht des Importeurs über die eines Warenhändlers hinaus, falls das Rechtssystem des Herstellerlandes keine ausreichenden Möglichkeiten der Rechtsverfolgung für einen deutschen Verbraucher vorsieht oder falls im Herstellerland ein erheblich niedrigeres Sicherheitsniveau als in Deutschland besteht.65 Jedoch wurde auch berücksichtigt, dass ein deutlich niedrigerer Kaufpreis des Importproduktes gegenüber dem Käufer signalisieren kann, dass Abstriche an den Sicherheitsanforderungen gegenüber den einheimischen Produkten zu machen sind, so dass dem Importeur keine gesteigerten Verkehrssicherungspflichten obliegen.66 Das Problem der Breite des Spektrums von Gerichtsentscheidungen lässt sich 61
BGH NJW 1987, 1009 (1010); OLG Stuttgart NJW-RR 1992, 670 (671); OLG Celle NJW-RR 2006, 526 (528); OLG Düsseldorf VersR 1990, 906; LG Köln NJW-RR 1987, 864 (865). 62 OLG Stuttgart NJW-RR 1992, 670 (671). 63 BGH NJW 2006, 1589 (1591). 64 Vgl. hierzu exemplarisch die das allgemeine Dilemma gut wiederspiegelnden Ausführungen in Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 89 ff. und in Zoller, S. 139 f., 147, 168 f., die zwar ein haftungsbegründendes Verhalten des Importeurs aufgrund der Verbringung der Waren aus dem Heimatmarkt des Herstellers mit einer schlechteren Präventionssituation zu begründen versuchen, ohne jedoch eine hinreichende Kausalität zwischen dieser Gefährdungshandlung und dem vom Importeur zu tragenden konkreten Schaden aufgrund eines konkreten Produktfehlers herzustellen. 65 Dieses Argument wurde bei technischen Geräten aus einem der sechs ursprünglichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften ausdrücklich in BGH NJW 1980, 1219 (1220) abgelehnt; daran im Anschluss BGH NJW 1994, 517 (519); vgl. auch BGH NJW 2006, 1589 (1591): seit Inkrafttreten des ProdHaftG eine besondere Haftung des Importeurs aus dem außereuropäischen Bereich; OLG Dresden VersR 1998, 59 (60): Erweiterung der Verkehrssicherungspflichten des Händlers im Sinne einer bekannten Unzuverlässigkeit des Herstellers oder bereits bekannter Mängel; OLG Celle VersR 1981, 464 (464 f.); LG Mannheim DAR 1983, 22 (23). 66 OLG Celle NJW-RR 2006, 526 (528).
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sehr gut an zwei Urteilen verdeutlichen, die zu Produkten aus dem asiatischen Wirtschaftsraum ergangen sind. Einerseits entschied das OLG Frankfurt, dass die Haftung des Importeurs asiatischer Kraftfahrzeuge zwar den Grundsätzen der Warenhändlerhaftung unterliegt, aber gleichwohl besondere Umstände – hier die Stellung als Repräsentant der deutschen Vertriebsgesellschaft – für eine über die reine Warenhändlerverantwortlichkeit hinausgehende Haftung sprechen, da es für den Verbraucher bei einer gleichen oder ähnlichen – insbesondere den Markennamen des Produkts enthaltenden – Firmierung des Importeurs schlechthin unvorstellbar ist, dass er sich sein Recht in Asien suchen müsse, und es daher nicht sein könne, dass dem deutschen Produktnutzer nicht der gleiche vollständige Schutz des deutschen Produkthaftungsrechts wie bei einer Schädigung durch ein deutsches Kraftfahrzeug zur Verfügung steht.67 Andererseits sah das OLG Celle die beiden vorstehend genannten haftungserweiternden Kriterien bei einem aus der Volksrepublik China importierten Produkt als wenig sachgerecht an, um die Haftung des Importeurs über eine bloße stichprobenartige Überprüfung der Ware hinaus zu erweitern68, etwa den Importeur zum Aufbau eines umfassenden Qualitätssicherungssystems zum generellen Ausschluss jeglicher Inverkehrgabe fehlerhafter Produkte zu verpflichten, und es verwies den Geschädigten zur Durchsetzung seiner Ansprüche auf eine Klage in der Volksrepublik China mit der – unter rechtsstaatlichen Aspekten – befremdlichen Kommentierung, dass dies auch dann gelte, wenn die Ansprüche nur unter erschwerten tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen im Herstellerland verfolgt werden können.69 Eine intensivere rechtssystematische Problemanalyse fand bisher in der Literatur statt. Zwar wurde auch hier das Argument aufgegriffen, dass sich der durchschnittliche Verbraucher darüber bewusst sein müsse, dass – bei Einhaltung der notwendigen Basissicherheit – ein niedriger Verkaufspreis für importierte Waren auch mit Qualitätsmängeln verbunden sein könne.70 Jedoch sei das rechtspolitische Ziel des Produkthaftungsrechts, den Hersteller zur Inverkehrgabe möglichst sicherer Produkte zu motivieren, gefährdet, wenn der Geschädigte nur sehr eingeschränkte Produkthaftungsansprüche gegen den Importeur hat und der (voll haftende) Hersteller vor einer Rechtsverfolgung in seinem heimatlichen Rechtssystem sicher ist.71 67
OLG Frankfurt BB 1986, 1117. Dazu eingehend BGH NJW 2006, 1589 (1591). 69 Sehr befremdlich OLG Celle NJW-RR 2006, 526 (527 f.), da das Gericht als entscheidungsrelevant ansieht, dass eine Rechtsverfolgung in China nicht gänzlich unmöglich sei, ohne darauf einzugehen, wie sich das Gericht unter sprachlichen, kulturellen und rechtlichen Aspekten die Rechtsverfolgung im sozialistischen Rechtssystem der Volksrepublik China – ohne jegliche richterliche Unabhängigkeit von politischer Staatsdoktrin – vorstellt; besprochen in Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1205); vgl. FAZ vom 13. 10. 2010 S. 10 zur Erfahrung USamerikanischer Verbraucher zur Rechtsverfolgung bzgl. mutmaßlich gesundheitsschädlicher Gipsplatten, die zum Entwurf des Foreign Manufacturers Legal Accountability Act führten. 70 Vgl. Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 64. 71 Vgl. Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 90; Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (720). 68
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
Deshalb wird zur Bestimmung der Verkehrssicherungspflichten des Importeurs auf den Umstand abgestellt, dass der Importeur mit der grenzüberschreitenden Warenverbringung zusätzliche Gefahren für den Produktnutzer oder Dritte begründet, falls geringere Hersteller- und Gefahrenabwendungspflichten am Produktionsort bestehen oder eine Rechtsverfolgung am Gerichtsstand des Herstellers nicht adäquat gewährleistet ist.72 Nicht das Herstellerverhalten begründet in diesem Fall die Produktgefahren für den deutschen Verbraucher, denn der Hersteller musste die deutschen Sicherheitserwartungen, Nutzungsarten und Umwelteinflüsse bei der Konstruktion und Herstellung im Ausland nicht notwendigerweise berücksichtigen, sondern der Importeur verursacht oder erhöht durch seine eigene grenzüberschreitende Warenverbringung und die damit verbundene erstmalige Kontaktmöglichkeit des inländischen Verbrauchers mit dem Produkt die Gefahr für den deutschen Verbraucher.73 Dem Importeur werden daher über seine Pflichten als Warenhändler hinaus auch gefahrenabwendende Maßnahmen bezüglich der Substanzfehler eines Produkts zugewiesen, die sich aus der Verbringung der Produkte aus einem anderen Warenmarkt mit niedrigeren Sicherheitserwartungen ergeben, die der durchschnittliche Produktnutzer nicht selbst einschätzen und gegen die er sich nicht selbst durch Ergreifung von geeigneten Schutzmaßnahmen oder mittels einer adäquaten Rechtsdurchsetzung schützen kann.74 Bei der Beurteilung dieser Gefahrenerhöhung sei eine Risikobewertung vorzunehmen, die neben objektbezogenen Faktoren – wie z. B. technische und personelle Ausstattung, internationale Reputation und Spezialisierung, bisherige Exporterfahrung, Marktanteil am Heimatmarkt, Leitung und Organisation sowie konzernmäßige oder staatliche Beeinflussung/Abhängigkeit – vor allem die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Herstellerland umfasst (so etwa das allgemeine technisch-ökonomische Niveau und die adminis-
72
Vgl. zum Meinungsstand Foerste, NJW 1994, 909 (910); Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579); Zoller, S. 49, 52, 59, 65 f., 67, 96; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (774 f.); Pfeifer, S. 107; Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (5); einer weitergehenden Verkehrssicherungspflichten, nicht aber einer Gleichstellung mit dem Hersteller, stimmt Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 60 ff. zu; Schmidt-Salzer, BB 1987, 721 (721 f.); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1308); Schmidt-Salzer, BB 1980, 445 (445 f.); Anhalt, S. 130 f.; lediglich mit Verweis auf eine haftungsablehnende Entscheidung Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203 (1205). 73 Vgl. Zoller, S. 52; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (774 f.): Stand der Technik ist das Ergebnis eines politischen Abwägungsvorgangs, „ob der preiswerten Versorgung mit technischen Produkten oder dem Schutz der Bewohner vor Produktschäden der Vorrang eingeräumt wird“; Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 91: es ist nicht mit einer Verringerung des Sicherheitsniveaus zu rechnen, wenn der Hersteller aus einem westlichen Industrieland seine Produktion in Niedriglohnländer auslagert. 74 MüKoBGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 634; mit kritischen Anmerkungen zur pauschalierten Betrachtung der sicheren Herkunftsländer Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 62 ff., 89 ff.; mit Verweis auf die Rechtsprechung Forste, NJW 1994, 909 (910); Zoller, S. 52 f., 67; Pfeifer, S. 107 f.; Schmidt-Salzer, BB 1987, 721 (722); ders., BB 1979, 1 (5 f.); Anhalt, S. 131; Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (720); a.A. Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 176 ff.: keine länderbezogene, sondern branchenspezifische Anknüpfung.
A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht
203
trative Effizienz des ausländischen staatlichen Sicherheitsrechts).75 Als grundsätzlich gefahrenerhöhend wird angesehen, wenn ein Importeur ohne Willen oder wenigstens Kenntnis des Herstellers das Produkt in den deutschen Warenverkehr einführt, weil der für den ausländischen Markt produzierende Hersteller die deutschen Sicherheitserwartungen in die Konstruktion und Fabrikation weder erfüllen noch kennen muss und oft nicht einmal kannte.76 Eine besonders gravierende Form des gefahrenerhöhenden Importeurverhaltens stellt das Umlabeln auf eine deutsche (Handels-)Marke dar, so dass die wahre Herkunft verschleiert wird und der deutsche Verbraucher dem importierten Produkt das Sicherheitsvertrauen auf deutschem Niveau entgegenbringt.77 Aus dem Umstand, dass die Konstruktion des importierten Produkts zwar dem branchenüblichen, nicht aber dem zu erwartenden Sicherheitsniveau entspricht, folge nicht zwangsläufig ein gefahrenerhöhendes Verhalten des Importeurs, es sei denn, der Hersteller hat den Import des Produkts in den deutschen Markt nicht beabsichtigt und hat davon auch keine Kenntnis.78 Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, sollen jedem Importeur gleich welcher Art zumutbare spezifische Sicherheitsmaßnahmen gegen Gefahren aus der Produktsubstanz in der Weise obliegen, dass er Informationen über das Sicherheitsniveau im Herstellerland einholt, die Gefahren der importierten Produkte durch Einsicht in Testunterlagen und Prüfberichte sowie durch eigene Untersuchungen oder Gutachtenaufträge beurteilt, Informationen über Art und Umfang von Produktkontrollen einholt sowie – in Abhängigkeit von Art und Höhe des Sicherheitsgefälles – stichprobenartig die importierten Produkte und – hinsichtlich der Produktkommunikation – die Produktinformationen des Herstellers bezüglich ihrer Vollständigkeit und Verständlichkeit gegenüber den deutschen Verbrauchern prüft.79 Nach einer anderen Ansicht soll der Importeur – wenn der Verbraucher durch den Import einem höheren Schadensrisiko und Rechtsverfolgungsausfallrisiko ausgesetzt ist – dem inländischen Produzenten gleichgestellt werden, so dass ihn sämtliche produzentenhaftungsrechtliche Verkehrssicherungspflichten treffen.80 75
Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 63; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (774 f.). 76 Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 60; mit Verweis auf eine ähnliche Gefahrenlage bei Re-Importen Zoller, S. 148 f. Diese Gefahrenbeschreibung ist besonders bei Kraftfahrzeugen relevant, deren Fahrzeugkonfiguration regelmäßig auf die am Ort der Inverkehrgabe herrschenden Gegebenheiten (etwa zulässigen Geschwindigkeiten) abgestimmt ist. 77 Vgl. den allgemeinen Problemaufriss in Zoller, S. 52 f.; vgl. auch Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (720). 78 Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 65 ff.; Zoller, S. 104 f. 79 Vgl. zu den konkreten Pflichten in verschiedenen Fallkonstellationen MüKoBGB/ Wagner, § 823 BGB Rn. 634; Foerste/Graf von Westphalen, § 26 Rn. 65 ff.; Zoller, S. 104 f., 107; Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 188; Anhalt, S. 130. 80 Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1308); vgl. Hübner, NJW 1988, 441 (448 f.): Haftungserweiterung nur gegenüber Alleinimporteuren oder bei sonstigen Importeuren im begründeten Einzelfall; Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (317): Gleichsetzung des Importeurs
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
Um den – auf der Grundlage einer übereinstimmenden verhaltensbezogenen Produktfehlerbestimmung – deutlich werdenden Widerspruch zwischen der allgemeinen Rechtsprechung und der herrschenden Meinung zur Importeurshaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB einerseits und der Gleichstellung des Importeurs von Waren aus Ländern außerhalb des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mit einem Hersteller im § 4 Abs. 2 ProdHaftG andererseits aufzulösen, wurde eine vom Verbraucherschutz legitimierte spezialgesetzliche Zurechnung fremden Fehlverhaltens ohne Exkulpationsmöglichkeit konstruiert, die sich entweder aus der Verletzung einer eigenen Sorgfaltspflicht des Importeurs ergeben soll, welche die Folge des Realakts der Einführung des Produktes in den europäischen Markt ist, so dass er, weil der Rechtsverkehr erwarte, dass die Produktbenutzer der in Europa erworbenen Waren nichteuropäischer Hersteller einen Produktverantwortlichen in Europa haben, als Repräsentant des im Ausland ansässigen Herstellers angesehen wird81, oder die die Folge der für den Verbraucher mangels Kenntnis des ausländischen Rechts fast unüberwindbaren Schwierigkeiten sei, seine Produkthaftungsansprüche in Drittstaaten außerhalb des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraum durchzusetzen82. Soweit sich § 4 Abs. 2 ProdHaftG und die Rechtslage zu § 823 Abs. 1 BGB bezüglich des Nichtbestehens einer besonderen Importeurshaftung für Importe aus Ländern des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gleichen, wird weniger auf die bisherige Rechtsprechung abgestellt (die sich hierzu auch nur zu Importen aus den ursprünglichen Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaften erklärt hat83). Vielmehr wird die Regelung damit gerechtfertigt, dass innerhalb der Grenzen des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftraums durch die Vereinheitlichung der Produkthaftung mittels der EGProdukthaftungsrichtlinie und durch die Möglichkeit, im Geltungsbereich des EuGVÜ Produkthaftungsansprüche vor dem Gericht einzuklagen, in dessen Zuständigkeitsbezirk das schädigende Ereignis eingetreten ist, und Urteile in dem Mitgliedsstaat zu vollstrecken, in denen der Hersteller seine Niederlassung hat, keine gefahrenerhöhenden Umstände zu befürchten seien.84 Hilfsweise wurde diskutiert, mit dem Hersteller, außer bei Kraftfahrzeugen, da der Kunde hier sein haftungsbegründendes Vertrauen auf den ausländischen Hersteller bezieht. 81 von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (778); vgl. die ablehnenden Ausführungen in Zoller, S. 165. 82 So die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/2447 S. 20 f.), die auf der Begründung der Entwürfe der EG-Produkthaftungsrichtlinie, Auszug abgedruckt in Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 173, aufbaut; daran anschließend u. a. Foerste/Graf von Westphalen, § 49 Rn. 56; Wagener/Geissl, S. 68. 83 BGH NJW 1980, 1219 (1220); daran im Anschluss BGH NJW 1994, 517 (519). 84 So die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 11/2447 S. 20 f.; so auch Zoller, S. 139 f.; von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (779 ff.); Brüggemeier, JZ 1994, 578 (579 f.); Brinkmann, DB 1980, 777 (777 f.); vgl. auch Hübner, NJW 1988, 441 (447): gleiche Haftung des EU-Importeurs im Sinne des Verbraucherschutzes denkbar; zur privilegierenden Rechtsprechung im § 823 Abs. 1 BGB bzgl. der EG-Mitgliedsstaaten sehr kritisch Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (720): das unterschiedliche Sicherheitsniveau und prozessuale Aspekte in-
A. Das Haftungssubjekt im deutschen Produkthaftungsrecht
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dass eine umfassendere Haftung des Importeurs aus dem europäischen Wirtschaftsraum gegenüber dem Warenhändler inländischer Produkte eine Maßnahme gleicher Wirkung gemäß Art. 34 AEUV sei, da sich der Importeur gegenüber dem Händler einheimischer Produkte gegen dieses Haftungsrisiko zusätzlich versichern müsste.85 Das Hilfsargument erscheint jedoch wenig stichhaltig, da der Importeur mit einem weitergehenden Haftungsrisiko gegenüber dem nichtimportierenden Warenhändler ökonomisch nicht zwingend schlechter gestellt sein muss, denn er kann schuldrechtlich den Importvertrag so gestalten, dass entweder der Regress beim Hersteller ausgeschlossen und damit der Einkaufspreis des Importeurs mangels des Haftungsrisikos des Herstellers erheblich günstiger vereinbart werden kann oder dass der Importeur beim Hersteller Regress nehmen und daher die Kosten auf ihn abwälzen kann.86 Es spricht vielmehr viel dafür, dass die Abgrenzung der relevanten Importstaaten unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten erfolgte.87
IV. Zusammenfassung und Schlussfolgerung Die Haftung der Beteiligten in der Wertschöpfungs- und Vertriebskette eines industriellen Massenprodukts ist im § 4 ProdHaftG erheblich anders gesetzlich geregelt, als es der gefestigten Rechtsprechung und der herrschenden Meinung bezüglich der Haftung für die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB entspricht. Dazu gehören die Einebnung des unterschiedlichen Haftungsumfangs unterschiedlicher Herstellertypen im § 4 Abs. 1 ProdHaftG sowie die Haftung eines Importeurs von außereuropäischen Produkten und eines Warenhändlers, der dem Geschädigten nicht die Identität des Herstellers oder Importeurs aus dem nichteuropäischen Wirtschaftsraum mitteilt (§ 4 Abs. 2 und 3 ProdHaftG).88 Der nicht geschäftlich handelnde Importeur sowie der Importeur aus dem europäischen Wirtschaftsraum und der Warenhändler, der die Identität des Herstellers benennt, haften überhaupt nicht nach dem ProdHaftG, auch wenn sie eine – von der allgemeinen Meinung als fehlerbestimmende Voraussetzung angesehene – Vernerhalb der Länder der ehemaligen EG sprechen gegen grundsätzliche materiell-rechtliche Haftungserleichterungen bei Importen aus diesen Ländern. 85 Vgl. Zoller, S. 117 und Taschner/Frietsch, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 20 f.; mit Verweis auf Art. 34 AEUV kritisch zur Einschränkung des Produkthaftungsrechts Foerste/ Graf von Westphalen, § 26 Rn. 85: Haftung des Importeur solle nicht aufgrund der erlassenen Vorschriften, sondern aufgrund der tatsächlichen präventiven Wirkung des Produkthaftungsrechts im Herkunftsland entschieden werden; vgl. dazu auch Hübner, NJW 1988, 441 (447); bereits zur Haftung des Importeurs gemäß § 823 Abs. 1 BGB von Scholl/Leitzinger, MDR 1981, 718 (720 f.) herangezogen. 86 Vgl. Zoller, S. 143; Taschner, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 23. 87 Zu den energischen Bemühungen der europäischen Industrie, Importeure in die Herstellerhaftung zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen einzubeziehen, vgl. Taschner, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 23. 88 Vgl. zu den einzelnen Passivlegitimierten BT-Drs. 11/2447 S. 20 f.
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
kehrssicherungspflicht verletzt haben.89 Die Voraussetzungen für eine Importeurshaftung beziehen sich statisch auf geographische Grenzen und politische Abkommen, die nicht Ausfluss von produktgefahrenbestimmenden Umständen sind und daher bei einem Vorwurf des eigenen gefahrenerhöhenden Fehlverhaltens weder unterschiedliche Verkehrssicherungspflichten auslösen können noch bei einer Haftung für fremdes gefahrenerhöhendes Fehlverhalten eine besondere Beziehung zwischen dem Importeur und dem Hersteller innerhalb und außerhalb Europas darstellen.90 Die sich daraus aufdrängende Schlussfolgerung, dass § 4 ProdHaftG deutlich macht, dass die Haftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG nicht die Folge einer Verkehrspflichtverletzung ist und dass die Produkthaftung nicht an die Vorwerfbarkeit eines Herstellerverhaltens, sondern an etwas anderes anknüpft, wurde bisher nur sehr zögerlich gezogen. Lediglich in punktuellen Ansätzen, etwa mit dem Erklärungsversuch, unter Verzicht auf die Aufgabenbereichshaftung sei die Haftung des Importeurs ohne Ansehung einer Verletzung einer wie auch immer gearteten eigenen Verkehrssicherungspflicht zu bestimmen91, wurden die Widersprüche aufgegriffen. Dabei liegt es viel näher, dass § 4 ProdHaftG der Haftung der Beteiligten in der Wertschöpfungs- und Vertriebskette als Folge eines objektbezogenen Fehlerbegriffs gemäß § 3 ProdHaftG entspricht. Um dies zu analysieren, ist auf die Haftung dieser Haftungssubjekte in der strict products liability einzugehen.
B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability I. Die Rechtslage in der negligence In der negligence haftete derjenige, der das Endprodukt in den Warenverkehr gegeben hatte (also auch der Quasihersteller), für alle Schäden ohne Rücksicht darauf, wer im Herstellungsverfahren (Zulieferer oder Endprodukthersteller) seine Handlungspflicht verletzt hat.92 Dem Endprodukthersteller wurde das fremde 89
BT-Drs. 11/2447 S. 20; bereits zur EG-Produkthaftungsrichtlinie Schollaert, PHI 1998, 20 (22); vgl. zur gesetzgeberischen Intention der effizienten Verhaltenssteuerung, der richtigen Zuordnung von Haftpflichtversicherungslasten und -kosten und der mit der Rückgriffshaftung entlang der Vertriebskette verbundenen administrativen Kosten MüKoBGB/Wagner, § 4 ProdHaftG Rn. 33. 90 Vgl. die Darstellung der rechtssystematischen Widersprüche der allein an geographischen Grenzen festmachenden Importeurshaftung im ProdHaftG durch Zoller, S. 167, der jedoch nicht die verhaltensbezogene Produktfehlerbestimmung in Frage stellt. 91 Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 3 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 200; vgl. die ablehnende Auseinandersetzung mit einer verschuldensunabhängigen Importeurshaftung ohne eigenen Verhaltensvorwurf in Zoller, S. 166 f. 92 Exemplarisch AL: Blitzstein v. Ford Motor Co., 288 F.2d 738, 742 et seq. (5th Cir. 1961); CA: Boeing Airplane Co. v. Brown, 291 F.2d 310, 313 (9th Cir. 1961); Dow v. Holly Mfg. Co., 49 Cal.2d 720, 726 et seq. (1958); TX: Ford Motor Co. v. Mathis, 322 F.2d 267, 273, 276 (5th
B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability
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schuldhafte Handeln des Zulieferers zugerechnet, weil – insbesondere bei technisch komplexen Produkten wie bei Kraftfahrzeugen – die Sorgfaltspflicht des Herstellers die Minimierung aller vom Endprodukt im Rahmen der beabsichtigten Nutzungsmöglichkeit ausgehenden Gefahren auf ein rechtmäßiges Maß umfasste93 und weil die verkaufsfördernde Werbung des Endproduktherstellers ohne Hinweise auf die Existenz und die Identität der Zulieferer nach außen einen Einstandswillen für alle mit dem Endprodukt verbundenen Gefahren deutlich werden ließ.94 Weiterhin wurde angeführt, dass die Limitierung der Haftung des Endproduktherstellers auf die von ihm selbst vorgenommenen Fertigungsvorgänge den rechtspolitischen Zielen und Zwecken der deliktischen Haftung des Herstellers außerhalb der Vertragsbeziehungen zuwiderlaufen würde.95 Die Prüfpflicht des Herstellers bezüglich der zugelieferten Teile ist danach nur ein Aspekt der Verkehrspflichtverletzung neben dem zugerechneten fahrlässigen Verhalten des Zulieferers.96 Die Haftung der Warenhändler in der negligence wurde ausdrücklich nicht mit der Haftung der Hersteller gleichgesetzt97, sondern diese hafteten nur äußerst eingeschränkt für die Verletzung der eigenen Sorgfaltspflicht, sorgsam mit dem Produkt im eigenen Einflussbereich umzugehen98, für die Verletzung eigener Instruktionspflichten99 und für die Verletzung einer der wenigen und geringfügigen Prüfpflichten auf Fabrikationsfehler der vertriebenen Waren100, soweit der Warenhändler die Vermarktungsfähigkeit des Produkts durch das Aufbrechen von verschlossenen Verpackungen oder Herstellersiegeln nicht vermindern würde101.
Cir. 1963); offen gelassen in WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 376 et seq. (1984). 93 Vgl. MD: Volkswagen of America v. Young, 272 Md. 201, 216 (1974). 94 Instruktiv TX: Ford Motor Co. v. Mathis, 322 F.2d 267, 273 et seq., 276 (5th Cir. 1963). 95 Vgl. AL: Blitzstein v. Ford Motor Co., 288 F.2d 738, 742 (5th Cir. 1961); CA: Boeing Airplane Co. v. Brown, 291 F.2d 310, 313 (9th Cir. 1961); Dow v. Holly Mfg. Co., 49 Cal.2d 720, 726 et seq. (1958). 96 CA: Boeing Airplane Co. v. Brown, 291 F.2d 310, 313 (9th Cir. 1961); TX: Ford Motor Co. v. Mathis, 322 F.2d 267, 274 (5th Cir. 1963). 97 Vgl. NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Products, 591 F. Supp.2d 249, 276 (S.D.N.Y. 2008). 98 Vgl. MN: Gardner v. Coca-Cola Bottling Co. of Minnesota, 127 N.W.2d 557, 565 (Minn. 1964): besondere Sorgfaltspflicht des Händlers, ein fehlerfreies Produkt nicht zu beschädigen. 99 Bzgl. eines Importeurs AL: Blitzstein v. Ford Motor Co., 288 F.2d 738, 744 (5th Cir. 1961). 100 Instruktiv die Ausführungen zu den verschiedenen Beklagten in WI: Geboy v. TRL, Inc., 976 F. Supp. 1202, 1209 et seq. (E.D.Wis. 1997); offen gelassenen in AL: Blitzstein v. Ford Motor Co., 288 F.2d 738, 743 (5th Cir. 1961). 101 Vgl. zum Ganzen MN: Gardner v. Coca-Cola Bottling Co. of Minnesota, 127 N.W.2d 557, 565 (Minn. 1964); in den Sekundärquellen Prosser, 69 Yale L. J. 1099, 1117 (1960).
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
II. Die Rechtslage in der strict products liability Da die verhaltensbedingten Ursachen des Fehlers unter dem Haftungsregime der objektbezogenen strict products liability keine Rolle spielen, sondern nur auf die unangemessene Gefährlichkeit des Endproduktes abgestellt wird, haftet gegenüber dem Geschädigten jeder kommerziell Tätige in der Produktherstellung und im Produktvertrieb (stream of commerce) – unabhängig der weiteren potentiellen Haftungsschuldner – auf Schadenersatz nach den Regeln der strict products liability.102 Damit haftet der Hersteller im vollen Umfang für das von ihm in den Warenverkehr gebrachte Produkt, egal ob er, ein Zulieferer oder ein Händler den Fehler verursacht hat.103 Entsprechend dem objektbezogenen Grundprinzip der strict products liability, dass die Kausalität zwischen Schaden und fehlerhafter Produktsubstanz und nicht zwischen Schaden und pflichtwidrigem Verhalten des Haftungssubjekts bestehen muss, haften in den meisten Rechtsordnungen die kommerziellen Groß- oder Einzelhändler einheimischer Waren, Importeure oder kommerzielle Vermieter für jede Art von Produktfehlern (selbst ohne jegliche Einschränkungen auf die Besitzverhältnisse des Händlers).104
102
NJ: Promaulayko v. Johns Manville Sales Corp., 116 N.J. 505, 511 (1989). CA: Williams v. Volkswagenwerk AG, 180 Cal. App.3d 1244, 1268 (1986); Vandermark v. Ford Motor Co., 61 Cal.2d 256, 261 (1964); allgemeine Auffassung, so dass später allein auf die Fehlerhaftigkeit des Gesamtprodukts zur Begründung der Haftung des Endproduktherstellers abgestellt wurde, vgl. MO: Welkener v. Kirkwood Drug Store Co., 734 S.W.2d 233, 241 (Mo. App. 1987); NY: Godoy v. Abamaster of Miami, Inc., 754 N.Y.S.2d 301, 304 et seq. (N.Y. App. Div. 2003); vgl. zur vollen Haftung des Zulieferers für Fehler in dem von ihm hergestellten Einzelteil ohne Berücksichtigung der vertraglichen, tatsächlichen und sonstigen rechtlichen Beziehungen zwischen ihm und dem Hersteller IL: Suvada v. White Motor Co., 210 N.E.2d 182, 188 (Ill. 1965). 104 CA: Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 251 et seq. (1968); IL: Dunham v. Vaughan & Bushnell Mfg. Co., 247 N.E.2d 401, 403 et seq. (Ill. 1969); MD: OwensIllinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 441 et seq. (1992); MS: Coca Cola Bottling Co. of Vicksburg v. Reeves, 486 So.2d 374, 378 (Miss. 1986); MO: Welkener v. Kirkwood Drug Store Co., 734 S.W.2d 233, 241 (Mo. App. 1987); NV: Ginnis v. Mapes Hotel Corp., 470 P.2d 135, 138 (Nev. 1970); NJ: Promaulayko v. Johns Manville Sales Corp., 116 N.J. 505, 510 et seq. (1989); NY: Godoy v. Abamaster of Miami, Inc., 754 N.Y.S.2d 301, 304 et seq. (N.Y. App. Div. 2003); Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 et seq. (N.Y. App. Div. 1989); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1350 (Okla. 1985); Robinson v. Audi NSU Auto Union AG, 739 F.2d 1481, 1488 (10th Cir. 1984); Dewberry v. LaFollette, 598 P.2d 241, 243 (Okla. 1979); Moss v. Polyco, Inc., 522 P.2d 622, 626 et seq. (Okla. 1974); PA: Francioni v. Gibsonia Truck Corp., 472 Pa. 362, 368 et seq. (1977); Bialek v. Pittsburgh Brewing Co., 430 Pa. 176, 187 et seq. (1968); TX: Rourke v. Garza, 530 S.W.2d 794, 800 (Tex. 1975); WA: Seattle-First National Bank v. Tabert, 86 Wn.2d 145, 148 et seq. (1975); Seattle-First National Bank v. Volkswagen of America, Inc., 11 Wn. App. 929, 933 et seq. (1974); vgl. in den Sekundärquellen den Überblick über abweichende Rechtslagen in einigen Rechtsordnungen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 1, Comment e.; in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189); mit einer detaillierten Aufstellung zur Rechtslage in den einzelnen Rechtsordnungen bzgl. einzelner Passivlegitimierter Hoechst, S. 19 ff. 103
B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability
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In den Anfängen der strict products liability wurden noch erhebliche Bedenken geäußert, dass die Haftung des Warenhändlers für äußerlich nicht erkennbare latente Fehler bei einem Warenbezug von einem seriösen Hersteller und ohne praktikable, logische und angemessene Kontrollmöglichkeiten zu einer nicht beabsichtigten Gefährdungshaftung führen könnte105 und damit dem Haftungscharakter der strict products liability als objektbezogene, unrechtsbezogene Verschuldenshaftung widersprechen würde106. In den Sekundärquellen wurde eingewendet, dass es ohne eigenes Verhalten, meist – insbesondere bei industriell verpackten Produkten – ohne eine Kenntnis oder Möglichkeit der Kenntnisnahme (bei Vermeidung des Verlustes der Neuwertigkeit des Produktes) sowie Einflussmöglichkeit auf die Produktsubstanz, schlicht an einem aktiven oder unterlassenen Verhalten des Händlers fehlt, das Gegenstand einer Verschuldensfiktion von Gesetzes wegen sein könnte.107 Jedenfalls sollte gemäß MUPLA Sec. 105 (A) jeder Beteiligte im stream of commerce, der kein Hersteller ist, nur für die Verletzung der angemessenen Sorgfaltspflichten im eigenen Handlungskreis (wie die sorgsame Lagerung und Behandlung sowie den sorgsamen Transport des Produkts und die Weiterleitung von Warnungen des Herstellers an den Käufer) und darüber hinaus nur dann für die Verletzung von Kontrollpflichten zur fehlerfreien Produktsubstanz und für das Unterlassen einer angemessenen Produktwarnung haften, falls ihm überhaupt eine angemessene Möglichkeit der Überprüfung des Produkts zur Verfügung stand (Problem der vom Hersteller versiegelten Produkte)108, es sei denn, dem Verbraucher steht kein adäquater Rechtsschutz gegenüber dem Hersteller zur Verfügung, weil die Herstellerhaftung nicht unter die Gerichtsbarkeit des Wohnsitzes des Geschädigten fällt, der Hersteller insolvent oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage ist, im Rahmen seiner normalen Geschäftstätigkeit seine Schulden zu bezahlen, oder der Kläger höchstwahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, seine Ansprüche gegen den Hersteller zu vollstrecken.109 105 So noch der Supreme Court of Mississippi in Sam Shainberg Co. of Jackson v. Barlow, 258 So.2d 242, 244 et seqq. (Miss. 1972) mit der Schlussfolgerung, dass die strict products liability für einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler nicht auf den Groß- und Einzelhändler zu übertragen ist; später interpretierte das gleiche Gericht diese Ausführungen um, wendete diese nur auf die negligence und die strict products liability für Warenhändler an, vgl. Coca Cola Bottling Co. of Vicksburg v. Reeves, 486 So.2d 374, 378 et seq., 379 fn. 3 (Miss. 1986); in der deutschen Literatur zustimmend von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (776). 106 Vgl. exemplarisch OK: Moss v. Polyco, Inc., 522 P.2d 622, 627 (Okla. 1974). 107 Vgl. Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment o.; 45 Wash. L. Rev. 431, 444 (1970) und in der deutschen Literatur Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189). 108 Vgl. zu den Einzelheiten der gesetzgeberischen Intention MUPLA, Analysis, p. 62726 et seq.: „A product seller, other than a manufacturer, is subject to liability to a claimant who proves by a preponderance of the evidence that claimant’s harm was proximately caused by such product seller’s failure to use reasonable care with respect to the product.“; wieder aufgegriffen in SBLRA Sec. 204 (a); vgl. hierzu in der deutschen Literatur Lorenz, RIW 1980, 609 (613). 109 MUPLA Sec. 105 (C): „A product seller, other than a manufacturer, is also subject to the liability of manufacturer under Section 104 if: (1) The manufacturer is not subject to service of process under the laws of the claimant’s domicile; or (2) The manufacturer has been judicially
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
Daher wurde Importeuren im MUPLA Sec. 105 (C) (1) die Gefährdung des Verbraucherschutzes bereits aus der objektiven Sachlage einer divergierenden Rechtsordnung zwischen Geschädigten und Hersteller unterstellt, während im MUPLA Sec. 105 (C) (2) und (3) für Warenhändler inländischer Produkte sich die vorgenannte Gefährdung des Geschädigten durch konkrete Umstände erheblich verdichtet haben musste.110 In einigen wenigen Rechtsordnungen wurde der im MUPLA Sec. 105 (A) innewohnende Entzug der Unwiderlegbarkeit der schuldhaften Schadensverursachung in der strict products liability aufgegriffen, ohne das MUPLA im Ganzen zu übernehmen.111 Um dem Geschädigten zur Vermeidung unnötiger Rechtsverfolgungs- und Versicherungskosten anzuhalten, seinen Schadenersatz nur gegenüber demjenigen zu liquidieren, der in der Kette der Rückgriffshaftung die Schadenersatzkosten letztendlich zu tragen hat (nämlich gegenüber dem Hersteller)112, wurde im Jahre 1996 in Michigan ähnlich dem MUPLA Sec. 105 (A) die Haftung des Verkäufers, der keinerlei Teile des Produkts hergestellt hat113, ohne Verschuldensnachweis114 abgeschafft, so dass der Warenhändler nur bei Verletzung der ihm zumutbaren Sorgfaltspflicht oder für das Fehlen einer vom Verkäufer ausdrücklich garantierten declared insolvent in that the manufacturer is unable to pay its debts as they become due in the ordinary course of business; or (3) The court determines that it is highly probable that the claimant would be unable to enforce a judgment against the product manufacturer.“; wieder aufgegriffen in SBLRA Sec. 204 (b); vgl. hierzu in der deutschen Literatur Lorenz, RIW 1980, 609 (613); von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (777). 110 Vgl. zu den gesetzgeberischen Intentionen in den Rechtsordnungen, die Ausnahmen ähnlich dem MUPLA haben, Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 1, Comment e. 111 Del. Code tit. 18 § 7001 (c); Idaho Stat. § 6 – 1407 (4); Iowa Code § 613.18; K.S.A. § 60 – 3306 (a); KRS § 411.340; Minn. Stat. § 544.41 Subd. 2; R.S.Mo. § 537.762 (2); NC Gen. Stat. § 99B-2 (a); ORC § 2307.78 (B); Tenn. Code Ann. § 29 – 28 – 106 (a); RCW § 7.72.040 (2); gar für einen vollständigen Ausschluss einer Händlerhaftung, soweit nicht auch eine Herstellereigenschaft vorliegt, R.R.S. Neb. § 25 – 21,181; vgl. dazu in der deutschen Literatur Zekoll, IPRax 1997, 198 (199). 112 MI: Konstantinov v. Findlay Ford Lincoln Mercury, 619 F. Supp.2d 326, 331 (E.D.Mich. 2008); Mills v. Curioni, Inc., 238 F. Supp.2d 876, 886 (E.D.Mich. 2002); in der Gesetzgebung aufgegriffen in SBLRA Sec. 201 (b); vgl. in der deutschen Literatur zu ähnlichen Regelungen in einem Entwurf eines Gesetzes zur Produkthaftpflichtreform von 1997 Schollaert, PHI 1998, 20 (22). 113 MI: Kraft v. Dr. Leonard’s Healthcare Corp., 646 F. Supp.2d 882, 888 (E.D.Mich. 2009): für die Herstellereigenschaft ist bereits eine intensive wirtschaftliche Beziehung zum Endprodukthersteller (Gemeinsamkeiten bei den Eigentümern, wirtschaftliche Kontrolle etc.) ausreichend. 114 In Michigan ergibt sich der Produkthaftungsanspruch aus MCL § 600.2947 (Product liability action; liability of manufacturer or seller), ohne dass der Begriff der strict products liability verwendet wird. Vielmehr handelt es sich um eine methodische Erweiterung der Haftung aus breach of expressed or implied warranty, was für den Gegenstand der Untersuchung aber keine signifikante Bedeutung hat. Vgl. dazu auch Hollister v. Dayton-Hudson Corp., 201 F.3d 731, 736, 741 (6th Cir. 2000).
B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability
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Produktbeschaffenheit (was dann zum Schaden geführt hat) haftet115. Schon vor dem Jahre 1996 musste der Verkäufer für die Verletzung eigener Warn- und Instruktionspflichten haften, wenn die Gefahren für ihn sichtbar, ihn bekannt oder bei einer sorgfältigen Überprüfung mit ihm zumutbaren Mitteln erkennbar waren.116 In Nebraska, Georgia und South Dakota117 sowie in der vergleichbar dem kontinentaleuropäischen Recht kodifizierenden Rechtsordnung von Louisiana gemäß La. R.S. § 9:2800.54 (Manufacturer responsibility and burden of proof)118 wird die Haftung eines non-manufacturers allein auf die negligence unter Ausschluss der strict products liability begrenzt. Die Mehrzahl der Rechtsordnungen stellt jedoch in den Mittelpunkt, dass in der strict products liability eine von Gesetzes wegen unwiderlegbare Unrechtsvermutung gilt und die Haftung jedes mit kommerziellen Interessen handelnden Teilnehmers im stream of commerce nicht an dessen Verhalten, sondern daran angeknüpft wird, wer das Verletzungsrisiko und das finanzielle Schadensrisiko für den Verbraucher – sei es durch die Produktion oder durch die Vermarktung – geschaffen hat, durch die Unterbrechung der Vermarktung des Produkts zukünftig beseitigen kann und die Gewinne aus der Zirkulation des Produkts im gewerblichen Warenverkehr gezogen hat.119 Das öffentliche Interesse am maximalen Schutz des Ver115 MCL § 600.2947 (6); darauf aufbauend Kraft v. Dr. Leonard’s Healthcare Corp., 646 F. Supp.2d 882, 888 (E.D.Mich. 2009); Croskey v. BMW of North America, Inc., 532 F.3d 511, 519 et seq. (6th Cir. 2008); Konstantinov v. Findlay Ford Lincoln Mercury, 619 F. Supp.2d 326, 329 et seqq. (E.D.Mich. 2008); Mills v. Curioni, Inc., 238 F. Supp.2d 876, 886 et seq. (E.D.Mich. 2002). 116 MI: Kraft v. Dr. Leonard’s Healthcare Corp., 646 F. Supp.2d 882, 888 (E.D.Mich. 2009); Konstantinov v. Findlay Ford Lincoln Mercury, 619 F. Supp.2d 326, 332 (E.D.Mich. 2008); Mills v. Curioni, Inc., 238 F. Supp.2d 876, 886 et seq. (E.D.Mich. 2002); Stachurski v. K Mart Corp., 180 Mich. App. 564, 567 (1989); Warner v. General Motors Corp., 137 Mich. App. 340, 346 (1984); anders die Haftung vor 1996 für Konstruktions- und Fabrikationsfehler, vgl. Croskey v. BMW of North America, Inc., 532 F.3d 511, 519 (6th Cir. 2008); Konstantinov v. Findlay Ford Lincoln Mercury, 619 F. Supp.2d 326, 329 (E.D.Mich. 2008); vgl. in der deutschen Literatur zu ähnlichen Regelungen in einem Entwurf eines Gesetzes zur Produkthaftpflichtreform von 1997 Schollaert, PHI 1998, 20 (22). 117 NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 617 (Neb. 1994) mit Verweis auf die gesetzliche Regelung in Nebraska R.R.S. Neb. § 25 – 21,181; vgl. zu den übrigen Rechtsordnungen die Verweise in der Sekundärquelle Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 1, Reporters Notes: Comment e.; gesetzliche Regelungen in O.C.G.A. § 51 – 1 – 11.1 und SDCL § 20 – 9 – 9. 118 Vgl. die Fallsammlung in der Sekundärquelle LA: § La. R.S. § 9:2800.54 (2011), Case Notes No. 76, 80, 81, 147. 119 CA: Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 251 (1968); FL: K-Mart Corp. v. Chairs, Inc., 506 So.2d 7, 9 (Fla. App. 1987); IL: Wright v. Massey-Harris, Inc., 215 N.E.2d 465, 467 et seq. (Ill. App. 1966); Suvada v. White Motor Co., 210 N.E.2d 182, 186 (Ill. 1965); MS: Coca Cola Bottling Co. of Vicksburg v. Reeves, 486 So.2d 374, 379 fn. 4 (Miss. 1986); MO: Keener v. Dayton Electric Mfg. Co., 445 S.W.2d 362, 364 (Mo. 1969); NJ: Promaulayko v. Johns Manville Sales Corp., 116 N.J. 505, 516 (1989); NY: Godoy v. Abamaster of Miami, Inc., 754 N.Y.S.2d 301, 304 et seq. (N.Y. App. Div. 2003); Nutting v. Ford Motor Co., 584 N.Y.S.2d 653, 657 (N.Y. App. Div. 1992); Sukljian v. Charles Ross & Son Co., 69 N.Y.2d
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
brauchers mittels einer angemessenen Produktsicherheit im Rahmen der vorhersehbaren Nutzung spreche für eine umfassende Haftung des Warenhändlers in gleicher Weise wie die eines Herstellers, da Warenhändler im stream of commerce einen wesentlichen Teil der Vertriebs- und Vermarktungskette des Produkts darstellen, durch die Marketing- und Verkaufsbemühungen einen erheblichen Anteil an den Vorstellungen des Verbrauchers zur Produktsicherheit begründen, gegenüber dem Verbraucher in einer besseren Position sind, die Zuverlässigkeit des Herstellers oder des Lieferanten einzuschätzen, und einen ökonomischen Vorteil aus der Weitergabe des fehlerhaften Produkts an den Nutzer ziehen120 (consumer reliance argument)121. Der Warenhändler könne sogar direkt die Produktsicherheit verbessern, da er als wesentlicher Teil der Vertriebskette – insbesondere als Importeur mit unmittelbaren rechtlichen Beziehungen zum Hersteller an der Spitze der Vertriebskette122 – die Möglichkeit habe, auf den vom Vertrieb abhängigen Hersteller Druck auszuüben, sichere Produkte herzustellen (safer product rational123)124. Gerade die 89, 95 et seq. (1986); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 (Okla. 1985); Moss v. Polyco, Inc., 522 P.2d 622, 626 et seq. (Okla. 1974); PA: Francioni v. Gibsonia Truck Corp., 472 Pa. 362, 367 (1977); Bialek v. Pittsburgh Brewing Co., 430 Pa. 176, 187 et seq. (1968); differenzierend zwischen gewöhnlichen Händlern und Gelegenheitshändlern WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551, 556 (1990); zustimmend in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment o.; zu Erwägungen der Differenzierung zwischen Händlertypen 45 Wash. L. Rev. 431, 441 et seq. (1970) und bereits sehr früh Prosser, 69 Yale L. J. 1099, 1116 et seqq., 1122 et seqq. (1960); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189) und kritisch von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (776). 120 Vgl. CA: Vandermark v. Ford Motor Co., 61 Cal.2d 256, 262 (1964); IL: Wright v. Massey-Harris, Inc., 215 N.E.2d 465, 468 (Ill. App. 1966); NY: Mead v. Warner Pruyn Division, Finch Pruyn Sales, Inc., 394 N.Y.S.2d 483, 484 (N.Y. App. Div. 1977); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 fn. 22 (Okla. 1985); Dewberry v. LaFollette, 598 P.2d 241, 242 et seq. (Okla. 1979); Moss v. Polyco, Inc., 522 P.2d 622, 626 et seq. (Okla. 1974); WI: Rolph v. EBI Co., 159 Wis.2d 518, 529 (1991); Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 555 (1990); zustimmend in der Sekundärquellen Prosser, 69 Yale L. J. 1099, 1141 (1960); zustimmend, wenn auch skeptisch hinsichtlich der tatsächlichen Wirkung bei kleinen Einzelhändlern, 45 Wash. L. Rev. 431, 436, 441 et seq. (1970); das Argument in der deutschen Literatur kritisch aufgegriffen durch von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (777). 121 Zur Begrifflichkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 435 (1970). 122 NY: Godoy v. Abamaster of Miami, Inc., 754 N.Y.S.2d 301, 307 (N.Y. App. Div. 2003). 123 Zur Begrifflichkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 435 (1970). 124 CA: Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 253 (1968); Vandermark v. Ford Motor Co., 61 Cal.2d 256, 262 (1964); IL: Dunham v. Vaughan & Bushnell Mfg. Co., 247 N.E.2d 401, 404 (Ill. 1969); Wright v. Massey-Harris, Inc., 215 N.E.2d 465, 468 (Ill. App. 1966); NY: Godoy v. Abamaster of Miami, Inc., 754 N.Y.S.2d 301, 307 (N.Y. App. Div. 2003); Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 (N.Y. App. Div. 1989); Sukljian v. Charles Ross & Son Co., 69 N.Y.2d 89, 95 (1986); Mead v. Warner Pruyn Division, Finch Pruyn Sales, Inc., 394 N.Y.S.2d 483 (N.Y. App. Div. 1977); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 fn. 22 (Okla. 1985); Dewberry v. LaFollette, 598 P.2d 241, 242 et seq. (Okla. 1979); Moss v. Polyco, Inc., 522 P.2d 622, 627 (Okla. 1974); PA: Francioni v. Gibsonia Truck Corp., 472 Pa. 362, 368 (1977); WI: Rolph v. EBI Co., 159 Wis.2d 518, 529 (1991); zustimmend in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.;
B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability
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Warenhändler und gewerblichen Vermieter hätten sowohl die technische Kompetenz und Erfahrung als auch die tatsächlichen Möglichkeiten, den Umlauf der fehlerhaften Produkte zu unterbinden und diese durch eine entsprechende Wartung in einem angemessen sicheren Zustand zu halten125 sowie durch den unmittelbaren Kontakt mit dem Käufer und der damit verbundenen Kenntnis von der Einsatzart und den Einsatzbedingungen des Produkts (im Gegensatz zum umfänglich haftenden Hersteller, der sein Produkt an eine anonyme Gruppe von potentiellen Nutzern unter den unterschiedlichsten Umständen richtet) die Gefährlichkeit des Produkts einzuschätzen.126 Bezüglich der Importeure wurde darauf hingewiesen, dass ohne deren Anteil der Hersteller in einem fremden Land seine Produkte nicht betriebswirtschaftlich erfolgreich an den Käufer bringen könne.127 Falls der Händler der Einzige im stream of commerce ist, den der Geschädigte haftbar machen kann, weil der Hersteller außerhalb der Gerichtsbarkeit des Heimatgerichts oder gar – bei Importeuren – außerhalb des Landes128 ansässig oder insolvent ist oder aus einem anderen Grund nicht haftbar gemacht werden kann (in personam jurisdiction argument)129, dann erforderten es die Schutzziele der strict products liability, dass dieser wie ein Hersteller haftet.130 Auch könne der Händler oder Vermieter das Risiko aus der Produktbenutzung wie ein Hersteller mittels einer Versicherung auf Dritte übertragen und die Haftungskosten oder Versicherungsprämien über den Verkaufspreis auf die Allgemeinheit aller Produktnutzer verteilen, so dass der Verkaufspreis – wie bei der Herstellerhaftung – die Verletzungsrisiken repräsentiere131 (insurance arguskeptisch in der Wirksamkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 436 (1970); dazu kritisch in der deutschen Literatur von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (777). 125 WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 555 (1990); im Ergebnis auch PA: Francioni v. Gibsonia Truck Corp., 472 Pa. 362, 368 (1977). 126 CA: Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 252 (1968). 127 WA: Seattle-First National Bank v. Volkswagen of America, Inc., 11 Wn. App. 929, 933 (1974). 128 WA: Seattle-First National Bank v. Volkswagen of America, Inc., 11 Wn. App. 929, 933 et seq. (1974). 129 Zur Begrifflichkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 435 (1970). 130 CA: Vandermark v. Ford Motor Co., 61 Cal.2d 256, 262 (1964); IL: Wright v. MasseyHarris, Inc., 215 N.E.2d 465, 468 (Ill. App. 1966); NY: Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 (N.Y. App. Div. 1989); Mead v. Warner Pruyn Division, Finch Pruyn Sales, Inc., 394 N.Y.S.2d 483, 483 et seq. (N.Y. App. Div. 1977); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 fn. 22 (Okla. 1985); Dewberry v. LaFollette, 598 P.2d 241, 242 (Okla. 1979); Moss v. Polyco, Inc., 522 P.2d 622, 626 et seq. (Okla. 1974); PA: Francioni v. Gibsonia Truck Corp., 472 Pa. 362, 368 (1977); im Ergebnis aufgenommen in Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.; grundlegend bereits Prosser, 69 Yale L. J. 1099, 1116 et seqq. (1960); dagegen kritisch mit Verweis auf „long-arm statutes“ (bereits ein minimaler Kontakt des Herstellers mit der Jurisdiktion des Verbrauchers führt zur Zuständigkeit der Verbrauchergerichtsbarkeit) 45 Wash. L. Rev. 431, 439 (1970); in der deutschen Literatur Hoechst, S. 22, und als Hauptmotivation der Haftung des Nichtherstellers kritisch diskutiert durch von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (777). 131 CA: Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 253 (1968); NY: Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 (N.Y. App. Div. 1989); Sukljian v. Charles Ross & Son Co.,
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
ment)132. Dem daraus resultierenden maximalen Schutz des Verbrauchers würde auch keinerlei rechtlich unsachliches Haftungsrisiko des Händlers gegenüberstehen, da jeder im stream of commerce durch vertragliche Regelungen seine eigenen Haftungskosten (inklusive der Rechtsverfolgungs- und der angemessenen Nebenkosten) unter Berücksichtigung des Verursachungsanteils auf seinen unmittelbaren Vertragspartner übertragen kann, so dass – am Ende meist der Hersteller – der tatsächliche Verursacher die Haftungskosten trägt133 (conduit argument)134. Letztendlich könne mit einer Inanspruchnahme des Warenhändlers dem Beweiserleichterungsziel der strict products liability zugunsten der Verbraucher gedient werden, wenn der Zeitpunkt des Entstehens des schadenverursachenden Fehlers schwer beweisbar ist, der Fehler aber in jedem Fall zum Zeitpunkt der letzten Veräußerung an den Verbraucher vorgelegen haben muss135 (burden of proof argument)136. Die umfassende Haftung aller kommerziell bei der Produktherstellung und beim Vertrieb Beteiligten führte im Einzelfall zu Überlegungen über eine Korrektur nach Billigkeitsaspekten. So wurde erwogen, die Inanspruchnahme auf Hersteller und die höher in der Vermarktungskette stehenden Warenhändler zu konzentrieren, da diese die Kenntnisse und Möglichkeiten zur Konstruktion, Herstellung und Vertrieb eines angemessen sicheren Produkts haben und die Kosten für derartige Produkte unter allen Käufern verteilen können, während die Einzelhändler als ein meist unschuldiges Glied in der Vermarktung des Produkts aufgrund der Komplexität der Produkte und Produktionsmethoden nicht einschätzen können, ob ein Produkt für die beabsichtigte Nutzung angemessen sicher konstruiert und hergestellt wurde, und damit auch nicht die marktwirtschaftliche Möglichkeit und die Motivation haben, durch eine von der Expertise des Herstellers unabhängige Auswahl von nützlichen, attraktiven, aber auch sicheren Produkten die Hersteller zur Inverkehrgabe von si69 N.Y.2d 89, 95 (1986); Mead v. Warner Pruyn Division, Finch Pruyn Sales, Inc., 394 N.Y.S.2d 483, 484 (N.Y. App. Div. 1977); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 fn. 22 (Okla. 1985); Dewberry v. LaFollette, 598 P.2d 241, 243 (Okla. 1979); PA: Francioni v. Gibsonia Truck Corp., 472 Pa. 362, 368 et seq. (1977); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 555 (1990); zustimmend in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.; skeptisch 45 Wash. L. Rev. 431, 437 (1970); kritisch in der deutschen Literatur von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (777). 132 Zur Begrifflichkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 435 (1970). 133 CA: Vandermark v. Ford Motor Co., 61 Cal.2d 256, 262 et seq. (1964); MS: Coca Cola Bottling Co. of Vicksburg v. Reeves, 486 So.2d 374, 379 fn. 3 (Miss. 1986); MO: Welkener v. Kirkwood Drug Store Co., 734 S.W.2d 233, 243 (Mo. App. 1987): mit einer umfassenden Diskussion zur Haftungsverteilung und den Einwänden im stream of commerce; NY: Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 (N.Y. App. Div. 1989); Sukljian v. Charles Ross & Son Co., 69 N.Y.2d 89, 95 (1986); Mead v. Warner Pruyn Division, Finch Pruyn Sales, Inc., 394 N.Y.S.2d 483, 484 (N.Y. App. Div. 1977); OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 fn. 22 (Okla. 1985); zustimmend in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a.; 45 Wash. L. Rev. 431, 439 (1970). 134 Zur Begrifflichkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 435 (1970). 135 45 Wash. L. Rev. 431, 439 et seqq. (1970). 136 Zur Begrifflichkeit 45 Wash. L. Rev. 431, 435 (1970).
B. Das Haftungssubjekt in der strict products liability
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cheren Produkten zu motivieren.137 Der Supreme Court of Wisconsin betont den Charakter der strict products liability als Haftung aufgrund einer (unwiderlegbaren) Fahrlässigkeit, um im Einzelfall eine konturenlose und – aufgrund missbräuchlicher Klagen – unbillige Haftung des Warenhändlers zu vermeiden.138 Daher kann nicht unterstellt, sondern muss geprüft werden, dass mit der Haftung des non-manufacturers tatsächlich demjenigen das Haftungsrisiko auferlegt wird, der für eine angemessene Produktsicherheit im Warenverkehr im Rahmen der vorhersehbaren Nutzung sorgen kann und der der Nutznießer aus dem Produktverkauf ist.139 In New York wird bei Verkäufern, die erkennbar gelegentlich – wenn auch gewerblich – Produkte veräußern, die Fahrlässigkeitsvermutung der strict products liability mit den Erwägungen ausgeschlossen, dass diese Händler nicht Teil des vom Hersteller notwendigerweise genutzten und von ihm geschützten stream of commerce sind und daher die Ziele und Zwecke der strict products liability hinsichtlich der Risikoallokation, der Gefahrenprävention und – über die vertragliche Rückgriffshaftung – der Kostenverschiebung hin zum Hersteller nicht erreichbar sind sowie dass der Käufer keine ähnliche Erwartung des Einstehens für die Sicherheit des Produkts wie gegenüber einem voll gewerblich tätigen Händler oder gegenüber einem Hersteller hat.140 Diese Einschränkungen der umfassenden Haftung aller kommerziell Beteiligten im stream of commerce betrafen weder tatsächlich noch von der Begründung her die Importeure. Diese stehen vielmehr – wie der inländische Hersteller – an der Spitze des stream of commerce im Inland, weil diese das Produkt in den Warenverkehr der Rechtsordnung des Verbrauchers einführen, über einen exklusiven Informationsfluss über das Produkt und der – vom ausländischen Hersteller abgeleiteten – Hoheit über die Preisbildung verfügen sowie die ihnen nachgeordneten Händler auswählen und 137 Vgl. NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 276 (S.D.N.Y. 2008); Nutting v. Ford Motor Co., 584 N.Y.S.2d 653, 657 (N.Y. App. Div. 1992); Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 700 et seq. (N.Y. App. Div. 1989); Sukljian v. Charles Ross & Son Co., 69 N.Y.2d 89, 95 (1986). 138 WI: Geboy v. TRL, Inc., 976 F. Supp. 1202, 1211 et seq. (E.D.Wis. 1997) beruhend auf WI: Coffey v. City of Milwaukee, 74 Wis.2d 526, 541 (1976): „Courts, however, may consider the following factors when determining whether imposing liability in a particular case is against public policy: (1) The injury is too remote from the negligence; or (2) The injury is too wholly out of proportion to the culpability of the negligent tort-feasor; or (3) In retrospect it appears too highly extraordinary that the negligence should have brought about the harm; or (4) Because allowance of recovery would place too unreasonable a burden on the negligent tortfeasor; or (5) Because allowance of recovery would be too likely to open the way for fraudulent claims; or (6) Allowance of recovery would enter a field that has no sensible or just stopping point.“ 139 Abgelehnt bei Auktionier in WI: Geboy v. TRL, Inc., 976 F. Supp. 1202, 1212 (E.D.Wis. 1997). 140 NY: Nutting v. Ford Motor Co., 584 N.Y.S.2d 653, 657 (N.Y. App. Div. 1992); Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 (N.Y. App. Div. 1989); Sukljian v. Charles Ross & Son Co., 69 N.Y.2d 89, 95 et seq. (1986); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189).
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
hinsichtlich der Reparaturen, der Wartung und des Garantieservices anleiten.141 Daher können sie durch den direkten Kontakt und Einfluss auf den ausländischen Hersteller am effizientesten Gefahren im Inland zukünftig vermeiden und den Schaden im Inland über alle Kunden des importierten Produkts verteilen.142 Selbst in MUPLA Sec. 105, worin die gesetzliche Verschuldensvermutung nicht zu Lasten des non-manufacturers gelten soll, wird der Verbraucherschutzgedanke, dass der Geschädigte immer einen verantwortlichen und solventen Haftungsschuldner haben soll143, höher bewertet, als die Bedenken gegen die Haftung des Warenhändlers für die von ihm nicht beeinflussbaren Fehler in der Produktsubstanz. Es geht dabei im Kern um das Verbraucherschutzziel, dem Geschädigten einen Haftenden in der eigenen Rechtsordnung zu geben, so dass umfassend auch alle Händler von USamerikanischen Produkten haften, deren Hersteller ihren Sitz in einem anderen Bundesstaat haben und nicht dem Produkthaftungsregime des Verbrauchers unterstehen.144 Das rechtspolitische Ziel, dem inländischen Verbraucher einen ausreichenden Rechtsschutz im Sinne der eigenen Rechtsordnung zu garantieren, wurde auch im Gesetzentwurf zum „Foreign Manufacturers Legal Accountability Act of 2010“ deutlich, das jedoch nie verabschiedet wurde.145 Danach war vorgesehen, dass ausländische Hersteller, die keine hinreichende Verbindung zu den USA hatten (zur Definition Sec. 2), zur weiteren Aufrechterhaltung ihres Imports in die USA (vgl. Sec. 4) eine inländische Rechtsperson benennen mussten, welche hinsichtlich der gerichtlichen Zustellungen in Zivilsachen autorisiert ist (Sec. 3). Der Hersteller hätte auch die Pflicht gehabt, diese beauftragte Rechtsperson über alle Produktrückrufe oder Maßnahmen in der Produktbeobachtung in anderen Staaten zu informieren, in denen ähnliche oder gleiche Produkte veräußert wurden (Sec. 5). Damit sollte erreicht werden, dass der inländische Verbraucher den ausländischen (solventen) Hersteller in seiner heimatlichen Rechtsordnung verklagen kann, um ihm insbesondere die Ermittlungs- und Solvenzrisiken bei kleinen, vom Hersteller unabhängigen Importeuren abzunehmen. 141 So jedenfalls beim Alleinimporteur, vgl. NY: Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 701 (N.Y. App. Div. 1989). 142 Im Gegensatz zu den weiteren Händlern unterhalb des Importeurs, die Haftungskosten nur unter ihren Kunden verteilen können, NJ: Promaulayko v. Johns Manville Sales Corp., 116 N.J. 505, 513, 515 (1989). 143 Vgl. hierzu auch die Auflistung der Rechtsordnungen, die eine Einschränkung der Händlerhaftung nur dann vorsehen, wenn der Geschädigte seine Produkthaftungsansprüche gegen den Hersteller tatsächlich durchsetzen kann, in Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 1, Reporters Notes: Comment e.; vgl. auch Fn. 111 (Teil 3). 144 Vgl. zur diffizile Rechtsprechung zur Anwendbarkeit einer Rechtsordnung am Unfallort mit Blick auf einen minimalen Kontakt mit dieser Rechtsordnung World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 297 et seq. (1980); mit einer möglichst weitgehenden Anwendung der klägerischen Rechtsordnung World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 309 (1980), diss., Brennan, J.; aufgegriffen und diskutiert in der deutschen Literatur durch Rieke, S. 79 ff. 145 Vgl. zu den Reaktionen in Wirtschaft und Politik FAZ vom 13. 10. 2010 S. 10.
C. Die objektbezogene Produktfehlerhaftung
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C. Die Hersteller- und Händlerhaftung in einer objektbezogenen Produktfehlerhaftung Die Hersteller- und Händlerhaftung in der strict products liability lässt die Regelungen des § 4 ProdHaftG klarer und nachvollziehbarer erscheinen. Die umfassende Haftung des Herstellers gemäß § 4 Abs. 1 ProdHaftG für alle Produktfehler seines in den Warenverkehr gegebenen Produkts, auch wenn er das Einzelteil – oder als Quasihersteller das gesamte Produkt – nicht selbst hergestellt hat, und die Haftung des Importeurs in den Europäischen Wirtschaftsraum und einiger sonstiger Warenhändler ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Gefahrvermeidungsmöglichkeiten widerspricht jeglichen verhaltensbezogenen Haftungsgrundsätzen146, entspricht aber der Haftungsverantwortung der an der Herstellung und dem Vertrieb eines Produkts Beteiligten, wenn es – wie bei einer objektbezogenen Fehlerbestimmung – allein auf den Zustand der Produktsubstanz ankommt. Denn es kommt – wie ein Vergleich mit der Haftung im stream of commerce im Rahmen der strict products liability deutlich macht – für den objektbezogenen Fehlerbegriff nicht darauf an, wer den Fehler aufgrund welchen Verhaltens verursacht hat oder welche tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten bestanden, sondern es muss lediglich der Haftende als Teil der gewerblichen Vertriebskette mit kommerziellen Interessen ein Produkt mit einer unangemessen gefährlichen Beschaffenheit in den Warenverkehr gegeben oder weitergegeben haben. Die richterliche Rechtsfortbildung hatte bezüglich der strict products liability den Vorteil, dass dieser deliktische Haftungsanspruch gegen den Hersteller aus der schuldrechtlichen Mängelgewährleistung des Händlers (breach of explicit or implied warranty)147 durch die Aufhebung der Notwendigkeit einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem Haftenden (privity of contract)148 mit Verweis auf ein gesellschaftliches Interesse entwickelt wurde, den Hersteller – der meist keine (kauf)vertraglichen Beziehungen mit dem Nutzer hat, der aber durch sein Marketing den Vertrieb des Produkts steuert – für seine technisch immer komplizierteren und komplexeren Produkte haften zu lassen, weil der Erwerber diese nicht mehr auf Gefahren für Leib und Leben untersuchen kann, der Hersteller aber die Gefahren steuern und kontrollieren kann und die Gefahrvermeidungs- und Scha146 Vgl. von Hoffmann, Festschrift für von Overbeck, S. 769 (776): in einer Verhaltenshaftung hat der Händler keine Verantwortlichkeit für Produktmängel, da er den Herstellungsprozess nicht steuert. 147 Vgl. exemplarisch MI: Kraft v. Dr. Leonard’s Healthcare Corp., 646 F. Supp.2d 882, 887 et seq. (E.D.Mich. 2009); vgl. Nachweise in OK: Braden v. Hendricks, 695 P.2d 1343, 1351 fn. 22 (Okla. 1985) bzgl. der Produkthaftung in Massachusetts und Delaware, die ausschließlich auf der Gewährleistung gemäß Uniform Commercial Code beruht; dazu in der deutschen Literatur Hippel, S. 53 f. 148 CA: Williams v. Volkswagenwerk AG, 180 Cal. App.3d 1244, 1268 (1986); IL: Wright v. Massey-Harris, Inc., 215 N.E.2d 465, 467 (Ill. App. 1966) mit Verweis auf Suvada v. White Motor Co., 210 N.E.2d 182, 187 (Ill. 1965).
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
denskosten vom Hersteller unter den Produktkäufern verteilt werden können.149 Das Haftungsprinzip der implied warranty, dass mit der Entscheidung des Herstellers oder Händlers, das Produkt auf den Markt zu bringen oder weiter zu veräußern, eine Garantie der Verkehrsfähigkeit des Produkts im Rahmen der beabsichtigten Produktnutzung und der normalen Verbrauchererwartungen an die Tauglichkeit des Produkts verbunden ist150, blieb der strict products liability in Gestalt des Haftungsprinzips erhalten, dass sich gegenüber dem Geschädigten keine mit dem Warenabsatz in Verbindung stehende Person der Haftung durch schuldrechtliche Haftungsbeschränkungen, seien sie vertraglicher oder gesetzlicher Natur, entledigen könne151. Aus der – vertraglichen – Haftung des Händlers für breach of implied warranty ohne Exkulpationsmöglichkeit hinsichtlich seines Verschuldens an dem Produktmangel wurde also die strict products liability des Herstellers entwickelt, so dass die Haftung des Händlers gleich der eines Herstellers im Rahmen der strict products liability nahe liegt. Die Produzentenhaftung in Deutschland hatte aber den umgekehrten Weg genommen und wurde aus der deliktischen Verkehrspflichtverletzung des Herstellers als primäres Haftungssubjekt mit der intensivsten Beziehung zur Produktsubstanz entwickelt und anschließend auf die weiteren Haftungssubjekte in der Warenkette übertragen. Nur deshalb sind für den deutschen Rechtsanwender gesetzliche Regelungen (§ 4 ProdHaftG) notwendig, ergibt sich doch im ProdHaftG die Haftung jedes Beteiligten in der Wertschöpfungs- und Vertragskette des Produkts aus ihrem kausalen Anteil daran, dass ein Produkt mit unangemessen gefährlicher Produktsubstanz in die Hände des Geschädigten gelangt ist. Auch die Grenzen der Haftung der Importeure und der sonstigen Warenhändler im § 4 Abs. 2 und 3 ProdHaftG sind kein Indiz für einen verhaltensbezogenen Fehlerbegriff im § 3 ProdHaftG. Einige Rechtsordnungen begrenzen die Händlerhaftung aus der strict products liability systemkonform, da es auch bei einer objektbezogenen Fehlerbestimmung bei einer Unrechtshaftung bleibt. Die Gesamtanalyse der Haftung des einfachen Warenhändlers in der strict products liability führt zum Ergebnis, dass dessen Haftungsumfang im Rahmen einer objektbezogenen Produkthaftung davon abhängt, ob die Rechtsordnung den Regulierungsschwerpunkt stärker auf das gesetzlich vermutete, unwiderlegbare Verschulden des Haftenden legt, so dass bei einem Fehlen der tatsächlichen Möglichkeit des Erkennens und Beseitigens der Produktgefahren die Haftung außerhalb des Schutzbereichs der objektbezogenen Produkthaftung liegt, oder ob der Schwerpunkt mehr auf dem Erreichen der Ziele und Zwecke einer objektbezogenen Produktfehlerbestimmung liegt, so dass die Haftung für Schäden aus der Benutzung von Produkten nicht vom Verbraucher, sondern von 149 Grundlegend CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 464 et seqq. (1944), conc., Traynor, J.; mit einem weiten Überblick NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 378 et seqq. (1960). 150 Exemplarisch CA: Osborne v. Subaru of America, Inc., 198 Cal. App.3d 646, 656 (1988). 151 Vgl. IL: Suvada v. White Motor Co., 210 N.E.2d 182, 187 (Ill. 1965); NY: Brumbaugh v. CEJJ, Inc., 547 N.Y.S.2d 699, 700 (N.Y. App. Div. 1989).
C. Die objektbezogene Produktfehlerhaftung
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denjenigen zu tragen ist, die das Produktrisiko durch die Herstellung oder durch die Vermarktung geschaffen haben, die zukünftig das Risiko für den Verbraucher durch Einwirkungen auf die Herstellung und Vermarktung des Produkts beseitigen können und die ihre Gewinne aus der Zirkulation des Produkts im gewerblichen Warenverkehr ziehen. Wird der Schwerpunkt mehr auf die zweite Alternative gelegt, kommt es gerade nicht auf die Möglichkeiten einer Gefahrvermeidung an, sondern der Warenhändler muss dem Geschädigten gegenüber haften und sich beim Hersteller oder bei seinem Vertragspartner in der Vertriebskette schadlos halten. In den meisten Rechtsordnungen der strict products liability ist aber klar anerkannt, dass der Verbraucherschutzgedanke des objektbezogenen Produkthaftungsrechts es erfordert, dass der Geschädigte seine Produkthaftungsansprüche gegen einen bekannten und erreichbaren Beteiligten aus der Herstellungs- und Vertriebskette effektiv – am besten vor einem Gericht im Herkunftsland des Geschädigten und im Rahmen dieser Rechtsordnung – durchsetzen kann. Bezüglich der Haftung der Importeure kommt der deutsche Gesetzgeber zu ähnlichen Ergebnissen wie die weit überwiegende Rechtslage in der strict products liability. Lediglich bei der Definition der haftungsbegründenden „Außengrenze“ soll nicht die Zuständigkeitsgrenze des deutschen Zivilrechts, sondern die Grenze des Europäischen Wirtschaftsraums gelten. Dieses Abwägungsergebnis ließe sich damit erklären, dass der Gesetzgeber die präventiven Schutzziele des ProdHaftG bei Herstellern aus dem Europäischen Wirtschaftsraum aufgrund vergleichbarer Standards im Produkthaftungsrecht (auch aufgrund der Geltung der EG-Produkthaftungsrichtlinie) und der innereuropäischen Rechtssicherheit beruhend auf dem innereuropäischen Zustellungs- und Vollstreckungsabkommen als ausreichend gesichert ansieht. Ob dies aber bei allen Ländern tatsächlich gegeben ist, die dem europäischen Wirtschaftsraum angehören, darf mit Blick auf Länder, die seit 1990 in die Europäische Union aufgenommen wurden, bezweifelt werden. Entsprechend hat sich auch unter einer erheblichen Anzahl von Verbrauchern in der Europäischen Union, wie das Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27. 11. 2008 der EU-Kommission bestätigt, ein mangelndes Vertrauen in andere europäische Rechtssysteme sowohl im Hinblick auf materielle Rechte als auch auf wirksame Rechtsbehelfe entwickelt, so dass es für eine erhebliche Anzahl der Verbraucher wichtig ist, dass ein grenzüberschreitender Rechtsstreit nach nationalem Recht vor ihren nationalen Gerichten entschieden wird.152 Es ist daher vorzugswürdig, die im Jahre 1990 sicher ausreichend begründende Beschränkung der Importeurshaftung auf Importe aus außereuropäischen Staaten aufzuheben und die Haftung des Importeurs für ein Produkt eines nichtdeutschen Herstellers mit der des Herstellers gleichzustellen. Ob der Ausschluss der sonstigen Händlerhaftung und der Verweis auf die Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Hersteller, falls dessen Identität dem 152 Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27. 11. 2008, KOM(2008) 794, Nr. 2.
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Teil 3: Die Hersteller- und Händlerhaftung
geschädigten Verbraucher bekannt ist, mit Blick auf die Haftungssystematik des objektbezogenen Fehlerbegriffs vorzugswürdig ist, erscheint als fraglich und bedürfte einer besonders intensiven ausdrücklichen Begründung, die jedenfalls bisher nicht zu erkennen ist. Unter Zugrundelegung eines objektbezogenen Fehlerbegriffs kommt es gerade nicht auf das Verhalten des Haftungsschuldners und damit auch nicht auf dessen allgemeine oder konkrete Verhaltensmöglichkeiten an. Zwar kann die Produkthaftung aufgrund eines objektbezogenen Fehlerbegriffs entweder unter einer Schutzbereichsbetrachtung oder aufgrund einer billigkeitsbezogenen Abwägung eingeschränkt sein. Doch erscheint es, auch unter Einbeziehung des Rechtsgedankens des § 840 Abs. 1 BGB, als vorzugswürdig, den Warenhändler grundsätzlich wie einen Hersteller haften zu lassen. Dadurch könnte sichergestellt werden, dass nicht der geschädigte Verbraucher, sondern der Warenhändler das Insolvenzrisiko des Herstellers trägt, wie er es in konsequenter Anwendung des Rechtsgedanken des § 840 Abs. 1 BGB in Verbindung mit einem eventuellen internen Schadenausgleich in der – vertraglich geregelten – Vertriebskette tragen müsste. Eine derartige Haftung erscheint auch unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht außerhalb des Schutzzwecks der objektbezogenen Produkthaftung mit ihren verbraucherschützenden Zielen zu liegen, da es der Warenhändler selbst in der Hand hat, für eine wirkungsvolle Freistellung zu sorgen, und da er im Übrigen nach den allgemeinen Grundsätzen die Solvenz und Risiken seines Vertragspartners (Lieferanten) zu tragen hat. Abschließend kann es als bemerkenswerte Fußnote angesehen werden, dass der Regelungsgehalt des MUPLA Sec. 105 bei Importeuren aus dem Europäischen Wirtschaftsraum und bei sonstigen Händlern, die die Identität des Herstellers bekannt machen, mit dem Ausschluss jeglicher Haftung nach dem ProdHaftG und dem Verweis auf die verhaltensbedingte Haftung für eine Verkehrspflichtverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Deutschland eine Bedeutung erlangt hat, die es in den meisten Bundesstaaten in den USA nie erreicht hat.
Teil 4
Die Beweislast des Klägers – Wie kann der Geschädigte den Schaden aufgrund eines Produktfehlers beweisen? A. Die Beweislast im Produkthaftungsrecht Gemäß § 286 ZPO hat der bei der Produktbenutzung Geschädigte oder durch ein Produkt geschädigte Dritte (im Folgenden Kläger) gegen den Hersteller (im Folgenden synonym verwendet für alle Arten von Haftungsschuldnern gemäß § 4 ProdHaftG) nach den allgemeinen prozessualen Beibringungs- und Beweisregeln alle sein Klagebegehren stützenden haftungsbegründenden Tatsachen zur vollen richterlichen Überzeugung und nicht nur mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit darzulegen und zu beweisen.1 Die Beweislast des Klägers erstreckt sich auf 1. das Erleiden eines Schadens durch die Benutzung eines Produktes des Herstellers oder durch einen unbeabsichtigten Kontakt mit diesem Produkt, 2. das Vorliegen eines Produktfehlers und 3. die kausale Verknüpfung zwischen beiden, also dass ein fehlerfreies Produkt auf der Grundlage der vorhandenen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse den Schaden verhindert hätte.2 1 OLG München VersR 1990, 791 (792); Zöller/Greger, ZPO § 286 Rn. 18; Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122); Kullmann, NJW 1994, 1698 (1704); ders., Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (45); Baumgärtel, JA 1984, 660 (667); Stoll, AcP 176 (1976), 145 (181). 2 BGH NJW 2013, 1302 (1304); BGH NJW 1992, 560 (563); BGH NJW 1991, 1948 (1951); BGH NJW 1988, 2611 (2612 f.): Beweislast zur Möglichkeit und Zumutbarkeit einer fehlerfreien Fertigung; BGH NJW 1981, 1606 (1608); BGH NJW 1975, 1827 (1828); BGH VersR 1972, 149 (149 f.); BGH VersR 1971, 80 (81 f.); OLG Saarbrücken NJW 2014, 1600 (1602); OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (350); OLG Koblenz NJW-RR 2006, 169 (170 f.); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (444 f.); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800 (801); OLG Hamm NJW-RR 1993, 853 (854); OLG Hamm NZV 1993, 310 (311); OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 285 (287): bzgl. Instruktionspflicht; OLG Hamburg NJW 1990, 2322; OLG München VersR 1990, 791 (792); OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891); LG Stuttgart NJW-RR 2012, 1169 (1170); Kullmann, NJW 2003, 1908 (1910); ders., NJW 2000, 1912 (1915 f.); Kunz, BB 1994, 450 (452); Tiedtke, PHI 1992, 138 (138 f., 145); Winkelmann, MDR 1989, 16 (16 f.); Hübner, NJW 1988, 441 (445, 448): alle Umstände einer Verletzung der Produktbeobachtungspflicht (z. B. Pflicht zur Überprüfung von Fremdzubehör) davon umfasst; Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (45); Hager, J., VersR 1984, 799 (801); Diederichsen, U., VersR 1984, 797; Baumgärtel, JA 1984, 660 (667); Brüg-
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
B. Die prozessuale Konfliktsituation Im Produkthaftungsprozess kann es für den Kläger gerade bei hochkomplexen modernen Industrieprodukten – wie bei Kraftfahrzeugen – äußerst problematisch bis unmöglich sein, das Vorliegen eines Produktfehlers oder den Kausalitätsbeweis zu führen.3 Als technischer Laie müsste der Kläger ohne Informationen zur komplizierten technischen und organisatorischen Struktur der Konstruktion, der Materialbeschaffenheit und des Herstellungsverfahrens und ohne Fähigkeiten zur Einordnung der abstrakten Fakten eine Beweisführung zur Konstruktion und Herstellung der Produktsubstanz führen.4 Während der Kläger bei Fehlern in der Konstruktion des Produkts wenigstens gleiche Produkte aus derselben Serie zur Beweisführung über die Existenz des Fehlers bei der Inverkehrgabe heranziehen kann, fehlt ihm diese Möglichkeit beim Beweis von vermeintlichen herstellungsbedingten Fehlern.5 Bei Kraftfahrzeugen tritt hinzu, dass moderne Kraftfahrzeuge immer weniger mittels körperlicher Bauteile (wie einer Lenksäule) und immer mehr durch nichtkörperliche Datenverarbeitungsvorgänge (drive-by-wire) funktionieren6, deren Funktionsablauf zum Unfallzeitpunkt (mangels Datensicherung) nicht rekonstruierbar ist. Mehr noch hatte bei Kraftfahrzeugen der Kläger schon immer das Problem, der Beweislast zum Vorliegen eines Produktfehlers nachzukommen, wenn die Substanz als Folge des Unfalls verformt oder gar zerstört wurde und wenn es durch diese Verformungen und Zerstörung unmöglich wurde zu bestimmen, in welchem Zustand sich das Produkt oder Teile des Produktes vor dem Unfall befunden und wie diese funktioniert hatten.7 Für den Kläger, der infolge eines Unfalls mit einem Kraftfahrzeug aufgrund eines vermeintlichen Produktversagens verletzt wird, ist es auch aus situationsabhängigen faktischen Gründen schwierig, die Fehlerhaftigkeit und die Ursächlichkeit eines Produktfehlers für seinen Schaden zu beweisen8, da dem gemeier, WM 1982, 1294 (1304); Graf von Westphalen, WM 1981, 1154 (1156); Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1288); ders., DAR 1976, 312 (318); Weitnauer, Festschrift für Larenz, S. 905 (911); Loewenheim, NJW 1969, 1754 (1756); einschränkend Simitis, S. 88: Kläger muss nur beweisen, dass es bei sachgemäßem Gebrauch zu einem für ein Versagen typischen Geschehensablauf gekommen ist. 3 So auch Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122). 4 Vgl. Simitis, S. 86 f.; Baumgärtel, JA 1984, 660 (664). 5 Vgl. Reinelt, DAR 1988, 80 (85). 6 Vgl. zur Entwicklung im Kraftfahrzeugbau das Interview mit Volkswagen-Forschungschef Matthias Rabe im Volkswagen Magazin 04/2005 S. 8 (10); zur „Entmenschlichung“ des Steuerns durch computerbasierte drive-by-wire-Steuerungssysteme bei Flugzeugen Der Spiegel Heft 31/2009 S. 106. 7 Vgl. die Beschreibung der Beweisnot in OLG Köln VersR 1988, 580 (581) und OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891). 8 Vgl. OLG Saarbrücken Urteil vom 03. 08. 2011 Az. 1 U 316/10: Klageabweisung aufgrund einer ähnlichen Beweisnot in medizinischen Fällen, in denen das Produkt im Körper nicht untersuchbar implantiert ist; darauf Bezug genommen in Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1495); vgl. auch Kullmann, NJW 2003, 1908 (1910); ders., WM 1981, 1322 (1329); seit EuGH
B. Die prozessuale Konfliktsituation
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Hersteller bei Unfällen während der Bewegung eines Kraftfahrzeugs immer die Möglichkeit offen steht, sich darauf zu berufen, dass kein Produktfehler vorgelegen hat, sondern dass die Unfallursache im menschlichen Versagen (z. B. einem Fahrfehler, einem Verreißen des Lenkrades, einer intuitiven Reaktion) oder auf äußeren Umständen (z. B. einer Ölspur) beruht. Bei der insoweit einzig zur Verfügung stehenden abstrakten Beweisführung mit Hilfe von Expertenmeinungen kommt für den Kläger die Schwierigkeit hinzu, dass es die Gerichte ablehnen, zwischen sich widersprechenden (wissenschaftlichen) Erkenntnissen zu Gunsten des Klägers zu entscheiden, falls der Kläger seinen Anspruch auf neuen, gegenüber den bisherigen wissenschaftlichen Meinungen weniger gut oder noch nicht gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen begründet.9 Bisher im Zivilprozessrecht allgemein anerkannte Beweiserleichterungen führen in diesen Fällen nicht weiter, insbesondere nicht die Grundsätze der Beweisvereitelung, die dem Hersteller die prozessualen Nachteile aus der (eigentlich zu Lasten des Klägers gehenden) Nichtvorlage des fehlerhaften Einzelteils vor Gericht aufbürden würden, da der Hersteller zumindest fahrlässig die Nichtvorlagemöglichkeit verursacht haben müsste10, was regelmäßig nicht der Fall sein dürfte. Auch wenn erkannt wurde, dass das prozessuale Beweisrecht systemgerecht an die fortschreitenden technischen Veränderungen in der Lebenswelt so angepasst werden muss, dass das materielle Produkthaftungsrecht auch prozessual zur Geltung gelangen kann11, und von der Rechtsprechung vereinzelt bei der Herstellung der richterlichen Überzeugung berücksichtigt wurde, dass das schadenstiftende Produkt durch das Schadensereignis zerstört bzw. so beschädigt wurde, dass es einer sachverständigen Untersuchung auf seinen Zustand zum Verletzungszeitpunkt nicht mehr zugänglich war12, können derartige vereinzelte Ansätze nicht eine systematische NJW 2015, 1163 (1164) für bestimmte medizinische Geräte keine Beweislast hinsichtlich eines Fehlers des betreffenden Produktes, wenn ein potentieller Fehler in der Produktgruppe oder Produktserie nachgewiesen wurde, so BGH NJW 2015, 3096 (3097); BGH NJW 2015, 2507 (2508); KG Urteil vom 28. 08. 2015 Az. 4 U 189/11. 9 OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (913): „Die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verlangt es dagegen von Gerichten nicht (…), auf wissenschaftlich ungeklärter Tatsachengrundlage zur Vermeidung möglicher Gesundheitsgefahren tätig zu werden. (…) Ebenso wenig ist es Aufgabe von Gerichten, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mithilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen.“ 10 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 2001, 1539 (1540) zu einem Ausnahmefall, in dem die Ergebnisse einer Untersuchung eines vergleichbaren Produkts durch den Sachverständigen aus technischen Gründen nicht zwingend übertragbar waren und das vermeintlich fehlerhafte Teil dem Hersteller zur Untersuchung übergeben wurde, dieser es entgegen seinen eigenen Grundsätzen vernichtete, so dass die Annahme der Fehlerhaftigkeit des Produkts nicht durch Inaugenscheinnahme und Begutachtung ausgeräumt werden konnte; vgl. auch Kullmann, NJW 2003, 1908 (1910). 11 Vgl. Stoll, AcP 176 (1976), 145 (146): Haftungsstandard müssten durch den „vom Gesetzgeber in Stich gelassenen Richter“ zu Gunsten des Geschädigten mittels einer Anpassung der beweisrechtlichen Mittel verändert werden. 12 OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
prozessuale Sicherstellung der Durchsetzung von (materiell-rechtlich vorliegenden) Produkthaftungsansprüchen bei gefährlichen und hochtechnologischen Produkten ersetzen, die den (materiell-rechtlichen) Zielen und Zwecken des Produkthaftungsrechts dienen. Vielmehr sollten methodisch die allgemeinen Beweislastgrundsätze den Erfordernissen des Produkthaftungsrechts durch eine umfassende Interessenabwägung der im Rahmen der Begründung des Produkthaftungsanspruchs bereits zum Ausdruck gekommenen Wertmaßstäbe13 angepasst werden. Nach den allgemeinen Grundsätzen kommen Beweiserleichterungen durch Verringerung der inhaltlichen Anforderungen an den zu erbringenden Beweis (Beweistiefe) und durch die teilweise oder vollständige Beweislastverlagerung in Frage. So wurden Beweislasterleichterungen außerhalb des Produkthaftungsrechts dann ermöglicht, wenn der verletzte Kläger nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen Tatsachen beweisen müsste, die nicht aus seinem Gefahren-, Kenntnis- und Einflussbereich entstammen.14 Ebenso sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass neben der Beweislast auch die Einführung von vorprozessualen Auskunfts- und Informationspflichten des Herstellers gegenüber dem Geschädigten in Frage kommen, damit dieser dann vortragen und den Beweis führen kann.15 Um die Problemlösung auf ihre Praxistauglichkeit zu testen, wird der folgenden Problemdiskussion ein Sachverhalt zur Seite gestellt, der im Wesentlichen der Entscheidung des Supreme Court of New Jersey im Fall Hennigsen v. Bloomfield Motors, Inc. im Jahre 1960 zu Grunde lag.16 Während die Klägerin bei Tageslicht mit ihrem neuen, erst 750 km auf asphaltierten Straßen benutzten Fahrzeug eine ordentlich asphaltierte, trockene mehrspurige Straße ohne auffällige Fahrfehler entlang fuhr, hört sie plötzlich und unerwartet ein lautes Geräusch im unteren Bereich des Motorraums. Anschließend verlor sie die Kontrolle über die Steuerung des Fahrzeugs, das Lenkrad drehte in ihrer Hand durch, das Fahrzeug brach mit einer scharfen rechten seitlichen Bewegung aus und stieß mit einem Verkehrsschild zusammen, um endgültig in einer Steinmauer zum Stehen zu kommen. Ein Busfahrer bestätigte den Fahrstil der Klägerin vor dem Unfall und das Ausbrechen des Fahrzeugs. Nach dem Unfall war der Motorraum des Fahrzeugs derartig zerstört, dass es unmöglich war zu bestimmen, welchen Materialzustand die Lenkung vor dem Unfall aufwies, insbesondere ob vor dem Ausbrechen des Fahrzeugs Teile der Lenkung gebrochen waren. Es kam zu schweren Verletzungen an der Wirbelsäule, da die Sitzbefestigung gebrochen war, so dass die Sicherheitseinrichtungen versagten und die Klägerin durch den Innenraum katapultiert wurde.
13
Vgl. zur Begründung von Beweisgrundsätzen aus den „Interessen- und Rollenzuordnungen“ im materiellen Produkthaftungsrecht Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (328); vgl. auch Baumgärtel, JA 1984, 660 (664). 14 Vgl. BGH VersR 1969, 470 (471). 15 Vgl. hierzu der Vorschlag von Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122). 16 NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 364 et seqq. (1960).
C. Die Beweistiefe im deutschen Produkthaftungsrecht
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C. Die Beweistiefe im deutschen Produkthaftungsrecht I. Das Verbot eines Ausforschungsbeweises Im Ausgangsfall könnte es für die Klägerin bereits problematisch sein, die fehlerhafte Lenkung im Schriftsatz zu behaupten und ohne den Vorwurf eines unzulässigen Ausforschungsbeweises unter Beweis zu stellen, da sie den unter Beweis zu stellenden gegenständlichen Fehler mangels Erkenntnismöglichkeit nicht hinreichend substantiiert beschreiben kann. Hier käme ihr aber die Rechtsprechung zu Hilfe, wonach keine unzulässige Ausforschung vorliegt, falls eine Partei im Produkthaftungsprozess mangels Kenntnis von Einzeltatsachen zunächst nur vermutete (aber wahrscheinliche) Tatsachen als Behauptung in den Rechtsstreit einführt.17 Die Rechtsprechung übt bei der Bejahung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises größte Zurückhaltung und würde die Grenze zum unzulässigen Ausforschungsbeweis erst dann als überschritten ansehen, wenn die Klägerin ohne jegliche greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich diese Behauptungen aufstellt.18
II. Die generelle Verringerung der Beweistiefe aus Billigkeitsgesichtspunkten In der Rechtsprechung wurde es zwar als unbillig und rechtlich nicht geboten angesehen, die Klage daran scheitern zu lassen, dass der exakte Nachweis eines schadensursächlichen Produktfehlers nicht möglich ist, weil der Fehler aufgrund der Zerstörung des Produkts nicht reproduzierbar ist.19 Andererseits wurde in einer Beweiswürdigung allein nach Billigkeitsgesichtspunkten die Gefahr gesehen, dass in der Produkthaftung losgelöste, nicht prognostizierbare Einzelfallentscheidungen nach einem emotionalen oder durch Sympathien bestimmten Gerechtigkeitsempfinden oder durch Verhängung einer schlichten Sanktion gefällt werden20, was weder 17
Vgl. BGH NJW 1995, 1160 (1161); außerhalb des Produkthaftungsprozesses BGH NJW 1995, 2111 (2112). 18 Vgl. außerhalb des Produkthaftungsprozesses BGH NJW 1995, 2111 (2112). 19 OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891). 20 Vgl. BGH NJW 1988, 2611 (2613); Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (328); ablehnend OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (445): keine Beweiserleichterungen in derartigen Fällen; vgl. im Übrigen die Kritik an der Praktikabilität und Rechtssystematik beim Abstellen auf prozentuale Grade der Wahrscheinlichkeit durch Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122); kritisch Littbarski, NJW 1995, 217 (221) und Weitnauer, Festschrift für Larenz, S. 905 (912 f.): die dem Anscheinsbeweis innewohnende Beweiswürdigung nach den Umständen des Einzelfalles führt zu nicht vorhersehbaren Ergebnissen mit einer hohen Rechtunsicherheit; vgl. auch die verwirrende Interpretation zu den Anforderungen an eine hinreichende Beweisführung einerseits hinsichtlich der äußeren Sorgfalt bei Konstruktions- und Fabrikationsfehlern (die sich letztlich nicht durchsetzte) und andererseits bei Instruktionsfehlern durch Graf von Westphalen, WM
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
der Schadenallokation noch der Schadenprävention des materiellen Produkthaftungsrechts entspricht.
III. Die Anwendbarkeit des § 287 ZPO Ob die vom Gesetzgeber im § 287 ZPO anerkannte Verringerung der Beweistiefe bezüglich der Höhe des Schadens und der haftungsausfüllenden Kausalität mittels der Substitution des Vollbeweises des § 286 ZPO durch das Ermessen des Gerichts (Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen, Schätzungen)21 auch in Frage kommt, falls der Kläger ohne sein Zutun durch den Eingriff in seine Rechtssphäre in eine naturwissenschaftlich oder mit finanziell vertretbaren Mitteln nicht zu bewältigende Beweisnot gerät22, wurde zwar diskutiert, konnte sich jedoch nicht durchsetzen23.
IV. Die Beweislast nach Einflusssphären Bereits im Rahmen der Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB wurde festgestellt, dass der Hersteller den Gefahrenbereich der Verkehrspflichtverletzung (Produktionssphäre, Herstellungsprozess, Auslieferungskontrolle der fertigen Produkte) überblickt, bestimmt und organisiert und damit näher daran ist, den Sachverhalt aufzuklären, sowie eher in der Lage ist, Fehlerquellen nachzugehen, zu ermitteln und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, während der Kläger weder in der Lage ist, den komplizierten und verschachtelten, auf Arbeitsteilung beruhenden Produktionsvorgang bis zur Inverkehrgabe des Produkts zu überblicken, noch seelisch-intellektuelle Vorgänge des Herstellers aufzudecken.24 Daher wurde die Verteilung der Beweisanforderungen nach Organisationsbereichen und Einflusssphären 1981, 1154 (1157); vgl. die fatalistische Einschätzung zur richterlichen Bewertung der Beweismittel durch Stoll, AcP 176 (1976), 145 (146). 21 Zöller/Greger, ZPO § 287 Rn. 1, 3; Stoll, AcP 176 (1976), 145 (184 f., 193). 22 Vgl. OLG Karlsruhe VersR 1986, 46: Erbringung eines Kausalitätsbeweis – ohne weitere Begründung – anhand der freien Beweiswürdigung gemäß § 287 ZPO; Baumgärtel JA 1984, 660 (668); die Diskussion darstellend Marburger, S. 453; Stoll, AcP 176 (1976), 145 (185 f., 193): diskutiert und letztlich mit der Begründung abgelehnt, dass § 287 ZPO darauf beruht, dass durch einen (feststehenden) deliktischen Eingriff ein Kausalzusammenhang so abgebrochen wurde, dass die Umstände ohne diesen Eingriff hypothetisch bleiben. 23 Vgl. RGZ 163, 21 (27): Darlegung einer Tatsache mit einem gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit führt nicht zur prozessualen Pflicht des Widerlegens durch den Prozessgegner; exemplarisch mit weiteren Nachweisen Zöller/Greger, ZPO § 287 Rn. 3. 24 BGH NJW 1969, 269 (274 f.); vgl. im Anschluss BGH NJW 1996, 2507 (2508); BGH NJW 1992, 1039 (1041): in Bezug auf Kleinbetriebe oder handwerkliche Fertigung; BGH NJW 1981, 1603 (1605); BGH VersR 1971, 80 (82); OLG Dresden VersR 1998, 59 (60); OLG München VersR 1990, 791 (792); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1078); Oehler, ZIP 1990, 1445 (1454): Erstreckung auf die Organisations- und Leitungsverteilung im Konzernverbund; Marburger, S. 446.
C. Die Beweistiefe im deutschen Produkthaftungsrecht
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entwickelt, wonach der Kläger zwar den Schaden, das Vorliegen des Produktfehlers (auch der Zumutbarkeit, ein ungefährlicheres Produkt in den Warenverkehr zu geben) und die Kausalität zwischen beiden, nicht jedoch die tatsächlich zum Schaden führende Verkehrspflichtverletzung zu beweisen hat, sondern nur noch darlegen und beweisen muss, dass die Schadensursache aus dem Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers stammt, weil keine außerhalb der Einflusssphäre des Herstellers liegende Schadensursache in Betracht kommt.25 Die Beweisverteilung nach Einflusssphären führt insbesondere dann zu Beweiserleichterungen, wenn in Streit steht, ob das Produkt sicherer hätte konstruiert werden können, also der Kläger beweisen muss, dass es eine alternative Konstruktion gab, die nach den Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik vorzugswürdig wäre26. Den Einflusssphären entsprechend muss der Kläger für eine substantielle Untersetzung eines Produktfehlers schlüssig eine alternative Konstruktion oder eine unterlassene Instruktion darlegen, die nach seiner Sicht den Schaden verhindert oder vermindert hätte, anschließend muss aber der Hersteller beweisen, dass dem vom Kläger zu beweisenden Stand von Wissenschaft und Technik in seinem Betrieb vollständig entsprochen wurde, also dass das alternative Konstruktionsprinzip nicht vorzuziehen oder der zusätzliche Warnhinweis nicht notwendig war.27 Da beim Führen eines Kraftfahrzeugs ein menschliches Versagen nie völlig ausgeschlossen werden kann, hilft die Beweisführung nach Einflusssphären in den Fällen der nichtgegenständlichen Produktfehler oder der nichtrekonstruierbaren Produktsubstanz nicht weiter. Selbst im Beispielfall, in der die Klägerin sogar einen Zeugen beibringen konnte, der eine normale und angepasste Fahrweise bis zum Unfallereignis bestätigte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin das Lenkrad am neuen und daher noch nicht vertrauten Fahrzeug aufgrund eines Schreckmomentes, aufgrund von Müdigkeit oder aufgrund einer Unaufmerksamkeit verrissen hatte.
25 BGH NJW 1993, 528; BGH NJW 1991, 1948 (1951); BGH NJW 1989, 2943 (2944); BGH NJW 1988, 2611 (2612 f.); BGH NJW 1981, 1603 (1605); BGH NJW 1975, 1827 (1828); BGH VersR 1973, 862; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800 (801); OLG Hamburg NJW 1990, 2322; OLG Köln VersR 1988, 580 (581); OLG Bamberg VersR 1982, 1146 (1147); MüKoBGB/ Wagner, § 823 Rn. 686; Rothe, NJW 2007, 740 (741); Kullmann, ZEuS 2002, 37 (49); Kullmann, NJW 1994, 1698 (1704); Kunz, BB 1994, 450 (452); Reinelt, NJW 1988, 2614; Diederichsen, U., VersR 1984, 797; Baumgärtel, JA 1984, 660 (667); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1304); Kullmann, WM 1981, 1322 (1330); Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (380); Loewenheim, NJW 1969, 1754 (1756); a.A. OLG Frankfurt, VersR 1980, 144: auch Beweislastumkehr bzgl. Ursächlichkeit. 26 Vgl. zur EG-Produkthaftungsrichtlinie Pfeifer, S. 240; vgl. auch Foerste, VersR 1988, 958 (959); Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 1, Art. 7 EG-Produkthaftungsrichtlinie Rn. 149; Diederichsen, U., VersR 1984, 797: explizite Ansicht, dass der Nachweis des Standes von Wissenschaft und Technik kein Anwendungsfall des „Verantwortungsbereichs-Nachweises“ ist. 27 Pfeifer, S. 222; Foerste, VersR 1988, 958 (959).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
V. Der Anscheinsbeweis im Produkthaftungsrecht Die volle Überzeugung des Gerichts gemäß § 286 ZPO über das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Tatsachen kann auch ohne konkreten Nachweis hergestellt werden, wenn die zu beweisende Tatsache einen typischen Geschehensablauf darstellt oder die Folge eines solchen ist und daher diese Tatsachen unter Heranziehung von allgemeinen Erfahrungssätzen, insbesondere der allgemeinen Lebenserfahrung, ohne weiteres als naheliegende Erklärung der vorgetragenen Umstände anzusehen sind.28 Diese Beweiswürdigungsregel hat bei Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen kaum eine Bedeutung, da der Einfluss des menschlichen Verhaltens und der äußeren Umstände beim Führen eines Kraftfahrzeugs derartig erheblich sind, dass im Straßenverkehr in den wenigsten Fällen die Darlegung eines typischen Geschehensablaufs aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung überzeugend möglich ist.29 Selbst wenn der festgestellte Schaden zwar mehrere Ursachen haben könnte, aber nur für eine konkrete Ursache Anhaltspunkte vorliegen, sind die Aussichten für eine gerichtliche Feststellung eines Erfahrungssatzes für einen typischen Geschehensablauf eher schlecht.30 Doch selbst wenn es im Ausnahmefall möglich ist, den vollen Nachweis der Tatsachen zur Annahme eines typischen Ge-
28 RGZ 163, 21 (26); BGH NJW 2005, 2614 (2615); BGH NJW 1989, 2943 (2944); BGH NJW 1987, 1694; BGH VersR 1983, 375; BGH VersR 1972, 149 (150); BGH VersR 1969, 834 (836); BGH VersR 1953, 242; OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (445); OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (913); OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800 (801); OLG Hamm NJW-RR 1993, 853 (854); OLG Bamberg VersR 1982, 1146 (1147); Kullmann, NJW 2005, 1907 (1911); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1078); Kullmann, NJW 2000, 1912 (1916 f.); Buchner, VersR 2000, 28 (30); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (45); Simitis, S. 87; wohl missverständlich Baumgärtel, JA 1984, 660 (663): Beweisführung mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit; ähnlich Dambeck, VersR 1992, 284 (287): hohe Ursachenwahrscheinlichkeit ausreichend. 29 BGH NJW 1988, 2611 (2612 f.): kein Anscheinsbeweis bei der Möglichkeit einer Verursachung des schadensverursachenden Umstandes nach der Inverkehrgabe; BGH NJW 1987, 1694 (1694 f.): kein Anscheinsbeweis, wenn Schadenursache trotz ausreichender Instruktion sowohl in einer Fehlbedienung als auch in einem Produktfehler liegen kann; OLG Bamberg VersR 1982, 1146 (1147); vgl. die Darstellung der zurückhaltenden Anwendung des Anscheinsbeweises in der Produkthaftung in Molitoris/Klindt, NJW 2014, 1567 (1573) mit Verweis auf OLG Schleswig, wonach noch nicht einmal das Entstehen eines Brandes in einem stehenden, relativ neuen Fahrzeug eine Stunde nach dem Abstellen des Motors den Erfahrungssatz zulassen soll, dass der nachgewiesene elektrische Produktfehler bereits beim Inverkehrbringen vorgelegen hat; vgl. weiterhin in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 690; Kullmann, NJW 2005, 1907 (1911); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1078); Baumgärtel, JA 1984, 660 (667); Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (388); Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (318 f.); anders noch die Andeutungen der Beweiswürdigung in BGH VersR 1971, 80 (82): „War (…) die automatische Nachstellvorrichtung der Bremsen unfallanfällig und damit eine Fehlkonstruktion, so müßte (sic) erwogen werden, ob nicht etwa der Anscheinsbeweis begründet ist, daß (sic) ein bei Bremsung eingetretener Unfall die Folge der fehlerhaften Bremsvorrichtung ist.“ 30 In BGH NJW 1987, 1694 (1695) in Erwägung gezogen, im konkreten Fall aber abgelehnt.
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schehensablaufs zu führen31, kann der Hersteller die Beweiswirkung des Anscheinsbeweises mit relativ geringen Mitteln erschüttern32, indem er substantiierte Tatsachen – nicht nur theoretische Möglichkeiten – behauptet und beweist, die die ernstliche Annahme nahe legen, dass das schädigende Ereignis auf Ursachen außerhalb seiner Organisations- und Verantwortungssphäre zurückzuführen ist, oder die die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Verlaufs ergeben33. Gleichwohl wurde die gewisse Konturenlosigkeit der abstrakten Definition des Anscheinsbeweises genutzt, in rechtspolitischen Sondersituationen einen prozessualen Verbraucherschutz zu sichern, ohne die Einordnung in die Gesamtsystematik zu diskutieren. So wurde entschieden, dass die Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften die Beweislast des Klägers vermindert, da der Inhalt dieser Vorschriften auf typischen Geschehensabläufen aus der Lebenserfahrung beruht, aus denen sich typische Gefährdungsmöglichkeiten ergeben, die ohne die vorgesehenen angemessenen Schutzmaßnahmen zu den typischerweise damit verbundenen Schäden führen.34 Unfallverhütungsvorschriften wurden als inhaltlich mit Schutzgesetzen vergleichbar erachtet, deren Verletzung auch zum entkräftbaren Anschein für ein Verschulden führt.35 Bei genauerer Betrachtung erscheint es als sehr zweifelhaft, ob tatsächlich die Unfallverhütungsvorschriften in jedem Fall typische Situationen beschreiben und aus der Lebenserfahrung heraus entwickelte Erkenntnisgrundsätze sind, die der Beweiswürdigung und damit der objektiven Wahrheitsermittlung dienen.36 Es liegt vielmehr näher, Unfallverhütungsvorschriften als Indizien zur Bewertung der ansonsten weiterhin konkret zu führenden detaillierten Tatsachendarlegung anzusehen.37
31
So Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (45); dagegen Simitis, S. 87: Anscheinsbeweis ist taugliche Beweisführung im Produkthaftungsrecht. 32 Baumgärtel, JA 1984, 660 (663). 33 BGH NJW 2005, 2614 (2615 f.); BGH VersR 1969, 834 (836); BGH VersR 1961, 231 (232); BGH VersR 1958, 107; OLG München VersR 1990, 791 (793): Fehlen eines hinreichenden Ausschlusses anderer Krankheitsursachen mit gleichen Symptomen und Fortdauer der Beschwerden ohne Kontakt zum Produkt führt zur ausreichenden Erschütterung des Anscheinsbeweises; vgl. zur Ambivalenz des Erfolgs eines Anscheinsbeweises das Beispiel einer ernst zu nehmenden Möglichkeit einer anderweitigen Schadensverursachung bei einer nicht funktionierenden Feuerlöschanlage in Kullmann, NJW 2000, 1912 (1916); non liquet von sich gleichgewichtig widersprechenden Wahrscheinlichkeiten soll nach Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (388) zu Lasten des Klägers gehen; kritisch zu dieser prozessualen Konsequenz Marburger, S. 453. 34 BGH VersR 1972, 149 (150); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (445); OLG Hamm BB 1971, 845; vgl. zum Anscheinsbeweiswert eines Reifenschadens bei nicht zugelassenen Reifen OLG Hamburg DAR 1972, 16; zustimmend aufgegriffen von Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1288). 35 BGH VersR 1977, 136 (137); BGH VersR 1961, 231 (232). 36 Vgl. BGH VersR 1977, 136 (137). 37 Hierzu mit einer Beweislastumkehr MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 22.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
Um rechtsstaatlich unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden wurde in der Literatur teilweise erwogen, einen typischen Geschehensablauf dann zu bejahen, wenn wenigstens das Vorliegen eines Produktfehlers exakt bewiesen ist und wenn feststeht, dass der Schaden auf die Produktbenutzung zurückzuführen ist38, ohne dass sich dies durchsetzen konnte. Eine spezielle Beweiswürdigung ist lediglich für die Beweisführung der Ursächlichkeit eines Kommunikationsfehlers anerkannt, dass ohne die fehlenden oder nicht ausreichenden Warnungen und Anleitungen mit Sicherheit – auch hier reicht eine bloße Möglichkeit oder gewisse Wahrscheinlichkeit nicht aus – der konkret bewiesene Schaden nicht eingetreten wäre39. Hierbei wird berücksichtigt, dass die – bei der hypothetischen Gefahrenkenntnis zu unterstellende – Handlungsmotivation des Klägers ein innerer Umstand ist, der ebenfalls rein hypothetisch und daher einer objektiven Beweisführung nicht zugänglich ist, so dass es logisch unmöglich ist, mit einer hinreichenden mathematischen Wahrscheinlichkeit die Ursächlichkeit zu beweisen.40 Zugunsten des durch einen – bewiesenen – Instruktionsfehler geschädigten Klägers wird daher im Rahmen des Kausalitätsbeweises widerlegbar vermutet, dass der Benutzer die Instruktionen oder Warnungen beachtet hätte, die deutlich und plausibel auf erhebliche Gefahrenrisiken – also Gefahren, die man im allgemeinen nicht auf sich nimmt – hinweisen.41 Ob es sich hierbei aber um einen Anscheinsbeweis handelt, ist zweifelhaft, da sich die Kausalitätsvermutung nicht aus einem typischen Geschehensablauf aufgrund der allgemeinen – empirisch nachweisbaren – Lebenserfahrung ergibt, sondern eine reine
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So im Ergebnis Kullmann, WM 1981, 1322 (1330). BGH NJW 2009, 2952 (2956); BGH VersR 1977, 334 (335); BGH NJW 1975, 1827 (1829); BGH NJW 1975, 824 (825); OLG Karlsruhe VersR 1986, 46; allgemeines Rechtsprinzip, vgl. exemplarisch außerhalb des Deliktsrechts BGH NJW 1973, 1688; in der Literatur zustimmend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 692; Kullmann, NJW 2000, 1912 (1917); Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (293); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (46); ders., WM 1981, 1322 (1329); die Rechtsprechung lediglich aufgreifend Birkmann, DAR 1990, 124 (129). 40 Vgl. Tiedtke, PHI 1992, 138 (139); allgemeines Rechtsprinzip, vgl. die ausführlichen Erörterungen zum Zweck von Aufklärungs-, Hinweis- und Beratungspflichten außerhalb des Deliktsrechts, deren Zweck auch darin gesehen wurden, die Beweisnot zur nicht beweisbaren hypothetischen Entscheidung des Geschädigten zu beseitigen, in BGH NJW 1973, 1688 (1688 f.); vgl. auch BGH VersR 1977, 918 (921); BGH NJW 1975, 824 (825). 41 BGH NJW 2009, 2952 (2956); BGH NJW 1999, 2273 (2274); BGH NJW 1994, 517 (520); BGH NJW 1992, 560 (562); OLG Düsseldorf OLGR 2009, 349 (352); OLG Bremen VersR 2004, 207 (208); vgl. auch die Beweiswürdigung in BGH NJW 1999, 2815 (2816); BGH VersR 1960, 342 (344): noch mit Verweis auf § 287 ZPO; OLG Bamberg VersR 2010, 403 (405); OLG Hamm NZV 1993, 310 (311); OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 285 (287); die Rechtsprechung aufgreifend Molitoris/Klindt, NJW 2015, 1568 (1571) mit Verweis auf OLG Nürnberg; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 692, § 3 ProdHaftG Rn. 37; Lenz, PHI 2009, 196 (200); Kullmann, NJW 2002, 30 (36); ders., NJW 2000, 1912 (1917); Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (293); Tiedtke, PHI 1992, 138 (139, 145 f.); Brüggemeier, ZIP 1991, 379 (380); Kullmann, WM 1981, 1322 (1329); Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (390 f.); missverständlich die Beweislast des Herstellers statuierend BGH VersR 1977, 918 (921). 39
C. Die Beweistiefe im deutschen Produkthaftungsrecht
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Fiktion zur Erreichung eines prozessualen Zwecks ist.42 Gegen einen Anscheinsbeweis spricht auch, dass der Hersteller – um die Wirkungen der Beweisregel zu vermeiden – im Gegensatz zu den geringen Anforderungen an die Erschütterung des Anscheinsbeweises konkrete äußere Umstände beweisen muss (z. B. einen erfolgten vorsätzlichen Produktmissbrauch), die im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung gegen die Vermutung der Beachtung von Instruktionen und Warnungen sprechen.43 Eine alternative rechtssystematische Herleitung dieser Beweiserleichterung beruht auf einer Analogie zur Beweislastregel hinsichtlich der Verletzung einer vertraglichen Aufklärungspflicht, wonach der Leistende den zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs führenden hypothetischen Umstand nachzuweisen und das Beweisrisiko dafür zu tragen hat, dass der Leistungsempfänger auch in Kenntnis des vollen Umfangs der Gefahr einen Hinweis unbeachtet gelassen hätte.44 Nach einer anderen Auffassung ist die Beweislast für das hypothetische aufklärungsrichtige Verhalten bei einer fehlerhaften Kommunikation von Gefahren ein Einwand der fehlenden Kausalität der Pflichtwidrigkeit, für den der Hersteller nach den allgemeinen Regeln zur Beweislastumkehr nach Einflusssphären beweisbelastet ist, weil der Sinn und Zweck der Produkthaftung (die Verletzung von kommunikativen Produktfehlern hinreichend effektiv zu sanktionieren, um eine entsprechende präventive Wirkung zu erzielen) eine echte Beweislastumkehr bezüglich des Kausalzusammenhangs zwischen einem kommunikativen Produktfehler und dem Schaden erfordere.45 Für die hier zu analysierenden Beweislastfragen im Rahmen eines objektbezogenen Produktfehlers kann die auf Verhaltensformen des Herstellers bezogene Charakterisierung der Beweislast des Herstellers im Falle der Verletzung einer Informationspflicht offen bleiben.
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Im Ergebnis ähnlich mit Abstellen auf die Individualität der Willensentscheidung MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 692. 43 BGH NJW 1999, 2273 (2274); OLG Hamm NJW-RR 2001, 1248 (1249): Ablehnung der Ursächlichkeit einer fehlerhaften Gefahrenkommunikation in einem obiter dictum, wenn dem Geschädigten das besondere, den Schaden verursachende körperliche Gebrechen nicht bekannt war, so dass er das Produkt (Sprungboot) auch bei Wahrnehmung der Gefahrenwarnung benutzt hätte; OLG Bremen VersR 2004, 207 (208); OLG Karlsruhe NJW-RR 1994, 798 (799 f.): keine Kausalität, wenn Gefahr ohnehin bekannt, da dann auch bei einer Warnung der Kläger nicht vom gefährlichen Verhalten abgesehen hätte; Klindt/Handorn, NJW 2010, 1105 (1108): Berücksichtigung der Gefahr von Übermaßwarnungen und keine Fiktion der Ursächlichkeit, wenn der Nutzer sich nicht gemäß der rechtlich hinreichenden Instruktionen verhalten kann; a.A. MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 692: keine Beweislastumkehr, aber ähnliche Wirkung; Kullmann, NJW 2002, 30 (36); ders., NJW 2000, 1912 (1917); Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (293); Kullmann, WM 1981, 1322 (1329); Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (390 f.); vgl. auch BGH VersR 1977, 334 (335): Klageabweisung beruht weitergehend auf der Nichtfeststellbarkeit der Beachtung der Instruktionen. 44 BGH NJW 1975, 824 (824 f.); vgl. dazu auch Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (46). 45 Tiedtke, PHI 1992, 138 (139); Brüggemeier, ZIP 1991, 379 (380); Stoll, AcP 176 (1976), 145 (159 f., 170 f.); ablehnend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 692 mit Verweis auf die gleiche Beweisnot des Herstellers.
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VI. Der Indizienbeweis im Produkthaftungsrecht Abschließend könnte im Ausgangsfall die Klägerin versuchen, das Gericht mittels einer Vielzahl von Indizien vom Vorliegen einer fehlerhaften Lenkung und von der Ursächlichkeit dieses Fehlers für den Unfall zu überzeugen. Der Indizienbeweis unterscheidet sich vom Anscheinsbeweis dadurch, dass die richterliche Überzeugung zur Begründung des Vollbeweises nicht durch eine Schlussfolgerung aus der allgemeinen Lebenserfahrung gezogen wird, sondern dass sich die Tatsächlichkeit der behaupteten Tatsache aus der Vielzahl von einzelnen Tatsachen verdichtet, die für sich alleine keinen Vollbeweis erbringen können.46 Wie schwer die Beweisführung mittels Indizien bei behauptetem Produktversagen von Kraftfahrzeugen zum Nachweis eines Produktfehlers und dessen Ursächlichkeit für den Schaden ist, verdeutlicht der Ausgangsfall, in dem der Klägerin durch die Zeugenaussage des Busfahrers ein selten guter Indizienbeweis zur Verfügung steht. So könnte gegen dieses Indiz vom Hersteller erwidert werden, dass der Busfahrer selbst mit dem Straßenverkehr beschäftigt war, so dass er weder das Fahrverhalten noch den Fahrbahnzustand oder sonstige relevante Umstände auf der Fahrspur der Klägerin zum unmittelbaren Unfallzeitpunkt wahrgenommen hat.
VII. Schlussfolgerungen zur Beweiswürdigung im Produkthaftungsrecht Die Anwendung der deutschen Regeln zur Beweiswürdigung auf die tatsächlichen Umstände des Ausgangsfalls machen deutlich, dass das deutsche Zivilprozessrecht keine Beweisregeln zur Verfügung stellt, um in den Produkthaftungsfällen, in denen das streitgegenständliche Produkt entweder durch das schädigende Ereignis nichtuntersuchbar beschädigt oder zerstört wurde sowie in denen die Fehlerhaftigkeit in einem Datenverarbeitungsvorgang besteht, der Klägerin wenigstens die Chance zu geben, ihre (unterstellt) zutreffenden Ansprüche gegen den Hersteller durchzusetzen. Der Klägerin bliebe nur die schwache Möglichkeit, durch Indizien mit Verweis auf die Beweisführung nach Einflusssphären alle möglichen Umstände auszuschließen, die neben einem Produktfehler auch zu dem Unfall hätten führen können. Damit versagen die anerkannten Regeln der Beweiswürdigung gerade da, wo der Verbraucher am meisten schutzbedürftig ist, nämlich bei schweren Unfällen und bei nichtgegenständlichen Funktionsweisen, vor deren Gefahren er sich selbst nicht schützen kann, weil er sie selbst nicht sieht oder versteht. Die fortschreitende Digitalisierung der Produktsteuerung – insbesondere bei Kraftfahrzeugen – lässt erwarten, dass sich diese Probleme – verbunden mit einer Gefährdung der effektiven 46 Mit einer klaren Abgrenzung zum Anscheinsbeweis RGZ 163, 21 (27 f.); ähnlich klar abgrenzend BGH VersR 1983, 375; Baumgärtel, JA 1984, 660 (667); Weitnauer, Festschrift für Larenz, S. 905 (913); vgl. aber MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn 690: immer Indizienbeweis aufgrund des starken Einzelfallbezugs in Produkthaftungsfällen.
D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht
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Durchsetzung der materiell-rechtlichen Ansprüche des Produkthaftungsrechts – ohne eine Weiterentwicklung der Beweiswürdigungsgrundsätze in Deutschland verstärken.
D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht Eine Beweislastumkehr ist die am weitestgehende Abweichung von den Grundsätzen der Beweisführung und daher als ultima ratio nur gerechtfertigt, falls sie aufgrund der tatsächlichen Beweissituation – und nicht nach individuellen Zumutbarkeitserwägungen – zwingend erforderlich ist, um dem materiellen Recht nach allgemeinen rechtspolitischen und rechtssystematischen Erwägungen Geltung zu verschaffen.47 Daher ist es nahe liegend, eine Beweislastumkehr bezüglich des Vorliegens eines Produktfehlers oder dessen Ursächlichkeit zu erwägen, wenn die Regeln der Beweiswürdigung de facto zur Unmöglichkeit der Durchsetzung des Produkthaftungsanspruchs aus tatsächlichen, vom Kläger nicht zu vertretenden Umständen führen.
I. Die Beweislastumkehr zur objektiven Pflichtwidrigkeit und zum Verschulden Seit der Hühnerpestentscheidung des BGH ist die Beweislast für die Geltendmachung von Produkthaftungsansprüchen gemäß § 823 Abs. 1 BGB bezüglich der objektiven Pflichtverletzung und des Verschuldens zu Lasten des Herstellers umgekehrt, falls der Kläger bewiesen hat, dass der Produktfehler vor dem Inverkehrbringen und damit in der Einflusssphäre des Herstellers entstanden ist.48 Diese zum 47
BGH NJW 1984, 432 (433): „Der BGH hat zwar in engen Grenzen für bestimmte Sachverhaltsgestaltungen eine Umkehr der Beweislast für die Ursächlichkeit angenommen, wenn und soweit Wesen und Inhalt der materiellen Schutznorm und der in ihr enthaltenen Verhaltensanweisung es gebieten, dem Schädiger aufgrund der von ihm geschaffenen unklaren Beweislage die Sachverhaltsaufklärung und ihre Risiken aufzuerlegen.“; vgl. – mit Verweis auf OLG Hamm – zum Versagen eines Entlastungsbeweis des Herstellers bzgl. des Verschuldens nach einer Beweislastumkehr Kullmann, NJW 2003, 1908 (1911); vgl. die rechtssystematische Prüfung der Notwendigkeit einer Beweislastumkehr nach Einfluss- und Kenntnissphären bei verschiedenen Fallkonstellationen einer Rückrufpflicht bei Schulenberg, S. 78 ff.; vgl. zur rechtssystematischen Begründung der Beweislastumkehr bei Verletzung einer Befunderhebungspflicht Birkmann, DAR 1989, 281 (282 f.); vgl. allgemein Baumgärtel, JA 1984, 660 (664); Schmidt-Salzer, BB 1979, 1 (11). 48 Vgl. BGH NJW 1969, 269 (274 f.); vgl. daran im Anschluss BGH NJW 1996, 2507 (2508); BGH NJW 1992, 560 (562); BGH NJW 1991, 1948 (1951); BGH NJW 1981, 1603 (1605); BGH NJW 1975, 1827 (1828); BGH VersR 1971, 80 (82); OLG Hamburg NJW 1990, 2322; OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (445); OLG München VersR 1990, 791 (792); OLG Köln
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
Verschulden eines Fabrikationsfehlers entwickelte Beweislastumkehr wurde auf Konstruktions- und Entwicklungsfehler 49, auf geschädigte Gewerbetreibende50, auf die äußere Sorgfalt (objektive Pflichtwidrigkeit des Handelns oder Unterlassens) des Herstellers und auf die Ursächlichkeit dieser Pflichtverletzung für den Produktfehler51 sowie auf die Haftung von leitenden Angestellten52 übertragen. Bei Fabrikationsfehlern kann sich der Hersteller nur dann exkulpieren, falls er beweist, dass es trotz der lückenlosen Überwachung der Produktion und des Ausschlusses jeglicher individueller Fehlleistung jedes einzelnen mit der Herstellung des konkreten Produkts beschäftigten Mitarbeiters (dessen Name anzugeben ist) technologisch unmöglich oder mit unzumutbar hohen Kosten verbunden wäre, den Fehler auszuschließen oder zu erkennen (sogenannter Ausreißer)53, was selten dem Hersteller gelang und gelingen wird54. In der Literatur wurde mit Verweis auf die Haftung nach Einflusssphären darüber hinaus vertreten, dass der Kläger als technischer Laie lediglich die für ihn zugänglichen Tatsachen zu beweisen habe (die Verletzung seiner geschützten Rechte durch ein Produkt des Herstellers; Darlegung eines schlüssigen Zusammenhangs zwischen der als fehlerhaft behaupteten Produktsubstanz bzw. Produktkommunikation und dem Schaden durch Vortrag einer alternativen KonVersR 1988, 580 (581); Müller, G., VersR 2004, 1073 (1078); Kullmann, ZEuS 2002, 37 (48 f.): „fast so günstig gestellt wie bei verschuldensunabhängige(r) Haftung nach dem ProdHaftG“; ders., NJW 2000, 1912 (1917); ders., Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (47); Kunz, BB 1994, 450 (452); Birkmann, DAR 1989, 281 (282); Winkelmann, MDR 1989, 16; Pfeifer, S. 77; Baumgärtel, JA 1984, 660 (664); Loewenheim, NJW 1969, 1754 (1756); vgl. bereits vor der Hühnerpestentscheidung die Problembeschreibung in Simitis, S. 88. 49 Vgl. BGH NJW 1992, 560 (562); BGH VersR 1971, 80 (82); Hübner, NJW 1988, 441 (446); Pfeifer, S. 77; Kullmann, WM 1981, 1322 (1330); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 684. 50 Seit BGH NJW 1989, 707 (708). 51 BGH NJW 1996, 2507 (2508); BGH NJW 1991, 1948 (1951); BGH NJW 1981, 1603 (1605); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (445); OLG Hamburg NJW 1990, 2322 (2322, 2324); OLG München VersR 1990, 791 (792); MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 684; Kunz, BB 1994, 450 (452); Winkelmann, MDR 1989, 16 (17); Pfeifer, S. 77; Baumgärtel, JA 1984, 660 (668); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1304); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (47); ders., WM 1981, 1322 (1330); Lieb, JZ 1976, 526 (527); kritisch Graf von Westphalen, WM 1981, 1154 (1157); a.A. Marburger, S. 445: aus dem erfolgreichen Beweis der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht folgt die Verletzung der äußeren Sorgfalt. 52 BGH NJW 1975, 1827 (1828); abgelehnt in BGH NJW 1992, 1039 (1042) bzgl. Mitarbeiter ohne Organisationsherrschaft oder Leitungsfunktion, es sei denn, diese Mitarbeiter gelten als Repräsentanten des Herstellers, insbesondere bei kapitalmäßiger Beteiligung; der Rechtsprechung grundsätzlich zustimmend Schmidt-Salzer, BB 1975, 1032 (1033); die Rechtsprechung ablehnend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 684 mit Verweis auf die Entscheidung BGH NJW 1992, 1039; Baumgärtel, JA 1984, 660 (666): sozial untragbar, weil ein leitender Angestellter an der unternehmerischen Gewinnchance nur eingeschränkt teilnimmt und das Risiko nicht mit dem Gewinn verrechnen oder versichern kann; Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (317); Stoll, AcP 176 (1976), 145 (170). 53 Vgl. BGH NJW 1996, 2507 (2508); BGH NJW 1975, 1827 (1828); Baumgärtel, JA 1984, 660 (669). 54 Diese Einschätzung teilend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 685; Pfeifer, S. 86; Reinelt, DAR 1988, 80 (86); Hager, J., VersR 1984, 799 (801); Baumgärtel, JA 1984, 660 (669).
D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht
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struktion oder der unterlassenen Instruktion), während der Hersteller mittels der nur ihm zugänglichen Informationen über die fachlich fundierten Entscheidungs- und Herstellungsprozesse beweisen und ein non liquet tragen müsse, dass er keine mögliche und vernünftigere alternative Maßnahme mit einer höheren Sicherheit unterlassen hat.55 Wenn – wie im Ausgangsfall – der Zustand der Produktsubstanz (oder eine nichtgegenständliche Funktionsweise) zum Schadenszeitpunkt in Frage steht, hilft der Klägerin nur eine noch weitergehende Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers, die sich – wenn der Schaden sowohl durch einen Produktfehler als auch durch eventuelle außerhalb des Produktfehlers liegende Gründe verursacht worden sein kann – auch auf das Nichtvorhandensein eines Produktfehlers und der haftungsbegründenden Kausalität erstreckt, so dass der Hersteller das Risiko der Unaufklärbarkeit zu diesen Beweisfragen zu tragen hat.56 Die – der Beweislastumkehr rechtslogisch vorausgehende – Schlussfolgerung, aus dem Eintritt eines Schadens auf das Vorhandensein eines Fehlers und des Kausalzusammenhangs zwischen Fehler und Schaden zu schließen, sei nach dieser Auffassung nicht ungerechtfertigt, da die produkthaftungsrechtliche Bewältigung der Folgen der Benutzung moderner technischer Produkte keine moralische Bewertung des menschlichen Fehlverhaltens des Herstellers enthält57, da dem Hersteller objektiv die potentiell schadenstiftende Verhaltenspflichtverletzung zur Last fällt58 und da das – sich aus der Nichtbeweisbarkeit der Fehlerlosigkeit ergebende – Haftungsrisiko des Herstellers Teil seines unternehmerischen Handelns mit einer entsprechenden Gewinnchance ist, das er mit vertretbarem Mitteleinsatz durch eine Haftpflichtversicherung oder durch eine Berücksichtigung in der Preiskalkulation ausgleichen kann59. Nicht ganz so weitgehend wurde eine – auf der Präventions- und Ausgleichsfunktion des Produkthaftungsrechts beruhende – Beweislastumkehr zur haftungsbegründenden Kausalität des bewiesenen Produktfehlers vorgeschlagen, wenn durch den Produktfehler das Risiko des Schadens erhöht wurde, so dass – insbesondere wenn die rechtswidrig geschaffene Verletzungsgefahr durch den Produktfehler typischerweise das Risiko der Unaufklärbarkeit des Kausalverlaufs erhöht – der Hersteller die Nichtursächlichkeit 55
Pfeifer, S. 200, 221 f., 236. So Baumgärtel, JA 1984, 660 (663); vgl. Loewenheim, NJW 1969, 1754 (1756) mit einer Abwägung der Probleme der Nichtdurchsetzung eines materiell-rechtlich gegebenen Haftungsanspruchs des Klägers einerseits mit den Risiken einer uferlosen Ausdehnung der Produkthaftung andererseits und zur Notwendigkeit neuer – anhand des gesellschaftlichen Solidaritätsgedankens entwickelten – Lösungen für die haftungsrechtliche Bewältigung einer alle Lebensbereiche erfassenden Technisierung; MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 688: zur Bewertung der Beweislast ist auf die Zugänglichkeit der Umstände abzustellen; Pfeifer, S. 203. 57 Ohne konkrete Vorschläge angedacht von Loewenheim NJW 1969, 1754 (1756), jedoch mit kritischer Betrachtung einer vermeintlichen Gefahr der Uferlosigkeit des Produkthaftungsrechts. 58 Vgl. die Darstellung der Literaturmeinung in Marburger, S. 452 f. 59 Baumgärtel, JA 1984, 660 (665); zum Fehlerbereichsnachweis, ob der Fehler bereits bei der Inverkehrgabe bestand, Winkelmann, MDR 1989, 16 (19). 56
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
des Produktfehlers für den geltend gemachten Schaden zu beweisen und damit das Risiko zu tragen hat, dass angesichts der Komplexität technischer Funktionszusammenhänge die Möglichkeit eines abweichenden Kausalverlaufs oft nicht ausgeschlossen werden kann.60 Andere Stimmen in der Literatur befürworten eine derartige Beweislastumkehr für den Fall, dass der Hersteller bei der Produktion ein Schutzgesetz oder Unfallverhütungsvorschriften verletzt und dadurch ein im Schutzzweck dieser Normen liegendes Verletzungsrisiko erhöht hat.61 Die Rechtsprechung und die herrschende Meinung prüft jede weitere Beweislastumkehr daran, ob die Grundsätze der Beweislastverlagerung bezüglich des Verschuldens und der objektiven Pflichtwidrigkeit aufgrund eines vergleichbaren Sachverhaltes übertragbar sind, und lehnt die Beweislastumkehr ab, wenn – wie im Regelfall im Straßenverkehr – die Ursache für eine Verletzung auch außerhalb der Einflusssphäre des Herstellers liegen kann.62 Ansonsten bestände die Gefahr, dass durch die prozessrechtliche Beweislastverteilung die Produkthaftung de facto zu einer materiell-rechtlich nicht legitimierten Gefährdungshaftung mutiert.63 Eine allgemeine – mit den rechtspolitischen Zielen des Verbraucherschutzes begründete – Beweislastumkehr zugunsten des Klägers, die dazu führen würde, dass dieser nur die Tatsache der Verletzung bei der Benutzung des vom beklagten Hersteller produzierten Produkts (bzw. beim Kontakt mit diesem Produkt) beweisen muss und im Übrigen die Beweislast zum Produktfehler und zur haftungsbegründenden Kausalität beim Hersteller liegt, wird also überwiegend abgelehnt.64 Diese Auffassung ist auch 60
MüKoBGB/Wagner, § 3 ProdHaftG Rn. 22; Marburger S. 452 f. Marburger, S. 454 f., 473; Deutsch, Festschrift für Larenz, S. 885 (901 f.); Weitnauer, Festschrift für Larenz, S. 905 (916 f., 926); vgl. die ähnlichen Erwägungen zur Beweislastumkehr bei der Verletzung einer Produktbeobachtungspflicht durch Birkmann, DAR 1990, 124 (130); grundsätzlich dagegen, weil zu weitführende Haftung des Herstellers, Stoll, AcP 176 (1976), 145 (179 ff.). 62 Vgl. außerhalb des Produkthaftungsrechts zur Ablehnung der Beweislastumkehr hinsichtlich der positiven Vertragsverletzung und der Kausalität zwischen dieser und dem Schaden BGH VersR 1969, 470 (471); vgl. auch Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122): Verknüpfung zwischen Schaden und Fehler denklogisch nicht so zwingend, dass darauf eine allgemeine gesetzliche Vermutung gestützt werden sollte. 63 Vgl. BGH NJW 1981, 1606 (1608); bzgl. einer eventuellen Beweislastumkehr zum Fehlernachweis OLG Frankfurt VersR 1980, 144 (144 f.); Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122); Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (328); Birkmann, DAR 1989, 281 (282); Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (608); vgl. zur Frage einer Verhaltenshaftung ohne Kausalität für Importeure Zoller, S. 169; a.A. Lorenz, AcP 170 (1970), 367: „(…) noch nicht zu der wünschenswerten fortschrittlichen Lösung vorgestoßen, die erst mit der Anerkennung einer strikten Haftung des Produzenten gefunden wäre.“ 64 Zuletzt OLG Saarbrücken Urteil vom 03. 08. 2011 Az. 1 U 316/10 Rn. 39; stRspr., so BGH NJW 1996, 2507 (2508); BGH VersR 1983, 375; BGH NJW 1981, 2514 (2516); BGH NJW 1981, 1606 (1608); BGH VersR 1972, 149 (150); OLG Schleswig ZfS 2006, 442 (445); zustimmend in der Literatur MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 690; Müller, G., VersR 2004, 1073 (1078); Frietsch, ZEuS 2002, 119 (122); Kullmann, NJW 2000, 1912 (1917); Oehler, ZIP 1990, 1445 (1454) bzgl. des Fehlerbeweises bei Vorliegen eines Konzernverbundes auf der Herstellerseite; Birkmann, DAR 1989, 281 (282); Reinelt, DAR 1988, 80 (82); Brüggemeier, WM 61
D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht
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mit Blick auf den Umstand überzeugend, dass der Hersteller im Regelfall – im Gegensatz zum Kläger – keinerlei Zugang zu den Informationen über den Verbleib und die Behandlung des Produkts nach der Inverkehrgabe sowie über die äußeren Umstände am Unfallort haben dürfte, so dass der mit der materiell-rechtlichen Begrenzung der Unrechtshaftung auf unangemessen gefährliche Produkte erreichte Interessenausgleich zwischen Hersteller und Verbraucher, der den Hersteller zur Inverkehrgabe von angemessen sicheren Produkten motivieren soll, nivelliert würde. Die Dominanz des ultima ratio-Prinzips bei einer Beweislastumkehr wird im Rahmen der Rechtsprechung zur Begrenzung der Beweislast des Klägers bei einer Informationspflichtverletzung deutlich, die nur dann als gerechtfertigt angesehen wird, wenn sich der Anspruch (vergleichbar zu Konstruktionsfehlern) auf die in der Risikosphäre des Herstellers liegenden Betriebsinterna vor der Inverkehrgabe des Produkts stützt, da es dem Kläger hier – im Gegensatz zum Hersteller – unmöglich sei, den Sachverhalt aufzuklären.65 Wenn sich der Kläger jedoch auf allgemein zugängliche Veröffentlichungen oder Produkterfahrungen der Benutzer oder andere allgemein zugängliche Informationen, die nach dem Inverkehrbringen des Produkts bekannt werden, stützt, verbleibt es beim vollständigen objektiven Fehlerbeweis des Klägers mit einer Beweislastumkehr lediglich bezüglich des für ihn nicht zugänglichen Verschuldens.66 Gegen diese sehr restriktive Anwendung der Sphärentheorie und für eine einheitliche Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers für Vorgänge innerhalb oder außerhalb des Herstellerbetriebes wurde vorgebracht, dass es sich bei 1982, 1294 (1304); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (47 f.); für einen eingeschränkten Beweislastübergang hinsichtlich der besonderen Beschaffenheit des Produkts Pfeifer, S. 200, 221; verkürzt dargestellt und daher unklar Kullmann, ZEuS 2002, 37 (49); anders die Interpretation der Rechtsprechung durch Graf von Westphalen, WM 1981, 1154 (1157): Verengung der Beweislastanforderungen an den geschädigten Kläger auf das Vorliegen eines Schadens und auf die Kausalität zwischen behaupteter Pflichtenverletzung und nachzuweisendem Schaden; a.A. ausdrücklich OLG Frankfurt VersR 1980, 144: Beweislastumkehr auch bzgl. Ursächlichkeit, nicht aber bzgl. des Fehlerbeweises; vgl. die Beweissituation nach den allgemeinen Regeln des Produkthaftungsrechts in der Entscheidung BGH NJW 1988, 2611 (2613). 65 Vgl. BGH NJW 1999, 2815 (2816); BGH NJW 1992, 560 (562); OLG Dresden VersR 1998, 59 (60); OLG Hamm NZV 1993, 310 (311); Kunz, BB 1994, 450 (452); Pfeifer, S. 203 f.; Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (475 ff.); Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (292); Brüggemeier, ZIP 1991, 379 (379 f.); kritisch zur Differenzierung zwischen Instruktionspflichten vor und nach dem Inverkehrbringen Graf von Westphalen, WM 1981, 1154 (1158), daher keine Beweislastumkehr bei allen Instruktionsfehlern; offen gelassen in Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (49). 66 BGH NJW 1992, 560 (562); BGH NJW 1981, 1603 (1605 f.); OLG Düsseldorf NJW 1997, 2333 (2334); OLG Frankfurt VersR 1987, 1196 (1197); die Rechtsprechung kritiklos aufgreifend Kullmann, NJW 2003, 1908 (1910), obwohl dieser bereits in WM 1981, 1322 (1331) Möglichkeiten einer Beweisnot ähnlich der Beweisnot bei Konstruktions- und Fabrikationsfehlern andeutete; zustimmend Fahrenhorst, JuS 1994, 288 (292 f.); Kunz, BB 1994, 450 (452); Brüggemeier, ZIP 1991, 379 (380); Hübner, NJW 1988, 441 (446); Baumgärtel, JA 1984, 660 (668 f.); Hager, J., VersR 1984, 799 (801); Kullmann, WM 1981, 1322 (1331); ablehnend diskutiert in Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (479 ff.); ders., PHI 1992, 138 (142 f.).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
dem behaupteten Kommunikationsfehler genauso wie bei den Substanzfehlern um ein einheitliches Beweisthema handele, bei dem die außerbetriebliche und innerbetriebliche Zugänglichkeit der zur Ermittlung des Standes von Wissenschaft und Technik dienenden Tatsachen den Kläger vor und nach der Inverkehrgabe des Produkts vor unerfüllbare prozessuale Hürden stellen.67
II. Die Beweislastumkehr als Folge einer Verletzung der Beweissicherungspflicht Schon vor dem Inkrafttreten des ProdHaftG kannte die Rechtsprechung unter engen Voraussetzungen eine Beweislastumkehr für die spezielle Beweisfrage, ob ein bewiesener Produktfehler68 bereits zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produkts vorgelegen hat, wenn – wie im Ausgangsfall – die Beweisnot darauf beruht, dass die Produktsubstanz nicht mehr untersuchbar ist.69 Dabei wurde aber für die Beweislastumkehr nicht auf die Beweisnot, sondern auf die Verletzung einer dem Hersteller obliegenden Überprüfungs- und Befundsicherungspflicht (sogenannte Beweissicherungspflicht) hinsichtlich der durchgeführten Qualitätssicherungsmaßnahmen abgestellt, deren Erfüllung dem Hersteller zur signifikanten Verringerung (nicht notwendigerweise zum Ausschluss) der Gefahr in den Grenzen des technisch Möglichen und tatsächlich Zumutbaren bei Produkten mit einer besonderen Schadenstendenz obliegen sollte.70 Die Beweislastverlagerung wurde auf die Beweislastverteilung nach Einflusssphären gestützt und damit begründet, dass der Hersteller bei der Erfüllung der Befundsicherungspflicht näher an der schadensbestimmenden Tatsache ist und keine prozessualen Vorteile daraus ziehen soll, dass er treuwidrig den Beweisnotstand verursacht hat, indem er in seiner Sphäre die verbraucherschutzrelevanten und nachträglich nicht mehr ermittelbaren Daten zur Produktsubstanz zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe nicht erhoben oder dokumentiert hatte.71 67 Tiedtke, Festschrift für Gernhuber, S. 471 (481 ff.); ders., PHI 1992, 138 (142 f.); Diederichsen, U., VersR 1984, 797; Lorenz, AcP 170 (1970), 367 (391). 68 OLG Düsseldorf VersR 2003, 912 (913). 69 OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891); Kullmann, NJW 2000, 1912 (1915 f.). 70 Begründet mit der Entscheidung BGH NJW 1988, 2611 (2613); daran im Anschluss BGH NJW 1995, 2162 (2164); BGH NJW-RR 1993, 988; BGH NJW 1993, 528 (528 f.); Übertragung auf Hydraulikzylinder abgelehnt vom OLG Dresden NJW-RR 1999, 34 (34 f.); sehr differenzierend OLG Frankfurt, VersR 1993, 845 (847) und der im Anschluss abgedruckte Nichtannahmebeschluss des BGH: Ablehnung der Befundsicherungspflicht hinsichtlich des Alters der Flaschen, jedoch Annahme dieser hinsichtlich der äußeren Schäden der Flasche, obwohl beide Umstände gefahrerhöhend wirken können; mit der Ablehnung einer Beweiserleichterung bei Zweifel über die Gefährlichkeit des Produkts oder einer besonderen Schadenstendenz aufgegriffen von Kullmann, NJW 2005, 1907 (1911); ders., NJW 2000, 1912 (1915 f.); ders., Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (46). 71 Vgl. BGH NJW 1995, 2162 (2164); BGH NJW 1993, 528 (529); BGH NJW 1988, 2611 (2613); OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800 (801); OLG Frankfurt VersR 1993, 845 (847); zu § 823 Abs. 2 BGB OLG Hamm NJW-RR 1993, 853 (854); OLG Karlsruhe VersR 1989, 375;
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Jede Anwendung dieser Beweislastumkehr hätte dem Ausnahmecharakter zu folgen und erfordere eine am § 242 BGB orientierte sorgfältige Analyse der wirtschaftlichen, finanziellen und gesellschaftlichen Folgen aus der Breitenwirkung der Beweislastumkehr.72 Aus allem wird deutlich, dass es sich um keine eigentliche Handlungspflicht des Herstellers handelt, sondern um eine ergebnisorientierte Korrektur eines aus Gründen des Verbraucherschutzes zu vermeidenden Beweisnotstands, falls es dem Kläger aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, den Vollbeweis zu führen. Es war lange Zeit umstritten, ob sich die zu Haarrissen in Glaspfandflaschen für kohlensäurehaltige Getränke entwickelte Rechtsprechung auch auf andere Produkte übertragen lässt.73 Darüber hinaus war es selbst in der Rechtsprechung umstritten, ob sich die Beweislastumkehr zum Fehlerbeweis unter den gleichen Bedingungen auch auf den Beweis der haftungsbegründenden Kausalität übertragen lasse.74 Diese Unklarheiten beruhten vor allem auf der fehlenden Klarheit der rechtssystematischen Einordnung der Beweissicherungspflicht. Um zu vermeiden, dass die Verletzung der Befundsicherungspflicht eine Frage der materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit des Produkts ist, müsste die Befundsicherungspflicht eine zusätzliche prozessuale Handlungspflicht des Herstellers und ein inhaltliches aliud zu den materiellen produkthaftungsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten des Herstellers bei der Fabrikation des Produktes darstellen.75 Mangels anderer systematischer Verweise OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891); mit Verweis auf § 242 BGB (venire contra factum proprium), Beweisvereitelungsgrundsätze und die Parallele zur Verletzung von Dokumentationspflichten in Arzthaftungsprozessen zustimmend Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (331, 334 f., 338); mit Verweis auf den Verbraucherschutz im Produkthaftungsrecht Reinelt, NJW 1988, 2614. 72 Vgl. Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (339 f.). 73 Für eine Übertragung auf sicherheitsrelevante Kraftfahrzeugteile, bei denen die Beherrschung von erheblichen Gefahren einen Schwerpunkt des Produktionsvorgangs darstellt und deren Fehlerhaftigkeit nach Inverkehrgabe des Produkts nicht mehr sicher festgestellt werden kann, Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (340); auch Kullmann, NJW 1994, 1698 (1705); Birkmann, DAR 1990, 124 (129); ders., DAR 1989, 281 (283 f.); Kullmann, Probleme der Produzentenhaftung, S. 33 (46); skeptisch ders., NJW 2000, 1912 (1916). 74 Bejahend BGH NJW 1989, 2943 (2944); Foerste, JZ 1993, 680 (680 f.); verneinend OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800 (801). 75 Vgl. BGH NJW 1993, 528 (529): nicht jedes Herstellerverhalten, das zur Unaufklärbarkeit des Schadenshergangs führt, begründet die Beweislastumkehr, sondern nur die Verletzung einer besonderen Pflicht zur Statuserhebung und Statussicherung, die sich daraus ergibt, dass das Produkt „erhebliche Risiken für den Verbraucher in sich trägt, die in der Herstellung geradezu angelegt sind und deren Beherrschung deshalb einen Schwerpunkt des Produktionsvorgangs darstellt, so daß (sic) über die übliche Warenendkontrolle hinaus besondere Befunderhebungen des Herstellers erforderlich sind, weil dieser den Verbraucher nicht sehenden Auges solchen Gefahren seiner Produktionsentscheidung aussetzen darf,“; daran anschließend BGH NJW 1995, 2162 (2164); OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 800 (801); OLG Frankfurt VersR 1985, 890 (891); OLG Dresden NJW-RR 1999, 34 (34 f.): Voraussetzung einer typischen Gefahr nicht erfüllt, wenn Schaden einmalig und in Fachkreisen nicht bekannt ist; bereits vorher außerhalb technischer Produkte BGH NJW 1989, 2943 (2944): „besonders aufgegebene Sta-
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versuchte die Rechtsprechung eine Analogie zur Befundsicherungspflicht der Ärzte und den sich daraus ergebenden prozessualen Folgen bei einer Verletzung dieser Pflicht zu begründen (ausdrücklich aber nicht zur Beweislastumkehr bei groben, aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlichen und verantwortbaren Behandlungsfehlern76), indem eine Parallele bei beiden Handlungspflichten zur Dokumentation der eigentlichen schöpferischen Handlung gesehen wurde.77 Teilweise wurde versucht, diese Beweislastumkehr in eine prozessuale Maßnahme zur Vermeidung des Vorwurfes eines Ausforschungsbeweises umzudeuten, so dass der Kläger erst dann substantiiert die Unzulänglichkeit der getroffenen Maßnahmen behaupten und beweisen müsse, falls der Hersteller seine nur ihm bekannten Betriebsabläufe dargestellt hat.78 Dieser rechtssystematischen Begründung der Beweissicherungspflicht wurde in der Literatur entgegengehalten, dass es völlig offen sei, ob es sich um eine schuldrechtliche Pflicht (wogegen die fehlende vertragliche Beziehung zwischen Hersteller und Geschädigten spreche), um eine deliktische Verkehrssicherungspflicht (wogegen spricht, dass jede derartige Handlungspflicht Gegenstand der Fehlerbestimmung wäre)79 oder um eine von materiell-rechtlichen Pflichten abzugrenzende prozessrechtliche Pflicht handele und worin der Unterschied zwischen der Handlungspflicht des Herstellers im Rahmen der produkthaftungsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht und der eventuell prozessrechtlichen Beweissicherungspflicht bestehe80. Außerdem begründe die Rechtsprechung de facto eine materielltussicherung“; die Rechtsprechung aufgreifend Rothe, NJW 2007, 740 (741 f.): „Diese Befundsicherungspflicht bedeutet etwas anderes als die übliche Warenendkontrolle.“; zustimmend Kullmann, NJW 2000, 1912 (1915 f.); ders., NJW 1994, 1698 (1705); Birkmann, DAR 1989, 281 (282 f.): Annahme einer – neben der allgemeinen Verkehrspflicht – als Teil der normalen Warenendkontrolle bestehenden Statussicherungspflicht als produkthaftungsspezifische Verkehrssicherungspflicht zur Vermeidung von Gesundheitsschäden; Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (333, 337 f.): Befundsicherungspflicht ist zwar nicht mit der Verkehrssicherungspflicht zur üblichen Warenendkontrolle gleichzusetzen, die qualifizierte Kontrollpflicht aufgrund der besonderen Gefahren ist aber auch kein aliud. 76 BGH NJW 1988, 2611 (2613); vgl. auch die darauf abstellende Begründung für das Ablehnen einer Beweislastumkehr in BGH NJW 1992, 560 (563); aufgegriffen in seiner Kritik an der Rechtsprechung von Foerste, JZ 1993, 680 (681); dagegen Dambeck, VersR 1992, 284 (287), der die Beweislastumkehr bei der groben Verletzung von Berufspflichten auch im Produkthaftungsrecht nutzbar macht. 77 BGH NJW 1988, 2611 (2613); vgl. auch die zustimmende Diskussion der Rechtsprechung durch Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (338 f.); ähnliche Schlussfolgerung zu § 823 Abs. 2 BGB in OLG Karlsruhe VersR 1989, 375. 78 Kunz, BB 1994, 450 (453); Foerste, JZ 1993, 680 (681). 79 Foerste, JZ 1993, 680 (681 f.); Foerste, VersR 1988, 958 (959 f.); Kunz, BB 1994, 450 (454): erhebliche Unterschiede zur Arzthaftung, insbesondere Fehlen einer vertraglichen Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigten; Winkelmann, MDR 1989, 16 (18); darauf erwidernd Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (339). 80 MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 689; Foerste, JZ 1993, 680 (681); Kunz, BB 1994, 450 (454): im Unterschied zur Arzthaftung, bei der fehlerhafte Behandlung und die Beweisvereitelung durch mangelnde Dokumentation zwei unterschiedliche Handlungen sind, sind die
D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht
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rechtliche Gefährdungshaftung mittels einer prozessualen Verhaltenspflicht, wenn der Hersteller nicht für das Verursachen eines Produktfehlers, sondern für das Unterlassen einer – für den Produktzustand – unwesentlichen Befundsicherung hafte, da der Kläger nur noch den Schaden bei der Produktbenutzung beweisen muss.81 Das zur Eingrenzung der Beweislastumkehr festgelegte Kriterium, dass eine typische Produktgefahr vorliegen müsse, deren Ursache nach der Inverkehrgabe des Produkts nicht mehr aufzudecken ist, wirke praktisch nicht begrenzend, weil aus Sicht des Herstellers mangels vertraglicher oder tatsächlicher Beziehungen zwischen dem Hersteller und den Produktnutzern der potentielle Adressatenkreis der Beweissicherungspflicht nicht vorhersehbar ist82 und in der Realität keinen Ausnahmefall, sondern die typische Beweisnot des Klägers darstellt83.
III. Die Beweislastumkehr gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 ProdHaftG Mit der Beweislastverteilung im § 1 Abs. 4 Satz 2 ProdHaftG greift der Gesetzgeber sowohl die Beweislastverteilung nach Einflusssphären84 als auch die Rechtsprechung zur Beweissicherungspflicht auf. Wenn die Fehlerhaftigkeit als solche bewiesen ist und lediglich unklar bleibt, ob der Fehler beim Hersteller oder erst später eingetreten ist85, muss der Kläger nicht das Vorliegen der unangemessenen Gefährlichkeit des Produkts zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe beweisen, sondern der Hersteller muss beweisen, dass das Produkt zum Zeitpunkt des Verlassens seiner
Handlungen zur Erfüllung der Pflicht zur adäquaten Qualitätskontrolle zur Aussonderung fehlerhafter Produkte im Rahmen der allgemeinen Produktsicherungspflicht und zur Erfüllung der qualifizierten Befundsicherungspflicht identisch; Winkelmann, MDR 1989, 16 (18); Foerste, VersR 1988, 958 (959 f.); dagegen Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (339): es besteht ein Unterschied zwischen einer (nicht beabsichtigten) Veränderung der materiellrechtlichen Pflichtenstellung und einer (beabsichtigten) prozessualen Belastung. 81 Vgl. Kunz, BB 1994, 450 (453); Foerste, JZ 1993, 680 (682); Kritik aufgegriffen durch Steffen, Festschrift für Brandner, S. 327 (339); vgl. auch BGH NJW 1985, 1774 (1775): keine Beweisentlastung zur Verhaltenspflichtverletzung, weil die Ursache der Verletzung auch außerhalb der mit dem Herstellerverhalten zusammenhängenden Umstände liegen kann (während es im Arzthaftungsrecht immer die medizinische Behandlung ist), so dass die Produkthaftung zur Erfolgshaftung mutieren würde. 82 Winkelmann, MDR 1989, 16 (18); vgl. auch die Erwägungen zur Zumutbarkeit von Kontrollmaßnahmen aufgrund der Unternehmensgröße bei einer Übertragung der Rechtsprechung zur Befundsicherungspflicht auf Kraftfahrzeugteile Birkmann, DAR 1989, 281 (284). 83 Kunz, BB 1994, 450 (454); Foerste, JZ 1993, 680 (681 f.); Foerste, VersR 1988, 958 (959). 84 Exemplarisch Reinelt, NJW 1988, 2614. 85 So BGH NJW 1995, 2162 (2164), der den die Verletzung begründenden Haarriss als vorhanden voraussetzt; Reinelt, DAR 1988, 80 (85); zur gleichen Systematik bei der Beweislastumkehr bzgl. § 823 Abs. 1 BGB im Falle einer Verletzung der Befundsicherungspflicht Reinelt, NJW 1988, 2614.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
Einflusssphäre fehlerfrei war.86 Da der Kläger das Produkt in der Regel nur über Händler in Besitz nimmt, ist nur der Hersteller in der Lage, den Produktzustand bei der Inverkehrgabe zu kennen. Ihm ist es damit möglich, diesen Entlastungsbeweis mittels der Vorlage der dokumentierten Qualitäts-, Eingangs- und Ausgangskontrollen zu führen.87 Da es sich um eine Beweislastumkehr nach Einflusssphären handelt, kann aber nicht allgemein geschlussfolgert werden, dass fehlende Nachforschungen des Herstellers zum Gefahrenpotential seiner Produkte die Beweislast zu seinen Ungunsten auch hinsichtlich des Fehler- und Kausalitätsbeweises umkehren und er einen vom Kläger vorgetragenen mutmaßlich schadensverursachenden Kausalverlauf zu widerlegen hat.88 Diese Beweislastumkehr des Gesetzgebers trägt – wie jede Beweislastumkehr im Produkthaftungsrecht – die Gefahr in sich, dass aus rein faktischen Gründen der Beweis von niemandem geführt werden kann, also auch nicht vom Hersteller. Die Rechtsprechung hat aus der Formulierung des Gesetzgebers im § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG „nach den Umständen davon auszugehen“ geschlossen, dass diesbezüglich ein leichterer Beweismaßstab unterhalb der vollen richterlichen Überzeugung des § 286 ZPO gelten soll und dass eine Haftung schon dann ausgeschlossen ist, wenn aufgrund des Geschehensablaufs nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Schlussfolgerung, dass das Produkt den Fehler vor dem Inverkehrbringen noch nicht hatte, plausibel erscheint.89 Diesen Beweis hat der Hersteller dann erbracht, wenn die Prüfung aufgrund der Art des Produkts, der Intensität des Gebrauchs und vor allem der Zeitspanne zwischen dem Inverkehrbringen und dem Schadensereignis sowie aufgrund anderer Umstände (wie einer unsachgemäßen Lagerung, einer mangelhaften Produktinstallation, einer fehlerhaften Bedienung, einer sachfremden oder übernormalen Benutzung, einer unzureichenden Pflege und Wartung) ein großes Maß an Wahrscheinlichkeit – nicht nur eine bloße Möglichkeit – für die Nicht-
86 BGH NJW 1995, 2162 (2164); bzgl. § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG OLG Hamm VersR 2011, 637 (639); zur Gesetzesbegründung vgl. BT-Drs. 11/2447 S. 14. 87 Vgl. die Begründung der Beweislastumkehr in BT-Drs. 11/2447 S. 14, wonach diese nur für Fabrikationsfehler in Frage käme und die Folge der besseren Beweisführungsmöglichkeit des Herstellers bei Beweisnot mittels Dokumenten über Produktkontrollen ist; zur Widersprüchlichkeit der Regelung Foerste, VersR 1988, 958 (960), der logisch feststellt, dass ein dokumentiert fehlerhaftes Stück auszusondern ist, so dass ein Ausreißer zwangsläufig unerkannt bleiben muss. 88 Kullmann, NJW 2005, 1907 (1911) mit Verweis auf OLG Düsseldorf; vgl. allgemein zum Nachweis der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht BGH NJW 1984, 432 (433): „Eine allgemeine Regel, daß (sic) das Risiko des nicht voll aufklärbaren Sachverhalts stets dem zur Last fallen solle, der es durch sein pflichtwidriges Verhalten geschaffen habe, läßt (sic) sich nicht aufstellen (…).“ 89 OLG München Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 26; MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 37; Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494); Kullmann, NJW 1994, 1698 (1704); Reinelt, DAR 1988, 80 (85); selbst in der Gesetzbegründung in BT-Drs. 11/2447, S. 14: „großes Maß an Wahrscheinlichkeit“.
D. Die Beweislastverlagerung im deutschen Produkthaftungsrecht
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existenz des Fehlers zur Zeit des Inverkehrbringens oder für das spätere Entstehen des Fehlers ergibt.90 Hinsichtlich der Beweisführung für Umstände, die aus faktischen Gründen schwer nachvollziehbar oder unmöglich sind, wurde im ProdHaftG ein neues Maß an Überzeugung eingeführt. Das Maß der „hohen Wahrscheinlichkeit“ entspricht weder dem § 286 ZPO noch dem § 287 ZPO. Es kann also festgehalten werden, dass es die besonderen Umstände bei der Beweisführung im Produkthaftungsprozess erfordern, einen Neuansatz der Beweiswürdigung zu finden. Zwar könnte man dies punktuell und isoliert allein mit einem starken rechts- und gesellschaftspolitischen Interesse zur Erreichung eines effektiven Produkthaftungsrechts und ggf. auch mit einem Verweis auf eine Beweisführung nach Einflusssphären begründen, da der Kläger den unmittelbaren Kontakt zu dem Gegenstand hat, auf den sich der Produktfehlervorwurf bezieht, dessen Nutzungshistorie bis zum schädigenden Ereignis kennt und dessen zum Schaden führende Gefährlichkeit für ihn sinnlich wahrnehmbar war, während dem Hersteller diese Informationen alle fehlen. Eine verhaltensbezogene Produktfehlerbestimmung wäre wohl auch darauf begrenzt, da es hierbei beim Beweisthema keine Unterschiede zwischen der Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB und § 1 Abs. 1 ProdHaftG gibt. Da der objektbezogene Fehlerbegriff auch Auswirkungen auf die Beweisführung im Haftungsprozess hat, könnte es sich aber um einen Beweismaßstab handeln, der dem objektbezogenen Fehlerbegriff (der sowohl der EG-Produkthaftungsrichtlinie und damit auch dem ProdHaftG zugrunde liegt) geschuldet ist. Mit der objektbezogenen, vom tatsächlichen Fehlverhalten losgelösten Fehlerbestimmung verändert sich nämlich das prozessuale Beweisthema, indem nunmehr die Produktsubstanz im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung steht. Dann liegt es aber nahe, diesen Beweismaßstab auf alle die Produktsubstanz betreffenden Umstände und damit auch zugunsten des Klägers hinsichtlich des Nachweises eines Produktfehlers und der Kausalität zwischen dem Fehler und der Verletzung anzuwenden, falls die Produktsubstanz ohne Verschulden des Klägers untergeht oder der Fehler selbst nicht gegenständlich ist. Die Analyse der prozessualen Prinzipien zur Geltendmachung eines Anspruchs aus der strict products liability kann auf diese Frage erhellende Antworten liefern.
90 Vgl. OLG München Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 17, 26: zwar wird der Beweiswert eines sorgfältigen und auf die Verhinderung von Fabrikationsfehlern angelegten Produktions- und Kontrollverfahrens diskutiert, im Ergebnis die Erbringung des Beweises aber abgelehnt, da auch bei sorgfältigsten Qualitätskontrollen nicht die Auslieferung eines fehlerhaften Produkts ausgeschlossen werden könne; vgl. auch MüKoBGB/Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 37; Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494); Kullmann, NJW 1994, 1698 (1704); zu den Erfolgsaussichten der Beweisführung BT-Drs. 11/2447 S. 14.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
E. Die Beweisführung in der strict products liability Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs aus der strict products liability erfolgt bis zur Urteilsverkündung im Wesentlichen in zwei prozessualen Schritten. Als Erstes muss der Kläger substantiiert unter Beweisantritt dem Gericht seine Tatsachenbehauptung und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen darlegen, die seinen Klageanspruch begründen sollen. In der Regel prüft der Richter, ob die vorgetragenen Tatsachen dem Klageanspruch – wenn sie als wahr unterstellt werden – tragen können und ob die vorgelegten Beweismittel die behaupteten Tatsachen hinreichend nachweisen können.91 Wenn der Kläger diese mit der Darlegungslast im deutschen Prozessrecht vergleichbare prozessuale Hürde überwunden hat, ist ein sogenannter prima facie case begründet, und der Richter legt den Fall der jury vor, vor der dann der Kläger den Beweis antreten muss und die das Urteil fällt. Anderenfalls weist der Richter die Klage in einem sogenannten summary judgment ab.
I. Die Beweislast in der strict products liability In der strict products liability muss der Kläger zur Erfüllung seiner Darlegungslast (prima facie case) begründet vortragen, dass das Produkt unangemessen gefährlich und damit fehlerhaft war, als es die Herstellersphäre verlassen hat, und dass dieser Fehler die unmittelbare Ursache für den vom Kläger geltend gemachten Schaden war.92 Auch wenn der direkte Beweis des Vorliegens eines Produktfehlers und der 91 Besonders instruktiv AZ: Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 154 (1971) – „It is well settled that a motion for a directed verdict admits the truth of all competent evidence introduced by the party opposing the motion, including all reasonable inferences to be drawn therefrom. Such evidence must be viewed most strongly against the movant and most favorably for the opposition. If, considering all the facts and circumstances, there is a reasonable likelihood that reasonable men may reach different conclusions, the question of fact in issue is to be decided by the jury.“ und negativ AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1183 (Ala. 1985) – „He must, however, in order to avoid a directed verdict, offer some evidence, at the very least a scintilla, showing that a defect existed and that the defect proximately caused his injury.“; vgl. auch exemplarisch ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 749 et seq. (Ida. 1976); MD: Tauber v. Nissan Motor Corp., 671 F. Supp. 1070, 1073 (D.Md. 1987); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 597 (1974); OK: Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 448 (10th Cir. 1976); Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 (10th Cir. 1974); TX: Selig v. BMW of North America, Inc., 832 S.W.2d 95, 99 (Tex. App. 1992); Bass v. General Motors Corp., 491 S.W.2d 941, 942 (Tex. App. 1973). 92 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1183 (Ala. 1985); AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 38, 42; Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 154 (1971); Bailey v. Montgomery Ward and Co., 431 P.2d 108, 112 (Ariz. App. 1967); CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 312 (Cal. 1994); Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 650 (1966); HI: Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp., 470 P.2d 240, 243 (Haw. 1970); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 746 et seq. (Ida. 1976); IL: Dunham v. Vaughan & Bushnell Mfg. Co., 247 N.E.2d 401, 403 (Ill. 1969); Wright v. Massey-Harris, Inc., 215 N.E.2d 465, 468 (Ill. App. 1966); IA: Hawkeye-
E. Die Beweisführung in der strict products liability
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haftungsbegründenden Kausalität mit der stärksten Überzeugungskraft verbunden ist, so kann die Beweisführung auch auf die mit der Verletzung des Klägers verbundenen Umstände abgestellt werden (circumstantial evidence – vergleichbar dem Anscheins- und Indizienbeweis).93 In den letzten Jahren mussten Gerichte immer wieder Fälle entscheiden, in denen der schadenersatzverlangende Kläger seine Verletzung als Folge eines Produktfehlers des von ihm benutzten Kraftfahrzeugs geltend machte, in denen er aber den behaupteten Produktfehler nicht gegenständlich in den Prozess einführen konnte, weil das Fahrzeug entweder vollständig oder nicht rekonstruierbar zerstört wurde oder weil der Produktfehler in einem nicht gegenständlichen Datenverarbeitungsvorgang bestand.94 Um eine sachgerechte Entscheidung im Einzelfall zu treffen, stützen sich die Gerichte bei der Entscheidung, ob der Kläger einen prima facie case etabliert hat, auf den Grundsatz, dass das der Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 678 (Iowa 1970); MN: Daleiden v. The Carborundum Co., 438 F.2d 1017, 1021 et seq. (8th Cir. 1971); MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 637 (8th Cir.1972); NV: Ginnis v. Mapes Hotel Corp., 470 P.2d 135, 138 (Nev. 1970); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 590 (1974); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363 (Okla. 1974); Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 460 (10th Cir.1974); OR: Glover v. The BIC Corp., 6 F.3d 1318, 1327 (9th Cir. 1993); PA: Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co., 781 A.2d 1263, 1267, 1272 (Pa. Super. 2001); Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1360 (M.D.Penn. 1978); Kuisis v. Baldwin-Lima-Hamilton Corp., 457 Pa. 321, 328 (1974); Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1346 et seq. (E.D.Penn. 1974); Dennis v. Ford Motor Co., 332 F. Supp. 901, 903 (W.D.Penn. 1971); SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 910 (D.S.C. 1968); TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 600 (Tex. 2004); Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 687 (5th Cir. 1969); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 247 (1973); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990); in den Sekundärquellen mit einer weiteren Unterteilung der Beweislast hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit des Produkts Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:26 und § 30:56; aufgegriffen in der deutschen Literatur von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (189). 93 AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 44 et seqq.; Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 747 (Ariz. 1984); Rocky Mountain Fire and Casualty Co. v. Biddulph Oldsmobile, 640 P.2d 851, 854 (Ariz. 1982); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 154 et seq. (1971); CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 650 (1966); GA: Firestone Tire & Rubber Co. v. King, 244 S. E.2d 905, 908 et seq. (Ga. App. 1978); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 731 et seq., 733 (9th Cir. 1986); Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp., 470 P.2d 240, 243 et seq. (Haw. 1970); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 746 et seq. (Ida. 1976); MO: Coulter v. Michelin Tire Corp., 622 S.W.2d 421, 427, 430 (Mo. App. 1981); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 592 et seq. (1974); NY: Speller v. Sears, Roebuck and Co., 100 N.Y.2d 38, 41 (2003); OR: Brownell v. White Motor Corp., 490 P.2d 184, 187 (Ore. 1971); PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 136 et seq. (1976); bereits in der negligence Lewis v. United States Rubber Co., 414 Pa. 626, 630 (1964); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 244 et seqq. (1973); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:27; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment b. 94 Vgl. hierzu exemplarisch die Beweissituation bei elektronischen Kraftfahrzeugkomponenten in AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 47 et seq.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
Wahrheitsfindung dienende Prozessrecht dem Verbraucher die grundsätzliche prozessuale Möglichkeit geben muss, die unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes festgelegte materiell-rechtliche Zuordnung der Haftungsrisiken zwischen den Prozessparteien auch gerichtlich durchzusetzen.95 Das bedeutet, dass die Gründe, die zur verschuldensunabhängigen materiell-rechtlichen strict products liability geführt haben (also dass der Verbraucher die Gefahren nicht mehr selbständig einschätzen kann, sondern sich auf die Expertise des Herstellers im Marketing und in der Werbung verlassen muss, dass der Hersteller den ökonomischen Profit aus der Inverkehrgabe des Produkts zieht, dass er die Schadenskosten auf alle Produktnutzer verteilen und die Produktsubstanz verändern kann), auch für den sachgerechten Ausgleich der Prozessnachteile aufgrund einer Beweisnot herangezogen werden, so dass die Zuweisung der Risiken der Nichtbeweisbarkeit zu Lasten des Herstellers so lange als billig und gerecht angesehen werden, wie das materielle Recht faktisch nicht verändert wird.96 Teilweise wurde – mit Verweis auf die Beweislast in der vertraglichen breach of (expressed or implied) warranty, worauf die Objektbezogenheit der strict products liability beruht – die Darlegungslast des Klägers auf die fehlerbezogenen Umstände begrenzt, die in der Zeit der tatsächlichen Verfügungsmacht des Klägers über den Gegenstand entstanden sind und über die er ein besonderes hervorgehobenes Wissen verfügt (die Beweislastsphäre aller kommerziell Beteiligten wird umfänglich auf den stream of commerce bezogen).97 Wenn das Beweismittel durch ein Verhalten einer Prozesspartei (nach dem Unfallereignis) zerstört oder nicht mehr reproduzierbar beschädigt wird, dann gleichen die Gerichte zur Gewährleistung eines fairen Prozesses die Beweisnot im Rahmen der Beweiswürdigung des circumstantial evidence danach aus, mit welchem Verschuldensgrad derjenige gehandelt hat, der das Beweismittel verändert oder zerstört hat, welches Ausmaß der prozessuale Nachteil für die andere Prozesspartei hat (eher höherer Nachteil für den Hersteller, wenn der Hersteller eine Schadensursache außerhalb 95 Vgl. AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 906 (Ariz. App. 1990); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); CA: Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 122 (1982); CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 589 et seq. (Colo. 1984); Prutch v. Ford Motor Co., 618 P.2d 657, 660 (Colo. 1980); MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 466 (1992); MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 639 (8th Cir. 1972); in der deutschen Literatur Marschall von Bieberstein, S. 81. 96 AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 906 (Ariz. App. 1990); CA: Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 122 (1982); CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 589 et seq. (Colo. 1984); Prutch v. Ford Motor Co., 618 P.2d 657, 660 (Colo. 1980); vgl. auch die Beweiswürdigungstendenz in NJ: Sabloff v. Yamaha Motor Co., 113 N.J. Super. 279, 287 et seq. (1971) in Verbindung mit den Ausführungen in Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 379 et seq. (1960); PA: McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 704 (W.D.Penn. 1971). 97 AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 906 (Ariz. App. 1990); CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 589 et seq. (Colo. 1984); Prutch v. Ford Motor Co., 618 P.2d 657, 660 (Colo. 1980); WI: Kemp v. Miller, 154 Wis.2d 538, 551 (1990): Sphäre des stream of commerce manifestiert sich mit dem Verkauf des letzten kommerziellen Händlers; in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:26.
E. Die Beweisführung in der strict products liability
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seines Verantwortungsbereiches behauptet und das Beweismittel vom Kläger zerstört wurde, falls der Hersteller dadurch keine eigenen unabhängigen Untersuchungen durchführen kann; eher geringerer Nachteil für den Hersteller, falls mögliche Schadensursachen außerhalb der Verantwortungssphäre des Herstellers rein spekulativ sind), ob es eine weniger einschneidende prozessuale Maßnahme gibt, um eine substantielle Unfairness gegenüber der anderen Prozesspartei aus der Veränderung oder der Zerstörung des Beweismittels zu vereiteln und ob es ein rechtspolitisches Bedürfnis gibt, in Zukunft andere vor einer derartigen Veränderung oder Zerstörung des Beweismittels abzuschrecken.98 Wenn jedoch das Kraftfahrzeug durch den Unfall aufgrund eines Produktversagens nichtreproduzierbar zerstört wird oder wenn der Fehler nichtgegenständlich und damit funktionsbedingt nichtrekonstruierbar ist, führen diese Grundsätze zur Beweiswürdigung mangels einer willentlichen Veränderung oder Zerstörung des Produkts nicht weiter.99 Bevor auf die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der strict products liability eingegangen wird, ist noch auf zwei Besonderheiten des US-amerikanischen Zivilprozessrechts einzugehen, die die Lage des Klägers verbessern können. Falls – wie im Ausgangsfall – der Klägerin im Wesentlichen nur ihre eigene Aussage zu den unmittelbaren Umständen des behaupteten Produktversagens zur Verfügung steht, kann sich diese von ihrem und vom gegnerischen Prozessvertreter vor Gericht zu den von ihr wahrgenommenen Umständen bezüglich des Unfalls eidlich als Beweismittel vernehmen lassen100, ohne dass dies der Hersteller, wie im § 447 ZPO, verhindern kann. Der aus dem rechtsstaatlichen gerichtlichen Verfahren abgeleitete institutionelle Respekt vor der Wahrheitspflicht im Rahmen einer eidlichen Zeugenaussage führt sogar dazu, dass diese Aussage in eigenen Angelegenheiten mit eigenen finanziellen Interessen nicht nur den gleichen Beweiswert wie die Aussage eines sonstigen Zeugen hat (soweit die vernommene Partei hinsichtlich des Beweisthemas
98 PA: Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co., 781 A.2d 1263, 1269 et seq., 1272 (Pa. Super. 2001); vgl. auch die Beweiswürdigung in SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 911 et seq. (D.S.C. 1968); VI: Gumbs v. International Harvester, Inc., 718 F.2d 88, 96 (3rd Cir. 1983). 99 Vgl. dazu exemplarisch die Beweiswürdigung in AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 47 et seq. 100 Ausdrücklich FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 302 (Fla. App. 2007); Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1150 fn. 21 (Fla. App. 1981); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 735 (9th Cir. 1986); Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp., 470 P.2d 240, 243 (Haw. 1970); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); vgl. auch die Beweisführung in AZ: Bailey v. Montgomery Ward and Co., 431 P.2d 108, 113 (Ariz. App. 1967); LA: Philippe v. Browning Arms Co., 375 So.2d 151, 155 (La. App. 1979); NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super LEXIS 473, p. 17; Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 598 (1974); Sabloff v. Yamaha Motor Co., 113 N.J. Super. 279, 288 (1971); TX: Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 123 (Tex. App. 1967); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:27; vgl. dazu in der deutschen Literatur Marschall von Bieberstein, S. 80.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
ein ausreichendes Fachwissen oder ausreichende Erfahrungen hat)101, sondern dass eine derartige Aussage nicht von der Aussage einer nicht prozessbeteiligten Person assistiert sein muss102. Daneben kann der Kläger seinen circumstantial evidence auch mittels der Vernehmung eines von ihm beauftragten (und bezahlten) sogenannten expert witness führen, der zwar mangels Anwesenheit keine Aussagen aufgrund eigener Sinneswahrnehmungen zu den Umständen des Unfalls, insbesondere zur tatsächlichen Fehlfunktion, machen kann, aber eine fachliche Einschätzung zu komplizierten und komplexen Umständen aufgrund von eigenen Untersuchungen oder – soweit der Gegenstand nicht untersuchbar ist – aufgrund der eigenen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen zu den außerhalb der Geschädigtensphäre liegenden beweiserheblichen Umständen abgeben kann.103
II. Der prima facie case zur Fehlerhaftigkeit des Produkts Um eine nach dem materiellen Recht ungewollte Haftungsfreistellung des Herstellers aus prozessualen Gründen zu vermeiden, die insbesondere bei einem Produktversagen von einem hochkomplexen und hochkomplizierten, vom Verbraucher 101
Vgl. exemplarisch die Beweiswürdigung in LA: Philippe v. Browning Arms Co., 375 So.2d 151, 155 (La. App. 1979). 102 Vgl. FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 302 (Fla. App. 2007); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 735 (9th Cir. 1986); NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 17; TX: Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 123 (Tex. App. 1967); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:27; dagegen die Zulassung einer Laienaussage zur Widerlegung einer Expertenaussage abgelehnt in TX: Selig v. BMW of North America, Inc., 832 S.W.2d 95, 100 (Tex. App. 1992); a.A. Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (282): im Rahmen der risk/utilityanalysis sei zwingend ein „technische[r] Sachverständige[r]“ zu verlangen, wobei er – wohl missverständlich – den expert witness mit dem technischen Sachverständigen im Sinne der ZPO gleichsetzt, obwohl dem expert witness trotz seines Fachwissens lediglich die prozessuale Stellung eines Zeugen zukommt, der mit seinem demonstrierten Fachwissen den Meinungsbildungsprozess der jury zugunsten des Beweisführers beeinflussen soll. 103 Sehr detailliert FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 303 (Fla. App. 2007): Unterscheidung zwischen den vom expert witness hinreichend beweisbaren technischen Umständen, die zur Einschätzung einer unangemessenen Gefährlichkeit führen, und der mangels Anwesenheit nicht von einem expert witness beweisbaren Fehlfunktion, die erst als Grundlage für eine unangemessene Gefährlichkeit herangezogen wird; dagegen HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 735 (9th Cir. 1986): expert witness zur Möglichkeit einer Fehlfunktion vernommen; vgl. auch FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1146 et seq., 1148 fn. 16 (Fla. App. 1981); HI: Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp., 470 P.2d 240, 243 (Haw. 1970); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 747 (Ida. 1976); MO: Coulter v. Michelin Tire Corp., 622 S.W.2d 421, 427, 430 (Mo. App. 1981); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 594 (1974); Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 434 et seq. (1972); Sabloff v. Yamaha Motor Co., 113 N.J. Super. 279, 288 (1971); PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 140 (1976); vgl. dazu in der deutschen Literatur Marschall von Bieberstein, S. 79 f., der jedoch den Begriff des Sachverständigen verwendet, ohne auf dessen Parteilichkeit hinzuweisen.
E. Die Beweisführung in der strict products liability
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als technischen Laien nicht zu durchblickenden technischen Produkt – wie einem Kraftfahrzeug –, bei dem die Gefahr der nichtrekonstruierbaren Beschädigung als Folge des Produktversagens (durch die Produktnutzung bei hohen Geschwindigkeiten in vielfältigen Situationen) hoch ist und bei dem es eine Vielzahl möglicher Schadensursachen ohne geeignete Zeugen zur Aufklärung geben kann, erkennen die Gerichte in den USA einen Handlungsbedarf104, der über die – auch in der strict products liability angewendeten – Beweisprinzipien der Beweisführung nach Einflusssphären, des Anscheins- und Indizienbeweises und der Beweisvereitelung hinausgeht. Der Substantiierungsmaßstab zum vertraglichen breach of warranty, wonach der Beweis eines spezifischen Produktfehlers nicht notwendig ist, wurde teilweise unter Verweis auf die – beiden Anspruchsgrundlagen gemeinsame – objektbezogene Beschaffenheitsbetrachtung ohne Abstellen auf das Herstellerverhalten und Herstellerverschulden auch in die strict products liability übertragen.105 Daher wurde es als unangemessene prozessuale Last empfunden, vom Kläger die Darlegung der konkret unangemessen gefährlichen Produkteigenschaft auf der Grundlage einer detaillierten Beschreibung der Wirkungsweise des Produkts in seinen Einzelteilen und ein entsprechendes Beweisangebot zu verlangen106, insbe104 Vgl. die Beweissituation in AZ: Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 154 et seq. (1971); CA: Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 117 (1974); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363 et seq. (Okla. 1974); Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 et seq. (10th Cir. 1974); PA: Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 138 et seq. (1976); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 et seq. (W.D.Penn. 1971); ohne Beteiligung von Kraftfahrzeugen NJ: Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 435 (1972). 105 Zur Gleichstellung der strict products liability mit den Grundsätzen der breach of warranty MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 636 (8th Cir. 1972); vgl. in Pennsylvania PA: MacDougall v. Ford Motor Co., 214 Pa. Super. 384, 387 et seqq. (1969); Greco v. Bucciconi Engineering Co., 283 F. Supp. 978, 982 et seqq. (W.D.Penn. 1967): im Unterschied zum Beweis des pflichtgemäßen Herstellerverhaltens in der negligence sind die Umstände zur Produktnutzung, zur Produkthistorie seit dem Inverkehrbringen und zum schädigenden Ereignis ein tauglicher Beweis der unangemessenen Gefährlichkeit des Produkts. 106 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1183 (Ala. 1985); AZ: Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 747 et seq. (Ariz. 1984); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 154 et seq. (1971); FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 303 (Fla. App. 2007); GA: Firestone Tire & Rubber Co. v. King, 244 S. E.2d 905, 908 et seq. (Ga. App. 1978); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 747 (Ida. 1976); NJ: Moraca v. Ford Motor Co., 66 N.J. 454, 458 (1975); NY: Speller v. Sears, Roebuck and Co., 100 N.Y.2d 38, 41 (2003); Sanders v. Quikstak, Inc., 889 F. Supp. 128, 131 (S.D.N.Y. 1995); Halloran v. Virginia Chemicals Inc., 41 N.Y.2d 386, 388 (1977); ND: Schmidt v. Plains Electric, Inc., 281 N.W.2d 794, 802 (N.D. 1979); SD: Pearson v. Franklin Laboratories, Inc., 254 N.W.2d 133, 140 (S.D. 1977); TX: Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 687 (5th Cir. 1969); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 475 (2002); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:56; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment b., c.; zuletzt zurückhaltender AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 44; TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 137 (Tex. 2004): genauer Fehler muss bewiesen werden, wenn nur eine Zeugenaussage eines Laien zu den Umständen des Unfalls und keinerlei Bestätigung durch einen Fachmann vorliegt; bereits Bass v. General Motors Corp., 491 S.W.2d 941, 946 (Tex. App. 1973): nur dann Be-
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
sondere wenn sich der Produktfehler vor dem schädigenden Ereignis dem Nutzer oder Dritten gegenüber nicht manifestiert hat107 oder zum Zeitpunkt des Verlassens der Herstellersphäre lediglich angelegt oder vorhersehbar war, sich aber noch nicht zur exakt den Schaden verursachenden Weise entwickelt hatte108. Zur Legitimation einer rechtsstaatlichen Entscheidung – insbesondere wenn der Hersteller nichts zu seinen Gunsten, der Kläger aber auch nichts wesentlich Substantielles vortragen kann – müssen die Umstände, aus denen der Kläger auf einen Produktfehler schließt, mit einer über bloße theoretische Möglichkeiten, Vermutungen oder Spekulationen hinausgehenden Gewissheit bewiesen werden und die Schlussfolgerungen legitim und logisch sein.109 Die prozessuale Entlastung des Klägers von der Darlegungslast darf nicht so weit gehen, dass er lediglich vortragen muss, dass er während der Produktbenutzung verletzt wurde, da dann materiellrechtlich die strict products liability von einer Unrechtshaftung mit einem unwiderlegbar vermuteten Verschulden in eine Gefährdungshaftung mutieren würde.110 Die geringsten Anforderungen stellt die sogenannten Greco-rule, die sich jedoch in weiserleichterung, wenn das Produkt nicht mehr verfügbar oder nicht untersuchbar ist; dagegen OR: Brownell v. White Motor Corp., 490 P.2d 184, 187 (Ore. 1971): Möglichkeit der Untersuchung ist nur eine Frage des Beweiswertes, wenn der Kläger keinen spezifischen Fehler darlegt. 107 Vgl. IL: Dunham v. Vaughan & Bushnell Mfg. Co., 247 N.E.2d 401, 403 (Ill. 1969). 108 TX: Sharp v. Chrysler Corp., 432 S.W.2d 131, 136 (Tex. App. 1968). 109 MD: Tauber v. Nissan Motor Corp., 671 F. Supp. 1070, 1073 (D.Md. 1987): „Proof of a defect must arise above surmise, conjecture or speculation (…)“; vgl. auch CA: Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 978 (1997); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 678 (Iowa 1970); MO: Coulter v. Michelin Tire Corp., 622 S.W.2d 421, 427 (Mo. App. 1981); Hale v. Advance Abrasives Co., 520 S.W.2d 656, 658 (Mo. App. 1975); NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 17; Sabloff v. Yamaha Motor Co., 113 N.J. Super. 279, 287 (1971); Jakubowski v. Minnesota Mining and Mfg., 42 N.J. 177, 182 (1964); PA: Kuisis v. Baldwin-Lima-Hamilton Corp., 457 Pa. 321, 334 (1974); SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 912 et seq. (D.S.C. 1968); bereits in der negligence NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 411 (1960); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:54. 110 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1183 (Ala. 1985); AR: Crawford v. Sears Roebuck & Co., 295 F.3d 884, 885 (8th Cir. 2002); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1143 (Fla. App. 1981); GA: Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc., 616 F.2d 734, 741 (5th Cir. 1980); MD: Tauber v. Nissan Motor Corp., 671 F. Supp. 1070, 1073 et seq. (D.Md. 1987); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 591 (1974); Cintrone v. Hertz Truck Leasing & Rental Service, 45 N.J. 434, 452 et seq. (1965); ND: Schmidt v. Plains Electric, Inc., 281 N.W.2d 794, 802 (N.D. 1979); OK: Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 448 (10th Cir. 1976); Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363, 1366 (Okla. 1974); Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 (10th Cir. 1974); TX: Selig v. BMW of North America, Inc., 832 S.W.2d 95, 100 (Tex. App. 1992); Hernandez v. Nissan Motor Corp., 740 S.W.2d 894, 895 (Tex. App. 1987); Bass v. General Motors Corp., 491 S.W.2d 941, 942, 947 (Tex. App. 1973); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 246 (1973); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:54, § 30:56; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d.; LA: La. R.S. § 9:2800.54 (2011), Case Notes No. 191.
E. Die Beweisführung in der strict products liability
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den meisten Rechtsordnungen nicht durchgesetzt hat. Danach ist das Vorliegen eines Produktfehlers auch ohne Darlegung und Beweis eines spezifischen Fehlers bereits dann hinreichend substantiiert, wenn vorgetragen wird, dass das Produkt während der bestimmungsgemäßen Benutzung eine Fehlfunktion aufweist, die nicht von der normalen Abnutzung (wear and tear) verursacht sein könnte.111 Die weit überwiegende Mehrzahl der Rechtsordnungen verlangt zusätzlich, dass der Kläger die Möglichkeit einer außerhalb der Sphäre und der Kenntnis des Herstellers liegenden Schadensursache durch Darlegung und Beweisantritt zur tatsächlich erfolgten Nutzung/Bedienung verbunden mit den dabei herrschenden Bedingungen ausschließt, wozu im Wesentlichen die substantielle Identität des Produkts mit dem Zustand beim Inverkehrbringen sowie der Ausschluss einer Fehlbenutzung, eines Missbrauchs und weiterer möglicher Ursachen gehören.112 Als ausreichend wurde dabei nicht angesehen, dass Umstände vorgetragen werden, die lediglich möglicherweise vorgelegen haben, und deren haftungsbegründende Wirkung sich erst aus einer logischen Verknüpfung mit weiteren lediglich möglicherweise vorliegenden Umständen ergeben.113 Die Ergebnisse der darauf beruhenden Beweiswürdigung können einzelfallabhängig unterschiedlich sein. Während im Ausgangsfall aus den Umständen vom Kauf des Fahrzeugs bis zum Unfall geschlossen wurde, dass das Fahrzeug (wie auch immer) fehlerhaft war und dass dadurch der Unfall verursacht wurde114, erkannte bei 111 Benannt nach der Grundsatzentscheidung PA: Greco v. Bucciconi Engineering Co., 283 F. Supp. 978, 984 (W.D.Penn. 1967); daran anschließend FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1148, 1151 (Fla. App. 1981); PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 137, 140 (1976); Kuisis v. Baldwin-Lima-Hamilton Corp., 457 Pa. 321, 329 et seq., 335 (1974); Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1346 (E.D.Penn. 1974); Dennis v. Ford Motor Co., 332 F. Supp. 901, 903 (W.D.Penn. 1971); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971); MacDougall v. Ford Motor Co., 214 Pa. Super. 384, 391 (1969); mit gleichem Ergebnis LA: Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 76 (E.D.La. 1985); vgl. auch FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 303 (Fla. App. 2007): Zulassen des Beweises der Existenz der Fehlfunktion (im Gegensatz zu der aus der Fehlfunktion hergeleiteten Schlussfolgerung auf den Produktfehler) mittels expert witness abgelehnt. 112 Vgl. exemplarisch HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 731 et seq., 735 (9th Cir. 1986); Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp., 470 P.2d 240, 243 et seq. (Haw. 1970); ID: Fouche v. Chrysler Motors Corp., 103 Idaho 249, 251 (Ida. App. 1982); Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); MN: Daleiden v. The Carborundum Co., 438 F.2d 1017, 1021 et seq. (8th Cir. 1971); MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 640 (8th Cir. 1972); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 591 (1974); Cintrone v. Hertz Truck Leasing & Rental Service, 45 N.J. 434, 452 et seq. (1965); NY: Speller v. Sears, Roebuck and Co., 100 N.Y.2d 38, 41 (2003); Sanders v. Quikstak, Inc., 889 F. Supp.128, 131 (S.D.N.Y. 1995); Halloran v. Virginia Chemicals Inc., 41 N.Y.2d 386, 388 (1977); OR: Brownell v. White Motor Corp., 490 P.2d 184, 187 (Ore. 1971); TX: Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 687 (5th Cir. 1969); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:56; ausdrücklich ablehnend FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1148 fn. 16 (Fla. App. 1981). 113 TX: Bass v. General Motors Corp., 491 S.W.2d 941, 942 (Tex. App. 1973). 114 NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 et seq. (1960).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
einem ähnlichen Fall des behaupteten Versagens der Lenkung der United States District Court for the District of South Carolina, Charleston Division, im Klagebegehren keinen hinreichenden Vortrag und kein hinreichendes Beweisangebot, worin die schadensauslösende Eigenschaft des Lenkmechanismus (Material, Verarbeitung, Fehlfunktion oder normale Abnutzung) bestanden haben soll115.
II. Der prima facie case zur Schadensursächlichkeit des Produktfehlers Auch in der strict products liability muss der geschädigte Kläger hinreichende Tatsachen zur Ursächlichkeit des Produktfehlers für den geltend gemachten Schaden darlegen, aus denen sich direkt oder mittels eines circumstantial evidence mit mehr als einer bloßen Möglichkeit ergibt, dass die Produktbeschaffenheit – ggf. auch mit anderen vorhersehbaren zusätzlichen oder unterbrechenden Umständen – eine substantielle Ursache für die Verletzung war.116 Selbst wenn die Beweisführung zur Fehlerhaftigkeit möglich oder gar erfolgreich ist, etwa weil das Kraftfahrzeug untersucht werden konnte, oder wenn ein Konstruktionsfehler durch eine Untersuchung eines anderen Kraftfahrzeugs aus der gleichen Produktserie feststeht, kann dieser Nachweis für den Kläger sehr schwierig sein.117 Denn im Gegensatz zu den Tatsachen einer fehlerhaften Produktsubstanz und des Schadens ist die Kausalität ihrem Wesen nach nichts Tatsächliches, sondern eine erfahrungsbestimmte logische Verknüpfung zwischen Ursache (Produktfehler) und Wirkung (Verletzung), so dass es weder einen gegenständlichen Beweis noch eine mathematisch logische Verknüpfung gibt, auf deren Grundlage der Kläger beweisen könnte, dass ohne den Produktfehler eine
115 SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 912 et seq. (D.S.C. 1968); vgl. die ähnliche Beweiswürdigung in TX: Jack Roach-Bissonnet, Inc. v. Puskar, 417 S.W.2d 262, 270 (Tex. 1967). 116 Exemplarisch CA: Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 968 (1997); Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 312 (Cal. 1994); Bates v. John Deere Co., 148 Cal. App.3d 40, 50 (1983); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 119 (1982); IN: Newton v. G. F. Goodmann and Son, Inc., 519 F. Supp. 1301, 1306 (N.D.Ind. 1981); MD: Lohrmann v. Pittsburgh Corning Corp., 782 F.2d 1156, 1162 (4th Cir. 1986); NY: Nutting v. Ford Motor Co., 584 N.Y.S.2d 653, 658 (N.Y. App. Div. 1992); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363, 1366 (Okla. 1974); TX: AlliedSignal, Inc. v. Moran, 231 S.W.3d 16, 27 (Tex. App. 2007); Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 672 et seq. (Tex. App. 2005); WV: Blankenship v. General Motors Corp., 185 W.Va. 350, 354 (1991); in den Sekundärquellen ausführlich Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d.; TraversHodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:54; exemplarisch für ähnlichen Beweismaßstab in negligence TX: Sam White Oldsmobile Co. v. Jones Apothecary, Inc., 337 S.W.2d 834, 839 (Tex. App. 1960). 117 Illustrative NV: Ginnis v. Mapes Hotel Corp., 470 P.2d 135, 138 (Nev. 1970): „The concept of strict liability does not prove causation, nor does it trace the cause to the defendant.“; in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:54.
E. Die Beweisführung in der strict products liability
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andere (tatsächliche) Wirkung unter den gleichen Umständen und Bedingungen eingetreten wäre.118 Da die strict products liability die Ziele hat, dass das Produktrisiko über den Verkaufspreis auf alle Produktnutzer verteilt und gegenüber der negligence die Beweissituation des Klägers verbessert wird, stand außer Frage, dass eine prozessrechtliche Lösung gefunden werden musste, dass der Kläger auch dann seinen Anspruch durchsetzen kann, wenn die Umstände der Gesundheitsverletzung wissenschaftlich unbekannte oder nicht identifizierbare Elemente enthält119 oder der physische Beweis tatsächlich unmöglich ist120. Die gerichtliche Festlegung einer hinreichenden Substantiierung der anspruchsbegründenden Kausalität musste dabei das Spannungsverhältnis zwischen der prozessualen Sicherstellung der Ziele der strict products liability einerseits und der allgemeinen prozessualen Prinzipien im Deliktsrecht, wie die Begrenzung des abschreckenden Effekts der Haftung auf denjenigen, der den Eintritt des Schadens auch tatsächlich beeinflussen konnte, die Sicherstellung einer tatsächlichen Zahlungsfähigkeit des Schädigers mittels der Konzentration der Anspruchsberechtigung auf die primär, unmittelbar und vorhersehbar geschädigten Personen und die Sicherstellung der Effektivität der Gerichtsbarkeit, andererseits lösen.121 Um dieser Aufgabe in der Rechtsanwendung gerecht zu werden, wurde jedenfalls für die haftungsbegründende Kausalität bereits aus rechtslogischen Gründen abgelehnt, dass der Kläger zur Begründung einer hinreichenden Substantiierung jede denkbar mögliche alternative Schadensursache ausschließt, sondern er muss lediglich konkrete gegenständliche und substantielle Fakten122 darlegen, aus denen der Spruchkörper durch die notwendige logische und vernünftige Verknüpfung schließen kann, dass die Ursächlichkeit des Produktfehlers wahrscheinlicher ist als eine andere Verletzungsursache.123 118 Sehr instruktiv CA: Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 120 (1982): „In the ordinary case the question becomes one of what would have happened if [the product had been] otherwise. This is of course incapable of mathematical proof, and a certain element of guesswork is always involved. Proof of the relation of cause and effect can never be more than ,the projection of our habit of expecting certain consequents to follow certain antecedents merely because we have observed those sequences on previous occasions.‘“ 119 Vgl. CA: Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 976 (1997). 120 Vgl. MD: Lahocki v. Contee Sand & Gravel Co., 41 Md. App. 579, 595 et seq. (1979). 121 Vgl. allgemein IL: BCS Services, Inc. v. Heartwood 88, LLC, 637 F.3d 750, 755 et seq. (7th Cir. 2011); aufgegriffen in der deutschen Literatur in Kullmann/Pfister/Stöhr/SpindlerSchwartz/Shelley/Appel, Kz. 4510 S. 9. 122 CA: Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 969 (1997): rein theoretische Umstände nicht ausreichend. 123 Vgl. CA: Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 968 (1997); Bates v. John Deere Co., 148 Cal. App.3d 40, 50 (1983); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 121 (1982); IN: Newton v. G. F. Goodmann and Son, Inc., 519 F. Supp. 1301, 1306 (N.D.Ind. 1981); MD: Lohrmann v. Pittsburgh Corning Corp., 782 F.2d 1156, 1162 (4th Cir. 1986); MN: Daleiden v. The Carborundum Co., 438 F.2d 1017, 1022 (8th Cir. 1971); MO: Hale v. Advance Abrasives Co., 520 S.W.2d 656, 659 (Mo. App. 1975); NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 17; vgl. exemplarisch zu allgemeinen
254
Teil 4: Die Beweislast des Klägers
Eine vertiefte Analyse der Rechtsprechung zur strict products liability macht weiterhin deutlich, dass das Grundproblem der Beweisnot hinsichtlich einer kausalen Verbindung zwischen Produktfehler und Verletzung bei einem Verkehrsunfall mit einem Kraftfahrzeug bereits seit langem intensiv im Rahmen der crashworthinessFälle diskutiert und einer Lösung zugeführt wird. Da der Hersteller nur für die Verletzungen haftet, die durch die Fehlerhaftigkeit des Produkts und nicht durch die first collision verursacht wurden, muss unzweifelhaft der Kläger eine dem Wesen nach mögliche Kausalität zwischen den Verletzungen und der unangemessen gefährlichen Produkteigenschaft darlegen (proximate cause).124 Mit Verweis auf die bereits in der Begründung der strict products liability für den second impact herangezogene Argumentation, dass es für den Hersteller nicht völlig unvorhersehbar ist, dass das von ihm konstruierte und hergestellte Kraftfahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt werden könnte, kann sich der Hersteller der Haftung für die durch den Produktfehler verursachten Verletzungen nicht mit dem Einwand entziehen, dass ohne die first collision der Kläger überhaupt nicht in eine Lage gekommen wäre, durch die Gefährlichkeit des Produkts verletzt zu werden.125 Aufgrund des gesamtheitlichen Unfallereignisses lässt sich aber nachträglich schwer rekonstruieren, ob die konkreten Verletzungen des Klägers durch die first collision oder durch den second impact verursacht wurden, so dass es dem Kläger meist unmöglich ist, mehr als eine spekulative Vermutung darzulegen oder gar zu beweisen, ob und wie seine Verletzungen oder wenigstens eine Erhöhung des Verletzungsgrads kausal mit der Fehlerhaftigkeit des Produkts zusammenhängen.126 Während eine Substantiierungsregel den Verbraucherschutz der strict products liability stärker betont und das Spannungsverhältnis zugunsten des geschädigten deliktsrechtlichen Beweisgrundsätzen IL: BCS Services, Inc. v. Heartwood 88, LLC, 637 F.3d 750, 757 (7th Cir. 2011); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d. 124 Exemplarisch ID: Fouche v. Chrysler Motors Corp., 103 Idaho 249, 254 (Ida. App. 1982); LA: Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 76 (E.D.La. 1985); MD: Lahocki v. Contee Sand & Gravel Co., 41 Md. App. 579, 590 (1979); MN: Mitchell v. Volkswagenwerk AG, 669 F.2d 1199, 1203 (8th Cir. 1982); NY: Ravo v. Rogatnick, 70 N.Y.2d 305, 312 (1987); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 359 (1984); vgl. bereits in der negligence TX: Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 82 (5th Cir. 1960). 125 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1190, 1195 (Ala. 1985); zur hiermit im Zusammenhang stehenden Problematik der theory of alternative liability CA: Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 971 (1997); vgl. auch zu den Problemen der Anwendung des § 840 Abs. 1 BGB im deutschen Produkthaftungsrecht Kullmann, NJW 1994, 1698 (1702). 126 Sehr illustrativ MD: Lahocki v. Contee Sand & Gravel Co., 41 Md. App. 579, 590 (1979) „To state such a premise in this case points to its absurdity unless a (sic) plaintiff’s experts could qualify as soothsayers.“; weiterhin MN: Mitchell v. Volkswagenwerk AG, 669 F.2d 1199, 1205 (8th Cir. 1982); NY: Caiazzo v. Volkswagenwerk AG, 647 F.2d 241, 250 et seq. (2nd Cir. 1981); PA: Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1360 (M.D.Penn. 1978); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 349 (1984).
E. Die Beweisführung in der strict products liability
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Klägers auflöst, stellt eine andere Substantiierungsregel die Verknüpfung zwischen dem Schaden und der objektiven Tatbestandsmäßigkeit in den Vordergrund und löst das Spannungsverhältnis zugunsten des Herstellers auf. Nach der erstgenannten Regel haftet der Hersteller als Mitverursacher der Gesundheitsverletzung für den gesamten Schaden, wenn die unter Beweisantritt vorgetragenen Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Produktfehler substantiell geeignet war, die vom Kläger geltend gemachten Verletzungen zu verursachen, also eine Ursache (ggf. unter mehreren Ursachen) für die Verletzungen war, es sei denn, aufgrund der besonderen Umstände des Unfallhergangs, des Produktfehlers und der Verletzungen des Klägers können die Schäden zwischen den deliktischen Schuldnern (joint tortfeasor) aufgeteilt werden (apportionment of damages).127 Nach der zweiten sog. Huddell-rule ist die Verantwortlichkeit des Herstellers für die geltend gemachten Verletzungen erst dann hinreichend substantiiert, wenn der Kläger mittels einer hinreichend sicheren und offenzulegenden Methode darlegt und den Beweis antritt, welche hypothetischen Verletzungen er bei gleichem äußeren Unfallhergang bei der Benutzung eines fehlerfreien Produkts erlitten hätte.128
IV. Schlussfolgerungen zur Beweisführung im ProdHaftG Aus der Lösung des prozessualen Spannungsverhältnisses zwischen der Aufrechterhaltung der strict products liability als Unrechtshaftung (aus unwiderlegbar 127 AL: General Motors Corp. v. Edwards, 482 So.2d 1176, 1190 (Ala. 1985); ID: Fouche v. Chrysler Motors Corp., 103 Idaho 249, 253 et seq. (Ida. App. 1982); MD: Lahocki v. Contee Sand & Gravel Co., 41 Md. App. 579, 594 et seqq. (1979); MN: Mitchell v. Volkswagenwerk AG, 669 F.2d 1199, 1206 (8th Cir. 1982); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 611 (Neb. 1994); vgl. besonders WV: Blankenship v. General Motors Corp., 185 W.Va. 350, 355 (1991): die Huddell-rule ist zwar überzeugender, aber damit die Einwohner von West Virginia auch die Vorteile erhalten, die sie mit den (höheren) Versicherungsprämien finanzieren müssten, entscheidet sich das Gericht für den verbraucherfreundlichen Standard; für eine Gegenbeweispflicht des Herstellers WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 352 et seq., 357 et seqq. (1984); außerhalb von crashworthiness cases TX: Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1095 (5th Cir. 1973); außerhalb des Produkthaftungsrechts bei Schuldnermehrheit mit unteilbaren Schäden oder unterschiedlichen Verursachungsanteilen IL: BCS Services, Inc. v. Heartwood 88, LLC, 637 F.3d 750, 757 (7th Cir. 2011); NY: Ravo v. Rogatnick, 70 N.Y.2d 305, 312 et seq. (1987). 128 Grundsatzurteil NJ: Huddell v. Levin, 537 F.2d 726, 737 et seq., 740 (3rd Cir. 1976) mit Verweis auf Yetter v. Rajeski, 364 F. Supp. 105,109 (D.N.J. 1973); daran anschließend NY: Caiazzo v. Volkswagenwerk AG, 647 F.2d 241, 250 et seq. (2nd Cir. 1981): „To require proof merely of the fact of enhancement permits a jury to engage in undue speculation as to the causes of various injuries and gives a jury dangerous latitude in assigning responsibility to the defendant who appears most able to pay a plaintiff’s award.“; PA: Jeng v. Witters, 452 F. Supp. 1349, 1361 (M.D.Penn. 1978); ausdrücklich abgelehnt in MD: Lahocki v. Contee Sand & Gravel Co., 41 Md. App. 579, 590 et seqq. (1979); MN: Mitchell v. Volkswagenwerk AG, 669 F.2d 1199, 1207 et seq. (8th Cir. 1982); NE: Kudlacek v. Fiat S.p.A., 509 N.W.2d 603, 610 et seq. (Neb. 1994); WV: Blankenship v. General Motors Corp., 185 W.Va. 350, 354 et seq. (1991); WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 357 et seq. (1984).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
vermutetem Verschulden) und der Aufstellung von praktisch erfüllbaren Beweisführungsanforderungen besonders in den crashworthiness-Fällen, in denen zwar die grundsätzliche Kausalität zwischen dem Produktfehler und den Verletzungen, nicht aber der darauf beruhende Verletzungsumfang beweisbar ist, wird deutlich, dass weniger die schwerwiegende Veränderung der Beweislast, sondern vielmehr die mildere Justierung des Umfangs der Substantiierungspflicht und damit der Beweistiefe zur Rechtfertigung der gerichtlichen Überzeugung von der behaupteten Tatsache auch in den Fällen vorzugswürdig ist, in denen mangels des tauglichen Untersuchungsobjekts fraglich ist, ob ein Produktfehler vorlag oder ein Produktfehler die Ursache für den Unfall (und nicht nur die Ursache für die Verletzungen) war. Die Justierung der Substantiierungspflicht und der Beweistiefe kann dabei im deutschen Prozessrecht – wie bereits die Beweislastverteilung nach Einflusssphären – aus dem allgemeingültigen prozessualen Rechtsprinzip hergeleitet werden, dass keinem Prozessbeteiligten der Tatsachennachweis zur Erfüllung der Beweislast auferlegt werden kann, den er mangels Kenntnis oder Möglichkeit der Kenntnisnahme oder gar aufgrund tatsächlicher, technischer oder logischer Unmöglichkeit nicht erbringen kann. Der Umfang der Substantiierungspflicht hat sich also daran zu orientieren, welche Beweismittel dem Kläger zum Nachweis des Produktfehlers und der Kausalität zwischen Produktfehler und Schaden zur Verfügung stehen und welche Beweistiefe mit diesen Beweismitteln erbracht werden kann.
F. Die hinreichende Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof Das Zivilprozessrecht sieht sich der Tatsache ausgesetzt, dass die anspruchsbegründenden Umstände, die den Spruchkörper so überzeugen sollen, dass er diese als wahr unterstellt, weder zu einer absoluten Gewissheit führen können, noch jede Möglichkeit des Gegenteils ausgeschlossen werden kann.129 Der dafür notwendige subjektive mentale Zustand, der im § 286 Abs. 1 ZPO mit der „freien Überzeugung“ beschrieben wird, entzieht sich derart einer objektiven juristischen Definition, dass man sich mit den blumigen Worten behelfen muss, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erfüllt sein müsse, was dann erreicht sein soll, wenn der Spruchkörper die persönliche Gewissheit erreicht hat, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.130 Deutschen Urteilen sind jedoch schwer die Kriterien zu entnehmen, wann das Gericht diese Gewissheit als erfüllt ansieht. Dagegen enthalten Urteile zur strict products liability sehr umfangreiche Ausführungen dazu, da die Einschätzung der hinreichenden Substantiierung des Vortrags dem (Berufs-) Richter und die Einschätzung der Überzeugungskraft des dafür eingeführten Beweismittels der jury obliegen. Die Entschei129 130
Thomas/Putzo/Reichold, ZPO § 286 Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO § 286 Rn. 19. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO § 286 Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO § 286 Rn. 19.
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
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dung der jury unterliegt wiederum der vollen richterlichen Kontrolle, so dass die schriftlichen Urteilsgründe umfangreiche und detaillierte Ausführungen zu den Möglichkeiten enthalten, wie die Verletzung im Rahmen einer Produktbenutzung, der Produktfehler und die Kausalität mit hinreichender Gewissheit vom Kläger bewiesen wurden. Wie allgemein im US-amerikanischen Zivilprozessrecht131 hat der Kläger in der strict products liability den Beweis eines Produktfehlers und der kausalen Verursachung erbracht, wenn die vorgetragenen ausreichend substantiellen Beweismittel in nachvollziehbarer Weise die Schlussfolgerung zulassen, dass mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein Fehler vorgelegen und dieser den Schaden verursacht hat, als dass der Schaden durch andere Ursachen entstanden ist, für die der Hersteller nicht haften muss (preponderance of the evidence).132 Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit unterscheidet sich von der höchsten Wahrscheinlichkeit (clear and convincing evidence – anzuwenden bei punitive damages)133, von der wissenschaftlichen Sicherheit (scientific conclusion) oder gar von der Wahrscheinlichkeit unter Ausschluss vernünftiger Zweifel (beyond a reasonable doubt – anzuwenden im Strafrecht). Um dem Beweisantritt des Klägers entgegenzutreten, reicht es also nicht aus, dass der Hersteller eine mögliche Verletzungsursache außerhalb seiner Haftungssphäre aufzeigt und der geschädigte Verbraucher diese nicht ausschließen kann.134 131 Vgl. hierzu HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 574 (Haw. 1989); NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 289 (S.D.N.Y. 2008). 132 AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 48; FL: Detroit Marine Engineering, Inc. v. Maloy, 419 So.2d 687, 691 (Fla. App. 1982); IA: HawkeyeSecurity Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 678 (Iowa 1970); NJ: Huddell v. Levin, 537 F.2d 726, 740 (3rd Cir. 1976); Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 435 (1972); Sabloff v. Yamaha Motor Co., 113 N.J. Super. 279, 287 (1971); Jakubowski v. Minnesota Mining and Mfg., 42 N.J. 177, 186 (1964); PA: Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 135 (1976); Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1346 (E.D.Penn. 1974); Dennis v. Ford Motor Co., 332 F. Supp. 901, 903 (W.D.Penn. 1971); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 704 (W.D.Penn. 1971); Greco v. Bucciconi Engineering Co., 283 F. Supp. 978, 984 et seq. (W.D.Penn. 1967); SD: Pearson v. Franklin Laboratories, Inc., 254 N.W.2d 133, 140 (S.D. 1977); WI: Rennick v. Fruehauf Corp., 82 Wis.2d 793, 800 (1978); bereits in der negligence CA: North American Aviation, Inc. v. Hughes, 247 F.2d 517, 521 (9th Cir. 1957); MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 637 (8th Cir. 1972); NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 411 (1960); PA: Lewis v. United States Rubber Co., 414 Pa. 626, 631 (1964); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 725 (Tenn. 1941); TX: Sharp v. Chrysler Corp., 432 S.W.2d 131, 135 (Tex. App. 1968); vgl. in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d.; in der deutschen Literatur Zekoll, IPRax 1997, 198 (200); Marschall von Bieberstein, S. 80. 133 Vgl. hierzu in der deutschen Literatur Zekoll, IPRax 1997, 198 (200). 134 AZ: Allstate Insurance Co. v. Ford Motor Co., 2010 U.S. Dist. LEXIS 48485, p. 48; IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 678 (Iowa 1970); NJ: Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 435 (1972); Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 411 (1960); PA: Dennis v. Ford Motor Co., 332 F. Supp. 901, 903 (W.D.Penn. 1971); Greco v. Bucciconi Engineering Co., 283 F. Supp. 978, 984 et seq.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
Das im Haftungsprozess zu fordernde Maß an Überzeugung könne unterhalb der Erkenntnis der absoluten Wahrheit bleiben, die den wissenschaftlichen Diskurs bestimmt und bei der losgelöst vom Zwang der Lösung gesellschaftspolitischer, sozialer und finanzieller Probleme jeder widersprechende Einwand, der nicht widerlegt ist, gegen die Richtigkeit der wissenschaftlich-technischen These spricht, da lediglich mittels gesellschaftlicher (sozialer) Erwägungen eine verfahrensbeendende Schadenallokation zwischen widerstreitenden Parteien durchgeführt werden soll.135 Mit dieser klaren Trennung zwischen dem Maß der gerichtlichen Überzeugung und einer wissenschaftlichen Erkenntnis der absoluten Wahrheit geht einher, dass das Gericht in den Urteilsgründen die vom Kläger eingeführten Tatsachen, die für den Produktfehler und für die haftungsbegründende Kausalität sprechen, und die vom Hersteller eingeführten Tatsachen, die gegen die Haftung sprechen, abwägen muss, um festzustellen, dass der Beweis objektiv nach der Ansicht eines vernünftigen und in seinen Ansichten ausgeglichenen Menschen mit einer preponderance of the evidence als erbracht angesehen wird.136 Die Gewichtung der vorgetragenen und bewiesenen Einzeltatsachen darf dabei nicht auf einen technischen Experten zur wissenschaftlich-technischen Bewertung übertragen werden, um den Beweisführer nicht ungerechtfertigt einem absoluten wissenschaftlichen (gegenüber dem prozessualen) Wahrheitsnachweis auszusetzen.137 Das Gericht muss insoweit autonom handeln, so dass es – im Gegensatz zur weit verbreiteten Praxis in Deutschland – gerade nicht ausreicht, dass das Gericht auf eine Expertenmeinung verweist und
(W.D.Penn. 1967); TX: Sharp v. Chrysler Corp., 432 S.W.2d 131, 135 (Tex. App. 1968); WI: Rennick v. Fruehauf Corp., 82 Wis.2d 793, 800 (1978). 135 GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 312 (Ga. App. 1994); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 573 et seq. (Haw. 1989); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 678 (Iowa 1970); NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 289 et seq. (S.D.N.Y. 2008). 136 NJ: Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 432, 434 et seqq. (1972) mit Verweis auf Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 411 (1960); Sabloff v. Yamaha Motor Co., 113 N.J. Super. 279, 287 (1971); PA: Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 135 (1976); Greco v. Bucciconi Engineering Co., 283 F. Supp. 978, 985 (W.D.Penn. 1967); WI: Rennick v. Fruehauf Corp., 82 Wis.2d 793, 800 (1978); vgl. exemplarisch die Beweiswürdigung in AZ: Bailey v. Montgomery Ward and Co., 431 P.2d 108, 114 (Ariz. App. 1967); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 679 et seq. (Iowa 1970); MO: Hale v. Advance Abrasives Co., 520 S.W.2d 656, 658 et seq. (Mo. App. 1975); NJ: Jakubowski v. Minnesota Mining and Mfg., 42 N.J. 177, 185 et seq. (1964); Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1346 et seq. (E.D.Penn. 1974); bereits in der negligence PA: Lewis v. United States Rubber Co., 414 Pa. 626, 631 (1964); TX: Sharp v. Chrysler Corp., 432 S.W.2d 131, 135 (Tex. App. 1968); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d.; Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:54. 137 Hierzu sehr instruktiv die Beweiswürdigung in NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 289 et seq. (S.D.N.Y. 2008).
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
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diese ohne inhaltliche Auseinandersetzung übernimmt, weil sie überzeugend und inhaltlich widerspruchsfrei vorgetragen wurde.138 Mit der Zeit haben sich in der Ausübung dieses Abwägungsermessens einzelne Beweiswürdigungsmuster ergeben, auf die die Gerichte immer wieder zurückgreifen und die in der Praxis die Durchsetzung des materiell-rechtlichen Anspruchs aus der strict products liability vorhersehbar und nachvollziehbar ermöglichen.
I. Die Beweisregel res ipsa loquitor Als res ipsa loquitor („Die Sache spricht für sich selbst.“) wird in der strict products liability meist ein circumstantial evidence bezeichnet, bei dem der Kläger das Vorliegen des von ihm behaupteten Produktfehlers und der Ursächlichkeit desselben für seine Verletzungen daraus schließt, dass die von ihm bewiesenen Fakten aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung eine typische Folge gewisser Lebenssachverhalte sind und daher nur im Sinne seiner Beweisführung erklärt werden können.139 Die Ursprünge dieser Beweisregel liegen in der Beweisvereinfachung zum (inneren) Verschulden des Herstellers in der negligence, die auf den Erwägungen beruhte, dass die gegenüber dem Spezialwissen des Herstellers bestehende Unkenntnis des Klägers über die tatsächlichen Ursachen des Produktversagens, die technischen Produkteigenschaften und die Umstände der Produktion zugunsten des Klägers auszugleichen ist, indem geschlussfolgert wird, dass es nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei einer bewiesenen Verursachung des Unfalls durch einen der exklusiven Kontrolle des Herstellers entstammenden Umstand und nach Ausschluss von mitwirkenden Handlungen des Klägers oder eines Dritten ohne eine schuldhafte Verkehrspflichtverletzung des Herstellers zu keiner Schädigung des Klägers gekommen wäre.140 Res ipsa loquitor ist somit keine Beweislastverteilung, 138 Vgl. hierzu die sehr beachtenswerten Feststellungen in TX: Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 685 (5th Cir. 1969): „The trial court was not bound to accept the opinion of the expert witness but, rather, had a right to use his own common sense and experience and to draw all reasonable inferences from the physical facts and occurrences.“ 139 Vgl. CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 647 (1966); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1149 (Fla. App. 1981); GA: Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc., 616 F.2d 734, 741 (5th Cir. 1980); IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 647 (Ill. App. 1969); OR: Vanek v. Kirby, 450 P.2d 778, 782 (Ore. 1969); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 724 et seq. (Tenn. 1941); TX: Haddock v. Arnspiger, 793 S.W.2d 948, 950, 953 (Tex. 1990); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 475 et seq. (2002). 140 Vgl. CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 647 (1966); Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 457 et seq. (1944); CO: Trione v. Mike Wallen Standard, Inc., 902 P.2d 454, 461 (Colo. App. 1995); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1149 (Fla. App. 1981); GA: Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc., 616 F.2d 734, 739 (5th Cir. 1980); IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 647 (Ill. App. 1969); KS: Nichols v. Nold, 258 P.2d 317, 322 (Kan. 1953); NY: Lancaster Silo & Block Co. v. Northern Propane Gas Co., 427 N.Y.S.2d 1009, 1016 (N.Y. App. Div. 1980); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sul-
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
sondern lediglich eine Beweiswürdigungsregel zur Ermittlung der Wahrhaftigkeit des Parteivorbringens, ob der circumstantial evidence aufgrund einer logischen Verknüpfung auf der Grundlage der allgemeinen Lebenserfahrung eine preponderance of evidence begründet, selbst wenn der Beweisführer nicht alle (weniger gewichtigen) widersprechenden Umstände ausgeschlossen hat.141 Die Gründe, die der Beweislastumkehr in der Hühnerpestentscheidung des BGH zu Grunde lagen142, führten also lediglich zu einer Beweiswürdigungsregel, so dass es de jure bis zur Erfüllung der res ipsa loquitor bei der Beweislast des Klägers verbleibt, die jedoch dann vom Hersteller als Beweislastumkehr empfunden werden kann, wenn er als Replik auf das klägerische Vorbringen keine für ihn sprechenden Umstände darlegen kann143. Derartige für ihn sprechende Umstände können, neben einem Angriff auf die Glaubwürdigkeit des vom Kläger vorgelegten Materials144, sein, dass der Kläger das Produkt bereits vorher mehrmalig und regelmäßig (nicht nur einmalig oder vereinzelt) in einer von ihm nicht vorhersehbaren gefährlichen Art und Weise genutzt hat (so dass geschlossen werden kann, dass dies auch im schädigenden Zeitpunkt geschah)145 oder dass das Produkt durch ein anderes Objekt oder durch einen Dritten
livan, 158 S.W.2d 721, 724 et seq. (Tenn. 1941); TX: Haddock v. Arnspiger, 793 S.W.2d 948, 950, 953 (Tex. 1990); Hernandez v. Nissan Motor Corp., 740 S.W.2d 894, 895 (Tex. App. 1987); Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 81 (5th Cir. 1960); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 476 (2002); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (192). 141 Vgl. CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 458 (1944); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 733 (9th Cir. 1986); TX: Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 81 et seq. (5th Cir. 1960). 142 Vgl. hierzu die Begründung in BGH NJW 1969, 269 (274): „Jedoch hängt die Möglichkeit dieses Nachweises der subjektiven Voraussetzungen erheblich davon ab, inwieweit der Geschädigte den objektiven Geschehensablauf in seinen Einzelheiten aufklären kann. Das aber ist vor allem dann mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft, wenn es um Vorgänge geht, die sich bei der Herstellung des Produkts im Betriebe abgespielt haben. (…) Infolgedessen kann der Hersteller dann, wenn es um Schäden geht, die aus dem Gefahrenbereich seines Betriebes erwachsen sind, noch nicht dadurch als entlastet angesehen werden, daß (sic) er Möglichkeiten aufzeigt, nach denen der Fehler des Produkts auch ohne ein in seinem Organisationsbereich liegendes Verschulden entstanden sein kann. Dies gebieten in den Fällen der Produzentenhaftung die schutzbedürftigen Interessen des Geschädigten – gleich ob Endabnehmer, Benutzer oder Dritter; (sic) andererseits erlauben es die schutzwürdigen Interessen des Produzenten, von ihm den Nachweis seiner Schuldlosigkeit zu verlangen.“ 143 Vgl. FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1151 (Fla. App. 1981); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 732 (9th Cir. 1986); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 725 (Tenn. 1941); WI: Rennick v. Fruehauf Corp., 82 Wis.2d 793, 800 (1978); vgl. dazu die Interpretation in der deutschen Literatur durch Zoller, S. 226. 144 IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 653 (Ill. App. 1969); vgl. auch FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 302 et seq. (Fla. App. 2007) und die Beweisführung des Beklagten in HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 734 et seq. (9th Cir. 1986); mit Verweis auf die Möglichkeiten der discovery OR: Vanek v. Kirby, 450 P.2d 778, 783 (Ore. 1969). 145 NY: Halloran v. Virginia Chemicals Inc., 41 N.Y.2d 386, 389 et seqq. (1977).
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
261
vorher beschädigt wurde.146 Mit einer Beschränkung auf die Beweiswürdigung soll mit Blick auf die Prozessfairness auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass auch der Hersteller hinsichtlich der nach dem Verlassen seines Herrschaftsbereichs entstandenen und damit nicht seinem Verschulden zuzurechnenden, möglicherweise schadenverursachenden Umstände mangels Kenntnis und Möglichkeit der Kenntnisnahme einen Beweisnotstand hat.147 Ein Vergleich der Rechtsprechung zur res ipsa loquitor mit der Rechtsanwendung zum deutschen Anscheinsbeweis macht deutlich, dass aufgrund der erheblichen Unterschiede in der Herleitung und der viel höheren Anforderungen an eine Erschütterung der Vermutungswirkung in der res ipsa loquitor eine Gleichsetzung beider wenigstens missverständlich, jedoch eher unzutreffend ist.148 Es reicht gerade nicht – wie beim Anscheinsbeweis – aus, dass der Hersteller lediglich minimale alternative Verletzungsursachen aufzeigt, sondern er muss im Regelfall eine prozessuale Beweissituation schaffen, die die Verletzungsursachen außerhalb seiner Sphäre als wahrscheinlicher erscheinen lassen als einen Produktfehler.149 Daher ist die Vorstellung des LG Berlin zum standard of proof im US-amerikanischen Deliktsrecht, dass in der strict products liability der positive Fehlerbeweis allein durch denkbare Anhaltspunkte geführt werden könne, falsch und lässt sich nur mit einer fehlerhaften Gleichsetzung der res ipsa loquitor mit dem deutschen Anscheinsbeweis unter Außerachtlassung der notwendigen Qualität der Beweismittel im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit erklären.150
146
Vgl. PA: McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971). IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 653 (Ill. App. 1969); OR: Vanek v. Kirby, 450 P.2d 778, 783 (Ore. 1969); a.A. FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1151 (Fla. App. 1981): der Hersteller ist in einer besseren Lage als der Geschädigte, das Produkt zu untersuchen, um festzustellen, ob ein Fehler vorgelegen hat und wann dieser vor dem Besitz des Geschädigten entstanden ist. 148 A.A. – ohne jedoch auf die relativ einfache Erschütterung des Anscheinsbeweises durch einen Gegenbeweis einzugehen – Zoller, S. 226 f.: res ipsa loquitor ist dem Anscheinsbeweis vergleichbar; einschränkend Hollmann, RIW 1988, 81 (82): Ähnlichkeit. 149 Vgl. FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1151 (Fla. App. 1981); NY: Speller v. Sears, Roebuck and Co., 100 N.Y.2d 38, 44 (2003), den Entscheidungen (mit weniger Präzedenzwirkung) Sanders v. Quikstak, Inc., 889 F. Supp.128, 132 fn. 5 (S.D.N.Y. 1995) und Winckel v. Atlantic Rentals & Sales, Inc., 557 N.Y.S.2d 951, 953 (N.Y. App. Div. 1990) widersprechend. 150 LG Berlin RIW 1989, 988 (989), verbunden mit der Feststellung eines Verstoßes gegen die Grundvorstellungen des deutschen Haftungs- und Versicherungsrechts und damit gegen den ordre public aufgrund eines schwerwiegenden Eingriffs in das Eigentumsrecht und in das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. 147
262
Teil 4: Die Beweislast des Klägers
II. Die Übertragung der res ipsa loquitor auf den Fehlerund Kausalitätsbeweis Bereits in der negligence wurden die Grundsätze der res ipsa loquitor vom Verschuldensbeweis auch auf den Beweis der Verkehrspflichtverletzung und der haftungsbegründenden Kausalität übertragen, falls die tatsächliche Ursache vom Hersteller, nicht aber vom geschädigten Verbraucher ermittelt werden konnte, so dass es ausreichte nachzuweisen, dass der Produktfehler im ausschließlichen Herrschaftsbereich des Herstellers verursacht wurde.151 Dies wurde mit der faktisch unmöglichen Beweisführung des weit von der deliktischen Verkehrspflichtverletzung entfernten Klägers begründet, der in einer industriellen Massenproduktion mit gut gehüteten Betriebsgeheimnissen, flankierenden und die kritiklose Nutzung bewirkenden Werbe- und Marketingmaßnahmen, großen Absatzmärkten und riesigen Vertriebswegen die Ursache eines Produktfehlers nicht erkunden kann.152 Da diese prozessuale Regel das Prinzip einer objektbezogenen Fehlerbestimmung nicht tangiere, wurde diese Beweiswürdigungsregel für den circumstantial evidence in der strict products liability bei einer unmöglichen direkten Beweisführung zur Existenz eines Produktfehlers und der Ursächlichkeit des Produktfehlers für die Verletzung aufgrund einer fehlenden Untersuchbarkeit des Gegenstandes oder der Nichtgegenständlichkeit des Fehlers mit der Bezeichnung „res ipsa loquitor“ adaptiert, auch wenn sie eigentlich rechtssystematisch nicht korrekt ist.153 So kann im Einzelfall aus einer (bewiesenen) Fehlfunktion des Produkts eine preponderance of the evidence für das Vorliegen (irgend)eines Produktfehlers angenommen werden, falls nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein fehlerfreies Produkt diese Fehlfunktion nicht aufweist.154 Dafür muss vom Kläger mit einem preponderance of the evidence der 151
HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 735 (9th Cir. 1986); KS: Nichols v. Nold, 258 P.2d 317, 322 (Kan. 1953); OR: Vanek v. Kirby, 450 P.2d 778, 782 (Ore. 1969); TN: CocaCola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 726 (Tenn. 1941); TX: Sam White Oldsmobile Co. v. Jones Apothecary, Inc., 337 S.W.2d 834, 839 et seqq. (Tex. App. 1960); Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 81et seq. (5th Cir. 1960). 152 TX: Sam White Oldsmobile Co. v. Jones Apothecary, Inc., 337 S.W.2d 834, 840 et seq. (Tex. App. 1960); Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 81 et seq. (5th Cir. 1960); vgl. dazu auch die allgemeine detaillierte Problembeschreibung in CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 463, 467 (1944), conc., Traynor, J. 153 FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 302 (Fla. App. 2007); Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1149 (Fla. App. 1981); NJ: Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 435 et seq. (1972); TX: Hernandez v. Nissan Motor Corp., 740 S.W.2d 894, 895 (Tex. App. 1987); Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 124 (Tex. App. 1967); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment a. 154 AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 905 (Ariz. App. 1990); AR: Crawford v. Sears Roebuck & Co., 295 F.3d 884, 886 (8th Cir. 2002); FL: Ainsworth v. KLI, Inc., 967 So.2d 296, 302 (Fla. App. 2007); Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1149 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 747 et seq. (Ida. 1976); MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 637 et seq. (8th Cir. 1972); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 (1974); NY: Winckel v. Atlantic Rentals & Sales, Inc.,
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
263
Beweis erbracht werden, dass der Produktfehler in der Sphäre des Herstellers, also vor der Inverkehrgabe, entstanden ist.155 Am komfortabelsten war die Situation des Klägers nach der sogenannten Grecorule in Pennsylvania, wonach der Kläger in seiner Beweislast nicht verpflichtet war, über die aus der nachgewiesenen Fehlfunktion geschlossene Verletzungsursache eines Produktfehlers hinaus möglicherweise in Frage kommende alternative Ursachen für das Unfallereignis auszuschließen.156 Der Hersteller konnte aber versuchen, den Beweis des Klägers damit zu erschüttern, dass das Produkt seit der Inbesitznahme von mehreren Personen (unfallfrei) benutzt wurde sowie eine längere Zeitspanne zwischen der Inverkehrgabe und dem Unfall vorlag, so dass die allgemeine Lebenserfahrung gegen das Vorliegen des Produktfehlers zum Zeitpunkt des Verlassens der Herstellersphäre spreche.157 Die meisten Rechtsordnungen verlangten dafür ein Mehr an Nachweis durch den Kläger. Im Falle eines behaupteten Fehlers in der Konstruktion des Produkts kann der Kläger relativ einfach dessen Existenz zum Zeitpunkt des Verlassens der Herstellersphäre anhand von fabrikneuen Produkten der gleichen Serie mit denselben Konstruktionsmerkmalen führen.158 Dagegen ist es bei herstellungsbedingten Feh557 N.Y.S.2d 951, 953 (N.Y. App. Div. 1990); ND: Schmidt v. Plains Electric, Inc., 281 N.W.2d 794, 802 (N.D. 1979); PA: Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 140 (1976); TX: Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 687 (5th Cir. 1969); Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 123 (Tex. App. 1967); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 475 (2002); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Comment b.; l. c., § 3, Comment b.; Anwendbarkeit des § 3 offen gelassen in TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 601 et seq. (Tex. 2004); in der deutschen Literatur Hoechst, S. 78. 155 Exemplarisch HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 732 (9th Cir. 1986); NJ: Huddell v. Levin, 537 F.2d 726, 740 (3rd Cir. 1976); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363 (Okla. 1974); PA: Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1346 (E.D.Penn. 1974); TX: Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 124 (Tex. App. 1967); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d.; in der deutschen Literatur unreflektiert die aus der negligence entstammenden Voraussetzungen repetierend Hoechst, S. 79. 156 PA: Greco v. Bucciconi Engineering Co., 283 F. Supp. 978, 984 (W.D.Penn. 1967): „The plaintiff is not obliged to negate alternative grounds of causation.“; daran anschließend Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 135 et seqq., 140 (1976); Kuisis v. Baldwin-LimaHamilton Corp., 457 Pa. 321, 329 (1974); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971). 157 Vgl. OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363 (Okla. 1974); bereits in der negligence CA: Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 458 (1944); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 725 (Tenn. 1941); TX: Dement v. OlinMathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 82 et seq. (5th Cir. 1960). 158 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 128 (1985); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); NJ: Huddell v. Levin, 537 F.2d 726, 740 (3rd Cir. 1976); vgl. auch die Beweisführung in TX: Williams v. General Motors Corp., 501 S.W.2d 930, 937 et seq. (Tex. App. 1973).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
lern in den meisten Fällen unmöglich, diesen direkten Beweis zu führen, da diese in den Produkten vor der Fehlfunktion meist nur latent und nicht wahrnehmbar sind (sonst wären die Produkte ausgesondert worden) und da der Vergleich mit Produkten der gleichen Serie keine logische Schlussfolgerung auf die Existenz des Fehlers rechtfertigt.159 Wenn jedoch der Kläger den circumstantial evidence führte, dass das Produkt direkt vom Hersteller zum Verbraucher geliefert wurde160, dass das Produkt den Benutzer in einer versiegelten Verpackung des Herstellers erreichte – so dass Dritte keinen Einfluss auf das Produkt hatten161 – oder dass das unangemessen gefährliche Einzelteil physisch derart in das Gesamtprodukt integriert ist, dass der Fehler bereits bei der Inverkehrgabe vorgelegen haben musste162, wurde mit einer preponderance of the evidence angenommen, dass der Hersteller zum Zeitpunkt der Verursachung des Produktfehlers die ausschließliche Kontrolle am Produkt hatte und dass die fehlerhaften Produkteigenschaften sich bis zum Unfallereignis nicht geändert haben konnten.163 War es dem Kläger nicht möglich, anhand derartiger konkreter Umstände einen Ausschlussbeweis zu führen, wurde dem Kläger, ohne klar zwischen dem allgemeinen Fehlerbeweis und dem Beweis der Fehlerhaftigkeit zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe zu unterscheiden, die Möglichkeit eröffnet, im Wege einer negativen Beweisführung andere (als einen Produktfehler) denkbare und seiner Kenntnis seit der Inbesitznahme zugängliche Ursachen für die Schadensverursachung auszuschließen, wozu insbesondere ein dem Hersteller nicht zurechenbares Fehlverhalten des Nutzers oder eines Dritten im Umgang mit dem Produkt oder andere sekundäre Ursachen der Fehlfunktion, wie die normale Abnutzung, eine anderweitige Beschädigung oder eine wesentliche Veränderung, gehören.164 Auch 159 Exemplarisch die Beweiswürdigung in IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 647 et seq. (Ill. App. 1969); TX: Darryl v. Ford Motor Co., 440 S.W.2d 630, 632 (Tex. 1969). 160 TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 725 (Tenn. 1941). 161 OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1365 (Okla. 1974); TN: CocaCola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 725 (Tenn. 1941); TX: Darryl v. Ford Motor Co., 440 S.W.2d 630, 632 (Tex. 1969). 162 FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 679 et seq. (Iowa 1970); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1365 (Okla. 1974); PA: Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1347 (E.D.Penn. 1974); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 725 (Tenn. 1941); TX: Sharp v. Chrysler Corp., 432 S.W.2d 131, 136 (Tex. App. 1968). 163 CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 648 (1966); Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno, 24 Cal.2d 453, 458 (1944); TX: Sharp v. Chrysler Corp., 432 S.W.2d 131, 136 (Tex. App. 1968); Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 124 et seq. (Tex. App. 1967). 164 AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 905 (Ariz. App. 1990); Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 748 (Ariz. 1984); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); Bailey v. Montgomery Ward and Co., 431 P.2d 108, 113 et seq. (Ariz. App. 1967); AR: Crawford v. Sears Roebuck & Co., 295 F.3d 884, 886 (8th Cir. 2002); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1148 fn. 14 (Fla. App. 1981); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 732, 735 (9th Cir. 1986); Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp., 470 P.2d 240, 243 et seq. (Haw. 1970); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); MO: Lindsay v.
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
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dieser Negativbeweis muss lediglich mit einem preponderance of the evidence erbracht werden, so dass nicht zwingend alle denkbaren Gründe ausgeschlossen sein müssen, und kann daher bereits erfolgreich sein, sobald alle an vernünftigen Erwägungen orientierten Ursachenhypothesen aus der Eigenart des Produkts und damit auch aus Erfahrungen mit ähnlichen Produkten oder Produktnutzungen oder mit vergleichbaren Unfallabläufen das Vorliegen eines Produktfehlers wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Vorliegen einer Fehlerfreiheit.165 Aus dem Vorliegen einer Fehlfunktion und unter Ausschluss aller nicht der Produkthaftung zuzuordnenden Verletzungsursachen kann mit großen Erfolgsaussichten dann das erforderliche Maß an prozessualer Wahrscheinlichkeit erreicht werden, wenn es sich um simple Produkte oder um Produkte mit simpler Bedienung handelt oder wenn der Produktnutzer zum Zeitpunkt der Verletzung passiv war und daher durch eigenes gefährliches Verhalten keine Einwirkung auf die Produktfunktion hatte.166 Wenn jedoch – wie bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen – komplizierte und komplexe Produkte involviert sind, bei denen der Nutzer durch die Art und Weise seiner Handlung und der Besitzer durch die Wartung und Reparatur erheblichen Einfluss auf nachträgliche gefahrenerhöhende Umstände haben, kann sich der Kläger nur in seltenen Fällen auf eine Schlussfolgerung berufen, dass aufgrund einer allgemeinen Lebenserfahrung sich aus den Umständen des Unfalls ergäbe, dass McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 637 et seq. (8th Cir. 1972); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 591, 594 (1974); Jakubowski v. Minnesota Mining and Mfg., 42 N.J. 177, 184 (1964); Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 et seq. (1960); NY: Sanders v. Quikstak, Inc., 889 F. Supp.128, 131 (S.D.N.Y. 1995); OR: Brownell v. White Motor Corp., 490 P.2d 184, 187 (Ore. 1971); TX: Williams v. General Motors Corp., 501 S.W.2d 930, 937 (Tex. App. 1973); Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 687 (5th Cir. 1969); Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart, 423 S.W.2d 118, 123 (Tex. App. 1967); Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 83 (5th Cir. 1960); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 475 et seq. (2002); WI: Rennick v. Fruehauf Corp., 82 Wis.2d 793, 800 (1978); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:27, § 30:55; in der deutschen Literatur Hoechst, S. 79; Marschall von Bieberstein, S. 80 f. 165 AZ: Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 748 (Ariz. 1984); CA: Gherna v. Ford Motor Co., 246 Cal. App.2d 639, 648 (1966); HI: Jenkins v. Whittaker Corp., 785 F.2d 720, 735 (9th Cir. 1986); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 749 (Ida. 1976); LA: Pawlak v. Brown, 430 So.2d 1346, 1351 (La. App. 1983); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 et seq. (1974); Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co., 60 N.J. 425, 431, 436 (1972); Jakubowski v. Minnesota Mining and Mfg., 42 N.J. 177, 184 et seqq. (1964); ND: Schmidt v. Plains Electric, Inc., 281 N.W.2d 794, 802 (N.D. 1979); TN: Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan, 158 S.W.2d 721, 726 et seq. (Tenn. 1941); TX: Sam White Oldsmobile Co. v. Jones Apothecary, Inc., 337 S.W.2d 834, 839 (Tex. App. 1960); Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 82 (5th Cir. 1960); WI: Rennick v. Fruehauf Corp., 82 Wis.2d 793, 800 (1978); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:55; Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d. 166 FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); vgl. auch die Beweiswürdigung in WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 246, 249 (1973).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
dieser nur aufgrund eines Produktfehlers eingetreten sein könnte.167 Die res ipsa loquitor allein hilft der Klägerin im Ausgangsfall also auch nicht prozessual entscheidend weiter, ihren materiell-rechtlichen Anspruch aus der strict products liability durchzusetzen.
III. Die Beweiswürdigung bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen Da die strict products liability gerade für die vereinfachte Durchsetzung von Haftungsansprüchen aufgrund der Verletzung durch ein komplexes industrielles Massenprodukt (wie ein Kraftfahrzeug) geschaffen wurde, sah man es als nicht hinnehmbar an, dass eine gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche bei einer nicht reproduzierbaren Zerstörung des Fahrzeugs oder bei einem nichtgegenständlichen Fehler versagt werden muss, weil gegen die Anwendung der res ipsa loquitor eine signifikante Möglichkeit des Einflusses des Fahrverhaltens und der Wartung des Fahrzeugs auf die Schadensverursachung spricht.168 Daher wurde in gleichen oder vergleichbaren Situationen unter Anwendung der Grundsätze des circumstantial evidence mit der Implementierung der res ipsa loquitor die Durchsetzung der Ansprüche aus der strict products liability mit der Beweisführung ermöglicht, aus dem Fehlen jeglicher Anhaltspunkte, dass die Straßenverhältnisse oder die Fahrweise des Klägers den Unfall verursacht hätten, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf zu schließen, dass das Vorliegen eines Produktfehlers (im Ausgangsfall eines Defektes in der Lenkung) die Ursache für den Unfall war.169 Um den prozessualen Ausgleich zwischen einer realistischen Möglichkeit einer Beweisführung durch den Kläger und dem Vermeiden einer uferlosen Haftung des Herstellers zu gewährleisten, wurde eine Argumentationspalette entwickelt. So kann der Kläger dem Gericht alle relevanten Umstände zu seinen Gunsten präsentieren, die die Wahrheitsfindung wahrscheinlicher machen – auch wenn sie isoliert betrachtet wenig eindeutige Ergebnisse begründen könnten170 oder gar sich 167 FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1364 (Okla. 1974); vgl. die Beweiswürdigung in NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 599 (1974); PA: Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 141 et seq. (1976); TX: Darryl v. Ford Motor Co., 440 S.W.2d 630, 632 (Tex. 1969); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 475 et seq. (2002). 168 Sehr eindringlich FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1148 fn. 16, 1149 (Fla. App. 1981); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 604 (1974), diss., Pashman, J.; TX: Darryl v. Ford Motor Co., 440 S.W.2d 630, 632 (Tex. 1969). 169 NJ: Moraca v. Ford Motor Co., 66 N.J. 454, 460 (1975); Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 et seqq. (1960); TX: Williams v. General Motors Corp., 501 S.W.2d 930, 938 (Tex. App. 1973); ohne Kraftfahrzeugbeteiligung Franks v. National Dairy Products Corp., 414 F.2d 682, 687 (5th Cir. 1969). 170 AZ: Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 747 (Ariz. 1984); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); vgl. auch die zugelassenen Beweise in NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 19 et seq.
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
267
deren Entscheidungserheblichkeit lediglich aus dem rechtspolitischen Ziel der strict products liability, den Hersteller vor dem weiteren Vertrieb unangemessen gefährlicher Produkte zur eigenen Profitsteigerung abzuhalten, ergeben könnte171 –, solange sie das Gericht nicht mittels emotionaler oder sonstiger subjektiver unsachlicher Umstände beeinflussen (wie Sympathien, Humor, Anregung des Instinkts zur Bestrafung etc.).172 Konkret wurden folgende Umstände einzeln oder in unterschiedlichen Zusammensetzungen zur Begründung einer hinreichenden Überzeugung vom Vorliegen eines Produktfehlers oder einer haftungsbegründenden Kausalität herangezogen, ohne dass das Vorliegen der Tatsachen zwingend zu einem Abwägungsergebnis im Sinne einer preponderance of the evidence führte:173 1.
die Zeitspanne seit dem Inverkehrbringen des schadenverursachenden Produkts,174
2.
die Dauer der Produktnutzung,175
171 So sehr weitgehend die Audi 5000-Entscheidung NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 18 et seq., hinsichtlich einer angeblich zu langsamen und nicht ausreichend umfangreichen Rückrufaktion wegen eines angeblich fehlerhaften Gaspedals. 172 AZ: Rocky Mountain Fire and Casualty Co. v. Biddulph Oldsmobile, 640 P.2d 851, 854 (Ariz. 1982); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); KY: Rye v. Black & Decker Mfg. Co., 889 F.2d 100, 103 (6th Cir. 1989); WI: Bittner v. American Honda Motor Co., 194 Wis.2d 122, 147 et seq. (1995). 173 IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 681 (Iowa 1970); MO: Lindsay v. McDonnell Douglas Aircraft Corp., 460 F.2d 631, 640 (8th Cir. 1972). 174 AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 905 (Ariz. App. 1990); Rocky Mountain Fire and Casualty Co. v. Biddulph Oldsmobile, 640 P.2d 851, 854 (Ariz. 1982); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 681 (Iowa 1970); NJ: Moraca v. Ford Motor Co., 66 N.J. 454, 462 (1975), conc., Pashman, J.; Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 (1974); Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 et seq. (1960); OH: American Motors Corp. v. Mosier, 414 F.2d 34, 36 (5th Cir. 1969); OR: Tucker v. Unit Crane & Shovel Corp., 256 Ore. 318, 321 (1970); PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); Kuisis v. Baldwin-LimaHamilton Corp., 457 Pa. 321, 336 (1974); TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 601 et seq. (Tex. 2004); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 248 (1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d.; vgl. zur allgemeinen Schlussfolgerung aufgrund der Zeitspanne zwischen zwei bewiesenen Handlungen USCS Fed Rules Evid R 702 (2011), Commentary by Stephen A. Saltzburg, Daniel J. Capra, and Michael M. Martin; in der deutschen Literatur Hoechst, S. 83. 175 AZ: Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 748 (Ariz. 1984); Rocky Mountain Fire and Casualty Co. v. Biddulph Oldsmobile, 640 P.2d 851, 854 (Ariz. 1982); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 679 (Iowa 1970); NJ: Moraca v. Ford Motor Co., 66 N.J. 454, 462 (1975), conc., Pashman, J.; Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 (1974); Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 (1960); OH: American Motors Corp. v. Mosier, 414 F.2d 34, 36 (5th
268
Teil 4: Die Beweislast des Klägers
3.
die Art und Intensität der Produktnutzung sowie bekannte Fehlnutzungen und Fehlfunktionen, soweit diese nicht so unmittelbar mit dem schädigenden Ereignis verbunden sind, dass bereits materiell-rechtlich ein Produktfehler oder das Beruhen des Schadens auf dem Produktfehler ausgeschlossen ist,176
4.
der Wartungs- und Reparaturstatus des zerstörten Produkts,177
5.
die dem Produkt immanente (und vom Verbraucher zu erwartende) Nutzungsdauer,178
6.
die Unveränderbarkeit des streitgegenständlichen Produkts aufgrund der technischen Gegebenheiten (zugunsten des Klägers) bzw. die nach der Inverkehrgabe am streitgegenständlichen Produkt vorgenommenen Veränderungen (zugunsten des Herstellers), welche irgendeine Verbindung mit dem schädigenden
Cir. 1969); OK: Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 (10th Cir. 1974); OR: Tucker v. Unit Crane & Shovel Corp., 256 Ore. 318, 320 et seq. (1970); PA: Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 140 et seq. (1976); Kuisis v. Baldwin-Lima-Hamilton Corp., 457 Pa. 321, 335 et seq. (1974); Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1347 (E.D.Penn. 1974); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971); SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 911 (D.S.C. 1968); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 248 (1973); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 476 (2002). 176 AZ: Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 748 (Ariz. 1984); Rocky Mountain Fire and Casualty Co. v. Biddulph Oldsmobile, 640 P.2d 851, 854 (Ariz. 1982); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 679, 681 (Iowa 1970); NJ: Moraca v. Ford Motor Co., 66 N.J. 454, 462 (1975), conc., Pashman, J.; Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 (1974); OH: American Motors Corp. v. Mosier, 414 F.2d 34, 37 (5th Cir. 1969); OK: Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 (10th Cir. 1974); PA: McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971); SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 911 (D.S.C. 1968); TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 602 (Tex. 2004); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 248 (1973); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 476 (2002); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d. 177 AZ: Mineer v. Atlas Tire Co., 806 P.2d 904, 905 et seq. (Ariz. App. 1990); Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 748 (Ariz. 1984); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 679 (Iowa 1970); NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 (1974); Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 (1960); OH: American Motors Corp. v. Mosier, 414 F.2d 34, 37 (5th Cir. 1969); PA: Kuisis v. Baldwin-LimaHamilton Corp., 457 Pa. 321, 335 (1974); Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1347 (E.D.Penn. 1974); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971); TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 601 (Tex. 2004); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 248 (1973); WV: Beatty v. Ford Motor Co., 212 W.Va. 471, 476 (2002). 178 FL: Cassisi v. Maytag Co., 396 So.2d 1140, 1152 (Fla. App. 1981); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); NJ: Moraca v. Ford Motor Co., 66 N.J. 454, 462 (1975), conc., Pashman, J.; Scanlon v. General Motors Corporation, 65 N.J. 582, 593 (1974); PA: Kuisis v. Baldwin-Lima-Hamilton Corp., 457 Pa. 321, 336 (1974); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 704 (W.D.Penn. 1971).
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
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Ereignis aufweisen könnten, soweit diese nicht so unmittelbar mit dem schädigenden Ereignis verbunden sind, dass bereits materiell-rechtlich ein Produktfehler oder das Beruhen des Schadens auf dem Produktfehler ausgeschlossen ist,179 7.
die Kenntnis über negative Produktwirkungen bevor das streitgegenständliche Produkt konstruiert und hergestellt wurde,180
8.
die zwischenzeitliche lückenlose Nutzung und Funktionsfähigkeit des Produkts seit dem Kauf als neues Produkt,181
9.
die Verwendbarkeit, Austauschbarkeit und (ggf. auch fehlerhafte) Verwendung des angeblich defekten Einzelteils in anderen Produkten und die Bewährung in diesen Produkten,182
10. eventuelle Rückrufaktionen (Ob und Wie) vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis und nach der Kenntnis von einem Produktfehler,183 11. eventuelle interne Dokumente des Herstellers oder Dokumente von Aufsichtsund Genehmigungsbehörden,184 12. die Erfahrungen mit Fehlfunktionen oder mit (vom Hersteller vermeidbaren und ihm bekannten) unwillkürlichen Fehlbedienungen in der Vergangenheit vor dem Unfall,185
179 AZ: Dietz v. Waller, 685 P.2d 744, 748 (Ariz. 1984); Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971); ID: Farmer v. International Harvester Co., 97 Idaho 742, 748 (Ida. 1976); IA: Hawkeye-Security Insurance Co. v. Ford Motor Co., 174 N.W.2d 672, 680 (Iowa 1970); PA: Clarke v. Brockway Motor Trucks, 372 F. Supp. 1342, 1347 (E.D.Penn. 1974); Dennis v. Ford Motor Co., 332 F. Supp. 901, 903 et seq. (W.D.Penn. 1971); TX: Ford Motor Co. v. Ridgway, 135 S.W.3d 598, 601 et seq. (Tex. 2004); WA: Bombardi v. Pochel’s Appliance and TV Co., 10 Wn. App. 243, 248 et seq. (1973); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 3, Comment d. 180 PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); in den Sekundärquellen TX: Tex. Civ. Prac. & Rem. Code § 82.005 (2010), Case Notes No. 19. 181 AZ: Rocky Mountain Fire and Casualty Co. v. Biddulph Oldsmobile, 640 P.2d 851, 854 (Ariz. 1982); NJ: Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc., 32 N.J. 358, 409 et seq. (1960); OH: American Motors Corp. v. Mosier, 414 F.2d 34, 37 (5th Cir. 1969); SC: Brown v. Ford Motor Co., 287 F. Supp. 906, 911 (D.S.C. 1968). 182 AZ: Reader v. General Motors Corp., 107 Ariz. 149, 155 (1971). 183 NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 18 et seq. 184 NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 20; in der deutschen Literatur von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (191). 185 NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 19 et seq.; vgl. aber TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 140, 142 (Tex. 2004): kein Beweiswert aus Existenz von Beschwerden – im Gegensatz zu den Ergebnissen der dadurch bewirkten Nachforschungen – herleitbar.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
13. die Anfälligkeit des streitgegenständlichen Produkts im Vergleich zu anderen vergleichbaren Produkten (ähnliche Unfälle oder Ausbleiben dergleichen),186 14. das Qualitätsniveau des streitgegenständlichen Produkts,187 15. die Verwendung von notwendigem oder empfohlenem Zubehör, insbesondere Sicherheitseinrichtungen,188 16. die Qualitätskontrollen des Herstellers189 und 17. die Unfallfolgen, wie Art der Beschädigung und Lage der beschädigten Gegenstände nach dem Unfall sowie Art und Umfang der Verletzungen.190 Auch wenn die rechtspolitisch unerwünschte Gefahr gesehen wurde, dass der Hersteller zur Vermeidung von prozessualen Nachteilen von Verbesserungen und Reparaturen seines Produkts abgehalten werden könnte191, wurde teilweise – anders als in der ausdrücklichen Beweisführungsregel des § 3 Abs. 2 ProdHaftG – zugunsten des Klägers die Indizienbeweisführung zugelassen, dass der Hersteller das Produkt nachträglich konstruktiv verändert hat, mit dem Produkt also vor der Änderung irgendetwas nicht stimmte.192 Weiterhin wurde es dem Kläger ermöglicht, durch Verweis auf – nach den äußeren Umständen und den Kausalzusammenhängen – substantiell ähnliche (nicht notwendigerweise gleiche193) Unfälle eine logische Schlussfolgerung zugunsten seiner zu beweisenden Tatsache zu ziehen, wenn der Kläger vor dem prozessualen Vorbringen hinsichtlich jedes einzelnen anderweitigen Unfalls nachweist, dass die objektiven Umstände des anderweitigen Unfalls im Vergleich zum streitgegenständlichen Unfall so ähnlich sind, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die lo186
NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 20; OH: American Motors Corp. v. Mosier, 414 F.2d 34, 37 (5th Cir. 1969); OK: Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 (10th Cir. 1974); PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co., 241 Pa. Super. 129, 140 (1976). 187 NJ: Scanlon v. General Motors Corp., 65 N.J. 582, 593 (1974); PA: Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc., 685 F.2d 94, 101 (3rd Cir. 1982); McCann v. Atlas Supply Co., 325 F. Supp. 701, 703 (W.D.Penn. 1971). 188 OK: Gates v. Ford Motor Co., 494 F.2d 458, 459 et seq. (10th Cir. 1974). 189 OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1364 (Okla. 1974). 190 FL: Detroit Marine Engineering, Inc. v. Maloy, 419 So.2d 687, 691 (Fla. App. 1982); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 476 et seq. (6th Cir. 2002). 191 NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 18. 192 TX: Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez, 977 S.W.2d 328, 341 (Tex. 1998) mit Verweis auf die Ausschlussregel zur Beweisführung in der strict products liability in Texas Rule of Civil Evidence 407(a); eingeschränkt zugelassen in NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 18 et seq. 193 IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 906 (Ill. App. 2007); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 473 (6th Cir. 2002); TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 (Tex. 2004); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30.
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gische Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass ähnliche Lebenssachverhalte vorliegen, die zu ähnlichen Folgen führen.194 Dem Beweiswert dieser – insbesondere bei einem behaupteten Produktversagen mit Kraftfahrzeugen notwendigen – Beweisführung wird jedoch – insbesondere wenn es sich um Unfälle nach dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Gegenstandes handelt – mit einiger Vorsicht und Skepsis begegnet195, da die Gefahr gesehen wurde, dass das Gericht durch die emotional abschreckenden Folgen der anderen Unfälle beeinflusst wird und den Hersteller nicht aufgrund der nachgewiesenen Fakten, sondern aufgrund des emotionalen Stigmas haften lässt196. Um eine faire Überzeugungsbildung zu gewährleisten, wurden folgende Aspekte geprüft: 1. Ähnlichkeit der Beschaffenheit und der Herstellung der Produkte197, 2. Ähnlichkeit der behaupteten Produktfehler198,
194 CA: Brake v. Beech Aircraft Corp., 184 Cal. App.3d 930, 937 (1986); Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 121 et seq. (1974); GA: Cooper Tire & Rubber Co. v. Crosby, 543 S. E.2d 21, 23 (Ga. 2001); Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); KS: Pandit v. American Honda Motor Co., 82 F.3d 376, 380 (10th Cir. 1996); Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1534 (10th Cir. 1986); Rexrode v. American Laundry Press Co., 674 F.2d 826, 829 fn. 9 (10th Cir. 1982); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 472 (6th Cir. 2002); Rye v. Black & Decker Mfg. Co., 889 F.2d 100, 102 et seq. (6th Cir. 1989); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 78 (E.D.La. 1985); ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 625 (Me. 1988); MO: Stokes v. National Presto Industries, Inc., 168 S.W.3d 481, 484 (Mo. App. 2005); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); PA: Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co., 781 A.2d 1263, 1274 (Pa. Super. 2001); Spino v. John S. Tilley Ladder Co., 548 Pa. 286, 293 (1997); Gidlewski v. Bettcher Industries, Inc., 619 F. Supp. 87, 92 (E.D.Penn. 1985); TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 (Tex. 2004); Magic Chef, Inc. v. Sibley, 546 S.W.2d 851, 855 (Tex. App. 1977); VI: Gumbs v. International Harvester, Inc., 718 F.2d 88, 97 et seq. (3rd Cir. 1983); WI: Bittner v. American Honda Motor Co., 194 Wis.2d 122, 144 (1995); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 195 Instruktiv TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 et seq. (Tex. 2004). 196 Exemplarisch KY: Rye v. Black & Decker Mfg. Co., 889 F.2d 100, 103 (6th Cir. 1989); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995): „Evidence of other accidents is highly prejudicial.“; TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 (Tex. 2004); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 197 GA: Cooper Tire & Rubber Co. v. Crosby, 543 S. E.2d 21, 24 (Ga. 2001); IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 906 (Ill. App. 2007); MO: Stokes v. National Presto Industries, Inc., 168 S.W.3d 481, 484 (Mo. App. 2005); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 198 GA: Cooper Tire & Rubber Co. v. Crosby, 543 S. E.2d 21, 24 (Ga. 2001); MO: Stokes v. National Presto Industries, Inc., 168 S.W.3d 481, 484 (Mo. App. 2005); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen TraversHodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30.
272
Teil 4: Die Beweislast des Klägers
3. Ähnlichkeit der Umstände des Unfalls199, 4. Beruhen der Unfälle in den Vergleichsfällen auf dem behaupteten Produktfehler200, 5. Ausschluss aller Ursachen außerhalb der Produkthaftung in den Vergleichsfällen201, 6. eventuelle zeitgleiche Herstellung des streitgegenständlichen Produkts und der – als fehlerhaft hergestellt angesehenen – Produkte in den Vergleichsfällen im selben Werk202, 7. enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Herstellung der Produkte in den Vergleichsfällen und des streitgegenständlichen Produkts, so dass zur Beurteilung des behaupteten technischen Produktfehlers der gleiche Bewertungsmaßstab besteht203. Wenn nach Prüfung dieser Aspekte das Gericht zur Auffassung gelangte, dass die Schnittmenge zwischen den Unfallereignissen hinreichend groß für einen preponderance of evidence ist, wurden in der strict products liability Rückschlüsse aus ähnlichen Unfällen auf den zur Entscheidung stehenden Rechtsstreit zur Ursache des Unfalls204, zum Umfang der mit dem Produkt verbundenen Gefahren205 und damit zur
199 IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 906 (Ill. App. 2007); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 472 (6th Cir. 2002); Rye v. Black & Decker Mfg. Co., 889 F.2d 100, 102 (6th Cir. 1989); MO: Stokes v. National Presto Industries, Inc., 168 S.W.3d 481, 484 (Mo. App. 2005). 200 GA: Cooper Tire & Rubber Co. v. Crosby, 543 S. E.2d 21, 24 (Ga. 2001); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 472 (6th Cir. 2002); Rye v. Black & Decker Mfg. Co., 889 F.2d 100, 102 (6th Cir. 1989); MO: Stokes v. National Presto Industries, Inc., 168 S.W.3d 481, 484 (Mo. App. 2005); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 201 NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 202 GA: Cooper Tire & Rubber Co. v. Crosby, 543 S. E.2d 21, 26 (Ga. 2001), diss., Hunstein, J. 203 LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 139 (Tex. 2004). 204 CA: Brake v. Beech Aircraft Corp., 184 Cal. App.3d 930, 937 (1986); Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 121 (1974); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 205 GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 906 (Ill. App. 2007); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 77 et seq. (E.D.La. 1985); NE: Arabian Agriculture Services Co. v. Chief Industries, Inc., 309 F.3d 479, 485 (8th Cir. 2002); PA: Gidlewski v. Bettcher Industries, Inc., 619 F. Supp. 87, 92 (E.D.Penn. 1985); TX: Magic Chef, Inc. v. Sibley, 546 S.W.2d 851, 855 (Tex. App. 1977); VI: Gumbs v. International Harvester, Inc., 718 F.2d 88, 97 (3rd Cir. 1983); in den Sekundärquellen TraversHodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30.
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
273
Existenz eines Produktfehlers206, zur unangemessenen Gefährlichkeit des Produkts für die beabsichtigte Nutzung207 – auch zum Verweis auf die konstruktiven oder kommunikativen Möglichkeiten zur Verminderung oder Beseitigung der Gefahr mittels einer alternativen Konstruktion oder Warnung durch den Hersteller208 –, zur Kenntnis des Herstellers über den behaupteten (oder bekannten) Produktfehler209, zur Qualität des Produkts210 und zur Ursächlichkeit des Produktfehlers für den Scha-
206 CA: Brake v. Beech Aircraft Corp., 184 Cal. App.3d 930, 937 (1986); Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 121 (1974); CO: Trione v. Mike Wallen Standard, Inc., 902 P.2d 454, 458 (Colo. App. 1995); IL: Mikolajczyk v. Ford Motor Co., 870 N.E.2d 885, 906 (Ill. App. 2007); KS: Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1534 (10th Cir. 1986); Rexrode v. American Laundry Press Co., 674 F.2d 826, 829 fn. 9 (10th Cir. 1982); ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 625 (Me. 1988); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); PA: Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co., 781 A.2d 1263, 1274 (Pa. Super. 2001); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 207 CO: Trione v. Mike Wallen Standard, Inc., 902 P.2d 454, 458 (Colo. App. 1995); GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); KS: Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1534 (10th Cir. 1986); Rexrode v. American Laundry Press Co., 674 F.2d 826, 829 fn. 9 (10th Cir. 1982); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 78 (E.D.La. 1985); ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 625 (Me. 1988); NE: Arabian Agriculture Services Co. v. Chief Industries, Inc., 309 F.3d 479, 485 (8th Cir. 2002); PA: Spino v. John S. Tilley Ladder Co., 548 Pa. 286, 293 (1997); TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 et seq. (Tex. 2004); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 208 GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 78 (E.D.La. 1985); NE: Arabian Agriculture Services Co. v. Chief Industries, Inc., 309 F.3d 479, 485 (8th Cir. 2002); TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 et seq. (Tex. 2004); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 209 CA: Brake v. Beech Aircraft Corp., 184 Cal. App.3d 930, 937 (1986); Ault v. International Harvester Co., 13 Cal.3d 113, 121 (1974); GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 77 (E.D.La. 1985); ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 625 (Me. 1988) im Rahmen der negligence; NE: Arabian Agriculture Services Co. v. Chief Industries, Inc., 309 F.3d 479, 485 (8th Cir. 2002); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); PA: Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co., 781 A.2d 1263, 1274 (Pa. Super. 2001); Spino v. John S. Tilley Ladder Co., 548 Pa. 286, 293 (1997); Gidlewski v. Bettcher Industries, Inc., 619 F. Supp. 87, 92 (E.D.Penn. 1985); VI: Gumbs v. International Harvester, Inc., 718 F.2d 88, 97 (3rd Cir. 1983); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 210 GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 78 (E.D.La. 1985); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30.
274
Teil 4: Die Beweislast des Klägers
den211 anerkannt. Über den Nachweis der Tatbestandsmerkmale der strict products liability hinaus wurden auch Rückschlüsse bezüglich des Sorgfaltsstandards212, der Fahrlässigkeit und der Rücksichtslosigkeit (insbesondere hinsichtlich punitive damages)213 zugelassen. Die Beweisführung mit Verweis auf ähnliche Unfälle versuchten die Hersteller durch einen Umkehrschluss auch zu ihren Gunsten zur Erschütterung des klägerischen Fehlerbeweises dahingehend zu nutzen, dass trotz der Massenverbreitung gleicher oder vergleichbar ähnlich konstruierter industrieller Produkte keine vergleichbaren Unfälle geschehen sind, so dass davon auszugehen sei, dass die Unfallursache nicht in der Produktkonstruktion, sondern im Nutzungsverhalten des geschädigten Klägers liegt.214 Einer darauf beruhenden Annahme einer wenigstens überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Rahmen der res ipsa loquitor wurde die allgemeine Lebenserfahrung entgegengehalten, dass es bei jedem Produktfehler einen dadurch verursachten ersten Unfall gibt und dass Beinaheunfälle aufgrund des Produktfehlers, bei denen es aufgrund von glücklichen Umständen (ohne Beitrag des Herstellers) zu keinen Verletzungen gekommen ist, meist nicht aktenkundig werden.215 Anderseits könnte das Zulassen einer derartigen Argumentation – dem Ziel der strict products liability entsprechend – den Hersteller zu veranlassen, die Bewährung des Produkts im Alltag zu beobachten und zu dokumentieren, um diese Informationen zu seinen Gunsten in das Verfahren einführen zu können.216 Daher 211
GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 78 (E.D.La. 1985); ME: Marois v. Paper Converting Machine Co., 539 A.2d 621, 625 (Me. 1988); NE: Arabian Agriculture Services Co. v. Chief Industries, Inc., 309 F.3d 479, 485 (8th Cir. 2002); NC: Buckman v. Bombardier Corp., 893 F. Supp. 547, 552 (E.D.N.C. 1995); PA: Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co., 781 A.2d 1263, 1274 (Pa. Super. 2001); Spino v. John S. Tilley Ladder Co., 548 Pa. 286, 293 (1997); Gidlewski v. Bettcher Industries, Inc., 619 F. Supp. 87, 92 (E.D.Penn. 1985); VI: Gumbs v. International Harvester, Inc., 718 F.2d 88, 97 (3rd Cir. 1983). 212 GA: Hahn v. Sterling Drug, Inc., 805 F.2d 1480, 1483 (11th Cir. 1986); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987); Jordan v. General Motors Corp., 624 F. Supp. 72, 78 (E.D.La. 1985); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:30. 213 CO: Trione v. Mike Wallen Standard, Inc., 902 P.2d 454, 458 (Colo. App. 1995); KS: Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1534 (10th Cir. 1986); TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 138 et seq. (Tex. 2004). 214 Diese logische Schlussfolgerung ist nicht möglich bei einem herstellungsbedingten Produktfehler, da hier die Produktbeschaffenheit gerade von der durch den Hersteller gewollten Einheitlichkeit abweicht, vgl. AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 128 (1985); LA: Bailey v. Oliver, 504 So.2d 152, 155 (La. App. 1987). 215 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 126, 128 (1985); KS: Rexrode v. American Laundry Press Co., 674 F.2d 826, 833 (10th Cir. 1982); zum Ermessen des Richters, den Beweis mangels eines ausreichenden Beweiswertes und wegen zu großer Gefahr einer fehlerhaften Schlussfolgerung abzulehnen, in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:33. 216 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 128 (1985).
F. Die Beweistiefe in der strict products liability – standard of proof
275
wird es in den meisten Rechtsordnungen trotz der Bedenken als prozessual wichtig angesehen, dass eine Schlussfolgerung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit gegen das Vorliegen eines Produktfehlers und für das Beruhen der Verletzungen des Klägers auf anderen Ursachen als auf einem Produktfehler aufgrund einer Historie der ungefährlichen Benutzungsmöglichkeit des Produkts ermöglicht wird, falls der Hersteller beweist, dass es unter ähnlichen Umständen und in vergleichbaren Situationen, die beim Kläger zum Unfall und zu den Verletzungen geführt haben, bisher keine derartigen Unfälle und Verletzungen gegeben und dass sich das Produkt in einer angemessenen Anzahl von Situationen als angemessen sicher bewährt hat.217 Um jedoch eine unsachliche Beeinflussung des Gerichts zu vermeiden, muss der Hersteller vor der prozessualen Einführung dieses Sachvortrages nicht nur die Anzahl der im Verkehr befindlichen relevant vergleichbaren Produkte darlegen, sondern auch vortragen, auf welchem hinreichend aussagekräftigen Kenntnis-, Erfahrungsund Dokumentationsstand zu Unfällen in vergleichbaren Situationen mit dem selben oder einem vergleichbaren Produkt der Beweisantritt erfolgt.218 Wenn dem Hersteller diese Substantiierung seines Beweisangebotes gelingt, wird der Negativbeweis des Herstellers zu vergleichbaren Unfällen in der strict products liability zugelassen, um die Existenz einer unangemessenen gefährlichen Produkteigenschaft (also eines Produktfehlers)219 und die Ursächlichkeit des Produktfehlers für den geltend gemachten Schaden220 sowie – in der negligence – um die Vorhersehbarkeit des Produktfehlers und Kenntnis des Herstellers von diesem Produktfehler221 zu beweisen. 217
AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 125 et seqq. (1985) unter Aufgabe der vorherigen ablehnenden Rechtsprechung; KS: Pandit v. American Honda Motor Co., 82 F.3d 376, 380 (10th Cir. 1996); ME: Espeaignnette v. Gene Tierney Co., 43 F.3d 1, 9 et seq. (1st Cir. 1994); OK: Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 447 (10th Cir. 1976); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 546 (3rd Cir. 2007); Spino v. John S. Tilley Ladder Co., 548 Pa. 286, 296, 298 (1997); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:33. 218 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 126 et seqq. (1985); KS: Pandit v. American Honda Motor Co., 82 F.3d 376, 380 (10th Cir. 1996); ); ME: Espeaignnette v. Gene Tierney Co., 43 F.3d 1, 10 (1st Cir. 1994); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 546 (3rd Cir. 2007); Spino v. John S. Tilley Ladder Co., 548 Pa. 286, 296 (1997); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:33. 219 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 125, 128 et seq. (1985); KS: Pandit v. American Honda Motor Co., 82 F.3d 376, 380 (10th Cir. 1996); ME: Espeaignnette v. Gene Tierney Co., 43 F.3d 1, 10 (1st Cir. 1994); OK: Bruce v. Martin-Marietta Corp., 544 F.2d 442, 447 (10th Cir. 1976); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 546 (3rd Cir. 2007); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:33. 220 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 125, 128 et seq. (1985); KS: Pandit v. American Honda Motor Co., 82 F.3d 376, 380 (10th Cir. 1996); ME: Espeaignnette v. Gene Tierney Co., 43 F.3d 1, 10 (1st Cir. 1994); PA: Moyer v. United Dominion Industries, Inc., 473 F.3d 532, 546 (3rd Cir. 2007); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:33. 221 AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 125, 128 et seq. (1985); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:33.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
G. Die Beweislastumkehr in der strict products liability „In the ordinary case, the law will not assist an innocent plaintiff at the expense of an innocent defendant.“222 Anderson v. Somberg (Für gewöhnlich assistiert das Recht nicht den schuldlosen Kläger auf Kosten des schuldlosen Beklagten.)
Fokussierter kann die ablehnende Einstellung der meisten Gerichte in den USA zur – ebenfalls – als ultima ratio angesehenen Beweislastumkehr nicht verdeutlicht werden. Der Druck auf die Gerichte in der Praxis, über eine Beweislastumkehr nachzudenken, um die Ziele der materiell-rechtlichen strict products liability (Schadenallokation unter Berücksichtigung der Versicherbarkeit des Schadens, das Anhalten des Herstellers zur Inverkehrgabe von möglichst sicheren Produkten und zum Einstellen des Vertriebs von unsicheren Produkten sowie zur Einholung, Speicherung und Verifizierung von Informationen über die Bewährung der Produkte in der Praxis) auch in den Fällen sicherstellen zu können, in denen der Kläger nicht nur keinen Zugang zu den Informationen in der Hersteller- und Vertriebssphäre hat, sondern als technischer Laie nicht in der Lage ist, die Funktion der vielen komplizierten und oft auch nicht zugänglichen Einzelteile in einem Kraftfahrzeug zu verstehen oder diese gar zu untersuchen, ist geringer und ihm kann durch die Gerichte auch leichter widerstanden werden, da ihnen der weniger eingreifende, flexible, auf die Umstände des Einzelfalls abstellende Beweismaßstab des preponderance of evidence zur Verfügung steht.223 Zur Vermeidung von Missverständnissen sei lediglich darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Beweislastverschiebung zu Lasten des Herstellers handelt, wenn: 1. dieser – nachdem der Kläger einen prima facie case gerichtlich vorgebracht hat – zu beweisen hat, dass das streitgegenständliche Produkt nicht unangemessen gefährlich war oder anderweitige Gründe gegen eine Haftung sprechen224,
222 NJ: Anderson v. Somberg, 67 N.J. 291, 298 (1975); ebenso Fabian v. The Minster Machine Co., 258 N.J. Super. 261, 273 (1992); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363 (Okla. 1974); OR: Brownell v. White Motor Corp., 490 P.2d 184, 187 (Ore. 1971). 223 Vgl. die ratio in AZ: Jones v. Pak-Mor Mfg. Co., 145 Ariz. 121, 128 (1985); so im Ergebnis CA: Sargent Fletcher, Inc. v. Able Corp., 110 Cal. App.4th 1658, 1671 et seq. (2003); CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 589 et seq. (Colo. 1984); OK: Kirkland v. General Motors Corp., 521 P.2d 1353, 1363 et seq. (Okla. 1974); OR: Brownell v. White Motor Corp., 490 P.2d 184, 187 (Ore. 1971); vgl. auch allgemein zur Schutzbedürftigkeit der Käufer und Mieter von Kraftfahrzeugen MO: Jacobsen v. Broadway Motors, Inc., 430 S.W.2d 602, 607 (Mo. App. 1968); NJ: Cintrone v. Hertz Truck Leasing & Rental Service, 45 N.J. 434, 455 (1965). 224 In den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:58.
G. Die Beweislastumkehr in der strict products liability
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2. wenn vereinzelt erwogen wird, dass der Hersteller bei Produkten, die in Kombination mit anderen Produkten genutzt werden und die ein hohes gesundheitliches Risiko in sich tragen, die Verantwortung habe, die Ursachen der Verletzungen zu erklären225, und 3. wenn im Rahmen der crashworthiness-Rechtsprechung mit einem einheitlichen Verletzungsverlauf der Hersteller den nicht von ihm zu verantwortenden Verletzungsanteil der first collision zu beweisen hat226, da in allen Fällen der Kläger zuerst selbst eine substantielle Beweisführung aufzeigen muss, die mit einer preponderance of evidence für die von ihm dargestellten anspruchsbegründenden Tatsachen spricht. Gleichwohl können in der Analyse einer Vielzahl von Gerichtsurteilen einige Überlegungen zur echten Beweislastumkehr festgestellt werden, so etwa im medizinischen Bereich, wenn der Geschädigte zum Zeitpunkt der Schädigung (wie bei einer Operation) hilflos oder gar bewusstlos ist.227 In der strict products liability sticht hierbei die besondere kalifornische Rechtsprechung (mit den sich ihr anschließenden Rechtsordnungen in Alaska und Hawaii) mittels des Barker-tests hervor. Die zur Entscheidungsfindung zu beurteilenden Umstände des Unfalls, der objektiven Produktbeschaffenheit zur Beurteilung der Produktsicherheit und der Ursächlichkeit der Produktbeschaffenheit für die Verletzung werden auf der ersten Stufe (consumer expectation test) als diejenigen angesehen, die aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrungen eines durchschnittlichen Verbrauchers dem Kläger allgemein zugänglich sind, so dass er hierfür auch die Beweislast trägt.228 Da der Hersteller einen besseren Zugang zu den technischen, wissenschaftlichen und betriebsinternen Umständen für die Abwägung des Produktrisikos mit dem Produktnutzen hat, trägt er – nachdem der Kläger erfolgreich bewiesen hat, dass die Produkteigenschaften die Verletzungen wahrscheinlich verursacht haben – auf der zweiten Stufe (risk/utilityanalysis) im Sinne einer echten Beweislastumkehr die Beweislast, dass der Nutzen 225
TX: Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp., 282 F.2d 76, 83 (5th Cir. 1960). Sehr instruktiv WI: Sumnicht v. Toyota Motor Sales, U.S.A., Inc., 121 Wis.2d 338, 358 et seq. (1984) „In keeping with the law of this state, we hold that in a ,second collision‘ products liability case, the plaintiff must prove that the defective product was a substantial factor in causing the harm from which damages are claimed. The degree to which the plaintiff will be required to distinguish between the injuries sustained in the ,first collision‘ and those sustained in the ,second collision‘ will be governed by his burden of proving causation via the substantial factor test.“; im Ergebnis auch NJ: Huddell v. Levin, 537 F.2d 726, 747 (3rd Cir. 1976), diss., Rosenn, J. 227 Vgl. NJ: Anderson v. Somberg, 67 N.J. 291, 298 (1975) zum Beweis der Nichtverantwortlichkeit durch denjenigen, der die Obhut und die Verpflichtung zur medizinischen Versorgung über den Geschädigten hatte, wenn aufgrund eines (vermutlich) fehlerhaften Operationsbestecks eine zusätzliche (nicht in den Risikobereich der Operation gehörende) Gesundheitsverletzung eintritt. 228 CA: Soule v. General Motors Corp., 882 P.2d 298, 306, 308 (Cal. 1994); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 126 (1982); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 432 (1978). 226
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
die Gefahren überwiegt und das Produkt daher nicht fehlerhaft war.229 Damit soll der allgemeinen gesellschaftspolitischen Billigkeitserwägung, die der Abkehr von einem verhaltensbezogenen Fehlerbegriff in der negligence zu einem objektbezogenen Fehlerbegriff in der strict products liability zu Grunde lag, entsprochen werden, den geschädigten Kläger von Beweisschwierigkeiten bezüglich der dem Hersteller besser oder ausschließlich bekannten Informationen zu entlasten und dem Kläger auch dann ein Obsiegen zu ermöglichen, wenn es ihm aufgrund des schädigenden Ereignisses unmöglich ist, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die haftungsbegründenden Tatsachen zu beweisen.230 In einem Einzelfall wurden diese Erwägungen als derartig dominant eingeschätzt, dass sogar eine Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers hinsichtlich der Kausalität angenommen wurde, wenn der Kläger diese nicht anderweitig beweisen kann.231
H. Alternative Haftungsverteilungen in der strict products liability Abschließend soll noch auf eine besondere Rechtsprechung eingegangen werden, die die klägerische Beweisnot betrifft, wenn zwar die Fehlerhaftigkeit des Produkts und die Verursachung der Gesundheitsschäden durch den Fehler feststeht (in der Grundsatzentscheidung die langjährige Intoxikation durch einen Wirkstoff), die Klägerin aber – in der Grundsatzentscheidung aufgrund einer lange zurückliegenden Einnahme – nicht beweisen kann, dass das Produkt des beklagten Herstellers (mit dem nachgewiesenen Fehler) und kein gleiches Produkt mit dem gleichen Fehler eines anderen Herstellers die Schäden verursacht hat.232 Da sich gerade nicht die 229 CA: Sargent Fletcher, Inc. v. Able Corp., 110 Cal. App.4th 1658, 1671 (2003); Rosburg v. Minnesota Mining & Mfg. Co., 181 Cal. App.3d 726, 732, 734 (1986); Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 637 et seq. (Cal. App. 1984); McLaughlin v. Sikorsky Aircraft, 148 Cal. App.3d 203, 208 (1983); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 119 (1982); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 801 (1981); Barker v. Lull Engineering Co., 20 Cal.3d 413, 431 et seq. (1978); HI: In re Hawaii Federal Asbestos Cases, 665 F. Supp. 1454, 1456 (D.Haw. 1986); in den Sekundärquellen Travers-Hodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:39. 230 CA: Sargent Fletcher, Inc. v. Able Corp., 110 Cal. App.4th 1658, 1671, 1673 (2003); Campbell v. General Motors Corp., 32 Cal.3d 112, 119 (1982); in den Sekundärquellen TraversHodson, American Law of Products Liability 3d, § 30:59; vgl. in der deutschen Literatur Zoller, S. 225, der darin den ,näher-dran‘-Gedanken des BGH zur Begründung der Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens und der objektiven Pflichtverletzung sieht. 231 Umfassende Darstellung der Einzelfälle in CA: Sargent Fletcher, Inc. v. Able Corp., 110 Cal. App.4th 1658, 1670 (2003); abgelehnt in Rutherford v. Owens-Illinois, Inc., 16 Cal.4th 953, 976 et seq. (1997). 232 Vgl. Buchner, VersR 2000, 28 (31), der auf die feststehende volle Schadensneigung und die damit verbundene Vereinbarkeit dieser Beweisregeln mit dem deutschen Haftungsrechtsgrundsatz der Individualisierbarkeit des Schädigers hinweist; vgl. auch Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (834).
H. Alternative Haftungsverteilungen in der strict products liability
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Beteiligung des jeweiligen Herstellers an der Verletzung der Klägerin feststellen ließ, konnte hier die – dem § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ähnliche – Zurechnung über die sogenannte Summers-rule nicht angewendet werden, dass bei zwei unabhängig voneinander vollzogenen, beide jeweils zur streitgegenständlichen Gesundheitsverletzung tauglichen Handlungen der Beweis über die Person des Schädigers auf die ansonsten gesamtschuldnerisch haftenden Schädiger übergeht.233 Die concert-ofaction-theory, wonach alle Hersteller eines Industriezweiges, die durch das gegenseitige Zunutzemachen von Erfahrungen und Methoden eine gemeinschaftliche unerlaubte Handlung begehen, voll auf den dadurch angerichteten Schaden haften234, erfordert den – für einen Kläger im Produkthaftungsrecht schwer möglichen – Nachweis des gemeinschaftlich schädigenden Verhaltens. Die industry-wide liability wird aus sachlichen Gründen abgelehnt, wenn es sich um eine große Anzahl von möglichen Herstellern und um ein Produkt mit einem großen Einfluss von staatlichen Vorschriften in der Festsetzung des üblichen Sicherheitsniveaus handelt.235 In der Rechtspraxis wurde es in diesen besonderen Fällen aufgrund des Ausgleichsgedankens der strict products liability zwischen den Interessen der geschädigten Verbraucher und der Hersteller von industriellen Produkten als billig angesehen, dass der durch ein Produktversagen geschädigte Verbraucher wenigstens einen Teil seines Schadens von dem beklagten Hersteller ersetzt bekommt.236 Um diese der allgemeinen Fairness entsprechende Rechtsfolge zu erreichen, wurde mittels einer Kombination aus Beweislastumkehr und einer angemessenen Haftungsverteilung zwischen den in Frage kommenden Schadenverursachern das alternative Haftungsverteilungsprinzip der market-share-liability kreiert.237 Der Fairnessgedanke – beruhend auf den rechtspolitischen Zielen der strict products 233 Vgl. CA: Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 136 et seqq. (Cal. 1980); vgl. zu den Anwendungsproblemen des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB im deutschen Produkthaftungsrecht Kullmann, NJW 1994, 1698 (1703). 234 CA: Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 140 et seq. (Cal. 1980): kein gemeinschaftlich absichtlich schädigendes Handeln; NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 280 (S.D.N.Y. 2008). 235 Vgl. CA: Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 142 et seq. (Cal. 1980); im deutschen Recht für eine analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB in einem vergleichbaren Fall Pfeifer, S. 217 ff. 236 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1074 et seq. (1988); dagegen CA: Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 149 (Cal. 1980), diss., Richardson, J.: Ungleichheit vor dem Gesetz und Haftung nach Wohlstandsgesichtspunkten. 237 Vgl. hierzu die Grundsatzentscheidung CA: Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132 (Cal. 1980); daran im Anschluss Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1074 (1988); vgl. zur ähnlichen commingled product theory NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 274 et seq. (S.D.N.Y. 2008); in der deutschen Literatur zur Anwendung der market-share-liability in anderen Fallkonstellationen Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1393 f.) und eine ausführliche Diskussion in Hoechst, S. 88, 91 ff.; für eine Übernahme der Grundsätze bei der Haftung wegen passiven Rauchens, da die Hersteller völlig unbekannt sind, Buchner, VersR 2000, 28 (31).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
liability, dass der Schaden von demjenigen getragen werden soll, der die Gefahren erkennen, die Erkenntnisse in sichere Produkte oder mittels Produktwarnungen umsetzen und die Haftungskosten über den Verkaufspreis auf alle Produktnutzer verteilen kann – wirkte dabei zugunsten der Klägerin, so dass der Umstand, dass die Beweisnot der Klägerin auf der Austauschbarkeit der industriell hergestellten Produkte verschiedener Hersteller mit gleichen Nutzungsmöglichkeiten beruht, als Begründung für eine Beweislastumkehr herangezogen wurde, wobei der beklagte Hersteller mit einem substantiellen Marktanteil an der Produktart einer Haftung nur aufgrund seines Beweises entgehen kann, dass sein Produkt die Gesundheitsverletzungen nicht verursacht haben konnte (z. B. weil sein Produkt erst nach der Beendigung der Produktnutzung durch die Klägerin auf dem Markt kam).238 Die sich daraus ergebende gesamtschuldnerische Haftung des beklagten Herstellers für alle Anbieter der fehlerhaften Produktart wurde aber ebenfalls als unfair angesehen, da mit einer nicht unerheblichen Wahrscheinlichkeit die Klägerin die Person des Beklagten aufgrund von haftungsrechtsfremden Erwägungen (wie der Insolvenz, dem Sitz oder der öffentlichen Reputation des oder der Hersteller) ausgewählt und die Klägerin gar nicht das Präparat des in Anspruch genommenen Herstellers eingenommen haben könnte, so dass nicht nur ein für den (streitgegenständlichen) Schaden nicht verantwortlicher Hersteller haften müsste, sondern der (nicht beklagte) Hersteller des tatsächlich von der Klägerin eingenommenen Präparats seiner Haftung entgehen würde.239 Der Fairnessgedanke führt zugunsten des Herstellers zu einer Reduzierung der Zahlungspflicht des beklagten Herstellers entsprechend seinem simulierten Verantwortlichkeitsanteil, so dass sich der vom beklagten Hersteller zu zahlende Geldbetrag aus dem Schadensbetrag multipliziert mit dem prozentualen Marktanteil des Beklagten an der Produktart ergibt.240 Auch wenn diese Simulation nicht notwendigerweise der tatsächlichen Verantwortlichkeit am Schaden der Klägerin entsprechen muss, so wurde darauf verwiesen, dass die konkrete Berechnung des Schadenersatzes nicht unbedingt das Ergebnis einer mathematisch exakten
238 Vgl. CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1074 (1988); Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 144 et seq. (Cal. 1980); in der deutschen Literatur von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (192). 239 CA: Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 144 et seq. (1980); aufgegriffen in CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1075 (1988); NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 274 et seq. (S.D.N.Y. 2008) mit einer Darstellung des Unterschieds zwischen der market-shareliability (das Produkt eines Herstellers, das von vielen Herstellern gleichartig hergestellt wurde, verursachte den Schaden; es ist nur nicht mehr feststellbar, welches Produkt die Klägerin eingenommen hat) und der commingled product theory (ein Produkt vermischt aus den Produkten vieler Hersteller verursachte den Schaden). 240 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1073 et seq. (1988); Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 145 (Cal. 1980); in der deutschen Literatur von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (192).
I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht
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Bestimmung der Verantwortlichkeit sein muss, um der Rechtsordnung und dem Gerechtigkeitsempfinden zu entsprechen.241
I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht Die Konkretisierung eines praktisch nutzbaren Beweismaßstabs gemäß § 286 ZPO im modernen Produkthaftungsrecht muss sich einer Vielzahl von besonderen Herausforderungen stellen, die sich vor allem aus den Besonderheiten des Produkthaftungsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht ergeben. So unterscheidet sich das Produkthaftungsrecht bereits grundsätzlich vom allgemeinen Deliktsrecht, da der Hersteller weder gemäß § 823 Abs. 1 BGB noch gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG für ein verhaltensbedingtes unmittelbares Einwirken auf den Geschädigten haftet. Vielmehr wird im § 823 Abs. 1 BGB die Verknüpfung zwischen dem deliktischen Schuldner und dem deliktischen Gläubiger mittels des von dem deliktischen Schuldner bewirkten Zustands eines Objekts vermittelt. Im Rahmen des ProdHaftG wird eine solche Zurechnung des Verhaltens auf das zeitlich und örtlich weit entfernte schädigende Ereignis aufgehoben, und der Hersteller haftet unmittelbar aufgrund des Zustands des von ihm hergestellten, bis zum schädigenden Ereignis durch viele Hände gehenden und im schädigenden Zeitpunkt vom Produktnutzer durch eigenes Verhalten direkt beeinflussten Produktes. Es bleibt aber dabei, dass die Entstehung der Ursachen für ein Produktversagen und die darauf beruhende Gesundheitsverletzung wesensimmanent erheblich zeitlich und örtlich auseinander fallen, so dass einerseits der Kläger unmittelbar keine Möglichkeit der Kenntnisnahme der einen Produktfehler begründenden Umstände hat242 und andererseits der Hersteller keinen Zugang zu den Umständen hat, die in der Verantwortlichkeit des Klägers – insbesondere aufgrund seines Verhaltens vor und in der Schadenssituation – liegen. Der Kläger muss im Gegensatz zum allgemeinen Deliktsrecht nicht eine – ihn verletzende – Handlung des allgemeinen Lebens beweisen, sondern er muss die Beweisführung zur Fehlerhaftigkeit eines hochkomplizierten und hochkomplexen Industrieprodukts auf der Grundlage des Standes von Wissenschaft und Technik auf sich nehmen. Im Gegensatz zu Vorgängen des allgemeinen Lebens ist er dem Hersteller in allen technischen, betrieblichen und organisatorischen Tatsachen bezüglich der Konstruktion, der Produktion und des Vertriebes des Produkts hilflos unterlegen. Dazu kommt, dass nicht nur der Kläger, sondern alle Prozessbeteiligten – ausge241 CA: Brown v. The Superior Court of the City and County of San Francisco, 44 Cal.3d 1049, 1074 et seq. (1988); Sindell v. Abbott Laboratories, 163 Cal. Rptr. 132, 145 (Cal. 1980); allgemeines internationales Rechtsprinzip, nachzuweisen nicht nur beim § 287 ZPO, sondern auch bei der Schadensberechnung außerhalb der market-share-liability, vgl. CO: Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose, 679 P.2d 579, 589 et seq. (Colo. 1984); NY: In Re Methyl Tertiary Butyl Ether („MTBE“) Prod., 591 F. Supp.2d 249, 290 (S.D.N.Y. 2008). 242 Vgl. die Problembeschreibung durch Chun, 79 Cornell L. Rev. 1654, 1668 et seq. (1994).
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
nommen der Hersteller – in den meisten Fällen keinerlei hinreichende technische Kenntnisse aufweisen. Bei modernen Industrieprodukten tritt hinzu, dass die gegenständliche Mechanik immer stärker durch die nichtgegenständliche Datenverarbeitung abgelöst wird, so dass – neben den Fällen, in denen das Produkt durch den Unfall derartig beschädigt oder zerstört wird, dass der ursprüngliche Produktzustand nicht reproduzierbar ist – dem geschädigten Verbraucher jegliche direkte Beweismöglichkeit der haftungsbegründenden deliktischen Umstände fehlt.243 Die hohe Aufklärungsquote bei Flugzeugunfällen, bei denen Fehlfunktionen des Computers die Ursache waren, können hierfür wenig als beruhigende Referenz dienen244, da sowohl die Überwachung der elektronischen Systeme in Flugzeugen durch Blackboxes nicht vergleichbar ist als auch der administrative Aufwand nach Flugzeugunfällen von einem Geschädigten eines Kraftfahrzeugunfalls kaum geleistet werden kann. Es besteht daher die konkrete Gefahr, dass die Durchsetzung von Produkthaftungsansprüchen gerade bei den hochgefährlichen und hochkomplexen Produkten, bei denen der Verbraucher am schutzbedürftigsten ist, immer mehr unmöglich wird. In einem ersten Schritt wurde in der neuesten Rechtsprechung zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit eines medizinischen Produktes mit Verweis auf die Ziele des Produkthaftungsrechts – die mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller gerecht zu verteilen – der Fehlerbeweis ohne einen konkreten Nachweis im betreffenden Produkt ermöglicht, wenn der behauptete Fehler in Produkten derselben Produktgruppe oder Produktserie aufgetreten ist, die Anforderungen an die Produktsicherheit in Anbetracht ihrer Funktion und der besonderen Verletzlichkeit der Produktnutzer besonders hoch sind und für die Produktnutzer ein außergewöhnlich hohes Schadenspotenzial besteht.245 Es dürfte dem allgemeinen Konsens entsprechen, dass das Prozessrecht dem Geschädigten nicht nehmen darf, was ihm das materielle Recht gibt. Das Prozessrecht muss also der gerichtlichen Durchsetzung des materiellen Rechtes und dessen Zweck, durch die Schadenallokation den Hersteller zur Inverkehrgabe von sicheren Produkten zu motivieren, dienen und verhindern, dass in praxi eine große Anzahl von materiell-rechtlich begründeten Produkthaftungsfällen vom Geschädigten prozessual nicht durchgesetzt werden können. Die Analyse der derzeitigen prozessualen Situation des Klägers im deutschen Produkthaftungsprozess hat aber gezeigt, dass es dem Kläger im Falle einer nicht reproduzierbaren Zerstörung des schädigenden Gegenstands zum Unfallzeitpunkt oder im Falle eines nichtgegenständlichen Pro243 Vgl. zu den komplexen technischen Fragen, ob ein elektronisches Assistenzsystem den Unfall nicht verhindert hat, weil es in der konkreten Situation an die Wirkungsgrenzen stieß, oder ob ein Defekt vorlag, Interview mit Volkswagen-Forschungschef Matthias Rabe im Volkswagen Magazin 04/2005 S. 8 (10). 244 Vgl. die Reportage im Der Spiegel Heft 31/2009 S. 106. 245 EuGH NJW 2015, 1163 (1164); BGH NJW 2015, 3096 (3097); BGH NJW 2015, 2507 (2508); KG Urteil vom 28. 08. 2015 Az. 4 U 189/11.
I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht
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duktfehlers de facto unmöglich ist, mit der im § 286 ZPO geforderten Gewissheit den Produktfehler zu beweisen. Die Grundlagen für einen Neuansatz der Bestimmung der vollen richterlichen Überzeugung gemäß § 286 ZPO liegen darin, dass sich die objektbezogene Produkthaftung vom Grundfall der allgemeinen deliktischen Verhaltenshaftung gerade darin unterscheidet, dass jeder Prozessbeteiligte zur Haftungsgrundlage eine zeitliche und örtliche Distanz hat. Der Hersteller ist näher dran, wenn der Produktfehler in der Konstruktion, in der Herstellung oder im Vertrieb geschaffen wird, während der Kläger näher am Unfallereignis ist. Die Formulierung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG („nach den Umständen davon auszugehen“) wird zugunsten des Herstellers so interpretiert, dass er die darin festgelegte Beweislast erfüllt hat, wenn sich aus der Art des Produkts, der Intensität des Gebrauchs und vor allem der Zeitspanne zwischen dem Inverkehrbringen und dem Schadensereignis sowie anderer Umstände – wie einer unsachgemäßen Lagerung, einer mangelhaften Produktinstallation, einer fehlerhaften Bedienung, einer sachfremden oder übernormalen Benutzung sowie einer unzureichenden Pflege und Wartung – ein großes Maß an Wahrscheinlichkeit für die Nichtexistenz des Fehlers zur Zeit des Inverkehrbringens oder für das spätere Entstehen des Fehlers und nicht nur eine bloße Möglichkeit ergibt.246 Die rein faktische Distanz des Herstellers zum Unfallereignis und die damit verbundene Unkenntnis von den Umständen seit seiner Inverkehrgabe bis zur Vollendung der Unfallverletzungen führt zu einer Verringerung der erforderlichen Beweistiefe in der Weise, dass zur Erreichung der vollen richterlichen Überzeugung gemäß § 286 ZPO es ausreicht, dass aufgrund des Geschehensablaufs nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Schlussfolgerung, dass das Produkt den Fehler vor dem Inverkehrbringen noch nicht hatte, plausibel erscheint. Auf den ersten Blick erscheint es als ein der prozessualen Fairness widersprechender Systembruch, wenn einerseits der Hersteller hinsichtlich seiner, den Umständen nach wesensimmanenten Unkenntnis über die von ihm zu beweisenden Tatsachen eine prozessuale Privilegierung erfährt, andererseits dem geschädigten Kläger aber hinsichtlich seiner aus faktischen Gründen nicht zur vollen richterlichen Überzeugung darstellbaren und unter seine Beweislast fallenden Umstände keine derartige Privilegierung zugesprochen wird. Die Analyse des Beweismaßstabes der strict products liability löst diesen Widerspruch auf und macht deutlich, dass die Privilegierung der Erreichung der vollen richterlichen Überzeugung gemäß § 286 ZPO im § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG den allgemein geltenden Beweismaßstab in einer objektbezogenen Produkthaftung widerspiegelt und daher auf alle beweisbelasteten Tatsachen aller Prozessbeteiligten zu übertragen ist. Mit der objektbezogenen Fehlerbestimmung – losgelöst vom tatsächlichen Fehlverhalten – verändert sich das prozessuale Beweisthema, so dass die Produkt246 OLG München Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 3158/10 Rn. 17, 26; MüKoBGB/ Wagner, § 1 ProdHaftG Rn. 37; Molitoris/Klindt, NJW 2012, 1489 (1494); Kullmann, NJW 1994, 1698 (1704); BT-Drs. 11/2447 S. 14.
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
substanz im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung steht. So wie der Hersteller keinen Zugang zu den Informationen hat, die sich auf die Produkthistorie nach dem Verlassen seiner Einflusssphäre bis hin zu den Umständen des schädigenden Ereignisses beziehen, fehlt dem Kläger jegliche Grundlage für eine Beweisführung zum alles entscheidenden Beweisthema in einer objektbezogenen Produkthaftung – nämlich der gegenständlichen Produktsubstanz –, wenn der Gegenstand nicht reproduzierbar untergegangen ist oder der Produktfehler aus einem nichtgegenständlichen Datenverarbeitungsvorgang resultiert. Darüber hinaus kann sich der Kläger auch im deutschen Prozessrecht darauf berufen, dass der Ursache-WirkungNachweis zur haftungsbegründenden Kausalität mangels einer praktischen, zur absoluten Sicherheit führenden Nachweismöglichkeit immer eine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung in sich trägt. Da die Verringerung des Beweismaßstabes unterhalb der §§ 286 f. ZPO in Deutschland keine Rechtstradition hat, fällt es schwer, allein mit Rückgriff auf die deutsche Prozessrechtsdogmatik das „große Maß an Wahrscheinlichkeit“ in Abgrenzung zur „bloßen Möglichkeit“ zu bestimmen. Die Analyse der Urteile zur strict products liability zeigt, dass es zur Beweisführung in einem auf kompensatorischen Schadenersatz gerichteten Zivilprozess als ausreichend anzusehen ist, dem Kläger die volle richterliche Überzeugung von der Wahrhaftigkeit des Vorliegens eines Produktfehlers und der haftungsbegründenden Kausalität bereits dann zuzusprechen, wenn die vorgetragenen Indizien mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der behaupteten Tatsache gegenüber dem Nichtvorliegen sprechen (in der strict products liability: preponderance of evidence). Höhere Wahrscheinlichkeitsgrade, wie die Höchstwahrscheinlichkeit (clear and convincing evidence) oder die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (evidence without reasonable doubt) sind gravierenderen Rechtsfolgen vorbehalten, die über den Ausgleich eines erlittenen Schadens hinausgehen. Hinsichtlich der auch im deutschen Recht als kritische absolute Untergrenze definierten „bloßen Möglichkeit“ kann aus der strict products liability übernommen werden, dass der für den Klägeranspruch sprechende Beweis mehr sein muss als Mutmaßungen und Spekulationen und dass die Schlussfolgerung, dass die geltend gemachten Verletzungen auf einem Produktfehler beruhen, legitim und logisch sein muss.247 Gegenüber der im deutschen Prozessrecht zur Vermeidung von rechtspolitisch ungewollten Rechtsfolgen in Frage kommenden Beweislastumkehr (vgl. hierzu die Haftung nach Einflusssphären und die Beweislastumkehr zur objektiven Pflicht247
Um eine unmögliche Beweisführung zur haftungsbegründenden Kausalität bei einheitlichen Verletzungssituationen bei Verkehrsunfällen zu vermeiden, in denen sich nicht klar zuordnen lässt, ob die Verletzung durch das primäre Unfallereignis oder durch einen vom Hersteller zu verantwortenden Produktfehler verursacht wurde, sollte nicht die Huddell-rule übernommen werden, sondern es sollte ausreichen, dass der Geschädigte lediglich beweisen muss, dass der Produktfehler ein Faktor für die erlittenen Verletzungen gewesen sein könnte, es sei denn, der Hersteller verringert die Wahrscheinlichkeit der kausalen Verursachung durch den Beweis, dass die Verletzungen nicht auf den Produktfehler beruhen konnten.
I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht
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widrigkeit und zum Verschulden) hat die Veränderung der Beweistiefe zur Erlangung der vollen richterlichen Überzeugung des § 286 ZPO den Vorteil, dass eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Beweises des Produktfehlers und der haftungsbegründenden Kausalität de facto die materiell-rechtliche Produkthaftung von einer Unrechtshaftung in eine Gefährdungshaftung umwandeln würde, da der Kläger nur noch beweisen müsste, dass er im Zusammenhang mit der Benutzung eines Produktes in seiner Gesundheit geschädigt wurde, wobei dem Hersteller der Gegenbeweis bei einem nichtuntersuchbar oder nichtreproduzierbar zerstörten Produkt oder nichtgegenständlichen Fehler auch unmöglich wäre. Die Beweislastverteilung nach Einflusssphären aufgreifend, verbleibt es also bei der Beweislast des Klägers hinsichtlich des zum Unfallzeitpunkt in seiner Einflusssphäre befindlichen, allein in Gestalt seiner Substanz die Haftung begründenden und die Verletzung verursachenden Produktes.248 Dadurch könnte nicht nur der allgemeine Beweismaßstab des § 286 ZPO – im Gegensatz zur Beweislastumkehr – auf die Umstände des Einzelfalls ausgerichtet und flexibel auf das Maß reduziert werden, das zur Sicherstellung der verbraucherschützenden Ziele und Zwecke des materiell-rechtlichen Produkthaftungsrechts gemäß ProdHaftG notwendig ist.249 Es könnte auch die als Fremdkörper mit ungeklärter prozessualer Rechtssystematik angesehene Beweislastumkehr in den Fällen der Verletzung einer besonderen Beweissicherungspflicht abgeschafft und auch hier eine den Zielen des materiellen Rechts entsprechende Beweistiefe des vom Kläger zu erbringenden Fehlerbeweises eingeführt werden. Um anhand des Gesamtbildes der Beweisführung die Überzeugung zu begründen, dass mit einem „großen Maß an Wahrscheinlichkeit“ ein Produktfehler vorliegt und dieser Fehler den geltend gemachten Schaden verursacht hat, kann sich der Kläger 1. des unmittelbaren Beweises (direct evidence) und damit Umständen bedienen, die direkt auf einen Produktfehler schließen lassen (z. B. Vorlage eines nicht ausreichend dimensionierten Bauteils oder Vorlage einer nicht sorgfältig ausgeführten Verbindung) oder 2. des Indizienbeweises (circumstantial evidence) und damit Umständen bedienen, die für sich alleine nicht das Vorliegen eines Produktfehlers oder eine Ursächlichkeit des Produktfehlers für den Schaden denklogisch begründen. Ein Indizienbeweis kann einerseits mittels des positiven Nachweises von Umständen geführt werden, deren Vorliegen in der Summe das Vorliegen eines Produktfehlers oder der Ursächlichkeit mit einem größeren Maß an Wahrscheinlichkeit erscheinen lassen als das Nichtvorliegen. Ein Indizienbeweis kann aber auch in negativer Weise dadurch geführt werden, dass mit einem größeren Maß an Wahrscheinlichkeit alle an vernünftigen Erwägungen orientierten Ursachenhypothesen 248
Im Ergebnis ähnlich Buchner, VersR 2000, 28 (30). Die Rechtsprechung in Kalifornien zur risk/utility-analysis soll im Folgenden aufgrund ihrer Besonderheit im Zusammenhang mit dem Barker-test, der sich in den übrigen Rechtsordnungen ebenso wenig wie die Beweislastumkehr und die market-share-liability durchgesetzt hat, nicht weiter aufgegriffen werden. 249
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
ausgeschlossen werden, die auf eine Schädigung durch andere, nicht einem Produktfehler betreffende äußere Umstände – insbesondere durch ein dem Hersteller nicht zurechenbares Fehlverhalten des Nutzers oder eines Dritten im Umgang mit dem Produkt – oder durch sekundäre Indizien, wie die normale Abnutzung, hinweisen, so dass die zwar feststehende, aber unbenannte und nicht genau erklärbare Fehlfunktion in jedem Fall aus der Einflusssphäre des Herstellers entstammen muss.250 Wie auch beim standard of proof in der strict products liability reicht die bloße Möglichkeit des Vorliegens der behaupteten und zu beweisenden Tatsachen dafür nicht aus, so dass allein aus einer Schädigung durch ein Produkt während der Produktbenutzung nicht auf einen Produktfehler und dessen Ursache für den geltend gemachten Schaden geschlossen werden kann.251 Andererseits muss es dem Kläger aber offen stehen, einen substantiierten Indizienbeweis dahingehend zu führen, dass (irgendein) vom Hersteller verursachter Produktfehler vorgelegen haben muss, weil ein Produkt während einer normalen Benutzung eine Fehlfunktion aufgewiesen hat, die ohne einen Produktfehler nicht aufgetreten wäre, bzw. dass sich logisch und vernünftig die Ursächlichkeit des bewiesenen Produktfehlers für den geltend gemachten Schaden ergibt, weil ein auf den Produktfehler zurückzuführender Kausalverlauf unter objektiven Gesichtspunkten alle anderen möglichen Kausalverläufe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dominiert, ohne dass zwingend jede denkbar mögliche alternative Schadenverursachung vorzutragen oder gar durch Beweisantritt auszuschließen wäre. Dazu müsste der Kläger zuerst alle möglichen, die Fehlfunktion oder den Schaden verursachenden Umstände ausschließen, die nicht in der Sphäre und der Kenntnis des Herstellers liegen, indem er nachweist, wie er das Produkt zum Zeitpunkt des Unfalls tatsächlich benutzt hat. Für den Ausschluss sonstiger Umstände, wie die normale technisch bedingte Abnutzung oder den Ausschluss der Beschädigungen nach der Inverkehrgabe, kommt dem Kläger im deutschen Produkthaftungsrecht – im Unterschied zur strict products liability – die gesetzliche Beweislastumkehr des § 1 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG zu Gute. Um einen Indizienbeweis mit dem Ergebnis eines großen Maßes an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Produktfehlers und des Beruhens der Verletzung auf dem Produktfehler erfolgreich zu führen, kann sich der Kläger auch in Deutschland der in der strict products liability berücksichtigten Aspekte bedienen, die da wären: 1.
die Zeitspanne seit dem Inverkehrbringen des schadenverursachenden Produkts,
2.
die Dauer der Produktnutzung,
3.
die Art und Intensität der Produktnutzung sowie bekannte Fehlnutzungen und Fehlfunktionen, soweit diese nicht so unmittelbar mit dem schädigenden Er-
250 251
So im Ergebnis wohl auch Buchner, VersR 2000, 28 (30). Zuletzt BGH NJW 2013, 1302 (1304): die theoretische Möglichkeit nicht ausreichend.
I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht
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eignis verbunden sind, dass bereits materiell-rechtlich ein Produktfehler oder das Beruhen des Schadens auf dem Produktfehler ausgeschlossen ist, 4.
der Wartungs- und Reparaturstatus des zerstörten Produkts,
5.
die dem Produkt immanente (und vom Verbraucher zu erwartende) Nutzungsdauer,
6.
die Unveränderbarkeit des streitgegenständlichen Produkts aufgrund der technischen Gegebenheiten (zugunsten des Klägers) bzw. die nach der Inverkehrgabe am streitgegenständlichen Produkt vorgenommenen Veränderungen (zugunsten des Herstellers), welche irgendeine Verbindung mit dem schädigenden Ereignis aufweisen könnten, soweit diese nicht so unmittelbar mit dem schädigenden Ereignis verbunden sind, dass bereits materiell-rechtlich ein Produktfehler oder das Beruhen des Schadens auf dem Produktfehler ausgeschlossen ist,
7.
die Kenntnis über negative Produktwirkungen bevor das streitgegenständliche Produkt konstruiert und hergestellt wurde,
8.
der lückenlose Nachweis der Nutzung und der Funktionsfähigkeit des Produkts seit dem Kauf als neues Gerät,
9.
die Verwendbarkeit, Austauschbarkeit und (ggf. auch fehlerhafte) Verwendung des angeblich defekten Einzelteils in anderen Produkten und deren Bewährung,
10. eventuelle Rückrufaktionen (Ob und Wie) vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis und nach der Kenntnis von einem Produktfehler sowie die Bewährung des Produktes, 11. eventuelle interne Dokumente des Herstellers oder Dokumente von Aufsichtsund Genehmigungsbehörden, 12. die Erfahrungen mit Fehlfunktionen oder mit (vom Hersteller vermeidbaren und ihm bekannten) unwillkürlichen Fehlbedingungen in der Vergangenheit vor dem Unfall, 13. die Anfälligkeit des streitgegenständlichen Produkts im Vergleich zu anderen vergleichbaren Produkten (ähnliche Unfälle oder Ausbleiben dergleichen), 14. das Qualitätsniveau des streitgegenständlichen Produkts, 15. die Verwendung von notwendigem oder empfohlenem Zubehör, insbesondere von Sicherheitseinrichtungen, 16. die Qualitätskontrollen des Herstellers und 17. die Unfallfolgen, wie Art der Beschädigung und Lage der beschädigten Gegenstände nach dem Unfall, Art und Umfang der Verletzungen. Falls der Kläger eine substantielle Ähnlichkeit, nicht notwendigerweise Gleichheit, von nichtstreitgegenständlichen Unfällen mit dem streitgegenständlichen Unfall nachweist und ausschließen kann, dass in diesen Unfällen auch andere
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Teil 4: Die Beweislast des Klägers
plausible – vom Hersteller nicht zu verantwortende – Ursachen eine Rolle gespielt haben könnten, kann sich daraus auch ein Indizienbeweiswert bezüglich der Ursache des Unfalls, der Existenz eines Produktfehlers (insbesondere zur Kenntnis über den Umfang der mit dem Produkt verbundenen Gefahren im Rahmen der vom Hersteller zu verantwortenden Nutzung, über deren konstruktive oder kommunikative Vermeidung und zur Qualität des Produkts) und zur Ursächlichkeit des Produktfehlers für den Schaden ergeben. Einen hohen Indizienbeweiswert für das Vorliegen eines Fehlers in der Herstellung kann dem Umstand zukommen, dass das streitgegenständliche Produkt wie in den Vergleichsfällen mit einem (bewiesenen) herstellungsbedingten Produktfehler in einem Herstellungsbetrieb zur gleichen Zeit produziert wurde. Um zu vermeiden, dass eine derartige Verringerung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes zu unvorhersehbaren und willkürlichen Entscheidungen führt, sollte das urteilende Gericht verpflichtet werden, sowohl die zur Entscheidungsfindung herangezogenen Umstände im Urteil zu benennen als auch die Wertung und Abwägung detailliert auszuführen. Nicht zu vernachlässigende rechtspolitisch wünschenswerte Nebeneffekte einer derartigen Begründungspflicht wären die bessere Überprüfbarkeit der Urteile im Instanzenzug und eine intensivere Auseinandersetzung des die Beweise würdigenden Gerichts mit den vorgetragenen Umständen unter rechtlichen Erwägungen ohne Verweis auf ein Sachverständigengutachten, da die meisten unter Ziffer 1 – 17 genannten Aspekte allgemeine und weniger einem Sachverständigengutachten zugängliche Gesichtspunkte sind.252 Abschließend sollte der Vollständigkeit halber nicht unerwähnt bleiben, dass der Kläger in der strict products liability durch die eigene Parteivernehmung einen erheblichen Vorteil gegenüber dem deutschen Zivilprozessrecht hat, die äußeren Umstände eines Unfalls oder der Produkthistorie gerichtlich zu beweisen. Ebenso kann der Kläger im US-amerikanischen Zivilprozessrecht die vorprozessualen Regelungen der discovery nutzen, um sich zur Verbesserung seiner Beweissituation mit weitreichenden Informationen zum streitgegenständlichen Produkt aus der Herstellersphäre zu versorgen. Dies wird in einigen Rechtsordnungen in den USA durch einen intensiven Informationsaustausch zwischen den für die Geschädigten tätigen Anwaltskanzleien und den im Hintergrund oft tätigen Interessengruppierungen hinsichtlich der in einem branchenerheblichen Rechtsstreit mit gattungsbezogenen Produktfehlern (z. B. Tabakwaren, Asbest, Medikamente) zu Tage gebrachten Informationen gefördert.253 Ob dies zum Anlass genommen werden sollte, ähnliche Regelungen auch für den deutschen Produkthaftungsprozess aufzunehmen, stellt 252 Vgl. hierzu der Verfahrensgang in BGH NJW 2013, 1302 (1304), worin die Sachverständigen keine abschließenden Feststellungen zu den Schadensursachen treffen konnten, so dass dem Geschädigten de facto keine Chance der Anspruchsdurchsetzung verblieb. 253 Vgl. hierzu Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 806 (813) und Hirte/Otte, VersR, 1996, 274 (279) zu sogenannten „Sunshine laws“, wonach auch vertrauliche Informationen über gesundheitliche Risiken im Rechtsstreit veröffentlicht werden dürfen, um die Öffentlichkeit vor erheblichen Gefahren zu bewahren.
I. Der Beweismaßstab des § 286 ZPO im Produkthaftungsrecht
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eine so substantielle rechtspolitische Entscheidung für das gesamte Zivilprozessrecht dar, dass hier die Auswirkungen auf das gesamte materielle Bürgerliche Recht und Zivilprozessrecht zu beachten wären. Exemplarisch sei hier nur das Verbot der Ausforschung in allen zivilprozessualen Verfahren genannt254, das eine Adaption der discovery in das deutsche Zivilprozessrecht allein aus Beweisnotständen im Produkthaftungsrecht als unangemessen erscheinen lässt255. Auch werden die praktischen Auswirkungen der discovery in der strict products liability nicht kritiklos gesehen, da die vor der Inverkehrgabe zu Beweiszwecken besonders detaillierte Dokumentation einer intensiven Abwägung im Rahmen der risk/utility-analysis oder eines feasible alternative designs vom Kläger dazu verwendet werden könnte, dem Hersteller die Profitmaximierung zur Last zu legen, um zusätzlich noch punitive damages zu erhalten256, so dass kontraproduktiv zu befürchten sei, dass der Hersteller mit der Gefahrenerforschung und Gefahrendokumentation zurückhaltend ist257. Die Einzelheiten dazu würden den Rahmen dieser Untersuchung sprengen.
254
Auch wenn ein Verfahren ähnlich der discovery grundsätzlich dem deutschen Prozessrecht nicht so wesensfremd wäre, dass es völlig ausgeschlossen ist, vgl. dazu zur Anerkennung von Urteilen beruhend auf einem discovery-Verfahren die Stellungnahme der DAJV zur geplanten Änderung des deutschen Vorbehalts gemäß Art. 23 HBÜ in ZDAR 2015, 7; Rosengarten, S. 138 f.; Zekoll, S. 137 ff.; a.A. Böhmer, PHI 1992, 72 (74 f.). 255 Sehr kritisch zur Praxis der discovery Böhmer, PHI 1992, 72 (73 ff.). 256 Die Gefahren aufgezeigt in Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 922 et seq. (1989). 257 Vgl. zu den Prüfpflichten TX: Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076, 1089 et seq. (5th Cir. 1973).
Teil 5
Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht – Muss das Produkthaftungsrecht mehr als ein Recht des Schadenausgleichs sein? Die Teile 2 bis 4 haben gezeigt, dass der moderne Ansatz einer vom Herstellerverhalten entkoppelten Liquidation des aus der Produktnutzung entstehenden Schadens die Interessen der Gesellschaft an einem wirksamen Verbraucherschutz vor Gefahren aus global hergestellten, hochkomplexen und hochkomplizierten industriellen Massenprodukten auf der einen Seite und die Interessen der Gesellschaft am industriellen Fortschritt zur Vermehrung des Wohlstands breiter Schichten der Bevölkerung auf der anderen Seite in einen angemessenen Ausgleich bringt. Man könnte daher meinen, dass für die verhaltensbezogene deliktische Haftung gemäß der §§ 15 Abs. 2 ProdHaftG, 823 Abs. 1 BGB neben der Haftung aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG kaum noch eine praktische Bedeutung verbleibt, insbesondere da die Begründung eines deliktischen Verhaltenshaftungsanspruchs seit 01. 08. 2002 keine Voraussetzung der Geltendmachung eines Schmerzensgeldes ist (vgl. § 8 Abs. 2 ProdHaftG, eingefügt im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 19. 07. 2002). Die Haftungsbeschränkungen in den §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 4 Abs. 2 und 3, 10, 11 ProdHaftG erscheinen jedenfalls nicht so essentiell, als dass daher der verhaltensbezogenen Produzentenhaftung eine signifikante Bedeutung verbleibt. Diese Einschätzung deckt sich mit der Entwicklung der Produkthaftung in den USA, wonach die strict products liability den Schadenersatz für die praktische Anwendung so umfassend und interessengerecht geregelt hat, dass die ebenfalls weiter anwendbare verhaltensbezogene negligence bis auf eine Ausnahme keine Rolle mehr spielt. Die Ausnahme betrifft die sogenannten punitive damages und ist aufgrund ihrer hohen praktischen Bedeutung einer näheren Betrachtung wert. Dabei soll es nicht um die Implementierung von punitive damages in das allgemeine deutsche Schuldrecht gehen, sondern es soll analysiert werden, ob es die Ziele und Zwecke des Produkthaftungsrechts, die in der Entwicklung des Produkthaftungsanspruchs von einer allgemeinen Verkehrspflichtverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB hin zu einer besonderen objektbezogenen und spezialgesetzlich geregelten deliktischen Haftung deutlich werden, erfordern, die Rechtsfolgen dieses Anspruchs – also den Schadenersatzumfang – im Lichte des heftigen Meinungsstreits zur immateriellen Entschädigung neu zu bestimmen. Zur Analyse soll ein Sachverhalt herangezogen
Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
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werden, der den – auch in Deutschland zeitweise verkauften1 – Personenkraftwagen Ford Maverick betraf und in den wesentlichen Tatsachen einer Entscheidung des Court of Appeal of California, Fourth Appellate District, Division One, entspricht.2 Die 46-Jährige verheiratete Klägerin und Mutter von zwei Kindern fuhr mit ihrem fünf Jahre alten SUV Ford Maverick auf einer trockenen leicht abschüssigen Schnellstraße. Plötzlich löste sich ein Metallteil mit erheblicher Größe von einem vorausfahrenden Wohnmobil und drohte die Windschutzscheibe zu durchbrechen. Um ein Einschlagen des Metallteils und die damit verbundenen Verletzungen zu vermeiden, versuchte die Klägerin diesem durch Lenkbewegungen auszuweichen. Ohne dass ihr ein Mitverschulden zur Last gelegt werden kann, geriet das Fahrzeug außer Kontrolle, kam von der Straße ab und überschlug sich mehrere Male. Durch den Überschlag knickten die Dachsäulen und Querstreben ein, so dass das Dach mehr als 25 cm in den Fahrgastraum eindrang und schwerste Verletzungen verursachte (Querschnittslähmung, Gesichtsverletzungen, Brüche an Rippen, Knien und Beinen, eine gerissene Milz und innere Blutungen). Nach einem Rettungsflug in die Notfallklinik musste die Verletzte zwei Wochen auf einer Intensivstation und anschließend mehr als zwei Monate mit Rehabilitationsmaßnahmen behandelt werden. Auch nach der Rehabilitation leidet die Verletzte unter sich ständig verschlimmernden Schmerzen, die nur punktuell durch Schmerzmittel gelindert werden können, an einer Querschnittslähmung von der Hüfte abwärts, an einem Phantomschmerz in den Beinen, an jeglichem Kontrollverlust über Darm und Blase (verbunden mit dem ständigen Tragen von Kathetern), an Nierenschäden nach einer Infektion durch die Katheternutzung, an ständigem Druckschmerz von den Metallimplantaten an der Wirbelsäule, an sich ständig verschlechternden Schulterproblemen aufgrund des Rollstuhlfahrens, an einem verkürzten Bein, an angeschwollenen und zur Bruchbildung sowie zu Blutungen neigenden Füßen und an Narben am ganzen Körper. Das tägliche Leben der vorher aktiven, enthusiastischen, unabhängigen und sportlichen Frau, die Kampfsport betrieb, hat sich durch den Unfall völlig verändert. Ihre Teilnahme an jeglichen sozialen Interaktionen und Aktivitäten ist beeinträchtigt und ohne die Hilfe anderer Menschen unmöglich. Sie kann körperlich nicht mehr ihren ehelichen Pflichten nachkommen und muss bei der täglichen Körperpflege und im alltäglichen Leben von ihrem Mann betreut werden. Die meisten Räume ihres Hauses sind von ihr nunmehr nicht mehr erreichbar, so dass sie im Waschraum schlafen muss. Ihren Beruf als Lehrerin kann sie nicht ausüben und es ist nicht absehbar, ob sie jemals in ihren Beruf zurückkehren kann. Ihr Mann musste seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt einschränken. Im Haftungsprozess konnte nachgewiesen werden, dass der SUV zwei voneinander unabhängige Produktfehler aufwies. Zum einen besaß die Konstruktion eine 1 2
Von 1993 – 2001 (Quelle: Wikipedia). CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1121 et seqq. (2008).
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Neigung zum Überschlagen, weil das Fahrzeug eine zu geringe Spurweite und einen zu hohen Schwerpunkt hatte, zum anderen war die Dachbefestigung derart unstabil, dass das Dach bei einem Überschlag in den Fahrgastraum gedrückt werden konnte. Die Neigung zum Überschlagen war dem Hersteller bekannt, und der Hersteller wusste auch von der Wichtigkeit einer Redundanz der Überschlagsicherheit in Gefahrensituationen. Die Ingenieure des Herstellers erkannten bereits beim Vorgängermodell durch Tests, dass die Überschlagsgefahr bereits bei 50 km/h bestand und schlechter als bei Konkurrenzmodellen war. Obwohl das Management von der Gefährlichkeit der Konstruktion aufgrund schwerer Verletzungen durch Überschläge beim Vorgängermodell wusste, lehnte es zur Vermeidung von Gewinnverlusten durch einen verspäteten Verkaufsstart den Vorschlag der Ingenieure ab, die Spurweite zu verbreitern. Gleichzeitig wurde vom Hersteller zielgerichtet versucht, in der Öffentlichkeit und gegenüber den Käufern die gefährliche Neigung zum Überschlagen zu verschleiern, indem einerseits die angeblich sichere Fahrstabilität mit Testergebnissen begründet wurde, die nicht der Stabilitätsprüfung, sondern der Einschätzung des Handlings dienten, und andererseits gegen die Veröffentlichung von mangelhaften Testergebnissen durch unabhängige Verbraucherschutzorganisationen eine angebliche Computersimulation zum Nachweis der Produktsicherheit vorgebracht wurde, deren Ergebnisse jedoch nicht vorgelegt wurden. Trotz der Kenntnis von der konstruktiven Instabilität wurde aus ästhetischen Gründen und zur Verbesserung des Verkaufserfolgs das Fahrzeug in einer Reifengröße ausgeliefert, die die Instabilität noch vergrößerte, obwohl sowohl die Konstrukteure des Fahrzeugs als auch die Entwickler des Reifenherstellers davon abgeraten hatten. Das Management nahm trotz Gefahrkenntnis die eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen bei Gesundheitsverletzungen sehenden Auges in Kauf. Um auch diese zusätzliche Gefährlichkeit zu verschleiern, brachte der Hersteller zuerst den SUV mit geeigneten Reifen heraus, um Tests von Verbraucherschutzorganisationen zu bestehen und um dann, nachdem die Tests bestanden wurden, den ursprünglichen Marketingplan mit unsicheren Reifen umzusetzen. Später ging man dazu über, die Reifen mit weniger Luft zu füllen, ohne diese Maßnahme den Fahrzeughaltern mitzuteilen. Die Dachkonstruktion hätte darüber hinaus mit einem Mehraufwand von 20 Dollar je Fahrzeug so verstärkt werden können, dass das Dach sich nicht eingedrückt hätte und die schweren Verletzungen der angeschnallten Klägerin vermieden worden wären. Obwohl im Zusammenhang mit einer Modellpflege der Hersteller die Stabilitätsprobleme hätte lösen können, nahm man aus Gründen der Kostenersparnis davon Abstand. Alle diese Gefahren waren der Verletzten unbekannt, und sie wurde auch nicht vom Händler darüber aufgeklärt. Wäre die Verletzte mit einem in Deutschland gekauften Ford Maverick auf einer deutschen Straße verunglückt, hätte sie ihre finanziellen Verluste aufgrund der Körperverletzung im Zusammenhang mit der Produktbenutzung gemäß der §§ 7 – 9 ProdHaftG, §§ 842 – 845 BGB und §§ 249 ff. BGB ersetzt verlangen können. Dieser Teilbetrag des Schadenersatzes ist rechtssystematisch wenig problematisch und wirft eher in der Berechnung im Einzelfall Schwierigkeiten auf. Im Folgenden soll daher
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland
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die immaterielle Entschädigung den Mittelpunkt bilden, für den es im deutschen Produkthaftungsrecht gemäß § 8 Satz 2 ProdHaftG keine besonderen Regelungen gibt, so dass auf das allgemeine Schuldrecht (§ 253 Abs. 2 BGB) abzustellen ist. Auch wenn die Zahl der Getöteten im Straßenverkehr derzeit historische Tiefstände gegenüber dem Höchststand im Jahre 1970 (mit 21.332 Menschen) erreicht3, so stellt sich trotzdem mit Blick auf den oben dargestellten Fall die Frage, ob die vor einem deutschen Gericht zu erwartenden materiellen Schadenersatzleistungen und die immaterielle Entschädigung den Erfordernissen eines modernen Produkthaftungsrechts und den gesellschafts- und rechtspolitischen Zielen und Zwecken des materiellen Produkthaftungsrechts genügen.
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland I. Die gesetzliche Regelung Unter der inoffiziellen Bezeichnung „Schmerzensgeld“ eröffnete der historische Gesetzgeber dem Verletzten im § 847 BGB a.F. die Möglichkeit, für seinen nichtmateriellen Schaden eine billige finanzielle Entschädigung vom Schädiger zu verlangen. Wie diese „billige Entschädigung“ zu bestimmen ist, konkretisierte der Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt. Das im Vorfeld intensiv rechtssystematisch diskutierte und das Schuldrecht umfassend novellierende Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aus dem Jahre 2002 übernahm nicht nur unverändert diese Formulierung im neuen § 253 Abs. 2 BGB, sondern implementierte ohne weitere rechtssystematische Auseinandersetzung diese Regelung in den § 8 Satz 2 ProdHaftG.4 Selbst wenn man die gesetzgeberische Definition in der Weise interpretiert, dass vom Schmerzensgeld alles umfasst ist, was nicht einen materiellen Schaden darstellt5, fehlt der Definition ein objektiv bestimmbarer Gesamtschaden. Die Gerichte konnten sich nie zu einer abstrakten Definition der immateriellen Entschädigung durchringen und hielten sich alle Möglichkeiten durch die Postulierung eines an die Einzelfallgerechtigkeit orientierten umfassenden richterlichen Ermessens offen, bei dem der Tatrichter die den Schadensfall prägenden Faktoren eigenständig gewichten und anschließend im Sinne einer Gesamtschau des ihm sich darbietenden Schadensbilds bewerten solle.6 Die Folge dieser am Einzelfall orientierten Transformation von wertmäßig nicht bestimmbaren Umständen in einen Geldbetrag ist, dass die 3 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 04. 06. 2003; auch später sank die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr weiter, vgl. ADAC Motorwelt, 02/2009 S. 10 und 01/ 2006 S. 8. 4 Vgl. Müller, G., VersR 2003, 1 (3): Vereinfachung der Rechtsstreite wegen Knappheit der Ressourcen und um ein besseres Verständnis des rechtssuchenden Bürgers zu erreichen. 5 Nixdorf, NZV 1996, 89. 6 Statt vieler BGH NJW 1993, 781 (783); aufgegriffen von Müller, G., VersR 1993, 909 (911).
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
ausgeurteilte Zahlungspflicht das Ergebnis der sittlichen und moralischen Vorstellungen des Tatrichters zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt darstellt. Ohne ein gesetzliches Berechnungsschema muss sich die Systematisierung der Berechnung der immateriellen Entschädigung an der damit einhergehenden Funktion der Zahlungspflicht orientieren. Da der Gesetzgeber keine konkreten arithmetischen Bemessungsgrundsätze festgelegt hat und sich die Sittlichkeits- und Moralvorstellungen mit der Zeit verändern, unterliegt auch die Bemessung der immateriellen Nachteile, sei es bezüglich der Ziele und Zwecke der immateriellen Entschädigung oder deren Höhe und Begründung, dem historischen und gesellschaftlichen Wandel.7 Einen mathematischen Ansatz verfolgt die Lehre von der ökonomischen Analyse des Schadensrechts, wonach der zivilrechtliche Schadenersatz die Funktion der Steuerung des Schadenvermeidungsaufwandes und nicht die Aufgabe des Nachteilsausgleichs habe, so dass die Summe aus materiellem Schadenersatz und immaterieller Entschädigung den Betrag ergeben muss, den die Mitglieder einer Risikogemeinschaft zu erbringen bereit sind, um das sie bedrohende Schadenrisiko zu vermeiden.8 Da sich diese Lehre weder in der Rechtsprechung noch als herrschende Meinung durchgesetzt hat, soll die Fortentwicklung der immateriellen Entschädigung im Produkthaftungsrecht nicht auf diesem fundamental abweichenden Funktionsansatz analysiert werden. 1. Die Ausgleichsfunktion der immateriellen Entschädigung Soweit die Entschädigung gemäß § 253 Abs. 2 BGB als Schadenersatz angesehen wird, wird die Zahlungspflicht einer Ersatzsystematik des BGB zugewiesen, die ihre Grundlage in der Naturalrestitution des § 249 BGB und damit im Ausgleich der verletzten absoluten Rechte durch eine Wiedereinsetzung des Verletzten in die rechtliche und wirtschaftliche Stellung ohne die Verletzungshandlung findet.9 Die auszugleichenden immateriellen Nachteile werden dabei als Gefühlsschaden verstanden, wozu alle nachteiligen Folgen für den physischen und psychischen Zustand des Verletzten – umgangssprachlich auch als Schmerzen bezeichnet –, also alle Störungen des körperlichen und geistigen Wohlbefindens sowie die Beeinträchtigungen des Lebensgefühls und der Lebensfreude (wahrgenommen als Kummer, Unbehagen, Bedrückung, Sorgen, Ärger und Unbequemlichkeiten) gehören.10 Mit dieser Funktion eines Nachteilsausgleichs geht einher, dass sich der Verletzte mit dem Geldzahlungsanspruch aus einer unerlaubten Handlung nicht bereichern darf.11 7
Vgl. zur richterlichen Pflicht der Weiterentwicklung des Rechts Grossfeld, S. 119. MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 59; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (566, 568, 573); die Lehre aufgreifend Ady, S. 173; Müller, P., S. 89 f. 9 Statt vieler MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 38; Nixdorf, NZV 1996, 89 (92); Wiese, S. 5; Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643. 10 Nixdorf, NZV 1996, 89 (90); Lorenz, S. 33. 11 BGH NJW 1992, 3096 (3103); Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5; Müller, P., S. 85; a.A. unter Zuhilfe-nahme eines „normativen immateriellen Schadens“ Zeytin, S. 200 ff. 8
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland
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Gegen die Funktion des Nachteilsausgleichs spricht jedoch, dass ein immaterieller Nachteil mangels finanzieller Messbarkeit bereits wesensimmanent nie als Naturalrestitution umsetzbar ist, so dass zwingend eine Geldzahlungspflicht festgelegt wurde.12 Mehr noch kann die Berechnung dieser Geldzahlungspflicht zum Ausgleich des immateriellen Nachteils nicht das arithmetische Ergebnis der Betrachtung des Verletzten mit und ohne das Verhalten des Schädigers sein13, da sich die immateriellen Umstände des menschlichen Lebens gerade nicht in Geld messen lassen14. Dies unterscheidet die immaterielle Entschädigung vom materiellen Schadenersatz, bei dem der Verlust der Substanz, der Gebrauchsvorteile oder der ideell mit Geld erwerbbaren Genüsse im allgemeinen Wirtschaftsleben wertmäßig bestimmbar ist und daher in Geld bewertet werden kann.15 Dem widersprechend erlebt in der Literatur – seit der im Zweiten Schadenrechtsänderungsgesetz mit der Normierung des § 253 Abs. 2 BGB enthaltenen Entkoppelung der immateriellen Entschädigung von einem persönlichen Verschulden des Schädigers – eine Meinung eine Renaissance, die der heutigen Bemessung der immateriellen Entschädigung jegliche pönale Sühnefunktion bezogen auf das gekränkte Rechtsgefühl des Verletzten entziehen16 und lediglich eine Ausgleichsfunktion zukommen lassen will.17 Die immaterielle Entschädigung sei lediglich der Ausgleich der materiell nicht bewertbaren Beeinträchtigungen des Verletzten, die die menschliche Persönlichkeit betreffen und die als Schmerzen oder eine Kränkung empfunden werden sowie sich in einer zeitweiligen oder dauernden Behinderung in der freien eigenen Lebensgestaltung durch den aufgedrängten Lebensvollzug manifestieren können.18 Nur so sei das Grundprinzip jeglichen Schadenersatzes er12
MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 10; Ady, S. 191; Müller, G., VersR 1993, 909 (911): „Schadenersatzanspruch eigener Art“. 13 Müller, P., S. 259; vgl. zur Einbeziehung eines eventuellen Mitverschuldens des Verletzten in der globalen Bemessung – nicht durch Abzug von einem Entschädigungsbetrag ohne Mitverschulden – Müller, G., VersR 1993, 909 (915). 14 KG VersR 2002, 1567; Müller, G., VersR 1993, 909 (911); Nixdorf, NZV 1996, 89 (89 f.): zu beachten, dass diese Schäden „keine Aufwendungen veranlassen und den wirtschaftlichen Erwerb nicht schmälern“. 15 Exemplarisch dazu bereits Wiese, S. 21 f., 33. 16 MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 12; vgl. zur Nähe der emotionalen Funktion des Schmerzensgeldes zur Privatstrafe Honsell, VersR 1974, 205 (205 ff.). 17 MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 11; Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (435); Müller, G., VersR 1993, 909 (913); Jaeger, VersR 2002, 719 mit Bezug auf die vom Gesetzgeber geplante, aber nicht umgesetzte Bagatellgrenze; a.A. BT-Drs. 14/7752 S. 14 f. mit Verweis auf ein weiterhin bestehendes Bedürfnis für die Genugtuungsfunktion bei der Verschuldenshaftung; dies wird von Müller, G., VersR 2003, 1 (4) zur „Erhöhung des Schmerzensgeldes“ bei besonders schuldhaftem Verhalten herangezogen. 18 MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 13; Rosengarten, S. 163; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (841): Genugtuung als besondere Form des Ausgleichsgedankens immaterieller Einbußen; vgl. hierzu auch die Gleichsetzung der Entschädigungsbemessung bei Gefährdungsdelikten und Verschuldensdelikten bei leichter Fahrlässigkeit ohne Genugtuungsanteil durch das OLG Saarbrücken NJW 2008, 1166 (1168).
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reichbar, dass der Verletzte durch die Entschädigung nicht bereichert, sondern so gestellt werde, wie er ohne das schädigende Ereignis gestanden hätte.19 Um zu vermeiden, dass die aus der Ausgleichsfunktion folgende Differenzhypothese gerade bei einem vollständigen irreversiblen Verlust jeglichen Empfindens zu rechtspolitisch unerwünschten Ergebnissen führt, soll zur Begründung einer (signifikanten) Entschädigung der Bemessung ein erweitertes Verständnis der Ausgleichsfunktion zu Grunde gelegt werden, so dass auf den Zustand der Persönlichkeit des Verletzten mit und ohne Schädigung in einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit und des geistigen und körperlichen Zustands abgestellt wird.20 Diese Wertermittlung sei – losgelöst von Emotionen – objektiv an die Beeinträchtigung der sozialen Bezüge des Verletzten in seiner Würde und Freiheit anzuknüpfen, so dass mit anderen Funktionen begründete Bemessungsfaktoren, wie die unterschiedlichen Formen des Verschuldens, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers, der Anlass der Verletzungshandlung, die besondere Ungewissheit bezüglich des Schadensverlaufs oder die verzögerte Regulierung der Schadensabwicklung, wie bisher berücksichtigt werden könnten.21 Umstritten ist, ob auch andere Faktoren, wie die Belastung der Versichertengemeinschaft22, einzubeziehen sind. Der Vorzug dieser Theorie von der ausschließlichen Ausgleichsfunktion der immateriellen Entschädigung wird darin gesehen, dass diese nicht nur der angeblich vom historischen Gesetzgeber bezweckten Vermeidung jeglicher moralisierender oder strafrechtlicher Gesichtspunkte dient23, sondern auch erkläre, weshalb auch der verschuldensunabhängig Haftende eine immaterielle Entschädigung schuldet, obwohl hier jegliches Genugtuungsbedürfnis fehle und der Schaden meist von einer Versicherung gezahlt wird.24 Das Problem der gegenseitigen Beeinflussung von Geldstrafen und immaterieller Entschädigung werde damit auch gelöst.25 Schlussendlich könne damit die Grundlage für jegliche Diskussionen über weitere Funktionen der immateriellen Entschädigung entzogen werden, die weder etwas mit dem objektiven Schaden oder wenigstens dem schädigenden Verhalten zu tun haben noch in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Verletzung stehen.26
19
Vgl. Müller, G., VersR 1993, 909 (911); Larenz, 1. Bd. AT, § 27 I; Lorenz, S. 27. Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (438); Müller, G., VersR 1993, 909 (913). 21 So Müller, G., VersR 1993, 909 (914 ff.). 22 Diesen Gesichtspunkt berücksichtigend Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (438). 23 Vgl. Müller, G., VersR 1993, 909 (914). 24 MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 12; Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (435); Müller, G., VersR 2003, 1 (4); vom Gesetzgeber beabsichtigt, vgl. BT-Drs. 14/7752 S. 14; unter Heranziehung von Verhältnismäßigkeitserwägungen im Ergebnis gleich Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (840). 25 Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (435). 26 So bereits Honsell, VersR 1974, 205 (206 f.). 20
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland
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2. Die Theorie von der Doppelfunktion der immateriellen Entschädigung Die ständige Rechtsprechung hat die Transformation des nichtmateriellen nichtmessbaren Nachteils in eine billige entschädigende Zahlungspflicht seit nunmehr über 50 Jahren nicht allein an den Nachteilsausgleich angeknüpft, sondern koppelt die Bemessung der billigen Entschädigung von einer arithmetisch ausgleichenden Schadenersatzberechnung ab, indem der immateriellen Entschädigung eine – der Schadenersatzermittlung zwar nachempfundene, von dieser aber zu unterscheidende – einheitliche, unteilbare und frei zu ermittelnde Bemessung zu Grunde gelegt wird, die den Verletzten unter Beachtung der berücksichtigungsfähigen Umstände aus dem gesamten Lebenssachverhalt so zu stellen hat, dass er sich – auch im Vergleich mit anderen Entscheidungen – als ausreichend kompensiert ansieht, ohne dass sich der Schädiger als überbeansprucht fühlt.27 Von dieser wenig konturierten Definition wird – wie bei jeder Entschädigungspflicht – unzweifelhaft der Geldbetrag umfasst, der die rechtswidrig erlittenen – das Leben des Verletzten erschwerenden – Beeinträchtigungen im Rahmen des Möglichen durch Annehmlichkeiten wieder erleichtern und damit ausgleichen kann (Ausgleichsgedanke).28 Zur Bestimmung des Ausmaßes der Lebensbeeinträchtigung können die Art, der Umfang, die Intensität und Dauer der ärztlichen Behandlung, die Schmerzen, die körperliche Entstellung, die mentalen Leiden (wie z. B. Depressionen), die Abhängigkeit von fremder Hilfe in allen Lebensbereichen und die Verringerung, Einschränkung und Begrenzung der persönlichen Mobilität und Entfaltungsmöglichkeiten im Privaten (wie z. B. Beschränkung der Freizeitgestaltung oder Verminderung der Heiratsaussichten) und im Beruflichen sowie das Alter des Verletzten berücksichtigt werden.29 Da sich aber die mit dem Entschädigungs27
Im Wesentlichen begründet mit BGH NJW 1955, 1675 (1675 f.); daran im Anschluss (exemplarisch) BGH NJW 2004, 1243 (1244); BGH NJW 1995, 781 (781 f.); BGH VersR 1976, 967 (968); OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 330; zustimmend in der Literatur Ady, S. 191; Steffen, DAR 2003, 201 (206): Durchbrechung des Alles-oder-Nichts-Prinzips mittels der Berücksichtigung des Verschuldens und der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse; Nixdorf, NZV 1996, 89 (90); Berger, VersR 1977, 877 (878); vgl. zur Einheitlichkeit für alle Anspruchsgrundlagen BT-Drs. 14/7752 S. 14; demgegenüber LG Aschaffenburg VersR 1981, 564 mit einer prozentualen Verringerung des Schmerzensgeldbetrages bei Fehlen eines Genugtuungsbedürfnisses. 28 BGH NJW 1955, 1675; OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504); vgl. exemplarisch in der Literatur MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 10; Heß, ZfS 2001, 532; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (839); als Überwindungstheorie (objektive Gewährung eines finanziellen Spielraums zur Überwindung der erlittenen Schäden ohne Rücksicht auf die subjektive – tatsächliche – Möglichkeit des Verletzten) aufgegriffen von Zeytin, S. 101, 166 ff., 172; auch aufgegriffen von Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936) und Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (565). 29 BGH NJW 1992, 3096 (3103); BGH NJW 1955, 1675; OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 330; OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (895); OLG Koblenz NJW 2003, 442; KG VersR 2002, 1567; OLG Frankfurt ZfS 1996, 131 (131 f.); LG Hanau ZfS 1995, 211 (213); OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504); MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 36 ff.; Heß, ZfS 2001, 532 (533); Zeytin, S. 101; Brockmeier, S. 59; Kern, AcP 191 (1991), 247 (249); Stiefel/Stürner,
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betrag erkauften vorteilhaften Freuden nicht mit den vorgenannten persönlichen Nachteilen saldieren lassen, wird der so ermittelte Ausgleichbetrag nicht als ausreichende Wiedergutmachung und damit als ausreichender Entschädigungsbetrag angesehen30. Der Billigkeit der immateriellen Entschädigung kann es vielmehr in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls entsprechen, über den primären Schadenausgleich hinaus und unabhängig vom Vorliegen eines ausgleichsfähigen Schadens dem Verletzten die Gelegenheit zu geben, sich mittels der Entschädigung die Erduldung der Verletzungsfolgen erträglicher zu gestalten, indem er sich anstelle der durch die Verletzung entgangenen Lebensfreuden eine anderweitige Genugtuung verschafft.31 Daher tritt neben dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichs- auch ein mit der Billigkeit zu begründender Genugtuungsgedanke, so dass dem Schmerzensgeld eine Doppelfunktion zukommt.32 Der über die Ausgleichsfunktion hinausgehende Genugtuungsgedanke führt im Ergebnis zu einer Erweiterung der Entschädigung über die den Schadenersatz prägende Ersatzgrenze, die durch die unmittelbar mit den auszugleichenden Verletzungen und Beeinträchtigungen beeinflussten oder gar abhängigen Umstände bestimmt wird, und berücksichtigt subjektive höchstpersönliche Empfindungen des Verletzten, die keinen unmittelbaren Bezug zum materiellen Schaden haben müssen.33 Gegen den Genugtuungsgedanken wird in der Literatur vorgebracht, dass er neben der Ausgleichsfunktion überflüssig sei34, da alle den Ausgleichs- und den Genugtuungsgedanken betreffenden Faktoren in eine objektivierte Form des reinen Ausgleichs einbezogen werden könnten35. Seit der Einführung einer immateriellen Entschädigung auch bei einer nicht verschuldensabhängigen Haftung, die nicht von einer rechtswidrigen und vorwerfbaren (schuldhaften) Handlung des Schädigers abhängt, wird weiterhin mit einiger überzeugender Wirkung vorgebracht, dass das Postulat einer Einheitlichkeit und Nichtaufteilbarkeit der (billigen) immateriellen Entschädigung mit Doppelfunktion für derartige Haftungstatbestände schwer aufrecht zu erhalten ist, da zwar ein objektiv-typisiertes Verschulden oder sogar eine Gefährdungshaftung für den reinen (immateriellen) Schadenausgleich ausreicht, es VersR 1987, 829 (836); Sprenger, DAR 1977, 42 (42 f.); lediglich aufgegriffen von Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936) und Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (565). 30 BGH NJW 1955, 1675. 31 Im Wesentlichen begründet in BGH NJW 1955, 1675 (1675 f.); im Anschluss (exemplarisch) BGH NJW 1992, 3096 (3103): „zeichenhafte Wiedergutmachung“; OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504); exemplarisch zur Literatur Ady, S. 113; Zeytin, S. 102; Stiefel/ Stürner, VersR 1987, 829 (840); kritisch zur Klarheit der Definition der Genugtuung als Folge der fühlbaren Schlechterstellung der Lebenssituation des Schädigers Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564, 573). 32 Seit BGH NJW 1955, 1675; stRspr., exemplarisch BGH VersR 1976, 967 (968); OLG Hamm NJW-RR 2011, 893 (895); KG VersR 2002, 1567. 33 Ady, S. 113, 220; Zeytin, S. 103 f.; Deutsch, S. 573. 34 So Müller, G., VersR 1993, 909 (913, 916). 35 So Honsell, VersR 1974, 205 (206 f.).
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland
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aber bei einer Haftung ohne oder für fremdes Verschulden einer Grundlage für die Genugtuung im Verhältnis zum Schädiger fehlt.36 Dass die unterschiedliche Bemessung des (materiellen) Schadenersatzes und der (immateriellen) Entschädigung substantieller Natur ist, wird an der zu berücksichtigenden persönlichen Beziehung zwischen Schädiger und Verletzten deutlich, die zwar noch einen unmittelbaren Bezug zur Verletzungshandlung aufweist37, aber entgegen dem schadenersatzrechtlichen Alles-oder-Nichts-Prinzip bei grob fahrlässigem oder sogar vorsätzlichem Verhalten des Schädigers – da ein solches Verhalten auf den Verletzten verbitternd wirkt – bei gleichem Verletzungserfolg zu einer höheren Entschädigung führt, als bei einem besonders leicht fahrlässigen Verhalten des Schädigers, bei dem der Verletzte die verursachte Verletzung viel eher als sein Schicksal hinzunehmen bereit ist38. Keinerlei Entsprechung in der Schadenersatzberechnung haben die ebenfalls von der Rechtsprechung herangezogenen Umstände hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien, insbesondere die besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers, auch wenn diese auf einen durch Prämien erkauften Versicherungsschutz beruhen39. Allerdings sollen beide Umstände lediglich entschädigungsbegrenzend im Rahmen eines schadenersatzrechtlich geprägten Bildes der Entschädigung berücksichtigt werden, um nach Abwägung der Umstände der Verletzungshandlung (insbesondere dem Verschulden) eine unbillige Notsituation des Schädigers zu vermeiden.40 Es bleibt aber festzuhalten, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Prozessparteien eher aus einer vergleichenden Betrachtung mit den allgemeinen Lebens- und Vermögensverhältnissen der Bevölkerung und der Wirtschaft ergibt.41 Es handelt sich daher um 36 Müller, G., VersR 2003, 1 (4); Deutsch, S. 574; vgl. zur Haftung aus § 829 BGB LG Konstanz VersR 1979, 428; a.A. Eberbach, S. 53 f. 37 A.A. Müller, P., S. 96, 262: Ausfluss eines Sanktionszwecks; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936): Präventionszweck; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564 f.): schadenfremdes Kriterium. 38 Bereits RGZ 136, 60 (62); im Anschluss (exemplarisch) BGH NJW 1992, 3096 (3103); BGH NJW 1955, 1675 (1676); OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 330; OLG Koblenz NJW 2003, 442; KG VersR 2002, 1567; OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504 f.); zustimmend MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 48: Umstände in der Person des Schädigers; Müller, G., VersR 2003, 1 (4); Heß, ZfS 2001, 532 (533); Zeytin, S. 191; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936); Müller, G., VersR 1993, 909 (914); Zoller, S. 187; Kern, AcP 191 (1991), 247 (249); Stiefel/ Stürner, VersR 1987, 829 (840). 39 BGH VersR 1993, 585 (586); BGH NJW 1955, 1675 (1676 f.); OLG Köln VersR 1992, 622 (623); OLG Nürnberg VersR 1986, 173 (173 f.); OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504); Heß, ZfS 2001, 532 (533); Zeytin, S. 102, 200 ff.; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (840). 40 BGH NJW 1955, 1675 (1676); OLG Köln VersR 1992, 622 (623): auf den Regelfall einer – auch durch eine Versicherung vermittelte – Solvenz abzustellen; MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 51; Zeytin, S. 102; a.A. Ady, S. 90, 113, 192: Genugtuungsfunktion überschreitet bereits das schadenersatzrechtliche Alles-oder-Nichts-Prinzip, den reinen Ausgleichsgedanken und das Bereicherungsverbot und stellt daher eine über den Schaden hinausgehende Festsetzung dar. 41 Müller, P., S. 97, 262: schadenfremdes Kriterium; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936); Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564 f.).
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eine Bemessung anhand von gesamtgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zumutbarkeitskriterien42, die nicht mehr ausschließlich anhand der mit der Verletzung zusammenhängenden Umstände zu bestimmen sind43. Folgerichtig hätte daher die Rechtsprechung den mit der Anerkennung eines Genugtuungsgedankens eingeschlagenen Weg zu Ende gehen und die Bemessung der immaterielle Entschädigung nicht nur semantisch und teilweise inhaltlich, sondern durch die Begründung einer eigenständigen Rechtsfolge mit eigenen Regeln vollständig von der Schadenersatzberechnung abkoppeln müssen. Die Widersprüche in der rechtssystematischen Verankerung des Genugtuungsgedankens in der Interpretation als immaterieller Schadenersatz und der Unteilbarkeit der Bemessung der Entschädigung erkennend, wurde in der Literatur versucht, diese damit aufzulösen, dass die einheitliche billige Entschädigung dem Ziel eines von Gleichheit, Vergeltung und Humanität geprägten Gerechtigkeitsideals zu dienen habe und dass die Auswirkungen der Entscheidung auf die Prozessparteien und auf die gesamte Gesellschaft dabei zu berücksichtigen seien.44 Ohne die Konflikte um die rechtssystematische Verankerung der Theorie von der Doppelfunktion des Schmerzensgeldes abschließend zu lösen, sollen der Analyse der entschädigungsbestimmenden Bemessungsfaktoren im Produkthaftungsrecht folgende wichtige Grundsätze, die aus der Doppelfunktionstheorie folgen, zu Grunde gelegt werden: 1. Die für die Bemessung der billigen Entschädigung für immaterielle Nachteile heranzuziehenden Umstände unterliegen auch ohne Gesetzesänderungen dem zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel. 2. Der „billigen Entschädigung“ kommt gegenüber dem „Schadenersatz“ ein eigenständiger Charakter zu.45 Der Umfang der immateriellen Entschädigung wird nicht von den Bemessungsprinzipien des materiellen Schadenersatzes präkludiert, sondern kann neben der Ausgleichsfunktion, die jeder Entschädigung 42 Explizit BGH VersR 1976, 967 (968): „(…) die wirtschaftlichen Belange auf Seiten des Ersatzpflichtigen nicht aus den Augen verlieren; (…)“; BGH NJW 1976, 1147 (1149): „(…) weder sittlich noch volkswirtschaftlich wünschenswert.“; OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504): „Der Gesichtspunkt der Billigkeit erfordert aber auch, daß (sic) das allgemeine Schmerzensgeldniveau nicht eine Höhe erreicht, die zwangsläufig zu einer wesentlichen, über die Geldentwertung und erhöhte Unfallquoten hinausgehende (sic) Steigerung der Haftpflichtversicherungsprämien führen müßte (sic). Dies würde nämlich zur Folge haben, daß (sic) ein großer Teil der Bevölkerung auf die Benutzung von Kraftfahrzeugen verzichten müßte (sic), weil er die finanziellen Mittel für die Zahlung der Versicherungsprämien dann nicht mehr aufbringen könnte.“ 43 Vgl. auch die Darstellung des einheitlichen Schmerzensgeldbegriffs als einen rechtstechnischen Kunstgriff zur Verschleierung des Sanktionscharakters der Genugtuungsfunktion in Müller, P., S. 263 f. 44 Vgl. zu den Auffassungen in der Literatur Ady, S. 87 f., 96 f. 45 Bereits ausdrücklich BGH NJW 1955, 1675: „Der Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 847 BGB ist kein gewöhnlicher Schadenersatzanspruch, sondern ein Anspruch eigener Art mit doppelter Funktion: (…)“
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denknotwendig innewohnt, auch weiteren Funktionen dienen.46 Der immaterielle Nachteilsausgleich erfolgt durch eine „Entschädigung“, die sich in ihrem Rechtscharakter substantiell vom „Schadenersatz“ als materiellen Nachteilsausgleich unterscheidet. Daher kann mit Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung zur Bestimmung der „billigen Entschädigung“ im § 253 Abs. 2 BGB auf Entschädigungsregeln in anderen Rechtsgebieten zurückgegriffen werden.47 3. Es gibt ein allgemein anerkanntes Rechtsschutzbedürfnis, die Höhe der billigen Entschädigung nicht allein mittels Ausgleichserwägungen hinsichtlich des erlittenen Schadens und eventueller höchstpersönlicher Umstände in der Person des Verletzten zu ermitteln, sondern es können weitere volkswirtschaftliche sowie gesellschafts- und sozialpolitische Erwägungen berücksichtigt werden.
3. Die Entschädigung als präventive Maßnahme Es ist kaum umstritten, dass einer zivilrechtlichen Geldzahlungspflicht nicht nur die monetäre Funktion einer Schadenallokation zwischen Schädiger und Verletzten zukommt, sondern dass damit faktisch eine psychologische Wirkung verbunden ist, nicht nur das Vertrauen der Bürger in die Verlässlichkeit der gesellschaftlichen Rechtsnormen zu steigern, sondern im Interesse der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt und der Ressourcenschonung den Bürger zu einer sozialadäquaten Schadenverhütung anzuhalten (Prävention)48. Sehr umstritten ist jedoch, ob dieser faktischen Wirkung eine zusätzliche Funktion entnommen werden kann, die die Höhe der Entschädigung beeinflussen und sogar – unter Überwindung des schadenersatzrechtlichen Bereicherungsverbots – eine höhere Entschädigung begründen kann, als es zum Ausgleich der erlittenen Nachteile und zur Besänftigung von emotionalen Beeinträchtigungen des Verletzten – gleich ob in der Ausgleichsfunktion oder in einer separaten Genugtuungsfunktion verortet – notwendig wäre.49 Für die Vertreter der ökonomischen Analyse des Schadensrechts ist die Präventionsfunktion bereits eine dem Schadenersatzrecht wesensimmanente Hauptfunktion, da ohne eine Präventionsfunktion das Haftungsrecht lediglich ein – von niemanden vertretenes – Versicherungsrecht sei.50 Daher sind zur Vermeidung eines gesamtgesellschaftlichen Nettowohlfahrtsverlustes alle sozialen Schäden zu be46
So auch Ady, S. 192. Vgl. die Öffnung der billigen Entschädigung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes anhand eines Verweises auf das „billige“ Ermessen in den §§ 315, 317, 1246, 2048, 2156 BGB in BGH NJW 1955, 1675. 48 MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 41; Kötz/Wagner, S. 36, 287 f.; Ady, S. 209; Müller, P., S. 94, 323, 361, 368 f.; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1937); Assmann, BB 1985, 15 (21, 24 f.); Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564). 49 Dafür Deutsch, S. 574 f.; Kern, AcP 191 (1991), 247 (254); dagegen Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5 (8); Zeytin, S. 106; Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (396 f.). 50 Schäfer/Ott, S. 151. 47
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rücksichtigen (primäre Schäden des Verletzten, sekundäre Kosten zur Risikoverminderung und Risikostreuung, tertiäre Kosten der Schadensabwicklung und Schadensverteilung).51 a) Die Präventionsfunktion als Ausfluss der Genugtuungsfunktion Einen ersten Hinweis darauf, dass der Genugtuungsgedanke in der Doppelfunktionstheorie auch eine entschädigungsbestimmende Präventionsfunktion enthält, stellte die – zwischenzeitlich aufgegebene – Rechtsprechung des BGH zur Zubilligung eines symbolischen Schmerzensgeldes dar. Um zu vermeiden, dass bei den schwersten Gesundheitsschäden die geringste Entschädigung zu zahlen wäre, erfordere die Billigkeit der Entschädigungsbemessung dann ein symbolisches Schmerzensgeld, wenn der Verletzte aufgrund von schwersten Hirnschäden – verbunden mit dem Verlust aller geistigen Fähigkeiten und der wesentlichen Sinnesempfindungen – keine persönliche Genugtuung zum Ausgleich der immateriellen Einbußen durch anderweitige Annehmlichkeiten empfinden kann.52 Weder kann diese Entschädigung der Ausgleichsfunktion zugeordnet werden (das ausgleichende Empfinden ist durch die Hirnschäden ausgeschlossen), noch beruht eine solche Entschädigung auf dem Genugtuungsgedanken, das gekränkte Rechtsempfinden des Verletzten zu besänftigen (aus den gleichen Gründen kann der Verletzte keine Genugtuung empfinden), sondern die Geldzahlungspflicht lässt sich nur in der Weise erklären, dass mit dem symbolischen Schmerzensgeld auch primär sanktionale Wirkungen zur sozialen Befriedung gegenüber allen Bürgern und zur Steigerung ihres allgemeinen Sicherheitsgefühls sowie präventive verhaltenssteuernde Aufgaben zur Abschreckung vor ähnlichen rechtlich unerwünschten Verhaltensweisen des Schädigers oder potentieller Dritter umfasst sind.53 Verallgemeinert auf die immaterielle Entschädigung übertragen, ist das symbolische Schmerzensgeld nur ein Teilaspekt der – unter Zugrundelegung der Doppelfunktionstheorie nur dem Genugtuungsgedanken zuordenbaren – nichtschadensbezogenen Umstände bei der Bemessung der immateriellen Entschädigung (zur Eingliederung in den Schmerzensgeldbegriff als „ethische“ oder „rechtliche“ Schmerzen bezeichnet54), die den Schädiger oder Dritte in einer ähnlichen Situation zum rechtskonformen Verhalten dadurch bewegen sollen, dass er – aus Eigennutz und Bequemlichkeit in eigenen Angelegenheiten – die im drohenden oder bereits verspürten finanziell schmer51 Kötz/Wagner, S. 287 f. i.V.m. S. 30 ff.; Schäfer/Ott, S. 150 f., 165 f.; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564). 52 BGH NJW 1976, 1147 (1148 f.). 53 Vgl. Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5 (5, 8); Lange/Schiemann, Handbuch des Schuldrechts Band 1, S. 439; Zeytin, S. 102 f., 216; Deutsch, S. 573 f.; Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (645); Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564); Assmann, BB 1985, 15 (24); Motsch, JZ 1984, 211 (217, 219 f.); Zoller, S. 187; Kaufmann, H., JuS 1963, 373 (382); Grossfeld, S. 78 ff.; a.A. und Argumente abgelehnt von Kern, AcP 191 (1991), 247 (249, 252, 254) und Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (840 f.). 54 Deutsch, S. 573 f.
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zenden Konsequenzen (ggf. mittelbar über den Verlust der Versicherbarkeit des Risikos oder über höhere Versicherungsprämien) in Zukunft vermeiden wird.55 Die Gegenfassung leugnet zwar nicht, dass jeglichem – materiellen und immateriellen – Schadenausgleich faktische präventive Verhaltensanreize und die übergreifende gesellschaftliche Befriedungsfunktion zur Wiederherstellung des gestörten Rechtsfriedens innewohnen, dass der Einzelne sich auf den Schutz des Rechts verlassen kann, sieht darin jedoch lediglich einen (erwünschten) Nebenzweck, nicht jedoch ein die Entschädigungspflicht tragendes Prinzip.56 Anders könne nicht widerspruchsfrei erklärt werden, weshalb dem Genugtuungsgedanken auch dann eine entschädigungsbestimmende Funktion zugewiesen wird, wenn keine präventiven Wirkungen zu erwarten sind, etwa wenn der Schädiger aufgrund einer Haftpflichtversicherung keinen abschreckenden Vermögensschaden erleidet.57 Auch begründe die Anerkennung eines präventiven Entschädigungsziels im Rahmen der Genugtuung die Gefahr, dass durch immer mehr gesamtgesellschaftliche Gesichtspunkte die immaterielle Entschädigung mit einer Straffunktion versehen wird58 und dass mangels eines begrenzenden Elementes in Gestalt des schädigenden Ereignisses Entschädigungszahlungen in unangemessenen Höhen zugesprochen werden59. b) Die immaterielle Entschädigung als Privatstrafe Die Charakterisierung der immateriellen Entschädigung als Privatstrafe war seit dem Erlass des BGB umstritten. Gegen eine Privatstrafe führte die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur an, dass der historische Gesetzgeber mit dem deliktischen Schmerzensgeld keine Rückkehr zur Privatstrafklage zur Durchsetzung einer generalpräventiven Wirkung bezweckt, sondern Sanktionen zur Abschreckung und Bestrafung allein dem Strafmonopol des Staates in einem besonderen rechtsstaatlichen Verfahren zugewiesen habe, das durch die Amtsermittlung eine höhere Gewähr für die Richtigkeit der Sachentscheidung biete und die
55 Müller, P., S. 262; Assmann, BB 1985, 15 (24 f.); Eberbach, S. 155; Grossfeld, S. 78 ff.; a.A. Hoppe, S. 134 f. 56 Vgl. MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 14; MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 40; Nixdorf, NZV 1996, 89 (92); Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (643, 645); Larenz, 1. Bd. AT § 27 I; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (841); Kaufmann, H., JuS 1963, 373 (382); Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385; Larenz, NJW 1959, 865; dies aufgreifend Schäfer/Ott, S. 150; Ady, S. 120; Hoppe, S. 116; Zeytin, S. 105, 214; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564). 57 Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (398); Schiemann, S. 198: daher besser den ökonomischen Umfang des Schadens von der individuellen Sanktion trennen, ggf. ergänzt durch Bonus/Malus-Wirkung der Versicherungsprämie; Deutsch, S. 574: aufgrund der dadurch bedingten Gefährdung der Präventions- und Sanktionsfunktion ist Genugtuungsanteil nicht versicherbar; Kern, AcP 191 (1991), 247 (269). 58 Nixdorf, NZV 1996, 89 (93). 59 Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (397).
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Rechte des Schädigers stärker schütze.60 Trotzdem schwang hin und wieder in den Urteilsgründen zur Höhe des Schmerzensgeldes gemäß § 847 BGB a.F. die Berücksichtigung des Sanktionsgesichtspunkts mit.61 Neben diesen rechtshistorischen Argumenten könnte Art. 103 Abs. 2 GG gegen eine Entschädigungsbemessung unter Berücksichtigung von nichtschadensbezogenen präventiven Aspekten sprechen, wenn dieser als Verbot von Strafen anzusehen ist, die Kraft privatrechtlichen Anspruchs an den geschädigten Privaten zu leisten sind.62 Auch müsste bei Vorliegen eines Strafcharakters der immateriellen Entschädigung aufgrund des Verbots der Doppelbestrafung im Art. 103 Abs. 3 GG eine wechselseitige Anrechnung der strafrechtlichen Geldstrafe oder Geldbuße auf die immaterielle Entschädigung und umgekehrt zwingend erfolgen.63 Im Rahmen der Rechtsprechung zum symbolischen Schmerzensgeld grenzte die Rechtsprechung den in der Genugtuungsfunktion mitschwingenden Charakter der Buße von einer Privatstrafe gemäß Art. 103 Abs. 2 GG mit der Betonung eines verfeinerten Sühnegedankens ab, der nicht notwendigerweise pönal sei, sondern nur in symbolhafter Weise die Beeinträchtigung der in der Rechtsordnung bedingungslos geschützten Person sühnen und durch eine Zahlung den Schädiger als fühlbares Opfer treffen solle (Genugtuung als Ergebnis einer zeichenhaften Sühnefunktion).64 Daher stelle – auch wenn der immateriellen Entschädigung ein pönales Element nicht ganz fremd sei – dies keine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG dar65 und habe auf die strafrechtliche Verurteilung des Schädigers keine Auswirkung.66 Auch sei der Präventions- und Sühnecharakter der dem Allgemeininteresse an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Täters (Handlungsunwert) dienenden Geldstrafe/Geldbuße von dem auf Ausgleich des immateriellen Schadens dienenden Genugtuungsgedanken (Erfolgsunwert) so verschieden, dass beide keine pönalen Überschneidungen aufweisen, was im Übrigen auch an den
60
BGH NJW 1992, 3096 (3103 f.); Kaufmann, E., AcP 162 (1963), 421 (435); vgl. Kern, AcP 191 (1991), 247 (259, 262): darin sei keine Entscheidung des Gesetzgebers gegen einen Strafcharakter zu sehen; Grossfeld, S. 118: kritisch zur Ablehnung einer Privatstrafe mit Verweis auf § 253 BGB a.F. 61 Vgl. die Formulierung in den Urteilsgründen des OLG Karlsruhe NJW 1969, 1488 (1490) und – mit Abstellen auf die Verschleierungsabsicht des Schädigers – des OLG Köln VersR 2000, 974 (976). 62 So Kaufmann, H., JuS 1963, 373 (382). 63 Deutsch, S. 575; Grossfeld, S. 123; den Zusammenhang beschreibend Hoppe, S. 192; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (841). 64 BGH NJW 1976, 1147 (1148 f.); zustimmend Müller, P., S. 312 f.: Art. 103 Abs. 2 GG bei hoheitlicher Strafverfolgung anwendbar; vgl. aber Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564): daher ist die Bestimmung der Genugtuung kritisch zu sehen. 65 Besonders deutlich formuliert von Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385. 66 BVerfG NJW 1973, 1221 (1226); BGH NJW 1976, 1147 (1148); OLG Saarbrücken NJW 2011, 933 (936); OLG Hamburg MDR 1972, 1033; MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 50; Heß, ZfS 2001, 532 (533).
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verschiedenen Zahlungsgläubigern (die Allgemeinheit im ersten, der Verletzte im zweiten Fall) deutlich werde.67 Die trotz dieser sehr differenzierenden Rechtsprechung existierende Nähe der Genugtuung zur Strafe wurde auch als Argument aufgegriffen, die Möglichkeit der Bemessung der immateriellen Entschädigung über den Verlustausgleich bezüglich der objektiven, wenn auch nicht bilanzmäßig feststellbaren Schutzgüter (wie z. B. der Zerstörung der Persönlichkeit) aufzugreifen, damit der Genugtuung eine eigenständige Bedeutung zu entziehen und diese obsolet zu machen, um die mit der Genugtuung einhergehende Nähe der pönalen Wirkung ganz aus der Bemessung der immateriellen Entschädigung zu verbannen.68 Ohne sich dieser weitgehenden Konsequenz anzuschließen, versuchte der BGH den Verdacht einer Sühnefunktion des Schmerzensgeldes auch dadurch zu vermeiden, dass die Rechtsprechung zum symbolischen Schmerzensgeld aufgegeben und – mit Verweis auf die verfassungsrechtliche Wertentscheidung im Art. 1, 2 GG – die mehr oder weniger weitgehende Zerstörung der Persönlichkeit als ausgleichsfähiger Verlust an personaler Qualität und Würde des Menschen interpretiert wurde, wobei – aufgrund der Unmöglichkeit einer Förderung des psychischen Wohlbefindens zur Kompensation seelischen Leids oder sonstiger psychischer Missempfindungen – die Bemessung der billigen Entschädigung nicht zwangsläufig an eine Kompensation des Verlustes orientiert wurde.69 Ob es in der Umsetzung dieses Rechtsprechungswechsels tatsächlich der Billigkeit entspricht, dass einem Neugeborenen, das durch eine schuldhafte Handlung schwerste Hirnschädigungen bei der Geburt erlitten hat, das Schmerzensgeld um ca. 16 v.H. gekürzt wird, da es sich dieser Beeinträchtigungen nicht bewusst ist und daher nicht in besonderer Weise darunter leitet70, erscheint mehr als zweifelhaft. Demgegenüber bestreitet der Teil in der Literatur, der die immaterielle Entschädigung als Privatstrafe charakterisiert, jegliche Möglichkeit der Anknüpfung der immateriellen Entschädigung an einen Schaden, da Umstände betroffen sind, die von ihrer Natur her nicht wiedergutzumachen oder durch eine Geldzahlung aus67 BGH NJW 1996, 1591; BGH NJW 1995, 781 (782); BGH NJW 1992, 3096 (3104); OLG Saarbrücken NJW 2008, 1166 (1169); OLG Köln VersR 1992, 197; zustimmend MüKoBGB/ Oetker, § 253 Rn. 50; Steffen, DAR 2003, 201 (203); Hoppe, S. 124; Müller, P., S. 313; Kern, AcP 191 (1991), 247 (271); Larenz, 1. Bd. AT § 27 I; bereits Kaufmann, H., JuS 1963, 373 (382); Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (394 f.); für eine Einbeziehung noch OLG Hamburg MDR 1972, 1033; Sprenger, DAR 1977, 42. 68 Jaeger, VersR 2002, 719; Müller, G., VersR 1993, 909 (914); Kaufmann, E., AcP 162 (163), 421 (437 f.); Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (395); a.A. Deutsch, NJW 1993, 784 mit Verweis auf eine darin zum Ausdruck kommende „Würdefunktion“. 69 BGH NJW 1993, 781 (783); OLG Koblenz NJW 2003, 442 (442 f.); zustimmend Müller, G., VersR 2003, 1 (6); Hoppe, S. 138; Heß, ZfS 2001, 532 (533); mit gleichem Ergebnis die Überwindungstheorie von Zeytin, S. 172; abgelehnt von Müller, P., S. 80, da hierbei die Unterscheidung zwischen Rechtsverletzung und Schadenersatz zum Zwecke des Rechtsgüterschutzes aufgegeben werde. 70 So OLG Bremen GesR 2003, 270 (271).
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gleichsfähig sind, so dass de facto der erkennende Zivilrichter für die Einschätzung der Genugtuung – wie der Strafrichter im Rahmen der Strafzumessungsgründe – alleine auf die präventive Wirksamkeit der Rechtsfolge abstellen müsse.71 Die – eine Privatstrafe charakterisierende – pönale Wirkung der immateriellen Entschädigung in Gestalt der Sühne (Vergeltung) und Abschreckung (Vorbeugung) werde insbesondere daraus deutlich, dass bei der Bemessung der Genugtuung über die Umstände des materiellen Schadens hinaus Umstände in der Person des Schädigers (wie dessen materielle Leistungsfähigkeit) berücksichtigt werden und dass mit der abgestuften verschuldensbezogenen Entschädigung vom schadenersatzrechtlichen „Alles-odernichts-Prinzip“ abgewichen wird.72 Das Verständnis der immateriellen Entschädigung als pönale Privatstrafe verursache auch keine teleologischen Konflikte, da sich der Charakter einer Privatstrafe von der stigmatisierenden Wirkung des Strafrechts unterscheide und der unparteiische und unabhängige staatliche Berufsrichter auch sicherstellen könne, dass das Verfassungsrecht, wie der Art. 103 Abs. 2, 3 GG und die Garantie des gesetzlichen Richters, nicht verletzt wird (etwa weil die Höhe der Entschädigung den von der Zivilrechtsordnung zugewiesenen substantiellen Charakter des Abschreckungs- und Sühnezwecks verlässt).73 Gerade eine (finanzielle) Bereicherung des Schädigers durch die rechtswidrige Verletzungshandlung, etwa weil keine ausgleichsfähige Gesundheitsverletzung vorliegt oder weil nicht alle durch eine Verletzungshandlung geschädigten Personen ausreichend motiviert sind, ihre (materiellen und immateriellen) Ausgleichsansprüche geltend zu machen, verstoße gegen die Ansicht aller billig und gerecht denkenden Menschen, so dass die Verhinderung dieser Bereicherung ein wichtiger Bestandteil der die Entschädigung prägenden Billigkeitsbetrachtung ist.74 Nachdem sich der Staat nunmehr vermehrt aus der Sanktion unerlaubter Handlungen – z. B. mit Hilfe der §§ 153 ff. StPO – zurückziehe, könne eine als Privatstrafe verstandene immaterielle Entschädigung mit generalpräventiver Wirkung als alternativer – zivilrechtlicher – Täter-Opfer-Ausgleich die bereits – ohne grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken – zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung etablierten zivilrechtlichen Zahlungspflichten mit präventiver Zielrichtung ergänzen (vgl. hierzu – neben den im Folgenden noch detailliert zu betrachtenden Fällen – auch die im gegenseitigen Einvernehmen ver-
71 Ady, S. 113; Brockmeier, S. 58; Grossfeld, S. 92 f.; ähnlich kritisch bereits Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (397). 72 Hoppe, S. 124; Deutsch, S. 573; Zoller, S. 229; Kern, AcP 191 (1991), 247 (255, 268); Grossfeld, S. 11 f.; die Literaturmeinung aufgreifend Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643; ablehnend Brockmeier, S. 58, 104 mit Betonung der präventiven Funktionen und daher einer pönalen Wirkung; aufgrund dieser Wirkung die Genugtuungsfunktion abgelehnt von Ott/ Schäfer, JZ 1990, 563 (565, 573). 73 Vgl. Kern, AcP 191 (1991), 247 (262 f.); Grossfeld, S. 121, 123: Kriminalstrafe hat die Wirkung, dass „eine Handlung im besonders hohem Maße als antisozial erscheint“. 74 Vgl. Grossfeld, S. 93, 109 f.
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einbarten Vertragsstrafen oder das erhöhte Beförderungsentgelt bei öffentlichen Verkehrsmitteln).75 c) Ausgewählte Beispiele von immateriellen zivilrechtlichen Entschädigungsleistungen mit präventivem Charakter Ob der immateriellen zivilrechtlichen Entschädigung eine eigenständige Präventionsfunktion zukommt, wurde einerseits bejaht76, andererseits aber auch kategorisch abgelehnt77. Eine detaillierte Analyse, ob im System des deutschen Schadenersatzrechts (deliktisch oder vertraglich, materiell oder immateriell) präventive oder sanktionierende Ziele und Zwecke enthalten sind78, würde den Umfang dieser Ausführungen sprengen. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Fallbeispiele in der Rechtsprechung, aus denen Schlussfolgerungen zur Bemessung einer billigen Entschädigung im Produkthaftungsrecht gezogen werden können.79 Als wichtiges Beispiel, das dafür spricht, dass die Möglichkeit der Einbeziehung der nichtschadensbezogenen Prävention in die Bemessung der Entschädigung dem deutschen Zivilrecht nicht fremd ist, wird die Rechtsprechung zur verzögerten Schadensregulierung angesehen.80 Wenn ein ausgleichspflichtiger Versicherer trotz eindringlicher und wiederholter Aufforderung zur Regulierung der erheblichen Verletzungen mit dauernden Lebensbeeinträchtigungen und trotz der aus der Gesamtschau der Umstände sich aufdrängenden Begründung einer (oder einer höheren) Zahlungspflicht keine oder nur höchst geringe Leistungen zahlt, so dass sich das Verhalten des Versicherers als Zermürbungsversuch darstellt, dann sieht es die Rechtsprechung als legitim an, dem Verletzten zur Genugtuung für die – durch die verzögerte Schadensregulierung zusätzlich erlittenen – Leiden eine über den vom Schädiger verursachten materiellen und immateriellen Schaden hinausgehende immaterielle Entschädigung zuzusprechen.81 Mit dieser – vom eigentlichen Schädigerverhalten nicht verursachten (extrakompensatorischen) – Erhöhung der im75 Kern, AcP 191 (1991), 247 (264); vgl. auch die Aufzählung der privatrechtlichen Strafen in Brockmeier, S. 47 ff.; die Rückbesinnung auf das Privatrecht zur Bekämpfung des Unrechts wird von Grossfeld, S. 90 als zeitgemäß angesehen. 76 Zeytin, S. 216. 77 Vgl. hierzu allgemein Rosengarten, S. 177, 183. 78 Vgl. Müller, P., S. 98 ff. mit einer umfassenden und ausführlichen Analyse. 79 Vgl. hierzu auch die im Problemaufriss herangezogenen Fälle bei Müller, P., S. 2. 80 Deutsch, S. 574; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936); ders., S. 186 ff. mit Hinweis auf die mit der Höhe der zu zahlenden Entschädigung beabsichtigte zukünftige Abschreckung des dominanten Versicherers vor rechtlich zu missbilligenden ungerechtfertigten Ablehnungen; a.A. Zeytin, S. 210 f., da die Verweigerung des Ausgleichs bestehender Ansprüche ohne sachlichen Grund eine ausgleichspflichtige Verletzung der kommerzialisierten Persönlichkeit des Verletzten als Teil des normativen immateriellen Schadens darstellt. 81 OLG Karlsruhe NJW 1973, 851; Heß, ZfS 2001, 532 (533); vgl. aber OLG Hamm Urteil vom 14. 05. 1997 Az. 13 U 187/96: keine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen zögerlicher Schadensregulierung bei unklarer Rechtslage.
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materiellen Entschädigung soll präventiv verhindert werden, dass ein auf die Schadensregulierung spezialisierter, wirtschaftlich mächtiger und ohne finanzielles Eigenrisiko agierender Versicherer zum eigenen finanziellen Vorteil den zumeist wirtschaftlich schwachen, machtlosen, mit der Rechtslage nicht vertrauten, ein erhebliches finanzielles Risiko bei der Schadensregulierung tragenden und aus der Eigenbetroffenheit nervlich angespannten Verletzten zermürbt.82 Der extrakompensatorische Entschädigungsanteil wird damit begründet, dass mittels der abschreckenden Wirkung der zusätzlichen Zahlungspflicht sichergestellt werden soll, dass der regulierende Versicherer und andere Versicherer zukünftig nicht ihre zivilrechtliche objektive (Grundsatz des Handelns nach Treu und Glauben) und am verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzip zu messenden Pflicht verletzen, die Schadensregulierung wenigstens mit Hilfe einer angemessenen Abschlagsleistung zu fördern und sich nicht ohne Prüfung der weiteren vorliegenden oder sich aufdrängenden Umstände allein auf die Behauptungen des Versicherungsnehmers (und Schädigers) zu verlassen.83 In einer ausdrücklichen Analogie zur immateriellen Entschädigung bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts soll der zusätzliche Entschädigungsbetrag finanzstarke Unternehmen – hier der Versicherungs- und nachfolgend der Medienwirtschaft – von rechtsverletzenden Handlungen abhalten.84 Zwischenzeitlich wird zwar diese Erhöhung der Entschädigung weniger mit dem Ziel einer präventiven Wirkung, sondern mehr mit einem erhöhten Genugtuungsbedarf bezüglich der zusätzlichen seelischen und körperlichen Belastungen des Verletzten begründet.85 Es bleibt aber trotzdem festzuhalten, dass bis heute an der Rechtsprechung zur verzögerten Schadensregulierung festgehalten wird86, bei der die berücksichtigungsfähigen Umstände keinen personellen oder zeitlichen Zusammenhang mit der Rechtsgutverletzung aufweisen, die dem Schadenersatz zugrundeliegt87. Die zweite Fallgruppe einer Entschädigungsbemessung anhand präventiver Motive stellt die Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 1 und 2 Abs. 1 GG dar. Da es als Folge der Verletzung der Würde und der Ehre meist an einem ausgleichsfähigen Schaden mangelt und um den Schutz der Persönlichkeit nicht verkümmern zu lassen88, verfolgt die Entschädigung ausdrücklich den präventiven Zweck, der mit der Verletzungshandlung verbundenen Gewinnerzielung durch Presseunternehmen entgegenzuwirken und einen echten Hemmungseffekt gegen die rücksichtslose Zwangskommerzialisierung der Per82
OLG Karlsruhe NJW 1973, 851 (852 f.). OLG Karlsruhe NJW 1973, 851 (851 ff.). 84 OLG Karlsruhe NJW 1973, 851 (853); so auch Müller, P., S. 272. 85 OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 330; OLG Naumburg VersR 2002, 1295 (1296). 86 OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 330; OLG Saarbrücken NJW 2011, 933 (936); OLG Hamm VersR 2003, 780 (781); OLG Naumburg VersR 2002, 1569 (1570); OLG Naumburg VersR 2002, 1295 (1296). 87 Vgl. auch Müller, P., S. 273 zum damit verbundenen Perspektivwechsel. 88 BVerfG VersR 2000, 897 (898); BGHZ 128, 1 (15). 83
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sönlichkeit des schutzlosen Einzelnen zu erzielen.89 Die Präventionsfunktion als Bemessungsfaktor wird hierbei also ausdrücklich anerkannt, um, neben dem Ausgleich des – meist nicht vorhandenen oder nur geringen messbaren – materiellen und immateriellen Schadens und neben einer dominanten Genugtuung, die Differenz zwischen der Summe aus materiellem Schadenersatz und – nach der Doppelfunktionstheorie berechneter – immaterieller Entschädigung und dem im Vergleich dazu viel höheren Gewinn des Presseunternehmens aus der rechtsgutverletzenden Handlung zu kompensieren.90 Daher sind im einheitlichen billigen immateriellen Entschädigungsbetrag neben den von der Doppelfunktionstheorie umfassten Aspekten – wie der Intensität der Persönlichkeitsverletzung, dem Vermögen des Schädigers, der Person und der Solvenz des Verletzten und dem Verschuldensgrad des Schädigers – auch die mit der Rechtsverletzung generierten Gewinne zu berücksichtigen, ohne dass aber der Gewinn notwendigerweise abgeschöpft werden müsse.91 Ursprünglich wurden die präventiven Erwägungen zur billigen Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im allgemeinen Deliktsrecht verankert, etwa indem ausgeführt wurde, dass der „immaterielle Schadenersatz mit seiner Genugtuungsfunktion“ der „adäquate Ausgleich“ ist, „den die Rechtsordnung dem in seinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigten Kläger zu gewähren hat“, und dass „bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (…) die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes gegenüber der Entschädigungsfunktion durchaus in den Vordergrund“ zu rücken sei.92 Nachdem deutlich wurde, dass damit das Tor zur Entschädigungsbemessung mittels Aspekten der Prävention im Rahmen der Schmerzensgeldberechnung aufgestoßen wurde, was als eine Ma-
89 BVerfG VersR 2000, 897 (898); BGHZ 128, 1 (16); OLG Hamm NJW 2004, 2394; OLG Karlsruhe NJW 1969, 1488 (1489); zustimmend Ruttig, AfP 2016, 110 (113); MüKoBGB/ Oetker, § 253 Rn. 14; Lange/Schiemann, Handbuch des Schuldrechts Band 1, S. 439; Ady, S. 111; Steffen, DAR 2003, 201 (204); Zeytin, S. 102; Lange, VersR 1999, 274 (278); Nixdorf, NZV 1996, 89 (94); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (841); die Rechtsprechung lediglich aufgreifend Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (564 f.); Rosengarten, S. 163, 189; Wiese, S. 52. 90 BVerfG VersR 2000, 897 (898); BGH JZ 1997, 784 (786); BGHZ 128, 1 (15 f.); Ruttig, AfP 2016, 110 (113); Zeytin, S. 102; Lange, VersR 1999, 274 (277 f.); Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1935 f.); Nixdorf, NZV 1996, 89 (94); darin wird eine Annäherung an einen Strafschadenersatz von Klode, NJW 2009, 1927 und wohl auch Müller, P., S. 282 f., 288 f. gesehen. 91 BVerfG VersR 2000, 897 (898); BGHZ 128, 1 (16); zustimmend Ruttig, AfP 2016, 110 (113); Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (437); Ady, S. 111; Steffen, DAR 2003, 201 (204); Zeytin, S. 102, 218; Brockmeier, S. 63 ff.; Lange, VersR 1999, 274 (279 f.); Nixdorf, NZV 1996, 89 (94); Müller, P., S. 288: die damit verbundene – allein auf den Schädiger bezogene – Entschädigungsbemessung ist Ausdruck des alleinigen Präventionscharakters; kritisch Hoppe, S. 206 f. 92 BGH NJW 1961, 2059 (2060); dies aufgreifend Bettermann/Nipperdey-Nipperdey, Die Grundrechte IV/2, S. 855: „Es besteht auch kein Grund, an dem Lehrsatz festzuhalten, daß (sic) das Privatrecht keine Abschreckungswirkung ausüben solle.“; mit Verweis auf den Wechsel in der Terminologie BVerfG VersR 2000, 897 (898).
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terialisierung des Rechts und als unzulässige Privatstrafe93 sowie als unbillige Überbewertung des (körperlosen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Recht am Leben und der körperlichen Unversehrtheit94 kritisiert wurde, versuchte die Rechtsprechung selbiges mit der Begründung eines besonderen – vom Schmerzensgeld zu unterscheidenden – Rechtsmittels eigener Art zu schließen.95 Nunmehr sei die Rechtgrundlage der immateriellen Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht mehr die allgemeinen deliktischen Schadenersatznormen, sondern ein aus dem Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG hergeleiteter Anspruch eigener Art, der die ernste Störung der Zivilrechtsordnung durch eine – im Regelfall – mit einer schwerwiegenden Schuld des Schädigers verbundene schwerwiegende immaterielle Beeinträchtigung, die mit den primären Rechtsmitteln (Gegendarstellung, Widerruf, Unterlassungserklärung) nicht beseitigt werden kann, ausgleicht96 und daher zu diesen Rechtsmitteln subsidiär ist97. Die auf den ersten Blick geschmeidige rechtssystematische Konstruktion, den rechtspolitischen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorrangig vor dem – ebenfalls mit besonderem grundrechtlichen Schutz ausgestatteten – Handeln von Presse- und Rundfunkunternehmen zu behandeln, ohne die grundsätzliche Systematik zur Schmerzensgeldrechtsprechung um eine Präventionskomponente öffnen zu müssen, offenbart auf dem zweiten Blick erhebliche Widersprüche.98 Jedenfalls seit der Neufassung des § 253 Abs. 2 BGB, der die Grundsätze für die Höhe der immateriellen Entschädigung für alle Schuldverhältnisse unabhängig ihrer rechtlichen Begründung regeln soll (inklusive der vertraglichen und gesetzlichen Gefährdungs- und Verschuldenshaftung)99, ist es rechtssystematisch schwer erklärbar, weshalb die billige immaterielle Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht unter diese Generalklausel fällt100. Vielmehr 93
Kaufmann, E., AcP 162 (1963), 421 (438 f.). BAG NZA 1990, 21 (22); vgl. dazu die gleichen Erwägungen des OLG Karlsruhe NJW 1969, 1488 (1490); grundsätzlich bereits angeklungen in BGH NJW 1961, 2059 (2060); in der Literatur aufgegriffen von Ady, S. 125. 95 Vgl. BGHZ 128, 1 (15): „(A)nders als beim Schmerzensgeldanspruch (stehe) bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund“; daran im Anschluss BGH JZ 1997, 784 (786). 96 Vgl. BGHZ 128, 1 (12 f., 15 f.); BGH NJW 1961, 2059 (2060); Müller, G., VersR 2003, 1 (5): dies ist der wesensbestimmende Unterschied zwischen der immateriellen Entschädigung im Deliktsrecht einerseits und aufgrund einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts andererseits. 97 Exemplarisch BVerfG VersR 2000, 897 (898); BGHZ 128, 1 (15); Ruttig, AfP 2016, 110 (112 f.); Palandt/Sprau, § 823 Rn. 130. 98 So auch Hoppe, S. 125; Müller, P., S. 356; vgl. auch Schiemann, S. 199: „Dort wo der Schutzgedanke besonders herausgestellt wird, ist immer vor allem auch eine Präventionswirkung beabsichtigt.“ 99 BT-Drucksache 14/7752 S. 14. 100 So bereits Bettermann/Nipperdey-Nipperdey, Die Grundrechte IV/2, S. 855; a.A. MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 14; mit Verweis auf eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers 94
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spricht bereits gesetzessystematisch viel dafür, die Bemessungsfaktoren der Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in die Generalklausel der immateriellen Entschädigung aufzunehmen, so dass in jeder immateriellen Entschädigung die Aspekte des Ausgleichs, der Genugtuung und der Prävention enthalten sind und die angemessene Proportionalität zwischen diesen Bemessungsaspekten auf der Grundlage des Schutzgedankens der verletzten deliktischen Haftungsnorm, des verletzten Rechtsgutes und der Art der Rechtsgutverletzung bestimmt wird.101 Der Charakter einer Entschädigung bedingt dabei ein Mindestmaß an vorhandenem Schaden und ein angemessenes Verhältnis zum ausgleichsfähigen Schaden.102 Für eine derartige umfassende Gleichsetzung der Bemessung aller Entschädigungsansprüche in der Auslegung des § 253 Abs. 2 BGB spricht auch die Auffassung des BAG, dass für den Bestand der Ordnung des Zusammenlebens der Menschen dem Verschuldensprinzip ein Appell inne wohnt, verantwortlich zu handeln und Rechtsverletzungen zu verhüten.103 Entsprechend erkannte das Gericht in den billigen Entschädigungszahlungen im Arbeitsrecht (bezüglich § 15 Abs. 2 AGG und § 611 a Abs. 2 BGB a.F. i.V.m. der Richtlinie 76/ 207/EWG) eine präventive oder abschreckende Funktion, weil der deutsche Gesetzgeber die europäischen Rechtsgrundlagen mit offenbar präventivem oder abschreckendem Charakter nicht mit strafrechtlichen Sanktionen (ggf. als Ordnungswidrigkeiten), sondern zivilrechtlich umgesetzt hat.104 Mehr noch begründete es die präventiv abschreckende Wirkung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG ausdrücklich nicht mit einer Analogie zu den Grundsätzen bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sondern leitete diese Wirkung aus § 253 BGB her.105 gegen eine Einbeziehung Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (437); Steffen, DAR 2003, 201 (204); zusätzlich mit der Betonung der Notwendigkeit eines schwerwiegenden und nicht anderweitig ausgleichbaren Eingriffs Müller, G., VersR 2003, 1 (5); bereits vorher Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (841). 101 Vgl. Müller, P., S. 315 ff. mit Verweis auf einen Systemverfall, wenn die im Wege der Rechtsfortbildung gewonnenen Schadensregeln nicht durch Anerkennung einer Sanktionsfunktion in einen allgemeinen Rahmen des Schadenersatzsystems eingegliedert werden; Brockmeier, S. 104: Bemessung der Entschädigung über den nachgewiesenen differenzialhypothetischen Schaden hinaus; Schiemann, S. 195 mit Verweis auf das Zitat Rudolf von Iherings: „Nicht der Schaden verpflichtet zum Schadenersatz, sondern die Schuld“; Stiefel/ Stürner, VersR 1987, 829 (839 f.): allgemeines Grundprinzip mit Verfassungsrang für jegliche Art der deliktischen Zahlungspflicht. 102 Schiemann, S. 196 mit Verweis auf die kalkulatorische Feststellung des Schadens als Hilfserwägung beim Vollzug rechtspolitischer Zwecke. 103 BAGE 6, 321 (377). 104 BAG NJW 2010, 2970 (2973); BAG NZA 1990, 21 (23); zustimmen Müller, P., S. 154, 159 f., 162: dies sind „punitive damages“; aufgegriffen von Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936 f.); ders., S. 189 ff.; a.A. Hoppe, S. 150 f.: Fehlinterpretation der Grundlagen im EURecht. 105 BAG NJW 2010, 2970 (2973); vgl. Klode, NJW 2009, 1927: Annäherung an einen Strafschadenersatz.
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d) Die immaterielle Entschädigung als Gewinnabschöpfung Wenn im Rahmen der Bemessung der Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf eine Gewinnherausgabe abgestellt wird, lässt sich an die Charakterisierung der immateriellen Entschädigung als allgemeine bereicherungsrechtliche Gewinnabschöpfung denken.106 Außerhalb des Deliktsrechts sei exemplarisch auf Eingriffe in das immaterielle Lizenzrecht verwiesen, wonach der Rechteinhaber neben dem Anspruch auf Gewinnherausgabe gemäß § 252 BGB eine angemessene Lizenzgebühr oder die Abschöpfung des vom Schädiger aufgrund seines Eingriffs erzielten Gewinns geltend machen kann.107 Auch die zur Bemessung des Ersatzes als Folge eines unrechtmäßigen Gebrauches immaterieller gewerblicher Schutzrechte gemäß § 818 Abs. 2 BGB herangezogene Begründung, dass – ohne strafrechtliche Vergeltungsabsicht – zur Sicherstellung eines angemessenen Individualrechtsgüterschutzes der Ersatz nicht auf das Erlangte begrenzt ist, weil der Rechteinhaber nur dann vor Rechtsverletzungen bewahrt werden könne, wenn der zwischen dem Recht und Unrecht Schwankende in Anbetracht der Höhe der möglichen Geldzahlungspflichten bei unrechtmäßigem Verhalten sich zugunsten der Rechtmäßigkeit entscheidet108, lässt gewisse Parallelen zur deliktischen Entschädigungsbemessung bei verzögerter Versichererregulierung und bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erkennen. Die billige Entschädigung würde damit jegliche Ausgleichsfunktion (für den eingriffsbedingten Verlust von Ansehen und Selbstachtung) verlieren, sondern wäre eine finanzielle Beteiligung des Rechtsgutinhabers an der ungerechtfertigten Bereicherung des Schädigers durch die profitable Verwendung der verletzten Rechtsgüter.109 Diese Erwägungen rechtfertigen einen Exkurs in die Gewinnabschöpfungsregelungen außerhalb des Deliktsrechts, insbesondere bei einem vorsätzlichen Eingriff in fremdes Eigentum gemäß § 687 Abs. 2 i.V.m. §§ 681 Satz 2, 666, 667 BGB (vorsätzliche Geschäftsführung ohne Auftrag), im Rahmen der Eingriffskondiktion gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, 816 Abs. 1 Satz 1 BGB und der §§ 818 Absatz 4, 819, 820 BGB110 sowie bei unrechtmäßigen Eingriffen in das immaterielle Lizenzrecht und in immaterielle gewerbliche Schutzrechte111. Die Gesamtschau dieser Normen könnte zur Annahme verleiten, dass jeder – auch der deliktischen – Verbotsnorm das rechtspolitische Ziel zu entnehmen ist, die Beeinträchtigungen der Rechtsordnung zu verhindern, so dass 106
Vgl. Hoppe, S. 118, 120, 201. Müller, P., S. 103; Assmann, BB 1985, 15 (16). 108 Assmann, BB 1985, 15 (17, 25); Schiemann, S. 196. 109 Schlechtriem, Festschrift für Hefermehl, S. 445 (465); vgl. auch die dogmatische Interpretation der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Jakobs, S. 104, 107 f., 134. 110 Brockmeier, S. 45; Jakobs, S. 144, 151; König, Festschrift für von Caemmerer, S. 179 (186); bereits mit einem umfassenden „Recht auf Eingriffserwerb“ Schulz, AcP 105 (1909), 1 (427 f.). 111 Brockmeier, S. 54 f.; vgl. auch die umfangreichen Ausführungen zu diesen Fallgruppen in Müller, P., S. 103 ff., 115 ff., 117 f., 126 ff., 255 ff. 107
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die Rechtsfolge jeder Verbotsnormverletzung wenigstens die Herausgabe des durch das verbotene Handeln generierten Gewinns umfasst.112 Dieser gesetzliche Gewinnhaftungsgedanke, dass der unrechtmäßig Handelnde außerhalb vertraglicher Regelungen nicht den Gewinn seiner rechtswidrigen Tat behalten darf, sondern an denjenigen herauszugeben hat, dessen Sach- oder Rechtsgüter der Ausgleichspflichtige in Anspruch genommen hat113, könnte damit – aufgrund des gewinngeleiteten Herstellerverhaltens – auch im Produkthaftungsrecht eine entschädigungsbestimmende Bedeutung haben. Die Übertragung des bereicherungsrechtlichen Gewinnabschöpfungsgedankens in die Bemessung der immateriellen Entschädigung setzt jedoch voraus, dass die damit verbundene präventive Zielrichtung mit der der immateriellen Entschädigung wesensgleich ist. Dies wird teilweise kategorisch abgelehnt, da beide Rechtsinstitute zwei konträre und daher sauber zu trennende Prinzipien darstellten.114 Andererseits kommt es sowohl bei der bereicherungsrechtlichen Gewinnherausgabe als auch bei der Entschädigung aufgrund einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allein auf die Anmaßung des Rechts an, nicht aber darauf, ob der Gläubiger das Rechtsgut tatsächlich profitabel verwendet hätte.115 Gegen eine Wesensgleichheit könnte indes sprechen, dass die gewinnabschöpfenden Haftungsnormen bei der zu bestimmenden Vermögensdifferenz auf die zu erwartenden Früchte bei der Nutzung der Sach- und Rechtsgüter entsprechend den hypothetischen Kausalverläufen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und damit allein auf den Schuldner abstellen116, ohne dass es einer entsprechenden negativen Vermögensdifferenz beim Gläubiger bedarf117, während die deliktische Haftung wesensimmanent allein auf die negative Vermögensdifferenz beim verletzten Gläubiger abstellt118. Die Frage der direkten Übertragbarkeit aufgrund einer Wesensgleichheit muss nicht abschließend beantwortet werden. Als Ergebnis dieses Exkurses kann aber festgehalten werden, dass das Rechtsprinzip der Gewinnherausgabeansprüche, dass ein Schädiger keine Vermögensvorteile behalten dürfe, die er im Ergebnis eines 112 Vgl. die Überlegungen zur Wirksamkeit von Verbotsnormen von Jakobs, S. 107; vgl. allgemein zum Präventions- und Sanktionsgedanken bei Mehrfachschadenersatz Brockmeier, S. 54 f.; vgl. auch König, Festschrift für von Caemmerer, S. 179 (179 f.). 113 Brockmeier, S. 45; Jakobs, S. 123, 128; auf den Vorsatz abstellend König, Festschrift für von Caemmerer, S. 179 (187 f.); prägnant Schulz, AcP 105 (1909), 1 (440): „(…) niemand darf aus einem Unrecht Gewinn machen (…)“; vgl. Klode, NJW 2009, 1927: Annäherung des Urheberrechts an einen Strafschadenersatz. 114 Kellmann, S. 72, 74; Schulz, AcP 105 (1909), 1 (457); a.A. Müller, P., S. 103 ff., 115 ff., 117 f., 126 ff., 255 ff.: Ausdruck eines Sanktionsgedankens. 115 Zum Bereicherungsrecht vgl. Jakobs, S. 106 f. 116 Vgl. Müller, P., S. 258; Lange, VersR 1999, 274 (280); Koppensteiner, NJW 1971, 1769 (1770, 1773); Jakobs, S. 110, 123, 128, 131, 139, 144; Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (405 ff.). 117 Müller, P., S. 258. 118 Vgl. Lange, VersR 1999, 274 (280); Koppensteiner, NJW 1971, 1769 (1770 f., 1774); Jakobs, S. 139; Bötticher, AcP 158 (1959/1960), 385 (405 f.).
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vorsätzlich rechtswidrigen Eingriffs in fremde Rechte generiert hat119, eine breite Anwendung im deutschen Zivilrecht, nicht nur im Bereicherungsrecht und im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, sondern auch im Recht zum immateriellen Lizenzrecht und in den gewerblichen Schutzrechten sowie in der Entschädigung aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts120 gefunden hat. Auch ist das in der bereicherungsrechtlichen Gewinnabschöpfung anerkannte Erfordernis von hinreichend konkreten und praktikablen Kriterien, das zur Vermeidung einer Strafwirkung und einer gegenüber dem tatsächlichen Gewinn zu hohen Entschädigung gefordert wird121, für die weiteren Betrachtungen von erheblicher Bedeutung.
II. Die immaterielle Entschädigung im Produkthaftungsrecht Nach der derzeitigen herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur kann die Verletzte im Ausgangsfall gegenüber dem Fahrzeughersteller gemäß der §§ 8, 9 und 11 ProdHaftG und der §§ 823, 842, 843 und 844 BGB alle materiellen Vermögensschäden als Folge ihrer Verletzungen liquidieren, also insbesondere alle Behandlungskosten, Kosten und Mehrkosten im Zusammenhang mit ihren zeitlich begrenzten und unbegrenzten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen, die Mehrkosten aufgrund des Ausfalls im Familienhaushalt und als Mutter, aber auch alle Einkommens- und Rentennachteile. Darüber hinaus kann die Verletzte eine immaterielle Entschädigung geltend machen. Das erkennende Gericht wird dabei berücksichtigen, dass es sich um eine sportliche und gesellschaftlich aktive Ehefrau und Mutter von zwei Kindern im mittleren Alter handelt, die sich aufgrund der Verletzungen nie wieder am familiären, gesellschaftlichen oder beruflichen Leben beteiligen kann und statistisch ihr halbes Leben vor sich hatte. Auch kann berücksichtigt werden, dass sie ihren Kindern weder eine Mutter noch ihrem Ehemann eine Ehefrau sein kann. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass mit der Querschnittslähmung und mit dem multiplen Organversagen die höchsten Formen körperlicher irreversibler Verletzungen vorliegen, so dass die Verletzte dauerhaft auf äußere Hilfe Dritter existentiell angewiesen sein und teilweise sogar von höchst unangenehmen Hilfsmitteln (Blasen- und Darmkatheter) abhängen wird. Die dauernden, sich ständig verschlimmernden Schmerzen – verbunden mit Phantomschmerzen und zusätzlichen Schmerzen aufgrund von Fehlhaltungen – können ebenso berücksichtigt werden wie die Zeiten der Rehabilitation und Krankenhausaufenthalte. 119
Vgl. König, Festschrift für von Caemmerer, S. 179 (205 f.). Die Caroline-von-Monaco-Entscheidung des BGH wird so von Ady, S. 122 interpretiert. 121 Vgl. Assmann, BB 1985, 15 (20): Gewinnabschöpfung mittels einer pauschalierten Berechnung des Schadens in Form der mehrfachen Lizenzgebühr ist Manifestation des Ausgleichsgedankens; vgl. auch die allgemeinen Erwägungen von König, Festschrift für von Caemmerer, S. 179 (205 f.). 120
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Wenn man der Rechtsprechung folgt und die Umstände – wie das Verschulden des Fahrzeugherstellers oder dessen Vermögenslage – nur zur Begrenzung, nicht aber zur Erhöhung des Entschädigungsanspruchs heranzieht122, würde das finanzielle Risiko des Kraftfahrzeugherstellers zur Zahlung einer immateriellen Entschädigung selbst unter ungünstigsten Voraussetzungen höchstens 600.000 Euro betragen. Selbst wenn man reichlich das Doppelte an materiellen Schadenersatz annehmen wollte, käme man auf ein finanzielles Risiko von ca. 2 Mio. Euro. Allein die Ersparnis aufgrund der schwachen Dachkonstruktion betrug 20 Dollar je Auto. Schon ab einem Absatz von unter 100.000 Fahrzeugen – was bei Volumenmodellen wie dem Ford Explorer schnell erreicht ist – würde sich unter Berücksichtigung der finanziellen Risiken die gefährliche Konstruktion rentieren, soweit – wie hier – die Produktgefahren nur unter seltenen äußeren Umständen zu tatsächlichen Schäden führen. Die der derzeitigen herrschenden Meinung entsprechende Entschädigungsbemessung im Produkthaftungsrecht, die auf den Ausgleich fokussiert ist, fehlt jeder Ansatz der Berücksichtigung, dass das finanzielle Haftungsrisiko bei der betriebswirtschaftlichen Kalkulation der Konstruktion, der Herstellung und des Vertriebs eines Produkts einen wichtigen Faktor darstellt. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der vom materiellen und prozessualen Produkthaftungsrecht begründete Motivationsdruck auf den Hersteller, im öffentlichen Interesse möglichst sichere Produkte in den Warenverkehr zu bringen, gefährdet ist, falls die Produkthaftungskosten – soweit sie überhaupt anfallen – aus dem mit der unsicheren Konstruktion zusätzlich generierten Gewinn abgedeckt werden können und es daher für den Hersteller lukrativer ist, ein unsicheres Produkt in den Warenverkehr zu bringen.123 Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen soll deshalb sein, dass die dem materiellen und prozessualen Produkthaftungsrecht als Sonderdeliktsrecht zugedachte rechtspolitische Wirkung, den Hersteller zu einem rechtskonformen Handeln zu motivieren124, auch in den Rechtsfolgen sichergestellt sein muss.125 Da das finanzielle Haftungsrisiko bezüglich des materiellen Schadenersatzes von den tatsächlichen Nachteilen begrenzt ist, die von der derzeitigen Rechtslage vollständig einbezogen werden, liegt es nahe, der Frage nachzugehen, ob eine immaterielle Entschädigung der Ansicht der billig und gerecht denkenden Menschen entspricht, wenn diese Entschädigung im Produkthaftungsrecht im Falle schwerster Verletzungen – verbunden mit schlimmsten Tragödien für die involvierten Familien und mit der Gefährdung von mehreren 122
OLG Frankfurt ZfS 1996, 131; LG Hanau ZfS 1995, 211 (212): bei fehlendem oder geringem Verschulden keine oder nur geringe Genugtuungsfunktion. 123 Vgl. hierzu die Motivation des Herstellers Ford in der – dem Ausgangsfall zugrunde liegenden – Entscheidung, über mehrere Modellgenerationen hinweg die bekannten Sicherheitsrisiken nicht zu beheben, CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1124 et seq. (2008). 124 So bereits Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (634 f., 639) unter besonderer Berücksichtigung der Produktbeobachtungspflicht; Simitis, S. 93. 125 Vgl. hierzu die allgemeinen Erwägungen von Müller, P., S. 45 ff.
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Millionen weiterer Menschen, jederzeit die gleichen Verletzungen zu erleiden, – so gering ist, dass – unter Außerachtlassung von möglichen, eher von Unwägbarkeiten und Zufälligkeiten abhängenden Imagenachteilen – ein ökonomisch denkender Hersteller bei der Konstruktion eines Fahrzeugs aus finanziellen Gründen motiviert wird, die Sicherheit zu ignorieren, weil sich die Einsparungen mit der unsichereren Konstruktion selbst bei einigen Unfällen immer noch rechnen würden. Gerade der Ausgangsfall macht deutlich, dass den besonderen Regelungszwecken und Regelungsfunktionen des Sonderdeliktsrecht der Produkthaftung nur dann entsprochen werden kann, wenn auch die Bemessung der billigen immateriellen Entschädigung an diesen Zwecken und Funktionen orientiert wird, so dass es nahe liegt, die Rechtsfolgen mit – gegenüber den gewöhnlichen Fallgruppen der unerlaubten Handlung und den darin zum Ausdruck kommenden primären Ausgleichsgedanken126 – eigenen Bewertungsfaktoren zu bestimmen.127 Im Folgenden soll nicht der lange andauernden und bis heute nicht geklärten Diskussion, ob der Präventionsgedanke als Grundprinzip allgemein im deutschen Schadenersatzrecht anerkannt ist und ob es in der Rechtsprechung lediglich vermieden wird, dies auszusprechen128, ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden. Auch soll sich nicht intensiv mit dem allgemeinen Gegenargument auseinandergesetzt werden, ob die Aufwertung der real gegebenen rechtssoziologischen Präventivwirkung der immateriellen Entschädigung zu einem Rechtsprinzip die Grenzen einer defensiven und damit legitimierbaren Rechtsfortbildung deshalb überschreitet, da die präventive Wirkung für den Verletzten zu spät käme, da ohne prozessuale Geltendmachung der Ansprüche ein Schutz vor potentiellen Verletzungen in der Zukunft durch eine Abschreckung des Schädigers oder Dritter nicht zu erwarten oder als Verhaltenssteuerung zu ungenau ist und da – ohne dass das Deliktsrecht für eine erzieherische Wirkung in der sozialen Rechtsbeziehung zwischen Schädiger und Verletzten geeignet ist – der Charakter des Schadenersatzrechts von einer Ordnung zur Lösung von Rechtskonflikten in eine Ordnung zur Förderung oder Verhinderung von Verhaltensweisen umgestaltet wird.129 Vielmehr sollen die weiteren Überlegungen den gesetzlich geregelten Bemessungsmaßstab, den Billigkeitsmaßstab, in den Mittelpunkt stellen. Was billig und gerecht ist, dürfte von jedem Menschen unterschiedlich beantwortet werden. Gleichwohl wurden auf der Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen drei wesentliche Bewertungsgrundsätze zur Bestimmung einer billigen Entschädigung herausgearbeitet:
126 Exemplarisch mit Verweis auf eine gefestigte Rechtsprechung BGH NJW 1995, 781; in der Literatur aufgegriffen durch Müller, G., VersR 1993, 909 (911); Schiemann, S. 223. 127 Vgl. Ady, S. 125. 128 So Müller, P., S. 299 ff. 129 Schiemann, S. 200, 225, 228 f.; mit stärkerem Bezug auf die Abhängigkeit der Präventionswirkung von der Geltendmachung des Schadens Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (654); zur Rechtsprechung und der Aufrechterhaltung der Unterscheidung kritisch Lange, VersR 1999, 274 (280 f.).
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1. der Gleichheitsgrundsatz, also ob die Entscheidung des Falles als billig im Vergleich zu anderen ähnlichen Fällen ist, 2. der Vergeltungsgrundsatz, also ob sich unter Berücksichtigung der vorangegangenen Verhaltensweisen und erkennbaren Motivationen der Beteiligten die Entscheidung als billig darstellt und 3. der Humanitätsgrundsatz, also ob die Entscheidung unter besonderer Beachtung der Auswirkungen, die sie für die Beteiligten und Dritte hat, als billig erscheint.130 Der vergleichende Ansatz stellt auf die Gleichheit der Sach- und Rechtslage, auf den Gedanken der fairen Waffengleichheit, auf das Fehlen sachlich gerechtfertigter Gründe für eine unterschiedliche Behandlung (und umgekehrt), auf die Zufälligkeit und Willkürlichkeit bestimmter Umstände, auf die Einschätzung durch einen Vergleich mit einer hypothetisch gebildeten Fallvariante unter Berücksichtigung des Regelfalls oder der Verkehrsüblichkeit, auf die Argumentation a maiore ad minus und auf die besonderen Verhältnisse zur Rechtfertigung einer abweichenden Auffassung ab.131 Die vergeltende Funktion der Billigkeit wird an Argumenten wie dem Schuldvorwurf, dem Vorteilsausgleich, dem Verhältnis zwischen Pflichtverletzung und dessen Ahndung, dem Umfang des Ursachenbeitrages für den eingetretenen Schaden, dem arglistigen Verhalten einer Partei und der Schwere des Vertrauensbruches, der mangelnden billigen Rücksichtnahme auf Interessen eines anderen, der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs oder dem mangelnden Willen dazu, den Vermögensmitteln zur Befriedigung von zu erwartenden Forderungen, dem Vorverhalten aller Beteiligten, dem von einer Partei vorher erbrachten Opfer, der Verantwortung für einen bestimmten Sachverhalt, den Nachteilen, die sich aus dem Risiko eines Geschäfts oder einer Rechtsverfolgung für eine Partei ergeben (und von dieser zu tragen sind), den mangelnden Einflussmöglichkeiten einer Partei auf die Entwicklung eines Geschehensablaufes (Belastung desjenigen, der ihre Voraussetzungen beeinflussen kann), der Ausgewogenheit der mit einer Regelung verbundenen Vor- und Nachteile für die Partei, der Übereinstimmung oder dem Widerspruch des Verhaltens einer Partei mit einem vorangegangenen Tun, der eigenen Rechtstreue des Anspruchsgläubigers, der Motive der Parteien für ihr Handeln oder Unterlassen, der vorgegebenen tatsächlichen Umstände (z. B. der Intensität vorangegangener Beeinträchtigungen und Rechtfertigungen durch gesetzliche Vorschriften), den Auswirkungen der Entscheidung und den sonstigen besonderen Beziehungen festgemacht.132 Unter dem Humanitätsprinzip werden alle diejenigen wirtschaftlichen Billigkeitsargumente zusammengefasst, die in besonderer Weise die Auswirkungen einer Entscheidung auf die Beteiligten oder Dritte betreffen, etwa die Auswirkungen einer Entscheidung auf die Interessen der Allgemeinheit, auf die Rechtssicherheit, den Rechtsfrieden und die Rechtsklarheit, sowie auf die wirtschaftlichen Folgen und die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, auf die Berücksichtigung einer Rückgriffs130 131 132
Henf, S. 238 ff. Henf, S. 238 ff. Henf, S. 256 ff.
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möglichkeit oder eines Versicherungsschutzes, auf die Durchsetzbarkeit der Ansprüche, auf die eventuelle ungerechtfertigte Besserstellung einer Partei im Vergleich mit ihrem Vorverhalten, auf die wirtschaftliche und soziale Ungleichheit der Parteien und auf die zu erwartende Verbesserung oder die Verschlechterung von allgemeinen Rechtspositionen der Parteien.133 Das Ziel einer präventiven schadensvermindernden Verhaltenssteuerung kommt besonders in den Überlegungen des Humanitätsgrundsatzes und des Vergeltungsgrundsatzes zum Ausdruck. Ohne auf diese Systematik zurückzugreifen, können gewisse empirische Ergebnisse zur Bestimmung der immateriellen Entschädigung als Folge einer – bewussten oder unbewussten – Einbeziehung dieser Überlegungen in die Entscheidungsfindung angesehen werden. Dazu gehört, dass durchaus systematisch die Ausgleichsfunktion bei geringem Verschulden und schweren Folgen und die Genugtuungsfunktion bei grobem Verschulden und leichten Folgen stärker sowie beide Funktionen bei grobem Verschulden und schweren Folgen gleich stark berücksichtigt wurden134. Weiterhin wurde empirisch belegt, dass die Bemessung der nicht dem Ausgleich dienenden Genugtuung durch deutsche Gerichte vor allem von Verschuldenserwägungen, wirtschaftlichen Verhältnissen und durch die Motivationsumstände der unerlaubten Handlung bestimmt wird (z. B. der Anlass des Schadensereignisses oder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers).135 Daneben spricht die Erhöhung der immateriellen Entschädigung in der Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten (z. B. die maximale Entschädigungen bei einer Querschnittslähmung von DM 100.000 bis DM 150.000 Anfang der 1970er Jahre hin zu Beträgen in Höhe des Fünffachen Anfang des 21. Jahrhunderts) für eine dadurch beabsichtigte verhaltenssteuernde Zielsetzung in bestimmten Fallkonstellationen, da diese Erhöhung meist ohne explizites Abstellen auf gestiegene Lebenshaltungskosten oder den Lebensstandard erfolgte.136 Die genannten Billigkeitsgrundsätze können zwar die innere Motivation und die inneren Erwägungen beschreiben, wann eine Entschädigung als billig und gerecht angesehen wird. Sie können aber nicht systematisch beschreiben, wann es der Auffassung aller billig und gerecht denkenden Menschen entspricht, die immateri133
Henf, S. 286 ff. Dargestellt in Musielak, VersR 1982, 613 (614); exemplarisch OLG Frankfurt ZfS 1996, 131 (131 f.); LG Hanau ZfS 1995, 211 (212). 135 Dargestellt in Musielak, VersR 1982, 613 (615); vgl. BGH NJW 1955, 1675 (1676): dies ist ein entscheidender Vorteil; zur Umsetzung in der Rechtsprechung exemplarisch OLG Celle VersR 2005, 91 (91 f.); OLG Köln VersR 1992, 197; OLG Düsseldorf MedR 1985, 85 (87); OLG Hamburg MDR 1972, 1033; LG Hanau ZfS 1995, 211 (212). 136 Vgl. OLG Hamm VersR 2003, 780 (781): DM 500.000 für eine Querschnittslähmung; OLG Saarbrücken, VersR 1987, 774 (775): allgemeine Erhöhung des Lebensstandards und Höherbewertung schwerster Verletzungen zu Lasten von Bagatellschäden; OLG Frankfurt VersR 2002, 1568 (1569): höhere Wertschätzung immaterieller Güter bei leichterer Erfüllung materieller Wünsche; OLG Karlsruhe NJW 1969, 1488 (1489): DM 100.000 bei Querschnittslähmung; Steffen, DAR 2003, 201 (205); anders noch OLG Hamburg NJW 1973, 1503 (1504) und Sprenger, DAR 1977, 42 (43 f.): Geldentwertung ist die Ursache. 134
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elle Entschädigung über den reinen Nachteilsausgleich und über eine eventuelle Genugtuung hinaus zur präventiven Verhaltenssteuerung zu erhöhen. Der Theorie von der ökonomischen Analyse des Schadensrechts ist zuzugestehen, dass sie genau hierfür einen rechtssystematischen Ansatz bietet. Danach hat das Haftungsrecht das Ziel, die größtmögliche Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands durch eine am idealen wohlfahrtsökonomischen Handeln gemessene Haftungssumme zu erreichen, um so die vorhandenen knappen Ressourcen für ein Maximum an Befriedigung der Bedürfnisse der in einer bestimmten Gesellschaft lebenden Menschen zu nutzen.137 Im Ausgangsfall müsste nach dieser Theorie die Entschädigung eine im Sinne einer gesamtgesellschaftlich sinnvollen Unfallverhütung taugliche Höhe zur Verhaltenssteuerung erreichen.138 Diese zu erreichende Entschädigungshöhe muss Unfallfolgekosten in einer Höhe verursachen, die den Kosten zur Unfallverhütung multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts entsprechen139, auch wenn dadurch die Verletzte mehr Entschädigung erhält, als sie Nachteile erlitten hat. Die erhebliche Schwäche der Theorie von der ökonomischen Analyse des Schadensrechts besteht aber bei Gesundheitsverletzungen gerade darin, dass die auf eine mathematische Relation angelegte Ergebnisbestimmung auf keine in Geld ausdrückbare Werthaftigkeit der menschlichen Gesundheit zurückgreifen kann.140 Im Folgenden sollen daher nur abstrakt die Stärken der Theorie nutzbar gemacht werden, ohne die konkrete Schadensberechnung zu übernehmen.141 Dazu gehört, dass die ökonomische Analyse des Schadensrechts mit mathematischer Logik deutlich macht, dass dem Haftungsrecht ein (nicht zu vernachlässigender) Präventionsgedanke innewohnt, dass die Entschädigung den Zweck einer Stimulierung schadensverhütender Aktivitäten hat und dass diese Stimulierung in optimaler Weise dort anzusiedeln ist, wo das Übel am ehesten an der Wurzel gepackt werden kann, nämlich beim finanziellen Interesse des Schädigers.142 Die Rechtsprechung nimmt, ohne sich darauf zu beziehen, bereits die dieser Theorie zugrunde liegende Abwägung zwischen Kostenaufwand für Sicherheitsmaßnahmen und Kosten für die Be137 MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 45; Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (646); Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (566); aufgegriffen von Müller, P., S. 88. 138 MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 46 f.; Zeytin, S. 105 f.; Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (646 ff., 654); zu den Problemen der Bewertung und eines eventuellen Fehlens einer Geltendmachung Schäfer/Ott, S.158; aufgegriffen von Müller, P., S. 89. 139 Kötz/Wagner, S. 34; MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 59; Rosengarten, S. 184; Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (647 f.); vgl. auch das Abstellen auf das Ziel einer möglichst minimalen Gesamtsumme aus Schadenskosten und Schadenvermeidungsaufwand in Ott/ Schäfer, JZ 1990, 563 (566); die ökonomische Analyse des Schadensrechts aufgreifend Ady, S. 173; Hoppe, S. 116 f.; Brockmeier, S. 27 f. 140 Vgl. Kötz/Wagner, S. 288: „(…) immaterielle und ideelle Einbußen zu berücksichtigen und – so gut es eben geht – zu monetarisieren.“; MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 59; gegen die Kritik mit einer Bewertung anhand des Schadenvermeidungsaufwands Schäfer/Ott, S. 400 ff.; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (566 ff.). 141 Den gleichen Ansatz verfolgend Müller, P., S. 90, 328; vgl. auch Ady, S. 176. 142 Vgl. MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 47 f., 50; Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (566, 573); zur ökonomisch-rationalen Ebene der Schadensverteilung Motsch, JZ 1984, 211 (219).
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seitigung der durch Gefahren verursachten Schäden auf, indem zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht jeder nur denkbaren Gefahr durch unökonomische vorbeugende Maßnahmen begegnet werden muss, sondern erst dann eine Handlungspflicht besteht, wenn eine gesamtökonomische Abwägung zu dem Ergebnis kommt, dass unter Berücksichtigung der Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit der möglichen Rechtsgutverletzung es auch unter sekundär zu berücksichtigenden finanziellen Erwägungen zumutbar war, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen und sich nicht darauf zu verlassen, dass sich die Erwartung der Allgemeinheit hierauf einstellt.143 Einen weiteren wichtigen Meilenstein für die Beantwortung der Frage, wann es im Produkthaftungsrecht der Ansicht aller billig und gerecht denkenden Menschen entspricht, zur präventiven Verhaltenssteuerung die von den Herstellern potentiell gefährlicher Produkte zu leistende immaterielle Entschädigung zu erhöhen, stellt die verfassungsrechtliche Bestätigung der Erhöhung der immateriellen Entschädigung als Folge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, auch wenn hierbei das BVerfG auf die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und die unterschiedliche Terminologie bezüglich der Rechtsfolgebestimmung gegenüber der Schmerzensgeldbemessung gemäß § 847 BGB a.F. abstellte.144 Im Wesentlichen orientiert sich hierbei das BVerfG an der klassischen Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer staatlichen Eingriffsmaßnahme (Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Die Feststellung des BVerfG, dass die mit der Androhung einer – über den reinen Schadenausgleich hinausgehenden – Geldzahlungspflicht verbundene faktische psychisch-soziale präventive Wirkung – jedenfalls ohne verfassungsrechtliche Bedenken – zur Erhöhung der billigen Entschädigung herangezogen werden kann, falls das deliktische Verhalten das Ergebnis eines geplanten Vorgehens eines rational handelnden Subjekts (z. B. eines Unternehmens) darstellt (im Folgenden als motivund interessengeleitete deliktische Handlung bezeichnet)145, kann auf den Begriff der Geeignetheit (tatsächlich eine präventive Wirkung erzielen zu können) zusammengefasst werden. Die dieser Feststellung zu Grunde liegende Erwägung, dass mangels eines psychologischen Entscheidungsprozesses die erhöhte Entschädigung 143 BGH NJW 1984, 801 (802); OLG Düsseldorf VersR 1988, 161; diese Rechtsprechung aufgegriffen in Rosengarten, S. 185 f. 144 BVerfG VersR 2000, 897 (898). 145 Als Umkehrschluss aus den Gründen des BVerfG VersR 2000, 897 (898 f.); vgl. die weiterhin auf das Erfordernis der Genugtuungsfunktion bei groben, insbesondere vorsätzlichen Verkehrsverstößen abstellenden Entscheidungen OLG Saarbrücken NJW 2008, 1166 (1168) und OLG Celle VersR 2005, 91; vgl. Kötz/Wagner, S. 36 f.; MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 46; Zeytin, S. 105; Rosengarten, S. 183; Zoller, S. 79 ff.; mit der Anerkennung der grundsätzlichen Tauglichkeit einer Präventionswirkung bei derartigem Verhalten Larenz, 1. Bd. AT § 27 I; vgl. auch OLG Hamm NJW 2004, 2394: bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist auf die generelle Vermeidung des schädigenden Verhaltens bzgl. Art, Ausmaß und Intensität und ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Einzelfalls (Prominenz oder Nichtprominenz der verletzten Person) abzustellen.
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den potentiellen Schädiger nicht präventiv von der Rechtsverletzung abhalten kann, weil der Schädiger in der rechtsverletzenden Handlung das Für und Wider nicht abwägt (etwa wenn er – wie bei typischen Verkehrsunfällen als Folge eines fahrlässigen Augenblicksversagens – ohne kommerzielle Interessen oder nur intuitiv handelt), so dass nicht nur kein Raum für eine präventive Funktion vorhanden ist, sondern selbst die Genugtuung zurückzutreten und der Ausgleich der durch den Unfall zugefügten immateriellen Lebensbeeinträchtigungen im Vordergrund zu stehen habe146, ist überzeugend und soll für die weiteren Überlegungen nutzbar gemacht werden. Die Ausführungen des BVerfG, dass im Rahmen einer billigen Entschädigung auch zu berücksichtigen ist, dass ohne eine am Präventionsgedanken zu bemessende deutlich erhöhte Entschädigung die Rechtsverletzungen am allgemeinen Persönlichkeitsrecht häufig ohne Sanktionen bleiben und damit der Schutz des Rechtsgutes „verkümmern würde“147, machen deutlich, dass die Erhöhung der Entschädigung aus präventiven Gründen nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn sie erforderlich ist, also falls die rechtspolitisch gewünschte Präventionswirkung anderweitig nicht erreicht werden kann (Subsidiaritätsgedanke). Über die Kriterien der Geeignetheit der präventiven Verhaltenssteuerung der extrakompensatorischen Entschädigung und der Erforderlichkeit zur Erreichung der rechtspolitisch gewünschten Präventionswirkung hinaus muss eine Erhöhung der immateriellen Entschädigung aus präventiven Gründen an der sozialen Hauptfunktion des Deliktsrechts gemessen werden, den Schaden zwischen den handelnden und geschädigten Personen zu verteilen148, so dass auch in dieser Hinsicht das daraus folgende Grundprinzip der Proportionalität149 zu beachten ist. Hierzu zählen auch die Ausführungen des BVerfG, dass die Verwerflichkeit – insbesondere der Eigennutz – der Handlung eine Ungleichbehandlung der Entschädigungspflicht bei psychischen Gesundheitsschäden (mit dem Schwerpunkt auf den Ausgleichsgedanken) gegenüber der bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (mit dem Schwerpunkt auf die Prävention) rechtfertigen kann.150 146 BGHZ 128, 1 (15); OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 330; OLG Saarbrücken NJW 2008, 1166 (1168); OLG Celle VersR 2005, 91 (91 f.); OLG Naumburg VersR 2002, 1569 (1570); OLG Nürnberg VersR 2002, 499; KG VersR 2002, 1567; OLG Saarbrücken VersR 1987, 774 (775); OLG Nürnberg VersR 1986, 173 (174); LG Konstanz VersR 1979, 428; dazu zustimmend Kötz/Wagner, S. 37; Ady, S. 218; Heß, ZfS 2001, 532 (532 f.); Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (652 f.); ders., Festschrift für von Caemmerer, S. 389 (393 f., 396); mit dem ausdrücklichen Abstellen auf die Präventionsfunktion einer immateriellen Entschädigung – und nicht auf die Genugtuungsfunktion – BVerfG VersR 2000, 897 (898 f.); vgl. außerhalb von Verkehrsunfällen OLG München VersR 2002, 717 (718 f.). 147 BVerfG VersR 2000, 897 (898). 148 Nixdorf, NZV 1996, 89 (90). 149 Vgl. allgemein zur Proportionalität OLG Koblenz NJW 2003, 442 (443); Müller, P., S. 40; Lorenz, S. 27; skeptisch zu den Erfolgsaussichten Deutsch, NJW 1993, 784. 150 Vgl. BVerfG VersR 2000, 897 (898 f.).
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Aus dem Urteil des BVerfG sind keine substantiellen Gründe erkennbar, die dagegen sprechen, die immaterielle Entschädigung im Rahmen des Produkthaftungsrechts – ebenfalls ein Sonderdeliktsrecht – mit diesen Kriterien zu bemessen. 1. Das Handeln des Herstellers als motiv- und interessengeleitete deliktische Handlung Das haftungsbegründende Herstellerverhalten, das Produkt mit den Eigenschaften in den Warenverkehr zu bringen, so dass es den Benutzer schädigen konnte, ist das Ergebnis einer rational geplanten und abwägenden Herstellerentscheidung zwischen verschiedenen technischen Konstruktionsmöglichkeiten unter der Auswahl verschiedener Qualitätsprüfverfahren verbunden mit unterschiedlich hohen Gefährdungs- und Haftungsrisiken sowie verschiedenen imageprägenden Vertriebsmöglichkeiten.151 Eine effiziente Verhaltensmotivation des Herstellers zur Ergreifung von Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen gegenüber dem Verbraucher, was eines der wichtigsten konstitutiven Ziele des Sonderdeliktsrecht der Herstellerhaftung darstellt, ist nur dann denkbar, wenn der planvoll mit Gewinnabsichten handelnde, gegenüber dem Verbraucher mit überlegenen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Hersteller durch finanzielle Risiken zur Verbesserung der Produktsicherheit angeregt wird.152 Die haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichten des Herstellers gemäß § 823 Abs. 1 BGB sind daher der Ausfluss der von der Produzentenhaftung intendierten Verhaltensordnung zum Schutz des Verbrauchers, dass bei der Nichteinhaltung dieser Regeln bei den vielen rationalen technischen und finanziellen Entscheidungen während des langen Planungs- und Herstellungszeitraums eines Produkts die drohenden finanziellen Belastungen den rational denkenden Hersteller dazu bewegen, sich für die Einhaltung des gewollten Herstellerverhaltens zu entscheiden.153 Daher ist die Produzentenhaftung ein geeignetes Rechtsgebiet, um mittels der Höhe der Entschädigungszahlung psychologisch eine präventive Wirkung zu entfalten.154 Gegen eine über den Schadenausgleich hinausgehende Entschädigung könnte eingewendet werden, dass jedenfalls dann, wenn ein Dritter für die Entschädigungspflicht des Herstellers einzustehen hat (insbesondere bei der Deckung durch Versicherungen oder Leistungen anderer kollektiver Schadensträger), der Hersteller aus der Geldzahlungspflicht keine negativen Wirkungen verspürt und selbst eventuelle Bonus-, Malus- und Selbstbeteiligungsregelungen im Rahmen der Haft151 Vgl. Schäfer/Ott, S. 150; Zoller, S. 80 f.; zur ökonomischen Analyse des Schadensrechts MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 46 f.; Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (653). 152 Vgl. die rechtsvergleichende Kritik in Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (859 f.). 153 Vgl. Zoller, S. 80 ff.; MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 48; vgl. die Überlegungen von Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (637 f.) zur Abkehr von einer retrospektiven Beurteilung des Herstellerverhaltens hin zu einer Bewertung anhand eines Regelungssystems auf der Grundlage objektivierter Herstellungsbedingungen. 154 So auch Zoller, S. 82.
A. Die immaterielle Entschädigung in Deutschland
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pflichtversicherung keinen oder nur einen geringen psychisch-sozialen Einfluss auf die Willensbildung des Herstellers in der Zukunft haben.155 Die allgemeine Lebenserfahrung lehrt jedoch, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass von einer Prämiensteigerung keine tatsächliche verhaltenssteuernde Wirkung ausgeht.156 Der Adaption der Ausführungen des BVerfG zur präventiven Funktion der immateriellen Entschädigung bei motiv- und interessengeleiteten deliktischen Handlungen widerspricht auch nicht die rechtssystematische Verankerung des Haftungstatbestands der Entschädigung als Folge der Verletzung des unkörperlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerhalb des deliktischen Zivilrecht.157 Für eine hinreichende Gleichheit der im Rahmen der Bewertung der Billigkeit heranzuziehenden Grundsätze (vgl. vorstehend den Gleichheitsgrundsatz) spricht, dass bei drohenden Gesundheitsverletzungen ein vergleichbar höchstgradig geschütztes Grundrecht, nämlich das auf körperliche Unversehrtheit von Leib und Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 GG, tangiert ist.158 Mehr noch spricht die Kritik, dass die Entschädigungshöhen für Gesundheitsschäden gegenüber der – teilweise als übertrieben kommerzialisiert angesehenen – Bewertung immaterieller Rechtsgüter (aber auch Sachgüter und Vermögen) nicht mehr ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung entsprechen159, gegen eine Ablehnung der Adaption mit der Folge, dass die Entschädigungszahlungen geringer ausfallen. Mit dem Verweis auf den Gleichheitsgrundsatz verliert auch das Argument, dass sich der Gesetzgeber nach der Einführung des ProdHaftG (mit dem Einfügen der immateriellen Entschädigung im § 8 Satz 2 ProdHaftG im 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 24. 09. 2001) nicht zu einer entsprechenden gesetzlichen Klarstellung entschieden hat, seine Überzeugungskraft, da seit vielen Jahrzehnten die Berücksichtigung präventiver Ziele im Rahmen der Billigkeitsbemessung einer immateriellen Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Richterrecht ohne gesetzliche Regelungen – trotz mehrerer Gesetzesnovellierungen 155
Vgl. Schiemann, S. 198; Larenz, 1. Bd. AT § 27 I. Vgl. BGH VersR 1986, 173 (174); MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 41; Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (438); Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (653 f.); vgl. zum Präventionseffekt im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des auf der zweiten Ebene zwingend vorgeschriebenen Beitragsausgleichsverfahren, wenn auf der ersten Ebene mangels zivilrechtlicher Haftung vom Unternehmer oder von Arbeitskollegen der Präventionseffekt sehr zweifelhaft ist, Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (665). 157 A.A. MüKoBGB/Oetker, § 253 Rn. 14: daher Entschädigung mit eigenen Bemessungsfaktoren; vgl. hierzu die detaillierten Ausführungen in Kaufmann, H., JuS 1963, 373 (381 f.); vgl. den Verweis des Gesetzgebers auf die anderweitige rechtliche Herleitung des Anspruchs in BT-Drs. 14/7752 S. 24 f. 158 Vgl. OLG Karlsruhe NJW 1969, 1488 (1490): „(…) muss grundsätzlich das Schmerzensgeld für Ehrverletzungen in einem angemessenen Verhältnis stehen zum Schmerzensgeld für schwerste Körperverletzungen, weil anderenfalls der Eindruck einer unsozialen Bevorzugung Prominenter entstünde und das Prinzip der Gleichheit verletzt wäre.“; so im Ergebnis auch Lange, VersR 1999, 274 (280) mit der Diskussion zur Präventionswirkung des Strafrechts. 159 Vgl. zu einer Petition der „Aktionsgemeinschaft der deutschen Rechtsanwälte“ an die Bundestagspräsidentin zur Erhöhung der Schmerzensgeldbeträge Sprenger, DAR 1977, 42. 156
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
– fest verankert ist.160 Außerdem sollte zur Verbesserung eines effektiven Opferschutzes mit dem Einfügen des § 8 Satz 2 ProdHaftG lediglich die Neuregelung des § 253 Abs. 2 BGB mit einem einheitlichen und übergreifenden Anspruch auf immaterielle Entschädigung bei der Verletzung von Leib und Leben unter Aufhebung des Verschuldenserfordernisses ergänzt werden, um den Rückgriff auf das allgemeine Deliktsrecht für Produkthaftungsansprüche überflüssig zu machen und die gerichtlichen Verfahren zu rationalisieren.161 Eine Entscheidung für oder gegen präventive Funktionen in der Produzentenhaftung gemäß §§ 15 Abs. 2 ProdHaftG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB ist hiervon nicht tangiert. Wenn der Humanitätsgrundsatz aufgrund der planmäßigen und rationalen haftungsbegründenden Herstellerhandlung eine an der Billigkeit zu messende Entschädigungsbemessung unter Berücksichtigung einer präventiven Funktion nahe legt, der Gleichheitsgrundsatz eine hinreichende Verbindung zu einer Entschädigungsbemessung herstellt, in der eine derartige Funktion allgemein anerkannt ist, und der Vergeltungsgrundsatz – wie später noch zu zeigen ist – jedenfalls in besonderen Fällen nicht dagegen spricht, sondern eine solche Adaption sogar unterstützt, dann ist es die Aufgabe der richterrechtlichen Rechtsfortbildung, das geschriebene Recht auf die sich fortentwickelnden gesellschaftlichen und technischen Verhältnisse anzupassen.162 Dabei stellt die Fortentwicklung der Billigkeitsbetrachtung bei der Bemessung einer immateriellen Entschädigung im Sinne der Berücksichtigung einer Präventionsfunktion bei einer rechtspolitisch als notwendig erachteten Erzwingung eines sozialgerechten Herstellerverhaltens zur Prävention vor Gesundheitsschäden163 lediglich einen weiteren Schritt in der seit dem Inkrafttreten des BGB bereits erfolgten richterlichen Rechtsfortbildung dar (Etablierung der Genugtuungsfunktion als Folge der bereits vom RG festgestellten und vom BGBGesetzgeber nicht berücksichtigten Bemessung des Schmerzensgeldes über den reinen Ausgleich hinaus mit weiteren Aspekten im Rahmen der Gesamtwürdigung – insbesondere dem Verschulden des Schädigers –164, die Konstruktion einer über den reinen Ausgleich hinausgehenden immateriellen Entschädigung als Folge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Massenmedien zur Erzwingung normkonformen Verhaltens aus präventiven Gründen165 und die Etablierung eines den reinen Ausgleich übertreffenden Entschädigungsanspruches bei zögerlichem Regulierungsverhalten von Versicherern, falls zur Erfüllung der gesetz160 Vgl. hierzu und die Kritik zur Untätigkeit des Gesetzgebers verbunden mit einem Plädoyer zur Integration des Produkthaftungsrechts in das BGB Diederichsen, U., AcP 182 (1982), 101 (109, 111 f., 113) und Wolf, AcP 182 (1982), 80 (94, 97 f.); vgl. zu den wenig überzeugenden Ausführungen des Gesetzgebers, dass eine umfassende Regelung des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht geleistet werde könne, BT-Drs. 14/7752 S. 24 f. 161 BT-Drs. 14/7752 S. 14 f., 24, 43. 162 Wolf, AcP 182 (1982), 80 (92). 163 Diederichsen, U., AcP 182 (1982), 101 (111 f.). 164 RGZ 136, 60 (62). 165 Vgl. Wolf, AcP 182 (1982), 80 (94).
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geberischen Ziele und Zwecke eine präventive Verhaltenssteuerung durch die abschreckende Wirkung der angedrohten oder der verhängten Entschädigung notwendig ist166). Die doppelte Regelung der immateriellen Entschädigung in § 8 Satz 2 ProdHaftG i.V.m. dem Produkthaftungsanspruch aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG und im § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. der Produzentenhaftung gemäß der §§ 15 Abs. 2 ProdHaftG, 823 Abs. 1 BGB öffnet die Tür für eine diversifizierte Entschädigungsbemessung in Produkthaftungsfällen, je nachdem, ob die Haftung aus vermutetem – und damit durch präventive Maßnahmen nicht beeinflussbarem – oder aus beeinflussbarem tatsächlichen Verschulden erfolgt. Dass selbst der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass die Bemessungsgrundlagen bei verschiedenen Haftungssachverhalten unterschiedlich zu behandeln sind, kann zum einen an den Ausführungen zu dem schlussendlich nicht erfolgten Ausschluss einer immateriellen Entschädigung bei Bagatellverletzungen und an den Erwägungen festgemacht werden, dass die Genugtuungsfunktion bei der Gefährdungshaftung keine Bedeutung hat und eine schuldhafte Verletzungshandlung in der Bemessung der konkreten Höhe des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sei.167 2. Die Subsidiarität gegenüber präventiv wirkenden öffentlich-rechtlichen Normen Eine Entschädigungsbemessung über den Nachteilsausgleich und über die Genugtuung hinaus ist darauf gerichtet, eine der Allgemeinheit dienende rechtspolitisch gewünschte präventiv-psychologische Wirkung zu erreichen (die Hersteller zur Inverkehrgabe möglichst sicherer Produkte zu motivieren). Die Durchsetzung dieser der Allgemeinheit dienenden rechtspolitisch gewünschten Prävention ist im deutschen Rechtssystem primär öffentlich-rechtlichen Rechtsmitteln, z. B. des Straf-, Ordnungswidrigkeiten- und Verwaltungsrechts, vorbehalten.168 Öffentlich-rechtliche präventive Normen schließen daher die Erforderlichkeit einer Erhöhung der Entschädigung aus präventiven Gründen aus, falls der Hersteller tatsächlich von deren Anwendung betroffen ist, so dass die öffentlich-rechtlichen Normen tatsächlich – und nicht nur theoretisch – eine optimale Stimulierung von schadensverhütenden Aktivitäten des Herstellers bewirken.169 Die Hauptmotivation zum Handeln geht für den Hersteller von seiner Gewinnerzielungsabsicht bezüglich der von ihm hergestellten und vertriebenen Produkte aus, so dass der Gewinn der ef166
Vgl. Rosengarten, S. 183. BT-Drs. 14/7752 S. 14 f., 25. 168 Vgl. Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (658); mit der Betonung der grundsätzlichen Wahrnehmung von öffentlichen Belangen im Straf- oder Verwaltungsprozess Ady, S. 202; Schiemann, S. 224; vgl. hierzu zu den vergleichbaren Voraussetzungen bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts BVerfG NJW 1973, 1221 (1222). 169 Vgl. allgemein zur ökonomisch-rationalen Ebene des Schadenersatzes Motsch, JZ 1984, 211 (219). 167
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
fektivste Anknüpfungspunkt einer Prävention ist und von den öffentlich-rechtlichen Normen zum Nachteil des Herstellers verringert werden müsste.170 Bereits dem materiell-rechtlichen Produkthaftungsanspruch wird zu Grunde gelegt, dass die vom verwaltungsrechtlichen Normengeber konstituierten Regeln der Technik lediglich einen ersten Anhaltspunkt darstellen, deren Einhaltung aber nicht die Haftung des Herstellers ausschließt.171 Hierbei wird darauf verwiesen, dass die öffentlich-rechtlichen Normen zur Vermeidung von innovationshemmenden Wirkungen einen eher weiten verwaltungsrechtlichen Überwachungs- und Normierungsapparat konstituieren.172 Wenn der Schutzbereich kleiner ist als der zivilrechtliche Haftungsumfang, können verwaltungsrechtliche Normen keine ausreichende Schutzwirkung vor rechtswidrig gefährlichen Produkten entfalten.173 Die Präventionswirkung durch die strafrechtliche Verantwortung des Herstellers im weitesten Sinne (was neben den Strafnormen auch Ordnungswidrigkeiten umfasst) ist sowohl aus rechtlichen wie auch aus tatsächlichen Gründen sehr begrenzt oder sogar nicht existent.174 Grundsätzlich können die Hersteller, die in der Praxis meistens keine natürlichen Personen sind, als juristische Personen mangels Handlungs-, Schuld- und Straffähigkeit keiner strafrechtlichen Verantwortung unterworfen werden.175 Der dadurch bedingte Mangel an Prävention durch strafrechtliche Normen, insbesondere auch die Kalkulierbarkeit des Risikos einer möglichen Verurteilung aus § 30 OWiG, wurde bereits vom Gesetzgeber erkannt und hat zu Erwägungen über die Einführung eines Unternehmensstrafrechts geführt.176 Selbst wenn ein Hersteller strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, unterscheiden sich die vom Strafrecht bezweckte Prävention und die für eine wirkungsvolle Produzentenhaftung notwendige Prävention erheblich. Während für die generalpräventive Wirkung einer Geldstrafe viel stärker auf die persönliche Verantwortlichkeit des Herstellers abgestellt wird, kommt es für die präventive Wirksamkeit der Produzentenhaftung darauf an, dass die Gesamtheit aller Produktbenutzer und aller potentiell mit dem Produkt in Kontakt kommenden Dritten vor unsicheren Produkten dadurch geschützt wird, dass nicht nur der konkrete Schädiger, sondern alle Hersteller vergleichbarer Produkte von der Inverkehrgabe unsicherer Produkte abge-
170
Vgl. Ady, S. 120; Magnus, S. 233 f. Exemplarisch BGH NJW 1984, 801 (802). 172 So auch aus strafrechtlicher Sicht Lege, S. 10; vgl. zu behördlichen Rückrufanordnungen Schulenberg, S. 218 ff. 173 Mit gleichem Ergebnis Müller, P., S. 326. 174 Zustimmend Müller, P., S. 326, 370. 175 Schönke/Schröder-Heine/Weißer, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 121. 176 So ein Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen (veröffentlicht durch Mitteilung des nordrhein-westfälischen Justizministeriums vom 19. 09. 2013), zitiert und mit Verweis auf die grundlegende Maxime des Schuldstrafrechts skeptisch diskutiert von Leipold, NJW-Spezial 2013, 696. 171
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halten werden.177 Die gegenüber dem Zivilrecht höheren Beweisanforderungen im Strafrecht sprechen auch gegen die Annahme, dass in strafrechtlichen Verfahren die für eine präventive Wirkung notwendige Verurteilungsdichte erreicht wird. Es ließe sich auch daran denken, dass die fehlende Präventionswirkung des Strafrechts mangels Straffähigkeit von Unternehmen dadurch kompensiert werden könnte, dass zusätzlich die Mitarbeiter des Herstellers zur (kompensatorischen) Haftung herangezogen werden, die unmittelbar den Konstruktions-, Herstellungsund Vertriebsprozess steuern und daher in der Lage sind – zur Vermeidung persönlicher finanzieller und existentieller Nachteile – schadensverhütende Aktivitäten selbst zu ergreifen, Mitarbeiter zur Gefahrenvermeidung anzuhalten oder die Geschäftsleitung mit erhöhten Organisationsanforderungen und Vorschlägen zu konfrontieren.178 Zwar wurde bereits entschieden, dass ein Geschäftsführer strafrechtlich verantwortlich ist, im Rahmen der ihm übertragenen Pflichten in seinem Geschäftsund Verantwortungsbereich bei einer offenkundigen Gefahr für Leib und Leben schadenabwendend einzugreifen179, oder dass im Allgemeinen die Angestellten in der Entwicklungsabteilung eine Verantwortung für Konstruktions- und Fabrikationspflichten (nicht aber für Instruktionspflichten) zu tragen haben180. Ob diese Entscheidungen bezüglich geschäftsführender Gesellschafter und leitender Angestellter im Sinne einer allgemeinen Produzentenhaftung von Mitarbeitern verstanden werden kann, die die Konstruktion, die Fabrikation und den Vertrieb des Produkts maßgeblich bestimmen können, erscheint bereits als fraglich.181 Darüber hinaus wurden grundsätzliche rechtssystematische, sozialpolitische und sachliche Argumente gegen eine Arbeitnehmerhaftung jeglicher Art vorgebracht. Rechtssystematisch seien einzelne Mitarbeiter kein taugliches Anknüpfungssubjekt für eine haftungsbegründende Verkehrspflichtverletzung, da die Verletzungshandlung – also die 177
Vgl. Lege, S. 9; vgl. auch zur Ablehnung einer Anrechnung der strafrechtlichen Verurteilung des Schädigers auf die Bemessung der immateriellen Entschädigung selbst bei vorsätzlichen Straftaten, da sich beide Rechtsfolgen grundlegend unterscheiden, BGH NJW 1995, 781(782) und OLG Saarbrücken NJW 2008, 1166 (1169). 178 Vgl. zur Haftung als Organ BGH NJW 2001, 964 (964 f.); vgl. Kremer, DAR 1996, 134; Leßmann, JuS 1979, 853 (858); Graf von Westphalen, BB 1975, 1033 (1034 f.); SchmidtSalzer, BB 1975, 1032 (1033); kritisch mit Verweis auf die Gefahr von übertriebenen und überteuerten Vorschlägen zu Sicherheitsmaßnahmen Marschall von Bieberstein, VersR 1976, 411 (414 f.). 179 So BGH NJW 1990, 2560 (2563, 2565); BGH VersR 1987, 891 (892); Diederichsen, U., DAR 1976, 312 (317). 180 BGH NJW 1990, 2560 (2569); BGH NJW 1987, 372 (374); vgl. auch die Abgrenzungserwägungen zur Verantwortung von Fachabteilungen im Unternehmen und zu einer eventuellen Haftung bei ausdrücklicher Zuweisung von Instruktionspflichten Hübner, NJW 1988, 441 (446, 449). 181 Mit einer Andeutung einer Haftung der leitenden Mitarbeiter mit Herrschaft über einen Organisationsbereich „in besonderen Fällen“, aber ohne Darstellung von Kriterien BGH NJW 1992, 1039 (1042); dagegen ausdrücklich Müller, G., VersR 2004, 1073 (1079); die Entscheidung als Ablehnung einer Mitarbeiterhaftung interpretierend MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 625.
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Inverkehrgabe des Endprodukts – nicht ein isolierter Einzelvorgang im Konstruktions-, Fabrikations- und Vertriebsprozess der angestellten Mitarbeiter unterhalb der Unternehmensleitung, sondern eine Kombination des gesamten menschlichen und planerischen Herstellungsprozesses ist, auf die der Einzelne ohne eine entsprechende generelle Zuständigkeit für die umfassende betriebliche Organisation nicht einwirken kann.182 Die weitere Kritik an einer persönlichen Haftung von Arbeitnehmern stellt insbesondere darauf ab, dass die (angeblich haftungsbegründende) Handlung lediglich Teil einer – isoliert auf seinen Zuständigkeitsbereich – arbeitsrechtlichen Leistungsaustauschbeziehung zwischen ihm als Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ist, aus der er keine Handlungspflichten gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen hat und aus der er seinen finanziellen Vorteil allein aus der (mangelfreien) Erfüllung seiner (arbeitsrechtlichen) Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber (Hersteller) und nicht aus der Außenbeziehung des Herstellers gegenüber der Allgemeinheit (etwa durch eine Gewinnbeteiligung) zieht, so dass er weder an der Gewinnchance partizipiert (und somit auch nicht als Kehrseite das Unternehmensrisiko zu tragen hat) noch die Haftungsrisiken – wie der Hersteller – mittels der Preisgestaltung des Produkts oder einer Versicherung refinanzieren kann.183 Die sich aus dieser Kritik ergebenden offenen Fragen der Produzentenhaftung von Mitarbeitern bedarf hier aber keiner abschließenden Klärung, da eine rechtssystematisch und sozialpolitisch höchst umstrittene zivilrechtliche Haftung, die lediglich als sekundäres Hilfsmittel im Falle der Insolvenz des Herstellers, der Nichtabdeckung des Schadens von einer Haftpflichtversicherung oder – vor dem ProdHaftG – der sehr unwahrscheinlichen Exkulpation des Herstellers für den konkret als Fehlerverursacher identifizierten Mitarbeiter gedacht war184, keine ausreichende Grundlage für die Sicherstellung der präventiven Funktionen der Produzentenhaftung ist. Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, dass zwischen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. der verzögerten Schadensregulierung und den Verletzungshandlungen in der Produzentenhaftung der Unterschied besteht, dass 182 Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1297); Leßmann, JuS 1979, 853 (855 f.); a.A. Kremer, DAR 1996, 134 (137): Haftung des Mitarbeiters im Rahmen seines Aufgabenbereichs ohne Rücksicht auf dessen soziale Schutzbedürftigkeit. 183 Hopt, AcP 183 (1983), 608 (709); Brüggemeier, WM 1982, 1294 (1297); Leßmann, JuS 1979, 853 (856, 858 f.): mit Erwägung einer Haftungskanalisierung zum Unternehmen mit ggf. internem Schadenausgleich; Diederichsen, U., NJW 1978, 1281 (1287); Marschall von Bieberstein, VersR 1976, 411 (414); Lieb, JZ 1976, 526 (527 f.); im Ergebnis zustimmend Pfeifer, S. 102, der allein den Unternehmer als Adressaten der produkthaftungsrechtlichen Verkehrssicherungspflichten sieht; a.A. Kremer, DAR 1996, 134 (137); Graf von Westphalen, BB 1975, 1033 (1034). 184 Zum Ganzen Marschall von Bieberstein, VersR 1976, 411 (412 ff.); vgl. Kullmann, NJW 2002, 30 (35); Lieb, JZ 1976, 526 (527); Schmidt-Salzer, BB 1975, 1032 (1033); vgl. zu den weitreichenden und de facto nicht zu erbringenden Beweisen zur Exkulpation des Herstellers gemäß § 831 BGB BGH VersR 1973, 862 (862 f.); Graf von Westphalen, WM 1981, 1154 (1158 f.): Pflicht des Arbeitgebers zur arbeitsrechtlichen Freistellung aufgrund seiner Fürsorgepflicht; a.A. wohl Kremer, DAR 1996, 134 (136 f.), der die Haftung von Vorständen, Geschäftsführern und sonstigen Firmenmitarbeitern als essentiellen Teil der Produkthaftung sieht.
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im ersten Fall von dem schädigenden Medienunternehmen bzw. Versicherer zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung die gefährdete Person individualisiert wurde und damit vom Verschulden umfasst ist, so dass die Verletzungshandlung auch nur diese Person betreffen kann, wogegen im zweiten Fall der Hersteller zum Zeitpunkt seiner Verkehrspflichtverletzung weder den gefährdeten Produktnutzer noch einen eventuell zusätzlich gefährdeten Dritten kennt, so dass sich das Verschulden auf die nicht individualisierte Allgemeinheit bezieht und eine nicht prognostizierbare Anzahl von potentiellen Verletzungsfolgen droht. Daher ist es nicht fern liegend zu erwägen, dass die zum Schutze der Allgemeinheit vor unsicheren Produkten begründete Erhöhung der Entschädigung auch an die Allgemeinheit zu zahlen ist.185 Auch wenn aus rechtssystematischen Gründen eine derartige Verknüpfung überzeugend erscheinen könnte – was in einigen Bundesstaaten zur (Teil-)Zahlung der punitive damages an die Staatskasse geführt hat – liefert die allgemeine Lebenserfahrung das entscheidende Gegenargument. Die präventive Wirkung des zusätzlichen Entschädigungsbetrages entsteht nur, wenn der Verletzte sein Recht durchsetzt und die damit verbundenen finanziellen Prozesskostenrisiken auf sich nimmt. Er ist damit de facto der Vertreter der verletzten Rechtsordnung und muss dann auch als Gegenleistung für das zum Wohle der Allgemeinheit auf sich genommene Prozessrisiko die erhöhte Entschädigung behalten dürfen.186 Ungerechtfertigte Ergebnisse lassen sich dadurch vermeiden, dass es sich bei allen anerkannten Fällen der Entschädigung mit präventiven Zielen nicht um eine simple Herausgabe des realisierten Gewinns oder um eine arithmetische Berechnung handelt, sondern dass ein angemessenes Ergebnis unter Berücksichtigung aller fallspezifischen, verfassungsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Belange gefunden wird. Dies erfordert insbesondere in der Produzentenhaftung einen flexiblen Ausgleich zwischen der Vermeidung einer zu geringen Präventionswirkung durch eine mit Blick auf weitere drohende Schadenersatzzahlungen gering angesetzte Entschädigung aus präventiven Gründen und einem eventuellen Präventionsexzess, falls die Verletzungshandlung bereits in einem anderen Schadenersatzverfahren entschädigungserhöhend berücksichtigt wurde. Die fehlende abschließende Normierung rechtmäßigen Verhaltens durch verwaltungsrechtliche Vorschriften und Rechtsakte mit entsprechenden Sanktionen bei Nichteinhaltung, die fehlende Straffähigkeit von Unternehmen und der rechts- und sozialpolitisch nicht abschließend gerechtfertigte Durchgriff der Haftung auf die handelnden Mitarbeiter kann – was der Ausgangsfall auch verdeutlicht – dazu führen, dass die Bemessung des materiellen Schadenersatzes und der immateriellen Entschädigung eine signifikante Aufhebung der Schutzfunktion der Produzentenhaftung – verbunden mit der Gefährdung der Akzeptanz des gesamten Produkthaftungsrechts – bewirkt, weil es für den Hersteller finanziell lohnend sein kann, unsichere Produkte mit höheren Gewinnmargen in den Warenverkehr zu bringen.187 185 186 187
Zum Problemaufriss Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (656). So Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (656 f.). Vgl. Ady, S. 210, 218 f.; Magnus, S. 234.
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Es besteht daher ein dringendes rechtspolitisches Interesse, das finanzielle Risiko für den Hersteller in der Produzentenhaftung – ggf. durch eine zusätzliche Entschädigung – derart zu erhöhen, dass es dem Hersteller finanziell lohnender erscheint, sichere Produkte in den Warenverkehr zu bringen. Dieses Ergebnis entspricht auch Bestrebungen im europäischen Verbraucherschutz, der das Produkthaftungsrecht in den letzten Jahrzehnten erheblich beeinflusst hat, eine Gewinnabschöpfung bei Verletzungshandlungen einzurichten, um zur Durchsetzung normgerechten Verhaltens den Rechtsnormen eine abschreckende Wirkung zu geben.188 3. Die besondere Verwerflichkeit des Herstellerverhaltens Auch wenn die zur Sicherstellung der Ziele und Zwecke der Produzentenhaftung an präventiven Aspekten zu bemessende Erhöhung der immateriellen Entschädigung aufgrund des motiv- und interessengeleiteten deliktischen Verhaltens des Herstellers geeignet und notwendig ist, muss deren Verhängung verhältnismäßig zu konkurrierenden Rechtsgütern und rechts- und gesellschaftspolitischen Zielen – etwa zu den berechtigten gesellschaftlichen Interessen an einem funktionierenden Wirtschaftskreislauf – sein. So entspricht es den rechts- und sozialpolitischen Zielen einer sozialen Marktwirtschaft, dass breite Schichten der Bevölkerung Produkte erwerben können, die als Kehrseite dieses Ziels auch möglichst preisgünstig hergestellt werden müssen. Es ist dieses Proportionalitätsverständnis, das im Rahmen der Erhöhung der Entschädigung aus präventiven Gründen als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu einer Abwägung der berechtigten Interessen der Allgemeinheit und des Einzelnen am – durch die Höhe der Entschädigung zu schützenden – allgemeinen Persönlichkeitsrecht mit den Interessen der Allgemeinheit und der Medienunternehmen an der – dadurch eingeschränkten – Pressefreiheit führt.189 Übertragen auf die Produzentenhaftung muss auch hierbei die mit der Erhöhung der immateriellen Entschädigung beabsichtigte zukünftige soziale Steuerungsfunktion190 unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots und unter Berücksichtigung von volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten in einen vernünftigen Ausgleich zwischen dem auf Schutz der Allgemeinheit vor unsicheren Produkten im Warenverkehr gerichteten Präventionsinteresse einerseits und dem an wirtschaftlichen Zumutbarkeitserwägungen zu messenden allgemeinen Interesse an der Versorgung mit modernen Konsumgütern für breite Bevölkerungsschichten und an der
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Vgl. zu Überlegungen bzgl. einer Gewinnabschöpfung zugunsten der Allgemeinheit und nicht des individuellen Verletzten das Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27. 11. 2008, KOM(2008) 794, Nr. 45. 189 BGHZ 128, 1 (16). 190 Lange, VersR 1999, 274 (278).
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wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Hersteller andererseits gebracht werden191. Während auf der Seite des Schutzes der Allgemeinheit vor unsicheren Produkten das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit von Leib und Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 GG streitet, könnten in Abhängigkeit von der Höhe der Entschädigungspflichten des Herstellers die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG (aus dem Umkehrschluss zur Erdrosselungsrechtsprechung bei Steuerpflichten), die Freiheit der Berufsausübung, die Handlungsfreiheit und u. U. auch die Freiheit von Forschung und Wissenschaft gemäß Art. 5 Abs. 3 GG verfassungswidrig verletzt werden.192 Die bisher anerkannten Fälle einer Prävention durch finanzielle Abschreckung machen deutlich, dass in dieser Abwägung das Interesse an einer Abschreckung des Schädigers oder potentieller Schädiger dann überwiegt, wenn das Verhalten des Schädigers besonders verwerflich ist, weil es besonders hohe Rechtsgüter gefährdet oder verletzt (objektives Element) und weil der Handelnde mit dem konkreten Verletzungsverhalten eine besonders hohe Energie und Motivation zu rechtswidrigem Handeln erkennen lässt (subjektives Element).193 Das objektive Element ist bei einer Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit durch den Produktfehler – wie im Ausgangsfall – zweifelsohne erfüllt. Problematisch ist jedoch, wann das unternehmerische Tätigwerden des Herstellers – die Inverkehrgabe von Produkten mit Gewinnerzielungsabsicht – die Voraussetzungen des subjektiven Elements begründet. Diese Handlung ist wirtschaftsimmanent und kann daher keinesfalls in einer Marktwirtschaft – vergleichbar mit der Veröffentlichung von Informationen, Bildern sowie Audio- und Videobeiträgen von Medienunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht in einer demokratischen politischen Ordnung – per se als rechtswidrig oder gar verwerflich angesehen werden. Auch stellt eine eventuelle Gefährlichkeit des Produkts für Leib und Leben für sich gesehen keinen Umstand dar, der allein die Verwerflichkeit begründen kann, da das moderne Leben zur Verbesserung des Lebensstandards für breite Bevölkerungsschichten das Konsumbedürfnis auf hochkomplexe Industrieprodukte entstehen lässt, die zwangsläufig Verletzungsrisiken aus der Produktbenutzung in sich bergen, so dass in der Verwirklichung dieser Risiken ohne das Hinzutreten weiterer Umstände lediglich die
191 Vgl. Brockmeier, S. 108; vgl. zur Abweichung von bereits ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträgen BGH VersR 1988, 943 (944); vgl. zu der zwangsläufigen Verteuerung des Versicherungsschutzes für die Allgemeinheit als Folge der Erhöhung von Entschädigungsleistungen BGH VersR 1986, 173 (174); BGH VersR 1976, 967 (968); OLG Frankfurt ZfS 1996, 131 (132); OLG Saarbrücken VersR 1987, 774 (775); Steffen, DAR 2003, 201 (205); für die Berücksichtigung der Belange der Versichertengemeinschaft im Ausgleichsgedanken Diederichsen, A., VersR 2005, 433 (438); dies als irrelevant betrachtend Sprenger, DAR 1977, 42 (44); vgl. zu empirischen Untersuchungen dargestellt in Musielak, VersR 1982, 613 (615), wonach ca. 74 % der befragten Gerichte in Bayern die Belastung der Versichertengemeinschaft nicht berücksichtigt sehen wollten. 192 Vgl. Brockmeier, S. 125 f.; Canaris, JZ 1987, 993 (995 f.). 193 Vgl. Magnus, S. 235: „Geht man indessen von den krassen Fällen aus und beschränkt man sich auf gravierende Beeinträchtigungen (…)“.
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Verwirklichung der von der Zivilisation angelegten Risiken zu sehen ist.194 Demgegenüber macht der Ausgangsfall deutlich, dass jedenfalls bei einem rücksichtlosen und auf den höchstmöglichen Profit gerichteten Verhalten des Herstellers die billige Entschädigung – unabhängig vom materiellen und immateriellen Schaden – eine Höhe erreichen muss, die einen gewissen ökonomischen Hemmungseffekt begründet, um zu vermeiden, dass der Hersteller aus den vorsätzlichen rechtsverletzenden Handlungen trotz der fortgesetzten Gefährdung von Millionen von Menschen und bereits eingetretenen katastrophalen Verletzungen einen finanziellen Gewinn generiert.195 Ein Hersteller demonstriert dann ein besonders hohes Maß an Energie und Motivation zu rechtswidrigem Verhalten – so dass es als notwendig erscheint, ihn mittels persönlicher finanzieller Nachteile jegliche Motivation zu derartigem Handeln in der Zukunft zu nehmen –, wenn er durch sein Verhalten nachweislich zu erkennen gegeben hat, dass er sich absichtlich über die von der Rechtsordnung normierten Verhaltensanforderungen in einer groben und besonders gefährlichen Weise hinwegsetzen wollte.196 Das Erfordernis eines nachweislich absichtlichen moralischen (und damit subjektiven) Fehlverhaltens bedingt, dass weder ein lediglich vermutetes Verschulden noch ein objektbezogener deliktischer Anknüpfungspunkt (wie gemäß §§ 8 Satz 2, 1 Abs. 1 ProdHaftG) ausreicht, um eine Erhöhung der immateriellen Entschädigung aus präventiven Gründen zu rechtfertigen.197 Damit erfährt die verhaltensbezogene Produzentenhaftung gemäß §§ 15 Abs. 2 ProdHaftG, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB eine neue, vom Gesetzgeber nicht vorgesehene, eigenständige Bedeutung im Sinne des Schutzes der Allgemeinheit vor besonders verwerflichem Herstellerverhalten mittels einer an präventiven Aspekten zu bemessenden immateriellen Entschädigung. Das Maß einer – die Erhöhung der Entschädigung aus präventiven Gründen begründenden – groben und besonders gefährlichen Hinwegsetzung über die Rechtsordnung ist erst dann erreicht, wenn der Hersteller das Produkt im Ergebnis seiner rationalen, umfassenden und viele wirtschaftliche Einzelaspekte berücksichtigenden Abwägung willentlich und wissentlich nicht entsprechend dem technisch Möglichen und wirtschaftlich Zumutbaren herstellt oder vertreibt und dadurch das Leben und die Gesundheit aller mit dem Produkt in Kontakt kommenden Per194 Vgl. die Urteilsgründe auch unter Abwägung sozialadäquaten Verhaltens – Teilnahme am Straßenverkehr – in BGH NJW 1997, 455 (456) und einer eventuellen Einwilligung in Gefährdungen durch Verbraucher in BGH NJW 1984, 801 (802 f.). 195 BGH NJW 1961, 2059 (2060 f.): dem unlauteren Gewinnstreben ist mittels einer Belastung mit dem Risiko eines fühlbaren materiellen Verlustes zu begegnen; Lange, VersR 1999, 274 (278); Ott/Schäfer, JZ 1990, 563 (566). 196 Vgl. zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kaufmann, H., JuS 1963, 373 (383); dagegen Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (654 f.): einer nicht ausreichenden präventiven Wirkung der Entschädigung ist verwaltungs- und strafrechtlich zu begegnen. 197 So OLG Celle VersR 2005, 91 (92) zur ähnlichen Situation in der Gefährdungshaftung gemäß StVG; vgl. auch Schilling, Probleme der Produzentenhaftung, S. 63 (67), der in der Implementierung des Schmerzensgeldes einen Schritt in Richtung der „korrumpiert[en]“ USamerikanischen Verhältnisse sieht.
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sonen aus finanziellem Eigennutz schuldhaft gefährdet.198 Um bei besonders großen potentiellen Gewinnen des Herstellers von industriellen Massenprodukten die notwendige Flexibilität in der Bemessung zu erhalten, ist diese Entschädigungsbemessung auch den Haftungshöchstgrenzen des § 10 ProdHaftG (die an die deliktische Haftung ohne Verschuldensnachweis anknüpfen) entzogen.199 Neben der Berücksichtigung des Proportionalitätsgedankens hinsichtlich der Erhöhung der Entschädigung mit präventiven Erwägungen dem Grunde nach wird dieser Gedanke in den bisher anerkannten Fällen auch hinsichtlich der Bemessung einer angemessenen Höhe nutzbar gemacht, um zur Erzeugung einer abschreckenden präventiven Wirkung eine von den subjektiven Auffassungen des erkennenden Gerichts unabhängige und damit in gewissem Umfang vorhersehbare Höhe zu erreichen. Dafür wird von der Rechtsprechung im Falle der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts versucht, die konkrete, den Schadensfall betreffende Proportionalität in der Weise zu objektivieren, dass zum einen die Intensität des Rechtseingriffs und zum anderen der durch den Schädiger daraus gezogene finanzielle Vorteil – also der Gewinn – herangezogen wird, ohne dass es sich dabei aber um eine rechnerische (vollständige) Gewinnabschöpfung handeln muss.200 Da die Handlungen des Herstellers mit den Handlungen von Medienunternehmen und Versicherern in der Weise ähnlich sind, dass es hier wie da dem Schädiger nicht auf den Verletzungserfolg ankommt, sondern dieser wird – wie der Ausgangsfall zeigt – lediglich billigend in Kauf genommen, um die durch die rechtswidrige Gefährdung der Allgemeinheit erzielbaren Gewinne zu generieren, bietet es sich auch hier an, den durch die Verkehrspflichtverletzung erzielten Gewinn als objektiven Anhaltspunkt einer proportionalen immateriellen Entschädigung aus präventiven Erwägungen heranzuziehen, ohne dass der Umfang des Gewinns zwingend erreicht werden muss oder die Entschädigung auf den Gewinn begrenzt ist. Abschließend stellt sich die Frage, ob neben dem Erfordernis einer Gefährdung besonders hochwertiger Rechtsgüter und einem besonders moralisch verwerflichen Verhalten noch weitere Faktoren die Proportionalitätserwägungen beeinflussen können. Dazu könnte zählen, ob die an der Prävention ausgerichtete Entschädigung 198 Umkehrschluss aus der Feststellung in BVerfG VersR 2000, 897 (898 f.), dass für die Prävention bei Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht kein Raum ist; bereits angelegt im Verweis auf die Notwendigkeit des Risikos eines fühlbaren materiellen Verlustes zur Unterbindung unlauteren Gewinnstrebens in BGH NJW 1961, 2059 (2060 f.); mit gleichem Ergebnis Ady, S. 218 f.; Lange, VersR 1999, 274 (274, 278 f.); im Rahmen der ökonomischen Analyse des Schadensrechts Kötz/Wagner, S. 36 f. und MüKoBGB/Wagner, vor § 823 Rn 46 ff.: allgemeines Abstellen auf die Möglichkeit des Handelnden, die langfristigen Folgen seiner Entscheidung planend zu überdenken. 199 Vgl. zur grundsätzlichen Kritik an Haftungshöchstgrenzen in der EG-Produkthaftungsrichtlinie Simitis, Festschrift für Duden, S. 605 (628 f., 632 f.); vgl. zum Nebeneinander und Ausschluss der Übertragbarkeit von haftungsbegrenzenden Regelungen im BGB und AMG Deutsch, VersR 1979, 685 (691); a.A. Frietsch, ZEuS 2002, 119, der eine absolute Haftungshöchstgrenze aus „rechtspsychologischen“ Gründen als zweckmäßig ansieht. 200 So BVerfG VersR 2000, 897 (898); BGHZ 128, 1 (16).
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den Hersteller in die Insolvenz treibt. Hierzu wurde vertreten, dass die Grenze einer hinreichend verhältnismäßigen Entschädigung überschritten sei, wenn auf der einen Seite der materielle und immaterielle Schaden des Verletzten voll ausgeglichen und er somit auf eine höhere Entschädigung nicht angewiesen ist, jedoch auf der anderen Seite der Hersteller durch die über den Schadenausgleich hinausgehende Entschädigung in eine schwere und nachhaltige Notlage oder in eine Insolvenz verbunden mit dem Verlust der Arbeitsplätze und der Ersparnisse der Anleger des Herstellers geraten würde.201 Diese Erwägungen – so relevant sie im Einzelfall auch sein mögen – sollten jedoch nicht losgelöst vom Maß der festgestellten Verwerflichkeit diskutiert werden. In Abhängigkeit der Nützlichkeit des Produkts für den Einzelnen und für die Gesellschaft könnte es gerade dem gesellschaftspolitischen Interesse entsprechen, durch die Insolvenz eines besonders verwerflich handelnden Herstellers zu verhindern, dass dieser in Zukunft wieder derartige schädigende Handlungen vornimmt, und durch dieses besonders evident abschreckende Beispiel andere Hersteller mit ähnlichem Interesse abzuhalten, sich gleich zu verhalten. 4. Vermeidung einer „Amerikanisierung“ des Deliktsrechts Nach alledem stellt sich die Frage, weshalb nicht schon längst die Erhöhung der immateriellen Entschädigung zur Motivation des Herstellers zur Inverkehrgabe sicherer Produkte anerkannt ist. Gegen die Berücksichtigung präventiver Ziele in der Bemessung der Entschädigung in der Produzentenhaftung bleibt am Ende nur das Argument, dass ansonsten das deutsche Schadenersatzrecht amerikanisiert werde, also zu einem Privatstrafrecht mit extremen Schadenersatzsummen verändert werden würde.202 Diese Ablehnung jeglicher Nähe zu den angelsächsischen punitive damages entsprach nicht immer der Grundtendenz in der deutschen Rechtsprechung. Noch in den frühen 1960er Jahren war eine gewisse Offenheit in der Rechtsprechung erkennbar, bei der – mit der Anerkennung der Genugtuungsfunktion mit Bezug auf die entgangene Lebensfreude – beabsichtigten finanziellen Substitution verletzter immaterieller Rechtsgüter auf die angelsächsische Judikatur abzustellen.203 Später 201 Brockmeier, S. 128; Berger, VersR 1977, 877 (879); vgl. auch die umfangreichen allgemeinen Ausführungen in Canaris, JZ 1987, 993 (995 f., 1001 f.); zur Frage des Bestehens einer Präventionswirkung in diesem Fall Kötz, Festschrift für Steindorff, S. 643 (654). 202 Vgl. die tiefe Skepsis vor einer Erhöhung der Entschädigung, um amerikanische Verhältnisse zu vermeiden, in der Entscheidung des OLG Frankfurt VersR 2002, 1568 (1569); vgl. auch Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5 (8); Schiemann, S. 229; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936); mit Verweis auf die Überschätzung der Häufigkeit und Höhe der Verurteilung zu punitive damages aufgrund einer verfälschenden Medienwirklichkeit Wenglorz/ Ryan, RIW 2003, 598 (599); Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (194); Zekoll, NJW 1999, 2163 (2164); von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (188); Zinkann, S. 172 f.; vgl. auch Zekoll, IPRax 1997, 198 (200): teilweise Verwechslung des immateriellen Schadenersatzes mit punitive damages. 203 Vgl. OLG Karlsruhe NJW 1969, 1488 (1489).
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entwickelten sich aber verstärkt Bedenken, dass von einer Entschädigung mit präventiven Aspekten existentielle Risiken für breite Bereiche in der Volkswirtschaft ausgehen könnten, wobei auch auf die angebliche Versicherungskrise in den 1980er Jahren in den USA verwiesen wird, wonach der Bestand der Versicherungsunternehmen oder der gesamten Branche gefährdet gewesen sei, weil die Entschädigungssummen derart hohe Beträge erreicht hätten, dass keine Versicherung mehr auf solider Grundlage Prämien berechnen konnte und manche Risiken nur gegen nahezu unbezahlbare Höchstprämien oder gar nicht versichert wurden.204 Andererseits lassen sich bis heute Parallelen in Deutschland und den USA in der Begründung einer erhöhten Entschädigung bei verzögertem Regulierungsverhalten von Versicherern, der ehrverletzenden Berichterstattung und im Falle der Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht leugnen.205 Bezüglich des behaupteten Verstoßes gegen den ordre public im Zusammenhang mit der Vollstreckung von punitive damages in Deutschland wurde erkannt, dass eine pauschale Zuordnung von Vorschriften mit abschreckender Wirkung zum Straf- oder Verwaltungsrecht nicht mehr widerspruchsfrei möglich ist, weil das deutsche Antidiskriminierungsrecht die vom europäischen Gesetzgeber geforderten deliktischen Sanktionen mit abschreckender Wirkung außerhalb des Strafrechts umgesetzt hat.206 Die Ablehnung jeglicher Nähe zu punitive damages wird insbesondere mit deren angeblich bestimmenden pönalen Zweck begründet207, wobei deren unauflösbares Spannungsverhältnis zwischen einer überkompensatorischen Abschreckung und einer schadenersatzrechtlichen Kompensation als strafrechtlich geprägter zivilrechtlicher Fremdkörper angesehen wird208. Auch gäbe es kein Bedürfnis derartige Aspekte in die Bemessung der immateriellen Entschädigung einfließen zu lassen, da sich das US-amerikanische Zivilrechtssystem grundlegend vom deutschen unterscheidet.209 Jedenfalls lässt sich festhalten, dass die Erhöhung der immateriellen Entschädigung, um den Hersteller im allgemeinen Interesse bezüglich wichtiger Konsumgüter zu ordentlichem Geschäftsgebaren anzuhalten, indem sich der grob fahrlässige und 204 Vgl. Ady, S. 164 f.; Müller, G., VersR 1993, 909 (916): „Interesse der Versichertengemeinschaft im Auge behalten“; mit Verweis auf die Vervierfachung des durchschnittlichen Schadenersatzes in den USA von 1975 bis 1985 Zinkann, S. 172 f. 205 Mit Verweis auf die „Genugtuungsfunktion“ der punitive damages Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (193); Brockmeier, S. 60, 104; Rosengarten, S. 188 f., 191; vgl. auch der Verweis in von Hülsen, RIW 1983, 633 (635) auf einen ähnlichen Sachverhalt mit einer Entschädigungserhöhung um $ 500.000 aufgrund einer verzögerten Zustimmung zu einem Vergleich. 206 Hierzu weiterführend von Hein, RIW 2007, 249 (251 f.). 207 Vgl. im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung von punitive damages BGH NJW 1992, 3096 (3102 f.); Zekoll, S. 151, 156. 208 Hoppe, S. 193. 209 Vgl. OLG Frankfurt VersR 2002, 1568 (1569); Pfeifer, S. 222 f.; von Hülsen/BrüningBrinkmann, RIW 1985, 187 (188); Sprenger, DAR 1977, 42 (44); vgl. auch die (im Ergebnis abgelehnte) Erwägung des KG VersR 2002, 1567, die US-Staatsbürgerschaft bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen.
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vorsätzliche Eingriff in fremde Rechte aufgrund der gegenüber dem Gewinn höheren Haftungskosten nicht auszahlt,210 eine gewisse inhaltliche Nähe zu den punitive damages hätte211. Aufgrund dieser Gemeinsamkeiten scheint es für die weitere Entwicklung eines gesellschafts- und rechtspolitisch angemessenen Produkthaftungsrechts sehr fruchtbar zu sein, auf die Entwicklung der punitive damages im Deliktsrecht im Allgemeinen212 und in Bezug auf die Produzentenhaftung im Besonderen zu schauen. Insbesondere ist dabei zu prüfen, ob sich eine an den punitive damages angelehnte Entschädigungsbemessung bei verwerflichem Herstellerverhalten tatsächlich ihrem Wesensgehalt nach derart weit außerhalb der Ausführungen des BVerfG zu motiv- und interessengeleiteten deliktischen Handlungen befindet und die zu erwartenden Schadenersatzsummen außerhalb der präventiven Zwecke liegen würden. Gegen eine Analyse der punitive damages kann weder Art. 103 Abs. 3 GG (da dieser Artikel nicht gegen jede Sanktion zur Verhaltenssteuerung spricht213) noch die deutsche Rechtsprechung zur Vollstreckbarkeit von deliktischen Schadenersatzurteilen aus den USA angeführt werden, da nicht auf die Begrifflichkeit „punitive damages“, sondern darauf abgestellt werden soll, ob in Deutschland vergleichbare Entschädigungsleistungen vom Schädiger zu leisten sind oder geleistet werden sollten.214 Um die mit punitive damages verfolgten Ziele und Zwecke sowie die damit gemachten Erfahrungen trotz der in Deutschland kritisch angesehenen Höhe der punitive damages auch für die billige Entschädigung in der Produzentenhaftung zweckdienlich verwerten zu können215, ist diese Rechtsfolge in den sozialen, prozessualen und staatsorganisatorischen Kontext (also auch in die Organisation der Rechtspflege und des Verfahrensrechts) einzuordnen216. Dazu gehört, dass mangels eines engmaschigen staatlichen Sozialsicherungssystems der Verletzte in den USA den überwiegenden Teil des ausgeurteilten Schadenersatzes zur zukünftigen Existenzsicherung verwenden muss.217 Weitere soziale Faktoren für die hohen Geldbe210
Vgl. Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (194); Magnus, S. 233; Zekoll, S. 152; Assmann, BB 1985, 15 (23); Schäfer/Ott, S. 414: allgemeines Steuerungsziel des Zivilrechts. 211 Diese Nähe auch feststellend Hoppe, S. 188, 191 f. 212 Vgl. die Gleichsetzung des deutschen Präventionsbegriffs mit dem US-amerikanischen Abschreckungsbegriff in Hoppe, S. 200; Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850 ff.); Magnus, S. 233. 213 Vgl. Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (859); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (837): punitive damages sind zivilrechtliche und keine strafrechtliche Rechtsfolge. 214 Vgl. exemplarisch die Urteilsgründe des OLG Düsseldorf RIW 1991, 594 (596). 215 Vgl. zur Aufgabe der Rechtsvergleichung Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (10): „(…) was läßt (sic) sich aus dem fremden Recht verwerten, bietet es im Verhältnis zur eigenen und zu anderen Rechtsordnungen die bessere Lösung?“ 216 Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 678 (679); Hirte/Otte, VersR 1997, 18 (19); Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (11, 13). 217 BGH NJW 1992, 3096 (3102); Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 678 (679); Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (286 f.); Hirte/Otte, VersR 1997, 18 (19); Schmidt-
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träge der punitive damages in der Produzentenhaftung sollen in den USA die Anspruchsmentalität, der vergleichsweise umfangreiche Einsatz ungelernter Arbeiter mit einem generell betrachtet deutlich niedrigeren Ausbildungs- und Wissensstand und die weniger sorgfältige, vorsichtige und pflegende Einstellung zu Produkten – deren Wartung, Einsatz etc. – sein.218 Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass die American rule, also die Kostentragungspflicht aller Verfahrenskosten (Anteil an den Gerichtsgebühren; Vergütung des Prozessvertreters, der von der Partei aufgerufenen Zeugen und expert witnesses; Kosten der discovery), zur Erhöhung der punitive damages um diese Summe führt.219 Auch seien gewählte Richter an bundesstaatlichen Gerichten im Gegensatz zu den Berufsrichtern in den Bundesgerichten im Interesse der Wähler und juries tendenziell eher geneigt, zugunsten der vermeintlich schwächeren geschädigten Verbraucher und auf Kosten der vermeintlich reichen Großkonzerne zu entscheiden (deep-pocket-syndrome).220 Die Prozessvertreter würden aufgrund des harten Konkurrenzkampfes verbunden mit ihrer Organisation, Repräsentation, ihren Arbeitsweisen und der intensiven Werbemöglichkeiten sehr konfrontativ und medienwirksam entsprechend beeindruckend auf die Laien-jury einwirken.221 Darüber hinaus soll es einen Einfluss haben, dass die jury keine detaillierten Entscheidungsgründe erstellen und sich aufgrund des Charakters als ad hoc-Spruchkörper für den konkreten Rechtsstreit keiner rechtswissenschaftlichen Diskussion stellen oder gar persönliche Nachteile infolge von Fehlentscheidungen befürchten muss.222 Die Rechtspflege in den USA sei weniger auf die Durchsetzung öffentlicher Interessen wie Bestrafung, Abschreckung und Gewinnabschöpfung durch staatliche Institutionen, sondern mehr auf deren Verwirklichung im Ergebnis Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 2, Einl. Rn. 111; Zinkann, S. 175 f.; Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (14). 218 Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 2, Einl. Rn. 111. 219 Vgl. OLG Düsseldorf RIW 1991, 594 (596); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (609); Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 678 (679); Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (285, 287); Müller, P., S. 13; Sikora, S. 63; Hirte/Otte, VersR 1997, 18 (19); Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850); Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Produkthaftung Band 2, Einl. Rn. 111; Böhmer, PHI 1992, 72 (73); Zinkann, S. 175 f.; Schütze, Festschrift für Nagel, S. 392 (396); Berger, VersR 1977, 877; Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (14 f., 25); dagegen Zekoll, S. 153 f.: unbedeutenden Teilaspekt der Präventions- und Straffunktion; allgemein zur Klagemotivation aufgrund der American rule ders., NJW 1999, 2163. 220 Schäfer/Ott, S. 379; Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (285); Frings, S. 19, bzgl. ähnlicher Feststellungen zu compensatory damages, a.a.O., S. 22, und zu den zwar bestätigenden Forschungsergebnissen, die weniger auf ein Abstellen auf die finanzielle Leistungsfähigkeit und mehr auf eine strengere Bewertung der Rücksichtslosigkeit aufgrund der höheren Verantwortung hinweisen, a.a.O., S. 28 ff.; Brockmeier, S. 31; Zekoll, NJW 1999, 2163 (2164); Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (851, 855 f.); Rosengarten, S. 56, 68; Zinkann, S. 175; Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (20). 221 Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (285); ders., Festschrift für Reich, S. 845 (856); Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (26). 222 Schäfer/Ott, S. 379; Frings, S. 17 f.; vgl. zu Studien mit dem Ergebnis, dass bei nicht ortsansässigen Beklagten höhere Entschädigungssummen als gegenüber einheimischen Personen und Firmen verhängt werden, Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 678 (684).
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der Durchsetzung deliktischer zivilrechtlicher Ansprüche gerichtet, so dass der Verletzte auch dem öffentlichen Interesse dient, den Hersteller vor einer rücksichtlosen Inverkehrgabe gefährlicher Produkte zur eigenen maximalen Gewinnsteigerung abzuschrecken.223 Um Schwierigkeiten bei der Urteilsvollstreckung für den Verletzten zu minimieren (als Folge des Fehlens eines staatlichen Melderegisters für natürliche Personen, in grenzüberschreitenden Fällen etc.) sollen hohe Geldbeträge für punitive damages die Beklagten anregen, vor einem Urteil den Rechtsstreit durch die tatsächliche Zahlung des Schadenersatzes beizulegen.224 Obwohl hin oder wieder zur Kenntnis genommen wird, dass die medienwirksamen und nach deutschen Vorstellungen unangemessen hohen Schadenersatzsummen, insbesondere im Produkthaftungsrecht, in vielen Fällen nachträglich reduziert oder gar aufgehoben werden und dass nicht in allen Bundesstaaten derartig riesige Schadenersatzsummen ausgeurteilt werden225, wird vermutet, dass die zivilrechtliche Durchsetzung öffentlicher Interessen zu negativen gesellschaftlichen Folgen (wie zu einer innovationshemmenden und für die Hersteller unkalkulierbaren und nicht versicherbaren Vollkaskomentalität der Verbraucher, zu einer Beeinflussung der Rechtslage durch lobbyistische Interessengruppen und zu komplexen sowie zeitraubenden Produkthaftungsverfahren) führen würde226. Andererseits verbreitet die eine oder andere vermeintliche Ursache für hohe punitive damages, wie die quota litis der Anwälte in class actions auf den kumulierten Betrag227, jedenfalls auf der europäischen Ebene weniger Schrecken, so dass derartige Prozesse in kontinentaleuropäischen Ländern, in denen class actions bisher eher unbekannt waren, sogar unterstützt und weiter implementiert werden sollen228. 223 BGH NJW 1992, 3096 (3102); Rosengarten, S. 51 ff., 70 mit Verweis auf Owen; vgl. hierzu Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (285, 288); Sikora, S. 65; mit einem zusätzlichen Abstellen auf das Verhindern von Selbstjustiz Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850, 858); Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (14, 23 f.). 224 Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (15); vgl. zur ausgleichenden Rolle eventuell vereinbarter Erfolgshonorare auf den ökonomischen Zwang zum Abschluss eines Vergleichs Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (287 f.). 225 Vgl. Schmitz, JuS 1999, 941; Zekoll, S. 68; Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 678 (684) mit Verweis auf entschädigungsfreundlichere Situation in Alabama, Atlanta/GA und Dallas/TX gegenüber Mississippi, Tennessee und Rest-Georgia; Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (286 f.) mit Verweis auf entschädigungsfreundlichere Situation in Kansas, New York, Kalifornien und Texas gegenüber Illinois, Georgia und Colorado; Mörsdorf-Schulte, S. 12; vgl. allgemein zur gesamtwirtschaftlichen Schadenersatzlast BGH NJW 1992, 3096 (3104). 226 Brockmeier, S. 31 f.; Rosengarten, S. 55 f.; vgl. die skeptische Einschätzung der Abschreckungswirkung im Haftungsrecht in Schäfer/Ott, S. 417; vgl. die eher distanzierte Auseinandersetzung zu den negativen Auswirkungen in Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (288). 227 Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (285). 228 Vgl. die Diskussion von Sammelklagen aus Verbraucherschutzinteressen im Grünbuch über kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher vom 27. 11. 2008, KOM(2008) 794, Nr. 18 und bei Verletzungen des Wettbewerbsrechts im Grünbuch Schadenersatzklagen
B. Die punitive damages in den USA
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Im Folgenden soll nicht der Frage nachgegangen werden, wie punitive damages im deutschen Deliktsrecht zu implementieren sind, da aufgrund der erheblichen sozialen, prozessualen und staatsorganisatorischen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland eine dogmatische Verankerung der punitive damages229 die Grenzen dieser Analyse sprengen würde. Vielmehr sollen die Erfahrungen sowie die Entwicklung der Voraussetzungen und der Bemessung der punitive damages, bei aller gebotenen Zurückhaltung230, für die Ermittlung einer billigen immateriellen Entschädigung in der Produzentenhaftung bei einem verwerflichen Verhalten des Herstellers mit dem Ziel einer verhaltenssteuernden Wirkung zum Schutz der Verbraucher nutzbar gemacht werden.231
B. Die punitive damages in den USA „Because the purpose of punitive damages is not to compensate the plaintiff but to punish the wrongdoer and to deter the wrongdoer and others from committing similar wrongs in the future, the proper amount of punitive damages rests largely within the jury’s discretion.“232 Green Oil Co. v. Hornsby (Die angemessene Höhe von punitive damages liegt im weitem Ermessen der jury, da der Zweck von punitive damages nicht im Schadenausgleich des Klägers liegt, sondern der Schädiger soll bestraft und er und andere sollen von der Begehung ähnlichem Unbill in der Zukunft abgehalten werden.)
wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts vom 19. 12. 2005, KOM(2005) 672, 2.5; mit Verweis auf die Entwicklung zur class action in Europa Molitoris/Klindt, NJW 2008, 1203; für Sammelklagen Tilp/Roth, NJW-aktuell 10/2009, S. XII; Koch, PHI 2001, 2 (8 f.): Sammelklagen sind wirksames Mittel zur Durchsetzung des Verbraucherschutzziels im Produkthaftungsrecht; Hirte, VersR 2000, 148 (149, 154): Sammelklagen sind ein Instrument des Verbraucherschutzes. 229 Vgl. zu deren Schwächen aufgrund der verfahrensrechtlichen Situation in den USA Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (284 f.). 230 Koch, Wirkungsforschung zum Recht III, S. 283 (288 f.) und ders., Festschrift für Reich, S. 845 (859); vgl. auch Grossfeld, RabelZ 1975, 5 (11, 26 f.): bei einer homogeneren, historisch länger und intensiver geprägten Gesellschaft, mit einer höheren Bevölkerungsdichte und mit entwickelten staatlichen Institutionen wie in Deutschland ist Übertragung nicht ausgeschlossen, es sollte aber Zurückhaltung geübt werden. 231 Vgl. hierzu Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (840): „Die gängige Formel des USamerikanischen Rechts zur Abwägung der Höhe von Punitive damages nennt als Proportionalitätsmaßstab Gesichtspunkte, die im deutschen Recht die Höhe des immateriellen Schadens bestimmen.“; ähnlich auch Magnus, S. 233. 232 AL: Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); so auch MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 873 et seq. (Mo. App. 1991); exemplarisch in der deutschen Literatur Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (600); Zekoll, S. 68.
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
I. Die Rechtsnatur von punitive damages Oberflächlich betrachtet legen Begriffe wie „punitive“, „punish“ oder „deter“ die Vermutung einer separaten Privatstrafe nahe, so dass wenige weiterführende Erkenntnisse für die Bestimmung der immateriellen Entschädigung im deutschen Deliktsrecht zu erwarten sind. Für die Frage, ob eine Erhöhung der immateriellen Entschädigung als Folge eines produzentenhaftungsrechtlichen Anspruchs vorzunehmen ist und wie hoch sie sein kann oder sein sollte, ist jedoch eine sorgfältigere Analyse der punitive damages nötig. Wie auch die immaterielle Entschädigung sind punitive damages kein separater Tatbestand, sondern setzen einen materiell-rechtlichen Schadenersatzanspruch nach allgemeinen Grundsätzen voraus.233 Sie sind keine zwingende Rechtsfolge, sondern das beschriebene Ermessen bezieht sich sowohl auf die Notwendigkeit als auch auf die Höhe von punitive damages.234 Da punitive damages in einem zivilrechtlichen Verfahren ausgeurteilt werden und wie jede zivilrechtliche Zahlungspflicht an den Verletzten zu zahlen sind, stellen sie keine Geldstrafe (criminal fine) dar, unterscheiden sich aber vom auf Ausgleich gerichteten Schadenersatzanspruch (compensatory damages, bestehend aus dem Ersatz der nachgewiesenen materiellen und immateriellen Schäden, wie z. B. Ausmaß und Dauer von Schmerzen) dahin gehend, dass dieser Rechtsfolge keine Ausgleichsfunktion zukommt, sondern einer Sanktion des zu verhindernden Schädigerverhaltens dient.235 Die somit auf der Hand liegende 233 MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 874 (Mo. App. 1991); SC: Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 111 (1991); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 14. Relation To Actual Damages; aufgegriffen in der deutschen Literatur von Müller, P., S. 8; Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (849); Schütze, Festschrift für Nagel, S. 392 (395); in den Sekundärquellen zur „bifurcation“ (verfahrensrechtlichen Trennung der Feststellung der Schadenersatzpflicht und der punitive damages) Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 947 (1989). 234 So ausdrücklich WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 301 et seq. (1980); in der Sekundärquellen: Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment d. 235 Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 358 et seq., 362 (2007), diss., Stevens, J., Ginsburg, J.; State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 416 (2003); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 432 (2001); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 16 (1991) mit Verweis auf eine Rechtstradition bis zum Jahre 1852; City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 266 et seq. (1981); Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 349 et seq. (1974); FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 467 (Fla. App. 1981); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 570 (Haw. 1989); MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 874 (Mo. App. 1991); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 961 (N.D.Tex. 1978); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1265 (1976); vgl. zur Abgrenzung in Gesetzen Cal. Civ. Code § 3294 (a); C.R.S. 13 – 21 – 102 (1) (a); O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (c); NRS § 42.005 (1); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (A); SDCL § 21 – 3 – 2; aufgegriffen in der deutschen Literatur Pant, NJW-Editorial Heft 3/2004; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (193); mit Verweis auf Tendenzen einer schadenausgleichenden Funktion Brockmeier, S. 18; Sikora, S. 66; Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (849); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (835); vgl. Frings, S. 27 f. zu Forschungsergebnissen über die tatsächliche Berücksichtigung des Mitverschuldens.
B. Die punitive damages in den USA
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Abgrenzung von punitive damages von der deutschen immateriellen Entschädigung, insbesondere aufgrund des den compensatory damages zugewiesenen Ausgleichs immaterieller Nachteile (ähnlich der deutschen Ausgleichsfunktion und Genugtuung)236, ist zweifelhaft, wenn man berücksichtigt, dass unter „Sanktion“ auch der Ausgleich der wertmäßig nicht bezifferbaren Schäden (wie etwa psychische Beeinträchtigungen, Schmerzen und dgl.), der anderweitig nicht liquidierbaren Verletzungen und der aufgewendeten Rechtsverfolgungskosten, die dem Verletzten nicht zum Nachteil gereichen sollen, wenn er im Interesse der Wiederherstellung des Rechtsfriedens diese zur Rechtsdurchsetzung aufwenden muss, verstanden werden.237 Dabei handelt es sich um Aspekte, die im deutschen Deliktsrecht der Ausgleichsfunktion der immateriellen Entschädigung oder gar dem materiellen Schadenersatz zugeordnet sind.238 Darin erschöpfen sich aber nicht die Gemeinsamkeiten in der Begründung von punitive damages und dem deutschen Deliktsrecht. So weisen Urteilsgründe bei punitive damages als Folge einer Verletzungshandlung durch Presse- oder Medienunternehmen erhebliche Parallelen mit der deutschen immateriellen Entschädigung als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf, da darin auf das Ausmaß, die Art und die Folgen der Verletzungshandlung, das Verschulden und die finanziellen Möglichkeiten des Schädigers abgestellt wird.239 Teilweise wird das Ziel von punitive damages (besonders in der Produzentenhaftung) als Befriedigung des Gefühls der Hilflosigkeit und der Frustration beim Verletzten gegenüber dem bewusst gefährlichen Verhalten des Schädigers beschrieben240, was der Definition der deutschen Genugtuungsfunktion fast wörtlich entspricht. Ähnlich der erhöhten immateriellen Entschädigung als Folge eines Verweigerns des Schadenausgleichs von Seiten eines Versicherers wird in den USA eine Erhöhung der Geldzahlungspflicht zur Vermeidung eines unredlichen finanziellen Vorteils des Versicherers gegenüber dem wirtschaftlich unterlegenen, unwissenden und psychisch durch existentielle Ängste belasteten Verletzten als punitive damages bezeichnet, wenn der Versicherer trotz Kenntnis einer legitimen oder 236 Vgl. zu ähnlichen Erwägungen bzgl. der Vollstreckbarkeit von punitive damages in Deutschland unter dem Blickwinkel des ordre public OLG München RIW 1993, 70 (71); a.A. Zekoll, S. 154 f. 237 Vgl. Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 446 (2001), diss., Ginsburg, J.; HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 fn. 2 (Haw. 1989); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 103 (4th Cir. 1991); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1278, 1296 (1976); aufgegriffen in der deutschen Literatur von Müller, P., S. 14; Brockmeier, S. 17; Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850); Schütze, Festschrift für Nagel, S. 392 (395 f.); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836); a.A. Zekoll, S. 153 f.: „unbedeutenden Annex zu den von Strafe und Prävention geprägten Leitmotiven“. 238 Vgl. die ambivalente Berücksichtigung von psychischen Beeinträchtigungen als Bemessungsfaktor in den compensatory damages und den punitive damages einerseits in State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 426 (2003) und andererseits in CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1146 et seq. (2008). 239 MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 679 (Minn. App. 1991). 240 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1282, 1296 (1976).
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
vertretbaren Leistungspflicht unredlich die Deckung versagt.241 Schlussendlich weisen punitive damages auch prinzipielle Gemeinsamkeiten mit dem auch in Deutschland anerkannten Mehrfachschadenersatz auf (etwa im Fehlen einer zwingenden Deckungsgleichheit von Schaden und Schadenersatz zur Überwindung einer schwierigen oder unmöglichen Beweisführung und im starken Motiv der Gewinnabschöpfung zum präventiven Verhindern derartiger Handlungen in der Zukunft).242
II. Die Funktionen der punitive damages Die Funktion von punitive damages ist kein Ausgleich für einen Schaden des Verletzten, sondern zum einen soll retrospektiv mittels einer schmerzlich fühlbaren Entschädigung gegenüber dem Schädiger ein gesellschaftliches Werturteil mit dem Inhalt abgegeben werden, dass die Handlung moralisch verabscheuungswürdig ist und daher von der Gesellschaft als nicht hinnehmbar angesehen wird (Vergeltungsfunktion – punishment bzw. retribution), und zum anderen soll prospektiv die Gesellschaft vor derartigen Handlungen geschützt werden, indem der Schädiger oder Dritte in einer ähnlichen Situation aufgrund des Entzugs der wirtschaftlichen und wettbewerbsrelevanten Vorteile aus dem schädigenden Verhalten von derartigem Verhalten in Zukunft abgebracht werden (Prävention durch Verhaltensänderung aufgrund Abschreckung– deterrence).243 241 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 426 (2003); Life & Casualty Insurance Co. of Tennessee v. McCray, 291 U.S. 566, 570, 573 (1934); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 913 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1052 (Ala. 1987); CA: Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 394 (Cal. 1978); allgemeiner zur Verzögerung des Schadenausgleichs durch wirtschaftlich überlegene Schädiger WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 662 (1991); Überschneidungen mit der deutschen immateriellen Entschädigung in der deutschen Literatur festgestellt von Müller, P., S. 363; Brockmeier, S. 60; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936); ders., S. 188. 242 Vgl. Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1405 (1993); in der deutschen Literatur Brockmeier, S. 24 f. 243 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 416 (2003); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 432 (2001); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 568 (1996); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 19 (1991); Browning-Ferris Industries of Vermont, Inc. v. Kelco Disposal, Inc., 492 U.S. 257, 297 (1989), diss., O’Connor, J.; Bankers Life & Casualty Co. v. Crenshaw, 486 U.S. 71, 87 (1988), conc., O’Connor, J.; City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 266 et seq. (1981); Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 350 (1974); AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1061 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 47 (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 810 (1981); FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 467 (Fla. App. 1981); GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 311 (Ga. App.1994); Mack Trucks, Inc. v. Conkle, 436 S. E.2d 635, 638 et seq. (Ga. 1993); Hospital Authority of Gwinnett County v. Jones, 409 S. E.2d 501, 502 et seq. (Ga. 1991); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 570 (Haw. 1989); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d
B. Die punitive damages in den USA
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Die retrospektive Vergeltungsfunktion begründet eine starke Vermutung eines Strafcharakters, der im deutschen Recht lediglich in der (seit dem Inkrafttreten des BGB überwiegend abgelehnten) Privatstrafe eine Entsprechung finden könnte. Da sich punitive damages und strafrechtliche Sanktionen darin gleichen, dass beide Rechtsfolgen dem Bedürfnis der Allgemeinheit entsprechen, Genugtuung gegenüber verwerflich Handelnden durch eine Sanktion zu erzeugen244, könnte man sogar der Meinung sein, punitive damages deckten ihrem Wesen nach Rechtsfolgen ab, die im deutschen Recht dem Strafrecht vorbehalten wären. Gegen die letzte Vermutung kann angeführt werden, dass auch in den USA die Nähe zu strafrechtlichen Sanktionen gesehen und beide Rechtsfolgen strikt voneinander getrennt werden.245 Formal unterscheiden sich beide darin, dass die auf eine ausgleichende Gerechtigkeit zwischen Schädiger und Verletzten sowie auf Prävention durch die abschreckende Wirkung der Rechtsdurchsetzung gerichteten pu461, 482 (6th Cir. 2002); MD: Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 715 et seq. (1991); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 678 (Minn. App. 1991); MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 874 (Mo. App. 1991); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987); Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 404 (1961); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 110 (1991); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts § 908, Comment a.; CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 3. Nature and Purpose; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, I. General Consideration; IL: § 735 ILCS 5/2 – 1207 (2011), Case Notes, Analysis, In General; LA: La. C.C. Art. 3546 (2011), Commentary (b); Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 496 (1990); Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 947 (1989); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1265, 1277, 1282 (1976); Legaldefinition im SBLRA Sec. 102 (9); Cal. Civ. Code § 3294 (a); O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (d); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (1); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (A); SDCL § 21 – 3 – 2; vgl. zur Interpretation bei der Anerkennung von Urteilen über punitive damages in Deutschland BGH NJW 1992, 3096 (3102 ff.): daher Verstoß gegen den deutschen ordre public; OLG München RIW 1993, 70 (71): geringerer Maßstab zu ordre public bei der Zustellung von Schriftsätzen; Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5 (8); Pant NJWEditorial Heft 3/2004; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (193); Müller, P., S. 11; Brockmeier, S. 17 f., 31: Bestrafung primär; Schmitz, JuS 1999, 941; Sikora, S. 64; Zekoll, IPRax 1997, 198 (201); Hirte/Otte, VersR 1996, 274 (281): Bestrafung primär; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1937); Zekoll, S. 152, 156: „quasi-Kriminalstrafe im Zivilprozeß (sic)“; Schütze, Festschrift für Nagel, S. 392 (397); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836); Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1397): kritisch zur Wirksamkeit bei Schäden durch Massenprodukte (hier Asbest). 244 Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 432 (2001): „quasi-criminal“; Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 19 (1991); noch deutlicher l. c., 54, diss., O’Connor, J.; Browning-Ferris Industries of Vermont, Inc. v. Kelco Disposal, Inc., 492 U.S. 257, 297 (1989), diss., O’Connor; Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 82 (1971), diss., Marshall, J.; vgl. in den Sekundärquellen Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 948 (1998); Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1405 (1993): Eindringen des strafrechtlichen Vergeltungscharakters gegen den Schädiger („bad for bad“) in das – vom Ersatzprinzip gegenüber dem Verletzten („good for bad“) dominierte – Zivilrecht; vgl. hierzu in der deutschen Rechtsprechung BGH NJW 1992, 3096 (3102). 245 Vgl. WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 322 (1980), diss., Coffey, J.; in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 953 et seq. (1989); in der deutschen Rechtsprechung OLG München RIW 1993, 70 (71): keine Zuordnung zum Strafrecht.
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nitive damages eine finanzielle Maßnahme zum Vorteil des Einzelnen darstellt, während Kriminalstrafen an die Allgemeinheit zu leisten sind und ihre präventive Wirkung durch die Unfähigkeit zu weiterem schädigenden Verhalten entfalten sollen.246 Hinsichtlich compensatory damages wird zwar anerkannt, dass auch diese eine sekundäre präventive abschreckende Wirkung haben können. Wenn jedoch die Pflicht des Schädigers zur Zahlung von compensatory damages jeglichen präventiven Charakter verliert, weil zum einen die schädigende Handlung schwer zu entdecken, zu beweisen oder aufgrund einer nicht klar bestimmbaren Rechtslage ihre Sanktion schwer durchsetzbar oder diese Handlung zum anderen gar deshalb profitabel ist, weil einerseits die compensatory damages niedriger als der mit der schädigenden Handlung verbundene Gewinn ist und andererseits die Rechtsverletzung ohne signifikanten Imageverlust verbunden ist, werden punitive damages als notwendig angesehen, den Schädiger oder einen Dritten in einer potentiell gleichen Situation zukünftig von einem derartigen Verhalten abzuhalten und ihn anzuhalten, Vorkehrungen gegen eine derartige Verletzungshandlung zu treffen.247 Daher werden die präventiven Wirkungen der compensatory damages nur außerhalb von gewerblich-wirtschaftlichen Betätigungsweisen als grundsätzlich ausreichend und darüber hinaus punitive damages als notwendig angesehen.248 Aus diesen Abgrenzungen zu strafrechtlichen und deliktsrechtlichen Rechtsfolgebestimmungen wird die allgemein sekundäre Funktion von punitive damages gegenüber strafrechtlichen Rechtsfolgen, verwaltungsrechtlichen Anordnungen und dem deliktsrechtlichen Schadenersatz zur Erreichung der präventiv-verhaltenssteuernden Zwecke deutlich. Sie sollen diese Rechtsfolgen nicht substituieren, sondern dann ergänzen, wenn die allgemein als notwendig angesehene präventive Abschreckungswirkung und die gesellschaftliche Missbilligung des Verhaltens nicht durch die strafrechtliche Verfolgung des schädigenden Verhaltens, einen hohen kompensatorischen Schadenersatz oder durch strenge regulatorische Vorschriften erreicht werden können.249 Eine zivilrechtliche nichtprognostizierbare Sanktion wird 246 Restatement of the Law, Second, Torts § 908, Comment a.; Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1405, 1428 et seq. (1993). 247 AL: Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1061 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 660 et seq. (1991); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1289 et seq. (1976); in der deutschen Literatur Sikora, S. 65. 248 CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 810 (1981); im Ergebnis auch NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 841 (2nd Cir. 1967); in den Sekundärquellen mit einer intensiven Diskussion der allgemeinen Präventionswirkung im Deliktsrecht Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 877 et seqq. (1998); Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 387 et seq. (1994); Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1405 et seqq. (1993); Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 936 (1989): ausreichende Prävention bei vollständiger materieller Entschädigung des tatsächlichen und potentiellen Schadens. 249 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 19 (1991): „punishment for civil wrongdoing“; Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 74 (1971), diss., Harlan, J.; NV: Republic Insurance Co. v. Hires, 810 P.2d 790, 792 (Nev. 1991); NY: Roginsky v. RichardsonMerrell, Inc., 378 F.2d 832, 840 et seq. (2nd Cir. 1967); in den Sekundärquellen Galanter/
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vor allem bei einer planmäßigen und profitorientierten Gefährdung der Gesundheit der Allgemeinheit zur Erreichung der Präventionswirkung als notwendig angesehen, während bei einem unplanmäßigen, affektorientierten und augenblicksbezogenen Verhalten der strafrechtliche Schutz für eine wirkungsvolle Prävention vor verletzenden Handlungen als ausreichend angesehen wurde.250 Zum gleichen Ergebnis kommen die Vertreter der ökonomischen Analyse des Schadensrechts, die das Präventionserfordernis nicht aus der Abschreckung vor moralisch verwerflichem Verhalten, sondern vielmehr aus dem ökonomischen Ansatz ableiten, dass die Summe der erwarteten ökonomischen Kosten als Folge der Schädigung und die Summe der ökonomischen Vorteile dieser Handlung in Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens saldiert und beim Überwiegen der zweiten Komponente durch eine entsprechende zusätzliche Entschädigung ausgeglichen werden müssen.251 Diese Überlegungen zur sekundären Funktion der punitive damages im Verhältnis zu strafrechtlichen, verwaltungsrechtlichen und deliktsrechtlichen Rechtsfolgen machen deutlich, dass der Schwerpunkt auf der Präventionsfunktion liegt, da nur dann punitive damages (mit ihrer Vergeltungsfunktion) überhaupt in Frage kommen, wenn das öffentliche Interesse an einer präventiv-verhaltenssteuernden Wirkung durch die alternativen primären Rechtsfolgen nicht erreicht werden kann.252 Punitive damages spielen eine besonders große Rolle in der Produzentenhaftung.253 Die zur Durchsetzung der Nachrangigkeit von punitive damages vertretene Auffassung, dass nur in Fällen, in denen der potentielle Schädiger die Gefährlichkeit seines Handelns und die Sanktionen kennt sowie zur Vermeidung der Sanktion willentlich vom gefährlichen Verhalten Abstand nehmen kann (im Gegensatz zum nicht geplanten, nicht beabsichtigten oder aufgrund kognitiver/psychologischer Einschränkungen nicht steuerbaren Verhalten)254, entfaltet in der Produzentenhaftung keine Wirkung, da sowohl die Konstruktion eines Produkts und die mit der Inverkehrgabe verbundenen Instruktionen als auch die Qualitätskontrollen bei der Herstellung auf einer absichtsgesteuerten willentlichen Entscheidung des Herstellers Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1425 et seqq. (1993); Schwartz/ Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485 (1990); mit Anknüpfung an die allgemeinen Ziele einer Bestrafung Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1279 et seqq. (1976). 250 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1295, 1313 (1976). 251 Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 928 et seq., 936 (1989). 252 CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 3. Nature and Purpose. 253 Vgl. die Begründung der Notwendigkeit von punitive damages in Produkthaftungsfällen in AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 47 (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 810 (1981); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 283 (1980); in den Sekundärquellen MUPLA, Analysis, p. 62748; in der deutschen Literatur widersprüchlich Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1937): im Vordergrund präventive Zwecke, aber überwiegend pönale Natur; vgl. auch Schütze, Festschrift für Nagel, S. 392 (397). 254 NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 406 (1961); in den Sekundärquellen Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 383 et seq. (1994); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1283 (1976).
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unter Abwägung der ihm bekannten Gefährlichkeit des Produkts mit den dadurch verursachten Kosten darstellt255. Mehr noch kann der Hersteller besonders häufig finanziell besser dastehen, wenn er die als fehlerhaft bekannten Produkte vermarktet und eventuelle Schadenersatzkosten als Geschäftskosten einkalkuliert, weil er erst dann haftet, wenn sich das in einer Vielzahl von gefährlichen Produkten befindliche rechtswidrige Gefahrenpotential tatsächlich verwirklicht hat (was aufgrund von glücklichen Umständen nicht zwingend ist) und der Verletzte seine Ansprüche erkennt und tatsächlich durchsetzt, so dass er mit einer besonders hohen Wahrscheinlichkeit einer Haftung entgehen kann.256 Gerade in der Produzentenhaftung wird deutlich, dass punitive damages weniger mit einer Vergeltungsfunktion als vielmehr mit der übergeordneten gesamtgesellschaftlichen Schutzfunktion für zulässig erachtet werden.257 Dazu gehören einerseits die verbraucherschützende Intention, den wirtschaftlich denkenden Hersteller in Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit davon abzuhalten, unter rücksichtloser Missachtung der Verbrauchersicherheit willentlich Produkte mit Gefahren für die Gesundheit der Benutzer in den Warenverkehr zu geben und darauf zu spekulieren, dass nichts passiere oder ggf. den – für ihn gegenüber den Kosten für eine höhere Sicherheit kostengünstigeren – Schaden auszugleichen, und andererseits die wirtschaftspolitische Intention, dass sich ein so handelnder Hersteller nicht auch noch gegenüber dem sozial handelnden Hersteller einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft.258 Dem Gegenargument, dass punitive damages aus präventiven Gründen nicht zur vollständigen (oder fast vollständigen) Gefahrenbeseitigung geführt hätten, wird mit Verweis auf Studien entgegengetreten, in denen Verantwortliche in Industrieunternehmen in den USA befragt wurden und aus denen hervorgeht, dass aufgrund der Verurteilung zu punitive damages zur Vermeidung derartiger Zahlungen erhöhte Sicherheitsmaßnahmen – etwa durch personelle, inhaltliche und finanzielle Ausweitung von Forschung und 255
Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 383 et seqq. (1994). AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 47 (Alas. 1979); NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 406 (1961); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 285 (1980); vgl. auch die allgemeinen Erwägungen in Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 73 (1971), diss., Harlan, J.; in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 936 (1989); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1291 et seqq. (1976). 257 Exemplarisch FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1109 (Fla. App. 1983); Detroit Marine Engineering, Inc. v. Maloy, 419 So.2d 687, 693 (Fla. App. 1982); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 271 (1980); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1269 (1976); in der deutschen Literatur Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (851); Rosengarten, S. 70; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (835). 258 AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 47 (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 810 (1981); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 285 et seq. (1980); allgemein zu organisiertem profitorientierten Verhalten NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 406 (1961); in den Sekundärquellen Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1430, 1440 (1993); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1282, 1291 et seqq. (1976); in der deutschen Literatur Schmitz, JuS 1999, 941 (942, 946); Sikora, S. 65; Zekoll, IPRax 1997, 198 (201); Rosengarten, S. 70; Böhmer, PHI 1992, 72 (79); von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (188). 256
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Entwicklung, schnellere Produktmodifikationen bei neuen Gefahrenerkenntnissen und Einbau zusätzlicher Sicherheitstechnologien – ergriffen wurden.259 Das präventive Schutzziel von punitive damages in der Produzentenhaftung wurde mit Verweis auf das Rechtsempfinden der Allgemeinheit und auf die rechtssystematischen Ziele der Produzentenhaftung als derart bedeutend angesehen, dass der deliktische Schadenersatz entsprechend erhöht werden müsse, falls keine punitive damages verhängt werden würden .260 Als weitere – im Rahmen dieser Analyse weniger erhebliche – Funktion wird der zur Bewahrung des Rechtsfriedens wichtige Anreiz zur privaten Rechtsverfolgung zitiert, der dadurch erreicht werden könne, dass der Verletzte seine Rechtsverfolgungskosten nicht entsprechend der American rule aus seinen eigenem Vermögen oder aus dem materiellen Schadenersatz zahlen muss.261
III. Die Haftungssubjekte der punitive damages In der Produzentenhaftung wirft die Anknüpfung von punitive damages an ein Verhalten des – meist als juristische Person organisierten – Herstellers die wichtige Frage auf, auf wessen Verhalten im Konstruktions-, Produktions- und Vertriebsprozess abzustellen ist.262 Falls der Hersteller als juristische Person organisiert ist, wird er nur mittels der für ihn handelnden Menschen tätig (alles andere wäre eine rechtlich sinnfreie Konstruktion, die ein Objekt für menschliches Verhalten sanktionieren würde).263 Bis auf den Sonderfall der Bediensteten des öffentlichen Dienstes, bei denen der öffentliche Arbeitgeber die compensatory damages und ggf. die Bediensteten die 259
Vgl. die umfangreiche Darstellung der Studien in Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 407 et seqq., 422 et seqq. (1994); a.A. Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 955 et seq. (1989). 260 Vgl. NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 841 (2nd Cir. 1967); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 277 (1980) mit Verweis auf einen Fall aus den 1870er Jahren (Bass v. Chicago & N.W. Railway), bei dem der gleiche Sachverhalt dreimal gerichtlich verhandelt und die von der jury zuerkannte Entschädigungssumme in dem Verfahren, in dem keine punitive damages erlaubt waren, genauso hoch war, wie in dem Verfahren mit punitive damages; vgl. auch die Einbeziehung der die Verhängung von punitive damages begründenden Umstände in eine Erhöhung der compensatory damages in NH: Vratsenes v. N.H. Auto, Inc., 112 N.H. 71, 73 (1972). 261 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 591 (1996), conc., Breyer, J.; CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 810 (1981); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 fn. 2 (Haw. 1989); NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 404 (1961); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 289 (1980); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1278, 1287 et seq., 1297 (1976); teilweise abgelehnt von Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 921 et seqq. (1998); in der deutschen Literatur Müller, P., S. 12 f.; Brockmeier, S. 17; Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1937); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836); Zekoll, S. 152. 262 Vgl. Rosengarten, S. 92. 263 Kritisch Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 949 (1998).
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punitive damages aufgrund ihres verwerflichen Verhaltens leisten müssen264, wird das Verhalten der Mitarbeiter dem Unternehmen nach zwei verschiedenen Prinzipien zugerechnet. Die vorherrschende complicity rule nimmt an, dass punitive damages gegenüber dem Unternehmen keine präventiven Wirkungen im Sinne einer Verbesserung des institutionellen Bewusstseins erzeugen, wenn der hinreichend überwachte und disziplinierte einfache Mitarbeiter durch sein exzessives Handeln ohne Wissen, Teilhabe oder Genehmigung des Managements gegen die Interessen des Unternehmens und die Unternehmenspolitik verstößt.265 Daher könne ein Verhalten der Mitarbeiter die Verurteilung zu punitive damages gegen das Unternehmen nur dann rechtfertigen, wenn die Entscheidungsträger des Unternehmens in Abhängigkeit des Grades ihrer Entscheidungsfreiheit im Rahmen der ihnen übertragenen Tätigkeiten die verwerfliche Handlung selbst vorgenommen haben oder in das verwerfliche Verhalten anderer Mitarbeiter im Rahmen der Auswahl oder der Überwachung der Mitarbeiter durch Teilnahme, Anweisung, vorherige Kenntnis, nachträgliche Billigung oder Begünstigung involviert sind.266 Aufgrund der Besonderheiten in der Produzentenhaftung wurde gegen die complicity rule eingewendet, dass die hierfür notwendige Beweisführung (über die hinreichende Entscheidungsfreiheit) die Präventionsziele gefährden könnte, und daraus geschlussfolgert, dass das Verhalten der Mitarbeiter grundsätzlich dem Unternehmen zuzurechnen und der Umstand eines eventuellen exzessiven Verhaltens von einfachen Mitarbeitern in der Höhe der punitive damages reduzierend zu berücksichtigen sei, falls das Management nach Kenntnisnahme des Verhaltens den damit verbundenen Schaden schnell reguliert.267 Diese Auffassung kann als produzentenhaftungsrechtlicher Unterfall der vicarious liability rule angesehen werden, nach der auf die Verwerflichkeit des Handelns jedes Mitarbeiters bei der Ausübung der ihm übertragenen Tätigkeit abzustellen sei, ohne dass es einer Autorisierung oder Billigung durch die Entscheidungsträger des Unternehmens bedürfe, da jeder Mitarbeiter im Rahmen seines Aufgabenbereichs einen exekutiven Teil des Unternehmens dar264
Vgl. City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 263 (1981). NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 842 fn. 18 (2nd Cir. 1967); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1301 (1976); das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Bemessung von punitive damages im Rahmen der Verwerflichkeit eines individuellen Verhaltens abgelehnt von Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 953 et seq. (1998), da keine Abhängigkeit der betriebsinternen präventiven Maßnahmen von der Höhe der punitive damages. 266 CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 813 et seq. (1981); IL: Lipke v. Celotex Corp., 505 N.E.2d 1213, 1219 (Ill. App. 1987); NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 842 (2nd Cir. 1967); PA: Funk v. Kerbaugh, 222 Pa. 18, 19 (1908); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 10. Who May Be Liable-Principals; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1300 (1976); Legaldefinition in Ala. Code § 6 – 11 – 27 (a); Cal. Civ. Code § 3294 (b); Fla. Stat. § 768.73 (1) (b), (2) (a); K.S.A. § 60 – 3701 (d); KRS § 411.184 (3); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 2; N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (8); ORC § 2315.21 (C); in der deutschen Literatur Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (857); Rosengarten, S. 93 f. 267 MUPLA, Analysis, p. 62749. 265
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stellt.268 Mit dieser Haftung des Unternehmens für das verwerfliche Verhalten der Mitarbeiter im Produktions- und Vertriebsprozess – in der Regel – ohne Entlastungsmöglichkeit sollen die Unternehmen zur besonderen Sorgfalt bei der Auswahl und der Überwachung der Mitarbeiter und zur Vermeidung der Delegierung von wichtigen Entscheidungen auf untergeordnete Angestellte motiviert werden.269 Vereinzelt wurde die Zulässigkeit von punitive damages gegen Unternehmen mit der Begründung abgelehnt, dass diese nicht präventiv wirken können, da die tatsächlich verwerflich handelnden Personen in den Unternehmen entweder nicht sanktioniert werden (können) oder die innerbetriebliche Sanktion nicht von den punitive damages beeinflusst wird.270 Auch seien punitive damages kontraproduktiv zu den Zielen der strict products liability, da das Anknüpfen der Höhe von punitive damages an das Verhalten und die sonstigen Umstände in der Person des tatsächlich Handelnden die finanziell potenteren Endprodukthersteller dazu veranlassen könnte, die Herstellung an finanziell weniger potente Firmen auszulagern, um die mit den billigeren Teilprodukten verursachten höheren Produktrisiken und damit das Risiko der Verurteilung zu punitive damages zu Lasten der Verbraucher auf diese zu verlagern.271 Diese Kritik hat sich im Ergebnis nicht durchsetzen können.
IV. Die Beweislast zur Erlangung von punitive damages Wie bei jeder Entschädigungsleistung zugunsten des Verletzten darf über das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen der punitive damages in der Gerichtsentscheidung nicht nur spekuliert werden, sondern nach den allgemeinen Beweislastregeln müssen diese vom Kläger mit hinreichender Sicherheit bewiesen werden.272 Bei der Bestimmung des Beweismaßstabs wird berücksichtigt, dass es sich bei punitive damages zwar um eine zivilrechtliche Entschädigung handelt, jedoch ohne Ausgleichsfunktion und dafür mit einer Sanktionswirkung.273 Punitive damages werden zwischen compensatory damages mit reinem schadenausgleichenden Charakter und der mit einer stigmatisierenden Sanktion verbundenen Kriminalstrafe eingeordnet, so dass der Maßstab eines hinreichenden Beweises im Sinne des clear and convincing evidence höher als bei compensatory damages (preponderance of the 268
OH: Gillham v. The Admiral Corp., 523 F.2d 102, 108 (6th Cir. 1975); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1301 (1976); in der deutschen Literatur Brockmeier, S. 5; Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (857); Rosengarten, S. 94 f. 269 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1301 (1976); in der deutschen Literatur Rosengarten, S. 95. 270 So Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 950 (1998). 271 Vgl. Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 944 et seq. (1998). 272 Exemplarisch NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 12; in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 5. Circumstances Affecting Recovery-Motive or Intention. 273 MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 469 (1992).
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evidence) und niedriger als bei Straftaten (beyond reasonable doubt) liegt.274 Dieser Maßstab ist erfüllt, wenn die behauptete Tatsache in höchstem Grade wahrscheinlich ist, weil die Präsentation der Beweise zu einem so festen Glauben oder einer so festen Überzeugung führte, dass ohne Zögern das Vorliegen der behaupteten Tatsache bestätigt werden würde.275
V. Der Ausschluss von punitive damages in einigen Rechtsordnungen „(…) we believe that the doctrine of punitive damages is unsound in principle, and unfair and dangerous in practice, (…).“276 Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer (… wir glauben, dass das Rechtsprinzip der punitive damages widersprüchlich in der Theorie sowie unfair und gefährlich in der Praxis ist, …)
In einigen Rechtsordnungen werden punitive damages neben compensatory damages entweder ganz abgelehnt oder nur dann zusätzlich zu compensatory damages verhängt, wenn dafür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung vorliegt.277 Zur 274
HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 573 et seq. (Haw. 1989); MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 469 (1992); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 680 (Minn. App. 1991), diss., Crippen, J.; NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 843, 850 et seq. (2nd Cir. 1967); SC: Jimenez v. Daimler Chrysler Corp., 269 F.3d 439, 450 (4th Cir. 2001); Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 299 et seq. (1980); vgl. auch die sehr bildliche Begründung der weniger strikten Beweisanforderungen in TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 963 (N.D.Tex. 1978): „Demanding strict proof will reduce the hazard of deterrence slipping into destruction to those cases of conduct so egregious as to have little equitable appeal. If a manufacturer’s conduct has indeed been so callous, its plight warrants no sympathy and such cases will not implicate the concerns that spring from a more lax application of the Texas requirement of proof.“; in den Sekundärquellen MN: Minn. Stat. § 549.20 (2010), Case Notes No. 33; Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 490, 496 (1990); gesetzliche Festlegungen im SBLRA Sec. 103 (a); Ala. Code § 6 – 11 – 20 (a); Alas. Stat. § 09.17.020 (b); Cal. Civ. Code § 3294 (a); O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (b); Idaho Stat. § 6 – 1604 (1); Iowa Code § 668 A.1 (1) (a); K.S.A. § 60 – 3701 (c); KRS § 411.184 (2); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 1 (a); MCA § 27 – 1 – 221 (5); NRS § 42.005 (1); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (1); ORC § 2307.80 (A), § 2315.21 (D) (4); Okla. Stat. § 23 – 9.1.; ORS § 31.730 (1); SC Code § 15 – 33 – 135; Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (1) (a); in der deutschen Literatur Sikora, S. 62 f.; Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (856 f.). 275 SC: Jimenez v. Daimler Chrysler Corp., 269 F.3d 439, 450 (4th Cir. 2001); legal definiert im Ala. Code § 6 – 11 – 20 (4); MCA § 27 – 1 – 221 (5). 276 WA: Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer, 25 P. 1072, 1075 (Wash. 1891). 277 Vollständig ablehnend MI: McAuley v. General Motors Corp., 457 Mich. 513, 519 et seq. (1998); Veselenak v. Smith, 414 Mich. 567, 572 (1982); NE: The State of Nebraska ex rel. John D. Cherry, M.D. v. Judge Burns, 258 Neb. 216, 226 (1999); Miller v. Kingsley, 194 Neb. 123, 124 (1975); Abel v. Conover, 104 N.W.2d 684, 688 (Neb. 1960); NH: Vratsenes v. N.H. Auto, Inc., 112 N.H. 71, 73 (1972); WA: Dailey v. North Coast Life Insurance Co., 129 Wn.2d 572, 574 (1996); an gesetzliche Ermächtigungen anknüpfend LA: Philippe v. Browning Arms Co.,
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Begründung dieser Einschränkung wird zum einen rechtssystematisch argumentiert, dass die präventive Verhaltenssteuerung und der Schutz der Allgemeinheit allein dem vom Staat bestimmten Strafrecht vorbehalten sei, während dem Privatrecht mit dessen Gerichtsbarkeit allein der vollständige Ausgleich des verursachten Schadens zugeordnet ist.278 Dies gelte umso mehr, als die im Strafverfahren zum Wohle der Allgemeinheit geltenden höheren Beweisanforderungen, die strafrechtlichen Verfassungs- und Rechtsprinzipien und die verfahrensrechtlichen Garantien sowie die gesetzliche Begrenzung des Strafmaßes nicht mittels der gesetzlich nicht begrenzten und in einem zivilrechtlichen Verfahren verhängten punitive damages zugunsten eines vollständig für seine Schäden kompensierten Einzelnen umgangen werden dürften.279 Zum anderen wird teleologisch argumentiert, dass punitive damages eine dem Deliktsrecht widersprechende ungerechtfertigte Bereicherung (windfall) über die tatsächlich erlittenen negativen Folgen hinaus sind.280 Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass compensatory damages – im Unterschied zu früheren Zeiten (als punitive damages erstmalig verhängt wurden) – alle erlittenen und zukünftigen körperlichen Gesundheitsschäden und Schmerzen sowie mentale und emotionale Verletzungsfolgen (psychische Leiden, Verlust der Lebensfreude, körperliche Verunstaltung, sonstige Unbequemlichkeiten, Trauer, Angst, Demütigungen, seelische Belastungen) – inklusive der ehrverletzenden Folgen wie Beleidigungen, Scham, Demütigung, Verlust an Reputation und sozialem Standing, Gefährdung der Kreditwürdigkeit – vollständig abdecken.281 Für die weitere Analyse ist jedoch ent375 So.2d 151, 157 (La. App. 1979); Killebrew v. Abbott Laboratories, 359 So.2d 1275, 1278 (La. 1978); MA: Pine v. Rust, 404 Mass. 411, 415 (1989); City of Lowell v. Massachusetts Bonding and Insurance Co., 47 N.E.2d 265, 272 (Mass. 1943); vgl. die Übersichten in den Sekundärquellen Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1407 fn. 62 (1993); Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 955 fn. 94 (1989); zu gesetzlichen Ermächtigungserfordernissen La. C.C. Art. 3546; RSA 507:16; vgl. die Übersicht in der deutschen Literatur in Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850 f.) und Mörsdorf-Schulte, S. 10. 278 WA: Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer, 25 P. 1072, 1074 (Wash. 1891); mit Blick auf mehrmalige Bestrafung im Ergebnis ähnlich WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 328 (1980), diss., Coffey, J. 279 NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 408 (1961), diss., van Voorhis, J.; WA: Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer, 25 P. 1072, 1074 (Wash. 1891); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 328, 330 (1980), diss., Coffey, J.; Kritik aufgegriffen und abgelehnt HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 fn. 3 (Haw. 1989). 280 Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 74 (1971), diss., Harlan, J.; MI: McAuley v. General Motors Corp., 457 Mich. 513, 520 (1998); Veselenak v. Smith, 414 Mich. 567, 576 et seq. (1982); WA: Dailey v. North Coast Life Insurance Co., 129 Wn.2d 572, 574 (1996); Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer, 25 P. 1072, 1074 (Wash. 1891); Kritik aufgegriffen und abgelehnt HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 fn. 3 (Haw. 1989). 281 MI: Veselenak v. Smith, 414 Mich. 567, 572 et seqq. (1982); NH: Vratsenes v. N.H. Auto, Inc., 112 N.H. 71, 73 (1972); WA: Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer, 25 P. 1072, 1074 (Wash. 1891); vgl. zur Berücksichtigung von gegenwärtigen und zukünftigen immateriellen Schäden State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 426 (2003); CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1138 et seq., 1141, (2008); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment c.; LA: La. C.C. Art. 3546 (2011), Commentary (b); vgl. in der Gesetzgebung MUPLA Sec. 118,
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scheidend, dass diese Rechtsordnungen die – zu punitive damages führenden – Umstände entschädigungserhöhend im Rahmen der compensatory damages mittels der Annahme zusätzlicher emotionaler Schmerzen aufgrund des besonders schuldhaften Verhaltens berücksichtigen.282
VI. Die punitive damages in der kritischen Diskussion Ausgehend von der sekundären Bedeutung der punitive damages wurde deren Erforderlichkeit in der Produzentenhaftung bestritten. Zur Verbesserung der Produktsicherheit müsse der Einsatz moralischer Prinzipien oder die mit dem drohenden Imageverlust verbundenen eigennützigen Erwägungen des Herstellers stärker beachtet werden.283 Um den Zweck der punitive damages zu erreichen, dass die mit einem besonders gefährlichen Produkt verbundenen Einsparungen geringer sind als die finanziellen Nachteile, die mit der Inverkehrgabe dieses Produktes verbunden sind, müsse vielmehr die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen und der Umfang der compensatory damages durch die Anpassungen des materiellen Rechts (strict products liability) und des Verfahrensrechts sowie durch die Verbesserung des Informationsstands der Verbraucher und deren Prozessvertreter mittels aufsichtsrechtlicher Maßnahmen staatlicher Behörden erhöht werden.284 Personell besser ausgestattete Behörden mit weiterreichenden rechtlichen Befugnissen könnten durch ein staatliches Regulierungs-, Melde- und Testsystem wirkungsvoller die Hersteller zum gefahrenvermeidenden Handeln drängen, indem über reine Geldzahlungsverpflichtungen hinaus mit einer Vielzahl weiterer allgemein verbindlicher oder einzelfallbezogener Instrumente (wie mittels Kriminalstrafen, Warnungen, behördlicher oder gerichtlicher Rückrufe) eine Verschlechterung des Firmenimages und der Bilanzen verursacht wird.285 Um die tatsächlich handelnden Personen von einem gefährlichen Verhalten abzuhalten, müsse im Rahmen der Haftung für gefährliches Handeln durch Anreize, Nutzung von Marktmechanismen, regulatorische Maßnahmen und Verbreitung moralischer Prinzipien der allen Menschen eigene Selbsterhaltungstrieb genutzt werden.286 Punitive damages seien daher nur in wenigen Ausnahmefällen erforderlich, in denen das Strafrecht keine hinreichende Genugtuung für den Verletzten und die Gesellschaft erreichen kann, in denen absichtlich die Ehre oder das Eigentum verletzt mit der Erwartung von präventiven Wirkungen gegenüber dem Hersteller, so l. c., Analysis, p. 62746; in der deutschen Literatur Buchner, VersR 2003, 1203 (1206). 282 NH: Vratsenes v. N.H. Auto, Inc., 112 N.H. 71, 72 et seq. (1972). 283 Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 382 (1994); Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 959 (1989). 284 Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 956 et seqq. (1989). 285 Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 651 et seqq. (1985). 286 Vgl. die Überlegungen in City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 269 et seq. (1981); in den Sekundärquellen Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 560 et seqq. (1985); die Vorschläge aufgreifend Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 382 (1994).
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wird287 oder in denen die den compensatory damages innewohnende präventive Wirkung entfällt bzw. abgeschwächt ist (etwa weil der Schädiger seiner Haftung – zumindest teilweise – entgeht und die Marktmechanismen nicht wirken, weil der Verletzte vor dem Kontakt mit dem Schädiger keine hinreichenden Informationen über dessen Verhalten hat und daher sein Verhalten nicht darauf abstellen kann288). Gegen punitive damages in der Produzentenhaftung wurde auch ihre angebliche volkswirtschaftliche Schädlichkeit eingewendet, da diese: 1. entweder über die Verkaufspreise von dem eigentlichen Schutzsubjekt zu zahlen sind oder, falls die Refinanzierung über die Verkaufspreise nicht möglich ist, zu Arbeitsplatzverlusten, auch bei Zulieferern, führen289, 2. die Hersteller von der Inverkehrgabe von zwar potentiell gefährlichen, aber gesellschaftlich nützlichen und gewünschten Produkten abhalten könnten, auch weil der Hersteller unfairen Haftungsprozessen mit entsprechenden Kosten ausgesetzt wird, und 3. zu weiterem schädlichen Verhalten motivieren könnten (etwa aus Furcht vor punitive damages zu exzessiven Produktwarnungen verbunden mit der Gefahr des Ignorierens von jeglichen – wichtigen – Warnungen, bei offenen Haftungsverfahren zum Unterlassen der Weiterleitung wichtiger Informationen für die Verbesserung der zukünftigen Sicherheit und zum Nichtergreifen von möglichen Sicherheitsmaßnahmen, zum aggressiven Ablehnen des Schadenausgleichs durch Hersteller und Versicherer sowie zur Vermeidung interner Dokumente oder identifizierender Bezeichnungen an Produkten).290 Auch sei es rechtspolitisch unerwünscht, wenn mittels punitive damages vermeintliche Verletzte zur unfairen Prozessführung bzw. zur Durchführung von Verfahren ohne Aussicht auf Erfolg motiviert werden oder wenn der Hersteller zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens mit dem Risiko der Verurteilung zu punitive
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Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 660 et seq. (1985); in der deutschen Literatur auf den Vorrang des Strafrechts verweisend Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836). 288 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 874, 928, 934 et seqq., 945 et seqq. (1998). 289 Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 410 (1994) zur gesellschaftspolitischen Nützlichkeit preissteigernder Wirkungen, um den Nutzer des Produkts mit einem höheren Preis an der Gefährlichkeit partizipieren zu lassen, den Gebrauch des Produkts einzuschränken oder gar Hersteller, Produkte oder Produktgattungen vom Markt zu verbannen; Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 882 (1998): im Rahmen der ökonomischen Analyse des Schadensrechts sind die Verletzungskosten in die Produktionskosten einzubeziehen, um den Hersteller zur Inverkehrgabe optimal sicherer Produkte zu motivieren. 290 WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 325, 327 (1980), diss., Coffey, J.; in den Sekundärquellen Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 581 et seqq. (1985); Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 410 (1994): im Produkthaftungsrecht ist auf den Einzelfall abzustellen, ob unsichere Produkte gerade aus dem Warenverkehr verbannt werden sollen.
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damages – mit dem Ergebnis der Refinanzierung über die Verkaufspreise zu Lasten aller Verbraucher – gedrängt wird, ungerechtfertigte Forderungen zu begleichen.291 Vereinzelt wurde bestritten, dass punitive damages insbesondere in der Produzentenhaftung überhaupt eine präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung haben.292 Im Wesentlichen konzentriert sich diese Kritik auf die folgenden Argumente: 1. Um den Adressaten mittels der drohenden Zahlungspflicht zukünftig zu rechtskonformen Handeln zu veranlassen, müssten punitive damages vorhersehbar sein, was sie jedoch aufgrund der Komplexität, Nichterkennbarkeit und Unvorhersehbarkeit der in den Einzelstaaten unterschiedlichen und sich ständig ändernden Rechtslage sowie der auf Überzeugung von Laien gerichteten Gerichtsverfahren nicht sind.293 2. Punitive damages können das zukünftige Verhalten der Adressaten nicht beeinflussen, wenn diese die finanziellen Wirkungen nicht spüren, weil sie entweder diese Zahlungen gar nicht leisten oder die Zahlungspflicht auf andere (auf die Kunden über die Produktpreise, auf Haftpflichtversicherer) übertragen können.294 Das Gegenargument der angeblichen Präventionswirkung höherer Versicherungsprämien als Folge der punitive damages könne an dieser Feststellung nichts ändern, da Prämien lediglich durchschnittliche Kalkulationsberechnungen über lange Zeitspannen mit zusätzlichen überlagernden anderweitigen Faktoren widerspiegeln und mangels individueller Prämienkalkulation auch die nicht verwerflich handelnden Marktteilnehmer treffen.295 3. Die Entscheidung über die Konstruktion, Herstellung und den Vertrieb des Produkts erfolgt durch die verantwortlichen Personen aufgrund anderer Anreize 291 WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 329 et seqq. (1980), diss., Coffey, J.; vgl. bzgl. punitive damages aufgrund eines verzögerten Regulierungsverhaltens von Versicherungen AL: Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1058 (Ala. 1987), conc., Maddox, J.; CA: Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 408 (Cal. 1978), diss., Richardson, J.; in der Sekundärquellen Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 922 (1998). 292 Kritik aufgegriffen und abgelehnt HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 fn. 3 (Haw. 1989). 293 Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 565 et seqq. (1985); auf die Unvorhersehbarkeit von punitive damages abgestellt in Bankers Life & Casualty Co. v. Crenshaw, 486 U.S. 71, 87 (1988), conc., O’Connor, J.; Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 350 (1974); Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 82 et seqq. (1971), diss., Marshall, J.; dagegen mit Verweis auf die Rechtsmittelinstanzen Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 396 et seq. (1974), diss., White, J.; in der deutschen Literatur Frings, S. 20, 23; Zekoll, NJW 1999, 2163 (2165); Böhmer, PHI 1992, 72 (78); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836). 294 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 952 (1998); Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 571 et seqq. (1985); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1260, 1299 (1976); in der deutschen Literatur Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836). 295 NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 841 (2nd Cir. 1967); in den Sekundärquellen mit vielen Einzelfällen Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 576 et seqq., 609 (1985); in der deutschen Literatur Frings, S. 19: punitive damages sind eine Bedrohung für das gesamte Versicherungswesen.
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(wie die kurzfristige Steigerung des Profits und des Budgets) und nicht aufgrund der drohenden punitive damages, da diese viel später entstehen könnten (also zu einem Zeitpunkt, zu dem diese Person das Unternehmen bereits verlassen haben könnte) und eher als Freikauf für das gefährliche Handeln angesehen werden.296 4. Punitive damages werden nur in Gerichtsverfahren verhängt, so dass gerade bei den schwerwiegendsten Verletzungen mit der höchsten rechtspolitischen Notwendigkeit präventiver Einflussnahme auf den Schädiger keine präventive Wirksamkeit von punitive damages zu erwarten ist, da der Verletzte in solchen existentiellen Fällen (in Abwägung der ihm bekannten möglichen Ansprüche und der Beweislage sowie in Abhängigkeit seiner Motivation zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens aufgrund des Schadensumfangs, seiner Abneigung gegen Gerichtsverfahren und der anderweitigen ihm offen stehenden Kompensationsquellen) auf einen schnellen außergerichtlichen Schadenausgleich – und damit ohne punitive damages – angewiesen ist.297 5. Empirische Untersuchungen mit Laienjuroren und Jurastudenten haben darauf hingewiesen, dass das Verhalten des Schädigers als signifikante Erwägung für die ausgeurteilte Entschädigungshöhe angesehen wurde und dass dies – soweit die Wahrscheinlichkeit der Schadensentdeckung überhaupt berücksichtigt wurde – meist über die Beurteilung der Verwerflichkeit des Schädigerverhaltens erfolgte, ob er die Tat im Verborgenen begangen hat, so dass tatsächlich nicht die optimale präventive Abschreckung, sondern die Vergeltung die Höhe der punitive damages bestimmte.298 Dagegen ist die rechtspolitische Notwendigkeit von punitive damages in den meisten Rechtsordnungen zur Erreichung der präventiven Zwecke der Produzentenhaftung allgemein anerkannt. Gegen die alternativen Vorschläge der Erreichung gleicher präventiv-verhaltenssteuernder Wirkungen durch stärkere strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen wurde vorgebracht, dass strafrechtliche Normen in der Produzentenhaftung keine hinreichende präventive Wirkung entfalten können, da (ähnlich der deutschen Rechtslage) die Jurisdiktion über die persönliche finanzielle Inanspruchnahme von Individuen ausgeübt wird, während Hersteller, die (meist) als Personen- oder gar Kapitalgesellschaften organisiert sind, entweder überhaupt nicht vom Strafrecht erfasst werden oder die strafrechtliche Sanktion gegenüber dem hochprofitablen Unternehmen wirkungslos ist.299 Die Ineffektivität 296 So die Kritik in Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 568 et seq. (1985); Abel, 73 Cal. L. Rev. 1003, 1005 (1985): bei einem rationalen Abwägen durch den Hersteller liegt der Vorteil in der Verfolgung des riskanten Handelns. 297 Abel, 73 Cal. L. Rev. 1003, 1012 et seqq., 1018 (1985); Sugarman, 73 Cal. L. Rev. 555, 569 (1985). 298 Sunstein/Schkade/Kahneman, 29 J. Legal Studies 237, 241 et seqq., 249 (2000). 299 CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 810, 820 (1981); in den Sekundärquellen Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1426, 1440 et seqq. (1993); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1288 et seqq. (1976); mit anderer Begründung Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 874, 928 (1998): die Notwendigkeit von punitive damages ist nicht an der Prä-
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staatlicher verwaltungsrechtlicher Sicherheitsnormen (die noch nicht einmal die strict products liability begrenzen können)300 kann an der eingeschränkten Wirksamkeit selbst umfangreicher und detaillierter administrativer Maßnahmen – wie dem TREAD Act – deutlich gemacht werden. Der TREAD Act bestimmt als Reaktion auf eine Verschleppung des Rückrufs von gefährlichen Reifen durch Bridgestone/ Firestone und Ford in den Jahren 1999/2000 erhebliche Meldepflichten bei ausländischen Rückrufaktionen, spezielle Sanktionen beim Verkauf von Produkten, die im Rahmen einer Austauschaktion ausgebaut wurden, Maßnahmen zur Beschleunigung von Rückrufaktionen und strafrechtliche Sanktionen bei Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Pflichten und beauftragt die zuständige Kraftfahrtbundesbehörde, ein Verwaltungsverfahren mit regelmäßigen Meldepflichten der Hersteller zur Sicherstellung eines lückenlosen Frühwarnsystems für etwaige Produktprobleme ergänzt mit zivil- und strafrechtlichen Sanktionen aufzustellen.301 Dies hat jedoch Kraftfahrzeughersteller auch nach dem Jahre 2002 nicht davon abgehalten, auf Kosten der Gesundheit der Produktnutzer und Dritter gefährliche Produkte in den Warenverkehr zu bringen oder die erkannte Gefährlichkeit des Produkts zu verschleiern, um profitgefährdende Rückrufaktionen und Imageverluste mit Nachteilen im Marktwettbewerb zu vermeiden.302 Dem angeblichen Fehlen einer präventiven Wirkung der punitive damages in der Produzentenhaftung wurde entgegengehalten, dass die mit den punitive damages verbundene Gewinnverringerung die Aktionäre als Risikoträger des Unternehmens veranlassen könnte, das Unternehmen stärker zu kontrollieren und die zuständigen Hierarchieebenen zur Inverkehrgabe sicherer Produkte zu veranlassen, dass höhere Versicherungsprämien oder zukünftige Leistungsausschlüsse in Haftpflichtversicherungen den rechtspolitisch gewollten präventiven Abschreckungseffekt haben können und dass unter Marktbedingungen die Abwälzung der Kosten auf die Verbraucher nicht immer möglich ist.303 Einschränkungen hinsichtlich der Erforderventionswirkung, sondern an der – dem Ausgleichsgedanken zugehörigen – Möglichkeit eines Entgehens von der Haftung festzumachen; a.A. WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 327 et seq. (1980), diss., Coffey, J., und Rechtsordnungen, in denen punitive damages nicht allgemein anerkannt sind, vgl. die Urteilsgründe in LA: Philippe v. Browning Arms Co., 375 So.2d 151, 157 (La. App. 1979); NH: Vratsenes v. N.H. Auto, Inc., 112 N.H. 71, 73 (1972); WA: Dailey v. North Coast Life Insurance Co., 129 Wn.2d 572, 574 (1996). 300 A.A. WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 327 et seq. (1980), diss., Coffey, J. 301 Hierzu ausführlich Grote/Holweg/Adolf, VW 2002, 16. 302 Vgl. den Zündschlossfall bei Fahrzeugen von General Motors aus den Jahren 2003 bis 2011, Handelsblatt online, 16. 12. 2014 („GM gibt mehr Todesfälle zu“). 303 WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 287 et seq., 291 (1980); einschränkend zur Legitimität der Betroffenheit von Aktionären NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 841 (2nd Cir. 1967); in den Sekundärquellen im Ergebnis zustimmend unter Berücksichtigung der Einflussmöglichkeit nach den Gesellschaftsanteilen Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 951 et seq. (1998); einschränkend auf ein planmäßiges profitorientiertes deliktisches Verhalten (z. B. eines Herstellers) im Gegensatz zum unplanmäßigen deliktischen Verhalten (z. B. eines betrunkenen Autofahrers) Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 382 et seqq. (1994) und Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1304 et seq., 1308, 1313 (1976); vgl. in der deutschen
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lichkeit, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit erfahren punitive damages durch Abwägungen mit Freiheitsrechten. So wird – im Gegensatz zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Medienunternehmen in Deutschland – bei Verleumdungsklagen in den USA der Schutz der Pressefreiheit viel höher eingeschätzt, was ein gesellschaftliches Interesse an punitive damages ausschließt.304 Für punitive damages soll auch jegliche Grundlage entfallen, falls durch diese die Balance zwischen den Interessen des Einzelnen und den Interessen der Gemeinschaft gefährdet wird, etwa weil negativ auf die finanziellen Grundlagen des Staates oder auf die Interessenwahrnehmung für die Gemeinschaft durch die staatlichen Repräsentanten eingewirkt wird305, oder falls die abschreckende Wirkung aufgrund der de jure unbegrenzten Einnahmequelle aus dem Steuererhebungsprivileg nur durch eine – bezogen auf den am Ende mit höheren Steuern oder Einschränkungen in den öffentlichen Leistungen belasteten Steuerzahler – unbillige Entschädigungssumme erreicht werden kann.306 Die gesamte Diskussion macht deutlich, dass es essentielle Grundlage für punitive damages in der Produzentenhaftung ist, den Hersteller zur Inverkehrgabe von möglichst sicheren Produkten zu motivieren, indem es dem Hersteller mit Blick auf die Höhe der potentiell drohenden Zahlungspflicht bei einer Verkehrspflichtverletzung unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit des Entdeckens der rechtswidrigen Gefährlichkeit und der Motivation des Verletzten zur Durchsetzung der Schadenersatzansprüche als ökonomisch effizienter erscheint, die von der Rechtsordnung geforderten Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, als das Produkt zwar billiger, aber auch gefährlicher herzustellen und die damit verbundenen Schadenersatz- und Entschädigungszahlungen zu leisten.307 Da für eine auf Gefahrenprävention gerichtete verhaltenssteuernde Funktion der Entschädigung, den Hersteller zukünftig mittels ökonomischer Zwänge zu einer sorgfältigeren Entscheidung über die Konstruktion, den Herstellungsprozess und den Vertrieb des Produkts anzuhalten, nur das Verhalten des Herstellers einen tauglichen Anknüpfungspunkt zur Bemessung eines erhöhten Geldbetrages darstellen kann, reicht eine objektbezogene un-
Literatur Zekoll, S. 155 f.: die Auswirkungen der Versicherbarkeit auf die Straf- und Abschreckungsfunktion sind aufgrund der besonderen Umstände in den USA unwesentlich. 304 Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 350 (1974); Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 84 (1971), diss., Marshall, J.; den totalen Ausschluss ablehnend Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 73 (1971), diss., Harlan, J. 305 International Brotherhood of Electrical Workers v. Foust, 442 U.S. 42, 48 et seqq. (1979); diese Entscheidung für allgemeine Erwägungen aufgreifend Bankers Life & Casualty Co. v. Crenshaw, 486 U.S. 71, 88 (1988), conc., O’Connor, J.; einschränkend International Brotherhood of Electrical Workers v. Foust, 442 U.S. 42, 60 (1979), conc., Blackmun, J. 306 City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 263, 267, 270 et seq. (1981). 307 WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 285 et seq. (1980); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1286 (1976); im Wesentlichen zustimmend mit der Betonung eines moralischen Moments in der Verhängung von punitive damages Galanter/ Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1430, 1447 et seqq., 1449 (1993).
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angemessene Gefährlichkeit des Produkts (strict products liability) nicht aus.308 Ansonsten wären punitive damages lediglich Herstellungskosten, die über den Verkaufspreis vom Verbraucher zu tragen sind und die sogar die Gesamtheit der Hersteller zur Vermeidung einer Haftung veranlassen könnten, Produktgefahren nicht zu erforschen.309 Die strict products liability und punitive damages der Produzentenhaftung haben aber einen Berührungspunkt in der Weise, dass die interessen- und motivgelenkte Abwägung bei der Entscheidung über die Spezifikation der Produktsubstanz mittels der zu bewertenden Umstände einerseits in der strict products liability die (objektive) Fehlerhaftigkeit des Produkts und andererseits bei der Frage nach punitive damages die subjektive moralische Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der Handlung, die nicht das Ergebnis einer Subsumtion eines Sachverhalts unter einen legal definierten absoluten Rechtstatbestand ist310, bestimmt. Der Abwägungsmaßstab ist jedoch nicht deckungsgleich, da ein Anspruch in der strict products liability bereits dann begründet sein soll, wenn unter Beachtung der gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit, die Bevölkerung mit modernen und innovativen Massenprodukten zu versorgen, die Gefährlichkeit des Produkts dessen Nützlichkeit in Bezug auf die Produktnutzer überwiegt, während zur Bestimmung von punitive damages die Abwägung im Interesse der Menschen und der Gesellschaft als Ganzes zu justieren ist, dass das Deliktsrecht sowohl effizient ist als auch mit ökonomischen Erwägungen den gesellschaftlichen Interessen am Schutz des Lebens und der Gesundheit dient.311 Da es einerseits bei punitive damages nicht um einen Schadenausgleich geht und um andererseits dem allgemeinen gesellschaftlichen Bedürfnis zu genügen, dass aus moralischen Gründen das vom Hersteller an den Tag gelegte Verhalten zukünftig verhindert wird, kommt es für die Notwendigkeit der Verurteilung zu punitive damages weniger auf die subjektive Handlungsintention des Schädigers in der konkret schädigenden Handlung an (auch wenn dies ein Faktor ist), 308
FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1109 et seq. (Fla. App. 1983); NJ: Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 484 et seq. (D.N.J. 1982); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 271, 275 (1980); Drake v. Wham-O Mfg. Co., 373 F. Supp. 608, 611 (E.D.Wis. 1974); vgl. aber hinsichtlich der rechtlichen Probleme, wenn die verschuldensunabhängige strict products liability und die zur Begründung von punitive damages notwendige negligence in einem Gerichtsverfahren verhandelt werden, TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 961 et seq.(N.D.Tex. 1978); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1269 (1976): im Rahmen der strict products liability ist allein auf die Kompensation abzustellen; in der deutschen Literatur Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (851); Rosengarten, S. 70; missverständlich verkürzend Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (835). 309 NJ: Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 484 (D.N.J. 1982). 310 Vgl. exemplarisch die Urteilsgründe in BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 575 et seq. (1996). 311 Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 953 (1989): entweder auf das Bewusstsein des Herstellers abzustellen, dass der Nutzen der gewählten Konstruktion deren Gefährlichkeit weit unterlegen ist, oder auf den Umstand abzustellen, dass die Einschätzung des Herstellers zugunsten des Nutzens aufgrund der dem Hersteller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse treuwidrig war; Schwartz, 42 UCLA L. Rev. 377, 431 (1994) mit Betonung des Schutzes von Leib und Leben in dieser Abwägung.
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sondern es ist primär auf die in der Verletzungshandlung deutlich werdende mentale Einstellung des Schädigers gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit abzustellen.312 Zur Bestimmung des notwendigen hinreichenden Niveaus einer Entschädigung können – da es um die Präventionswirkung gegenüber der Allgemeinheit geht – sowohl Umstände, die bereits den kompensatorischen Schadenersatz bestimmten, als auch weitere erschwerende, außerhalb der Verletzung liegende Umstände herangezogen werden.313 Dazu gehören neben Umständen, die in der verletzenden Handlung selbst liegen, auch diejenigen, die diese selbst nur mittelbar betreffen, selbst nicht die Haftungspflicht begründen und vor oder nach der eigentlichen, die Schadenersatzpflicht begründenden Handlung vorgenommen wurden.314 Gleichzeitig entkleidet dieses ökonomisierte Verständnis von punitive damages in der Produzentenhaftung die Entschädigung fast vollständig von moralischen Vergeltungsaspekten, so dass nur noch die Prävention vor verwerflichem Verhalten gegenüber der Gesamtheit der Verbraucher aufgrund (negativer) ökonomischer Motivationsanreize übrig bleibt.315 Zwar hat der U.S. Supreme Court mit Verweis auf die verfassungsrechtliche Due Process Clause die Berücksichtigung von weiteren (nicht den Rechtsstreit aber) die Produktserie betreffenden (angeblichen) 312
HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 570 (Haw. 1989); KS: Messer v. Amway Corp., 210 F. Supp.2d 1217, 1237 (D.Kan. 2002); NJ: Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 485 (D.N.J. 1982); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App.1987); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 269 (1980); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 7. Circumstances Affecting Recovery-Malice: “malice in fact, not malice in law”; IL: § 735 ILCS 5/2 – 1207 (2011), Case Notes, Analysis, In General; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1368 (1976); vgl. zu den Einzelerwägungen in Bezug auf die Allgemeinheit (Art der Schäden, Einstellung zur Gesundheitsgefährdung der Allgemeinheit, finanzielle Anfälligkeit der potentiellen Opfer, Anzahl und Frequenz der Verletzungshandlungen und Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften) State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 419 (2003); AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 46 et seq. (Alas. 1979); GA: Stone Man, Inc. v. Green, 435 S. E.2d 205, 207 (Ga. 1993); in der deutschen Literatur Schmitz, JuS 1999, 941 (942); Frings, S. 16, 30. 313 FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1110 (Fla. App. 1983); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 266 et seq. (1980). 314 OH: Gillham v. The Admiral Corp., 523 F.2d 102, 108 (6th Cir. 1975); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 266 et seqq. (1980); NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 850 (2nd Cir. 1967): Gesamtschau aller Umstände, nicht nur die Summe der Verwerflichkeit der Einzelumstände; in den Sekundärquellen CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, I. General Consideration; vgl. jedoch SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991) und TX: Nissan Motor Co. v. Armstrong, 145 S.W.3d 131, 139 (Tex. 2004): bzgl. der Kenntnis des Schädigers ist auf die Umstände zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung abzustellen. 315 Kritisch Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1449 et seqq. (1993): moralischer Vorwurf ist nicht mehr ausreichend berücksichtigt; Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 955 (1998): Bestrafungsfunktion gegenüber Firmen ist wirkungslos; dagegen Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 358 et seq. (2007), diss., Stevens, J.: kaum ein Unterschied zwischen punitive damages und Kriminalstrafe.
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Produkthaftungsfällen mit (angeblich) gleichen oder vergleichbaren Verletzungen mit der Begründung für nicht zulässig angesehen, dass der Hersteller nicht für ein Verhalten bestraft werden dürfe, wogegen er sich nicht mit allen ihn von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten prozessualen Mitteln verteidigen konnte, und dass willkürliche und unvorhersehbare Strafen ohne Berücksichtigung oder unter spekulativer Annahme der Anzahl, der Intensität und der Umstände der verfahrensfremden Schäden zu verhindern sind.316 Jedoch betrafen diese Ausführungen ausdrücklich allein die schlussendliche Höhe der punitive damages. Es wurde auch expressis verbis festgestellt, dass das Verhalten des Herstellers in nichtstreitgegenständlichen Haftungsfällen zur Festlegung der Notwendigkeit von punitive damages gegen das vom Hersteller an den Tag gelegte verwerflich gefährliche Verhalten aus präventiven Gründen herangezogen werden kann.317 Daraus wird deutlich, dass bei der Bemessung von punitive damages zwischen dem Ob (Notwendigkeit) und dem Wie (Höhe) zu unterscheiden ist und dass die Entscheidung über die Notwendigkeit in Produkthaftungsfällen fast ausschließlich aufgrund präventiver Zwecke gefällt wird. Es bleibt festzuhalten, dass punitive damages dann überwiegend als ein wirkungsvolles Instrument zum Schutz und zur Durchsetzung von gesellschaftlichen Interessen angesehen werden, falls sie in den richtigen Lebenssachverhalten mit einer gut bemessenen Höhe verhängt werden.318 Entsprechend konzentriert sich die Kritik an punitive damages in der Produzentenhaftung vor allem auf die Bemessung und daran im Anschluss an das Ausmaß dieser319, da eine Herstellerentscheidung eine Vielzahl von Produkten betreffen kann, so dass die fehlenden Höchstgrenzen
316
Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 353 et seq. (2007) unter Aufhebung der noch entgegengesetzten Auffassung in der Vorinstanz in OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1176 (Ore. 2006); daran im Anschluss CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1119 (2008); in der deutschen Literatur Berger/Wilske, RIW 2007, 245 (247 f.): Indiz einer strafrechtlichen Sanktion nach deutschem Verständnis. 317 Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 355 (2007); daran im Anschluss CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1119 (2008); in der deutschen Literatur durch Berger/Wilske, RIW 2007, 245 (247). 318 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 42 (1991), diss., O’Connor, J.: „Punitive damages are a powerful weapon. Imposed wisely and with restrain, they have the potential to advance legitimate state interests. Imposed indiscriminately, however, they have a devastating potential for harm.“; WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 308 (1980); in den Sekundärquellen Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1428 (1993); in der deutschen Literatur Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850). 319 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 18 (1991); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 680 (Minn. App. 1991), diss., Crippen, J.; in den Sekundärquellen zweifelnd Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1409 et seqq., 1416 (1993), ob in Produkthaftungsfällen tatsächlich punitive damages stark angestiegen sind, da zwischen den Prozessparteien zur Vermeidung eines neuen Verfahrens oder einer Reduzierung in der Rechtsmittelinstanz die exorbitanten jury-Entscheidungen oft durch Vergleich nachträglich verringert werden.
B. Die punitive damages in den USA
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verbunden mit der kumulativen Verurteilung in der Produzentenhaftung320 ein hohes wirtschaftliches Vernichtungspotential für ganze Industriezweige auch außerhalb der Hersteller potentiell gefährlicher Produkte und negative Auswirkungen auf die Forschung und Entwicklung von neuen, potentiell gefährlichen, gesellschaftlich aber nützlichen Produkten (z. B. Medikamenten und Impfstoffen, Flugzeugen, Kraftfahrzeugen) haben sowie kontraproduktiv bezüglich der Erhöhung der Produktsicherheit sein können.321 Daher wird in den letzten Jahren ein erheblicher Begründungsaufwand in den Urteilen verlangt, weshalb im Einzelfall die Verhängung von punitive damages notwendig war. Auch wird die Ermittlung der Höhe der punitive damages immer stärker einer Überprüfung unterzogen.
VII. Die Notwendigkeit der Verhängung von punitive damages „Perhaps the most important indicium of the reasonableness of a punitive damages award is the degree of reprehensibility of the defendant’s conduct.“322 BMW of North America, Inc. v. Gore (Die Verwerflichkeit des Handels des Schädigers ist vielleicht das wichtigste Anzeichen für die Angemessenheit des Urteils zu punitive damages.)
Nach fast einhelliger Ansicht sollen punitive damages schon dem Grunde nach sehr zurückhaltend und nur dann gewährt werden, wenn das Verhalten des Schädigers besonders (aggravated) mutwillig, rücksichtslos, bösartig, empörend und schamlos (malice, reckless, oppression, fraud, bad/evil motives, outrageous, egregious, willful, wanton, trickery, deceit), kurz gesagt, besonders verwerflich (reprehensible) ist.323 320 Das Argument aufgegriffen und abgelehnt HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 fn. 3 (Haw. 1989); in den Sekundärquellen aufgegriffen von Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1260, (1976). 321 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 42 (1991), diss. O’Connor, J.; Browning-Ferris Industries of Vermont, Inc. v. Kelco Disposal, Inc., 492 U.S. 257, 282 (1989), diss. O’Connor, J.; NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 661 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 327, 329 (1980), diss., Coffey, J.; vgl. in den Sekundärquellen zu den – zur Vermeidung dieser Folgen – geforderten Auswirkungen auf die Versicherbarkeit von punitive damages Polinsky/Shavell,111 Harv. L. Rev. 869, 933 (1998). 322 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 575 (1996); aufgegriffen in State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 419 (2003). 323 Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 73 (1971), diss., Harlan, J.; AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 46 (Alas. 1979); CA: Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 641 (Cal. App. 1984); Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 395 (Cal. 1978); FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1110 (Fla. App. 1983); Detroit Marine Engineering, Inc. v. Maloy, 419 So.2d 687, 693 (Fla. App. 1982); American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 467 (Fla. App. 1981); GA: Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc., 616 F.2d 734, 737 et seq. (5th Cir. 1980); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 572 (Haw. 1989); IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 648 (Ill. App. 1969); MD:
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Die besondere Herausforderung in der Rechtsanwendung besteht darin, die aus dem allgemeinen Sprachgebrauch stammenden Begriffe einer rechtlichen Bewertung zuzuführen. Als seltene Ausnahme hat der kalifornische Gesetzgeber die Verwerflichkeit legal definiert. Wenn der Schädiger gegenüber dem Verletzten eine Schädigung beabsichtigte oder wenn sein Verhalten eine bewusste Missachtung der Rechte und der Sicherheit anderer Personen in abscheulicher Weise deutlich macht, ist die Tatbestandsalternative malice erfüllt.324 Das Herbeiführen einer schrecklichen und ungerechten Notlage in bewusster Missachtung der Rechte des anderen stellt das verabscheuungswürdige Verhalten einer oppression dar.325 Mit fraud ist eine bewusste irrtümliche Darstellung, eine Irreführung oder eine Verschleierung der dem Schädiger bekannten Tatsachen mit der Absicht, einen anderen seines Eigentums oder seiner Rechte zu berauben oder ihn anderweitig zu verletzen, gemeint.326 Aus deutscher Sicht ist das Verständnis der reprehensibility schwer mit den Abstufungen des deutschrechtlichen deliktischen Verschuldens von der leichten, Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 460 (1992); Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 715 (1991); NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 12; NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App.1987); OH: Gillham v. The Admiral Corp., 523 F.2d 102, 108 (6th Cir. 1975); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1177 (Ore. 2006); SC: Jimenez v. Daimler Chrysler Corp., 269 F.3d 439, 449 et seq. (4th Cir. 2001); Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); TN: Johnson v. Husky Industries, Inc., 536 F.2d 645, 650 (6th Cir. 1976); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 267, 275 (1980); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment b.; CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 3. Nature and Purpose; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, II. Essential Elements; FL: Fla. Stat. § 768.73 (2011), Case Notes No. 22; IL: § 735 ILCS 5/2 – 1207 (2011), Case Notes, Analysis, In General; insbesondere zum Unterlassen von Gefahrenwarnungen IA: Iowa Code § 668 A.1 (2010), Case Notes No. 78; Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1407 (1993); zur unterlassenen Gefahrenwarnung mit einer einschränkenden Abwägung zwischen Art der Gefahren, Sicherheit der Erkenntnis sowie Tauglichkeit und Umsetzbarkeit der Warnung auf der einen Seite und Kosten auf der anderen Seite Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1265 et seq., 1360 et seq. (1976); in der Gesetzgebung Ala. Code § 6 – 11 – 20; Alas. Stat. § 09.17.020 (b); Cal. Civ. Code § 3294 (a); C.R.S. 13 – 21 – 102 (1) (a); O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (b); Idaho Stat. § 6 – 1604 (1); K.S.A. § 60 – 3701 (c); KRS § 411.184 (2); MCA § 27 – 1 – 221 (1); NRS § 42.005 (1); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (1); ORC § 2315.21 (C); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (C); SDCL § 21 – 3 – 2; Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (1) (a); in der deutschen Literatur Pant NJW-Editorial Heft 3/2004; Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (600); Müller, P., S. 9; Baumbach/Henkel, PHI 1999, 188 (193 f.) mit Verweis auf eine seit 1851 fortdauernde Rechtsprechungstradition; Brockmeier, S. 5 f.; Zekoll, NJW 1999, 2163 (2164); Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (849, 851); Zekoll, IPRax 1997, 198 (200); Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1937); Schütze, Festschrift für Nagel, S. 392 (395); Stiefel/ Stürner, VersR 1987, 829 (835); vgl. auch Zekoll, S. 68, 153; Hoechst, S. 73. 324 Cal. Civ. Code § 3294 (c) (1); ähnlich KRS § 411.184 (1) und mit den Begriffen „wanton and reckless“ C.R.S. 13 – 21 – 102 (1) (b); CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1132 (2008): Vertreiben eines Produkts mit dem Wissen, dass das Produkt fehlerhaft und gefährlich für den Verbraucher ist; in den Sekundärquellen ähnlich CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, II. Essential Elements. 325 Cal. Civ. Code § 3294 (c) (2); ähnlich KRS § 411.184 (1). 326 Cal. Civ. Code § 3294 (c) (3); ähnlich KRS § 411.184 (1).
B. Die punitive damages in den USA
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über die einfache und grobe Fahrlässigkeit hin zu den Vorsatzformen des Eventualund Direktvorsatzes, die allein auf die schädigende Handlung inter partes abstellen, beschreibbar.327 Als sicher kann lediglich festgehalten werden, dass ohne ein schuldhaftes Verhalten keine punitive damages verhängt werden können und dass in der Regel einfach fahrlässiges Verhalten zur Begründung von punitive damages nicht als ausreichend angesehen wird.328 Darüber hinaus ist zur Begründung von punitive damages weder ein deliktischer Vorsatz ausreichend noch schließt fahrlässiges Verhalten die Verurteilung aus, sondern entscheidend ist, ob aus dem Verhalten des Schädigers eine offenkundige grobe bewusste Missachtung der Sicherungsinteressen der Allgemeinheit deutlich wird.329 In den Rechtsordnungen ohne Legaldefinition wurden von der Rechtsprechung typische Situationen und Sachverhalte systematisiert, die für oder gegen punitive damages sprechen. Mangels Kenntnis von dem konkreten Produktnutzer oder Dritten hat im Produkthaftungsrecht weder die Alternative einer besonderen Verwerflichkeit aufgrund der Schädigungsabsicht gegenüber dem konkret Verletzten eine signifikante Bedeutung noch darf die systemimmanente Abwägung des Herstellers für oder gegen Sicherheitsaspekte in der Konstruktion eines Produkts unter Kostengesichtspunkten die besondere Verwerflichkeit begründen.330 Das Verhalten eines Herstellers wird zumeist dann als hinreichend verwerflich angesehen, wenn 327 Zur Einordnung der Voraussetzung in deutsche Rechtsbegriffe Frings, S. 16, 30: „vorsätzlichen, grob fahrlässigen oder allgemein vorwerfbaren Verhalten“; Hoechst, S. 73: „Bereich zwischen dolus eventualis und dolus directus“; mit einer Einordnung der Voraussetzungen in den einzelnen Bundesstaaten in das deutsche Vorsatzsystem dolus directus I, dolus directus II und grobe Fahrlässigkeit Brockmeier, S. 5 f. 328 International Brotherhood of Electrical Workers v. Foust, 442 U.S. 42, 61 (1979), conc., Blackmun, J.; FL: Detroit Marine Engineering, Inc. v. Maloy, 419 So.2d 687, 693 (Fla. App. 1982); GA: Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc., 616 F.2d 734, 738 (5th Cir. 1980); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 571 (Haw. 1989); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 483 (6th Cir. 2002), diss., Nelson, J.; MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 460 (1992); NJ: Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 485 (D.N.J. 1982); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment b.; CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 7. Circumstances Affecting RecoveryMalice; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, II. Essential Elements; IL: § 735 ILCS 5/ 2 – 1207 (2011), Case Notes, Analysis, In General; Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1407 (1993); aufgegriffen in der deutschen Literatur von Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (850); Brockmeier, S. 6; zu weitgehend Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1937), der auch einfache Fahrlässigkeit als ausreichend ansieht. 329 Sehr deutlich KS: Messer v. Amway Corp., 210 F. Supp.2d 1217, 1236 et seq. (D.Kan. 2002); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 518 (La. App. 2007) mit Verweis auf La. C.C. Art. 2315.3; WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 267 et seqq. (1980); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 7. Circumstances Affecting Recovery-Malice, 8. Circumstances Affecting Recovery-Negligence or Mistake; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, II. Essential Elements; FL: Fla. Stat. § 768.73 (2011), Case Notes No. 22; in der deutschen Rechtsprechung aufgegriffen in BGH NJW 1992, 3096 (3102); missverständlich Hirte/Otte, VersR 1993, 803 (806): eine Vorsatzform nötig. 330 FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 469 (Fla. App. 1981), diss., Cowart, J.
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von einem objektiven Standpunkt aus zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung dem Hersteller die Gefährlichkeit, das Risiko der Verwirklichung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen über die Art und das Ausmaß der möglichen schwerwiegenden Schäden und deren Möglichkeit zur Beseitigung bekannt waren (oder er sich absichtlich der Erkenntnis verschloss) und wenn aus dem Nichtbeseitigen der Gefahren deutlich wird, dass die Gefährdung zum einen auf eigennützigen Motiven und zum anderen auf einer gleichgültigen oder rücksichtslosen Missachtung der Rechte und der Sicherheit der anderen Menschen (Kunden, Verbraucher, Dritte) beruht.331 Als Fallbeispiele können dafür nachgewiesen werden: 1. das bewusste Unterbinden von Maßnahmen zur Verbesserung der Produktsicherheit aufgrund von Kostenerwägungen und Marketing trotz Kenntnis der Gefahrenlage332, 331 AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 46 (Alas. 1979); CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1157, 1171 (2008); Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 641 (Cal. App. 1984); Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 240 et seq. (1968); FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 467 et seq. (Fla. App. 1981); GA: Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc., 616 F.2d 734, 738 (5th Cir. 1980); HI: Masaki v. General Motors Corp., 780 P.2d 566, 572 (Haw. 1989); IL: Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 649 (Ill. App. 1969); IA: Fell v. Kewanee Farm Equipment Co., 457 N.W.2d 911, 919 (Iowa 1990); KS: Messer v. Amway Corp., 210 F. Supp.2d 1217, 1236 et seq. (D.Kan. 2002); Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1536 (10th Cir. 1986); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 521 (La. App. 2007); MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 462 et seqq., 462 fn. 23 (1992); Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 715 (1991); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 680 (Minn. App. 1991), diss., Crippen, J.; MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 872, 874 (Mo. App. 1991); NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 12 et seqq.; Gold v. Johns-Manville Sales Corp., 553 F. Supp. 482, 485 (D.N.J. 1982); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987); Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 838, 843 (2nd Cir. 1967); OH: Gillham v. The Admiral Corp., 523 F.2d 102, 109 (6th Cir. 1975); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1177 (Ore. 2006); PA: Funk v. Kerbaugh, 222 Pa. 18, 19 (1908); SC: Jimenez v. Daimler Chrysler Corp., 269 F.3d 439, 450 (4th Cir. 2001); TN: Johnson v. Husky Industries, Inc., 536 F.2d 645, 650 (6th Cir. 1976); TX: Bic Pen Corp. v. Carter, 171 S.W.3d 657, 674 (Tex. App. 2005); General Motors Corp. v. Sanchez, 997 S.W.2d 584, 595, 597 (Tex. 1999); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 267, 275, 309 (1980); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment b.; CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 5. Circumstances Affecting Recovery-Motive or Intention, 6. Circumstances Affecting Recovery-Oppression, 7. Circumstances Affecting Recovery-Malice; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, II. Essential Elements; FL: Fla. Stat. § 768.73 (2011), Case Notes No. 22; GA: O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (2011), Judicial Decisions, Analysis, General Consideration, Evidentiary Standard; IA: Iowa Code § 668 A.1 (2010), Case Notes No. 6, 31; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1362 et seq. (1976); in der Gesetzgebung SBLRA Sec. 103 (a); Alas. Stat. § 09.17.020 (b); C.R.S. 13 – 21 – 102 (1) (b); Conn. Gen. Stat. § 52 – 240b; O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (b); Iowa Code § 668 A.1 (1) (a); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 1 (a) (b); MCA § 27 – 1 – 221 (2); ORC § 2307.80 (A); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (B); ORS § 31.730 (1); Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (1) (a); MUPLA Sec. 120 (A). 332 Exemplarisch AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 46 et seq. (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 787, 799 et seq. (1981): hier Entlassung des für die Fahrzeugsicherheit zuständigen Ingenieurs; Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal.
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2. das Verschleiern und das Vertuschen der Gefahren zur Sicherung und Steigerung des Absatzes und des Profits (sowohl vor dem Inverkehrbringen als auch im Nachhinein bei Kenntnis der unangemessenen Gefährlichkeit)333, 3. das Nichtvermeiden erkennbarer Gefahren, weil der Hersteller Verbraucherbeschwerden nicht nachgegangen ist und eine Gefahrenerkenntnis durch fehlende oder nicht ausreichende Testverfahren verhindert hat334, 4. der arglistige oder bewusste Verstoß gegen Sicherheitsbestimmungen335, 5. das Unterlassen eines Angebots auf einen fairen Schadenersatz umgehend nach Kenntniserlangung von der Verletzung336, 6. das schädigende Verhalten des Herstellers gegenüber anderen Verbrauchern337 und
App.2d 228, 240 et seq. (1968); IA: Fell v. Kewanee Farm Equipment Co., 457 N.W.2d 911, 919 (Iowa 1990); KS: Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1537 (10th Cir. 1986); OH: Gillham v. The Admiral Corp., 523 F.2d 102, 109 (6th Cir. 1975); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 309 (1980); CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 41. Weight and Sufficiency of Evidence-Particular Actions-Generally; in der deutschen Literatur aufgegriffen durch Schmitz, JuS 1999, 941 (942 f.); von Hülsen/BrüningBrinkmann, RIW 1985, 187 (188). 333 Hierzu instruktiv FL: Piper Aircraft Corp. v. Coulter, 426 So.2d 1108, 1110 (Fla. App. 1983): keine Sicherheitsmaßnahmen, Vernichtung aller Akten und später Einführung einer neu konstruierten Tür ohne Offenlegung der Gefahren bei den bis dahin verkauften Flugzeugen; KS: Johnson v. Colt Industries Operating Corp., 797 F.2d 1530, 1537 (10th Cir. 1986): keine Sicherheitsvorrichtungen an einer Handfeuerwaffe um diese mit dem Image des „the Old West“ zu vermarkten; NJ: Gibbs v. Volkswagen of America, Inc., 1989 N.J. Super. LEXIS 473, p. 14 et seq.: trotz Kenntnis von unbeabsichtigtem Beschleunigen bei der Betätigung des Bremspedals aufgrund des engen Einbaus neben dem Gaspedal keine Änderung der Konstruktion, sondern Zuweisung der Schuld an die Fahrer; zum Verschleiern AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; IA: Fell v. Kewanee Farm Equipment Co., 457 N.W.2d 911, 919 (Iowa 1990); OH: Gillham v. The Admiral Corp., 523 F.2d 102, 109 (6th Cir. 1975); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 309 (1980); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257,1329, 1334, 1362 (1976); in der deutschen Literatur Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (188). 334 CA: West v. Johnson & Johnson Products, Inc., 174 Cal. App.3d 831, 869 (1985); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 41. Weight and Sufficiency of Evidence-Particular Actions-Generally; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1329, 1340 et seqq. (1976). 335 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1329, 1335 (1976). 336 WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991). 337 Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 355 (2007); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 526 (La. App. 2007); dagegen Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 360 (2007), diss. Stevens, J.: keine Berücksichtigung des Verhaltens gegenüber Dritten sowohl im Rahmen der Notwendigkeit als auch der Bemessung von punitive damages.
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
7. das in der Vergangenheit wiederholte und öfter gleichartige Handeln in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit oder unrechtmäßigen Gefährlichkeit (im Gegensatz zu einem erstmaligen oder situationsabhängigen Fehlverhalten)338. Die entfernte Möglichkeit der Verhängung einer Kriminalstrafe genügt jedoch nicht.339 Gegen die Verurteilung zu punitive damages kann unter Berücksichtigung der finanziellen Anfälligkeit des verletzten Rechtsgutes das ausschließliche Vorliegen eines Vermögensschadens oder eines nichtsicherheitsrelevanten Verhaltens des Herstellers sprechen. 340 Auch wenn die Einhaltung von Umwelt- oder Sicherheitsvorschriften die Haftung für compensatory damages nicht ausschließt, so kann dies doch gegen eine verwerfliche Einstellung des Herstellers gegenüber den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit sprechen.341 Gegen diesen bewusstseinsbezogenen Verwerflichkeitsbegriff verbunden mit dem moralischen Vorwurf der Rücksichtslosigkeit wurde vorgebracht, dass einerseits der Nachweis der (nur innerlich wirkenden) Herstellergedanken zu schwierig sei und daher der Hersteller zu einfach einer Haftung entgehen könne und dass andererseits Rücksichtslosigkeit auch Fälle der Unachtsamkeit umfassen könne, für die kein Bedürfnis zur Verhängung von punitive damages bestehe.342 Die Anknüpfung an das Gefahrenbewusstsein des Herstellers sei untauglich, da de jure jedem Hersteller als Experten in seiner Branche dieses Bewusstsein zuzuschreiben ist und da de facto ein die Sicherheitsinteressen der Verbraucher eklatant ignorierender Hersteller kaum ein 338 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 576 et seq. (1996); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1157 et seq., 1171 (2008); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 521 (La. App. 2007); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1177 (Ore. 2006); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991). 339 LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 524 (La. App. 2007). 340 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 576 (1996); CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1157 (2008); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 521 (La. App. 2007); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1177 (Ore. 2006). 341 GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 311 (Ga. App.1994); Stone Man, Inc. v. Green, 435 S. E.2d 205, 206 (Ga. 1993); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 483 (6th Cir. 2002), diss., Nelson, J.; TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 964 (N.D.Tex. 1978); in den Sekundärquellen GA: O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (2011), Judicial Decisions, Analysis, Procedure, Summary judgment; strenger hinsichtlich Sicherheitsnormen CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1154 (2008): „We conclude Ford’s asserted compliance with federal safety regulations does not as a matter of law bar the punitive damages award.“; und hinsichtlich industrieller Standards Schleiniger v. Questor Corp., 200 Cal. Rptr. 634, 641 (Cal. App. 1984): „The fact that similar conduct was or was not engaged in by other manufacturers is irrelevant to the question of whether defendant consciously disregarded the rights and safety of others. (…) Defendant would have us embrace the notion that where deterrence is most needed, that is, where the alleged culpable conduct of the defendant pervades an industry, defendant may seek to excuse his conduct by showing that ,Everybody else is doing it.‘“ 342 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1366, 1368 (1976).
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Bewusstsein für die Möglichkeiten der Gefahrenreduzierung entwickelt, so dass der moralische Vorwurf der Allgemeinheit in der deutlich gewordenen Ignoranz gegenüber den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit besteht und die daraus entstandene Gefahr für die öffentliche Sicherheit der korrekte Anknüpfungspunkt ist.343 Wenn also die Verwerflichkeit mit Verweis auf eine unzureichende Prüfung des Produkts vor dem Inverkehrbringen (sowohl der Konstruktion als auch der Qualitätssicherung der einzelnen Produkte) und der Nichteinhaltung der Sicherheitsnormen geführt werden soll, dann sei die Bewertung, ob die Entscheidung des Herstellers eine krasse Missachtung der öffentlichen Sicherheitsinteressen darstellt (weil er die Tests und Prüfungen unterlassen und die Sicherheitsnormen missachtet hat), nicht anhand von inneren Beweggründen, sondern objektiv von außen betrachtet durchzuführen.344 So könne berücksichtigt werden, dass die Verwerflichkeit des Handelns auch von der Autorität und Expertise des die Sicherheitsbestimmungen erlassenden Organs, von der Klarheit der Standards (auch verbunden mit der sicheren Kenntnis des Herstellers um den Normenverstoß), von der Art der zu vermeidenden Gefahr, von der Effektivität des Schutzes durch die Standards, vom Ausmaß der Gefahrensteigerung durch den Verstoß, von der wirtschaftlichen und praktischen Umsetzbarkeit der Standards und von den Vorteilen des Verbrauchers durch den Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen abhängt und dass selbst bei einem bewussten und vorsätzlichen Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen dieser nicht sanktionsbedürftig sein könnte, falls der Verstoß über die reine Produktfehlerdefinition nicht hinausgeht oder falls die Sicherheitsbestimmungen das öffentliche Sicherheitsinteresse übersteigen.345
VIII. Die Bemessung von punitive damages Da punitive damages nicht dem Schadenausgleich dienen, sondern sich aus den Interessen der Allgemeinheit an einer Erhöhung der Entschädigung ergeben346, fehlt diesen die dem Schadenersatz innewohnende Begrenzung, dass dem begünstigten Verletzten durch die Zahlungspflicht kein zusätzlicher Vermögensvorteil über den 343 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1363, 1368 (1976); ähnlich MD: Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia, 325 Md. 420, 464 et seq. (1992): „While the cause of action does not require a showing of any particular intent or actual knowledge, it also does not require the plaintiff to negate an evil intent or actual knowledge of a defect and deliberate disregard of the consequences.“; a.A. in den Sekundärquellen GA: O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (2011), Judicial Decisions, Analysis, General Consideration, Facts not warranting punitive damages. 344 Owen, 74 Mich. L .Rev. 1257, 1340, 1342 et seqq., 1367 et seq. (1976). 345 Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1338 et seq. (1976). 346 Mit Abstellen auf die staatlichen Interessen und die Rechtsordnung als Kriterien für die Bemessung AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 136 (Ore. App. 2004); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 292 et seq. (1980); aufgenommen in den Sekundärquellen in OR: ORS § 31.730 (2009), Case Notes No. 9.
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verletzungsbedingten Nachteil hinaus entstehen darf.347 Hingegen bildet die Bewertung der Umstände des Einzelfalls anhand des Ziels der punitive damages, den Schädiger oder einen Dritten in einer gleichen oder ähnlichen Situation so abzuschrecken, dass er in der Zukunft das verwerfliche Verhalten unterlässt, das Fundament jeglicher Bemessung einer angemessenen Höhe von punitive damages.348 Dem Spruchkörper kam hierbei ein weiter Ermessensspielraum bei der qualitativen Beurteilung der Vielzahl von – manchmal immateriellen – Fakten und Umständen des Einzelfalles zu.349 In vielen Rechtsordnungen bestanden weder Bemessungsfaktoren noch – im Gegensatz zu Kriminalstrafen – gesetzliche Höchstgrenzen, so dass – nachdem vom Gericht die Notwendigkeit der Verurteilung zu punitive damages aufgrund eines hinreichend verwerflichen Verhaltens festgestellt wurde – diese im freien Ermessen zu jedem erdenklichen Geldbetrag festgelegt werden konnten.350 Zwar wurde immer wieder gefordert, dass punitive damages ebenso wie die von 347
WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 292 et seq. (1980). AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); Hammond v. City of Gadsden, 493 So.2d 1374, 1379 (Ala. 1986); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 819 (1981); Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 399 (Cal. 1978); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 517 (La. App. 2007); MD: Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 716 (1991); SC: Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 111 et seq. (1991); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 965 (N.D.Tex. 1978); in den Sekundärquellen CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, III. Amount; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1317 (1976); in der Gesetzgebung Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3; kritisch hinsichtlich der tatsächlichen Umsetzung Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 943 et seqq. (1989). 349 Vgl. die Abwägungen in den Urteilsgründen in State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 425 (2003); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 437 (2001); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 584 et seqq. (1996); TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 456 et seqq. (1993); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 16 et seqq. (1991); AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 72 et seq. (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); Hammond v. City of Gadsden, 493 So.2d 1374, 1378 et seq. (Ala. 1986); Ford Motor Credit Co. v. Washington, 420 So.2d 14, 17 et seq. (Ala. 1982); CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1139 (2008); MD: Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 716 (1991); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 112 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 302 et seq. (1980); in den Sekundärquellen FL: Fla. Stat. § 768.73 (2011), Case Notes No. 25. 350 Vgl. die ausführliche Auseinandersetzung mit theoretisch bestehenden Begrenzungen des Ermessens und deren wenig wirkungsvolle Umsetzung in BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 588 et seqq. (1996), conc., Breyer, J.; City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 270 (1981): „broad discretion“; Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 82 et seq. (1971), diss., Marshall, J.; AL: Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 112 (1991); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment d.; in Deutschland BGH NJW 1992, 3096 (3102); Müller, P., S. 10; Sikora, S. 62; Mörsdorf-Schulte, S. 7 f.; Zekoll, S. 68, 152 f.; mit einem Begründungserfordernis abweichend gesetzlich geregelt in Iowa Code § 668 A.1 (2). 348
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einem demokratisch legitimierten Gesetzgeber festgelegten Kriminalstrafen auf der Grundlage von gebundenen und nachprüfbaren Kriterien bestimmt werden.351 Dem wurde aber insbesondere in der Produzentenhaftung entgegengehalten, dass zur Erreichung der präventiven Wirkungen die punitive damages für den Hersteller unvorhersehbar sein müssten und daher nicht gesetzlich begrenzt werden dürften, damit die Hersteller nicht die zu erwartenden punitive damages in ihrem (verwerflichen) Verhalten als Geschäftskosten einkalkulieren können.352 Außerhalb der materiell-rechtlichen Rechtsfolgebestimmung bestand lange Zeit nur die – allgemein als notwendig angesehene – prozessuale Möglichkeit, dass zur Vermeidung von unrechtmäßigen Sanktionen der Richter in der Tatsacheninstanz oder die Rechtsmittelgerichte die Höhe der punitive damages nachträglich überprüfen.353 Eine deckungsgleiche Substitution materiell-rechtlicher Bemessungsregeln konnten diese prozessualen Rechtsbehelfe nicht leisten, da in der Nachprüfung die Ermessenkompetenz des – durch die Präsentation im Gerichtssaal – am besten mit den Fakten des Falles und mit der Atmosphäre im Gerichtssaal vertrauten Spruchkörpers respektiert wurde.354 Im Wesentlichen wurden die ausgeurteilten punitive damages dann revidiert, wenn die Höhe der punitive damages so exzessiv war, dass die damit verfolgten Ziele und Zwecke als nicht mehr erreichbar anzusehen 351 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 59 (1991), diss., O’Connor, J.: „Due process requires (…) that a jury be given a measurable degree of guidance, (…).“; WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991): „Due process demands not only that penalties be abstractly fair, but also that a person not be penalized without reasonable warning of the consequences of his acts.“; in den Sekundärquellen kritisch Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 488 (1990); sich für objektive Kriterien aussprechend Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 943 (1989); a.A. TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 455 et seq. (1993). 352 Zu dieser Argumentation vgl. Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 59 (1991), diss., O’Connor, J. 353 BMWof North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 589 (1996), conc., Breyer, J.; Honda Motor Co. v. Oberg, 512 U.S. 415, 420 et seq., 426 et seq., (1994); TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 453 et seqq. (1993); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 15 (1991); l. c., 59, diss., O’Connor, J.; AL: Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 866 (Tex. App. 1987); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 111 et seq. (1991); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 et seq. (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 307 (1980); in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 940 et seqq. (1989): Praxis ist zufällig, subjektiv und ineffektiv; gesetzliche Regelungen im C.R.S. 13 – 21 – 102 (2); Fla. Stat. § 768.74; § 735 ILCS 5/2 – 1207; R.S.Mo. § 510.263 (6); MCA § 27 – 1 – 221 (7) (c); vgl. in der deutschen Literatur Frings, S. 18; Brockmeier, S. 8; Zekoll, NJW 1999, 2163 (2164); Hirte/ Otte, VersR 1993, 803 (806); Mörsdorf-Schulte, S. 12. 354 AL: Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); SC: Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 112 (1991); für eine weitergehende Überprüfungsmöglichkeit des Richters WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); in der deutschen Literatur Zekoll, NJW 1999, 2163 (2165); Hirte/Otte, VersR 1993, 803 (806); MörsdorfSchulte, S. 8; kritisch Brockmeier, S. 31.
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waren355, oder wenn die punitive damages willkürlich ermittelt wurden, da durch eine willkürliche und unvorhersehbare Bemessung gesellschaftlich erwünschtes Verhalten in unerwünschter Weise be- und verhindert würde sowie schikanöse Klagen oder unbegründete Rechtsmittel provoziert, Gerichtsverfahren verlängert und Hersteller zu unsachlich hohen Vergleichen gedrängt würden.356 Um dabei eine angemessene, unvoreingenommene und willkürfreie Bemessung sicherzustellen, wurde es seit geraumer Zeit als notwendig angesehen, gewisse objektive Kriterien zur Bestimmung einer angemessenen Höhe aufzustellen357, die zwar der Sache nach nicht messbar sind, deren Bewertung aber auf objektiven Fakten beruht.358 Seit der epochalen Entscheidung des U.S. Supreme Court in Sachen BMW of North America v. Gore sind die drei folgenden Kriterien (im Folgendem als GoreKriterien bezeichnet) zur Objektivierung der Bemessung uneingeschränkt anerkannt: 1. der Grad der Verwerflichkeit des schädigenden Verhaltens (reprehensibility), 2. die Verhältnismäßigkeit zwischen dem erlittenen/potentiellen Schaden (Ausgleichsgedanken des Deliktsrechts) und den punitiv damages (reasonable relationship) und 3. das Verhältnis zwischen den ausgeurteilten punitive damages und anderen Sanktionen, die in vergleichbaren Fällen verhängt werden.359 355 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 15 (1991); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 866 (Tex. App. 1987); in den Sekundärquellen äußerst kritisch Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 940 et seqq. (1989). 356 Sehr instruktiv die Zustandsbeschreibung in WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 664 (1991); vgl. in der Gesetzgebung SBLRA, Sec. 101 (4), (5); ähnlich in den Sekundärquellen der Problemaufriss – insbesondere mit der Feststellung einer Diskriminierung von Unternehmen – von Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 943 et seqq. (1989); in der deutschen Literatur zur Kritik an der Willkürlichkeit der Höhe von punitive damages Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (836). 357 Vgl. bereits das Plädoyer für objektive Kriterien in Honda Motor Co. v. Oberg, 512 U.S. 415, 444 (1994), diss., Ginsburg, J.; TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 467 (1993), conc., Kennedy, J.; l. c., 509 U.S. 443, 480 et seq. (1993), diss., O’Connor, J.; Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 76 (1971), diss., Harlan, J.; vgl. zu Prüfkriterien vor der Gore-Entscheidung AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 et seq. (Ala. 1989); Ridout’s-Brown Service, Inc. v. Holloway, 397 So.2d 125, 127 et seq. (Ala. 1981), conc., Jones, J.; SC: Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 111 et seq. (1991); vgl. in den Sekundärquellen zur Kritik aufgrund mangelnder Richtlinien Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 488 (1990). 358 Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 446 et seq. (2001), diss., Ginsburg, J. 359 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 575 (1996); daran anschließend State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 418 (2003); Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc., 532 U.S. 424, 440 (2001); KY: Clark v. Chrysler Corp., 310 F.3d 461, 481 et seq. (6th Cir. 2002); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 136, 142 et seqq. (Ore. App. 2004); Kriterien 2 und 3 bereits im Minderheitsvotum
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Neben diesen, die unmittelbare Verletzungshandlung betreffenden Umständen können auch die Umstände berücksichtigt werden, die mit diesem Verhalten im Zusammenhang stehen.360 1. Die reprehensibility Mit dem ersten Gore-Kriterium soll primär sichergestellt werden, dass die Höhe der punitive damages eine objektivierbare Verhältnismäßigkeit zum Ausmaß der gesamten verwerflichen Handlung wiederspiegelt, dass also unterschiedlich sanktionswürdige Verhaltensweisen auch zu einer unterschiedlichen Höhe an punitive damages führen.361 Die auf die Verhältnismäßigkeit abstellende Begründung und Begrenzung der Entschädigungshöhe stellt mangels eines intendierten Schadenausgleichs nicht auf den über die compensatory damages bereits vollständig entschädigten Verletzten, sondern entsprechend dem Präventionszweck auf das gesellschaftliche Bedürfnis ab, den Schädiger und Dritte in Situationen mit gleichen Verletzungsrisiken von diesem oder ähnlichem Verhalten abzuschrecken.362 So kann zugunsten des Schädigers ein geringeres Abschreckungsbedürfnis der Allgemeinheit dann bestehen, wenn der Verletzte die Sicherheitsinteressen in eigenen Angele-
TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 481 (1993), diss., O’Connor, J., vorgeschlagen; in der deutschen Literatur Klode, NJW 2009, 1927; Buchner, VersR 2003, 1203 (1204); Göthel, RIW 2003, 610 (611); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (605); Brockmeier, S. 15; Schmitz, JuS 1999, 941 (944 f.); Seitz, PHI 1998, 12; Hirte/Otte, VersR 1997, 18 (22); Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (855); Zekoll, IPRax 1997, 198 (201); Heidenberger, RIW 1996, 765 (766). 360 Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment e.; missverständlich in der deutschen Literatur Buchner, VersR 2003, 1203 (1204 f.): keine Unterscheidung zwischen nichtschadensursächlichem Verhalten gegenüber dem Verletzten und sonstigem nichtschadensursächlichen Verhalten. 361 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 575 et seq. (1996); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 22 (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Ford Motor Credit Co. v. Washington, 420 So.2d 14, 17 (Ala. 1982); Ridout’s-Brown Service, Inc. v. Holloway, 397 So.2d 125, 127 (Ala. 1981), conc., Jones, J.; NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 408 (1961), diss., van Voorhis, J.; in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 57. Appellate Review-Amount of Damages; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1317 (1976); in der deutschen Literatur Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (605); Schmitz, JuS 1999, 941 (944). 362 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 20 (1991); AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); Hammond v. City of Gadsden, 493 So.2d 1374, 1379 (Ala. 1986); AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 48 (Alas. 1979); MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 874 (Mo. App. 1991); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 136 (Ore. App. 2004); TX: The Alamo National Bank v. Kraus, 616 S.W.2d 908, 910 (Tex. 1981); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 57. Appellate Review-Amount of Damages; OR: ORS § 31.730 (2009), Case Notes No. 9; in der deutschen Literatur Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (601, 605).
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genheiten in hohem Maße außer Acht gelassen hat363 oder wenn – wie in Oregon gesetzlich als fakultatives Reduzierungskriterium normiert – der Schädiger Vorkehrungen gegen eine Wiederholung derartigen Verhaltens getroffen hat364. Aus diesen allgemeinen Überlegungen heraus hat sich eine vielfältige Rechtsprechung in den Einzelbetrachtungen entwickelt, die teilweise eine Übersichtlichkeit vermissen lässt. Als gesichert kann festgehalten werden, dass in der Produzentenhaftung die Gewinnerzielungsabsicht als solche aufgrund ihrer systembegründenden Funktion in einem marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystem nicht als Bemessungsfaktor herangezogen werden kann.365 Andererseits wurde das gewinnorientierte Verhalten als moralisch verwerflich und damit als Bemessungsfaktor dann akzeptiert, wenn die von der Rechtsordnung geforderte Sicherheit zur Erzielung eines dadurch erwarteten finanziellen Vorteils absichtlich außer Acht gelassen wurde und der Gewinn ohne das gefährliche Verhalten nicht hätte erzielt werden können.366 Weiterhin ist allgemein anerkannt, dass zur Bemessung der Höhe der punitive damages vollumfänglich die Umstände herangezogen werden können, die bereits die Notwendigkeit der Verhängung von punitive damages begründen, wie etwa die Art, Dauer und Häufigkeit der Verletzungshandlung, die Anzahl der Handelnden, die Wahrscheinlichkeit der Verletzung, das Risikobewusstsein und die Rücksichtslosigkeit des Schädigers, die Schadensanfälligkeit des verletzten Rechtsgutes, das Verhalten bei der Schadensregulierung und eventuelle Versuche der Verschleierung der Gefahren vor und nach dem Verletzungsereignis.367 363
Im MUPLA Sec. 120 (B) (8) vorgesehen; a.A. zitiert in der Sekundärquelle 13 A.L.R.4th 52, Preliminary Matters, Summary and comment, Practice pointers, MO: Friley v. International Playtex, Inc., wonach ein Mitverschuldensanteil zwar zu einer Kürzung des materiellen Schadenersatzes, jedoch nicht der punitive damages führt. 364 ORS § 31.730 (3). 365 So Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 910 (1998). 366 OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 143 (Ore. App. 2004). 367 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 21 et seq. (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; Hammond v. City of Gadsden, 493 So.2d 1374, 1379 (Ala. 1986); AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 48 (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 819 (1981); Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 399 (Cal. 1978); IL: Lipke v. Celotex Corp., 505 N.E.2d 1213, 1220 (Ill. App. 1987); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 517 (La. App. 2007); MD: Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 716, 719, 720 et seq. (1991); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 678 fn. 3 (Minn. App 1991); MO: Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co., 808 S.W.2d 868, 874 (Mo. App. 1991); NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 176 P.3d 1255, 1262 (Ore. 2008); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 106 (4th Cir. 1991); Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 111 et seq. (1991); TX: The Alamo National Bank v. Kraus, 616 S.W.2d 908, 910 (Tex. 1981); Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 965 (N.D.Tex. 1978); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 663 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 302, 305 (1980); in der Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 57.
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Als problematisch hat sich die Berücksichtigung von möglichen Verletzungen und Schäden bei anderen Opfern außerhalb des Gerichtsverfahrens erwiesen. Während dies – um Gefahren zu vermeiden, die ohne eine derartige präventive Abschreckung entstehen könnten – neben dem Ausmaß der möglichen Schäden beim Verletzten bis zum Beginn des neuen Jahrtausends akzeptiert wurde368, änderte sich später die Rechtsprechung dazu substantiell. Bereits im Jahre 2003 rückte die Gefahr einer doppelten Abschreckung bei einer Berücksichtigung des (verwerflichen) Verhaltens in anderen, nicht streitgegenständlichen Fällen bei der Bemessung der punitive damages in den Fokus, da die Berücksichtigung des dort an den Tag gelegten verwerflichen Verhaltens in der Höhe der punitive damages nicht zwingend in eventuellen folgenden Gerichtsverfahren – in denen das einbezogene Verhalten verhandelt wird – beachtet werden muss.369 Später wurde zur Vermeidung von ausufernden Entscheidungen das Abstellen auf Umstände außerhalb der dem Gericht vorliegenden Rechtsverletzung bei der Bestimmung der Entschädigungshöhe (im Gegensatz zur Bestimmung der Notwendigkeit von punitive damages) vollständig ausgeschlossen, da der Lebenssachverhalt dieser Umstände nicht Gegenstand der Entscheidungsfindung über die Haftung dem Grunde nach darstellt, so dass nicht sichergestellt werden konnte, dass dem Schädiger jegliche objektive Rechtsstandards, insbesondere elementare prozessuale Grundsätze, für eine angemessene entlastende Erwiderung verbleiben, und daher die konkrete Gefahr besteht, dass die Entschädigungshöhe nicht auf Tatsachen beruht, sondern auf Spekulationen, Willkür und Unkenntnis bezüglich der genauen Umstände in den nicht streitgegenständlichen Verletzungsfällen (Art und Umfang der Verletzungen, Anzahl der weiteren Verletzten).370 Gegen dieses Bemessungskriterium wurde von den Vertretern der ökonomischen Analyse des Schadensrechts eingewendet, dass die in der Bewertung der Verwerflichkeit zu Tage tretende Schuld des Schädigers keine Zahlungspflicht über den von Appellate Review-Amount of Damages; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, I. General Consideration, III. Amount; IL: § 735 ILCS 5/2 – 1207 (2011), Case Notes, Analysis, Amount of Award, Factors Considered; MN: Minn. Stat. § 549.20 (2010), Case Notes No. 154; OR: ORS § 31.730 (2009), Case Notes No. 9, 29; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1266, 1315, 1319 (1976); gesetzlich festgelegt in Alas. Stat. § 09.17.020 (c); K.S.A. § 60 – 3701 (b); KRS § 411.186 (2); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3; MCA § 27 – 1 – 221 (7) (b); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (5); ORC § 2307.80 (B); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (A); ORS § 30.925 (2); MUPLA Sec. 120 (B); in Deutschland BGH NJW 1992, 3096 (3102); Buchner, VersR 2003, 1203 (1204); Göthel, RIW 2003, 610 (611 f.); Brockmeier, S. 15; Schmitz, JuS 1999, 941 (944); Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (835); Zekoll, S. 68; a.A. in den Sekundärquellen Polinsky/ Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 910 (1998). 368 TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 460 (1993). 369 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 423 (2003); in der deutschen Literatur Göthel, RIW 2003, 610 (611 f.); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (609). 370 Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 353 et seq. (2007); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 526 et seq. (La. App. 2007); in der deutschen Literatur Berger/ Wilske, RIW 2007, 245 (247); bereits interpretativ vorweggenommen von Göthel, RIW 2003, 610 (614).
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ihm verursachten reinen Schaden hinaus rechtfertige, da ansonsten einerseits die Gefahr eines gesamtgesellschaftlich nicht erwünschten Präventionsexzesses mit kostenträchtigen Vorkehrungen und Umlagen bestünde, falls die Art des sehr verwerflichen Verhaltens zu einer großen Wahrscheinlichkeit der vollständigen Schadensliquidation aller Verletzten führen würde, und andererseits auch ein ebenso unerwünschter Präventionsmangel zu befürchten sei, falls bei einer geringen Verwerflichkeit die Wahrscheinlichkeit der Schadensliquidation gering ist.371 Lediglich seien die Verschleierungsbemühungen eine nützliche Informationsquelle zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit der Schadensliquidation, um eine optimale Prävention zu berechnen.372 2. Die reasonable relationship von punitive damages Die Verhältnismäßigkeit ist ein wesensimmanentes Kriterium einer jeden Prüfung der Angemessenheit.373 Vor der Gore-Entscheidung wurde diesem Kriterium aber keine vertiefte Aufmerksamkeit gewidmet, sondern es wurde höchstens summarisch geprüft, ob die Entschädigung mit Blick auf die bewiesenen Tatsachen und das anzuwendende Recht als überhöht erschien.374 Mit der Gore-Entscheidung wurde die Verhältnismäßigkeit, die bereits im ersten Gore-Kriterium als angemessene Relation zwischen Geldbetrag und Handlung (hier bezogen auf die Art und Weise der Handlung) zum Ausdruck kommt, auf die Verletzungsfolgen der Handlung, ausgedrückt durch die Verhältnismäßigkeit zwischen tatsächlichem und potentiellem Schaden auf der einen Seite und punitive damages auf der anderen Seite, ausgeweitet.375 371
Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 906 et seqq. (1998). Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 908 (1998). 373 Vgl. dazu TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 478 (1993), diss., O’Connor, J.: „As we have observed, the requirement of proportionality is ,deeply rooted and frequently repeated in common-law jurisprudence.‘“ 374 Vgl. Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 350 (1974); l. c., 396 et seq., diss., White, J. 375 Philip Morris USA v. Williams, 549 U.S. 346, 354 (2007); State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 418, 426 (2003); BMWof North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 580 et seq. (1996); TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 459 et seq. (1993); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 21 et seq. (1991); Gertz v. Robert Welch, Inc., 418 U.S. 323, 397 (1974), diss., White, J.; Rosenbloom v. Metromedia, Inc., 403 U.S. 29, 74 et seq. (1971), diss., Harlan, J.; AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 48 (Alas. 1979); CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 819 (1981); Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 399 (Cal. 1978); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 517 (La. App. 2007); MD: Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 716, 720 (1991); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 678 fn. 3 (Minn. App. 1991); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 136, 143 372
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Mit dem Vergleich zum – als Zahlenwert ausweisbaren – Schaden schien die Tür zu einer arithmetischen Bestimmung der angemessenen Höhe von punitive damages, wenigstens aber zu einer absoluten Obergrenze im Verhältnis zwischen compensatory damages und punitive damages, geöffnet worden zu sein. Die ökonomische Analyse des Schadensrechts kann dabei darauf verweisen, dass sich in ihren Augen die perfekte Prävention aus den globalen Kosten ergibt, so dass punitive damages allein der Abschöpfung der tatsächlich entstandenen – aber nicht liquidierten – Schäden dient, die sich aus einer objektiven Berechnung als Produkt aus tatsächlich eingetretenem Schaden (inklusive individuellen Rechtsverfolgungskosten und anderen Aufwendungen), der Wahrscheinlichkeit der Geltendmachung des Schadens und der geschätzten Anzahl erfolgreicher Gerichtsverfahren ergibt.376 Nach einer anderen Meinung sei in der Produzentenhaftung eine optimale Abschreckung durch punitive damages dann erreicht, wenn die durch ein fehlerhaftes Produkt verursachten Kosten für den Hersteller die dadurch generierten Gewinne ausgleichen, wobei die optimale Höhe der punitive damages anhand einer rationellen und effektiven, auf Objektivierung gerichteten mathematischen Formel377 – bestehend aus dem finanziellen Vorteil der fehlerhaften Konstruktion gegenüber einer hinreichend sicheren Konstruktion, aus der hinreichend angemessen geschätzten Anzahl der Personen, die voraussichtlich durch die fehlerhafte Konstruktion gegenüber einer angemessen sicheren Konstruktion geschädigt werden, aus dem Verhältnis zwischen den potentiell Verletzten und der Anzahl von diesen Personen, die ihre Rechte geltend machen, und aus den compensatory damages – zu berechnen ist.378 (Ore. App. 2004); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 110 (4th Cir. 1991); TX: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987); The Alamo National Bank v. Kraus, 616 S.W.2d 908, 910 (Tex. 1981); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 302 (1980); in den Sekundärquellen CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 57. Appellate ReviewAmount of Damages; OR: ORS § 31.730 (2009), Case Notes No. 9, 27, 30; Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1408 (1993); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1266, 1315 et seq. (1976); gesetzlich geregelt im Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3; MCA § 27 – 1 – 221 (7) (b); NRS § 42.005 (1); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (5) (a); in der deutschen Literatur Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (606); Brockmeier, S. 15; Schmitz, JuS 1999, 941 (943); skeptisch zur Wirksamkeit dieses Faktors BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 589 (1996), conc., Breyer, J.; dagegen NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987): keine Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeit zu compensatory damages; GA: General Motors Corp. v. Moseley, 447 S. E.2d 302, 312 (Ga. App.1994): Verhältnismäßigkeit zu compensatory damages ist wesensfremd zur Abschreckungsfunktion; Hospital Authority of Gwinnett County v. Jones, 409 S. E.2d 501, 502 et seq. (Ga. 1991). 376 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 874, 887 et seqq., 917 (1998); aufgegriffen, jedoch nicht den Urteilsgründen zu Grunde gelegt, in BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 592 et seqq. (1996), conc., Breyer, J. 377 So Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 935, 938 et seq., 943 (1989), der hierbei auch auf die impraktikable Komplexität und Bestimmbarkeit einzelner Parameter einer derartigen Berechnung, insbesondere bezogen auf die tatsächliche Geltendmachung, Durchsetzung und nachweisbare Höhe der Schadenersatzansprüche, sowie auf die Risikoeinschätzung des Herstellers hinweist. 378 Zu den Einzelheiten dieser Formel Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 948 (1989).
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Dagegen lehnt die ständige Rechtsprechung die Berechnung der Angemessenheit von punitive damages mittels einer mathematischen Formel oder die Bestimmung anhand einer bestimmten Höchstgrenze bezüglich des Verhältnisses zwischen punitive damages und compensatory damages ab379, auch wenn tendenziell ein einstelliger Faktor eher als verhältnismäßig angesehen wurde als ein dreistelliger Faktor von 500:1 (BMW of North America v. Gore) und 145:1 (State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell).380 Dabei wird darauf verwiesen, dass eine exakte Festlegung schon deshalb nicht den Präventionszielen dienen könne, da trotz eines im höchsten Grade verwerflichen Verhaltens und trotz einer hohen Gefährlichkeit aufgrund glücklicher Umstände sowie Hindernissen in der Ermittlung und in dem Beweis der Rechtsverletzung bzw. des Schadens die compensatory damages gering ausfallen könnten, so dass auch ein höherer Faktor gerechtfertigt sein müsste, während bei sehr hohen compensatory damages die an Präventionszielen festgemachte Angemessenheitsgrenze bereits bei einem Verhältnis von 1:1 überschritten sein könnte.381 Die flexible, an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Bestimmung der Angemessenheit von punitive damages ohne Begrenzung mittels einer exakten arithmetischen Obergrenze erscheint gerade in der Produzentenhaftung als wichtig, da für die präventiven Ziele weniger die dem Haftungsfall zugrunde liegenden Verletzungen, dafür aber mehr die mit der gewerbsmäßigen Inverkehrgabe von Produkten verbundenen Produktgefahren für die Allgemeinheit in der Vergangen-
379 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 425 (2003); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 582 (1996); TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 458 (1993); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 18 (1991); bereits AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); Alabama Power Co. v. Hussey, 285 So.2d 92, 97 (Ala. 1973); AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 48 (Alas. 1979); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); TX: The Alamo National Bank v. Kraus, 616 S.W.2d 908, 910 (Tex. 1981); Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 965 (N.D.Tex. 1978); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 303 (1980); aufgenommen in der Gesetzesbegründung zu MUPLA Sec. 120, in l. c., Analysis, p. 62749; in der deutschen Literatur Klode, NJW 2009, 1927; Buchner, VersR 2003, 1203 (1204); Göthel, RIW 2003, 610 (613); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (606); Schmitz, JuS 1999, 941 (943, 945); Seitz, PHI 1998, 12 (13); Heidenberger, RIW 1996, 765 (766); vgl. Hirte/Otte/Willamowski, VersR 2002, 678 (684 f.), jedoch mit zu starker Betonung eines festen Verhältnisses. 380 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 425 (2003); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 583 (1996); in den Sekundärquellen für eine widerlegbare Vermutung der Unangemessenheit bei mehr als dem Doppelten der compensatory damages Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 953 (1989); in der deutschen Literatur Göthel, RIW 2003, 610 (613); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (606). 381 State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 538 U.S. 408, 425 (2003); BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 582 (1996); in den Sekundärquellen Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1430 (1993); in der deutschen Literatur Buchner, VersR 2003, 1203 (1204, 1207); Göthel, RIW 2003, 610 (613); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (606, 608); Schmitz, JuS 1999, 941 (945).
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heit, Gegenwart und Zukunft von Bedeutung sind.382 Damit punitive damages ihre präventive Funktion erfüllen können, müssen sie also mindestens so hoch sein, dass sie im Wege der Abschreibung und Refinanzierung den Endpreis des Produkts signifikant beeinflussen und daher zu einem Nachteil des Herstellers im Marktwettbewerb führen.383 3. Die Höhe sonstiger Sanktionen Im dritten Gore-Kriterium soll die Höhe der vorgesehenen und tatsächlich verhängten Kriminalstrafen oder sonstigen privatrechtlichen Sanktionen für vergleichbares Fehlverhalten anderer Personen in ähnlichen Situationen berücksichtigt werden384, ohne dass punitive damages auf die in der Kriminalstrafe vorgesehene Geldstrafe begrenzt wird385. Vielmehr sollen in mehreren Stufen die vergleichbaren zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Sanktionen identifiziert (1. Stufe), die Intensität dieser Strafen im gesetzlichen Sanktionssystem eingeordnet (2. Stufe) und abschließend die verhängten punitive damages in Relation zur Intensität der vergleichbaren Sanktionen im gesetzlichen Sanktionssystem abgewogen werden (3. Stufe).386 Entsprechend dem Grundverständnis von punitive damages in der ökonomischen Analyse des Schadensrechts könnten anderweitige Sanktionen nur dann berücksichtigt werden, wenn diese etwaige Informationen über den globalen Schaden und die Wahrscheinlichkeit der Schadensliquidation enthielten, was aber in Anbetracht der Aufstellung von gesetzlichen Sanktionen als Ergebnis einer politischen Entscheidungsfindung unter maßgeblichem Einfluss von Interessengruppen, politischen Kompromissen und dergleichen als schwer vorstellbar eingeschätzt wird.387 382 OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1175 (Ore. 2006); Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 142 (Ore. App. 2004); aufgenommen in den Sekundärquellen OR: ORS § 31.730 (2009), Case Notes No. 1. 383 CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 820 (1981); auf dem gleichen Rechtsprinzip beruhend NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 860 et seq. (Tex. App. 1987); in den Sekundärquellen Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1430 (1993). 384 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 583 et seq. (1996); Browning-Ferris Industries of Vermont, Inc. v. Kelco Disposal, Inc., 492 U.S. 257, 301 (1989), diss., O’Connor, J.; MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 678 fn. 3 (Minn. App. 1991); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 136, 145 (Ore. App. 2004); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment e.; OR: ORS § 31.730 (2009), Case Notes No. 9; in der Gesetzgebung beruhend auf MUPLA Sec. 120 (B) (7) Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3 und ORS § 30.925 (2); in der deutschen Literatur Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (606); Brockmeier, S. 15. 385 LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 525 (La. App. 2007); in den Sekundärquellen mit Verweis auf die nicht mögliche Inhaftierung von juristischen Personen IA: Iowa Code § 668 A.1 (2010), Case Notes No. 93; vgl. hierzu in der deutschen Literatur Göthel, RIW 2003, 610 (613 f.). 386 OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1178 et seq. (Ore. 2006). 387 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 926 et seqq. (1998).
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4. Der Profitentzug Die präventiven Ziele der punitive damages sind im hohen Maße gefährdet, falls der Schädiger die finanziellen und wirtschaftlichen Vorteile seiner Verletzungshandlung behalten und nutzen kann. Daher ist gerade in der Produzentenhaftung anerkannt, dass es einen legitimen Bemessungsfaktor darstellt, den Hersteller (oder potentielle Dritte) in Zukunft von verwerflichem Verhalten durch den vollständigen Entzug des durch sein Handeln im Ganzen eingenommenen legitimen und illegitimen Gewinns und durch einen zusätzlichen angemessenen finanziellen Verlust abzuhalten.388 Dagegen argumentieren die Vertreter der ökonomischen Analyse des Schadensrechts, dass außerhalb einer Berücksichtigung dieses Kriteriums in der Funktion eines Indikators zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, wie sich der Hersteller eines fehlerhaften Produkts seiner Haftung entziehen kann, das Kriterium irrelevant sei, da unter gesellschaftlichen Wohlfahrtsaspekten und zur Vermeidung eines rechtlich nicht legitimierbaren Präventionsexzesses eine Entschädigung auf der Grundlage der tatsächlichen Schäden völlig ausreichend sei, egal ob der Gewinn aus der schädigenden Handlung niedriger als der verursachte Schaden ausfällt – und damit vollständig durch compensatory damages dem Schädiger entzogen wird – oder höher als der entstandene Schaden ist.389
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BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 591 (1996), conc., Breyer, J.; Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 22 (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 678 fn. 3 (Minn. App. 1991); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 176 P.3d 1255, 1262 et seq. (Or. 2008); Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 145 (Ore. App. 2004); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 110 (4th Cir. 1991); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 964 (N.D.Tex. 1978); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 305 (1980); in den Sekundärquellen GA: O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (2011), Judicial Decisions, Analysis, Other cases, Tortfeasor should not profit from wrongdoer; Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1436 (1993); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1316, 1319 (1976); einschränkend Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 919 (1998): berücksichtigungsfähiger Gewinn ist rechtssystematisch lediglich das Verhältnis zwischen einem sicheren und einem unsicheren Produkt (in Abgrenzung zum gesamten Gewinn aus der Produktion des unsicheren Produkts); gesetzlich festgelegt in Alas. Stat. § 09.17.020 (c); K.S.A. § 60 – 3701 (b), (f); KRS § 411.186 (2); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3; MCA § 27 – 1 – 221 (7) (b); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (5); ORC § 2307.80 (B); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (A); ORS § 30.925 (2); MUPLA Sec. 120; vgl. die Interpretation in der deutschen Literatur von Müller, P., S. 13: eigenständiges Ziel vergleichbar mit dem Vermögensausgleich im Rahmen der deutschen ungerechtfertigten Bereicherung und Geschäftsführung ohne Auftrag. 389 Mit der Ausnahme eines sozial unerwünschten Gewinns im Fall eines Individuums als Schädiger Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 898, 918 et seqq. (1998).
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5. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers Ob die wirtschaftlichen – insbesondere finanziellen – Verhältnisse des Schädigers bei der Bemessung der punitive damages berücksichtigt werden dürfen, wurde kontrovers diskutiert. Einig ist man sich lediglich, dass damit die – nach den bereits dargestellten Kriterien als exzessiv anzusehenden – punitive damages nicht gerechtfertigt werden können.390 Darüber hinaus wurde die Gefahr gesehen, dass die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zu irrationalen und unsachlichen Entscheidungen führen kann391, so dass die Darlegung dieser Umstände im Prozess ausgeschlossen wurde (also die Entscheidung über die Höhe der punitive damages auch nicht darauf beruhen kann).392 Auch wurde bezweifelt, dass die Betonung der finanziellen Ressourcen des Schädigers den Präventionszielen in der Produzentenhaftung dienen können, da hierdurch eher punitive damages aufgrund von Vorurteilen – insbesondere gegen Unternehmen mit ihrem Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks – und mangelnder Sympathie gegenüber großen (abstrakten und unpersönlichen) Unternehmen verhängt werden, so dass keine verhaltenssteuernde Prävention, sondern eine sozial motivierte Umverteilung von reichen Unternehmen auf arme Individuen erreicht wird.393 Jedes Unternehmen – gleich welcher Größe und wirtschaftlichen Verhältnisse – wird sich aufgrund seiner rationalen, risikoneutralen und profitorientierten Ausrichtung durch den Betrag an punitive damages beeinflussen lassen, der bei einem verwerflichen Verhalten die Kosten über die zu erwartenden Einkünfte erhöht.394 Ob das Argument, dass in der Produzentenhaftung das haftende Unternehmen nicht mit dem Hersteller des fehlerhaften Produkts und damit mit dem verwerflich Handelnden identisch sein muss395, überzeugend ist, kann bezweifelt werden, da die Voraussetzung der verwerflichen Handlung dem zur Zahlungspflicht Verurteilten nach den allgemeinen Regeln zugewiesen werden muss. Eine Haftung für fremdes Verschulden und für fremde Handlungen reicht gerade nicht aus. 390 So ausdrücklich klarstellend BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 591 (1996), conc., Breyer, J.; OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1181 (Ore. 2006); in der deutschen Literatur aufgegriffen von Göthel, RIW 2003, 610 (613). 391 Vgl. die ausführlichen Erwägungen in TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 491 et seq. (1993), diss., O’Connor, J. 392 Gesetzlich festgelegt in C.R.S. 13 – 21 – 102 (6); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (3); in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 950 (1989); in der deutschen Literatur Mörsdorf-Schulte, S. 12; missverständlich kategorisch darstellend Hirte/Otte, VersR 1993, 803 (806). 393 Vgl. BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 591 (1996), conc., Breyer, J.; Honda Motor Co. v. Oberg, 512 U.S. 415, 432 (1994); TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 464 (1993); l. c., 509 U.S. 443, 490 et seq. (1993), diss., O’Connor, J.; NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 408 (1961), diss., van Voorhis, J.; OR: Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 145 (Ore. App. 2004). 394 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 912 et seq. (1998); Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 950 et seq. (1989). 395 Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 952 (1989).
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In den meisten Rechtsordnungen wird die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers als legitimes Bemessungskriterium zugelassen396, da das negative Verspüren der punitive damages, was eine Voraussetzung zur Erreichung einer präventiven Verhaltenssteuerung ist, es erfordert, dass die Höhe der Zahlungsverpflichtung mit dem Vermögen des Schädigers steigt.397 Um zu vermeiden, dass das Gericht durch eine besonders gute finanzielle Ausstattung des Schädigers in der Bemessung der punitive damages illegitim beeinflusst wird, wurden verschiedene prozessuale Maßnahmen ergriffen, etwa dass bei der Urteilsfindung die jury die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zur Kenntnis erhält, sondern nur der Richter in der anschließenden Prüfung dieses Kriterium berücksichtigen darf398, dass die jury erst nach einer Entscheidung über das Ob der punitive damages alle 396 TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp., 509 U.S. 443, 464 (1993); Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 22 (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 48 (Alas. 1979); CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1154 et seq. (2008); Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 819 (1981); Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 399 (Cal. 1978); Barth v. B.F. Goodrich Tire Co., 265 Cal. App.2d 228, 241 (1968); IL: Lipke v. Celotex Corp., 505 N.E.2d 1213, 1220 (Ill. App. 1987); Moore v. Jewel Tea Co., 253 N.E.2d 636, 648 (Ill. App. 1969); LA: Grefer v. Alpha Technical, 965 So.2d 511, 517 (La. App. 2007); MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 678 fn. 3 (Minn. App. 1991); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 176 P.3d 1255, 1262 (Or. 2008); Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 145 (Ore. App. 2004); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 100 (4th Cir. 1991); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 302, 305 (1980); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment e.; CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 38. Evidence, Admissibility-Defendant’s Wealth-Generally, 51. Findings, Verdict, and Judgment-Generally, 57. Appellate Review-Amount of Damages; CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, III. Amount; GA: O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (2011), Judicial Decisions, Analysis, Other Cases, Financial resources of defendant; IL: § 735 ILCS 5/2 – 1207 (2011), Case Notes, Analysis, Amount of Award, Factors Considered; Galanter/Luban, 42 Am. U. L. Rev. 1393, 1408 (1993); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1266, 1315, 1318 et seq. (1976); gesetzlich festgelegt in Alas. Stat. § 09.17.020 (c); Iowa Code § 668 A.1 (3); K.S.A. § 60 – 3701 (b); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3; MCA § 27 – 1 – 221 (7) (a) (b); NRS § 42.005 (4); ORS § 30.925 (2); Okla. Stat. § 23 – 9.1. (A); ORC § 2307.80 (B); Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (2); MUPLA Sec. 120 (B) (6); in Deutschland BGH NJW 1992, 3096 (3102); Göthel, RIW 2003, 610 (613); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (601); bereits vorweggenommen von Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (835) und Zekoll, S. 68. 397 CA: Buell-Wilson v. Ford Motor Co., 160 Cal. App.4th 1107, 1155 (2008); Neal v. Farmers Insurance Exchange, 148 Cal. Rptr. 389, 399 et seq. (Cal. 1978); OR: Williams v. Philip Morris Inc., 127 P.3d 1165, 1181 (Ore. 2006); Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 145 (Ore. App. 2004); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 964 (N.D.Tex. 1978); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment e.; CA: Cal. Civ. Code § 3294 (2011), Notes of Decisions, 57. Appellate ReviewAmount of Damages; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1318 (1976); in der deutschen Literatur Göthel, RIW 2003, 610 (613); Wenglorz/Ryan, RIW 2003, 598 (601). 398 AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 et seq.(1991).
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bemessungserheblichen Umstände erfährt, die bei der Beurteilung einer hinreichenden Verwerflichkeit zur Begründung von punitive damages potentiell geeignet sind, Vorurteile auszulösen (bifurcation), wozu auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers gehören399, und dass die Herausgabe der Steuerunterlagen der jeweils gegnerischen Partei im discovery-Verfahren zur Vermeidung einer Offenlegung der gesamten Finanzunterlagen des Schädigers im Rechtsstreit teilweise untersagt ist400. Die Vertreter der ökonomischen Analyse des Schadensrechts lehnen die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers ab, da alle über die unter ökonomischen Aspekten optimal berechneten punitive damages hinaus zugesprochenen Zahlungen de facto Steuern auf die Unternehmensgröße sowie den Unternehmenserfolg seien und zu unökonomischen Vorsichtsmaßnahmen – verbunden mit einer gesellschaftlich nicht gewünschten Einschränkung der Aktivitäten der Hersteller –, unnötig hohen Produktpreisen – verbunden mit Nutzungseinschränkungen von gesellschaftlich wertvollen Produkten – oder zu einem Marktrückzug der Produkte führen können.401 6. Die Berücksichtigung der Rechtsverfolgungskosten Um zu vermeiden, dass der Schädiger trotz des verwerflichen Verhaltens gegenüber der Allgemeinheit der Haftung entgeht, weil der Verletzte die – im Regelfall hohen und von ihm aufgrund der American rule auch im Falle des Obsiegens zu tragenden – Prozesskosten nicht aus seinem sonstigen Vermögen begleichen kann oder weil es ihm aufgrund der Höhe der potentiellen compensatory damages nicht wert ist, diese – verbunden mit sehr umfangreichen prozessvorbereitenden Maßnahmen (discovery) – gerichtlich geltend zu machen, können die Rechtsverfolgungskosten in die Bemessung der punitive damages als einer unter mehreren Bemessungsfaktoren einbezogen werden.402 Dabei wurde auch berücksichtigt, dass der 399
Alas. Stat. § 09.17.020 (a); O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (d); Iowa Code § 668 A.1 (1) (2); K.S.A. § 60 – 3701 (a); R.S.Mo. § 510.263 (1 – 3); MCA § 27 – 1 – 221 (7) (a); NRS § 42.005 (3); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (2); ORC § 2315.21 (B); Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (2); in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 947 (1989); in der Gesetzgebung die Bestimmung der Höhe allein dem Richter zuweisend Conn. Gen. Stat. § 52 – 240b; dazu in den Sekundärquellen zustimmend Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1320 (1976); vgl. in den Sekundärquellen zur Problembeschreibung Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 489 (1990); mit Verweis auf Minn. Stat. § 549.20 Subd. 4 die bifurcation in Minnesota als nicht zwingend ansehend Minn. Stat. § 549.20 (2010), Case Notes No. 24; in der deutschen Literatur Frings, S. 19, 30 f. 400 CO: C.R.S. 13 – 21 – 102 (2010), Annotation, III. Amount. 401 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 911 (1998). 402 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 591 et seq. (1996), conc., Breyer, J.; Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 22 (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Verletzte im ersten Verfahren die umfangreichste, schwierigste, teuerste und riskanteste Aufklärungsarbeit zu leisten hat und dass Kläger in späteren Verfahren mit gleichen Verletzungshandlungen die Feststellungen und Ergebnisse dieses gerichtlichen Verfahrens unter Vermeidung eigener kostenträchtiger Aufklärungsarbeit verwenden können.403 Die Vertreter der ökonomischen Analyse des Schadensrechts sehen die Rechtsverfolgungskosten zwar als Faktor zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der Schadensliquidation an, kritisieren aber jede Berücksichtigung darüber hinaus als gesellschaftspolitisch unerwünschten Anreiz zur gerichtlichen Rechtsverfolgung.404 Um zu vermeiden, dass geschädigte Einzelpersonen, die sich ein Gerichtsverfahren nicht leisten können und deren compensatory damages zur Vereinbarung eines Erfolgshonorars so gering sind, dass sie an der Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche gehindert werden (aber auch um zu erreichen, dass der Hersteller nicht zu mehrfachen punitive damages in voller Höhe auf das einheitliche verwerfliche Verhalten gegenüber allen Produktnutzern in verfahrensökonomisch unsinnigen Einzelprozessen mit u. U. abweichenden Entscheidungen verurteilt wird)405, hätte es nicht unbedingt einer Erhöhung der punitive damages bedurft, sondern es wäre im US-amerikanischen Prozessrecht auch eine class action in Frage gekommen. In diesem Verfahren werden zur Befriedigung von Personen mit gleichen Ansprüchen, deren Anzahl entweder so hoch ist, dass im Sinne der Funktionsfähigkeit des Rechtssystems diese Ansprüche nicht in Einzelverfahren geltend gemacht werden sollten, oder deren einzelne Ansprüche so niedrig sind, dass sich die gerichtliche Geltendmachung mit Blick auf die Kosten als unwirtschaftlich darstellt, alle Gläubiger mit dem Ziel in einer einzigen Klage zusammengefasst, die allgemeinen Interessen dieser in ähnlicher Weise verletzten Kläger einheitlich zu berücksichtigen, das Urteil für und gegen alle Mitglieder dieser Gruppe gelten zu lassen und die Schadenersatzsumme unter den Mitgliedern entsprechend aufzuteilen.406 Gegen das Zulassen von class actions in der Produzentenhaftung wurde jedoch vorgebracht, dass die materiell-rechtliche Entscheidung über das Vorliegen eines Haftungstatbestandes auf einer Einzelabwägung mit erheblich unterschiedlichen entscheidungsbeeinflussenden Tatsachen bei jedem einzelnen Anspruchsteller beruht, die eine Bindung der gleichartig Verletzten an die allgemeinen Feststellungen (Ala. 1987), conc., Houston, J.; SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 110 (4th Cir. 1991); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 292 (1980); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment e.; Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1319 (1976); in der deutschen Literatur Müller, P., S. 12 f. 403 WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 292 (1980); in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1325 (1976). 404 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 921 et seqq. (1998). 405 Diese Vorteile in der deutschen Literatur darlegend Rosengarten, S. 88. 406 CA: Osborne v. Subaru of America, Inc., 198 Cal. App.3d 646, 652 (1988); vgl. in der deutschen Literatur Hirte, VersR 2000, 148 (149); Rosengarten, S. 88.
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zu deren Lasten ebenso wenig als zumutbar erscheinen lässt, wie die Bindungen des Schädigers zu dessen Lasten.407 Auch wurden ethische Probleme und die Möglichkeit des opt-out für einzelne Kläger gegen die Zulässigkeit der class action in der Produzentenhaftung vorgebracht.408 7. Die Berücksichtigung von Sanktionen wegen des gleichen Verhaltens In der Produzentenhaftung besteht die sehr reale Gefahr, dass eine als verwerflich einzuschätzende Herstellerentscheidung zur Konstruktion, Herstellung oder zum Vertrieb des Produkts zu einer Vielzahl von Verletzungen und damit zu einer Vielzahl von Gerichtsverfahren mit im Raum stehenden punitive damages führt. So könnte in jedem einzelnen Verfahren die einmalige Herstellerhandlung zu einer Vielzahl von punitive damages führen, die alle für sich betrachtet angemessen, in ihrer Summe aber das für die Prävention notwendige Maß bei weitem übersteigen.409 Die dadurch begründete Insolvenzgefahr des Herstellers könnte aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gründen, aber auch im Interesse der zeitlich später liquidierenden Verletzten zu vermeiden sein, da diese in späteren Prozessen nicht einmal compensatory damages erhalten würden.410 Diese Befürchtung hat einige Gesetzgeber zu einer Begrenzung der Häufigkeit der Verurteilung zu punitive damages wegen desselben Verhaltens in der Produzentenhaftung veranlasst. In Georgia wird zum Schutz der volkswirtschaftlichen Entwicklung und der Versicherungswirtschaft die Verhängung von punitive damages auf den ersten beendeten Rechtsstreit begrenzt, so dass das singuläre Fehlverhalten eines Herstellers mit einer Gefährdung oder gar Schädigung von vielen Personen zwar zu mehrfachen Schadenersatzzahlungen, aber nur zu einer einmaligen Verur-
407 Vgl. die Aspekte, die gegen die Zulassung einer class action sprachen, in CA: Osborne v. Subaru of America, Inc., 198 Cal. App.3d 646, 653 et seq. (1988); in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 927 et seq. (1989); in der deutschen Literatur mit Darstellung der Zurückhaltung der Gerichte, die Zulässigkeit von Sammelklagen zu bestätigen, Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829. 408 Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 928 (1989); vgl. dazu auch die umfangreichen Ausführungen zu den Missbrauchsgefahren von class actions in den USA mittels einer eventuellen erpresserischen Wirkung zu Lasten der Beklagten und aufgrund der Rechtskraftwirkung zu Lasten von unbeteiligten Dritten mit (u. U. zukünftigen) Ansprüchen Hirte, VersR 2000, 148 (149 ff.). 409 Vgl. die Problembeschreibung in BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 593 (1996), conc., Breyer, J.; CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 812 (1981); NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 839 (2nd Cir. 1967); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 293, 297 et seq. (1980); in den Sekundärquellen von Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 488, 490 (1990). 410 Darauf hinweisend Schwartz/Margarian, 28 Am. Bus. L. J. 485, 490 (1990); Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 925 (1989).
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
teilung zu punitive damages führen kann.411 Ähnlich hat der Gesetzgeber in Florida geregelt, dass ein Hersteller für den gleichen Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler an den Produkten aus einer Serie nur einmal zu punitive damages verurteilt werden kann, es sei denn, in einem nachfolgenden Verfahren wird gerichtlich die Insuffizienz der ersten Sanktion festgestellt, wobei die erste Verurteilung zu punitive damages von der nachfolgend als notwendig angesehenen Höhe zwingend in Abzug zu bringen ist.412 In den meisten Rechtsordnungen wird das – aus der Funktion der punitive damages folgende – Interesse der Allgemeinheit, dass Sanktionen mit gleichen präventiven Zwecken, wie anderweitige bereits verhängte Kriminalstrafen oder punitive damages wegen des gleichen Verhaltens, entschädigungsbegrenzend angerechnet werden, aufgegriffen.413 Ohne eine explizite standardisierte Anrechnungs-, Ausschluss- oder Kappungsregelung werden – insbesondere in der Produzentenhaftung bei mehreren Verletzungen aufgrund eines einheitlichen Produktfehlers – anderweitige Sanktionen betreffend das gleiche verwerfliche schädigende Verhalten im Rahmen einer Gesamtschau berücksichtigt.414 Diese flexible Anrechnung wurde damit begründet, dass ansonsten ein Wettlauf der Verletzten um das erste Urteil zu befürchten sei und dass der erste Verletzte über seinen eigenen Schaden hinaus einen finanziellen Vorteil nicht nur für das von ihm erlittene Unrecht, sondern ungerechtfertigt auch für Verletzungen anderer Personen, ggf. unter Zugrundelegung von 411 O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (e) (1); GA: Mack Trucks, Inc. v. Conkle, 436 S. E.2d 635, 638 et seq. (Ga. 1993); dazu kritisch NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 839 et seq. (2nd Cir. 1967); in den Sekundärquellen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 924 et seq. (1989); in der deutschen Literatur Mörsdorf-Schulte, S. 31; vgl. zu einer ähnlichen Regelung im sog. – im Ergebnis nicht verabschiedeten – Kasten-Entwurf eines Bundesgesetzes zur Produkthaftung von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (194). 412 Fla. Stat. § 768.73 (2). 413 BMW of North America, Inc. v. Gore, 517 U.S. 559, 592 (1996), conc., Breyer, J.; Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 22 (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 223 et seq. (Ala. 1989); Aetna Life Insurance Co. v. Lavoie, 505 So.2d 1050, 1062 (Ala. 1987), conc., Houston, J.; OR: Williams v. Philip Morris Inc., 176 P.3d 1255, 1262 (Or. 2008); Williams v. Philip Morris Inc., 92 P.3d 126, 142 (Ore. App. 2004); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 110 (4th Cir. 1991); WV: Garnes v. Fleming Landfill, Inc., 186 W.Va. 656, 668 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 304 et seq. (1980); in den Sekundärquellen Restatement of the Law, Second, Torts, § 908, Comment e.; Polinsky/ Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 924 et seqq. (1998); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1319 (1976); gesetzliche Festlegungen im Alas. Stat. § 09.17.020 (c); C.R.S. 13 – 21 – 102 (2); Fla. Stat. § 768.73 (2); O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (b); K.S.A. § 60 – 3701 (b); Minn. Stat. § 549.20 Subd. 3; R.S.Mo. § 510.263 (4); MCA § 27 – 1 – 221 (7) (b); N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (5); ORC § 2307.80 (B), § 2315.21 (D) (5); ORS § 30.925 (2); MUPLA Sec. 120 (B) (7); mit einer Diskussion der Auswirkungen auf die Vollstreckbarkeit derartiger Urteile in Deutschland Rosengarten, S. 205. 414 CA: Grimshaw v. Ford Motor Co., 119 Cal. App.3d 757, 812 (1981); NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 839 (2nd Cir. 1967); TX: Maxey v. Freightliner Corp., 450 F. Supp. 955, 962 (N.D.Tex. 1978); vgl. zur Kritik in der deutschen Literatur Rosengarten, S. 86 f.; Böhmer, PHI 1992, 72 (79).
B. Die punitive damages in den USA
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ungenügenden Informationen zu den mitabgedeckten anderen Gerichtsverfahren, erhalten würde.415 Auch wenn diese Anrechnung auf den ersten Blick zu Gunsten des Herstellers wirkt, sollte er sich trotzdem genau überlegen, ob er sich zur Vermeidung einer erneuten Verurteilung zu punitive damages auf die vorherige Verurteilung beruft, müsste er doch vortragen, dass bereits von einem anderen Gericht sein Verhalten als hinreichend verwerflich angesehen wurde, so dass der entscheidende Spruchkörper geneigt sein könnte, seine Feststellung der Verwerflichkeit nicht auf die vorgebrachten Beweise, sondern auf die anderweitige Feststellung zu stützen.416 In den Sekundärquellen wurde vorgeschlagen, zur Vermeidung eines Präventionsexzesses und zur Teilhabe aller Verletzter an der erhöhten Entschädigung die ausgeurteilten punitive damages – bis zur optimalen Höhe – nicht direkt an den Kläger auszuzahlen, sondern in einen Treuhandfond einzuzahlen, aus dem alle Verletzten gleichmäßig einen Geldbetrag erhalten, soweit dieser Geldbetrag nicht für Schadenersatzzahlungen über den ursprünglich prognostizierten Umfang hinaus verwendet werden muss.417 Im Rahmen der Systematik der ökonomischen Analyse des Schadensrechts ist die Berücksichtigung anderer gerichtlicher oder außergerichtlicher Zahlungspflichten und anderer Strafen aufgrund des schädigenden Verhaltens ein wichtiges Kriterium, um den Umfang und die vollständige Liquidation des tatsächlichen Schadens zur Ermittlung der Höhe einer zusätzlichen Entschädigung zu bestimmen.418 8. Die Berücksichtigung unerwünschter volkswirtschaftlicher Folgen Vereinzelt wurde in der Bemessung der punitive damages allgemein berücksichtigt, dass die zur Erreichung präventiver Wirkungen notwendige Höhe an punitive damages zu katastrophalen Ergebnissen für die Allgemeinheit führen könnten, etwa weil das Unternehmen als Ganzes aufgrund eines vereinzelten verwerflichen Verhaltens in die Insolvenz getrieben wird, obwohl dieses in der Vergangenheit bzw. in der Zukunft für den Verbraucher gute Produkte angeboten hat bzw. anbieten wird.419 Daher wurde die Vermeidung einer drohenden Insolvenz des Schädigers aufgrund der Höhe der punitive damages als zulässiges Bewertungskriterium anerkannt.420 Lediglich in seltenen Einzelfällen erstrecke sich das gesellschaftliche 415
Darauf hinweisend Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 925, (1989); in der deutschen Literatur Rosengarten, S. 87. 416 Darauf in der deutschen Literatur hinweisend Rosengarten, S. 86. 417 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 925 (1998) unter Zugrundelegung der Berechnung optimaler punitive damages im Sinne der ökonomischen Analyse des Schadensrechts; ähnlich, aber mit der Erkenntnis fehlender Praktikabilität, Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1324 (1976). 418 Polinsky/Shavell, 111 Harv. L. Rev. 869, 924 et seqq. (1998). 419 NY: Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc., 378 F.2d 832, 841 (2nd Cir. 1967). 420 Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip, 499 U.S. 1, 20 (1991); AL: United Services Automobile Association v. Wade, 544 So.2d 906, 915 (Ala. 1989); Hammond v. City of
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Präventionsinteresse auch auf die Begründung einer Insolvenzgefahr durch punitive damages, um den Schädiger in Zukunft (durch dessen Insolvenz) vom verwerflichen Handeln und damit vom potentiell schädigenden Verhalten abzuhalten.421
IX. Gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung und Verteilung von punitive damages Die besonders in der Produzentenhaftung als negativ empfundenen Auswirkungen von punitive damages auf die Volkswirtschaft422 führten in einigen Rechtsordnungen zu gesetzlichen Höchstgrenzen (liability cap).423 Auch sieht der Gesetzgeber in einigen Rechtsordnungen den Vermögensvorteil des Verletzten über die vollständige Schadenskompensation hinaus als rechtlich nicht hinreichend legitimiert an und legt fest, dass dieser (teilweise) an die Staatskasse zu zahlen ist (state sharing act).424 1. Absolute und verhältnismäßige Obergrenzen für punitive damages 425 Exemplarisch soll auf einige typische Obergrenzen eingegangen werden. So sind in Florida punitive damages mit einer relativen Höchstgrenze auf das Dreifache der compensatory damages und mit einer absoluten Höchstgrenze auf $ 500.000 begrenzt, es sei denn, die verwerfliche Handlung war das Ergebnis einer unangemessenen finanziellen Entscheidung und dieser Umstand und auch die unangeGadsden, 493 So.2d 1374, 1379 (Ala. 1986); CA: West v. Johnson & Johnson Products, Inc., 174 Cal. App.3d 831, 872 (1985); SC: Mattison v. Dallas Carrier Corp., 947 F.2d 95, 110 (4th Cir. 1991); Gamble v. Stevenson, 305 S.C. 104, 112 (1991); zurückhaltend in der Berücksichtigung NY: Texaco, Inc. v. Pennzoil, Co., 729 S.W.2d 768, 865 (Tex. App. 1987). 421 AL: Ridout’s-Brown Service, Inc. v. Holloway, 397 So.2d 125, 127 (Ala. 1981), conc., Jones, J.; in der deutschen Literatur Schmitz, JuS 1999, 941 (943); Hirte/Otte, VersR 1994, 1387 (1397). 422 Vgl. hierzu die Einschätzung der legislativen Maßnahmen zur Begrenzung der Häufigkeit und Höhe von punitive damages in MN: Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc., 471 N.W.2d 670, 680 (Minn. App 1991), diss., Crippen, J. 423 Diskutiert von Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 927 (1989); in der deutschen Literatur Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (852); mit Verweis auf die zu diesem Zeitpunkt aktuellen Summenbeschränkungen (CT: doppelter kompensatorischer Schadenersatz; KS: Gewinnhaftung auf höchsten Jahresgewinn der letzten fünf Jahre begrenzt auf $ 500.000, in Ausnahmefällen 1,5fache des Gewinns ohne Beschränkung) Rosengarten, S. 74. 424 Diskutiert von Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 926 et seq. (1989); in der deutschen Literatur Koch, Festschrift für Reich, S. 845 (852); so auch das – vom Gericht zurückgewiesene – Vorbringen des Herstellers in WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 291 (1980). 425 Vgl. auch die Übersicht als Momentaufnahme in Zekoll, IPRax 1997, 198 (200); Mörsdorf-Schulte, S. 11; Stiefel/Stürner, VersR 1987, 829 (843); vgl. die Haftungsgrenzen für kleine Unternehmen im – nicht in Kraft getretenen – SBLRA Sec. 103 (b).
B. Die punitive damages in den USA
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messene Gefährlichkeit des Handelns sowie die hohe Verletzungswahrscheinlichkeit waren tatsächlich dem Management bekannt (Erhöhung der relativen Höchstgrenze auf das Vierfache der compensatory damages mit einer absoluten Höchstgrenze von $ 2.000.000) oder es bestand eine direkte Schädigungsabsicht (keine Obergrenzen).426 Während Virginia eine absolute Obergrenze von $ 350.000 vorsieht427, gilt in Georgia die für deliktische Fälle festgelegte absolute Höchstgrenze von $ 250.000 mit Verweis auf ein entsprechendes öffentliches Interesse u. a. nicht in der Produzentenhaftung428. Punitive damages sind in Colorado relativ auf die Höhe des tatsächlichen Schadenersatzes begrenzt, es sei denn, der Beklagte hat absichtlich das Schadenersatzverfahren fortgesetzt oder der Beklagte hat absichtlich und in Kenntnis der Folgen während des anhängigen Verfahrens den Schaden des Klägers vergrößert (Erhöhung der Begrenzung auf das Dreifache des tatsächlichen Schadenersatzes).429 In Connecticut gilt in der Produzentenhaftung eine Höchstgrenze in Höhe des Doppelten der compensatory damages.430 Gegen absolute und relative Obergrenzen wurde eingewendet, dass damit lediglich die Höhe der punitive damages in jedem Einzelfall begrenzt wird, jedoch nicht das Problem der unangemessenen Belastung mit Entschädigungszahlungen bei mehrfachen Verurteilungen zu punitive damages aufgrund des gleichen fehlerhaften Produkts gelöst wird.431 2. Die Beteiligung der Staatskasse an punitive damages In einzelnen Rechtsordnungen wurden verschiedene Überlegungen in Minderheitsvoten zu Beginn der 1980er Jahre vom Gesetzgeber aufgegriffen432, etwa dass 426
Fla. Stat. § 768.73 (1); vgl. auch ähnliche Regelungen mit unterschiedlichen Anknüpfungspunkten der relativen Obergrenze in Ala. Code § 6 – 11 – 21; Alas. Stat. § 09.17.020 (f-h); Idaho Stat. § 6 – 1604 (3); K.S.A. § 60 – 3701 (e); NRS § 42.005 (1): ausgenommen Produkthaftung; N.D. Cent. Code § 32 – 03.2 – 11. (4); ORC § 2315.21 (D) (2); Okla. Stat. § 23 – 9.1.; Tex. Civ. Prac. & Rem. Code § 41.008. 427 Va. Code § 8.01 – 38.1. 428 GA: Mack Trucks, Inc. v. Conkle, 436 S. E.2d 635, 639 (Ga. 1993); gesetzlich festgelegt in O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (g). 429 C.R.S. 13 – 21 – 102 (1) (3). 430 Conn. Gen. Stat. § 52 – 240b. 431 Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 927 (1989). 432 Gesetzliche Festlegungen im Alas. Stat. § 09.17.020 (j); im Rahmen des MUPLA Sec. 120 mit Sympathien erwogen, aber aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt, in l. c., Analysis, p 62749; in der deutschen Literatur mit Verweis auf die Zuweisung der punitive damages an die Staatskasse in Alaska, Georgia, Indiana, Iowa, Missouri, Oregon und Utah Hirte/Willamowski, VersR 2007, 143 (149): Indiz für den öffentlich-rechtlichen Charakter; Hoppe, S. 192; Regelungen aufgreifend Zekoll, IPRax 1997, 198 (200); Mörsdorf-Schulte, S. 11; vgl. auch von Hülsen/Brüning-Brinkmann, RIW 1985, 187 (194) mit Verweis auf den sog. – im Ergebnis nicht verabschiedeten – Kasten-Entwurf eines Bundesgesetzes zur Produkthaftung.
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
punitive damages zwar in der Höhe des Ausgleichs erlittener (nicht von compensatory damages abgedeckter) Verluste beim Kläger verbleiben sollten (insbesondere als Ausgleich für die Rechtsverfolgungskosten), aber der darüber hinausgehende, zur Prävention im öffentlichen Interesse verhängte Betrag der Öffentlichkeit im Wege der Zahlung an öffentliche Haushalte zur Finanzierung von öffentlichen Kosten im Zusammenhang mit dem schädigenden Verhalten fließen sollte433. Die Abführung steht in der Regel unter dem Primat eines vorherigen vollständigen Ausgleichs der (teilweise näher spezifizierten) Rechtsverfolgungskosten.434 Hinsichtlich der sehr unterschiedlichen Aufteilungsschlüssel soll lediglich exemplarisch auf verschiedene Regelungen eingegangen werden. In Oregon verbleiben 30 v.H. der Entschädigung der obsiegenden Partei und 70 v.H. fließen der Staatskasse zu (60 v.H. in einen Fond, aus dem öffentliche Entschädigungsleistungen für Opfer von Straftaten bezahlt werden, und 10 v.H. in einen Fond, der zur Finanzierung der Sicherheit in den Gerichten dient).435 In Georgia wird es in der Produzentenhaftung selbst für die (zufällig) erste erfolgreiche Klage im Zusammenhang mit einer einheitlichen Rechtsverletzung (nur in dieser dürfen bezogen auf alle Schäden und Gefahrensituationen punitive damages zugesprochen werden) als ungerechtfertigt angesehen, dem Verletzten einen Vermögensvorteil über den Schadenausgleich hinaus zuzusprechen, so dass die im öffentlichen Interesse verhängten punitive damages der Bevölkerung mittels einer Abführungsquote an die Staatskasse in Höhe von 75 v.H.436 zu Gute kommen sollen.437 In Utah gehen die ersten $ 50.000 der punitive damages an den Kläger, und die darüber hinausgehende Summe wird zwischen Staat und Kläger gleichmäßig aufgeteilt.438 Der Gesetzgeber in Iowa verteilt die ausgeurteilten punitive damages in den Fällen, in denen die schädigende Handlung nicht gezielt dem Verletzten gegolten hat (was in der Produzentenhaftung de facto immer der Fall sein dürfte), zu 25 v.H. an den Kläger und zu 75 v.H. an die Staatskasse (zur Umsetzung von Hilfsprogrammen in der Zivilrechtspflege und gegenüber Versicherungen).439 Illinois sieht die flexibelste Regelung vor und stellt die Aufteilung der punitive damages zwischen dem Kläger, dessen Rechtsbeistand und dem Staat in das nicht konkretisierte Ermessen des Gerichts.440
433
fey., J. 434
Exemplarisch WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 329 (1980), diss., Cof-
O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (e) (2); § 735 ILCS 5/2 – 1207; Iowa Code § 668 A.1 (2) (b); ORS § 31.735 (1) (a); Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (3) (b); vgl. zu einer Erläuterung in den Sekundärquellen ORS § 31.735 (2009), Case Notes No. 4. 435 ORS § 31.735 (1). 436 O.C.G.A. § 51 – 12 – 5.1 (e) (2). 437 GA: Mack Trucks, Inc. v. Conkle, 436 S. E.2d 635, 638 et seq. (Ga. 1993); ähnlich bereits NY: Walker v. Sheldon, 10 N.Y.2d 401, 409 (1961), diss., Voorhis, J. 438 Utah Code Ann. § 78B-8 – 201 (3). 439 Iowa Code § 668 A.1 (1) (2). 440 § 735 ILCS 5/2 – 1207.
C. Die billige immaterielle Entschädigung in der dt. Produzentenhaftung
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Gegen die Beteiligung der Staatskasse an punitive damages – vor allem in der Produzentenhaftung – wurde vorgebracht, dass der Vermögensvorteil für den Staat ungerechtfertigt sei, weil dieser weder die Allgemeinheit vor unsicheren Produkten geschützt noch etwas für die Prozessführung des Verletzten getan hat und weil der Staat diese Mittel auch nicht zur Entschädigung oder Hilfe für produktgeschädigte Verbraucher verwenden muss.441 Auch könne eine Beteiligung der Staatskasse weder das Problem der Begrenzung der Entschädigungshöhe lösen, noch seien die neu entstehenden rechtsethischen Probleme vom Gesetzgeber gelöst, wenn der Prozessvertreter des Verletzten einerseits den Interessen seines Mandanten, andererseits den staatlichen Interessen zu dienen habe.442 Mehr noch könne die Beteiligung der Staatskasse an punitive damages sogar die bezweckte Präventionswirkung gefährden, wenn sich aus Effektivitätsgründen weniger Verletzte für eine gerichtliche Verfolgung ihrer Ansprüche entscheiden.443
C. Die billige immaterielle Entschädigung in der deutschen Produzentenhaftung I. Die Bemessung der billigen immateriellen Entschädigung in der Produzentenhaftung Die Produzentenhaftung als eigenständiges Rechtsgebiet umfasst zwei getrennte Schutzbereiche für den Verbraucher. In einem ersten Schutzbereich soll der verletzte Produktnutzer oder der zufällig mit dem Produkt in Kontakt kommende Dritte die Nachteile, die er aufgrund des nicht rechtskonformen Zustands der Produktsubstanz erfährt, ersetzt bekommen. Es handelt sich primär um einen Schutz der finanziellen Interessen des Einzelnen nach einer Gesundheitsverletzung, nicht aber um einen Schutz des Einzelnen vor Gesundheitsverletzungen. Dieses auf den Schadenausgleich der einzelnen Betroffenen gerichtete Schutzziel ist mit dem verschuldensunabhängigen, objektbezogenen ProdHaftG in Deutschland als Produkthaftungsrecht gesetzlich geregelt worden. Der Umfang der Schadenersatzpflicht des Herstellers im Ausgangsfall hat jedoch deutlich gemacht, dass die verbraucherschützende Zielrichtung des Produkthaftungsrechts unvollständig, wenn nicht sogar gefährdet ist, falls nicht auch eine allgemeine präventive Wirkung verfolgt wird. Fokussiert formuliert darf es für den Hersteller finanziell nicht lukrativer sein, ein gefährliches Produkt mit höheren Gewinnmargen (gegenüber einem hinreichend sicheren Produkt) auf den Markt zu bringen und eventuelle Schadenersatzzahlungen, die erst anfallen, wenn sich die Gefahren tatsächlich realisiert haben und der Verletzte die deliktische Schädigung 441 442 443
GA: Mack Trucks, Inc. v. Conkle, 436 S. E.2d 635, 641 (Ga. 1993), diss., Benham, J. Mit Beispielen Wheeler, 40 Ala. L. Rev. 919, 926 (1989); MUPLA, Analysis, p. 62749. WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 292 (1980).
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überhaupt erkennen, beweisen sowie finanziell das Prozessrisiko tragen kann, als Geschäftskosten aus den generierten Gewinnen zu zahlen. Die Ausgangslage ist also ähnlich der Haftung zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor Verletzungshandlungen durch Medienunternehmen, bei der eine über den reinen Schadenausgleich hinausgehende billige Entschädigung zur wirksamen Prävention von moralisch verwerflichen Handlungen damit begründet wird, dass dadurch der Schädiger oder Dritte in ähnlichen Situationen von derartigen verwerflichen Handlungen Abstand nehmen sollen.444 Übertragen in das Produkthaftungsrecht müssen die Haftungskosten für rechtswidrig unsichere Produkte so hoch sein, dass sie auf dem Warenmarkt derartig benachteiligt werden, dass es für den Hersteller finanziell günstiger ist, rechtmäßig sichere Produkte in den Warenverkehr zu geben.445 Anderenfalls würde die Rechtsordnung den Produktnutzer oder Dritte in den Fällen schutzlos lassen, in denen er am schutzbedürftigsten ist, nämlich wenn die Gefährdung (und Schädigung) das Ergebnis eines besonders rücksichtslosen Gewinnstrebens des Herstellers unter Inkaufnahme schwerer Verletzungen oder der Tötung von ahnungs- und schutzlosen Verbrauchern ist. Darin besteht der zweite Schutzbereich. Ohne ein derartiges – auf ein zukünftiges Verhalten gerichtetes – Schutzziel wäre es in der Produkthaftung rechtsökonomisch sinnvoller, den Schadenausgleich grundsätzlich allein an den Schadenerfolg anzuknüpfen, entweder zu Lasten des Herstellers als verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung oder auf Seiten des Verletzten durch ein allein an den Schadenerfolg anknüpfendes sekundäres staatliches oder privatrechtliches Versicherungssystem.446 Für dieses Verständnis des deutschen Produkthaftungsrechts mit seinem Schutzzieldualismus sind alle rechtlichen Grundlagen gegeben. Mittels des objektbezogenen § 1 Abs. 1 ProdHaftG kann der durch ein rechtswidrig gefährliches Produkt verletzte Produktnutzer oder ein Dritter im Sinne des Verbraucherschutzes seinen materiellen und immateriellen Schaden ohne Darlegung von verhaltensbezogenen und subjektiven Umständen liquidieren. Der verhaltensbezogenen Produzentenhaftung gemäß §§ 15, Abs. 2 ProdHaftG, 823 Abs. 1 BGB kommt hingegen die Aufgabe zu, die in den Augen der Allgemeinheit nicht nur rechtswidrigen, sondern darüber hinaus besonders verwerflichen und gefährlichen Verhaltensweisen der Hersteller zu unterbinden. Ob die gegen ein derartiges Nebeneinander beider Ansprüche gerichtete Kritik in den USA, dass die geringeren (bzw. fehlenden) Anforderungen an die Begründung der compensatory damages im Rahmen der 444 Vgl. hierzu Müller, P., S. 341 f.: „Als besonders schlagkräftig im Kampf gegen unerwünschte Verhaltensweisen erweist sich der ,instrumentierte‘ Immaterialschadensersatz.“ 445 Vgl. zur strict products liability Restatement of the Law, Third, Torts: Products Liability, § 2, Reporters Notes: Comment a. 446 Die Verknüpfung der (negativen) Einwirkung auf absolute Rechtsgüter Dritter mit einer Pflicht zur Zahlung eines Geldersatzes bei einem schuldhaften – also gesellschaftlich nicht tolerierbaren – Verhalten macht deutlich, dass es auch ein Ziel des an ein Verhalten anknüpfenden Deliktsrechts ist, das Verhalten des Schädigers und Dritter in zukünftigen ähnlichen Situationen aufgrund der als Sanktion empfundenen Geldzahlungspflicht zu verändern.
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objektbezogenen strict products liability die viel strengeren Anforderungen an die Begründung eines besonders verwerflichen Herstellerverhaltens im Rahmen der punitive damages aufweichen könnten447, auch bei einer Entscheidungsfindung durch einen Berufsrichter begründet sein könnte, kann offen bleiben. Da die Entscheidungsfindung über eine Erhöhung der billigen Entschädigung über den Schadenausgleich hinaus eine besondere rechtssystematische Sensibilität aufweist, sollte das Gericht bei einer derartigen Erhöhung verpflichtet sein, alle bei der Bemessung der präventiven Entschädigung berücksichtigten Faktoren in der Urteilsbegründung aufzuführen und deren Gewichtung darzustellen, um eine Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz zu ermöglichen. An dieser Schlussfolgerung kann auch nicht der unbestrittene Grundsatz des deutschen Schadenersatzrechts etwas ändern, dass der Verletzte seinen Schaden nur bis zur Höhe der tatsächlich erlittenen Nachteile ausgeglichen bekommen darf. Bei der Entschädigung handelt es sich gerade nicht um einen Schadenersatz, der tatsächlich vermittelt über die Differenzhypothese nur dem Ausgleich erlittener Nachteile dient. Der Begriff der Billigkeit erweitert den Rechtsbegriff der Entschädigung auf weitere Funktionen, so etwa auf die von der Rechtsprechung entwickelten zusätzlichen Funktionen der Genugtuung und der Prävention im Falle einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder einer verzögerten Schadensregulierung durch Versicherer. Schwerer wiegt dagegen der Einwand, dass die Berücksichtigung von präventiven Zielen die Entschädigung zu einer Privatstrafe ähnlich der punitive damages mutieren lasse, deren vergeltender Charakter (retribution) in Urteilen durch Formulierungen wie „to punish the wrongdoer“448 oder „to punish the tortfeasor“449 zum Ausdruck käme. Die durchgeführte Analyse der punitive damages macht aber deutlich, dass die für den Hersteller intendierten schmerzhaften Wirkungen weniger (vergangenheitsbezogenen) Vergeltungszielen, sondern primär (zukunftsorientierten) präventiven Zielen dienen. Die Verurteilung muss aus allgemeinen Angemessenheitserwägungen im Einzelfall auch verhältnismäßig sein. Dazu gehört, dass ein Lebenssachverhalt vorliegt, der eine Verhaltenssteuerung durch die abschreckende Wirkung der erhöhten Ent447 Vgl. WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 321 et seq. (1980), diss., Coffey, J.; a.A. die Mehrheit in der gleichen Entscheidung l. c., 97 Wis.2d 260, 270 (1980); vgl. in den Sekundärquellen Owen, 74 Mich. L. Rev. 1257, 1269, 1271 (1976): keine überzeugende Begründung für eine Begrenzung der Ansprüche aus negligence auf die Ansprüche aus der daneben bestehenden strict products liability. 448 Exemplarisch AL: Wilson v. Dukona Corp., 547 So.2d 70, 73 (Ala. 1989); Green Oil Co. v. Hornsby, 539 So.2d 218, 222 (Ala. 1989); AK: Sturm, Ruger & Co. v. Day, 594 P.2d 38, 47 (Alas. 1979); FL: American Motors Corp. v. Ellis, 403 So.2d 459, 467 (Fla. App. 1981); MD: Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc., 88 Md. App. 672, 715 (1991); WI: Wangen v. Ford Motor Co., 97 Wis.2d 260, 277 (1980). 449 Exemplarisch City of Newport v. Fact Concerts, Inc., 453 U.S. 247, 266 (1981); vgl. in den Sekundärquellen LA: La. C.C. Art. 3546 (2011), Commentary (b).
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schädigung erwarten lässt. Hier gleichen sich die Voraussetzungen in Deutschland (bezüglich der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) und in den USA (punitive damages), dass das schädigende Verhalten eine motiv- und interessengeleitete Handlung, also das Ergebnis eines zeitlich darstellbaren Planungs- und Abwägungsvorgangs, sein muss.450 Wie in den Urteilsgründen zu punitive damages in der Produzentenhaftung ist daher vertieft auf die technische und personelle Planung sowie die Abwägung von Interessen und Motiven in der Herstellerentscheidung – wie er ein Produkt konstruiert, auf welchen Produktionsanlagen er dieses herstellt, welche Zulieferteile er benutzt, welche Qualitätskontrollen er installiert und mit welchen Instruktionen und Warnungen er das Produkt in den Warenverkehr bringt, um unter Berücksichtigung der Herstellungskosten, der möglichen Marktplatzierung, des Absatzumfanges und des erzielbaren Verkaufspreises einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen – abzustellen. Damit verbunden ist auch zwingend der positive Nachweis eines schuldhaften Verhaltens des Herstellers. Ein vermutetes Verhalten oder eine Unwerthaftung reichen nicht aus, um eine verhaltenssteuernde Wirkung durch eine erhöhte Entschädigung zu erwarten. Die Eingriffe in das deutsche Deliktsrecht sind so substantiell, dass eine Entschädigungserhöhung aus präventiven Gründen – wie im Rahmen der Haftung aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der punitive damages anerkannt – nur als ultima ratio dann erforderlich ist, wenn es objektiv keine andere Möglichkeit gibt, den Schädiger oder Dritte in ähnlichen Situationen in Zukunft davon abzuhalten, ein ähnlich gefährliches oder schädigendes Verhalten an den Tag zu legen. Wie der Ausgangsfall deutlich macht, kann in der Produzentenhaftung das allgemein anerkannte Ziel, den Hersteller zur Inverkehrgabe von möglichst sicheren Produkten zu motivieren, dann nicht erreicht werden, wenn es für den Hersteller profitabler ist, eventuell geltend gemachte materielle und immaterielle Schäden zu liquidieren, weil die mit der gefährlicheren Produktsubstanz verbundenen Kostenersparnisse und die mit der Verschleierung der Produktgefahr im Vertrieb des Produkts verbundene Durchsetzbarkeit eines höheren Verkaufspreises einträglicher sind. Der ultima ratio-Gedanke begrenzt auch hinsichtlich des subjektiven Herstellerverhaltens die Verurteilung des Herstellers über den von ihm verursachten Schaden hinaus. Dabei muss sich aber das deutsche Deliktsrecht vom Verhaltensvorwurf in Bezug auf den Verletzten (Verschulden inter partes) lösen und den Vorwurf gesellschaftlich verwerflichen Verhaltens gegenüber der Allgemeinheit (Verwerflichkeit inter omnes) aufnehmen, da die Erhöhung der Entschädigung nicht dem Ausgleich eines wie auch immer gearteten Verlustes an absoluten Rechtsgütern des Verletzten, sondern einem gesellschaftspolitischen präventiven Zweck zum Schutze der Allgemeinheit dient. Aber auch hier würde sich das Deliktsrecht nicht 450 Dagegen kann bei situationsabhängigem Fehlverhalten (Unglücksfällen) keine präventive Verhaltenssteuerung durch die negative Sanktionserfahrung erwartet werden, da die Situation weder den Umständen noch den wesentlichen schadensstiftenden Faktoren nach reproduzierbar, wiederholbar und damit in Zukunft wieder zu erwarten ist.
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auf völlig neuem Terrain bewegen. Die Verneinung jeglicher Verwerflichkeitsbetrachtung im „Alles-oder-Nichts“-Prinzip des historischen BGB-Gesetzgebers wurde bereits vom RG bei der Bemessung des (damaligen) Schmerzensgeldes als schwer aufrechtzuerhalten angesehen und vom BGH schon frühzeitig mit der Einführung der Genugtuungsfunktion und der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes mittels des Verschuldensgrades und der finanziellen Situation des Schädigers in Frage gestellt. Auch wenn diesen Faktoren der Genugtuungsfunktion noch Bezüge inter partes zugesprochen werden können, so stellte die Einführung der nicht der Ausgleichsfunktion dienenden Bemessungsfaktoren das Einfallstor dar, durch das die dann eindeutig inter omnes wirkenden präventiven Ziele der billigen immateriellen Entschädigung zum Schutz von schutzbedürftigen Personen vor besonders verwerflichem Verhalten bei einer zögerlichen Regulierung von offensichtlich begründeten Versicherungsansprüchen und bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingeführt werden konnten.
II. Die Bemessung der billigen Entschädigung im Einzelfall Die Bemessung einer billigen Entschädigung zur präventiven Verhaltenssteuerung hat im deutschen Deliktsrecht – bis auf die dargestellten Einzelfälle – keine Tradition, so dass nur wenige abstrakte Prinzipien herangezogen werden können. Demgegenüber dienen – wie ebenfalls dargestellt – die punitive damages in der Produzentenhaftung in den USA praktisch ausschließlich der präventiven Verhaltenssteuerung, die Hersteller in Zukunft von gleichem oder ähnlichem Verhalten abzuhalten und zur Inverkehrgabe von sicheren Produkten zu motivieren. Daher kann auf die Grundprinzipien der Bemessung von punitive damages in diesen Fällen zurückgegriffen werden. 1. Die Notwendigkeit einer präventiven Verhaltenssteuerung Über den Ausgleich der immateriellen Schäden des Verletzten und über seine eventuell zu erfüllende Genugtuung hinaus entspricht ein zusätzlicher Entschädigungsbetrag dann der Ansicht aller billig und gerecht denkenden Menschen, wenn das Verhalten des Schädigers derart mutwillig, rücksichtslos und bösartig die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit ignoriert und daher dermaßen empörend und schamlos gegenüber der Allgemeinheit wirkt, dass die Allgemeinheit ein besonders hohes Interesse an der Unterbindung derartigen Verhaltens in der Zukunft hat (Verwerflichkeit). Ohne dies als abstraktes Rechtsprinzip explizit darzustellen, lässt sich das Verwerflichkeitsargument bereits in den anerkannten Fällen einer Entschädigung aus präventiven Gründen wiederfinden. In den Fällen der zögerlichen Regulierung von offensichtlich begründeten Versicherungsansprüchen besteht die Verwerflichkeit gerade darin, dass der Versicherer gegenüber dem geschädigten juristischen Laien sein überlegenes Expertenwissen, seine überwältigenden perso-
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nellen Ressourcen und seine finanzielle Potenz ausnutzt, wider besseren Wissens mutwillig aus reinem finanziellen Eigennutz berechtigte Ansprüche des Verletzten abzulehnen. Die Urteilsgründe in den Fällen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stellen bei der Bemessung der billigen Entschädigung darauf ab, dass der Einzelne einem mit einer hohen Publizität ausgestatteten Medienunternehmen mit großen finanziellen und personellen Ressourcen schutzlos gegenübersteht, das nicht nur mutwillig in die immateriellen Persönlichkeitsrechte des Verletzten eingreift, sondern die Früchte dieser schädigenden Handlung schamlos zur eigenen Bereicherung nutzt. Für die Begründung einer hinreichend verwerflichen Handlung des Herstellers reicht es nicht aus, auf seine Gewinnerzielungsabsicht bei der Inverkehrgabe des – aufgrund seiner Verkehrspflichtverletzung – rechtswidrig gefährlichen Produkts zu verweisen. Auch helfen die Verschuldensgrade im deutschen Deliktsrecht nicht weiter, da das Präventionsinteresse auf das Allgemeinwohl gerichtet ist und die Verschuldensgrade auf das Schädiger-Verletzten-Verhältnis abstellen. Der zur präventiven Verhaltenssteuerung zuzubilligende Betrag wird allein von der – an den Interessen der Allgemeinheit zu messenden – Notwendigkeit der Einwirkung auf die geistige Einstellung des Herstellers, die in dem verwerflichen Verhalten des Herstellers zum Ausdruck gekommen ist, bestimmt. Ob die Handlung des Herstellers einen hinreichenden Grad an Verwerflichkeit aufweist, bemisst sich daher in Relation zu den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und nicht in Bezug auf die zu liquidierende Verletzung.451 Dabei sind alle dafür sachdienlichen Umstände des Herstellerverhaltens, die unmittelbar oder mittelbar mit dem zur konkreten Rechtsgutverletzung führenden Verhalten verbunden sind, einzubeziehen. Je mehr sich diese Umstände von der streitgegenständlichen Handlung des Herstellers entfernen und je mehr Unterschiede es zum streitgegenständlichen Verhalten gibt, umso eher spricht dies gegen eine Verwendbarkeit. Zur konkreten Definition des hinreichend verwerflichen Verhaltens kann auf die Legaldefinition des Cal. Civ. Code § 3294 (c) abgestellt werden. Danach ist ein Verhalten verwerflich, 1. wenn das Herstellerverhalten eine bewusste Missachtung der Rechte und der Sicherheit der Allgemeinheit verdeutlicht, 2. wenn dieses Herstellerverhalten für eine ungerechtfertigte prekäre Notlage einzelner Personen verantwortlich ist oder 3. wenn der Hersteller bewusst die ihm bekannten Tatsachen zum eigenen unrechtmäßigen finanziellen oder sonstigen unternehmerischen Vorteil (z. B. Image, Kreditwürdigkeit) irreführend darstellt oder verschleiert. 451 Vgl. Frings, S. 25 ff.: Gefahr einer sachfremden Beurteilung von Rechtsfragen aufgrund der emotionalen Wirkung der abstrakten Schadenshöhe; Müller, P., S. 348 f.: Schwere der Täterschuld ist ein eigenständiger Zurechnungsfaktor für die Begründung der Entschädigungspflicht.
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Die vierte Alternative, die Absicht des Herstellers bezüglich der ausgleichspflichtigen Verletzungen, spielt in der Produzentenhaftung mangels Kenntnis des Herstellers von den Produktbenutzern zum Zeitpunkt der Verkehrspflichtverletzung keine Rolle. Hinsichtlich der ersten Alternative ist besonders der ultima ratio-Gedanke einer Entschädigung aus präventiven Gründen wichtig. Daher kommen hierfür nur Verletzungen in Frage, in denen das verletzte Rechtsgut schwer (Gesundheit) oder gar nicht (Leben) wiederherstellbar oder ersetzbar ist. Darüber hinaus entspricht es auch dem ultima ratio-Gedanken, selbst bei diesen Rechtsgütern zusätzlich das Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Prävention abzuwägen. Das Präventionsinteresse ist umso höher, je wertvoller das gefährdete Rechtsgut ist sowie je schwerwiegender, umfangreicher und je häufiger wiederholbar die zu erwartenden Rechtsgutverletzungen durch ein bewusstes Handeln des Herstellers sind. Dabei spielen insbesondere die Umstände des Einzelfalles eine Rolle, wie sehr der Hersteller oder ein Dritter in einer ähnlichen Situation zu dieser gefährlichen Handlung aufgrund des hohen Eigennutzes dieses Verhaltens motiviert sein könnte oder, umgekehrt, wie sehr die beabsichtigte Präventionswirkung für das Verhalten des Herstellers aufgrund der Sorge vor Gefahren für die Reputation und aufgrund des zusätzlichen finanziellen Aufwands alternativ mittels öffentlich-rechtlicher Sanktionen erreicht werden kann. Darüber hinaus kann für ein hohes Interesse der Allgemeinheit an präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigungszahlungen sprechen, dass ein Hersteller bewusst und gewollt gegen Sicherheitsbestimmungen verstößt. Auch hier ist im Einzelfall eine Abwägung unter dem ultima ratio-Gedanken in Abhängigkeit der Autorität der die Sicherheitsbestimmungen erlassenden staatlichen Behörde oder des Normungsverbandes sowie in Abhängigkeit der Detailliertheit und Verbindlichkeit der Sicherheitsbestimmungen durchzuführen. Umgekehrt sprechen die Einhaltung von administrativen oder legislativen Sicherheitsbestimmungen und damit das Handeln im Rahmen der normativen Rechtsordnung grundsätzlich gegen die Verwerflichkeit, auch wenn der Hersteller im Rahmen der Produkthaftung den ausgleichenden Schadenersatz schuldet. Die durchzuführende Abwägung der Einzelumstände kann dagegen die Notwendigkeit einer präventiven Abschreckungsmaßnahme begründen, wenn die Hersteller in einer branchenweiten konzertierten Aktion ein niedrigeres Sicherheitsniveau zementiert haben, um ein höheres Sicherheitsinteresse unter den Verbrauchern zu verhindern, oder gar bewusst die Anpassung der Sicherheitsbestimmungen auf den Stand von Wissenschaft und Technik verhindert haben, indem sie z. B. Testverfahren nicht angewendet oder vorhandene Gefahreninformationen verschlossen gehalten und an die staatlichen Stellen nicht weitergeleitet oder durch Lobbyarbeit aktiv eine Verschärfung der Normen verhindert haben. Eine eigenständige – in Deutschland im Rahmen der Rechtsprechung zur verzögerten Schadensregulierung bereits anerkannte – Bedeutung nimmt das Abstellen auf das Herstellerverhalten vor und nach der eigentlichen Verletzungshandlung sowie nach dem Eintreten des Verletzungserfolges zur Begründung einer präventiv-
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verhaltenssteuernden Entschädigung ein. So kann eine besondere Verwerflichkeit darin gesehen werden, wenn der Hersteller eine finanziell prekäre Situation des Verletzten dazu nutzen will, den Verletzten von der Verfolgung seiner berechtigten Schadenersatzansprüche ganz oder teilweise abzuhalten. In der Produzentenhaftung sind auch alle Handlungen des Herstellers oder ihm zurechenbarer Dritter als besonders verwerflich anzusehen, die es dem Verletzten erschweren oder unmöglich machen, seine materiell-rechtlich begründeten Ansprüche zu erkennen, geltend zu machen und zu realisieren, und die darüber hinaus auch die erlittenen körperlichen und mentalen Beeinträchtigungen durch das schädigende Ereignis vergrößern können. Darunter fallen insbesondere die Handlungen des Herstellers mit der Absicht, ihm bekannte Produktgefahren gegenüber dem Verbraucher (der Allgemeinheit) zu verschleiern und zu vertuschen, so dass der Verbraucher die Gefährlichkeit des Produkts nicht erkennen oder nachweisen kann, sowie taugliche Beweismittel im Nachhinein zu vernichten. 2. Die Bemessung einer präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung In Deutschland liegt der Schwerpunkt der Ablehnung einer Entschädigung mit präventiven Zwecken oder deren äußerst restriktiven Anwendung weniger in den Fragen der Notwendigkeit, sondern vielmehr – mit Blick auf punitive damages – in der Angst vor astronomisch hohen Entschädigungssummen.452 Die Analyse hat gezeigt, dass in den punitive damages zum einen Komponenten enthalten sind, die im deutschen Deliktsrecht über den materiellen Schadenersatz und die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion der immateriellen Entschädigung liquidiert werden, und dass es zum anderen wirksame objektivierbare Bemessungsfaktoren gibt, die diese – unerwünschten und zwingend zu vermeidenden – Gefahren ausschließen können. Als Quintessenz kann festgehalten werden, dass sich die Entscheidung des Herstellers, mit welcher Produktsicherheit er das Produkt in den Warenverkehr bringt, auf einen Satz reduzieren lässt: „It’s all about the money!“. Nur wenn es kalkulatorisch für den Hersteller aufgrund des zu leistenden Schadenersatzes und der zu zahlenden Entschädigung teurer ist, ein unsicheres Produkt trotz der Einsparungen in der Herstellung (Konstruktion und Fabrikation) und trotz der Absatzsteigerung durch Verschleierung der Gefahren (Instruktion) in den Warenverkehr zu geben, wird er sich für eine sicherere Produktkonstruktion, höhere Qualitätsanforderungen an die ausgelieferten Produkte durch mehr und bessere Qualitätskontrollen sowie umfangreichere und verständlichere Instruktionen und Warnungen entscheiden. Wie hoch die Entschädigung sein muss, um diesen Zweck zu erfüllen, ist das Ergebnis einer Ermessensentscheidung auf der Grundlage einer Gesamtschau von einer Vielzahl von Aspekten, ohne dass alle Faktoren immer zwingend vorliegen 452 So auch Rosengarten, NJW 1996, 1935 (1936); vgl. aber den Hinweis von Pant, NJWEditorial Heft 3/2004 auf die regelmäßige, aber weniger medienwirksame Reduzierung von astronomisch hohen punitive damages durch den Richter oder durch das Rechtsmittelgericht.
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oder geprüft werden müssen. Die folgenden Aspekte, die auf Entscheidungen zu punitive damages in der Produzentenhaftung beruhen, können die Grundlage zu einem Leitfaden für die Bemessung einer präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung in der deutschen Produzentenhaftung sein: 1. Damit die Schadenersatzpflicht überhaupt den Hersteller davon abhalten kann, Produktgefahren auch zu Lasten seines Unternehmergewinns zu beseitigen, muss der Verletzte motiviert sein, die Schadensliquidation zu verfolgen und diese Ansprüche ggf. auch gerichtlich geltend zu machen.453 Wenn diese Motivation für den Verletzten trotz sehr hoher Gefahren für die Allgemeinheit aufgrund des Prozessrisikos gering ist, weil er (eventuell aufgrund von glücklichen Umständen) nur einen kleinen materiellen Schaden hat, könnte es im gesellschaftspolitischen Präventionsinteresse liegen, dass der Verletzte durch die in Aussicht stehende überkompensatorische Entschädigung das Prozessrisiko trotzdem auf sich nimmt, so die Öffentlichkeit (zur Anregung weiterer Schadensliquidationen) von den Gefahren unterrichtet und dadurch den Gewinn des Herstellers verringert.454 2. Auch wenn sich die ökonomische Analyse des Schadensrechts nicht durchgesetzt hat, so ist der ganzheitliche Ansatz zum Herstellerverhalten, dass dem Hersteller nicht nur der Profit entzogen werden muss, der mit dem streitgegenständlichen unsicheren Produkt gegenüber einem sicheren Produkt entstanden ist, sondern dass der gesamte Profit, auf das sich das verwerfliche Verhalten bezieht (ganze Produktserie oder gar die gesamte Produktion des Herstellers), abgeschöpft werden muss, ein wichtiger Aspekt zur präventiven Verhaltenssteuerung.455 Um einen Exzess zu vermeiden, muss dabei (prognostisch) berücksichtigt werden, wie der Profit der Produktserie oder aller Produkte des Herstellers durch andere Verletzte ebenfalls abgeschöpft wird, so dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und der gerichtlichen Geltendmachung des Schadens einbezogen werden müssen.456 3. Neben dem vorgenannten Gewinnentzug kann auch die sonstige wirtschaftliche und finanzielle Situation des Herstellers von erheblicher Bedeutung sein, da der gleiche nominelle Betrag einen vermögenden Hersteller nicht nur weniger schmerzt und daher weniger präventiv motivierend wirkt als bei einem weniger vermögenden Hersteller, sondern da dieser Betrag durch die Verrechnung der mit dem Gewinnentzug verbundenen Verluste mit Gewinnen aus anderen Produkten und Produktserien sogar steuersparend vorteilhaft wirken kann. Dazu gehört auch 453 Vgl. hierzu auch Müller, P., S. 337: „Ein effektiver Einsatz des Schadensrechts zu Sanktions- und Präventionszwecken bedingt ferner, daß (sic) den Täter möglichst das gesamte Schadensausmaß der von ihm begangenen Rechtsverletzung als Sanktion trifft.“ 454 Dies im Wesentlichen auch fordernd Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5 (8). 455 Vgl. dazu auch Wagner, Beilage zu NJW Heft 22/2006, 5 (8); Müller, P., S. 335 f. 456 Je unwahrscheinlicher der Schadenseintritt und die gerichtliche Schadensliquidation sind, umso höher müssen die Entschädigungszahlungen aus präventiven Gründen sein.
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die Abwägung, ob es den Interessen der Allgemeinheit an der Herstellung und dem Vertrieb des Produkts (aufgrund der Nützlichkeit) sowie der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Herstellers entspricht, die Gefahr einer Insolvenz des Herstellers aufgrund der Entschädigungssumme zu vermeiden, oder ob es gerade im Interesse der Allgemeinheit liegt, mit einer Herstellerinsolvenz die Wiederholung des verwerflichen Verhaltens in der Zukunft sicher auszuschließen.457 4. Weder feste Obergrenzen für den Nominalwert der präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung noch feste relative Obergrenzen im Vergleich zu anderen Faktoren (wie des Schadenersatzes) stellen ein taugliches Mittel dar, die Erfordernisse einer hinreichend wirksamen Prävention zum Schutz der Verbraucher zu etablieren.458 Vielmehr begrenzt das zur Erfüllung der präventiven Zwecke Erforderliche, um den Hersteller oder Dritte in ähnlichen Situationen von einem derartigen Verhalten in Zukunft abzuschrecken (Verhältnismäßigkeit), den zusätzlichen Entschädigungsbetrag. Nur durch eine dynamische Grenze mittels dieser generellen Erwägungen nach der Gesamtschau aller Umstände kann im Einzelfall einerseits die notwendige Höhe erreicht und andererseits unangemessen hohe Entschädigungssummen vermieden werden. Wenn der materielle Schadenersatz und die immaterielle Entschädigung gering ist, der Hersteller aber einen hohen Profit hat, weil die Wahrscheinlichkeit der Schadensaufdeckung und der gerichtlichen Schadensliquidation gering ist, dann muss die Entschädigung zur Erreichung des präventiven Zwecks um ein Vielfaches höher liegen als der materielle und immaterielle ausgleichende Schadenersatz. Dabei sind auch anderweitige tatsächlich wirkende präventive Maßnahmen (die auch wirklich vollzogen werden), seien sie aus dem Verwaltungsrecht, dem Strafrecht oder aus dem Zivilrecht (u. a. auch bereits verhängte präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigungszahlungen), in Anrechnung zu bringen. Ob darüber hinaus die Verhältnismäßigkeit der Entschädigung aus präventiven Gründen mit einem theoretischen Vergleich zu anderweitigen Rechtsfolgen (insbesondere des Strafrechts) bewertet werden sollte, kann mangels entsprechender Relevanz dahingestellt bleiben, da besonders eine angedrohte Freiheitsstrafe kaum in eine Entschädigung umgerechnet werden kann und da außerdem die meisten Strafrechtsnormen kaum das Handeln eines Herstellers bei der Inverkehrgabe eines gefährlichen Produkts so deckungsgleich abbilden, um eine hinreichende Ähnlichkeit zu begründen. 5. Da die präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung in der Produzentenhaftung keine Privatstrafe ist und in der Genugtuungsfunktion der immateriellen Entschädigung die vergeltungsähnlichen Umstände wie das Verschulden des Schädigers berücksichtigt werden, müssen die Bemessungsfaktoren unberücksichtigt 457
Für eine Anknüpfung des Umfangs der Gewinnabschöpfung an den Verschuldensgrad des Schädigers Müller, P., S. 350. 458 Derartige Höchstgrenzen in einigen US-amerikanischen Rechtsordnungen sind systemwidrig und daher abzulehnen.
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bleiben, die einen wie auch immer gearteten Vergeltungscharakter enthalten.459 Entsprechend sollte – anders als bei punitive damages – der Grad der moralischen Verwerflichkeit, der die Entschädigung mit präventiven Zwecken dem Grunde nach rechtfertigt, nicht ein zweites Mal auch bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt werden. Das gilt umso mehr, als sich zum einen die Trennung zwischen der Vergeltung und einer wie auch immer gearteten Präventionsfunktion kaum vornehmen lässt und es zum anderen auch wenig überzeugend erscheint, dass die Entschädigungshöhe, die notwendig ist, den Schädiger oder einen Dritten in einer ähnlichen Lage von diesem Verhalten in der Zukunft abzuhalten, von einem moralischen Werturteil über die Verwerflichkeit abhängig ist. Die von den Vertretern der ökonomischen Analyse des Schadensrechts verfolgte Auffassung, dass eine überkompensatorische Entschädigung das Ergebnis einer mathematischen Berechnung ist, würde in Deutschland bereits an der fehlenden tatsächlichen und prozessualen Zugänglichkeit der für die Berechnung notwendigen Grundlagen, sowohl für das Gericht als auch für den geschädigten Kläger, ohne Herausgabebereitschaft des Herstellers scheitern.460 Damit verbleibt das Problem, dass – im Gegensatz zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, zur zögerlichen Schadensregulierung durch Versicherungen oder zum Verstoß gegen Schutzvorschriften im Arbeitsrecht, in denen eine Verletzungshandlung meist nur eine, jedenfalls eine klar identifizierbare Person oder einen solchen Personenkreis betrifft – die Verletzungshandlungen in der Produzentenhaftung eine ganze Produktserie betreffen können, so dass für alle Prozessbeteiligten die Gesamtheit aller von der Verletzungshandlung betroffenen oder potentiell gefährdeten Personen nicht identifizierbar ist. Bezüglich punitive damages wurde dafür bisher keine befriedigende Lösung gefunden. Selbst wenn man Bestrebungen auf europäischer Ebene nachgibt und die class action auch in Deutschland einführt, erscheint dieses prozessuale Mittel aufgrund der Heterogenität der Haftungssachverhalte in der Gruppe der potentiellen Anspruchsteller als wenig erfolgversprechend. Auch die Anrechnung von anderweitigen Sanktionen führt zu keinen befriedigenden Ergebnissen, da in den zeitlich früheren Urteilen die Anzahl und das Ergebnis späterer Urteile nicht berücksichtigt werden können und nicht zwingend davon auszugehen ist, dass wirklich alle anderweitigen Verfahren zur gleichen Verletzungshandlung bekannt sind. Die Lösung, dass nur der erste Kläger eine Entschädigung mit präventiven Zwecken erhält – ggf. bei einem offensichtlichen Präventionsmangel auch ein oder mehrere weitere Kläger –, dürfte zwar nicht an einem moralischen Gerechtigkeitsgedanken scheitern, da alle Verletzte hinsichtlich ihrer materiellen und immateriellen Schäden voll kompensiert werden und der erste 459
A.A. Müller, P., S. 348 f.: Schwere der Täterschuld ist ein eigenständiger Zurechnungsfaktor für den Umfang der Schadenersatzpflicht. 460 Eine der discovery vergleichbare rechtliche Handhabe fehlt in Deutschland völlig und würde auch das Zivilprozessrecht in den Grundsätzen substantiell verändern.
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Teil 5: Die Zahlungspflichten des Herstellers im Produkthaftungsrecht
Kläger die schwierigste Aufklärungsarbeit zu leisten hat, lässt aber in der praktischen Umsetzung ein erhebliches Konfliktpotential erkennen, je nachdem ob man den „ersten Kläger“ an der Anhängigkeit, der Rechtshängigkeit, dem erstinstanzlichen Urteil oder der Rechtskraft festmacht. Deshalb sollte man sich dem in den USA vertretenen, aber noch nicht umgesetzten Vorschlag eines produktbezogenen Ausgleichsfonds zuwenden. Dieser hätte folgende Vorteile: 1. Es kann nachträglich noch justiert werden, damit die Entschädigungshöhen die präventive Wirkung erreichen (falls der Hersteller sein Verhalten fortsetzt, müssen neue Entschädigungszahlungen zu Gunsten des Fonds entrichtet werden). 2. Falls die ausgeurteilten punitive damages zu einer nicht beabsichtigten Insolvenz des Herstellers führen, kann mit einer Rückzahlung aus dem Fond dies verhindert werden. 3. Es könnten die eingenommenen Mittel unter den durch das Herstellerverhalten Verletzten (und nicht nur unter denjenigen, die Klage erhoben haben) zu einem bestimmten sinnvollen Stichtag, an dem der Produkthaftungsfall als abgeschlossen gelten kann, verteilt werden, wobei die Verteilung nicht notwendigerweise gleichmäßig sein muss, sondern die Art und das Maß der Verletzung, die Erschwernisse in der Rechtsverfolgung etc. berücksichtigen könnten. Abschließend sollte, um jegliche Gefahren eines Präventionsexzesses zu vermeiden, nicht nur die präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung vollständig in Rechtsmittelinstanzen überprüfbar sein, sondern das erkennende Gericht müsste auch verpflichtet werden, die von ihm herangezogenen Bemessungsfaktoren der billigen Entschädigung – aufgeteilt nach Ausgleichsfunktion, Genugtuung461 und Prävention – sowie deren Gewichtung und Bewertung ausführlich in den Urteilsgründen darzustellen.
III. Der Begünstigte der präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung Der Vergleich der präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung mit punitive damages wirft abschließend noch die Frage auf, an wem diese zu zahlen ist. Einerseits handelt es sich um eine Entschädigung, die der Verletzte auf eigenes Prozessrisiko im Schadenersatzverfahren geltend macht. Andererseits erhält der Verletzte mit der Entschädigung einen finanziellen Vorteil gegenüber seiner Lage ohne die Verletzung, obwohl die Entschädigung im Interesse der Allgemeinheit gewährt wird. Wie aufgezeigt, sehen einige Rechtsordnungen in den USA eine Teilabführung an staatliche Kassen vor. Gegen eine direkte Abführung der präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung an den Staat spricht bereits das rechtssystematische Argument, dass es sich bei 461
Vgl. zur Aufteilung zwischen Ausgleichsfunktion und Genugtuung Müller, P., S. 354.
C. Die billige immaterielle Entschädigung in der dt. Produzentenhaftung
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dieser Entschädigung nicht um eine Kriminalstrafe handelt. Damit kann die öffentliche Kasse auch nicht an einer zivilrechtlichen Entschädigung partizipieren. Darüber hinaus ist es auch praktisch nicht notwendig, den Staat zum Partizipationssubjekt einer zivilrechtlichen Entschädigung zu machen, da dem Staat im Rahmen des Verfassungs- und Steuerrechts die Möglichkeit offen steht, eventuelle legitime öffentliche Interessen an diesem Teil der Entschädigung über die Höhe der Steuerpflicht umzusetzen.
Teil 6
Schlussfolgerungen – Der objektbezogene Produktfehler und die Erhöhung der immateriellen Entschädigung zur Verfolgung präventiver Ziele sind die Grundlage für ein modernes und verbraucherschützendes Produkthaftungsrecht Die dem Produkthaftungsrecht zugrunde liegende Abwägung zwischen dem Schutz der Verbraucher vor Schäden und Verletzungen im Zusammenhang mit der Benutzung von Konsumprodukten auf der einen Seite und dem allgemeinen gesellschaftlichen Interesse an modernen und leistungsfähigen Industrieunternehmen, die breite Teile der Bevölkerung mit modernen, komfortablen und preiswerten Konsumprodukten versorgen, auf der anderen Seite, wird sich aufgrund der immer komplexeren und komplizierteren Technik in den industriellen Massenprodukten in den nächsten Jahren neuen Herausforderungen stellen müssen. An modernen Kraftfahrzeugen lassen sich die wichtigsten Themen einer Weiterentwicklung des Produkthaftungsrechts besonders gut verdeutlichen. Bis in die späten 1990er Jahre war es interessierten Laien möglich, die wesentlichen Funktions- und Wirkungszusammenhänge von Kraftfahrzeugen zu verstehen. Die dafür notwendigen Kenntnisse über die in den Kraftfahrzeugen angewendeten mechanischen oder elektrischen Funktionen und Wirkungsweisen waren für jedermann verständlich und auch außerhalb von Berufsausbildungen zugänglich. So wurden von interessierten Laien eine Vielzahl von Reparaturen und Wartungsarbeiten an eigenen Privatfahrzeugen selbst ausgeführt. Mit Einzug von elektronischen Datenverarbeitungsvorgängen in fast jede Funktion oder Wirkungsweise eines Kraftfahrzeugs wurde der Verbraucher von jeder Kenntnis über die Funktions- und Wirkungszusammenhänge soweit ausgeschlossen, dass er oft selbst einfachste Wartungsarbeiten nicht mehr ausführen kann. In der Abwägung der berechtigten Verbraucherschutzinteressen und der berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Hersteller wird damit das Element des allgemein zu erwartenden Selbstschutzes immer schwächer, da der Verbraucher mangels Verständnisses der Funktions- und Wirkungsweisen des Kraftfahrzeugs die Gefahren durch Überprüfung des Produkts nicht selbst erkennen kann, sondern darauf angewiesen ist, dass der Hersteller das Fahrzeug so sicher wie möglich konstruiert sowie mit vollständigen und verständlichen Bedienungsanleitungen versieht, möglichst ohne Abweichungen vom konstruktiven Idealzustand produziert und den Verbraucher über die systembedingt nicht vermeidbaren Risiken und Gefahren vollständig und verständlich aufklärt. Diese
Teil 6: Schlussfolgerungen
403
Verschiebung der Abwägungsumstände bedingt, dass es produkthaftungsrechtlich nicht mehr – wie in Zeiten von begreifbaren mechanischen und elektrischen Produkten – auf die subjektive Handlungsmotivation im Sinne eines rechtlich vorwerfbaren Verhaltens des Herstellers ankommt, sondern dass die objektive gegenständliche Beschaffenheit des Produkts aus der Sicht des Verbrauchers den Inhalt und die Grenzen der Haftung bestimmt. In einem modernen Produkthaftungsrecht für industrielle Massenprodukte mit komplexen und komplizierten Funktions- und Wirkungszusammenhängen kommt es also nicht darauf an, aufgrund welcher (Verhaltens)-Umstände das Produkt nicht hinreichend sicher ist, sondern es kommt nur darauf an, dass es rechtswidrig unsicher ist. Die Zuweisung der materiellen Schäden des Verbrauchers stellt also nicht eine Sanktion des Herstellers für ein (rechtswidriges) Verhalten dar, sondern der Hersteller muss die mit der Produktnutzung verbundenen Schäden des Verbrauchers tragen, weil er ein Produkt in den Warenkreislauf gegeben hat, das nicht das Maß an Sicherheit aufweist, das unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles von der Rechtsordnung verlangt wird. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass dieser dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt geschuldete Wechsel in der Begründung einer Produkthaftung grundsätzliche Auswirkungen auf das Vorliegen eines Produktfehlers (Teil 2), auf den Haftungsumfang der Beteiligten in der Herstellung und dem Vertrieb des Produkts (Teil 3) sowie auf die Beweiswürdigung (Teil 4) hat. Neben dem Ausgleich der negativen Folgen im Zusammenhang mit der Benutzung eines Kraftfahrzeugs ist die Emanzipation des Produkthaftungsrechts vom allgemeinen Deliktsrecht seit den späten 1960er Jahren nur mit einer verbraucherschützenden präventiven Funktion der produkthaftungsrechtlichen Regelungen erklärbar. Diese in der Vergangenheit im Produkthaftungsrecht weniger im Mittelpunkt stehende Funktion gewinnt bei der beschriebenen Abhängigkeit des Verbrauchers von der Aufrichtigkeit, der Sorgfalt und dem Sicherheitsdenken des Herstellers eine viel stärkere Bedeutung, da sich der Verbraucher als technischer Laie aufgrund der Komplexität und Kompliziertheit von modernen industriellen Massenprodukten nicht selbst aus eigenen Kenntnissen, Erfahrungen und Untersuchungsmöglichkeiten gegen die vom Produkt ausgehenden Gefahren schützen kann. Dem mit dem Produkthaftungsanspruch verbundenen Verbraucherschutzinteresse ist daher nur dann gedient, wenn mit der Produkthaftung neben dem Ausgleich der mit der Produktnutzung verbundenen Schäden auch der präventive Zweck verfolgt wird, einen Anreiz zu schaffen, dass die Hersteller rechtmäßig sichere Produkte in den Warenverkehr geben. Der verhaltensbezogenen Haftung des Herstellers (Produzentenhaftung) kommt daher die Bedeutung zu, über die Höhe der Entschädigung verhaltenssteuernd dann auf den Hersteller Einfluss zu nehmen, wenn es aufgrund der Ziele und Zwecke des Produkthaftungsrechts rechtlich geboten ist (Teil 5).
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Teil 6: Schlussfolgerungen
A. Der Produktfehler im ProdHaftG Der für ein modernes Produkthaftungsrecht notwendige objektbezogene Produktfehler ist im deutschen Produkthaftungsrecht kein Fremdkörper, sondern ist vielmehr mit dem deliktischen Produkthaftungsanspruch gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG bereits gesetzlich normiert. Der bisherigen allgemeinen Meinung, dass der Produkthaftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG der verhaltensbezogene Produktfehlerbegriff des § 823 Abs. 1 BGB zu Grunde liegt, widerspricht die gesetzliche Produktfehlerdefinition des § 3 ProdHaftG, die keine auf das Herstellerverhalten bezogenen Tatbestandsmerkmale enthält, sondern allein auf die berechtigterweise zu erwartende Sicherheit der Produktsubstanz abstellt. Entgegen der allgemeinen Meinung ist daher der Produktfehler des ProdHaftG autonom und losgelöst vom verhaltensbezogenen Fehlerbegriff des § 823 Abs. 1 BGB zu bestimmen. Gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG haftet der Hersteller nicht allein aufgrund des Eintritts einer Verletzung bei einer Produktbenutzung, sondern nur dann, wenn das Produkt fehlerhaft ist. Damit kann es sich nicht um eine Gefährdungshaftung handeln. Andererseits enthält § 1 Abs. 1 ProdHaftG kein subjektives Tatbestandsmerkmal (Vorwerfbarkeitselement), das einer verhaltensbedingten Unrechtshaftung im deutschen Recht eigentlich konstitutiv ist. Dieser rechtssystematische Widerspruch lässt sich durch Analogien mit Haftungssystemen aus dem bisherigen deutschen Recht schlecht lösen und führte sogar zur Annahme eines Haftungssystems eigener Art. Die bisherigen Betrachtungen haben aber die eigentliche Grundlage des ProdHaftG, die EG-Produkthaftungsrichtlinie, und ihre Beeinflussung durch die strict products liability zu wenig beachtet. Die Widersprüchlichkeit der gesetzlichen Regelung löst sich komplett auf, wenn der Haftungsanspruch aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG entsprechend der strict products liability systematisch eingeordnet wird, nämlich als Unrechtshaftung, bei der das Verschulden (bis auf die gesetzlich im § 1 Abs. 2 und 3 ProdHaftG normierten Ausnahmen) unwiderlegbar vermutet wird. Das Fehlen eines subjektiven Vorwurfs an das Herstellerverhalten hat aber noch weitergehende Folgen für den Produktfehlerbegriff. Wenn der Gesetzgeber sich dazu entschließt, den Eintritt der Haftung nicht an einen Verhaltensvorwurf anzuknüpfen, dann fehlt es für eine verhaltensbezogene Produkthaftung am entscheidenden diversifizierenden Tatbestandsmerkmal. Bei einer konsequenten Umsetzung einer rein verhaltensbezogenen Haftung im ProdHaftG müsste der Hersteller doch wieder allein aufgrund des Verletzungseintritts haften. Dieses Dilemma lässt sich wiederum unter Heranziehung der strict products liability lösen, unter deren Einfluss die Fehlerdefinition der EG-Produkthaftungsrichtlinie stand. Danach kann eine Gefährdungshaftung dadurch vermieden werden, dass der Hersteller für das (unwiderlegbar vermutete) Unrecht haftet, dass er ein Produkt mit einer fehlerhaften Substanz in den Warenverkehr gebracht hat. Die für eine Unrechtshaftung (zwingend) verbleibende Handlung des Herstellers, die darin besteht, ein Produkt in den Warenverkehr zu bringen, ist notwendiges Kriterium für
A. Der Produktfehler im ProdHaftG
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die Unrechtshaftung. Ob der Hersteller aber tatsächlich haftet, bestimmt sich nur nach objektiven Kriterien bezogen auf den Produktzustand. Diese neue Systematisierung würde auch nicht zu einem grundsätzlichen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung zum Produktfehler führen, denn durch den übereinstimmenden Haftungscharakter als Unrechtshaftung kann für die Auslegung des ProdHaftG auf die zum § 823 Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden, soweit diese nicht den Grundsätzen einer Haftung aus unwiderlegbar vermutetem Verschulden und der daraus folgenden Anknüpfung an die Produkteigenschaft (und nicht an das Herstellerverhalten) widersprechen. Nach diesem – auf der strict products liability beruhenden – Verständnis des Produktfehlers im ProdHaftG ist ein Produkt gemäß § 3 ProdHaftG fehlerhaft, falls es unangemessen gefährlich (unreasonably dangerous) ist. Die gesetzliche Formulierung knüpft dabei für die Bestimmung der Angemessenheit der Risiken, die von einem Produkt und dessen Benutzung auf den Nutzer oder Dritte ausgehen, wie beim consumer expectation test an die vernünftigen Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit an. Wenn diese, wie im Regelfall, im Rechtsstreit nicht mit hinreichender Sicherheit ermittelbar sind, müssen die der gesetzlichen Regelung zu entnehmenden berechtigten Sicherheitserwartungen als Rechtsfrage vom Gericht selbst ermittelt werden. Mangels gesetzlicher Regelungen und aufgrund der gemeinsamen Haftungssystematik kann die Enttäuschung der tatsächlichen Erwartungen der Allgemeinheit – wie in der strict products liability – mit den objektiven Abwägungen substituiert werden, ob 1. allgemein die innewohnenden Gefahren den Nutzen des Gesamtprodukts überwiegen und ob 2. zwar der Nutzen die innewohnenden Gefahren überwiegt, aber die konkrete, den Schaden verursachende Produktspezifikation diese Gefahren im Rahmen der Produktnützlichkeit nicht im höchsten umsetzbaren Maße reduziert hat. Im Rahmen dieser – im § 3 Abs. 1 ProdHaftG als Einzelfallbetrachtung festgelegten – und an der strict products liability orientierten Abwägungen können, ohne dass diese abschließend oder obligatorisch wären, folgende Aspekte berücksichtigt werden: 1. die Art und Intensität der vom Produktzustand ausgehenden Gefahren, 2. die Wahrscheinlichkeit, mit der diese Gefahren tatsächlich Schäden verursachen, u. U. auch verbunden mit der Berücksichtigung des Zeitraums der verletzungsfreien Produktbenutzung durch den Kläger in der Art und Weise, die angeblich zur Schädigung geführt haben, 3. die Verminderung der konstruktiv unvermeidbaren Gefahren durch hinreichende Anleitungen und Warnungen, die eine nach den allgemeinen Erwartungen hinreichend sichere Produktbenutzung sicherstellen,
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Teil 6: Schlussfolgerungen
4. die Art, Bedeutung, Erwünschtheit und Nützlichkeit des Produkts für die Gesellschaft in seiner Gesamtheit und für jeden einzelnen Produktnutzer und 5. sonstige bestehende und ermittelbare Verbrauchererwartungen an die Sicherheit dieser Produktart, soweit diese nicht schon Teil eines anderen Abwägungsfaktors sind. Mit dieser objektbezogenen Fehlerbestimmung bleibt auch kein Raum für eine Einteilung in verschiedene Fehlerarten, insbesondere für eine Unterscheidung des Konstruktionsfehlers vom Instruktionsfehler. Wenn die Konstruktion der Produktsubstanz nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit entspricht, ist sie grundsätzlich fehlerhaft. Lediglich für den Fall, dass es sich um ein Produkt handelt, an dem die Allgemeinheit trotzdem ein Interesse daran hat, dass es in den Warenverkehr gegeben wird, kann es den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit entsprechen, dass der Hersteller (hinreichend verbunden mit dem Produkt) auf die Gefahren und die gefahrenvermeidende Benutzung hinweist. Diese Hinweise müssen effektiv sein, also dem potentiellen Produktnutzer durch die vermittelten Informationen die Möglichkeit geben, aufgrund einer wissensbasierten Entscheidung unter Abwägung der Gefahren mit den Vorteilen und der Nützlichkeit des Produkts von der Nutzung des Produkts ganz abzusehen, das Produkt in einer Art und Weise zu nutzen, welche die Gefahren minimieren, oder sich der Gefahr bewusst auszusetzen. Dabei können die Prinzipien der bisherigen Bestimmung des Umfangs und des Inhalts der Instruktionspflicht des Herstellers im Rahmen der verhaltensbezogenen Herstellerhaftung objektiv, also ohne Rücksicht auf die besonderen Umstände in der Person des Herstellers, herangezogen werden. Da die Haftung des Herstellers gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG eine Unrechtshaftung ist, können die bisher zur allgemeinen deliktischen Produkthaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB festgelegten haftungsbegrenzenden Umstände auch hier grundsätzlich angewendet werden. Die strikte objektbezogene, vom Herstellerverhalten unabhängige und objektive Bestimmung der begrenzenden Faktoren führt jedoch in den Einzelfällen zu folgenden Modifikationen: 1. Eine Verletzung des Produktnutzers oder eines Dritten liegt nur dann außerhalb des Schutzzwecks, wenn die sich in der Verletzung verwirklichende Gefahr für den Geschädigten offensichtlich war und wenn dieser in bewusster Kenntnis der Gefahr freiwillig die Benutzung des Produkts fortgesetzt hat. 2. Die Haftungsbeschränkung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG wirkt entgegen der Intention des Gesetzgebers und der allgemeinen Meinung nicht tatbestandsausschließend – denn das Vorliegen eines „Fehlers“ ist konstitutives Element der Regelung –, sondern ist einschränkend in Anlehnung an die vorherrschende Rechtsanwendung in der strict products liability so auszulegen, dass die objektiv zu bestimmende Vorhersehbarkeit der Gefahr als allgemeines Abwägungskriterium im Rahmen der Bestimmung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu berücksichtigen ist und dass gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG die Haftung ohne relativierende Abwägung per se als ausgeschlossen anzusehen ist, falls die zur
A. Der Produktfehler im ProdHaftG
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Verletzung führende Gefahr keinesfalls (also von niemandem auf dieser Welt) hätte erkannt werden können (weil sie bisher nicht bekannt war und auch nicht durch die vorhandenen Erkenntnismittel hätte erkannt werden können). 3. Die bisherige Berücksichtigung der Einhaltung oder Nichteinhaltung technischer Normen im deutschen Produkthaftungsrecht und in der strict products liability stimmen darin überein, dass mit der Einhaltung die Haftung des Herstellers nicht ausgeschlossen ist, sondern dass dieser Umstand im Einzelfall ein mehr oder weniger erhebliches Indiz für die Erfüllung der berechtigten Sicherheitserwartungen darstellt. Die objektive Betrachtungsweise unabhängig eines Verhaltensvorwurfs an den Hersteller verändert jedoch den Fokus der abwägenden Entscheidung. So ist im Rahmen der einzelfallspezifischen Abwägung zwischen der Gefährlichkeit und der Nützlichkeit des Produkts zu berücksichtigen, welches Gewicht den technischen Normen bei der Bestimmung der Sicherheitsinteressen einzuräumen ist, je nachdem, ob es sich um formell-gesetzliche Normen oder um technische Normen von Standardisierungsverbänden handelt, welche Gefahren von der Norm vermieden werden sollen und wie detailliert die technische Norm die Produktspezifikationen regelt. Dabei können alle objektiven Umstände, die für die Haftungsbegrenzung des Herstellers aufgrund der Einhaltung der technischen Normen sprechen, einbezogen werden. § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG ist wie § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG in der Weise auszulegen, dass im Falle zwingender Rechtsvorschriften die Abwägung zwingend zur Nichthaftung führt. Das gleiche gilt für das Vorliegen von behördlichen Genehmigungen. Auch hier ist in Abhängigkeit des Prüfungsgegenstands, des Prüfungsumfangs, dem Inhalt des Prüfungstestates und der Aktualität der behördlichen Prüfung zu entscheiden, wie stark die behördliche Genehmigung und die Einhaltung der in der Genehmigung enthaltenen Festlegungen für die Einhaltung der berechtigten Sicherheitserwartungen sprechen. 4. Im Gegensatz zur bisherigen verhaltensbezogenen Fehlerbestimmung hat das übliche Sicherheitsniveau im Rahmen einer objektbezogenen Betrachtung der allgemeinen Sicherheitsinteressen einen viel höheren Stellenwert, da es objektiv schwer erklärbar ist, wie die Allgemeinheit höhere Sicherheitserwartungen entwickeln kann, wenn keine Produkte mit einem höheren Sicherheitsniveau angeboten werden. Die Zusammenfassung der mehrheitlichen Rechtsanwendung in der strict products liability macht deutlich, dass es sich auch hierbei nur um einen Faktor unter vielen zur Bestimmung des berechtigt zu erwartenden Sicherheitsniveaus handelt, so dass ein Produkt auch dann fehlerhaft sein kann, wenn kein (anderer) Hersteller ein Produkt mit einer höheren Sicherheit anbietet. Alle in der Abwägung zu berücksichtigenden Umstände sind Teil des Fehlernachweises und daher vom Geschädigten darzulegen und zu beweisen. Die Analyse der dieser Arbeit zugrundeliegenden Entscheidungen zur strict products liability kommt zu dem Ergebnis, dass der Fehlernachweis in einer produktbezogenen objektiven Fehlerbestimmung für den Geschädigten dann mit einer hohen Erfolgs-
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Teil 6: Schlussfolgerungen
wahrscheinlichkeit gelingen kann, wenn er darlegt und beweist, dass das von ihm benutzte Produkt unangemessen gefährlich war, weil die bekannte Gefährlichkeit der Produktkonstruktion durch eine umsetzbare Produktspezifikation hätte vermieden oder vermindert werden können. Mangels gesetzlicher Regelungen im ProdHaftG, mangels einer Rechtsprechungstradition im deutschen Produkthaftungsrecht zu einer objektbezogenen Fehlerbestimmung und aufgrund einer vergleichbaren Haftungssystematik sollten die zur strict products liability entwickelten Kriterien adaptiert werden. Danach ist von einer umsetzbaren Produktspezifikation mit höherer Sicherheit für das Gesamtprodukt auszugehen, wenn 1. die Sicherheitseinrichtungen oder Testprozeduren unter den gegebenen Umständen in der Praxis verfügbar waren, etwa weil sie tatsächlich von anderen Herstellern angewendet wurden oder aufgrund der wissenschaftlichen und technischen Kapazitäten und Erkenntnisse hätten entwickelt und umgesetzt werden können, 2. die dadurch gewonnenen Sicherheitsvorteile die damit bedingten Nachteile überwiegen, was dann der Fall ist, wenn die Produktgefahren, die mit der alternativen Konstruktion vermieden werden, höher zu bewerten sind als die sich daraus ergebenden negativen Veränderungen bezüglich dadurch verursachter neuer (anderer) Gefahren, bezüglich der Nützlichkeit und Langlebigkeit des Produkts, bezüglich der verminderten Käuferakzeptanz aufgrund von Einschränkungen des Bedienungskomforts und des Aussehens und bezüglich des zusätzlichen Wartungs- und Reparaturaufwands und 3. die Sicherheitsmaßnahmen mit finanziellen Mitteln umsetzbar gewesen wären, die es dem Hersteller ermöglicht hätten, die eventuellen Mehrkosten in der Produktion auch am Markt durch einen höheren Verkaufspreis zu refinanzieren und damit das Produkt erfolgreich zu vermarkten. Die Analyse neuerer Urteile zur Haftung der Hersteller gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG hat deutlich gemacht, dass sich die Gerichte einer Kriterienbewertung ähnlich der strict products liability sprachlich bereits stark nähern, ohne jedoch den notwendigen rechtssystematischen Wechsel zu einer autonomen objektbezogenen Fehlerbestimmung im § 1 Abs. 1 ProdHaftG zu vollenden. Für eine objektbezogene Fehlerbestimmung zur Begründung der Herstellerhaftung ist es unerheblich, ob die – sich im Schaden verwirklichende – unangemessene Gefährlichkeit des Produkts aus der Konstruktion der gesamten Produktserie oder aus einer produktionsbedingten Abweichung von der Sollbeschaffenheit herrührt. Daher ist eine Unterscheidung oder gar unterschiedliche Behandlung beider Fehlerursachen im Rahmen einer objektbezogenen Fehlerbestimmung – auch entgegen der herrschenden Meinung und Rechtsanwendung in der strict products liability – systemwidrig. Folglich muss die Abwägung zur Bestimmung der unangemessenen Gefährlichkeit, die auf einer fehlerhaften Fertigung beruht, zwingend zugunsten des Herstellers ausgehen, wenn die gefährliche Abweichung des hergestellten Produkts von der beabsichtigten Sollbeschaffenheit fertigungstechnisch nach dem Stand von
B. Die Haftung von Nichtherstellern im ProdHaftG
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Wissenschaft und Technik unvermeidbar bzw. im Rahmen einer Qualitätskontrolle nicht erkennbar war oder wenn die Gesamtabwägung aller Umstände unter Berücksichtigung der vorhersehbaren Gefahren nach ihrer Art, ihrer Intensität und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts sowie nach der Genauigkeit der zur Verfügung stehenden alternativen Fertigungs- und Qualitätsprüfungsmethoden zu dem Ergebnis führt, dass die höhere Fertigungsgenauigkeit und Qualitätskontrolle nicht in angemessener Weise umsetzbar war. Die Objektivität der produktbezogenen Fehlerbestimmung stellt auch an die erkennenden Gerichte neue Herausforderungen. Die Bewertung der Angemessenheit der Produktgefahren ist eine Rechtsauslegung, die allein dem Gericht obliegt. Sie kann nicht auf Sachverständige zur Beantwortung übertragen werden. Zur Entscheidungsfindung sind die Gerichte als technische Laien aber auf die Feststellungen in Sachverständigengutachten angewiesen. Die Analyse der dieser Arbeit zugrunde liegenden Rechtsprechung zur strict products liability legt nahe, dass sich die Gerichte zur Bewertung der Objektivität der Sachverständigenaussagen folgender Fragestellungen bedienen sollten: 1. Handelt es sich um ein Fachgebiet, bei dem überhaupt objektivierbare Erkenntnisse ermittelt werden können? 2. Können die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien mit objektiven Testverfahren überprüft werden? 3. Wurden die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien bereits publiziert und wurden diese von den jeweiligen Experten nachgeprüft und bestätigt? 4. Liegen für die von den Parteien vorgetragenen technischen und wissenschaftlichen Theorien Erkenntnisse über potentielle Fehlerwahrscheinlichkeiten vor, und wenn ja, wie hoch sind diese? 5. Wurden die vom gerichtlich bestellten Sachverständigen vertretenen technischen und wissenschaftlichen Theorien unabhängig vom Gerichtsverfahren aufgestellt? 6. Weichen die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus einem anerkannten Forschungsstand von den Schlussfolgerungen der anderen Experten ab? 7. Hat der Sachverständige alle möglichen Schlussfolgerungen in seinem Gutachten diskutiert? 8. Welchen zeitlichen, personellen und gerätebezogenen Aufwand hat der gerichtlich bestellte Sachverständige zur Ermittlung seiner Ergebnisse betrieben?
B. Die Haftung von Nichtherstellern im ProdHaftG Wenn die Haftung allein darin angeknüpft wird, dass ein unangemessen gefährlicher Produktzustand den Produktnutzer verletzt hat, und wenn es aufgrund des
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Teil 6: Schlussfolgerungen
unwiderlegbar vermuteten Verschuldens gerade nicht darauf ankommt, welcher Verhaltensvorwurf dem Haftenden gemacht wird, dann liegt es nahe, – wie in den meisten, die strict products liability anwendenden Rechtsordnungen – grundsätzlich jede Rechtsperson im vollen Umfang haften zu lassen, die das Produkt im Rahmen der kommerziellen Herstellungs- und Vertriebskette besessen hat. Die mit diesem rechtssystematisch stringenten Ergebnis eventuell einhergehenden unbilligen Ergebnisse können – wie gelegentlich in der strict products liability praktiziert – durch gesetzliche, den Schutzzweck begrenzende Ausnahmetatbestände geregelt werden, falls die mit dem Gesetz verfolgten Ziele und Zwecke durch diese umfassende Haftung nicht erreichbar wären, etwa weil der Haftende keine höhere Produktsicherheit herbeiführen könnte und gegenüber dem Geschädigten den Schaden nicht besser absichern oder refinanzieren kann oder falls der mit dem Produktvertrieb verbundene kommerzielle Gewinn nicht geschäftsmäßig erzielt wird. § 4 ProdHaftG entspricht im Wesentlichen dieser Regelungssystematik der Haftung der Beteiligten in der Herstellungs- und Vertriebskette, soweit der Produktfehler objektbezogen bestimmt wird, so dass der Gesetzeswortlaut des § 4 ProdHaftG als weiterer Nachweis für eine objektbezogene Produktfehlerbestimmung im ProdHaftG herangezogen werden kann. So haftet – im Gegensatz zur verhaltensbezogenen Herstellerhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB – jeder Hersteller, bis hin zum Quasihersteller, unabhängig von seinen Anteilen am konkreten haftungsverursachenden Fehler auf den ganzen Schaden. Die Gleichsetzung des Importeurs und des Warenhändlers mit dem Hersteller im § 4 Abs. 2 und 3 ProdHaftG entspricht ebenfalls grundsätzlich der Regelungssystematik im Rahmen einer objektbezogenen Produktfehlerbestimmung. Auch nimmt die Haftungsbegrenzung für Importeure und Warenhändler die Diskussion über die Begrenzung der Haftung der Nichthersteller in der strict products liability entsprechend dem Schutzzweck der objektbezogenen Produkthaftung auf. An der Schutzbereichsbegrenzung des § 4 Abs. 2 und 3 ProdHaftG ist jedoch kritisch zu sehen, dass eine dahinter stehende abstrakt generelle Erwägung nicht zu erkennen ist. Die Begrenzung der herstellergleichen Importeurshaftung auf Wareneinfuhren aus Ländern außerhalb des Geltungsbereichs des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum legt nahe, dass der Gesetzgeber die Argumente zur Haftungserweiterung im Rahmen der Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB aufgegriffen hat (Sicherstellung eines gleichen oder wenigstens ausreichenden Produktsicherheitsniveaus und einer effektiv wirksamen Rechtsverfolgung von Produkthaftungsansprüchen im Herstellerland). Der Blick auf Rechtsordnungen, die die strict products liability gegenüber Warenhändlern anhand ähnlicher Erwägungen einschränken, macht deutlich, dass es sinnvoller ist, die Schutzzweckbegrenzung abstrakt generell zu regeln und nicht auf einen wirtschaftspolitischen völkerrechtlichen Vertrag abzustellen, der keine Bezüge zum Produkthaftungsrecht aufweist. Eine abstrakt generelle Regelung, die einen adäquaten Rechtsschutz in den Mittelpunkt stellt, würde eine Haftungsfreistellung für Importeure an Kriterien wie die Möglichkeit einer effektiven Rechtsverfolgung und Vollstreckung im Rechtskreis des Herstellers und
C. Maßstab für erbrachten Beweis eines objektbezogenen Produktfehlers
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die Solvenz des Herstellers mit Blick auf den Schaden gesetzlich normieren. Bei einer solchen abstrakten Normierung würde auch deutlich werden, dass die Haftungsfreistellung für allgemeine Warenhändler im § 4 Abs. 3 ProdHaftG zu weitgehend ist und erst dann erfolgen sollte, wenn nicht nur die Person des Herstellers dem Geschädigten bekannt ist, sondern der Geschädigte seine Ansprüche auch tatsächlich realisieren kann.
C. Der Maßstab für den erbrachten Beweis eines objektbezogenen Produktfehlers und dessen Kausalität für die Verletzung Mit der objektbezogenen Fehlerbestimmung losgelöst vom tatsächlichen Fehlverhalten des Herstellers verändert sich das zur Entscheidungsfindung relevante prozessuale Beweisthema weg von der Darstellung des örtlich und zeitlich vom schädigenden Ereignis weit entfernten Herstellerverhaltens hin zur Darstellung der zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses tatsächlich vorhandenen Produktsubstanz und deren Auswirkungen auf die Verletzung. Wenn das vom Geschädigten als fehlerhaft behauptete Produkt beim Unfallereignis so stark deformiert oder zerstört wird, dass der Ausgangszustand nicht ermittelbar ist (was bei Kraftfahrzeugen und den hier bei Unfällen wirkenden hohen Kräften in einer signifikanten Anzahl von Fällen vorliegt), oder wenn die behauptete Fehlerhaftigkeit in einem nicht reproduzierbaren Datenverarbeitungsvorgang besteht (was bei Kraftfahrzeugen, bis hin zum autonom fahrenden Auto, immer dominanter wird), dann fehlt dem Kläger jegliche Grundlage, um seinen Anspruch gegenständlich dem Gericht zu präsentieren, so dass er regelmäßig nicht dem für den Fehlerbeweis und die haftungsbegründende Kausalität geltenden Beweismaßstab des § 286 ZPO genügen wird. Das materielle Produkthaftungsrecht wäre demnach aus prozessualen Gründen entwertet. Nach allgemeiner und rechtssystematisch zutreffender Ansicht hat das Prozessrecht aber der Durchsetzung des materiellen Rechts zu dienen und vor allem dem Anspruchsteller nicht das zu nehmen, was ihm das materielle Recht gibt. Ohne dies in der Gesetzesbegründung in seiner ganzen Bedeutung zu würdigen, hat der Gesetzgeber bereits im ProdHaftG den Ausweg aus diesem Dilemma gesetzlich geregelt, indem er im § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG darauf abstellt, dass „nach den Umständen davon auszugehen ist“, was in der Rechtsanwendung als Beschreibung eines großen Maßes an Wahrscheinlichkeit interpretiert wird. Diese Ausnahme zur vollen richterlichen Überzeugung gemäß § 286 ZPO beruht auf der tatsächlichen, vom Hersteller nicht zu beeinflussenden oder gar zu vertretenden Beweisnot, dass er keinen Zugang zu den Informationen hat, die die Produkthistorie nach dem Verlassen seiner Einflusssphäre bis hin zu den Umständen des schädigenden Ereignisses betreffen. Es ist aber kein vernünftiger oder gar rechtssystematischer Grund ersichtlich, weshalb dem Kläger im Falle einer vergleichbaren, von ihm nicht beeinflussbaren oder gar zu
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Teil 6: Schlussfolgerungen
vertretenden Beweisnot die gleiche Ausnahme vom Beweismaßstab des § 286 ZPO verwehrt wird. Da dem deutschen Prozessrecht bisher eine Rechtstradition zum Beweismaßstab eines großen Maßes an Wahrscheinlichkeit fehlt, lohnt sich auch hier ein Blick auf den Beweismaßstab der strict products liability, da die erkennenden Gerichte hier mit der gleichen Beweisnotsituation umgehen müssen und da in der strict products liability zur Erbringung des Fehler- und Kausalitätsbeweises auch auf die Wahrscheinlichkeit abgestellt wird. Der Beweismaßstab eines großen Maßes an Wahrscheinlichkeit führt unter Zugrundelegung der in der strict products liability geltenden Beweismaßstäbe dann zur vollen richterlichen Überzeugung von der Wahrhaftigkeit des Vorliegens eines Produktfehlers und der haftungsbegründenden Kausalität, wenn die vorgetragenen Indizien mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der behaupteten Tatsache gegenüber dem Nichtvorliegen sprechen. Höhere Wahrscheinlichkeitsgrade, wie die Höchstwahrscheinlichkeit oder die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sind gravierenderen Rechtsfolgen vorbehalten, die über den Ausgleich eines erlittenen Schadens hinausgehen. Die mit der Senkung der ausreichenden Beweishöhe verbundenen prozessualen Nachteile des Herstellers sind ausreichend sachlich begründet, da dieser die Produktgefahren steuern und vermeiden, seine Haftpflicht versichern und die Prämien oder die gezahlten Schadenersatzsummen auf die Gesamtheit aller Produktkäufer durch die Kalkulation als Produktionskosten verteilen kann, während der geschädigte Nutzer (und noch mehr der geschädigte Dritte) den Schaden aus der Produktbenutzung selbst tragen muss und sich gegen eventuell existentielle Gefahren weder versichern noch auf die Risiken der auf dem Markt angebotenen Produkte einwirken kann. Dagegen ist eine Verringerung der Beweistiefe nicht mehr gerechtfertigt, wenn nur eine bloße Möglichkeit des Vorliegens der behaupteten und zu beweisenden Tatsachen besteht. Dann bestünde die Gefahr, dass allein aus der Schädigung durch ein Produkt während der Produktbenutzung auf das Vorliegen eines Produktfehlers und auf dessen Ursache für den geltend gemachten Schaden geschlossen wird und dass mittels einer prozessualen Beweislastregel das materielle Produkthaftungsrecht zu einer Gefährdungshaftung mutiert. Ohne Vorlage des konkret den Schaden verursachenden Produkts ist es für den Kläger bei einem behaupteten herstellungsbedingten Fehler dessen ungeachtet aussichtslos, das Maß einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Produktfehlers zu erbringen. Im Falle einer streitigen haftungsbegründenden Kausalität gilt dies auch für den konstruktiv bedingten Fehler. Aus der Analyse der dieser Arbeit zu Grunde liegenden Gerichtsentscheidungen lassen sich aber Beweisführungsmethoden extrahieren, die zu einem erfolgreichen substantiierten Indizienbeweis führen können. Dazu gehört die Beweisführung, dass (irgendein) vom Hersteller verursachter Produktfehler vorgelegen haben muss, weil das Produkt während einer normalen Benutzung eine Fehlfunktion aufgewiesen hat, die ohne einen Produktfehler nicht aufgetreten wäre, bzw., dass sich logisch und vernünftig die Ursächlichkeit des bewiesenen Produktfehlers für den geltend gemachten Schaden ergibt, weil ein auf den Produktfehler zurückzuführender Kausalverlauf alle
C. Maßstab für erbrachten Beweis eines objektbezogenen Produktfehlers
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anderen möglichen Kausalverläufe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unter objektiven Gesichtspunkten dominiert, ohne dass zwingend jede denkbar mögliche alternative Schadenverursachung vorzutragen oder gar durch Beweisantritt auszuschließen wäre. Für eine derartige Beweisführungstaktik müsste der Kläger zuerst alle die Fehlfunktion oder den Schaden möglicherweise verursachenden Umstände ausschließen, die nicht in der Sphäre und der Kenntnis des Herstellers liegen, indem er nachweist, wie er das Produkt zum Zeitpunkt des Unfalls tatsächlich benutzt hat. Um einen Indizienbeweis mit dem Ergebnis eines großen Maßes an Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Produktfehlers und für das Beruhen der Verletzung auf dem Produktfehler erfolgreich zu führen, kann sich der Kläger folgender Aspekte bedienen: 1.
die Zeitspanne seit dem Inverkehrbringen des schadenverursachenden Produkts,
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die Dauer der Produktnutzung,
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die Art und Intensität der Produktnutzung, insbesondere auch bekannte Fehlnutzungen und Fehlfunktionen, soweit diese nicht so unmittelbar mit dem schädigenden Ereignis verbunden sind, dass bereits materiell-rechtlich ein Produktfehler oder das Beruhen des Schadens auf dem Produktfehler ausgeschlossen ist,
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der Wartungs- und Reparaturstatus des zerstörten Produkts,
5.
die dem Produkt immanente (und vom Verbraucher zu erwartende) Nutzungsdauer,
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die Unveränderbarkeit des streitgegenständlichen Produkts aufgrund der technischen Gegebenheiten (zugunsten des Klägers) bzw. die nach der Inverkehrgabe am streitgegenständlichen Produkt vorgenommenen Veränderungen (zugunsten des Herstellers), welche irgendeine Verbindung mit dem schädigenden Ereignis aufweisen könnten, soweit diese nicht so unmittelbar mit dem schädigenden Ereignis verbunden sind, dass bereits materiell-rechtlich ein Produktfehler oder das Beruhen des Schadens auf dem Produktfehler ausgeschlossen ist,
7.
die Kenntnis über negative Produktwirkungen, bevor das streitgegenständliche Produkt konstruiert und hergestellt wurde,
8.
der lückenlose Nachweis der Nutzung und der Funktionsfähigkeit des Produkts seit dem Kauf als neues Gerät,
9.
die Verwendbarkeit, Austauschbarkeit und (ggf. auch fehlerhafte) Verwendung des angeblich defekten Einzelteils in anderen Produkten und deren Bewährung,
10. eventuelle Rückrufaktionen (Ob und Wie) vor dem streitgegenständlichen Unfallereignis und nach der Kenntnis von einem Produktfehler sowie die Bewährung des Produktes, 11. eventuelle interne Dokumente des Herstellers oder Dokumente von Aufsichtsund Genehmigungsbehörden,
414
Teil 6: Schlussfolgerungen
12. die Erfahrungen mit Fehlfunktionen oder mit (vom Hersteller vermeidbaren und ihm bekannten) unwillkürlichen Fehlbedienungen in der Vergangenheit vor dem Unfall, 13. die Anfälligkeit des streitgegenständlichen Produkts im Vergleich zu anderen vergleichbaren Produkten (ähnliche Unfälle oder Ausbleiben dergleichen), 14. das Qualitätsniveau des streitgegenständlichen Produkts, 15. die Verwendung von notwendigem oder empfohlenem Zubehör, insbesondere von Sicherheitseinrichtungen, 16. die Qualitätskontrollen des Herstellers und 17. die Unfallfolgen, wie Art der Beschädigung und Lage der beschädigten Gegenstände nach dem Unfall, Art und Umfang der Verletzungen. Eine weitere Beweisführungsstrategie kann darin liegen, dass der Kläger zum Beweis der Ursache des Unfalls, des Vorliegens eines Produktfehlers (insbesondere hinsichtlich der mit dem Produkt verbundenen und bekannten Gefahren im Rahmen der vom Hersteller zu verantwortenden Nutzung und deren konstruktive oder kommunikative Vermeidung sowie zur Qualität des Produkts) und zur Ursächlichkeit des Produktfehlers für den Schaden eine substantielle Ähnlichkeit, nicht notwendigerweise Gleichheit, des streitgegenständlichen Unfalls mit nichtstreitgegenständlichen Unfällen nachweist. Auch hier muss der Kläger aber mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass in den Vergleichsunfällen auch andere plausible – vom Hersteller nicht zu verantwortende – Ursachen eine Rolle gespielt haben könnten. Für diesen Ausschluss kann sich der Kläger den hohen Indizienbeweiswert für das Vorliegen eines Fehlers in der Herstellung zu Nutze machen, wenn das streitgegenständliche Produkt zur gleichen Zeit im gleichen Herstellungsbetrieb mit den Produkten hergestellt wurde, die in den Vergleichsfällen aufgrund eines (bewiesenen) herstellungsbedingten Produktfehlers zu gleichen oder ähnlichen Verletzungen führten.
D. Die präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung in der Produzentenhaftung Der Schutzbereich des Produkthaftungsrechts umfasst zwei getrennte Regelungssysteme. Zum einen soll der Einzelne (der Produktnutzer oder der mit dem Produkt in Kontakt kommende Dritte) vor materiellen und immateriellen Nachteilen geschützt werden, die er aufgrund eines rechtswidrigen Produktzustands erleidet. Dafür ist ein Verhaltensvorwurf an den Hersteller unerheblich. Dieser Schutzbereich wird mit der verschuldensunabhängigen, objektbezogenen Haftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG geregelt. Zum anderen wäre die verbraucherschützende Intention des Produkthaftungsrechts jedoch unvollständig, wenn neben dem Schutz des Ein-
D. Präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung in der Produzentenhaftung
415
zelnen nach einer Gesundheitsverletzung nicht auch der Schutz des Einzelnen vor einer Gesundheitsverletzung hinzukäme. Die Existenz des Produkthaftungsrechts als eigenständiges Rechtsgebiet beruht gerade darauf, den Hersteller zu motivieren, sichere Produkte in den Warenverkehr zu geben. Mit der Produkthaftung soll also neben dem Schadenausgleich auch auf das Verhalten des Herstellers eingewirkt werden. Diese verhaltensbezogene deliktische Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB existiert gemäß § 15 Abs. 2 ProdHaftG auch neben der objektbezogenen Produkthaftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG weiter. Im Gegensatz zum allgemeinen Deliktsrecht ist diesem Anspruch aber nach dem Inkrafttreten des ProdHaftG jede schadenausgleichende Wirkung verloren gegangen. Die eigenständige Bedeutung behält die Produzentenhaftung jedoch hinsichtlich ihrer präventiv-verhaltenssteuernden Funktion. Eine präventive Wirkung durch eine verhaltensbezogene Haftung des Herstellers ist nur dann zu erwarten, wenn es für den Hersteller finanziell nicht lukrativer ist, ein gefährliches Produkt mit höheren Gewinnmargen (gegenüber einem hinreichend sicheren Produkt) auf den Markt zu bringen und eventuelle Schadenersatzzahlungen, die erst anfallen, wenn sich die Gefahren tatsächlich realisiert haben und der Verletzte die deliktische Schädigung überhaupt erkennen, beweisen sowie finanziell das Prozessrisiko tragen kann, als Geschäftskosten aus den generierten Gewinnen zu zahlen. Dem präventiven Ziel ist daher nur gedient, wenn der materielle Schadenersatz und die immaterielle Entschädigung ein verhaltensbeeinflussendes Risikoniveau erreicht. Da der materielle Schadenersatz gesetzlich fixiert und durch die tatsächlichen materiellen Nachteile begrenzt ist, bleibt als Regulator nur die immaterielle Entschädigung. Ob die immaterielle Entschädigung über den Ausgleich der immateriellen Nachteile durch das Schadenereignis und über die Verschaffung der – wie auch immer bemessenen – Genugtuung hinaus eine präventive Funktion besitzt und mit präventiven Erwägungen erhöht werden kann, ist seit dem Inkrafttreten des BGB hoch umstritten. Die weit überwiegende Meinung lehnt dies – auch mit Verweis auf einen ansonsten drohenden, vom Gesetzgeber abgelehnten und daher zu vermeidenden Charakter einer Privatstrafe – ab. Dem steht aber entgegen, dass die für die Bemessung der billigen immateriellen Entschädigung heranzuziehenden Umstände auch ohne Gesetzesänderungen dem zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel unterliegen, da der immaterielle Nachteilsausgleich aus tatsächlichen Gründen nicht das arithmetische Ergebnis der Betrachtung des Verletzten mit dem und ohne das Verhalten des Schädigers sein kann, sondern sich der Tatrichter bei der Transformation von wertmäßig nicht bestimmbaren Umständen in einen Geldbetrag zwangsläufig an sittlichen und moralischen Vorstellungen zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt orientiert. So wurde bereits in der Vergangenheit mit der Begründung der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes sowie der Entschädigung unter präventiven Wirksamkeitserwägungen bei der Verletzung des Diskriminierungsverbots im Arbeitsrecht, bei der verzögerten Schadensregulierung durch Versicherer und bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts deutlich ge-
416
Teil 6: Schlussfolgerungen
macht, dass es ein allgemein anerkanntes Rechtsschutzbedürfnis gibt, die Billigkeit der immateriellen Entschädigung nicht allein mit Ausgleichserwägungen hinsichtlich des erlittenen Schadens und der höchstpersönlichen Umstände in der Person des Verletzten zu bemessen, sondern weitere volkswirtschaftliche sowie gesellschaftsund sozialpolitische Erwägungen zu berücksichtigen. Jedenfalls kann aus den punktuellen Sonderregelungen geschlussfolgert werden, dass der Umfang der immateriellen Entschädigung nicht von den Prinzipien der Bestimmung des materiellen Schadenersatzes begrenzt wird, sondern dass sie neben der Ausgleichsfunktion, die jeder Entschädigung denknotwendig innewohnt, auch weiteren Funktionen dienen kann. Dies wird auch im Gesetzeswortlaut des § 253 Abs. 1 BGB deutlich, worin der Ersatz des immateriellen Schadens nicht als „Schadenersatz“ sondern als „billige Entschädigung“ bezeichnet wird. Mit dem Argument der Einheit der Rechtsordnung ist es daher auch nicht ausgeschlossen, die zur Verletzung des Diskriminierungsverbots im Arbeitsrecht, der verzögerten Schadensregulierung durch Versicherer und der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Rechtsfolgen unter ähnlichen oder gleichen Voraussetzungen auf die Produzentenhaftung zu übertragen. Eine Entschädigung ist nur dann über den Ausgleich erlittener Nachteile des Verletzten hinaus und damit zu dessen Bereicherung aus dem Unfallereignis gerechtfertigt, wenn sie verhältnismäßig ist. Die Geeignetheit setzt voraus, dass der adressierte Hersteller durch eine an präventiven Motiven orientierte Entschädigungsbemessung in Zukunft vom rechtswidrigen Verhalten abgehalten werden kann. Da das Verhalten des Herstellers bei der Konstruktion, Herstellung und den Vertrieb des Produkts auf einer vorherigen motiv- und interessengeleiteten Abwägung beruht, ist eine erhöhte Entschädigung geeignet, die beabsichtigten präventiv-verhaltenssteuernden Wirkungen zu erzeugen. Der Eingriff in das Gesamtregelungssystem des deutschen Schadenersatzrechts ist derart hoch, dass die Erhöhung nur dann erforderlich ist, wenn es keine anderen zivil-, straf- und verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten gibt, den Schädiger oder Dritte in ähnlichen Situationen in Zukunft davon abzuhalten, ein ähnlich gefährliches oder schädigendes Verhalten vorzunehmen (ultima ratio-Gedanke). Die Analyse der Erfahrungen der von der Zielsetzung sehr eng verwandten punitive damages in der Produzentenhaftung und der Urteilsgründe zur Festlegung einer Entschädigung aus präventiven Gründen als Folge der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führt zu dem Ergebnis, dass der ultima ratio-Gedanke für eine präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigungserhöhung in der Produzentenhaftung ein zusätzliches, auf die konkrete Person des Schädigers und dessen Verhalten bezogenes Begrenzungselement erfordert. Hierfür bietet sich das in der deutschen Rechtsprechung zur Erhöhung der Entschädigung aus präventiven Gründen bereits anklingende, im Rahmen von punitive damages aber umfangreich und intensiv konkretisierte Kriterium des besonders verwerflichen Verhaltens gegenüber der Allgemeinheit an. Die besondere Verwerflichkeit ist bisher im Rahmen der immateriellen Entschädigung noch nicht detailliert konkretisiert worden. Insbesondere lassen die
D. Präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung in der Produzentenhaftung
417
Entscheidungen zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch viele wichtige Fragen offen. Demgegenüber kann gerade der Rechtsprechung zu den punitive damages in den letzten 20 Jahren ein sehr sachdienlicher Kriterienkatalog entnommen werden. Dazu gehört, dass der Begriff der Verwerflichkeit losgelöst ist von der Art des Verschuldens des Schädigers gegenüber dem Verletzten. Vielmehr handelt es sich dabei um ein so mutwilliges, rücksichtsloses und bösartiges Ignorieren der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, dass die Allgemeinheit ein besonders hohes Interesse an der Unterbindung derartigen Verhaltens in der Zukunft hat. Da sich der Schutzzweck an die Allgemeinheit richtet, bemisst sich die Verwerflichkeit nicht aus einem Bezug zu der zu liquidierenden Verletzung, sondern aus der geistigen Einstellung des Herstellers gegenüber der Allgemeinheit. Die Analyse der Regelungen und der Rechtsprechung zu den punitive damages führt zu dem Ergebnis, dass ein Verhalten dann besonders verwerflich ist, 1. wenn das Herstellerverhalten eine bewusste Missachtung der Rechte und der Sicherheit der Allgemeinheit verdeutlicht, 2. wenn dieses Herstellerverhalten für eine ungerechtfertigte prekäre Notlage einzelner Personen verantwortlich ist oder 3. wenn der Hersteller bewusst die ihm bekannten Tatsachen zum eigenen unrechtmäßigen finanziellen oder sonstigen unternehmerischen Vorteil (z. B. Image, Kreditwürdigkeit) irreführend darstellt oder verschleiert. Bei der Bewertung der besonderen Verwerflichkeit der Missachtung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit können alle sachdienlichen Umstände des Herstellerverhaltens, die unmittelbar oder mittelbar mit dem zur konkreten Rechtsgutverletzung führenden Verhalten verbunden sind, einbezogen werden. Dazu gehört, wie sehr der Hersteller oder ein Dritter in einer ähnlichen Situation zu dieser gefährlichen Handlung aufgrund des hohen Eigennutzes dieses Verhaltens motiviert sein könnte oder, umgekehrt, wie sehr die beabsichtigte Präventionswirkung aufgrund der Sorge des Herstellers vor Gefahren für seine Reputation und aufgrund seines zusätzlichen finanziellen Aufwands mittels öffentlich-rechtlicher Sanktionen alternativ erreicht werden kann. Darüber hinaus kann für ein hohes Interesse der Allgemeinheit an präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigungszahlungen sprechen, dass ein Hersteller bewusst und gewollt gegen Sicherheitsbestimmungen verstößt. Unter die dritte Alternative fallen insbesondere alle Handlungen des Herstellers mit der Absicht, ihm bekannte Produktgefahren gegenüber der Allgemeinheit zu verschleiern und zu vertuschen, so dass der Verbraucher die Gefährlichkeit des Produkts nicht erkennen oder nachweisen kann, sowie alle Vernichtungshandlungen gegenüber tauglichen Beweismitteln im Nachhinein. Die besondere Abneigung der deutschen Rechtsprechung und Literatur gegen eine Erhöhung der billigen Entschädigung unter Präventionserwägungen lassen sich vor allem mit der Befürchtung erklären, dass dadurch in Deutschland „amerikanische Verhältnisse“ verbunden mit exorbitanten Zahlungspflichten für den Hersteller und einer dadurch bedingten Insolvenzgefahr entstehen könnten. Die Analyse der jün-
418
Teil 6: Schlussfolgerungen
geren und jüngsten Rechtsprechung zu den punitive damages macht aber deutlich, dass diese Befürchtung unbegründet ist. Zum einen werden mit den punitive damages Ausgleichsziele verfolgt, die im deutschen Deliktsrecht ebenfalls vom Schädiger zu tragen (z. B. Rechtsverfolgungskosten) und daher auch in der Zahlungspflicht des Herstellers in Deutschland bereits enthalten sind. Zum anderen werden von Laienjurys ausgeurteilte Beträge auf den verschiedensten prozessualen Wegen von Berufsrichtern nachträglich, teilweise sehr deutlich, verringert, was medial weniger oder gar nicht wahrgenommen wird. In Deutschland würde die Entschädigungsbemessung ausschließlich in der Hand von Berufsrichtern liegen. Und schließlich wurden in der jüngsten Vergangenheit bezüglich der punitive damages viele Maßnahmen ergriffen, um deren Bemessung anhand abstrakter Kriterien transparent und überprüfbar zu machen und deren Höhe zu begrenzen. Es sind keine rechtssystematischen oder vernünftigen Gründe ersichtlich, die folgenden zur Bemessung der Höhe der punitive damages entwickelten Grundsätze nicht auch zur Bemessung einer präventiv-verhaltenssteuernden Entschädigung in der Produzentenhaftung zu übernehmen: 1. Damit die zusätzliche Geldzahlungspflicht den Hersteller überhaupt in der Weise beeinflussen kann, Produktgefahren auch zu Lasten seines Unternehmergewinns zu beseitigen, muss der Verletzte motiviert sein, den Schaden zu liquidieren und diese Ansprüche ggf. auch gerichtlich geltend zu machen. 2. Dem Hersteller muss nicht nur der Profit entzogen werden, der mit dem streitgegenständlichen unsicheren Produkt gegenüber einem sicheren Produkt entstanden ist, sondern der gesamte Profit, auf das sich das verwerfliche Verhalten bezieht (einer ganzen Produktserie oder gar der gesamten Produktion des Herstellers), muss abgeschöpft werden. 3. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Herstellers ist unter dem Aspekt miteinzubeziehen, dass der gleiche nominelle Betrag einen vermögenden Hersteller nicht nur weniger schmerzt und daher weniger präventiv motivierend wirkt, sondern durch die Verrechnung der mit dem Gewinnentzug verbundenen Verluste mit Gewinnen aus anderen Produkten und Produktserien sogar steuersparend vorteilhaft wirken kann. 4. Es ist abzuwägen, ob es den Interessen der Allgemeinheit an der Herstellung und dem Vertrieb des Produkts wegen seiner Nützlichkeit und angesichts der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Herstellers entspricht, die Gefahr einer Insolvenz des Herstellers aufgrund der Entschädigungssumme zu vermeiden, oder ob es gerade im Interesse der Allgemeinheit liegt, mit einer Herstellerinsolvenz die Wiederholung des verwerflichen Verhaltens in der Zukunft sicher auszuschließen. 5. Weder feste Obergrenzen für den Nominalwert der Entschädigung aus präventiven Gründen noch feste relative Obergrenzen bezüglich anderer Faktoren (wie dem kompensatorischen Schadenersatz) stellen taugliche Mittel dar, die Erfor-
E. Zusammenfassung
419
dernisse einer hinreichend wirksamen Prävention zum Schutz der Verbraucher zu etablieren. 6. Anderweitige tatsächlich wirkende präventive Maßnahmen (die auch tatsächlich vollzogen werden), seien sie aus dem Verwaltungsrecht, dem Strafrecht oder aus dem Zivilrecht (u. a. auch bereits verhängte präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigungszahlungen), sind in Anrechnung zu bringen. 7. Es dürfen keine Bemessungsfaktoren berücksichtigt werden, die einen wie auch immer gearteten Vergeltungscharakter (über den bereits nach der Doppelfunktionstheorie zu berücksichtigenden Genugtuungsgedanken hinaus) enthalten. Um jegliche Gefahren eines Präventionsexzesses zu vermeiden, muss die präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung vollständig in Rechtsmittelinstanzen überprüfbar sein und das erkennende Gericht verpflichtet werden, die von ihm herangezogenen Bemessungsfaktoren der billigen Entschädigung, aufgeteilt nach Ausgleichsfunktion, Genugtuung und Prävention sowie deren Gewichtung und Bewertung, ausführlich in den Urteilsgründen darzustellen. Abschließend ließe sich noch daran denken, die in den Sekundärquellen zu punitive damages diskutierten, aber bisher nicht umgesetzten Maßnahmen zur Vermeidung eines Präventionsexzesses und zur Sicherstellung der Partizipation aller durch das Produkt Verletzter einzuführen. Dazu gehört der Vorschlag der Einzahlung dieses Entschädigungsbetrages in einen Ausgleichsfonds (und nicht an den Kläger), der zu einem bestimmten Stichtag, an dem die vollständige Abwicklung der Produktschäden erwartet werden kann, unter den vom Produkt verletzten Personen nach vorher festgelegten objektiven Kriterien verteilt wird.
E. Zusammenfassung 1.
Der Produktfehler gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG ist autonom gegenüber dem Produktfehler gemäß § 823 Abs. 1 BGB zu bestimmen.
2.
§ 1 Abs. 1 ProdHaftG normiert eine Unrechtshaftung, bei der das Verschulden von Gesetzes wegen unwiderlegbar vermutet wird.
3.
Ein Produkt ist gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 ProdHaftG fehlerhaft, wenn die Produktsubstanz unangemessen gefährlich ist (objektbezogene Fehlerbestimmung).
4.
Ein Produkt ist unangemessen gefährlich, wenn es den vernünftigen Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit nicht entspricht.
5.
Sind die vernünftigen Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit nicht ermittelbar, dann kann die unangemessene Gefährlichkeit durch die objektiven Abwägungen bestimmt werden, ob allgemein die innewohnenden Gefahren den Nutzen des Gesamtprodukts überwiegen und ob zwar der Nutzen die inne-
420
Teil 6: Schlussfolgerungen
wohnenden Gefahren überwiegt, aber die konkrete, den Schaden verursachende Produktspezifikation diese Gefahren im Rahmen der Produktnützlichkeit nicht im höchsten umsetzbaren Maße reduziert hat. 6.
Ein Produkt ist in der Regel nach diesen Abwägungen unangemessen gefährlich, wenn die bekannte Gefährlichkeit der Produktsubstanz durch eine umsetzbare Produktspezifikation hätte vermieden oder vermindert werden können.
7.
Ein Produkt ist entweder aufgrund der unangemessenen Gefährlichkeit der Produktsubstanz – gleich ob die Gefährlichkeit auf der Konstruktion oder der Fabrikation des Produkts beruht – fehlerhaft, oder es liegt kein Produktfehler vor. Lediglich für den Fall, dass die Allgemeinheit trotz dieser Gefährlichkeit ein Interesse daran hat, dass es in den Warenverkehr gegeben wird, können sich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit darauf beschränken, dass der Hersteller den Benutzer oder Dritte über die Gefahren aufklärt und mittels effektiver Bedienungsanleitungen über die möglichst gefahrenlose Benutzung informiert.
8.
War die sich in der Verletzung verwirklichende Gefahr für den Geschädigten offensichtlich und hat er in bewusster Kenntnis der Gefahr freiwillig die Benutzung des Produkts fortgesetzt, dann liegt eine Verletzung des Produktnutzers oder eines Dritten außerhalb des Schutzzwecks des ProdHaftG.
9.
Die Haftungsbeschränkung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG wirkt nicht tatbestandsausschließend, sondern ist einschränkend so auszulegen, dass die objektiv zu bestimmende Vorhersehbarkeit der Gefahr als allgemeines Abwägungskriterium im Rahmen der Bestimmung der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit zu berücksichtigen ist und dass die Haftung ohne relativierende Abwägung per se als ausgeschlossen anzusehen ist, falls die zur Verletzung führende Gefahr von niemandem auf dieser Welt hätte erkannt werden können, weil sie bisher nicht bekannt war und auch nicht durch die vorhandenen Erkenntnismittel hätte erkannt werden können.
10. Die Einhaltung technischer Normen schließt die Haftung des Herstellers nicht aus, sondern stellt ein mehr oder weniger erhebliches Indiz für die Erfüllung der berechtigten Sicherheitserwartungen dar. § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG ist in der Weise auszulegen, dass im Falle zwingender Rechtsvorschriften die Abwägung zwingend zur Nichthaftung führt. Das Gleiche gilt für das Vorliegen von behördlichen Genehmigungen. 11. Das übliche Sicherheitsniveau stellt einen Faktor unter vielen zur Bestimmung des berechtigt zu erwartenden Sicherheitsniveaus dar, da die Allgemeinheit objektiv schwer höhere Sicherheitserwartungen entwickeln kann, wenn keine Produkte mit einem höheren Sicherheitsniveau angeboten werden. Trotzdem kann ein Produkt auch dann fehlerhaft sein, wenn kein (anderer) Hersteller ein Produkt mit einer höheren Sicherheit anbietet. 12. Alle Beteiligten in der kommerziellen Herstellungs- und Vertriebskette haften im vollen Umfang für den Schaden.
E. Zusammenfassung
421
13. Soweit die Haftung von Warenhändlern – gleich ob Importeuren oder sonstigen Warenhändlern – als zu weitgehend angesehen wird, sollte eine Ausnahmeregelung erst dann greifen, wenn für den Geschädigten eine effektive Rechtsverfolgung und Vollstreckung im Rechtskreis des Herstellers sichergestellt ist und der Geschädigte seinen Schaden tatsächlich liquidieren kann. 14. Der Kläger hat den Beweis für das Vorliegen eines Produktfehlers und dem Beruhen seiner geltend gemachten Schäden auf diesem Produktfehler im Rahmen der Haftung gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG erbracht, wenn die vorgetragenen Indizien mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der behaupteten Tatsache gegenüber dem Nichtvorliegen sprechen. 15. Die immaterielle Entschädigung kann im Rahmen der Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB dann erhöht werden, wenn es im Interesse der Allgemeinheit dringend erforderlich ist, den Hersteller oder Dritte in einer ähnlichen Situation von dem schädigenden Verhalten in der Zukunft abzuhalten, weil das Verhalten als verwerflich anzusehen ist und die Präventionswirkung nicht anderweitig erreicht werden kann. 16. Die Höhe dieses Entschädigungsbetrages ist auf das zur Erreichung dieses Ziels Erforderliche begrenzt und enthält keinerlei Vergeltungsgesichtspunkte über die Genugtuung hinaus. In den Rechtsmittelinstanzen ist dieser zusätzliche Betrag voll reversibel.
Rechtsprechungsverzeichnis I. Deutschland Gericht
Fundstelle
Referenz
BVerfG
NJW 2002, 1638
Mobilfunkmast
BVerfG
VersR 2000, 897
Schmerzensgeld
BVerfG
NJW 1973, 1221
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
EuGH
NJW 2015, 1163
Boston Scientific Medizintechnik GmbH
RG
RGZ 136, 60
Motorradabschleppen
RG
RGZ 163, 21
Kraftdroschke
BAG
NJW 2010, 2970
Diskriminierung
BAG
NZA 1990, 21
Benachteiligung
BAG
BAGE 6, 321
Arbeitskampf
BGH
NJW 2015, 3097
Herzschrittmacher
BGH
NJW 2015, 2507
ICD
BGH
NJW 2013, 1302
Heißwasser-Untertischgerät
BGH
NJW 2009, 2952
Airbag
BGH
NJW 2009, 1669
Kirschtaler
BGH
NJW 2009, 1080
Pflegebett
BGH
NJW 2007, 762
Mehrwegglasflasche V
BGH
NJW 2006, 1589
Tapetenkleistermaschine
BGH
NJW 2005, 2614
HIV II
BGH
NJW 2004, 1243
Tätlichkeit
BGH
NJW 2001, 964
Kindertee IV
BGH
NJW 1999, 2815
Reißwolf
BGH
NJW 1999, 2273
Saugflasche
BGH
JZ 1997, 784
Gynäkologe
BGH
NJW 1997, 455
Spondylodese
Rechtsprechungsverzeichnis
423
BGH
NJW 1996, 2507
Möbel
BGH
NJW 1996, 2224
Spezialmaschinenöl
BGH
NJW 1996, 1591
Missbrauch
BGH
NJW 1995, 2631
Eisenbahnwaggon
BGH
NJW 1995, 2162
Mehrwegglasflasche IV
BGH
NJW 1995, 2111
Kapitalanlage
BGH
NJW 1995, 1286
Kindertee III
BGH
NJW 1995, 1160
Holzschutzmittel
BGH
NJW 1995, 781
Banküberfall
BGH
NJW-RR 1995, 342
Gewindeschneidemittel II
BGH
NJW 1994, 3349
Atemüberwachungsgerät
BGH
NJW 1994, 517
Gewindeschneidemittel I
BGH
NJW 1993, 781
Geburtsschaden
BGH
NJW 1993, 528
Mehrwegglasflasche II
BGH
NJW-RR 1993, 988
Mehrwegglasflasche III
BGH
NJW-RR 1993, 793
Blumenerde
BGH
VersR 1993, 585
Ertrinken
BGH
VersR 1993, 239
Handbremse
BGH
NJW 1992, 3096
Punitive Damages
BGH
NJW 1992, 2016
Siloanhänger
BGH
NJW 1992, 1039
Salmonellen
BGH
NJW 1992, 560
Milupa
BGH
NJW 1991, 1948
HIV I
BGH
NJW 1990, 2560
Lederspray
BGH
NJW 1990, 908
Weinkorken
BGH
NJW 1990, 906
Pferdebox
BGH
NJW 1989, 2943
Blutgruppenbestimmung
BGH
NJW 1989, 1542
Asthmamittel
BGH
NJW 1989, 707
Fischfutter
BGH
NJW 1988, 2611
Mehrwegglasflasche I
BGH
VersR 1988, 943
Motorradunfall
BGH
NJW 1987, 1694
Putenfutter
424
Rechtsprechungsverzeichnis
BGH
NJW 1987, 1009
Honda
BGH
NJW 1987, 372
Zinkspray
BGH
VersR 1987, 891
Drehpilz
BGH
NJW 1986, 1863
Überrollbügel
BGH
VersR 1986, 173
Schädelhirntrauma
BGH
NJW 1985, 2420
Kompressor
BGH
NJW 1985, 1774
Überschwemmung
BGH
NJW 1984, 801
Eishockey
BGH
NJW 1984, 432
Glatteis
BGH
NJW 1983, 812
Hebebühne
BGH
VersR 1983, 375
Muscheln
BGH
VersR 1983, 344
Gaszug
BGH
NJW 1981, 2514
Sniffen
BGH
NJW 1981, 2250
Asbestplatten
BGH
NJW 1981, 1606
Benomyl
BGH
NJW 1981, 1603
Derosal
BGH
NJW 1980, 1219
Klappfahrrad
BGH
NJW 1980, 392
Freibad I
BGH
VersR 1980, 863
Freibad II
BGH
NJW 1978, 2241
PKW-Reifen
BGH
VersR 1977, 918
Insektizid
BGH
VersR 1977, 358
Schwimmerschalter
BGH
VersR 1977, 334
Autoskooter
BGH
VersR 1977, 136
Flugzeug
BGH
BB 1977, 1117
Autokran
BGH
NJW 1976, 1147
Symbolisches Schmerzensgeld
BGH
VersR 1976, 967
Spazierfahrt
BGH
VersR 1976, 149
Abdeckrost
BGH
NJW 1975, 1827
Spannkupplung
BGH
NJW 1975, 824
Haartonicum
BGH
NJW 1974, 453
Verkehrsschild
BGH
NJW 1973, 1688
Bastelbogen
BGH
VersR 1973, 862
Feuerwerkskörper
BGH
VersR 1972, 1075
ESTIL
BGH
VersR 1972, 559
Förderkorb
BGH
VersR 1972, 149
Stetigförderer
BGH
VersR 1971, 80
Bremse
Rechtsprechungsverzeichnis
425
BGH
NJW 1969, 269
Hühnerpest
BGH
VersR 1969, 834
Ablieferungsinspektion
BGH
VersR 1969, 470
Ballett
BGH
VersR 1966, 542
Kabelmerkringe
BGH
NJW 1965, 815
Straßenbaum
BGH
VersR 1965, 1157
Ausfahrt
BGH
VersR 1963, 860
Auftautransformator
BGH
NJW 1961, 2059
Ginseng
BGH
VersR 1961, 231
Arzneimittelkeller
BGH
VersR 1960, 1095
Kühlautomat
BGH
VersR 1960, 855
Kondensomat
BGH
VersR 1960, 342
Fußbodenklebemittel
BGH
VersR 1959, 523
Fensterkran
BGH
VersR 1958, 107
Betondecke
BGH
VersR 1957, 584
Baumspritze
BGH
VersR 1956, 259
Motorrollerlenker
BGH
NJW 1955, 1675
Doppelfunktionstheorie
BGH
VersR 1955, 765
Insektenvernichtungsmittel
BGH
VersR 1954, 365
Straßenbaum
BGH
VersR 1954, 100
Milch
BGH
VersR 1953, 242
Speiseöl
BGH
VersR 1952, 357
Rungenverschluss
KG
Urteil vom 28. 08. 2015 Az. 4 U 189/11
Hüftprothese
KG
VersR 2002, 1567
US-Bürger
OLG Bamberg
VersR 2010, 403
Frischbeton
OLG Bamberg
VersR 1982, 1146
PKW-Reifen II
OLG Bamberg
VersR 1977, 771
PKW-Reifen I
OLG Bremen
VersR 2004, 207
Faltschachtelverpackungsanlage
OLG Bremen
GesR 2003, 270
Geburtsschaden
OLG Celle
VersR 2007, 254
Schleifmaschine
OLG Celle
NJW-RR 2006, 526
Kugellager
OLG Celle
VersR 2005, 91
Autobahnunfall
OLG Celle
VersR 2004, 864
Frischbeton
OLG Celle
Urteil vom 14. 03. 2002 Az. 11 U 51/01
Spezialfahrzeug
OLG Celle
NJW-RR 1986, 25
Zementreiniger
426
Rechtsprechungsverzeichnis
OLG Celle
VersR 1985, 148
Allopurinol
OLG Celle
VersR 1984, 276
Raupe
OLG Celle
VersR 1981, 464
Traktorreifen
OLG Celle
VersR 1978, 258
Klapphocker
OLG Dresden
NJW-RR 1999, 34
Hydraulikzylinder
OLG Dresden
VersR 1998, 59
Fahrradnabe
OLG Düsseldorf
OLGR 2009, 349
Motorhaubenschloss
OLG Düsseldorf
VersR 2003, 912
Mars-Riegel
OLG Düsseldorf
NJW 1997, 2333
Schnellspannvorrichtung
OLG Düsseldorf
NJW-RR 1997, 1344
Kugelpfanne
OLG Düsseldorf
NJW-RR 1995, 25
Kindertee
OLG Düsseldorf
OLGR 1993, 208
Viehtransportanhänger
OLG Düsseldorf
NJW-RR 1992, 284
Lack
OLG Düsseldorf
RIW 1991, 594
Sexueller Missbrauch
OLG Düsseldorf
VersR 1990, 906
Kamin
OLG Düsseldorf
VersR 1988, 161
Kanaldeckel
OLG Düsseldorf
MedR 1985, 85
Kunstfehler
OLG Frankfurt
Urteil vom 20. 05. 2010 Az. 1 U 99/09
Herzschrittmacher
OLG Frankfurt
OLGR 2009, 478
Gentechnikmais
OLG Frankfurt
VersR 2002, 1568
Auffahrunfall
OLG Frankfurt
VersR 2000, 781
Sattelzug
OLG Frankfurt
VersR 1996, 982
Kraftstoffrohr
OLG Frankfurt
ZfS 1996, 131
Mehrwegglasflasche II
OLG Frankfurt
NJW-RR 1994, 800
Fahrradlenker
OLG Frankfurt
NJW-RR 1994, 346
Herbizid
OLG Frankfurt
VersR 1993, 845
Mehrwegglasflasche I
OLG Frankfurt
VersR 1991, 1184
ABS-Regler
OLG Frankfurt
VersR 1991, 316
Kinderteeflasche
OLG Frankfurt
VersR 1987, 1196
Schädlingsbekämpfungsmittel
OLG Frankfurt
BB 1986, 1117
Honda-Motorrad
OLG Frankfurt
VersR 1985, 890
Limonadenglasflasche II
OLG Frankfurt
VersR 1980, 144
Limonadenglasflasche I
Rechtsprechungsverzeichnis
427
OLG Hamburg
NJW 1990, 2322
Blutkonserve
OLG Hamburg
VersR 1983, 882
Konservierungsmittel
OLG Hamburg
NJW 1973, 1503
Rotlichtverstoß
OLG Hamburg
MDR 1972, 1033
Unzucht
OLG Hamburg
DAR 1972, 16
Reifen
OLG Hamm
VersR 2011, 637
Herzschrittmacher
OLG Hamm
NJW-RR 2011, 893
Grillpaste
OLG Hamm
NJW 2005, 295
Zigaretten
OLG Hamm
NJW 2004, 2394
Satire
OLG Hamm
VersR 2003, 780
Querschnittslähmung
OLG Hamm
NJW-RR 2001, 1539
Katheder
OLG Hamm
NJW-RR 2001, 1248
Sprungboot
OLG Hamm
Urteil vom 14. 05. 1997 Az. 13 U 187/96
Hepatitis-C
OLG Hamm
NJW-RR 1993, 853
Schweinefutter
OLG Hamm
NZV 1993, 310
Anhängerkupplung
OLG Hamm
BB 1971, 845
Untertisch-Kappsäge
OLG Karlsruhe
Urteil vom 09. 08. 2001 Az. 9 U 38/01
Zentralverriegelung
OLG Karlsruhe
NJW-RR 1995, 594
Dunstabzugshaube
OLG Karlsruhe
NJW-RR 1994, 798
Kabelstrumpf
OLG Karlsruhe
NJW-RR 1992, 285
Brandschutzmörtel
OLG Karlsruhe
VersR 1989, 375
Jagdgewehr
OLG Karlsruhe
VersR 1986, 46
Motorsense
OLG Karlsruhe
NJW 1973, 851
Zögerliches Regulierungsverhalten
OLG Karlsruhe
NJW 1969, 1488
Querschnittslähmung
OLG Koblenz
OLGR 2009, 169
Windschutzanlage
OLG Koblenz
NJW-RR 2006, 169
Knetermaschine
OLG Koblenz
NJW 2003, 442
Spurwechsel
OLG Köln
Urteil vom 23. 09. 2015 Az. 5 U 189/14
Pferdeblutplasma
OLG Köln
NJW 2006, 2272
Erdnussriegel
OLG Köln
VersR 2000, 974
Hämofiltrationspatrone
OLG Köln
VersR 1993, 110
Sicherungsklemme
OLG Köln
VersR 1992, 622
Patientenaufklärung
OLG Köln
VersR 1992, 197
Mord
OLG Köln
NJW-RR 1991, 740
LKW-Motor
OLG Köln
NJW-RR 1991, 285
Hebeanker
OLG Köln
NJW-RR 1990, 414
Kohlebürsten
428
Rechtsprechungsverzeichnis
OLG Köln
VersR 1988, 580
Gehstütze
OLG Köln
VersR 1987, 573
Schreckschusspistole
OLG München
Urteil vom 11. 01. 2011 Az. 5 U 158/10
Sektflasche
OLG München
VersR 2002, 717
Sterilisation
OLG München
NJW-RR 1999, 1657
Brennerdeckel
OLG München
RIW 1993, 70
Zustellung Gore v. BMW of North America
OLG München
VersR 1990, 791
Holzschutzmittel
OLG München
VersR 1988, 635
Reckstange
OLG München
VersR 1975, 605
Förderband
OLG Naumburg
VersR 2002, 1569
Alkoholfahrt
OLG Naumburg
VersR 2002, 1295
Geburtsschaden
OLG Nürnberg
VersR 2002, 499
Fensterscheibe
OLG Nürnberg
VersR 1986, 173
Schädelhirntrauma
OLG Oldenburg
NJW-RR 2005, 1338
Fahrradpedale
OLG Oldenburg
VersR 1986, 1003
Folie
OLG Saarbrücken
NJW-Spezial 2015, 330
Frontalkollision
OLG Saarbrücken
NJW 2014, 1600
Swimmingpool
OLG Saarbrücken
Urteil vom 03. 08. 2011, Az. 1 U 316/10
Teleskopmarknagel
OLG Saarbrücken
NJW 2011, 933
Fahrradfahrer
OLG Saarbrücken
NJW 2008, 1166
Ausbremsen
OLG Saarbrücken
NJW-RR 1993, 990
Dienstwaffe
OLG Saarbrücken
VersR 1987, 774
Sattelzug
OLG Schleswig
NJW-RR 2008, 691
Geschirrspüler
OLG Schleswig
ZfS 2006, 442
Kühlschleifmittel
OLG Stuttgart
NJW-RR 1992, 670
X-Multimeter
OLG Zweibücken
NJW 1987, 2684
Fahrradtretlager
LG Aschaffenburg
VersR 1981, 564
Gefälligkeitsfahrt
LG Berlin
RIW 1989, 988
Vollstreckbarkeit
LG Dortmund
NJW-RR 2005, 678
Spaten
LG Duisburg
DAR 1999, 550
Zahnriemen
LG Düsseldorf
NJW-RR 2006, 1033
Abschälmaschine
LG Essen
NJW 2005, 2713
Coca-Cola
LG Frankfurt
BB 2007, 2368
Röntgengerät
LG Hanau
ZfS 1995, 211
Mehrwegglasflasche
LG Hildesheim
VersR 2007, 253
Schleifmaschine
LG Köln
NJW-RR 1987, 864
Zylinderkopf
LG Konstanz
VersR 1979, 428
Billigkeitshaftung
Rechtsprechungsverzeichnis
429
LG Mannheim
DAR 1983, 22
Alfa Romeo
LG München I
DAR 1999, 127
Zahnriemen
LG Paderborn
Urteil vom 25. 09. 2013 Az. 4 O 104/11
Fitting
LG Stuttgart
NJW-RR 2012, 1169
Fenster- und Futtereinklebemaschine
AG Simmern
NJW-RR 2002, 384
Backofentür
II. USA 1. Federal Jurisdiction Fall
Gericht
Fundstelle
Philip Morris USA v. Supreme Court of the United States Williams
549 U.S. 346 (2007)
State Farm Mutual Supreme Court of the United States Automobile Insurance Co. v. Campbell
538 U.S. 408 (2003)
Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc.
Supreme Court of the United States
532 U.S. 424 (2001)
BMW of North Supreme Court of the United States America, Inc. v. Gore
517 U.S. 559 (1996)
Honda Motor Co. v. Oberg
Supreme Court of the United States
512 U.S. 415 (1994)
Daubert v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc.
Supreme Court of the United States
509 U.S. 579 (1993)
TXO Production Corp. v. Alliance Resources Corp.
Supreme Court of the United States
509 U.S. 443 (1993)
Pacific Mutual Life Insurance Co. v. Haslip
Supreme Court of the United States
499 U.S. 1 (1991)
Browning-Ferris Industries of Vermont, Inc. v. Kelco Disposal, Inc.
Supreme Court of the United States
492 U.S. 257 (1989)
Bankers Life & Casualty Co. v. Crenshaw
Supreme Court of the United States
486 U.S. 71 (1988)
City of Newport v. Fact Concerts, Inc.
Supreme Court of the United States
453 U.S. 247 (1981)
430 World-Wide Volkswagen Corp. v. Woodson
Rechtsprechungsverzeichnis Supreme Court of the United States
444 U.S. 286 (1980)
International BrotSupreme Court of the United States herhood of Electrical Workers v. Foust
442 U.S. 42 (1979)
Gertz v. Robert Welch, Inc.
Supreme Court of the United States
418 U.S. 323 (1974)
Rosenbloom v. Metromedia, Inc.
Supreme Court of the United States
403 U.S. 29 (1971)
Life & Casualty Insurance Co. of Tennessee v. McCray
Supreme Court of the United States
291 U.S. 566 (1934)
2. Alabama Fall
Gericht
Fundstelle
Wilson v. Dukona Corp.
Supreme Court of Alabama
547 So.2d 70 (Ala. 1989)
United Services Au- Supreme Court of Alabama tomobile Association v. Wade
544 So.2d 906 (Ala. 1989)
Green Oil Co. v. Hornsby
539 So.2d 218 (Ala. 1989)
Supreme Court of Alabama
Aetna Life Insurance Supreme Court of Alabama Co. v. Lavoie
505 So.2d 1050 (Ala. 1987)
Hammond v. City of Gadsden
Supreme Court of Alabama
493 So.2d 1374 (Ala. 1986)
General Motors Corp. v. Edwards
Supreme Court of Alabama
482 So.2d 1176 (Ala. 1985)
Ford Motor Credit Co. v. Washington
Supreme Court of Alabama
420 So.2d 14 (Ala. 1982)
Ridout’s-Brown Ser- Supreme Court of Alabama vice, Inc. v. Holloway
397 So.2d 125 (Ala. 1981)
Alabama Power Co. v. Hussey
Supreme Court of Alabama
285 So. 2d 92 (Ala. 1973)
Blitzstein v. Ford Motor Co.
United States Court of Appeals for the Fifth 288 F.2d 738 (5th Circuit Cir. 1961)
Rechtsprechungsverzeichnis
431
3. Alaska Fall
Gericht
Fundstelle
Lamer v. McKee Industries, Inc.
Supreme Court of Alaska
721 P.2d 611 (Alas.1986)
Heritage v. Pioneer Brokerage & Sales, Inc.
Supreme Court of Alaska
604 P.2d 1059 (Alas. 1979)
Sturm, Ruger & Co. v. Day
Supreme Court of Alaska
594 P.2d 38 (Alas. 1979)
Caterpillar Tractor Co. v. Beck
Supreme Court of Alaska
593 P.2d 871 (Alas. 1979)
Morrow v. New Moon Homes, Inc.
Supreme Court of Alaska
548 P.2d 279 (Alas. 1976)
4. Arizona Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Allstate Insurance United States District 2010 U.S. Dist. Co. v. Ford Motor Co. Court for the District LEXIS 48485 of Arizona Mineer v. Atlas Tire Co.
Court of Appeals of Arizona, Division Two, Department A
806 P.2d 904 (Ariz.App. 1990)
Gosewisch v. Ameri- Court of Appeals of can Honda Motor Co. Arizona, Division Two, Department A
737 P.2d 365 (Ariz.App. 1985)
Jones v. Pak-Mor Mfg. Co.
Supreme Court of Arizona
145 Ariz. 121 (1985) 700 P.2d 819 (Ariz. 1985)
Dietz v. Waller
Supreme Court of Arizona
685 P.2d 744 (Ariz. 1984)
Rocky Mountain Fire Supreme Court of and Casualty Co. v. Arizona Biddulph Oldsmobile
640 P.2d 851 (Ariz. 1982)
d’Hedouville v. Pioneer Hotel Co.
United States Court of Appeals for the Ninth Circuit
552 F.2d 886 (9th Cir. 1977)
Reader v. General Motors Corp.
Supreme Court of Arizona
107 Ariz. 149 (1971) 483 P.2d 1388 (Ariz. 1971)
O. S. Stapley Co. v. Miller
Supreme Court of Arizona
103 Ariz. 556 (1968) 447 P.2d 248 (Ariz. 1968)
432 Bailey v. Montgomery Ward and Co.
Rechtsprechungsverzeichnis Court of Appeals of Arizona
431 P.2d 108 (Ariz. App. 1967)
5. Arkansas Fall
Gericht
Crawford v. Sears Roebuck & Co.
United States Court of Appeals for the Eight 295 F.3d 884 (8th Circuit Cir. 2002)
Fundstelle
Schenebeck v. Sterling Drug, Inc.
United States Court of Appeals for the Eight 423 F.2d 919 (8th Circuit Cir. 1970)
Vanoven v. Hardin
Supreme Court of Arkansas
344 S.W.2d 340 (Ark. 1961)
6. Kalifornien (California) Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Buell-Wilson v. Ford Court of Appeal of Motor Co. California, Fourth Appellate District, Division One
160 Cal. App.4th 1107 (2008)
Sargent Fletcher, Inc. Court of Appeal of v. Able Corp. California, Second Appellate District, Division Four
110 Cal. App.4th 1658 (2003)
Morton v. OwensCorning Fiberglas Corp.
33 Cal. App.4th 1529 (1995)
Court of Appeal of California, First Appellate District, Division Two
Alternative Fundstellen
Rutherford v. Owens- Supreme Court of Illinois, Inc. California
16 Cal.4th 953 (1997) 941 P.2d 1203 (Cal. 1997)
Soule v. General Motors Corp.
Supreme Court of California
882 P.2d 298 (Cal. 1994)
Anderson v. OwensCorning Fiberglas Corp.
Supreme Court of California
53 Cal.3d 987 (1991) 810 P.2d 549 (Cal. 1991)
Brown v. The Supe- Supreme Court of rior Court of the City California and County of San Francisco
44 Cal.3d 1049 (1988)
Osborne v. Subaru of Court of Appeal of America, Inc. California, Third Appellate District
198 Cal. App.3d 646 (1988)
751 P.2d 470 (Cal. 1988)
Rechtsprechungsverzeichnis
433
Court of Appeal of California, First Appellate District, Division Two
184 Cal. App.3d 930 (1986)
Rosburg v. Minneso- Court of Appeal of ta Mining & Mfg. Co. California, First Appellate District, Division One
181 Cal. App.3d 726 (1986)
Williams v. Volkswagenwerk AG
Court of Appeal of California, Second Appellate District, Division Three
180 Cal. App.3d 1244 (1986)
West v. Johnson & Johnson Products, Inc.
Court of Appeal of 174 Cal. App.3d 831 California, Sixth Ap- (1985) pellate District
Schleiniger v. Questor Corp.
Court of Appeal of 200 Cal. Rptr. 634 California, Fifth Dis- (Cal. App. 1984) trict
McLaughlin v. Sikorsky Aircraft
Court of Appeal of California, Fourth Appellate District, Division One
148 Cal. App.3d 203 (1983)
Bates v. John Deere Co.
Court of Appeal of California, First Appellate District, Division Two
148 Cal. App.3d 40 (1983)
Campbell v. General Motors Corp.
Supreme Court of California
32 Cal.3d 112 (1982) 649 P.2d 224 (Cal. 1982)
Grimshaw v. Ford Motor Co.
Court of Appeal of California, Fourth Appellate District, Division Two
119 Cal. App.3d 757 (1981)
Sindell v. Abbott Laboratories
Supreme Court of California
163 Cal. Rptr. 132 (Cal. 1980)
607 P.2d 924 (Cal. 1980)
Neal v. Farmers Insurance Exchange
Supreme Court of California
148 Cal. Rptr. 389 (Cal. 1978)
582 P.2d 980 (Cal. 1978)
Barker v. Lull Engineering Co.
Supreme Court of California
20 Cal.3d 413 (1978) 573 P.2d 443 (Cal. 1978)
Ault v. International Harvester Co.
Supreme Court of California
13 Cal.3d 113 (1974) 528 P.2d 1148 (Cal. 1974)
Pike v. Frank G. Hough Co.
Supreme Court of California
2 Cal.3d 465 (1970)
Brake v. Beech Aircraft Corp.
153 Cal.App.3d 762 (1984)
467 P.2d 229 (Cal. 1970)
434
Rechtsprechungsverzeichnis
Thomas v. General Motors Corp.
Court of Appeal of California, Fourth Appellate District, Division Two
13 Cal. App.3d 81 (1970)
Barth v. B. F. Goodrich Tire Co.
Court of Appeal of California, First Appellate District, Division Two
265 Cal. App.2d 228 (1968)
Gherna v. Ford Motor Court of Appeal of Co. California, First Appellate District, Division Two
246 Cal. App.2d 639 (1966)
Vandermark v. Ford Motor Co.
61 Cal.2d 256 (1964) 391 P.2d 168 (Cal. 1964)
Supreme Court of California
Greenman v. Yuba Supreme Court of Power Products, Inc. California
377 P.2d 897 (Cal. 1963)
Boing Airplane Co. v. United States Court Brown of Appeals for the Ninth Circuit
291 F.2d 310 (9th Cir. 1961)
Dow v. Holly Mfg. Co.
Supreme Court of California
49 Cal.2d 720 (1958) 321 P.2d 736 (Cal. 1958)
North American Aviation, Inc. v. Hughes
United States Court of Appeals for the Ninth Circuit
247 F.2d 517 (9th Cir. 1957)
Escola v. Coca Cola Bottling Co. of Fresno
Supreme Court of California
24 Cal.2d 453 (1944) 150 P.2d 436 (Cal. 1944)
7. Colorado Fall
Gericht
Trione v. Mike Wallen Standard, Inc.
Court of Appeals of Colorado, Division Four 902 P.2d 454 (Colo. App. 1995)
Blueflame Gas, Inc. v. Van Hoose
Supreme Court of Colorado
679 P.2d 579 (Colo. 1984)
Belle Bonfils MeSupreme Court of Colorado morial Blood Bank v. Hansen
665 P.2d 118 (Colo. 1983)
Prutch v. Ford Motor Supreme Court of Colorado Co.
618 P.2d 657 (Colo. 1980)
Frazier v. Kysor Industrial Corp.
Fundstelle
Court of Appeals of Colorado, Division Two 607 P.2d 1296 (Colo. App. 1979)
Rechtsprechungsverzeichnis Howard v. Avon Products, Inc.
Supreme Court of Colorado
435 395 P.2d 1007 (Colo. 1964)
8. Connecticut Fall
Gericht
Fundstelle
Potter v. Chicago Pneumatic Tool Co.
Supreme Court of Connecticut
694 A.2d 1319 (Conn. 1997)
Greenwood v. Eastman-Kodak Co.
Superior Court of Connecticut, Judicial Dis- 1994 Conn. Super. trict of Hartford – New Britain LEXIS 851
Sterling v. Vesper Corp.
Superior Court of Connecticut, Judicial Dis- 1993 Conn. Super. trict of Litchfield LEXIS 2353
Lasser v. LeisureLift, Inc.
Superior Court of Connecticut, Judicial Dis- 1993 Conn. Super. trict of New Haven LEXIS 658
Sylvain v. Madison’s, Superior Court of Connecticut, Judicial Dis- 1992 Conn. Super. Inc. trict of Hartford-New Britain LEXIS 3230 Tomer v. American Supreme Court of Connecticut Home Products Corp.
368 A.2d 35 (Conn. 1976)
9. District of Columbia Fall
Gericht
Fundstelle
Rogers v. IngersollRand Co.
United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit
144 F.3d 841(DC Cir. 1998)
10. Florida Fall
Gericht
Fundstelle
Ainsworth v. KLI, Inc.
Court of Appeal of Florida, Fourth District
967 So.2d 296 (Fla. App. 2007)
Byrnes v. Honda Motor Co.
United States District Court for the Southern 887 F. Supp. 279 District of Florida (S.D.Fla. 1994)
K-Mart Corp. v. Chairs, Inc.
Court of Appeal of Florida, Fifth District
506 So.2d 7 (Fla. App. 1987)
Piper Aircraft Corp. v. Coulter
Court of Appeal of Florida, First District
426 So.2d 1108 (Fla. App. 1983)
Detroit Marine Engi- Court of Appeal of Florida, First District neering, Inc. v. Maloy
419 So.2d 687 (Fla. App. 1982)
American Motors Corp. v. Ellis
403 So.2d 459 (Fla. App. 1981)
Court of Appeal of Florida, Fifth District
Cassisi v. Maytag Co. Court of Appeal of Florida, First District
396 So.2d 1140 (Fla. App. 1981)
436
Rechtsprechungsverzeichnis 11. Georgia
Fall
Gericht
Fundstelle
Cooper Tire & Rubber Co. v. Crosby
Supreme Court of Georgia
543 S. E.2d 21 (Ga. 2001)
General Motors Corp. v. Moseley
Court of Appeals of Georgia
447 S. E.2d 302 (Ga. App. 1994)
Mack Trucks, Inc. v. Conkle
Supreme Court of Georgia
436 S. E.2d 635 (Ga. 1993)
Stone Man, Inc. v. Green
Supreme Court of Georgia
435 S. E.2d 205 (Ga. 1993)
Hospital Authority of Supreme Court of Georgia Gwinnett County v. Jones
409 S. E.2d 501 (Ga. 1991)
Hahn v. Sterling Drug, Inc.
United States Court of Appeals for the Eleventh Circuit
805 F.2d 1480 (11th Cir. 1986)
Kicklighter v. Nails by Jannee, Inc.
United States Court of Appeals for the Fifth 616 F.2d 734 (5th Circuit Cir. 1980)
Firestone Tire & Rubber Co. v. King
Court of Appeals of Georgia
244 S. E.2d 905 (Ga. App. 1978)
12. Hawaii Fall
Gericht
Fundstelle
Masaki v. General Motors Corp.
Supreme Court of Hawaii
780 P.2d 566 (Haw. 1989)
In re Hawaii Federal United States District Court for the District of 699 F. Supp. 233 Asbestos Cases Hawaii (D.Haw. 1988) Johnson v. Raybestos-Manhattan, Inc.
Supreme Court of Hawaii
740 P.2d 548 (Haw. 1987)
In re Hawaii Federal United States District Court for the District of 665 F. Supp. 1454 Asbestos Cases Hawaii (D.Haw. 1986) Jenkins v. Whittaker Corp.
United States Court of Appeals for the Ninth 785 F.2d 720 (9th Circuit Cir. 1986)
Ontai v. Straub Clinic Supreme Court of Hawaii and Hospital Inc.
659 P.2d 734 (Haw. 1983)
Stewart v. Budget Rent-A-Car Corp.
470 P.2d 240 (Haw. 1970)
Supreme Court of Hawaii
Rechtsprechungsverzeichnis
437
13. Idaho Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Fouche v. Chrysler Motors Corp.
Court of Appeals of Idaho
103 Idaho 249 (Ida. App. 1982)
646 P.2d 1020 (Ida. App. 1982)
97 Idaho 742 (Ida. 1976)
553 P.2d 1306 (Ida. 1976)
Farmer v. Internatio- Supreme Court of nal Harvester Co. Idaho
14. Illinois Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
BCS Services, Inc. v. United States Court of Appeals for the SeHeartwood 88, LLC venth Circuit
637 F.3d 750 (7th Cir. 2011)
Mikolajczyk v. Ford Motor Co.
Appellate Court of Illinois, First District, Third Division
870 N.E.2d 885 (Ill. App. 2007)
Lipke v. Celotex Corp.
Appellate Court of Illinois, First District, Second Division
505 N.E.2d 1213 (Ill. App. 1987)
Moore v. Jewel Tea Co.
Appellate Court of Illinois, First District, First Division
253 N.E.2d 636 (Ill. App. 1969)
Dunham v. Vaughan Supreme Court of Illinois & Bushnell Mfg. Co.
247 N.E.2d 401 (Ill. 1969)
Wright v. MasseyHarris, Inc.
Appellate Court of Illinois, Fifth District, Second Division
215 N.E.2d 465 (Ill. App. 1966)
Suvada v. White Motor Co.
Supreme Court of Illinois
210 N.E.2d 182 (Ill. 1965)
15. Indiana Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Indianapolis Athletic Court of Appeals of Indiana, Second District 709 N.E.2d 1070 Club, Inc. v. Alco (Ind. App. 1999) Standard Corp. Weller v. Mack Trucks, Inc.
Court of Appeals of Indiana, First District
570 N.E.2d 1341 (Ind. App. 1991)
Montgomery Ward & Court of Appeals of Indiana, First District Co. v. Gregg
554 N.E.2d 1145 (Ind. App. 1990)
Newton v. G. F. Goodman and Son, Inc.
United States District Court for the Northern 519 F. Supp. 1301 District of Indiana, South Bend Division (N.D.Ind. 1981)
438
Rechtsprechungsverzeichnis 16. Iowa
Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Hughes v. MasseyFerguson, Inc.
Supreme Court of Iowa
522 N.W.2d 294 (Iowa 1994)
Olson v. Prosoco, Inc. Supreme Court of Iowa
522 N.W.2d 284 (Iowa 1994)
Hillrichs v. Avco Corp.
514 N.W.2d 94 (Iowa 1994)
Supreme Court of Iowa
Fell v. Kewanee Farm Supreme Court of Iowa Equipment Co.
457 N.W.2d 911 (Iowa 1990)
Chown v. USM Corp. Supreme Court of Iowa
297 N.W.2d 218 (Iowa 1980)
Kleve v. General Motors Corp.
Supreme Court of Iowa
210 N.W.2d 568 (Iowa 1973)
Hawkeye-Security Supreme Court of Iowa Insurance Co. v. Ford Motor Co.
174 N.W.2d 672 (Iowa 1970)
17. Kansas Fall
Gericht
Burton v. R.J. Reynolds Tobacco Co.
United States Court of Appeals for the Tenth 397 F.3d 906 (10th Circuit Cir. 2005)
Messer v. Amway Corp.
United States District Court for the District of 210 F. Supp.2d 1217 Kansas (D.Kan. 2002)
Delaney v. Deere and Supreme Court of Kansas Co.
Fundstelle Zitat
999 P.2d 930 (Kan. 2000)
Pandit v. American Honda Motor Co.
United States Court of Appeals for the Tenth 82 F.3d 376 (10th Circuit Cir. 1996)
Johnson v. Colt Industries Operating Corp.
United States Court of Appeals for the Tenth 797 F.2d 1530 (10th Circuit Cir. 1986)
Rexrode v. American United States Court of Appeals for the Tenth 674 F.2d 826 (10th Laundry Press Co. Circuit Cir. 1982) Garst v. General Motors Corp.
Supreme Court of Kansas
484 P.2d 47 (Kan. 1971)
Nichols v. Nold
Supreme Court of Kansas
258 P.2d 317 (Kan. 1953)
Rechtsprechungsverzeichnis
439
18. Kentucky Fall
Gericht
Clark v. Chrysler Corp.
United States Court of Appeals for the Sixth 310 F.3d 461 (6th Circuit Cir. 2002)
Fundstelle Zitat
Rye v. Black & Decker Mfg. Co.
United States Court of Appeals for the Sixth 889 F.2d 100 (6th Circuit Cir. 1989) 19. Louisiana
Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Grefer v. Alpha Technical
Court of Appeal of Louisiana, Fourth Circuit 965 So.2d 511 (La. App. 2007)
State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Ford Motor Co.
Court of Appeal of Louisiana, First Circuit
925 So.2d 1 (La. App. 2005)
Kampen v. American United States Court of Appeals for the Fifth 157 F.3d 306 (5th Isuzu Motors, Inc. Circuit Cir. 1998) Lawrence v. General United States Court of Appeals for the Fifth 73 F.3d 587 (5th Motors Corp. Circuit Cir. 1996) Bailey v. Oliver
Court of Appeal of Louisiana, Second Circuit 504 So.2d 152 (La. App. 1987)
Jordan v. General Motors Corp.
United States District Court for the Eastern District of Louisiana
624 F. Supp. 72 (E.D.La 1985)
Pawlak v. Brown
Court of Appeal of Louisiana, Third Circuit
430 So.2d 1346 (La. App. 1983)
Philippe v. Browning Court of Appeal of Louisiana, Second Circuit 375 So.2d 151 (La. Arms Co. App. 1979) Killebrew v. Abbott Laboratories
Supreme Court of Louisiana
359 So.2d 1275 (La. 1978)
20. Maine Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Espeaignnette v. Gene Tierney Co.
United States Court of Appeals for the First Circuit
43 F.3d 1 (1st Cir. 1994)
Marois v. Paper Converting Machine Co.
Supreme Judicial Court of Maine
539 A.2d 621 (Me. 1988)
440
Rechtsprechungsverzeichnis 21. Maryland
Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Owens-Illinois, Inc. v. Zenobia
Court of Appeals of Maryland
325 Md. 420 (1992)
601 A.2d 633 (Md. 1992)
Alexander & Alexander, Inc. v. Dixon Evander & Associates, Inc.
Court of Special Ap- 88 Md. App. 672 peals of Maryland (1991)
Tauber v. Nissan Motor Corp.
United States District 671 F. Supp. 1070 Court for the District (D.Md. 1987) of Maryland
Lohrmann v. PittsUnited States Court burgh Corning Corp. of Appeals for the Fourth Circuit
596 A.2d 687 (Md. App. 1991)
782 F.2d 1156 (4th Cir. 1986)
Troja v. The Black & Court of Special Ap- 62 Md. App. 101 Decker Mfg. Co. peals of Maryland (1985)
488 A.2d 516 (Md. App. 1985)
Singleton v. International Harvester Co.
United States Court of Appeals for the Fourth Circuit
685 F.2d 112 (4th Cir. 1981)
Lahocki v. Contee Sand & Gravel Co.
Court of Special Ap- 41 Md. App. 579 peals of Maryland (1979)
398 A.2d 490 (Md. App. 1979)
Volkswagen of America, Inc. v. Young
Court of Appeals of Maryland
321 A.2d 737 (Md. 1974)
272 Md. 201 (1974)
22. Massachusetts Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
City of Boston v. Smith & Wesson Corp.
Superior Court of Massachusetts, Suffolk
2000 Mass. Super. LEXIS 352
Alternative Fundstellen
Touch v. Master Unit United States Court Die Products, Inc. of Appeals for the First District
43 F.3d 754 (1st Cir. 1995)
Simmons v. Monarch Supreme Judicial Machine Tool Co. Court of Massachusetts, Middlesex
413 Mass. 205 (1992) 596 N.E.2d 318 (Mass. 1992)
Pine v. Rust
404 Mass. 411 (1989) 535 N.E.2d 1247 (Mass. 1989)
Supreme Judicial Court of Massachusetts
Rechtsprechungsverzeichnis
441
Wood v. General Motors Corp.
United States Court of Appeals for the First District
865 F.2d 395 (1st Cir. 1988)
Meschino v. North American Drager, Inc.
United States Court of Appeals for the First District
841 F.2d 429 (1st Cir. 1988)
Back v. The Wickes Corp.
Supreme Judicial Court of Massachusetts
375 Mass. 633 (1978) 378 N.E.2d 964 (Mass. 1978)
Wright v. Carter Products, Inc.
United States Court of Appeals for the Second Circuit
244 F.2d 53 (2nd Cir. 1957)
Sylvania Electric Products, Inc. v. Barker
United States Court of Appeals for the First District
228 F.2d 842 (1st Cir. 1955)
City of Lowell v. Massachusetts Bonding and Insurance Co.
Supreme Judicial Court of Massachusetts
47 N.E.2d 265 (Mass. 1943)
23. Michigan Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Kraft v. Dr. Leonard’s United States District 646 F. Supp.2d 882 Healthcare Corp. Court for the Eastern (E.D.Mich. 2009) District of Michigan, Northern Division Hollister v. Dayton Hudson Corp.
United States Court of Appeals for the Sixth Circuit
201 F.3d 731 (6th Cir. 2000)
Croskey v. BMW of North America, Inc.
United States Court of Appeals for the Sixth Circuit
532 F.3d 511 (6th Cir. 2008)
Konstantinov v. United States District 619 F. Supp.2d 326 Findlay Ford Lincoln Court for the Eastern (E.D.Mich. 2008) Mercury District of Michigan, Southern Division Mills v. Curioni, Inc. United States District 238 F. Supp.2d 876 Court for the Eastern (E.D.Mich. 2002) District of Michigan, Southern Division McAuley v. General Motors Corp.
Supreme Court of Michigan
457 Mich. 513 (1998) 578 N.W.2d 282 (Mich. 1998)
442
Rechtsprechungsverzeichnis
Stachurski v. K Mart Court of Appeals of Corp. Michigan
180 Mich. App. 564 (1989)
447 N.W.2d 830 (Mich. App. 1989)
Fletcher v. Ford Motor Co.
Court of Appeals of Michigan
342 N.W.2d 285 (Mich. App. 1983)
Warner v. General Motors Corp.
Court of Appeals of Michigan
137 Mich. App. 340 (1984)
Bradbury v. Ford Motor Co.
Court of Appeals of Michigan
333 N.W.2d 214 (Mich. App. 1983)
Veselenak v. Smith
Supreme Court of Michigan
414 Mich. 567 (1982) 327 N.W.2d 261 (Mich. 1982)
Larsen v. General Motors Corp.
United States Court of Appeals for the Eighth Circuit
391 F.2d 495 (8th Cir. 1968)
357 N.W.2d 689 (Mich. App. 1984)
24. Minnesota Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Bradley v. Hubbard Broadcasting, Inc.
Court of Appeals of Minnesota
471 N.W.2d 670 (Minn. App. 1991)
Mitchell v. Volkswa- United States Court of Appeals for the Eighth 669 F.2d 1199 (8th genwerk AG Circuit Cir. 1982) Karjala v. JohnsManville Products Corp.
United States Court of Appeals for the Eighth 523 F.2d 155 (8th Circuit Cir. 1975)
Daleiden v. The Car- United States Court of Appeals for the Eighth 438 F.2d 1017 (8th borundum Co. Circuit 1971) Westerberg v. School Supreme Court of Minnesota District No. 792 of Todd County
148 N.W.2d 312 (Minn. 1967)
O’Hare v. Merck & Co.
United States Court of Appeals for the Eighth 381 F.2d 286 (8th Circuit Cir. 1967)
Gardner v. CocaCola Bottling Co. of Minnesota
Supreme Court of Minnesota
Land O’Lakes Creameries, Inc. v. Hungerholt
United States Court of Appeals for the Eighth 319 F.2d 352 (8th Circuit Cir. 1963)
127 N.W.2d 557 (Minn. 1964)
25. Mississippi Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
O’Flynn v. OwensCorning Fiberglas
Court of Appeals of Mississippi
759 So.2d 526 (Miss. App. 2000)
Rechtsprechungsverzeichnis
443
Supreme Court of Mississippi
486 So.2d 374 (Miss. 1986)
Sam Shainberg Co. Supreme Court of Mississippi of Jackson v. Barlow
258 So.2d 242 (Miss. 1972)
Coca Cola Bottling Co. of Vicksburg v. Reeves
26. Missouri Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Stokes v. National Presto Industries, Inc.
Court of Appeals of Missouri, Western District
168 S.W.3d 481 (Mo. App. 2005)
Moll v. General Au- Court of Appeals of Missouri, Eastern Distomatic Transfer Co. trict, Division Three
873 S.W.2d 900 (Mo. App. 1994)
Wolf, v. The Goodyear Tire & Rubber Co.
Court of Appeals of Missouri, Western District
808 S.W.2d 868 (Mo. App. 1991)
Lane v. Amsted Industries, Inc.
Court of Appeals of Missouri, Western District
779 S.W.2d 754 (Mo. App. 1989)
Welkener v. KirkCourt of Appeals of Missouri, Eastern Diswood Drug Store Co. trict, Division Five
734 S.W.2d 233 (Mo. App. 1987)
Lippard v. Houdaille Supreme Court of Missouri Industries, Inc.
715 S.W.2d 491 (Mo. 1986)
Johnson v. Hannibal Mower Corp.
Court of Appeals of Missouri, Western District
679 S.W.2d 884 (Mo. App. 1984)
Elmore v. Owens-Illinois, Inc.
Supreme Court of Missouri
673 S.W.2d 434 (Mo. 1984)
Coulter v. Michelin Tire Corp.
Court of Appeals of Missouri, Southern District, Division Two
622 S.W.2d 421 (Mo. App. 1981)
Cryts v. Ford Motor Co.
Court of Appeals of Missouri, St. Louis District, Division Three
571 S.W.2d 683 (Mo. App. 1978)
Hale v. Advance Abrasives Co.
Court of Appeals of Missouri, Kansas City District
520 S.W.2d 656 (Mo. App. 1975)
Lindsay v. McDon- United States Court of Appeals for the Eight 460 F.2d 631 (8th nell Douglas Aircraft Circuit Cir. 1972) Corp. Higgins v. Paul Hardeman, Inc.
Court of Appeals of Missouri, St. Louis District
457 S.W.2d 943 (Mo. App. 1970)
Keener v. Dayton Electric Mfg. Co.
Supreme Court of Missouri, Division Two
445 S.W.2d 362 (Mo. 1969)
Jacobson v. Broadway Motors, Inc.
Court of Appeals of Missouri, Kansas City District
430 S.W.2d 602 (Mo. App. 1968)
444
Rechtsprechungsverzeichnis
Ross v. Philip Morris United States Court of Appeals for the Eight 328 F.2d 3 (8th & Co. Circuit Cir. 1964) LaPlant v. E. I. DuPont de Nemours and Co.
Court of Appeals of Missouri, Springfield District
346 S.W.2d 231 (Mo. App. 1961)
Braun v. Roux Distributing Co.
Supreme Court of Missouri
312 S.W.2d 758 (Mo. 1958)
27. Montana Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Sternhagen v. Dow Co.
Supreme Court of Montana
935 P.2d 1139 (Mont. 1997)
28. Nebraska Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Arabian Agriculture United States Court Services Co. v. Chief of Appeals for the Industries, Inc. Eighth Circuit
309 F.3d 479 (8th Cir. 2002)
The State of Nebras- Supreme Court of ka ex rel. John D. Nebraska Cherry, M.D. v. Judge Burns
258 Neb. 216 (1999)
Kudlacek v. Fiat S.p.A.
Supreme Court of Nebraska
509 N.W.2d 603 (Neb. 1994)
Hancock v. Paccar, Inc.
Supreme Court of Nebraska
283 N.W.2d 25 (Neb. 1979)
Miller v. Kingsley
Supreme Court of Nebraska
194 Neb. 123 (1975)
Abel v. Conover
Supreme Court of Nebraska
104 N.W.2d 684 (Neb. 1960)
Alternative Fundstellen
602 N.W.2d 477 (Neb. 1999)
230 N.W.2d 472 (Neb. 1975)
29. Nevada Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Republic Insurance Co. v. Hires
Supreme Court of Nevada
810 P.2d 790 (Nev. 1991)
Ginnis v. Mapes Hotel Corp.
Supreme Court of Nevada
470 P.2d 135 (Nev. 1970)
Rechtsprechungsverzeichnis
445
30. New Hampshire Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Heath v. Sears, Roebuck & Co.
Supreme Court of New Hampshire
123 N.H. 512 (1983) 464 A.2d 288 (N.H. 1983)
Vratsenes v. N.H. Auto, Inc.
Supreme Court of New Hampshire
112 N.H. 71 (1972)
289 A.2d 66 (N.H. 1972)
31. New Jersey Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Cavanaugh v. Skil Corp.
Supreme Court of New Jersey
164 N.J. 1 (2000)
751 A.2d 518 (N.J. 2000)
Lewis v. American Cyanamid Co.
Supreme Court of New Jersey
155 N.J. 544 (1998)
715 A.2d 967 (N.J. 1998)
Roberts v. Rich Foods, Inc.
Supreme Court of New Jersey
139 N.J. 365 (1995)
654 A.2d 1365 (N.J. 1995)
Fabian v. The Minster Superior Court of Machine Co. New Jersey, Appellate Division
258 N.J. Super. 261 (1992)
609 A.2d 487 (N.J. Super. 1992)
Crispin v. Volkswagenwerk AG
248 N.J. Super. 540 (1991)
591 A.2d 966 (N.J. Super. 1991)
Promaulayko v. Supreme Court of Johns Manville Sales New Jersey Corp.
116 N.J. 505 (1989)
562 A.2d 202 (N.J. 1989)
Gibbs v. Volkswagen Superior Court of of America, Inc. New Jersey, Appellate Division
1989 N.J. Super. LEXIS 473
In re Asbestos Litigation
United States Court of Appeals for the Third District
829 F.2d 1233 (3rd Cir. 1987)
Feldman v. Lederle Laboratories
Supreme Court of New Jersey
97 N.J. 429 (1984)
479 A.2d 374 (N.J. 1984)
O’Brien v. Muskin Corp.
Supreme Court of New Jersey
94 N.J. 169 (1983)
463 A.2d 298 (N.J. 1983)
Beshada v. JohnsManville Corp.
Supreme Court of New Jersey
90 N.J. 191 (1982)
447 A.2d 539 (N.J. 1982)
Gold v. Johns-Manville Sales Corp.
United States District 553 F. Supp. 482 Court for the District (D.N.J. 1982) of New Jersey
Superior Court of New Jersey, Appellate Division
446 Huddell v. Levin
Rechtsprechungsverzeichnis United States Court of Appeals for the Third Circuit
537 F.2d 726 (3rd Cir. 1976)
Anderson v. Somberg Supreme Court of New Jersey
67 N.J. 291 (1975)
338 A.2d 1 (N.J. 1975)
Moraca v. Ford Motor Co.
Supreme Court of New Jersey
66 N.J. 454 (1975)
332 A.2d 599 (N.J. 1975)
Scanlon v. General Motors Corp.
Supreme Court of New Jersey
65 N.J. 582 (1974)
326 A.2d 673 (N.J. 1974)
Yetter v. Rajeski
United States District 364 F. Supp. 105 Court for the District (D.N.J. 1973) of New Jersey
Corbin v. Camden Coca-Cola Bottling Co.
Supreme Court of New Jersey
60 N.J. 425 (1972)
290 A.2d 441 (N.J. 1972)
Sabloff v. Yamaha Motor Co.
Superior Court of New Jersey, Appellate Division
113 N.J. Super. 279 (1971)
273 A.2d 606 (N.J. Super. 1971)
Cintrone v. Hertz Truck Leasing & Rental Service
Supreme Court of New Jersey
45 N.J. 434 (1965)
212 A.2d 769 (N.J. 1965)
Jakubowski v. Minnesota Mining and Mfg.
Supreme Court of New Jersey
42 N.J. 177 (1964)
199 A.2d 826 (N.J. 1964)
Henningsen v. Bloomfield Motors, Inc.
Supreme Court of New Jersey
32 N.J. 358 (1960)
161 A.2d 69 (N.J. 1960)
32. New York Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
In Re Methyl Tertiary United States District 591 F. Supp.2d 249 Butyl Ether Court for the Sou(S.D.N.Y. 2008) (”MTBE”) Products thern District of New York Speller v. Sears, Roebuck and Co.
Court of Appeals of New York
100 N.Y.2d 38 (2003) 790 N.E.2d 252 (N.Y. 2003)
Godoy v. Abamaster of Miami, Inc.
Supreme Court of 754 N.Y.S.2d 301 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Second Div. 2003) Department
Rechtsprechungsverzeichnis Sanders v. Quikstak, Inc.
United States District 889 F. Supp. 128 (S.D.N.Y. 1995) Court for the Southern District of New York
Nutting v. Ford Motor Co.
Supreme Court of 584 N.Y.S.2d 653 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Third De- Div. 1992) partment
447
Winckel v. Atlantic Supreme Court of 557 N.Y.S.2d 951 Rentals & Sales, Inc. New York, Appellate (N.Y. App. Division, Second Div. 1990) Department Brumbaugh v. CEJJ, Inc.
Supreme Court of 547 N.Y.S.2d 699 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Third De- Div. 1989) partment
Ravo v. Rogatnick
Court of Appeals of New York
70 N.Y.2d 305 (1987) 514 N.E.2d 1104 (N.Y. 1987)
Texaco, Inc. v. Penn- Court of Appeals of zoil, Co. Texas, First District, Houston
729 S.W.2d 768 (Tex. App. 1987)
Sukljian v. Charles Ross & Son Co.
Court of Appeals of New York
69 N.Y.2d 89 (1986)
Opera v. Hyva, Inc.
Supreme Court of 450 N.Y.S.2d 615 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Fourth De- Div. 1982) partment
Caiazzo v. Volkswagenwerk AG
United States Court of Appeals of the Second Circuit
Lancaster Silo & Block Co. v. Northern Propane Gas Co.
Supreme Court of 427 N.Y.S.2d 1009 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Fourth De- Div. 1980) partment
Bolm v. Triumph Corp.
Supreme Court of 422 N.Y.S.2d 969 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Fourth De- Div. 1979) partment
Halloran v. Virginia Chemicals Inc.
Court of Appeals of New York
Mead v. Warner Pruyn Division, Finch Pruyn Sales, Inc.
Supreme Court of 394 N.Y.S.2d 483 New York, Appellate (N.Y. App. Division, Third De- Div. 1977) partment
503 N.E.2d 1358 (N.Y. 1986)
647 F.2d 241 (2nd Cir. 1981)
41 N.Y.2d 386 (1977) 361 N.E.2d 991 (N.Y. 1977)
448
Rechtsprechungsverzeichnis
Micallef v. Miehle Co.
Court of Appeals of New York
39 N.Y.2d 376 (1976) 348 N.E.2d 571 (N.Y. 1976)
Roginsky v. Richardson-Merrell, Inc.
United States Court of Appeals of the Second Circuit
378 F.2d 832 (2nd Cir. 1967)
Kaempfe v. Lehn & Fink Products Corp.
Supreme Court of 249 N.Y.S.2d 840 New York, Appellate (N.Y. App. Division, First DeDiv. 1964) partment
Walker v. Sheldon
Court of Appeals of New York
MacPherson v. Buick Court of Appeals of Motor Co. New York
10 N.Y.2d 401 (1961) 179 N.E.2d 497 (N.Y. 1961) 111 N.E. 1050 (N.Y. 1916)
33. North Carolina Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Buckman v. Bombardier Corp.
United States District Court for the Eastern District of North Carolina, New Bern Division
893 F. Supp. 547 (E.D.N.C. 1995)
Horne v. OwensCorning Fiberglas Corp.
United States Court of Appeals for the Fourth 4 F.3d 276 (4th Circuit Cir. 1993)
34. North Dakota Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Schmidt v. Plains Electric, Inc.
Supreme Court of North Dakota
281 N.W.2d 794 (N.D. 1979)
35. Ohio Fall
Gericht
Gillham v. The Admiral Corp.
United States Court of Appeals for the Sixth 523 F.2d 102 (6th Circuit Cir. 1975)
Fundstelle Zitat
American Motors Corp. v. Mosier
United States Court of Appeals for the Fifth 414 F.2d 34 (5th Circuit Cir. 1969) 36. Oklahoma
Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Braden v. Hendricks
Supreme Court of Oklahoma
695 P.2d 1343 (Okla. 1985)
Rechtsprechungsverzeichnis
449
Robinson v. Audi United States Court of Appeals For The Tenth 739 F.2d 1481 (10th NSU Auto Union AG Circuit Cir. 1984) Smith v. Minster Machine Co.
United States Court of Appeals For The Tenth 669 F.2d 628 (10th Circuit Cir. 1982)
Dewberry v. LaFolette
Supreme Court of Oklahoma
598 P.2d 241 (Okla. 1979)
Bruce v. Martin-Ma- United States Court of Appeals For The Tenth 544 F.2d 442 (10th rietta Corp. Circuit Cir. 1976) Moss v. Polyco, Inc.
Supreme Court of Oklahoma
522 P.2d 622 (Okla. 1974)
Kirkland v. General Motors Corp.
Supreme Court of Oklahoma
521 P.2d 1353 (Okla. 1974)
Gates v. Ford Motor Co.
United States Court of Appeals for the Tenth 494 F.2d 458 (10th Circuit Cir. 1974) 37. Oregon
Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Williams v. Philip Morris Inc.
Supreme Court of Oregon
176 P.3d 1255 (Ore. 2008)
Williams v. Philip Morris Inc.
Supreme Court of Oregon
127 P.3d 1165 (Ore. 2006)
Williams v. Philip Morris Inc.
Court of Appeals of Oregon
92 P.3d 126 (Ore. App. 2004)
Glover v. The BIC Corp.
United States Court of Appeals for the Ninth Circuit
6 F.3d 1318 (9th Cir. 1993)
McEwen v. Ortho Pharmaceutical Corp.
Supreme Court of Oregon
528 P.2d 522 (Ore. 1974)
Brownell v. White Motor Corp.
Supreme Court of Oregon
490 P.2d 184 (Ore. 1971)
Tucker v. Unit Crane Supreme Court of & Shovel Corp. Oregon
256 Ore. 318 (1970)
Vanek v. Kirby
450 P.2d 778 (Ore. 1969)
Supreme Court of Oregon
Alternative Fundstellen
473 P.2d 862 (Ore. 1970)
450
Rechtsprechungsverzeichnis 38. Pennsylvania
Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Moyer v. United Do- United States Court minion Industries, of Appeals of the Inc. Third Circuit
473 F.3d 532 (3rd Cir. 2007)
Mount Olivet Tabernacle Church v. Edwin L. Wiegand Division, Emerson Electric Co.
Superior Court of Pennsylvania
781 A.2d 1263 (Pa. Super. 2001)
Phillips v. Cricket Lighters
Superior Court of Pennsylvania
773 A.2d 802 (Pa. Super. 2001)
Spino v. John S. Tilley Ladder Co.
Supreme Court of Pennsylvania
548 Pa. 286 (1997)
Habecker v. Clark Equipment Co.
United States Court of Appeals of the Third Circuit
36 F.3d 278 (3rd Cir. 1994)
Normann v. JohnsManville Corp.
Superior Court of Pennsylvania
406 Pa. Super. 103 (1991)
Alternative Fundstellen
696 A.2d 1169 (Pa. 1997)
593 A.2d 890 (Pa. Super. 1991)
Gidlewski v. Bettcher United States District 619 F. Supp. 87 Industries, Inc. Court for the Eastern (E.D.Penn. 1985) District of Pennsylvania Carrecter v. Colson Equipment Co.
Superior Court of Pennsylvania
346 Pa. Super. 95 (1985)
Barris v. Bob’s Drag Chutes & Safety Equipment, Inc.
United States Court of Appeals of the Third Circuit
685 F.2d 94 (3rd Cir. 1982)
Jeng v. Witters
United States District 452 F. Supp. 1349 Court for the Middle (M.D.Penn. 1978) District of Pennsylvania
499 A.2d 326 (Pa. Super. 1985)
Francioni v. Gibsonia Supreme Court of Truck Corp. Pennsylvania
472 Pa. 362 (1977)
372 A.2d 736 (Pa. 1977)
Cornell Drilling Co. v. Ford Motor Co.
Superior Court of Pennsylvania
241 Pa. Super. 129 (1976)
359 A.2d 822 (Pa. Super. 1976)
Kuisis v. BaldwinLima-Hamilton Corp.
Supreme Court of Pennsylvania
457 Pa. 321 (1974)
319 A.2d 914 (Pa. 1974)
Rechtsprechungsverzeichnis Clarke v. Brockway Motor Trucks
451
United States District 372 F. Supp. 1342 Court for the Eastern (E.D.Penn. 1974) District of Pennsylvania
Dennis v. Ford Motor United States District 332 F. Supp. 901 Co. Court for the Western (W.D.Penn. 1971) District of Pennsylvania McCann v. Atlas Supply Co.
United States District 325 F. Supp. 701 Court for the Western (W.D.Penn. 1971) District of Pennsylvania
MacDougall v. Ford Motor Co.
Superior Court of Pennsylvania
214 Pa. Super. 384 (1969)
257 A.2d 676 (Pa. Super. 1969)
Bialek v. Pittsburgh Brewing Co.
Supreme Court of Pennsylvania
430 Pa. 176 (1968)
242 A.2d 231 (Pa. 1968)
Greco v. Bucciconi Engineering Co.
United States District 283 F. Supp. 978 Court for the Western (W.D.Penn. 1967) District of Pennsylvania
Lewis v. United States Rubber Co.
Supreme Court of Pennsylvania
414 Pa. 626 (1964)
Funk v. Kerbaugh
Supreme Court of Pennsylvania
222 Pa. 18 (1908)
202 A.2d 20 (Pa. 1964)
39. Rhode Island Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Guilbeault v. R.J. Reynolds Tobacco Co.
United States District Court for the District of 84 F. Supp.2d 263 Rhode Island (D.R.I. 2000)
40. South Carolina Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Jimenez v. Daimler Chrysler Corp.
United States Court of Appeals for the Fourth Circuit
269 F.3d 439 (4th Cir. 2001)
Mattison v. Dallas Carrier Corp.
United States Court of Appeals for the Fourth Circuit
947 F.2d 95 (4th Cir. 1991)
Gamble v. Stevenson Supreme Court of South Carolina
305 S.C. 104 (1991)
Alternative Fundstellen
406 S. E.2d 350 (S.C. 1991)
452
Rechtsprechungsverzeichnis
Brown v. Ford Motor United States District 287 F. Supp. 906 Co. Court for the District (D.S.C. 1968) of South Carolina, Charleston Division 41. South Dakota Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Pearson v. Franklin Laboratories, Inc.
Supreme Court of South Dakota
254 N.W.2d 133 (S.D. 1977)
42. Tennessee Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Johnson v. Husky In- United States Court of Appeals for the Sixth 536 F.2d 645 (6th dustries, Inc. Circuit Cir. 1976) Coca-Cola Bottling Works v. Sullivan
Supreme Court of Tennessee
158 S.W.2d 721 (Tenn. 1941)
43. Texas Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
AlliedSignal, Inc. v. Moran
Court of Appeals of Texas, Thirteenth District, Corpus Christi – Edinburg
231 S.W.3d 16 (Tex. App. 2007)
Bic Pen Corp. v. Carter
Court of Appeals of Texas, Thirteenth District, Corpus Christi
171 S.W.3d 657 (Tex. App. 2005)
Nissan Motor Co. v. Armstrong
Supreme Court of Texas
145 S.W.3d 131 (Tex. 2004)
Ford Motor Co. v. Ridgway
Supreme Court of Texas
135 S.W.3d 598 (Tex. 2004)
Smith v. Louisville Ladder Corp.
United States Court of Appeals for the Fifth 237 F.3d 515 (5th Circuit Cir. 2001)
Keene v. Sturm, Ruger & Co.
United States District Court for the Eastern District of Texas, Beaumont Division
121 F. Supp.2d 1063 (E.D.Tex. 2000)
General Motors Corp. v. Sanchez
Supreme Court of Texas
997 S.W.2d 584 (Tex. 1999)
Uniroyal Goodrich Tire Co. v. Martinez
Supreme Court of Texas
977 S.W.2d 328 (Tex. 1998)
Caterpillar, Inc. v. Shears
Supreme Court of Texas
911 S.W.2d 379 (Tex. 1995)
Selig v. BMW of North America, Inc.
Court of Appeals of Texas, Fourteenth District, Houston
832 S.W.2d 95 (Tex. App. 1992)
Rechtsprechungsverzeichnis
453
Haddock v. Arnspiger
Supreme Court of Texas
Hernandez v. Nissan Motor Corp.
Court of Appeals of Texas, Eighth District, El 740 S.W.2d 894 (Tex. Paso App. 1987)
Texaco, Inc. v. Penn- Court of Appeals of Texas, First District, zoil, Co. Houston
793 S.W.2d 948 (Tex. 1990)
729 S.W.2d 768 (Tex. App. 1987)
Dartez v. Fibreboard Corp.
United States Court of Appeals for the Fifth 765 F.2d 456 (5th Circuit Cir. 1985)
Carter v. MasseyFerguson, Inc.
United States Court of Appeals for the Fifth 716 F.2d 344 (5th Circuit Cir. 1983)
The Alamo National Bank v. Kraus
Supreme Court of Texas
616 S.W.2d 908 (Tex. 1981)
Boatland of Houston, Supreme Court of Texas Inc. v. Bailey
609 S.W.2d 743 (Tex. 1980)
Turner v. General Motors Corp.
Supreme Court of Texas
584 S.W.2d 844 (Tex. 1979)
Hagans v. Oliver Machinery Co.
United States Court of Appeals for the Fifth 576 F.2d 97 (5th Circuit Cir. 1978)
Maxey v. Freightliner United States District Court for the Northern 450 F. Supp. 955 Corp. District of Texas, Dallas Division (N.D.Tex. 1978) Magic Chef, Inc. v. Sibley
Court of Civil Appeals of Texas, Fourth District, San Antonio
546 S.W.2d 851 (Tex. App. 1977)
Rourke v. Garza
Supreme Court of Texas
530 S.W.2d 794 (Tex. 1975)
Henderson v. Ford Motor Co.
Supreme Court of Texas
519 S.W.2d 87 (Tex. 1974)
Borel v. Fibreboard United States Court of Appeals for the Fifth 493 F.2d 1076 (5th Paper Products Corp. Circuit Cir. 1973) Williams v. General Motors Corp.
Court of Civil Appeals of Texas, First District, Houston
501 S.W.2d 930 (Tex. App. 1973)
Bass v. General Motors Corp.
Court of Civil Appeals of Texas, Thirteenth District, Corpus Christi
491 S.W.2d 941 (Tex. App. 1973)
Hartzell Propeller Co. v. Alexander
Court of Civil Appeals of Texas, Tenth District, Waco
485 S.W.2d 943 (Tex. App. 1972)
Pizza Inn, Inc. v. Tiffany
Court of Civil Appeals of Texas, Tenth District, Waco
454 S.W.2d 420 (Tex. App. 1970)
Franks v. National United States Court of Appeals for the Fifth 414 F.2d 682 (5th Dairy Products Corp. Circuit Cir. 1969) Darryl v. Ford Motor Supreme Court of Texas Co. Sharp v. Chrysler Corp.
440 S.W.2d 630 (Tex. 1969)
Court of Civil Appeals of Texas, Fourteenth 432 S.W.2d 131 (Tex. District, Houston App. 1968)
454
Rechtsprechungsverzeichnis
Coca Cola Bottling Co. of Houston v. Hobart
Court of Civil Appeals of Texas, Fourteenth 423 S.W.2d 118 (Tex. District, Houston App. 1967)
Jack Roach-Bissonnet, Inc. v. Puskar
Supreme Court of Texas
Ford Motor Co. v. Mathis
United States Court of Appeals for the Fifth 322 F.2d 267 (5th Circuit Cir. 1963)
Sam White Oldsmobile Co. v. Jones Apothecary, Inc.
Court of Civil Appeals of Texas, Houston
Dement v. Olin-Mathieson Chemical Corp.
United States Court of Appeals for the Fifth 282 F.2d 76 (5th Circuit Cir. 1960)
417 S.W.2d 262 (Tex. 1967)
337 S.W.2d 834 (Tex. App. 1960)
44. Virgin Islands Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Gumbs v. Internatio- United States Court of Appeals for the Third 718 F.2d 88 (3rd nal Harvester, Inc. Circuit Cir. 1983)
45. Washington Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Dailey v. North Coast Supreme Court of Life Insurance Co. Washington
129 Wn.2d 572 (1996)
919 P.2d 589 (Wash. 1996)
Crittenden v. Fibreboard Corp.
Court of Appeals of Washington, Division One
58 Wn. App. 649 (1990)
794 P.2d 554 (Wash. App. 1990)
Lenhardt v. Ford Motor Co.
Supreme Court of Washington
102 Wn.2d 208 (1984)
683 P.2d 1097 (Wash. 1984)
Cantu v. John Deere Co.
Court of Appeals of Washington, Division Three
24 Wn. App. 701 (1979)
603 P.2d 839 (Wash. App. 1979)
Seattle-First National Supreme Court of Bank v. Tabert Washington
86 Wn.2d 145 (1975) 542 P.2d 774 (Wash. 1975)
Seattle-First National Court of Appeals of Bank v. Volkswagen Washington, Divisiof America, Inc. on Three
11 Wn. App. 929 (1974)
525 P.2d 286 (Wash. App. 1974)
Bombardi v. Pochel’s Court of Appeals of Appliance and TV Washington, DivisiCo. on Two
10 Wn. App. 243 (1973)
518 P.2d 202 (Wash. App. 1973)
Rechtsprechungsverzeichnis Spokane Truck and Dray Co. v. Hoefer
Supreme Court of Washington
455
25 P. 1072 (Wash. 1891)
46. West Virginia Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Beatty v. Ford Motor Supreme Court of 212 W.Va. 471 Co. Appeals of West Vir- (2002) ginia
574 S. E.2d 803 (W.Va. 2002)
Garnes v. Fleming Landfill, Inc.
Supreme Court of 186 W.Va. 656 Appeals of West Vir- (1991) ginia
413 S. E.2d 897 (W.Va. 1991)
Blankenship v. General Motors Corp.
Supreme Court of 185 W.Va. 350 Appeals of West Vir- (1991) ginia
406 S. E.2d 781 (W.Va. 1991)
47. Wisconsin Fall
Gericht
Fundstelle Zitat
Alternative Fundstellen
Geboy v. TRL, Inc.
United States District 976 F. Supp. 1202 Court for the Eastern (E.D.Wis. 1997) District of Wisconsin
Bittner v. American Honda Motor Co.
Supreme Court of Wisconsin
194 Wis.2d 122 (1995)
533 N.W.2d 476 (Wisc. 1995)
Rolph v. EBI Co.
Supreme Court of Wisconsin
159 Wis.2d 518 (1991)
464 N.W.2d 667 (Wisc.1991)
Kemp v. Miller
Supreme Court of Wisconsin
154 Wis.2d 538 (1990)
453 N.W.2d 872 (Wisc. 1990)
Sumnicht v. Toyota Supreme Court of Motor Sales, U.S.A., Wisconsin Inc.
121 Wis.2d 338 (1984)
360 N.W.2d 2 (Wisc. 1984)
Wangen v. Ford Motor Co.
Supreme Court of Wisconsin
97 Wis.2d 260 (1980) 294 N.W.2d 437 (Wisc. 1980)
Rennick v. Fruehauf Corp.
Supreme Court of Wisconsin
82 Wis.2d 793 (1978) 264 N.W.2d 264 (Wisc. 1978)
Literaturverzeichnis I. Deutschland 1. Monografien Ady, Johannes: Ersatzansprüche wegen immaterieller Einbußen, 1. Auflage 2004; J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen (zitiert als: Ady, Seite) Anhalt, Peter: Produzentenhaftung – Rechtsgrundlagen, Haftungsrisiken, Absicherungsmöglichkeiten, 2. Auflage 1978; Weka-Verlag, Kissing (zitiert als: Anhalt, Seite) Bettermann/Nipperdey: Die Grundrechte IV/2, 1. Auflage 1962; Dunker & Humblot, Berlin (zitiert als: Bettermann/Nipperdey-Verfasser, Die Grundrechte IV/2, Seite) Bodewig, Theo: Der Rückruf fehlerhafter Produkte, 1. Auflage 1999; J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen. Jus privatum Band 36 (zitiert als: Bodewig, Seite) Brockmeier, Dirk: Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1. Auflage 1999; J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen (zitiert als: Brockmeier, Seite) Broichmann, Alice: Das Produktsicherheitsgesetz als Vorgabe für die Produkt- und Produzentenhaftung, 1. Auflage 2001; VVF Verlag, München (zitiert als: Broichmann, Seite) Deutsch, Erwin: Allgemeines Haftungsrecht, 2. Auflage 1996; Carl Heymanns Verlag, Köln/ Berlin/Bonn/München (zitiert als: Deutsch, Seite) Eberbach, Wolfram H.: Die zivilrechtliche Beurteilung der Humanforschung, 1. Auflage 1982; Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main (zitiert als: Eberbach, Seite) Foerste, Ulrich/Graf von Westphalen, Friedrich: Produkthaftungshandbuch, 3. Auflage 2012; C.H.Beck, München (zitiert als: Foerste/Graf von Westphalen, § Randnummer) Frings, Susanne: Die Zumessung von Schadensersatz und Schmerzensgeld: Ein Vergleich von Laien und Experten, Forschungsberichte des Psychologischen Institutes der Albert-LudwigUniversität Freiburg im Breisgau, Nr. 146, 2000 (zitiert als: Frings, Seite) Grossfeld, Bernhard: Die Privatstrafe, 1. Auflage 1961; Alfred Metzner Verlag, Frankfurt am Main/Berlin (zitiert als: Grossfeld, Seite) Henf, Frieder: Billigkeit und zivilrechtliche Argumentation, Diss., 1977 (zitiert als: Henf, Seite) Hippel, Eike von: Verbraucherschutz, 3. Auflage 1986; J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen (zitiert als: von Hippel, Seite) Hoechst, Peter: Die US-amerikanische Produzentenhaftung, 1. Auflage 1986; Carl Heymanns Verlag, Köln (zitiert als: Hoechst, Seite) Hoppe, Tilman: Persönlichkeitsschutz durch Haftungsrecht, 1. Auflage 2001; Duncker & Humblot, Berlin (zitiert als: Hoppe, Seite)
Literaturverzeichnis
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Stichwortverzeichnis Abnormal use siehe misuse Abschreckung 129, 302 f., 306, 316, 331, 335, 337, 342, 344 f., 355 f., 371, 373, 375, 395 Alleinimporteur 198 f. Alles-oder-Nichts-Prinzip 299 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 308 ff., 312 ff., 320 f., 323 ff., 328, 330, 333, 341, 357, 390 ff., 394, 399, 415 ff. American rule 53, 337, 347, 381 Anscheinsbeweis 228 ff., 232, 261 Apportionment of damages 225 Äquivalenzinteresse 46 f., 66 f. Assembler 192 ff. Assumption of risk 91 ff., 94, 98, 174 Ausgleichsfunktion 35, 294 ff., 298, 300 ff., 312, 318, 340 f., 349, 393, 400, 416, 419 Ausreißer 167 f., 234 Barker-test 77 f., 277 Bereicherung 301, 306, 312 ff., 351, 394, 416 Beweislastumkehr 57, 177, 231, 233 ff., 238 ff., 241 ff., 260, 276 ff., 279 f., 284 ff. Beweislastverlagerung 224, 236, 238 Beweismaßstab 242 ff., 276, 281 ff., 349, 411 f. Beweissicherungspflicht 238 ff., 285 Beweistiefe 224 f., 256, 283, 285, 412 Beweiswürdigung 139, 179, 225, 228 ff., 232 f., 243, 246 f., 251, 259 ff., 262, 266, 403 Bifurcation 381 Burden of proof argument 214 Circumstantial evidence 245 f., 248, 252, 259 f., 262, 264, 266, 285 Class action 338, 382 f., 399 Clear and convincing evidence 257, 284, 349
Compensatory damages 340 f., 344, 347, 349 ff., 352 f., 366, 371, 375 f., 378, 381 ff., 386 f., 388, 390 Complete defense 88, 107 Complicity rule 348 Concert-of-action-theory 279 Conduit argument 214 Consumer expectation test 70 ff., 77 ff., 82, 85, 148, 175, 185, 277, 405 Consumer reliance argument 212 Contributory negligence 92 Crashworthiness 72, 90, 98, 147, 254, 256, 277 Daubert-Kriterien 154, 165 Deep-pocket-syndrome 337 Design defect 63, 70, 166 Dezentralisierter Entlastungsbeweis 190 f. Discovery 53, 103, 288 f., 337, 381 Doppelfunktionstheorie 297 ff., 302, 309, 419 Duty to warn 122 EG-Produkthaftungsrichtlinie 30, 43 f., 57, 62, 171, 180, 219, 243, 404 Eigengefährdung 31, 91, 174 Endprodukthersteller 53, 67, 167, 189, 191, 206 f., 349 Entwicklungsfehler 42, 110 ff., 117 Entwicklungslücke 127 Erfüllbarkeit siehe Umsetzbarkeit Europäischer Wirtschaftsraum 188, 198, 204 f., 217, 219 f., 410 Expert witness 153, 156 f., 248, 337 Fabrikationsfehler 65, 83, 122, 165, 167 ff., 173, 196, 198, 207, 234 Feasible alternative design 76, 146 ff., 289 Foreseeability 87, 89 f., 105, 117
472
Stichwortverzeichnis
Gefährdungshaftung 27, 32, 42, 56 f., 58 f., 60, 62, 87, 98, 100, 104, 109, 110 f., 124, 209, 236, 241, 250, 285, 298, 325, 390, 404, 412 Generalpräventive Wirkung 28, 35, 303, 306, 326 Genugtuung 296, 298 ff., 301 f., 303 ff., 307 ff., 318 f., 321, 324 f., 334, 341, 343, 352, 391, 393, 396, 398, 400, 415, 419, 421 Gewinnabschöpfung 312 ff., 330, 333, 337, 342, 378 Gleichheitsgrundsatz 317, 323 f. Gore-Kriterien 370 f., 374, 377 Greco-rule 250, 263 Haftungsbegrenzung 116, 133, 140 f., 144, 149, 159, 163, 166, 170, 173, 181 Haftungscharakter 43, 56, 58 f., 60, 62, 69, 83, 209 Huddel-rule 255 Humanitätsgrundsatz 317 f., 324 Importeur 30, 188 f., 198 ff., 205 f., 208, 210, 212 f., 215 f., 217 ff., 410, 421 Indizienbeweis 232, 245, 249, 270, 285 f., 288, 412 f. Industry custom and usage 141 ff., 148, 150 Industry-wide liability 279 In personam juristiction argument 213 Insolvenz 110, 220, 280, 328, 334, 383, 385 f., 398, 400, 417 f. Instruktionsfehler 65, 121 f., 134 f., 186, 195, 230, 384, 406 Instruktionspflicht 30, 125, 132, 134, 189, 207, 211, 327, 406 Insurance argument 213 f. Integritätsinteresse 46 f., 66 Intended use 89 f. Kombinationsgefahren 133 Konstruktionsfehler 65, 67, 70, 121 f., 134 f., 167, 169, 173, 195 f., 198, 234, 237, 252, 384, 406 Konstruktionspflicht 30, 327 Liability cap
386
Manufacturing defect 63, 165 f. Marked-share-liability 279 Missbrauch 85, 87, 96 f., 127, 231, 251 Misuse 87, 90 f. Modified consumer expectation test 77 Montagebetrieb 192 ff. Motiv- und interessengeleitete Handlung 322 f., 330, 336, 392, 416 Non-manufacturer
211, 215 f.
Objektive Pflichtwidrigkeit 48, 110, 115 f., 117, 182, 233 f., 236 Offensichtlichkeit 73, 80, 85 ff., 94 f., 97 f., 129, 147, 174, 406, 420 Ökonomische Analyse des Schadensrechts 294, 301, 319, 345, 373, 375, 377 f., 381 f., 385, 397, 399 Open and obvious danger rule 85, 89, 93 f. Outsourcer 192, 194 Prävention 28, 45 f., 52, 55, 158, 215, 226, 235, 301 f., 304, 307, 309 ff., 316, 319, 321, 324, 325 ff., 330 ff., 345, 348, 354, 357, 359, 371, 374 ff., 379, 383, 386, 388 f., 390., 394 f., 397 ff., 417, 419, 421 Präventionsexzess 329, 374, 378, 385, 400, 419 Präventiv-verhaltenssteuernde Entschädigung 395, 396 ff., 400, 414 ff., 419 Präventiv-verhaltenssteuernde Wirkung 345, 354 f. Preemption rule 136 Preiskalkulation 48, 172, 235 Preponderance of the evidence 257 f., 260, 262, 264 f., 267, 272, 276 f., 284, 349 Prima facie case 244 f., 248, 252, 276 Primat sicherheitsgerechter Konstruktionen 132, 181 Privatstrafe 303 ff., 310, 340, 343, 391, 398, 415 Produktbeobachtung 46, 64 f., 115, 133, 177, 191, 199, 216 Produktsicherungspflicht 41, 83, 133 Profitentzug siehe Gewinnabschöpfung Quasihersteller 410
188, 192, 194, 206, 217,
Stichwortverzeichnis Reasonable anticipated use 89 ff. Reasonable doubt 257, 284, 350 Reasonable relationship 370, 374 Rebuttable presumption 108 Rechtsverfolgungskosten 341, 347, 375, 381 f., 388, 418 Regeln der Technik 113, 137, 326 Regulatory safety standard 135 f. Reprehensibility 361 f., 370 f. Res ipsa loquitor 259 ff., 262, 266, 274 Risikoallokation 87, 215 Risk/utility-analysis 75 ff., 82 ff., 85, 108, 117, 119, 124 f., 142, 148, 163, 175, 182, 185 f., 277, 289 Rückruf 27, 46, 64, 181, 199, 216, 269, 287, 352, 356, 413 Safer product rational 212 Sanktion 35, 225, 302 ff., 306 f., 311, 321, 329, 335 f., 340 f., 343 ff., 349, 355 f., 367, 369 f., 371, 377, 383 f., 395, 399, 403, 417 Schadenallokation 45, 48, 103, 226, 258, 276, 282, 301 Schadensliquidation 45, 374, 377, 382, 385, 397 f. Schutzbedürftigkeit 45, 84 f., 93, 97 f., 115 Scientific conclusion 257 Scientific (un-)knowability 102, 106 Second-collision cases siehe crashworthiness Sicherheitserwartungen 30, 41, 48, 69, 71, 72 ff., 76 f., 84 f., 107, 117, 134 f., 138 ff., 141 ff., 144, 161 f., 163, 169 f., 173, 175, 177, 182 ff., 202 f., 405 ff., 419 f. Sicherheitsniveau 60, 136 ff., 145 f., 177, 200, 203, 395, 407, 410 – übliches 141, 143 f., 279, 407, 420 Sophisticated user doctrine 87 Stand der Technik 113, 116, 160, 162, 177 Stand von Wissenschaft und Technik 110 ff., 118, 122, 127, 141, 143, 168, 170 f., 182 ff., 227, 238, 281, 395, 408 f. Standard of proof 256, 261, 286 State-of-the-art 99 ff., 119, 148 State sharing act 386 Stream of commerce 29, 208 f., 211 ff., 217, 246 Subsidiarität 321, 325 Sühne 295, 304, 305 f.
Summers-rule 279 Symbolisches Schmerzensgeld
473
302, 304 f.
Technische Normen 101, 135 f., 137 ff., 140 f., 177 f., 407, 420 Technische Regeln siehe technische Normen TREAD Act 356 Umsetzbarkeit 101, 108, 140 f., 147, 149, 151, 153, 158 ff., 163 f., 166, 169, 171, 175 f., 178, 186, 295, 367, 405, 408 f., 420 Unangemessene Gefährlichkeit 68 ff., 82, 86, 93, 99 f., 104 f., 109, 119, 123, 134, 143, 146 f., 164, 165 f., 169 ff., 172 f., 175, 177, 180, 186, 208, 217 f., 237, 241, 244, 249, 254, 264, 267, 272, 275 f., 365, 405, 408 f., 419 f. Unanticipated use siehe misuse Unbekannte Gefahr 51, 86, 99, 109, 116, 119, 182 Unreasonable dangerous product 68, 84, 184 Unrechtshaftung 39 f., 43 f., 57, 59, 62, 68 f., 83 f., 97, 104, 145, 180, 218, 237, 250, 255, 285, 404 ff., 419 Unwerthaftung 39 f., 42 f., 58, 60, 62, 116, 392 Verbraucherschutz 29 f., 45, 47 f., 64, 73, 82, 84, 97, 112, 124 f., 136, 158, 163, 168, 171, 174, 182, 191, 204, 210, 214, 216, 219 f., 229, 236, 238 f., 246, 254, 285, 290, 322, 330, 346, 389 f., 402 f., 414 Vergeltung 300, 306, 312, 317 f., 324, 342 f., 345 f., 355, 359, 391, 398 f., 419, 421 Verhaltenssteuerung 316, 318 ff., 325, 336, 351, 380, 391, 393 f., 397 Verkehrssicherungspflicht 27, 30, 37 ff., 39 f., 64 f., 69, 88, 93, 95 ff., 110, 113, 121, 127 f., 132 f., 138, 140, 159, 163, 167 f., 182 f., 188 f., 191 ff., 195 ff., 198, 200, 202 f., 205 f., 239 f., 320, 322 Vermeidbarkeit 74, 76, 78, 88, 99, 102 f., 109, 118 ff., 122, 123 f., 127, 132, 134, 138, 162, 170 f., 173, 176 f., 182 f., 402, 405, 409, 414
474
Stichwortverzeichnis
Verschuldenshaftung 27, 57, 171 f., 209, 310 Verschuldensunabhängige Haftung 26, 33, 48, 246, 296, 389, 390 Vertriebsgesellschaft 189, 197, 201 Verwerfliches Verhalten siehe Verwerflichkeit Verwerflichkeit 321, 330 ff., 336, 339, 343, 345, 348 f., 354 f., 358 ff., 361 ff., 368 ff., 371 ff., 376, 378, 379, 381 f., 383 ff., 386, 390 ff., 393 ff., 397 ff., 416 ff., 421 Verzögerte Schadensregulierung 296, 307 f., 312, 328, 335, 391, 395, 415 f. Vicarious liability rule 348 Vorhersehbarkeit 83, 85, 87 f., 90 f., 95 f., 97, 109, 117 f., 122, 130, 132, 147, 160,
171, 173 ff., 212, 215, 250, 252 ff., 259 f., 275, 406, 409, 420 Warenhändler 195 ff., 199 ff., 205, 207, 209 f., 212 ff., 217 ff., 410 f., 421 Wertschöpfungs- und Vertriebskette 205 f., 218 Wirtschaftliche Verhältnisse 296, 299, 318, 379 ff., 417 Zulieferer 31, 42, 53, 67, 167, 190 ff., 206 f., 208, 353 Zumutbarkeit 84, 98, 115, 117, 160 ff., 163 f., 168, 184 f., 193, 227