Weimarer Erfahrungen: Deutsche Emigranten in Amerika und die transatlantische Nachkriegsordnung [1 ed.] 9783666370588, 9783525370582


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Weimarer Erfahrungen: Deutsche Emigranten in Amerika und die transatlantische Nachkriegsordnung [1 ed.]
 9783666370588, 9783525370582

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Udi Greenberg

Weimarer Erfahrungen Deutsche Emigranten in Amerika und die transatlantische Nachkriegsordnung

Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow

Udi Greenberg

Weimarer Erfahrungen Deutsche Emigranten in Amerika und die transatlantische Nachkriegsordnung

Aus dem amerikanischen Englisch von Felix Kurz

Vandenhoeck & Ruprecht

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Die englische Originalausgabe: Udi Greenberg: The Weimar Century. German Émigrés and the Ideological Foundations of the Cold War © 2014 by Princeton University Press © 2021 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA , USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Mit 9 Abbildungen Umschlagabbildung: Kundgebung gegen die Berlin-Blockade auf dem Platz der Republik vor dem Gebäude des Reichstags in Berlin am 9. September 1948 (Ausschnitt). © akg-images. Lektorat: Jörg Später, Freiburg i. Br. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-37058-8

Inhalt Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kapitel 1 Auf der Suche nach »verantwortungs­bewussten Eliten«: Carl J. Friedrich und die Reform der Universitäten . . . . . . . . . . 35 Protestantische Legitimation und Elitebildung in Heidelberg . . . . . . 38 Das Heidelberger Projekt in den Vereinigten Staaten: Eine neue amerikanische Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Universitäten im Kalten Krieg: »Verantwortungsbewusste Eliten« in Amerika und Deutschland . . . . 64 Kapitel 2 Sozialistische Reformen, Rechtsstaat und das Werben um die Arbeiterschaft: Ernst Fraenkel und das Konzept der »kollektiven Demokratie« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Demokratie, Arbeiterbewegung und Recht in Frankfurt am Main und Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Soziale Demokratie und amerikanische Macht: Fraenkel in den Vereinigten Staaten und Korea . . . . . . . . . . . . . . 96 Die deutsche Linke und der Kalte Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Kapitel 3 Konservativer Katholizismus und amerikanische Stiftungen: Waldemar Gurian, die »personalistische Demokratie« und der Antikommunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Katholizismus, »Personalismus« und Demokratie im Rheinland: Die Ursprünge von Gurians Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Der Weg zur »Totalitarismustheorie«: Die personalistische Exil-Kampagne gegen den Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . 139 Personalismus und amerikanische Stiftungen: Transatlantische Demokratie und Antikommunismus . . . . . . . . . . 148 5

Kapitel 4 Individuelle Freiheiten und die »wehrhafte Demokratie«: Karl Loewenstein und der aggressive Liberalismus . . . . . . . . . . 171 Dissens unter liberalen Demokraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Die Geburt der »wehrhaften Demokratie« und Diplomatie in Lateinamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Die »wehrhafte Demokratie« und der Kalte Krieg in Westdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Kapitel 5 Vom Völkerbund nach Vietnam: Hans J. Morgenthau und die realistische Reform der internationalen Beziehungen . . . . . . 209 Die internationale Politik, das Recht und der Krieg . . . . . . . . . . . . 211 Morgenthau und der amerikanische Machtapparat im Kalten Krieg . . 222 Macht und Moral: Die Opposition zur Intervention in Vietnam . . . . 232 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Gedruckte Quellen und Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

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Danksagung

Dieses Buch wurde über viele Jahre an vielen verschiedenen Orten geschrieben – in Jerusalem, Berlin, Leipzig, Madison, Berkeley und Hanover –, und in allen Phasen erfuhr ich eine großzügige Unterstützung von Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen und Institutionen. Ihnen allen endlich danken zu können, ist mir eine große Freude. Mein Dank gilt zunächst den vielen auf die europäische Geistesgeschichte und Politik spezialisierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die meine Arbeit kommentiert, mich außerordentlich ermutigt und mir wertvolle Ratschläge gegeben haben. Sie haben mir bei der Entwicklung meiner Gedanken geholfen und mich vor peinlichen Fehlern und falschen Auffassungen bewahrt; in den besten Passagen des Buches werden sie ihre Erkenntnisse wiederfinden. Aber sie werden auch bemerken, an welchen Stellen mich meine Sturheit dazu verleitet hat, ihren Rat zu übergehen. Steven Aschheim, Moshe Zimmermann und Dan Diner haben mich während meines Graduiertenstudiums in Jerusalem bei den ersten Schritten zu diesem Buch betreuend begleitet. Malachi Hacohen war mit klugen Anmerkungen zur Stelle, als ich das Projekt überdachte und eine neue Fassung zu schreiben begann. Samuel Moyn und Jan-Werner Müller machten sich die Mühe, einen vollständigen Entwurf des Manuskripts zu lesen, nach Dartmouth zu kommen und einen Tag lang mit mir zu diskutieren, was ungemein hilfreich war. Sie bekräftigten mich, manches Problem neu zu überdenken, und machten umsichtige Verbesserungsvorschläge. Peter Gordons scharfsinnige Kritik hatte erheblichen Einfluss auf die Endfassung. Er drängte mich dazu, meine Urteile über Weltanschauungen und ihre politischen Folgen explizit zu formulieren. Ferner sind dem Buch der wertvolle Rat von Michael Brenner, Arie Dubnov, Martin Jay, Rudy Koshar, Michael Gordin, Adi Gordon, Jerry Muller, Anson Rabinbach, Jeremi Suri und Noah Strote zugutegekommen. Mein Dank gilt auch Ofer Ashkenazi, James Chappel und Giuliana Chamedes, die die ersten Fassungen dieses Textes mit großer Sorgfalt lasen. Besonders dankbar bin ich außerdem meiner Lektorin bei Princeton University Press, Brigitta van Rheinberg, deren Klugheit und Professionalität das Buch auf ein höheres Niveau gebracht haben. Eine anregendere und großzügigere wissenschaftliche Begleitung kann ich mir nicht vorstellen. 7

Danken möchte ich auch meinen damaligen Kolleginnen und Kollegen am Dartmouth College für wertvolle Ratschläge, Betreuung und Hilfe: Chris Hardy Wohlforth, Leslie Butler, Bill Wohlforth und Klaus Mladek, Ed Miller und Bob Bonner, Cecilia Gaposchkin und George Trumbull, Susannah ­Heschel, Nancy Marion und den Studierenden Caitlin O’Neil, Emily Tomlinson, Andrew Park, Rebecca Jacobson und Ben Levander, nicht zuletzt Becky Kohn, die mit ihren geradezu »übernatürlichen« Fähigkeiten als Lektorin unverständliche Passagen des amerikanischen Originals in einen lesbaren Stil gebracht und den Text in vielfältigerer Weise verbessert hat, als ihr bewusst ist. Dank gilt ebenso den vielen Programmen und Institutionen, die über Jahre hinweg meine Forschung gefördert haben. Dazu zählen der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), das israelische Bildungsministerium, das Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur  – Simon Dubnow in Leipzig, die Studienstiftung des deutschen Volkes, die Fakultäten für Geschichte der Universitäten Berkeley und Wisconsin-Madison, die Walter and Constance Burke Research Initiation und das Rockefeller Center am ­Dartmouth College. Besonderen Dank schulde ich John Tortorice vom George Mosse Program der Universität Wisconsin-Madison. Für ihre unschätzbare Hilfe möchte ich auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Archiven und Bibliotheken danken. In Europa besuchte ich das Bundesarchiv Koblenz, das Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, die Kommission für Zeitgeschichte in Bonn, die Universitätsarchive der RuprechtKarls-Universität Heidelberg und der Freien Universität Berlin, das Münchner Institut für Zeitgeschichte, die British Library in London und die London School of Economics; in den Vereinigten Staaten die National Archives, College Park, Maryland, das Leo Baeck Institute in New York, die Harvard University, die Library of Congress in Washington, D. C., die Seeley G. Mudd Manuscript Library an der Princeton University, die Rockefeller Foundation Archives in Tarrytown, N. Y., die University of Notre Dame, das Amherst College, die New York Public Library, das Hoover Institute, die Stanford University und die Bibliothek des Dartmouth College. Inhalt und Protagonisten dieses Buches mögen eine Veröffentlichung auch in deutscher Sprache selbstverständlich erscheinen lassen, und doch ist sie es nicht angesichts der Anstrengungen, die mit einem solchen Projekt verbunden sind. Eine umso größere Freude war es für mich, dass diese Übersetzung am Dubnow-Institut in Leipzig realisiert werden konnte. Als Gast habe ich das Haus kennengelernt, als es noch unter der Leitung von Dan Diner stand; während des Direktorats von Raphael Gross ist die Idee zu diesem Projekt geboren worden und unter der Ägide seiner Direktorin Yfaat Weiss, die es sofort in jeder Hinsicht gefördert hat, wurde es nun zu einem Abschluss 8

gebracht. Sein Herzstück, die hervorragende Übersetzung, hat Felix Kurz angefertigt; das hierauf folgende umsichtige Lektorat Jörg Später; um die redaktionelle Vereinheitlichung von Text und Bibliografie sowie das Register haben sich wesentlich gekümmert Ludwig Decke, Svenja Kipshagen und Margarita Lerman; und Felix Pankonin schließlich war in inhaltlichen Sachfragen, auch spontan, stets ansprechbar. Allen Genannten, und im Besonderen Petra Klara Gamke-Breitschopf, die das gesamte Projekt in all seinen Stadien mit großem Engagement begleitet hat, gilt mein herzlicher Dank. Am allermeisten verdanke ich jedoch meiner Familie. Meine Eltern Ofra und Avner und mein Bruder Noam boten mir ein ebenso geistig anregendes wie liebevolles Umfeld. Die Millers – Cathy, Bob, Chris, Lucas und Rose – nahmen mich in ihre Familie auf und beherbergten mich bei zahllosen Besuchen und Forschungsaufenthalten. Durch ihre Unterstützung fühlte ich mich in einem mir bis dahin noch fremden Land wie zu Hause. Doch vor allem ist es meine Frau Jennie, der ich Dank schulde und der ich dieses Buch widme. Sie ist seit Jahren meine intellektuelle Weggefährtin und hat mein gesamtes Denken über Geschichte, Politik und Ideen geprägt. Sie hat jedes Wort jeder Fassung mit einer Sorgfalt und Geduld gelesen, die mich immer wieder erstaunt haben. Das Leben, das wir uns mit unserer Tochter Elizabeth und unserem Sohn Daniel aufgebaut haben, ist für uns das Herz und der Mittelpunkt unseres Jahrhunderts.

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Einleitung

Im Sommer 1948 bestand in Deutschland wenig Grund zu Optimismus. Drei Jahre nach dem verheerendsten Krieg der Geschichte lagen viele Städte noch immer in Trümmern, Flüchtlinge und verwundete Kriegsveteranen irrten durch die Straßen und die Menschen hungerten. Obwohl im Rahmen des Marshallplans erste Hilfslieferungen über den Atlantik eingetroffen waren, rechneten die meisten Deutschen mit vielen Jahren der Armut und Trostlosigkeit. Schlimmer noch: Die Konflikte zwischen den einstmaligen Alliierten Sowjetunion und USA entwickelten sich zu einem »kalten Krieg«, der jederzeit in einen »heißen« umschlagen konnte, und zwar auf deutschem Boden. Diese beiden neuen Supermächte waren jeweils entschlossen, an ihrer Kontrolle über Deutschland festzuhalten, selbst um den Preis einer Teilung der besiegten Nation. Im Juni 1948 hielt die Welt den Atem an: Nachdem sowjetische Truppen eine Blockade gegen die Westsektoren Berlins verhängt hatten, versorgten amerikanische und britische Flugzeuge die belagerte Stadt aus der Luft; die Verhandlungen zwischen den beiden Supermächten waren gescheitert. Neun Monate später endete zwar die Blockade, aber sie zeigte eindrücklich, wie tief das Misstrauen zwischen Amerikanern und Sowjets inzwischen war. Die Teilung Deutschlands in zwei Staaten war unvermeidlich geworden. Der vollständigen Kapitulation folgte das Ende des alten Traums eines vereinten Deutschlands. Für viele war die »deutsche Katastrophe« (Friedrich Meinecke) damit perfekt. Carl J. Friedrich (1901–1984), oberster Rechtsberater des amerikanischen Militärgouverneurs in Deutschland General Lucius Clay, zeigte sich dage­ gen erstaunlich optimistisch. Im August, zwei Monate nach Beginn der Berlin-Blockade, berichtete er Clay hochzufrieden, seine Mission, die westlichen Besatzungszonen in eine dezentralisierte, demokratische und friedliche Repu­blik umzustrukturieren, nähere sich ihrem erfolgreichen Abschluss. Nachdem er im Auftrag Clays zahllose Treffen deutscher Rechtsexperten, demokratisch gewählter Lokalpolitiker und Angehöriger der amerikanischen Militär­administration geleitet hatte, wirkte er an den Entwürfen für das Grundgesetz und die neuen Landesverfassungen mit. Sie wurden wenig später von den Parlamenten, die die amerikanischen und britischen Machthaber in ihren Besatzungszonen geschaffen hatten, ratifiziert und bildeten für den Rest des 20. Jahrhunderts das rechtliche Fundament des westdeutschen 11

Staates. Friedrich arbeitete auch mit großem Engagement an der Konzeption von Bildungsprogrammen mit, die Deutsche zu demokratischem Denken erziehen sollten. Mit Unterstützung der Rockefeller Foundation und amerikanischer Diplomaten war er an der Gründung der Freien Universität (FU) in West-Berlin beteiligt, erstellte das Konzept für ein neues demokratisches Forschungszentrum in Heidelberg sowie Lehrpläne, die bald von Universitäten in der gesamten Bundesrepublik übernommen wurden. In Friedrichs Augen war die Teilung Deutschlands – in Anbetracht der ermutigenden Aussicht auf eine Demokratisierung der drei Westzonen – keine Tragödie. Friedrich glaubte an eine tiefgreifende Veränderung des Landes. In Deutschland geboren, hatte er die 1930er und 1940er Jahre als emigrierter Wissenschaftler am Department of Government der Harvard University verbracht und dort zahlreiche führende Akademiker, Politiker, Militärs und Stiftungsvertreter kennengelernt. In den von ihm geschaffenen Graduiertenprogrammen, Forschungszentren und Bildungsinstituten – etwa der Harvard School for Overseas Administration (HSOA) – wurden Tausende Studierende auf die für sie vorgesehenen politischen und militärischen Karrieren nach dem Krieg vorbereitet, wenn die USA die globale Führungsrolle übernehmen würden. Friedrich selbst avancierte sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in der Bundesrepublik zu einem namhaften antikommunistischen Intellektuellen. Mit einer Fülle von Schriften, in denen er vor den Gefahren des weltweiten Kommunismus warnte und zu einem festen deutsch-amerikanischen Bündnis aufrief, zog er viele Leser in seinen Bann und gab Intellektuellen und Politikern wie David Riesman, Hannah Arendt und Henry Kissinger wichtige Anregungen. Friedrich schlüpfte in die Rolle eines bedeutenden Intellektuellen nicht nur hinsichtlich der Demokratisierung Westdeutschlands, sondern auch hinsichtlich der internationalen Politik im Kalten Krieg. Vielen Zeitgenossen Friedrichs erschien diese Politik der Demokratisierung Deutschlands und des Antikommunismus als eine unmittelbare Reaktion auf das Grauen des Zweiten Weltkrieges und die furchterregende Bedrohung durch die Sowjetunion. Für Friedrich selbst handelte es sich allerdings genauso um eine Wiederbelebung älterer Gedanken und Netzwerke, die er als junger Politikwissenschaftler in der Weimarer Zeit entwickelt hatte – insbesondere seiner eigenwilligen Theorie der Demokratie und internationalen Kooperation, die mehrere Jahre vor der nationalsozialistischen Machtübernahme entstanden war. Friedrich zufolge sei die Demokratie nicht etwa aus der Aufklärung, sondern aus dem politischen Denken des deutschen Protestantismus im 17. Jahrhundert hervorgegangen. Sie habe somit authentische Wurzeln im eigenen Land, die Deutsche sich zu eigen machen sollten. Durch puritanische Auswanderer seien Protestantismus und Demokratie 12

dann von Deutschland nach Amerika gelangt, sodass die religiösen und politischen Fundamente beider Länder auf ähnlichen Prinzipien beruhten. Um das Überleben der Demokratie in Europa sicherzustellen, seien Deutschland und Amerika daher in der Gegenwart zur Herstellung einer internationalen protestantisch-demokratischen Allianz aufgerufen. Während der gesamten Weimarer Zeit war Friedrich bemüht, mit seinem Engagement für demokratische Lehrpläne und einen deutsch-amerikanischen Bildungs- und Kulturaustausch bei der Schaffung dieses Bündnisses voranzugehen. Dafür gewann er die Unterstützung amerikanischer Stiftungen und Politiker und ebnete so einen Weg, den er zwanzig Jahre später wieder betreten konnte. Neue Ideen hielt Friedrich in der postnazistischen Welt gar nicht für nötig – die demokratischen Theorien, Netzwerke und Institutionen, die er in den 1920er Jahren entwickelt und gegründet hatte, schienen ihm ein hinreichendes Rezept für die deutsche Demokratie und die internationale Stabilität nach dem Zweiten Weltkrieg zu bieten. Mit dieser Verbindung von spezifischen theoretischen Leitbildern aus der Weimarer Ära, einem Eintreten für weitreichende demokratische Reformen und der Arbeit für das politische Establishment Amerikas stand Friedrich nicht allein. Viele emigrierte deutsche Intellektuelle schöpften aus dem Weimarer Ideenfundus, um einen Beitrag zum Wiederaufbau ihres Herkunftslandes und zur US -Hegemonie im Kalten Krieg zu leisten. Zu ihnen zählten der Sozialdemokrat Ernst Fraenkel (1898–1975), der nach dem Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle bei der US -Besatzung und Teilung Koreas spielte und in Westdeutschland einer der wichtigsten Autoren zu Fragen der Demokratie und Arbeiterbewegung wurde; Waldemar Gurian (1902–1954), ein katholischer Publizist, der nach 1945 für die Kultur­programme der Rockefeller Foundation in Deutschland arbeitete, die antikommunistische »Totalitarismustheorie« prägte und sich in den Vereinigten Staaten als einer der namhaftesten Spezialisten für die Sowjetunion etablierte; der liberale Rechtsanwalt Karl Loewenstein (1891–1973), der während des Krieges im Auftrag des US -Justizministeriums unter anderem eine Masseninhaftierungskampagne in Lateinamerika leitete und später zu einem der führenden demokratischen und antikommunistischen Intellektuellen in Deutschland wurde; und Hans Morgenthau (1904–1980), dessen »realistische« Theorie internationaler Beziehungen großen Einfluss auf antikommunistische US -Diplomaten ausübte. Die religiösen, politischen und intellektuellen Hintergründe dieser Emigranten waren ganz unterschiedlich; jeder verfolgte eine eigene weltanschauliche Mission. Auf je eigene Weise und mithilfe verschiedener Institutionen wurden jedoch alle zu maßgeblichen Architekten der Demokratisierung und der antikommunisti13

schen Mobilisierung. Ihre Ideen, politischen Vorschläge und institutionellen Verbindungen gewannen eine zentrale Bedeutung für die atlantische Nachkriegsordnung. Dabei hatten ungewöhnliche Pfade diese Emigranten aus der Weimarer Republik ins Zentrum der amerikanischen Macht geführt. Ihre Biografien sind bemerkenswert und eigentümlich, doch illustrieren ihre Karrieren gleichzeitig, wie im Fall Friedrich, drei wichtige intellektuelle und politische Trends der Nachkriegszeit. Erstens waren alle fünf federführend beim Wiederaufbau Deutschlands: Unterstützt und finanziert von amerikanischen Institutionen verbreiteten sie immer wieder Theorien über die Demokratie und die Gefahren des Kommunismus, beteiligten sich an kulturellen Reformen und Verfassungsentwürfen und konzipierten demokratisch ausgerichtete akademische Lehrpläne und Einrichtungen. In den späten 1950er Jahren waren ihre Auffassungen über die Legitimität demokratischer Institutionen und die Notwendigkeit einer antikommunistischen Mobilisierung zu Grundpfeilern der jungen Bundesrepublik geworden. Sie setzten auf starke staatliche Institutionen und auf den Konsens der demokratischen Kräfte gegen den Kommunismus. Dabei delegitimierten sie andere politische Leitbilder. Anhand der Lebensgeschichten dieser emigrierten Intellektuellen lassen sich die ideologischen Konturen der deutschen Nachkriegsordnung nachzeichnen – dem, wie Tony Judt es bezeichnet hat, »bemerkenswerteste[n] […] Fall politischer Stabilisierung im Nachkriegseuropa«.1 Zweitens zeigen ihre Karrieren, dass die geistigen Ursprünge der Demokratisierung Deutschlands nicht in der Nachkriegsära lagen und der einschneidende Wandel nach 1945 auch nicht nur eine Reaktion auf den Nationalsozialismus war. Das politische Denken der fünf Emigranten beruhte vielmehr auf Erfahrungen aus der kurzlebigen Weimarer Republik, der aus der destruktiven Gewalt des Ersten Weltkrieges hervorgegangenen und 1933 durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendeten ersten deutschen Demokratie. Die Weimarer Zeit war eine Ära großer demokratischer Erwartungen, aber auch ausgeprägter Gewalt und Instabilität. Die politischen und gesellschaftlichen Schwierigkeiten dieser Jahre schlugen sich in leidenschaftlich geführten Debatten über das Wesen demokratischer Politik nieder, an denen sich die späteren Emigranten als junge Männer mit einer Fülle von innovativen Theorien über den Charakter demokratischer Institutionen, das Verhältnis von Demokratie, Sozialstaat und Religion und über notwendige Reaktionen auf antidemokratische Kräfte beteiligten. Mit Nachdruck erklärten sie die Demokratie zur einzigen legitimen Ordnung, die folglich das Recht habe, mit Gewalt gegen ihre Feinde vorzugehen. Jahrzehnte später griffen sie beim Wiederaufbau Deutschlands auf diese Gedanken und Konzepte zurück 14

und brachten ältere Denkmuster, Bildungseinrichtungen und politische Rhetorik zu neuer Geltung. Drittens, und von der Forschung am wenigsten berücksichtigt, geben die Lebensgeschichten von Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau Aufschluss über den Charakter der amerikanischen Macht und Politik im Zweiten Weltkrieg und dem frühen Kalten Krieg. Ihre Lebenswege zeigen exemplarisch, wie der emporstrebende amerikanische Leviathan europäische politische Ideen aufnahm und zu ihrer weltweiten Verbreitung beitrug. Als die globalen Konflikte mit dem Nationalsozialismus, dem japanischen Militarismus und schließlich dem Kommunismus ihren Lauf nahmen, begleiteten deutsche Emigranten amerikanische Militärs, Diplomaten und Privatorganisationen an unvermutete Orte: Sie betätigten sich als politische Berater in Korea, als Juristen in Lateinamerika, als Stiftungsvertreter im Rheinland und als Experten im Washingtoner Außenministerium. Nicht weniger wichtig waren ihre Schriften und Theorien, die dazu beitrugen, die amerikanische Demokratie zu einem Kreuzzug gegen den Kommunismus zu mobilisieren. In einer Flut von Zeitschriften, Büchern und Vorträgen stellten die fünf Emigranten kommunistische Regime als bösartige, gewalttätige und unaufhörlich expandierende Despotien dar und erklärten, wie demokratische Staaten sie bezwingen und zerstören könnten. Trotz aller feierlichen Bekenntnisse zu demokratischen Prinzipien hatte ihr Denken oftmals widersprüchliche, tragische und brutale Folgen – wie im vorliegenden Buch gezeigt werden soll, führte das Demokratieverständnis der Emigranten paradoxerweise häufig zu politischer Unterdrückung. Sie betrachteten die Demokratisierung Deutschlands und den Kampf gegen den weltweiten Kommunismus als voneinander untrennbare Projekte, die sich gegenseitig prägten und antrieben. Indem sie an beiden teilnahmen, schufen sie eine internationale Struktur, in der der Neuaufbau Deutschlands und der heraufziehende Kalte Krieg als zwei bedeutende Transformationen der Nachkriegsära zusammenwirkten. Die in Weimar gelegten intellektuellen Fundamente waren wesentlich für die Architektur der Nachkriegspolitik in Westdeutschland und Amerika und die Allianz beider Staaten im Kalten Krieg. Ursprünglich zur Stärkung der fragilen Weimarer Republik entwickelt, förderten sie sowohl die Hinwendung Deutschlands zur Demokratie als auch die Mobilisierung beider Länder für den Kampf gegen den Kommunismus. Jedes Kapitel in diesem Buch widmet sich einem der fünf Emigranten, die jeweils einem bestimmten Milieu entstammten. Untersucht werden ihre Theorien aus der Weimarer Zeit, ihre Integration in die politischen, intellektuellen und diplomatischen Netzwerke im Amerika der Kriegsjahre und wie sie schließlich dazu beitrugen, Institutionen und Bevölkerungen für das westlich-demokratische Bündnis zu gewinnen. 15

Dabei werden zugleich allgemeine geistige und politische Strömungen in Deutschland und Amerika nach dem Krieg sichtbar gemacht. Zusammengenommen geben ihre Geschichten Einblick in die Ideen und Organisationen, Widersprüche und Erfahrungen, die den Kalten Krieg auf beiden Seiten des Atlantiks prägten. Sie erklären die intellektuellen Ursprünge gigantischer politischer Projekte. Das »Wunder« des deutschen Wiederaufbaus Die zügige und tiefgreifende Verwandlung Deutschlands von einer rassistischen Diktatur in eine liberale Demokratie ist eine der außergewöhnlichsten Entwicklungen der modernen Geschichte. Nachdem die Deutschen noch im Angesicht der Kriegsniederlage erbittert für das Naziregime gekämpft hatten, vollzogen sie eine Kehrtwende und wurden binnen weniger Jahre zu Anhängern der Demokratie. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit entwickelte eine vormals polarisierte und gewalttätige Gesellschaft demokratische Institutionen, Rechtsstaatlichkeit, dynamische demokratische Normen und eine aktive, partizipatorische Öffentlichkeit. Dieser Wandel ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, wie massiv der Nazismus die deutsche Gesellschaft durchdrungen hatte. Hitler und seine Anhänger hatten sich nicht nur – wie jede Diktatur – der staatlichen Institutionen bemächtigt, sondern auch die Lehrpläne der Schulen, kulturelle Einrichtungen, Großunternehmen und Vereine – von Buchgesellschaften bis zu Wandergruppen – unter ihre Aufsicht gebracht und nazifiziert. Aus diesem Grund fasziniert Deutschlands Übergang zur Demokratie Politiker, Theoretiker und Reformer bis heute. Bei den US -Planungen für die Besatzung des Irak im Jahr 2003 zum Beispiel zogen die zuständigen Spezialisten ausgiebig die Literatur über die Besatzung Deutschlands und Japans zurate. In den Augen vieler Beobachter bleibt Deutschlands politischer Neuaufbau nach 1945 eines der größten »Wunder« des 20. Jahrhunderts.2 Wie lässt sich diese Veränderung begreifen? Was erklärt die Geschwindigkeit, mit der Deutsche unterschiedlicher politischer und religiöser Prägungen nicht nur demokratische Institutionen akzeptierten, sondern sich auch die demokratischen Normen der offenen Debatte und des friedlichen Wettstreits als wesentlichen Maßstab für politische Legitimität zu eigen machten? Die vielen Historiker, die diese Fragen zu beantworten versucht haben, nehmen gewöhnlich eine von zwei Perspektiven ein. Die verbreitetste Interpretation weist den Vereinigten Staaten die entscheidende Rolle zu. Zunächst während der Besatzung (1945–1949) und später im Zuge des Kalten Krieges investierte 16

die neue Supermacht massiv in den Wiederaufbau der politischen Institutionen, der Wirtschaft und des Bildungssystems in Deutschland, da sie fieberhaft bemüht war, Europa vor der Gefahr einer sowjetischen Vorherrschaft zu retten. Von 1945 an strömte ein Heer von amerikanischen Bildungsexperten, Gewerkschaftern, Unternehmern und Stiftungsvertretern in das zerstörte Land, um an seiner Neugestaltung mitzuarbeiten. Mehr als ein Jahrzehnt lang und mit immenser finanzieller, logistischer und politischer Unterstützung der US -Regierung schufen sie neue Bildungsprogramme, investierten in die politische Erziehung und versorgten das Land mit prodemokratischen, antisowjetischen Zeitschriften, Büchern und Radiosendungen. Trotz mancher Fehler und Rückschläge hätten, so meinen viele Historiker, die Vereinigten Staaten demnach mit Erfolg ihre eigenen Ideen und Normen durchsetzen können, was zur Folge gehabt habe, dass die Deutschen extremem Nationalismus und Gewalt abgeschworen und stattdessen den friedlichen politischen Wettstreit gutgeheißen hätten.3 Eine zweite Interpretation sieht den Wandel Deutschlands dagegen primär als das Werk der Deutschen selbst. Ungeachtet großer Anstrengungen mussten die Amerikaner demnach rasch zur Kenntnis nehmen, dass sie die kulturellen und geistigen Muster, die den Blick der Deutschen auf die Nachkriegswelt bestimmten, nicht im Alleingang ändern konnten. Wie viele zeitgenössische Beobachter enttäuscht bemerkten, konsumierten die Westdeutschen zwar amerikanische Kulturerzeugnisse, hörten amerikanische Rundfunksender und strömten ins Kino, um amerikanische Filme zu sehen, und doch hätten sie all dies jedoch genauso oft als Ausdruck einer »fremden« Kultur und Werteordnung missbilligt.4 Viele Historiker sind deshalb der Auffassung, dass die Deutschen vor allem aufgrund der damaligen Situation und ihrer Erfahrungen in der Nachkriegszeit zu Anhängern der Demokratie wurden: Die Scham über die Nazi-Verbrechen, die wirtschaftliche Prosperität der 1950er Jahre und das Heranwachsen einer neuen Generation hätten demnach zu einer Wertschätzung friedlichen politischen Wettstreits geführt. Nach diesem Narrativ fanden die Deutschen eigenständig einen Weg zu demokratischen Ideen und Normen.5 Beide Interpretationen sind hilfreich, um Deutschlands grundlegenden Wandel in dieser Zeit zu begreifen – mehrere wichtige Faktoren der Demokratisierung bleiben dabei aber jeweils ausgeblendet. Die Demokratisierung war erstens kein Produkt eines alleinigen Wirkens amerikanischer oder deutscher Akteure, sondern resultierte aus einer anhaltenden Zusammenarbeit, zu der beide Seiten einen wesentlichen Beitrag leisteten. Keine Gruppe verkörperte diese Verbindung besser als die nach dem Krieg zurückkehrenden Emigranten. In der Dekade nach 1945 arbeiteten sie auf amerikanischer Seite 17

für das Militär, diplomatische Institutionen, Hilfsprogramme, akademische Einrichtungen und gemeinnützige Stiftungen; sie gründeten demokratische Forschungszentren in Heidelberg, Berlin und München, wendeten sich mit öffentlichen Kampagnen an die Arbeiterschaft und legten ihre demokratischen Theorien in zahllosen Büchern und Zeitschriften dar. Trotz ihrer Abhängigkeit von Wohlstand und Macht der Vereinigten Staaten waren die Rückkehrer allerdings keine bloßen Übermittler amerikanischer Ideen und Werte, sondern nutzten ihre Position auch zur Verbreitung eigener Vorstellungen. Das vielschichtige Projekt des demokratischen Neuaufbaus war das Produkt einer Symbiose, bei der sich anhaltender amerikanischer Druck und die Bemühungen deutscher Akteure unauflöslich miteinander verbanden. Zweitens unterschätzen viele Historiker, die wirtschaftliche und politische Maßnahmen wie den Marshallplan, die 1948 erfolgte Einführung der D-Mark oder die Verabschiedung des Grundgesetzes im Jahr 1949 in den Vordergrund rücken, wie sehr demokratische Ideen und Theorien das Handeln der Beteiligten prägten. Nicht selten wird sogar behauptet, dass sich die Demokratisierung Deutschlands ohne jegliches geistige Gerüst vollzogen habe. Dieser verbreiteten Vorstellung folgt zum Beispiel Mark Lilla, wenn er von einer »Revolution ohne Ideen« spricht, einer merkwürdigen Wiedergeburt der Demokratie ohne demokratisches Denken.6 Das Nachkriegsdeutschland war jedoch durchaus von lebhaften Debatten und Theorien geprägt. Gerade die Emigranten boten neue Begründungsmuster für demokratische Reformen an und wirkten an der Entwicklung einer neuen politischen Sprache mit. Sie vertraten die Auffassung, dass die Demokratie in religiösen Traditionen Deutschlands Wurzeln habe und machten es sich daher zur Aufgabe, ihre Landsleute davon zu überzeugen, dass die Demokratie kein fremdes, von den siegreichen Alliierten oktroyiertes System, sondern das Produkt einheimischer Ideen sei. Diesem Nachweis kultureller Traditionen, die auf eine natürliche, organische Weise demokratisch seien, diente ihre breit gefächerte, aus Vorträgen, Publikationen und Lehre bestehende Kampagne, die das politische Verhalten der Deutschen tatsächlich veränderte. Denn wie sich belegen lässt, fanden die Ideen der Rückkehrer ein großes Echo: Die Menschen, die ihre Bücher lasen, ihre Vorträge hörten oder die von ihnen mitaufgebauten Institutionen durchliefen, erkannten ihren Einfluss ausdrücklich an. Um das Verhältnis der damaligen Deutschen zur Demokratie zu verstehen, müssen folglich Entwicklung und Implementierung der Ideen und Theorien der Emigranten untersucht werden. Sie stellten ein wichtiges geistiges Arsenal für die demokratische Transformation Deutschlands bereit.7 Drittens schließlich setzen Darstellungen der Demokratisierung Deutschlands gewöhnlich 1945 ein und verschatten dadurch länger wirkende Konti18

nuitäten. Die meisten tendieren zu der Einschätzung, dass es »die Katastrophe« war, »die Deutschland demokratiefähig gemacht hat« (Peter Graf Kielmansegg).8 Doch die für Westdeutschland prägenden politischen Ideen waren kein Produkt der Nachkriegswelt. Im vorliegenden Buch soll gezeigt werden, dass viele geistige Fundamente der Demokratisierung – ihrer Möglichkeiten wie auch ihrer Begrenzungen – aus den intensiven Kontroversen der Weimarer Ära stammten. Wie der Historiker Daniel Rodgers bemerkt hat, bringen Momente der Krise und des Umbruchs selten neue Ideen und politische Ansätze hervor. Wenn Gesellschaften eine radikale Transformation erfahren und alte Hierarchien und Institutionen zusammenbrechen, neigen die Menschen »zur Bewältigung einer völlig unerwarteten Situation eher dazu, auf althergebrachte und instinktive Werte zurückzugreifen«.9 Trotz der gravierenden Folgen des totalen Krieges und der schweren Niederlage Deutschlands waren die an die Stelle des Nationalsozialismus tretenden demokratischen Konzepte nicht einfach eine Reaktion auf das Trauma des Zweiten Weltkrieges, auch wenn sie in der Nachkriegsära mehr Anziehungskraft entfalteten. Bei ihrem Engagement für die Demokratisierung griffen Intellektuelle auf ein geistiges Reservoir zurück, das aus den 1920er und 1930er Jahren stammte, als Deutschland erstmals mit einem demokratischen System experimentiert hatte. Historikerinnen und Historiker haben beträchtliche Energien darauf verwendet, Kontinuitäten vom »Dritten Reich« in die Bundesrepublik aufzudecken, doch waren die älteren und weniger klar erkennbaren Kräfte, die die beiden deutschen Republiken miteinander verbanden, mindestens genauso wichtig für Deutschlands Stabilisierung.10 Ohne die Ideen und Traditionen aus der Weimarer Ära hätten die Deutschen die Demokratie nicht so rasch als ihr eigenes Projekt angenommen. Deutsche Emigranten zählten nicht zufällig zu den wichtigsten Vermittlern der demokratischen Sprache und Theorien aus der Weimarer Zeit. Bis 1945 hatten die Nazis alle konkurrierenden kulturellen und geistigen Traditionen gnadenlos verfolgt oder kooptiert.11 In den sechs Jahren von der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 bis zum Kriegsausbruch 1939 flohen rund 300 000 vom Regime als »undeutsch« oder »jüdisch« definierte Deutsche aus Mitteleuropa oder wurden von dort vertrieben. Auf ihrer Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung nahmen sie jedoch eine demokratische Sprache und institutionelle Konzeptionen mit, die sich so dem Zugriff der Nazis entzogen. Ein Bruchteil der Emigrierten – weniger als 15 000 – kehrte nach 1945 zurück, um am Wiederaufbau Deutschlands teilzunehmen. Diese Zahl mag verschwindend gering erscheinen, doch indem die Rückkehrer ältere Theorien einer deutschen Demokratie als Quelle nationaler Erneuerung ins Feld führten, trugen sie maßgeblich zur Entwicklung geistiger Alternativen 19

zur bankrotten Naziideologie bei. Während über den Beitrag deutscher Exilantinnen und Exilanten zu Kultur, Musik, Journalismus, Medizin und Kunst zahlreiche Studien vorliegen, wird ihre wichtige Rolle beim Wiederaufbau Europas erst seit kurzer Zeit von der Historikerzunft erforscht. Durch ihr Engagement kehrten Ideen aus der Weimarer Ära nach Deutschland zurück, wo sie fortan zu wichtigen Grundpfeilern der politischen Stabilisierung wurden.12 Die Lebensgeschichten deutscher Emigrantinnen und Emigranten verweisen jedoch nicht nur auf bedeutende Kontinuitäten, die die Demokratisierung Deutschlands antrieben, sondern zeigen auch, wie unterschiedliche Bevölkerungsgruppen über die Demokratie dachten. Wie alle Nationen, war Deutschland nie ein homogenes Gebilde, sondern bestand aus verschiedenen Gruppen – Protestanten, Katholiken und Juden, Konservativen, Liberalen und Sozialisten – mit eigenständigen kulturellen, religiösen und politischen Traditionen. Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau hatten einen jeweils verschiedenen politischen und kulturellen Hintergrund. Jeder dieser Hintergründe – man könnte auch von Milieus sprechen – etablierte und fütterte eine demokratische Theorie mit spezifischen Eigenheiten und Ausprägungen. An jedem der fünf Emigranten lassen sich so zugleich allgemeine Verschiebungen nachzeichnen, die Protestanten und Katholiken, Sozialisten und Liberale zu einem bestimmten positiven Verständnis von Demokratie brachten. In ihnen spiegeln sich die intellektuellen Anstrengungen, offenkundigen Leerstellen und irritierenden politischen Versäumnisse, die diese Verschiebungen möglich machten. Zusammengenommen zeigen ihre Lebensgeschichten, dass die Transformation Westdeutschlands nach dem Krieg mehr als nur ein einziges Fundament hatte: Es gab nicht die eine entscheidende Idee, Entwicklung oder Gruppe, die Denken und Politik bestimmt hätte. Vielmehr lässt sich Deutschlands Wiederaufbau am ehesten als ein Zusammenfließen unterschiedlicher individueller und kollektiver Wandlungsprozesse verstehen. Nur durch eine Betrachtung dieser Veränderungen in ihrer Gesamtheit kann Deutschlands Weg zu demokratischen Werten und Normen umfassend nachvollzogen werden. Emigrantinnen und Emigranten hatten nicht nur Anteil an den Veränderungen innerhalb der deutschen Gesellschaft, sondern auch an der internationalen Neuausrichtung des Landes. In den Jahren nach der amerikanischen Besatzung gab die Bundesrepublik das frühere deutsche Streben nach kontinentaler Vorherrschaft auf und wurde zu einem überzeugten Mitglied der westlichen Allianz. Unter dem Banner der »Westintegration« unterstellte die Regierung das deutsche Militär der NATO, schloss ein festes Bündnis mit Amerika und schränkte bereitwillig die eigene Souveränität ein, indem sie der Stationierung amerikanischer Truppen zustimmte – all dies stellte eine 20

Abkehr von den bellizistischen Neigungen dar, die die deutsche Politik jahrzehntelang ausgezeichnet hatten. In den Augen vieler Deutscher, darunter Konrad Adenauer, Bundeskanzler von 1949 bis 1963, erschöpfte sich diese außenpolitische Neuorientierung nicht in wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen oder antisowjetischen Aspekten, sondern war ein wesentliches Element der Demokratisierung. Durch die Beteiligung an einer breiten transnationalen Allianz konnten die Deutschen demnach ein neues nationales Sendungsbewusstsein aufbauen und Demokratie mit internationalem Ansehen und Sicherheit verbinden.13 Da Emigrantinnen und Emigranten im Exil an den amerikanischen Kriegsanstrengungen teilgenommen hatten, kannten sie nicht nur die deutsche Kultur, sondern auch das amerikanische Establishment. Sie agierten als Vermittler zwischen diesen zwei Welten und beförderten den amerikanisch geleiteten Wiederaufbau und die antikommunistischen Anstrengungen in Europa auf eine vertraute, auf nationale Traditionen rekurrierende Weise. Indem sie das Bündnis mit dem Westen aus »natürlichen« Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und anderen Ländern herleiteten, trugen sie zur Zügelung des ausgeprägten deutschen Nationalismus und Imperialismus zugunsten supranationaler Verpflichtungen bei. Ihre einzigartige Position war sowohl den amerikanischen Behörden als auch der Bundesregierung bewusst und beide ermutigten sie zu einer Ausweitung ihres Engagements; staatliche Institutionen und private Programme brachten sie regelmäßig nach Deutschland und gaben ihnen Wirkungsmöglichkeiten in wichtigen Bildungs- und Kultureinrichtungen. Dabei dienten sie oft als eine Art Bindegewebe – als zentrale Akteure, die die Demokratisierung des eigenen Landes mit dem Aufbau der westlichen Allianz verknüpften. Sie bildeten den Kern der deutsch-amerikanischen Symbiose. Die geistigen Fundamente der Nachkriegszeit: Das Unbehagen in der Weimarer Republik Die Revolution, die Deutschland im November 1918 erschütterte, den Ersten Weltkrieg beendete und mit der Weimarer Republik zur Gründung der ersten deutschen Demokratie führte, besaß für Zeitgenossen ganz unterschiedliche Bedeutungen. Für die Arbeiter und Soldaten, die in Berlin, München und ganz Deutschland öffentliche Gebäude stürmten, war sie nach vier elenden Jahren eines sinnlosen Krieges ein Moment der Hoffnung. Die Absetzung des Kaisers und die Gründung einer Republik sollten nach ihrer Überzeugung die Macht des herrschenden preußischen Adels brechen, politische Gleichheit herbei21

führen und den Krieg beenden. Für Konservative und Nationalisten hingegen war die Revolution gleichbedeutend mit dem Untergang Deutschlands. Die Abschaffung der Monarchie und die darauf folgende Kapitulation gegenüber den Alliierten waren für sie das schmachvolle Ende eines jahrzehntelangen Strebens nach Macht und Ruhm auf der Weltbühne. Für deutsche Intellektuelle wiederum warf die Weimarer Republik ebenso viele Fragen auf, wie sie beantworten sollte. Sie zog lebhafte Debatten über Grundfragen demokratischer Politik nach sich, etwa über die Quellen politischer Legitimität und die Rolle von Sozialstaat, Religion und Bildung in einem demokratischen Gemeinwesen. Für Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau waren die Novemberrevolution – einer »der denkwürdigsten, furchtbarsten Tage der deutschen Geschichte«, wie ein Zeitgenosse meinte14 – und die durch sie ausgelösten politischen und intellektuellen Debatten der Motor, der ihre gesellschaftspolitischen Ambitionen antrieb. Die Gründung der ersten deutschen Demokratie erfolgte vollkommen unerwartet. In den Jahren zuvor hatten sich zwar Streiks und Demonstrationen gegen den zunehmend unpopulären Krieg ausgebreitet, mit einer revolutionären Dynamik hatte allerdings niemand gerechnet. Auch wenn der Kaiser, der preußische Adel und das Militär den Offenbarungseid hatten leisten müssen, verlangten nur wenige die vollständige Abschaffung der Monarchie. Als der SPD -Politiker Philipp Scheidemann am 9. November 1918 vom Balkon des Reichstags die deutsche Republik ausrief, tat er dies spontan und ohne Absprache mit der eigenen Partei. Seine Proklamation sollte aufgebrachte Demonstrantinnen und Demonstranten, die die Abdankung des Kaisers forderten, beschwichtigen, doch nachdem die Soldaten- und Arbeiterunruhen rasch ganz Deutschland erfasst hatten, war die Revolution nicht mehr aufzuhalten. Der Kaiser floh mit seiner Familie aus dem Land, Revolutionäre übernahmen den Staat und verkündeten das Ende des Krieges. Binnen eines Jahres erstellte eine Koalition aus Sozialdemokraten, Katholiken und Liberalen die demokratische Weimarer Verfassung, nach der die Macht beim Volk lag. In den vierzehn Jahren ihres Bestehens eröffnete die Weimarer Republik mit der rechtlichen Gleichstellung von Frauen sowie aller Konfessionen und dem Aufbau eines umfassenden Sozialstaats neue demokratische Horizonte; sie untergrub traditionelle Vorstellungen von einer göttlichen Legitimität der Monarchie und des Adels und ermöglichte politisch wirkenden Juden, Sozialisten und Katholiken erstmals die Bekleidung einflussreicher Ämter. Selbst ihre Gegner erkannten an, dass die Republik einen fundamentalen Bruch mit der Vergangenheit darstellte und Deutschland nie mehr zur Monarchie zurückkehren würde. Der November 1918, notierte der Essayist René Schickele, werde »unvergesslich bleiben«.15 22

Die Novemberrevolution eröffnete allerdings auch eine von Elend und Angst geprägte Dekade, die die Nation zu zerreißen drohte. Im Jahr 1919 zwangen die alliierten Sieger Deutschland zur Unterzeichnung des demütigenden Versailler Vertrags, der erhebliche Gebietsverluste, drakonische Reparationszahlungen und die Besatzung von Regionen im Westen des Landes vorsah. Die Last dieses Vertrags war für die junge Republik sehr schwer. Aus Sicht von Millionen Deutschen, die in den Worten Erich Maria Remarques »vom Kriege zerstört wurde[n]  – auch wenn sie seinen Granaten entkam[en]«,16 konnte die Republik diese Hypothek nicht loswerden. Hinzu kamen in den folgenden Jahren wirtschaftliche Katastrophen wie die Hyperinflation, die die Ersparnisse von Millionen Menschen zunichtemachte, sowie wiederholte Putschversuche und Wellen von politischen Attentaten. Die Republik war vom Erstarken revolutionärer Kräfte geplagt, die die Gesellschaft mit Gewalt verändern wollten: Auf der Linken strebte die neue Kommunistische Partei eine bolschewistische Diktatur an, die das Privateigentum und demokratische Institutionen abschaffen sollte; auf der Rechten blühte eine ultranationalistische Ideologie auf, die eine neue »völkische« und »rassische« Ordnung und abermalige imperialistische Expansion versprach. Beide stellten die Legitimität der Republik offen infrage und unternahmen immer wieder gewaltsame Umsturzversuche. In der Weimarer Ära war Deutschland polarisierter, von mehr Gewalt geprägt und unruhiger als jemals zuvor. Mit einer Mischung aus utopischen Visionen und apokalyptischen Ängsten verkörperte Weimar das »Zeitalter der Extreme«.17 Zwar bestand nun erstmals eine Demokratie in Deutschland, doch wie tief das demokratische Denken damals tatsächlich reichte, ist in der Geschichtswissenschaft Gegenstand ausgiebiger Kontroversen geworden. Das Ausmaß von Unmut und Enttäuschung, das die Republik hervorrief, und der geringe Widerstand gegen ihre Zerstörung haben viele dazu veranlasst, den verhängnisvollen Untergang der deutschen Demokratie im Jahr 1933 auch auf das Fehlen einer soliden geistigen Grundlage zurückzuführen. Die traumatische Niederlage im Ersten Weltkrieg und die chronische Instabilität der Republik erschütterten demnach zutiefst den Glauben der Deutschen an den Fortschritt, das friedliche politische Leben und das liberale Selbstvertrauen. Aufgebaut auf nunmehr diskreditierten Überzeugungen, schien die liberale Weltanschauung ausgebrannt; der Zerfall der Monarchie und des traditionellen Machtgefüges setzte laut dieser Deutung intellektuelle Kräfte frei, die zwar Neuerungen auf dem Feld von Ästhetik, Literatur und Philosophie hervorbrachten, nicht aber die geistige Lähmung der deutschen Demokratie zu überwinden vermochten. Deren Sturz im Jahr 1933 war somit, wie ein Historiker formuliert hat, »teilweise durch den Niedergang der […] 23

kulturellen und geistigen Formen« des Liberalismus nach dem Ersten Weltkrieg eingeläutet worden.18 Was diese Interpretation der Weimarer Republik und ihres Zusammenbruchs übersieht, ist das breit gefächerte Spektrum an demokratischen Theorien, Debatten und Projekten, die damals entstanden; anders als im kollektiven Gedächtnis verankert, war Weimar keine »Demokratie ohne Demokraten«. In den 1920er und 1930er Jahren unternahmen Intellektuelle eine ganze Reihe von Anstrengungen, um die fragilen geistigen Grundlagen der Republik zu stärken. Die Protagonisten dieses Buches legten in etlichen Publikationen neue demokratische Theorien und Begrifflichkeiten vor, mit denen sie im Unterschied zu früheren Denkern nicht bloß bescheidene Reformen forderten, die den Kreis der Wahlberechtigten erweitern sollten, sondern eine auf gewählten Amtsträgern beruhende Demokratie zum einzigen politischen System erklärten, das wirklich Legitimität besaß.19 Um ihre Ideen in die Praxis umzusetzen, bauten sie zudem zahlreiche Einrichtungen auf: In Heidelberg, Berlin, Frankfurt am Main und München entstanden Bildungszentren für Studierende und Erwachsene sowie kulturelle Austauschprogramme, die alle die Stabilisierung des Weimarer Staates zum Ziel hatten. Auch wenn diese Bemühungen keinen Eingang in das gesellschaftlich dominierende Denken der 1920er Jahre fanden und vom Gros der Intellektuellen und politischen Theoretiker nicht unterstützt wurden, bildeten sie ein wichtiges Element der damaligen Geisteslandschaft. Eine Darstellung des Weimarer Denkens, die diese demokratischen Vorreiter und ihre Ideen nicht berücksichtigt, bleibt lückenhaft.20 Statt sich in abstrakten Reflexionen zu erschöpfen, sollten diese Anstrengungen zur Stärkung der Republik Antworten auf konkrete und überaus dringliche politische Fragen bieten. Jeder der fünf hier vorgestellten Intellektuellen setzte sich als junger Mann mit einem der zentralen Probleme auseinander, die Deutschlands Übergang zur Demokratie aufwarf. Wie zum Beispiel konnte Weimar eine demokratische Führungsschicht hervorbringen, nachdem die wirtschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Eliten so lange die Monarchie unterstützt hatten? Welche Beziehung bestand zwischen ökonomischen Strukturen und politischen Rechten, und war die Demokratie zu einer egalitären Umverteilung des Reichtums verpflichtet? Welche Rolle sollte die Religion in der neuen Demokratie spielen; stärkte oder schwächte die Trennung von Staat und Kirche Deutschland? Wie sollte die junge Republik mit Kräften wie den Kommunisten und den extremen Nationalisten umgehen, die ihren Umsturz forderten? Und wie sollte sie ihr Verhältnis zu anderen Ländern gestalten  – durch Kooperation oder imperiale Konkurrenz? Jede dieser Fragen löste unter Intellektuellen und Politikern heftige Debatten aus. 24

Auf ihrer Suche nach konkreten Antworten trafen prodemokratische Denker neuralgische Punkte in der politischen Kultur Deutschlands. Auch wenn sich Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau auf ein jeweils anderes Dilemma demokratischer Politik konzentrierten, da sich ihre Fragestellungen aus unterschiedlichen politischen, religiösen und geistigen Prägungen ergaben, teilten sie letztlich eine grundlegende Überzeugung: Die Demokratie war Deutschland, anders als Nationalisten behaupteten, weder von ausländischen Mächten aufgezwungen worden noch ein Ergebnis seiner Schwäche und Demütigung. Wie sie geradezu fieberhaft nachzuweisen versuchten, gingen Gewaltenteilung, Wahlen und die Partizipation unterschiedlicher Gruppen an einem friedlichen politischen Wettstreit vielmehr auf die Geistesgeschichte und Traditionen des eigenen Landes zurück. Auch die Behauptung, dass die Demokratie eine Spaltung der Nation bewirke, wiesen die jungen Verteidiger der Republik zurück. Das Ziel von Politik sahen sie nicht in nationaler Einheit und Homogenität, sondern in einem dynamischen Wettbewerb zwischen Parteien und Vereinen. Durch ihren pluralistischen Rahmen erlaubte die Demokratie ein gedeihliches Zusammenleben vielfältiger Gruppen; sie gab Bürgern die Möglichkeit zu kollektiver Interessenvertretung, gemeinsamem politischen Handeln und der Bildung von Koalitionen. Während solche Gedanken im 21. Jahrhundert selbstverständlich erscheinen mögen, waren sie in der Geisteslandschaft der Weimarer Republik geradezu bahnbrechend. Sie begründeten ein neues Politikverständnis und stellten ein geistiges Arsenal bereit, das deutschen Leserinnen und Lesern bislang unbekannt war. Was dieses Plädoyer für freien politischen Wettstreit allerdings deutlich einschränkte, war ein ausgeprägter Antikommunismus. Schon lange vor dem Kalten Krieg war die deutsche Gesellschaft über Klassen, Regionen und politische Lager hinweg von der Furcht vor kommunistischer Herrschaft durchdrungen. Der Schock der bolschewistischen Oktoberrevolution von 1917, gefolgt von der Gründung militanter kommunistischer Parteien in ganz Europa, ließ die Angst umgehen, die Kommunisten könnten bald die Macht übernehmen, das Privateigentum abschaffen, traditionelle gesellschaftliche Hierarchien zerstören und mit Gewalt die Religion unterdrücken. Die fünf Hauptfiguren dieser Studie betrachteten den Kommunismus als eine besonders große Gefahr, da er ausdrücklich auf die Zerstörung ihrer demokratischen Visionen zielte: Wahlen und Gewaltenteilung wurden von deutschen Kommunisten in den 1920er Jahren als eine bloße Verschleierung der bürgerlichen Klassenherrschaft offen abgelehnt. Somit war die Demokratie permanent durch Kräfte im In- und Ausland bedroht und der Fortbestand ihrer Institutionen erforderte eine ständige Mobilisierung und neuartige 25

Verteidigungsmechanismen gegen die drohende kommunistische Aggression und Unterwanderung. Antikommunismus und Demokratie waren für diese Generation aufs Engste miteinander verknüpft; ihre dezidierte Ablehnung des Kommunismus bildete für sie einen elementaren Teil des umfassenden demokratischen Projektes.21 Die hier vorgestellten Intellektuellen waren auch noch Jahrzehnte nach dem Untergang der Weimarer Republik von diesen Gedanken und Erfahrungen geprägt. Ihre zentrale Rolle bei der Demokratisierung Deutschlands nach 1945 nötigt daher zu einer Neubetrachtung des Weimarer Erbes in seinen emanzipativen wie beschränkenden Momenten. Wie Wissenschaftler häufig bemerkt haben, diente die erste deutsche Demokratie bei den Bemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg, nationale Geistestraditionen und eine demokratische Politik wiederzubeleben, als ein negatives Beispiel. Verfolgt von der Erinnerung an ihren Zusammenbruch, entwickelten Intellektuelle, Journalisten und Politiker einen »Weimar-Komplex« oder ein »Weimar-Syndrom«: das beinahe zwanghafte Bedürfnis, aktuelle Ziele und Maßnahmen mit den 1920er Jahren zu vergleichen. Das geflügelte Wort »Bonn ist nicht Weimar« tauchte in den 1950er Jahren nicht nur in Büchern und Aufsätzen, sondern auch als politischer Slogan und in Wahlkämpfen auf.22 Doch die Weimarer Republik hielt auch positive Modelle, Theorien und Begriffe bereit; viele Architekten der Nachkriegsdemokratie betrachteten sie trotz ihrer Schwächen als ein zwar unvollendetes, aber bewundernswertes Projekt, wenngleich sie sie aufgrund ihres zweifelhaften Rufs nur selten als Quelle des eigenen demokratischen Denkens anführten und stattdessen alte Ideen als neu und unverbraucht präsentierten. Die Weimarer Republik stellte nicht nur eine geschichtliche Mahnung dar. Als ein Treibhaus demokratischer Theorien hatte sie Modelle hervorgebracht, die das Denken nach dem Krieg nachhaltig prägten. Bei der Rückkehr nach Deutschland hielten die fünf Emigranten auch an ihrer traditionell engen Verknüpfung von Demokratie und Antikommunismus fest. Sie erklärt nicht nur die großen Hoffnungen, die in die Möglichkeiten der Demokratie gesetzt wurden, sondern auch die Beschränkungen und Widersprüche des Wiederaufbaus. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Teilung Europas entlang ideologischer Linien führte die Weimarer Generation ein ausgesprochen militantes und dichotomes Verständnis demokratischer Politik in die Nachkriegsära ein: Man war entweder ein Freund oder ein Todfeind der Demokratie. Von Angst getrieben, delegitimierte und unterdrückte diese Generation Ideen, die den eigenen zuwiderliefen. Wer Zweifel an der Kommunistenverfolgung in der Bundesrepublik oder an der Westbindung im Kalten Krieg hatte, galt als Antidemokrat, dem das Recht auf politische Partizipation zu entziehen war. Durch diese unnachgiebige Strenge 26

wirkten demokratische Gedanken aus der Weimarer Ära zugleich erweiternd und einschränkend auf den politischen Horizont nach 1945; sie minderte ihren befreienden Charakter merklich. Eine eigentümliche Ironie der Nachkriegskultur bestand darin, dass die Verfechter eines solchen Demokratieverständnisses kaum bemerkten, wie ihr antikommunistischer Eifer Elemente des nationalsozialistischen Denkens konservierte, schließlich war der hasserfüllte Antikommunismus ein wesentliches ideologisches Fundament des Nazismus, das ihm viel Legitimation und Zuspruch eingebracht hatte. Sogar sein aggressiver Antisemitismus speiste sich teilweise aus der verqueren Überzeugung, in den Juden die gerissene Vorhut einer »jüdisch-bolschewistischen Weltrevolution« vor sich zu haben. Zwar entstammten die antikommunistischen Phobien der fünf Emigranten gänzlich anderen Weltanschauungen; sie waren älter als das »Dritte Reich« und hatten mit dessen Rassismus nichts gemein. Die Bemühungen, den vehementen deutschen Antikommunismus für die Demokratie in Dienst zu nehmen, trugen jedoch zum Fortbestehen einer nationalsozialistischen Zwangsvorstellung bei. Weimarer Ideen waren somit nicht nur die Grundlage für radikale demokratische Veränderungen, sondern schränkten die Nachkriegsdemokratie durch ihren Antikommunismus zugleich ein. Die demokratische Revolution, zu der die Emigranten beitrugen, war gewissermaßen bittersüß: heroisch und tragisch zugleich.23 Die Emigranten und der amerikanische Kalte Krieg: Wissen und Macht Die Biografien der fünf Emigranten bieten jedoch nicht nur Aufschluss über die deutsche Geschichte. Indem das vorliegende Buch ihren Einfluss auf die Geisteslandschaft, Diplomatie und Institutionen der Vereinigten Staaten nachzeichnet, gelangt es zu der These, dass Weimarer Traditionen auch deren ehrgeiziges Streben nach globaler Hegemonie im frühen Kalten Krieg mitprägten: Bestimmte Begriffe, Denkmuster und institutionelle Strukturen, die die amerikanische Innen- wie Außenpolitik in dieser Periode unterfütterten, waren europäischen Ursprungs. Der Kalte Krieg entfesselte nicht nur eine beispiellose militärische Aufrüstung. Für ihr Bemühen, ganze Nationen für eine antikommunistische Allianz zu gewinnen, nahmen die politischen Verantwortlichen in den Vereinigten Staaten auch Akademiker, Stiftungs- und Wirtschaftsvertreter sowie Kulturschaffende in Dienst. Es gab kaum einen gesellschaftlichen Bereich, der von diesem breit angelegten Einsatz amerikanischer Ressourcen unberührt 27

blieb  – als die Vereinigten Staaten durch internationale Kampagnen einen »totalen Kalten Krieg« führten, wie ein Wissenschaftler treffend formulierte, veränderten sie auch Normen und Institutionen.24 Ein zentraler Schauplatz dieses gigantischen Feldzugs wurde Deutschland. Die Feindseligkeit aus der Zeit des Krieges und der Besatzung zu überwinden und Deutschlands enorme industrielle Kapazitäten sowie seine große Bevölkerung für sich zu gewinnen, war für amerikanische Politiker der Schlüssel zu Sicherheit und Erfolg in Europa und weltweit. Deutschland galt als eines der Länder, in denen sich entscheiden würde, ob die Vereinigten Staaten zur weltweiten Führungsmacht aufsteigen und das 20. Jahrhundert zum »amerikanischen Jahrhundert« (Henry Luce) machen konnten.25 Diese gewaltige Anstrengung veränderte das Verhältnis von Geist und Macht, Intellektuellen und Politik einschneidend. Viele Amerikanerinnen und Amerikaner sahen den Kalten Krieg als einen Zusammenstoß von Ideen und Ideologien, in dem die effektivsten Allianzen der »freien Welt« auf der weltanschaulichen Erziehung und der Zustimmung ganzer Bevölkerungen beruhen würden. Die Vereinigten Staaten führten deshalb eine beispiellose »kulturelle Offensive« durch, die sich auf Kunstgalerien, Kinos, Publizistik und Universitäten erstreckte. Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler gründeten internationale Organisationen und reisten durch die Welt, um ihre Ideen, ihre Werke und ihr Prestige in den Dienst einer »totalen Diplomatie« zu stellen.26 Ebenso wichtig waren die neuen Betätigungsfelder in der internationalen Politik, die der Kalte Krieg den Intellektuellen eröffnete. Der dringende Bedarf amerikanischer Entscheidungsträger an Kenntnissen und Analysen ausländischer Kulturen führte dazu, dass sie Historiker, Literaturwissenschaftler und Politologen zu Rate zogen. Umgekehrt richteten Wissenschaftler ihre Forschung, Lehre und Publizistik an den Bedürfnissen des amerikanischen Staates aus. In den frühen Jahren des Kalten Krieges verschwamm die Grenze zwischen Wissenschaft und Staatsapparaten, da Ideen und Personen nun viel häufiger als zuvor von der einen in die andere Sphäre gelangten. Mehr als jede frühere oder spätere Periode war dies eine Ära, in der Intellektuelle Machtpositionen einnahmen.27 Deutsche Emigranten zählten zu den Gruppen, die von dieser Entwicklung unmittelbar profitierten, da der Kalte Krieg sie in die Zentren der amerikanischen Macht katapultierte. Sie begriffen schnell, welche Chancen ihnen die Besatzung Deutschlands, das deutsch-amerikanische Bündnis und der Kalte Krieg boten, denn staatliche wie private Organisationen zeigten nun starkes Interesse an ihrer Mitarbeit. In den 1940er und 1950er Jahren verwandelten sich die fünf Protagonisten dieses Buches von mittellosen, entwurzelten und gesellschaftlich marginalisierten Flüchtlingen in Angehörige der diplomatischen, 28

akademischen und kulturellen Elite Amerikas. Sie dienten als führende Rechtsexperten bei der Besatzung Deutschlands und Koreas, berieten das Außenund das Justizministerium, begründeten Regionalstudien an ­US -Universitäten und erhielten hohe Posten in den wichtigsten Stiftungen des Landes wie der Rockefeller Foundation; ihre Schriften, Memoranden und Berichte machten unter amerikanischen Diplomaten und Politikern die Runde. Während andere Minderheiten sowie generell Frauen in Amerika weiterhin unter starker Diskriminierung litten, hatten deutsche Emigranten beachtliche Aufstiegsmöglichkeiten und wurden häufig rasch in die Führungsschicht befördert. Einige Historiker haben diesen Prozess zwar bereits erkannt und untersucht, allerdings vor allem anhand des Office of Strategic Services (OSS) im Zweiten Weltkrieg, das die Empfehlungen seiner deutschen Mitarbeiter weitgehend ignorierte. Die wichtigsten Wirkungsfelder eröffneten sich deutschen Emigranten erst mit dem Kalten Krieg, der ihnen ungekannten Einfluss verschaffte.28 Dass amerikanische Diplomaten und Intellektuelle ein so starkes Interesse an ihnen zeigten, war neben ihrem Antikommunismus hauptsächlich drei Faktoren geschuldet, an denen sich zugleich allgemeine Transformationen im Zuge des Kalten Krieges verdeutlichen lassen. Der erste bestand, wie verschiedentlich bemerkt worden ist, schlicht in der Herkunft der Emigranten. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mangelte es dem amerikanischen Staat an der erforderlichen systematischen Expertise für eine internationale Bündnispolitik und antikommunistische Diplomatie im großen Maßstab; im Unterschied zu europäischen Imperien, die ihre kolonialen Besitzungen jahrzehntelang wie besessen erforscht, kartografiert und analysiert hatten, verfügte er noch nicht über einen global ausgerichteten Wissensapparat. Das machte deutsche Emigranten ungemein wertvoll: Sie beherrschten Fremdsprachen, kannten sich in der europäischen Geschichte und Politik aus und konnten ausländische Kulturen übersetzen, analysieren und erklären; sie hatten selbst nationale Grenzen überschritten und waren begeisterte Anhänger der internationalen Kooperation. Für Amerikaner, die eine globale Hegemonie anstrebten, waren ihre Mitarbeit und Ratschläge unverzichtbar.29 Der zweite Grund für die Anziehungskraft, die deutsche Emigranten auf die Strategen des Kalten Krieges ausübten, lag in einer dramatischen Expansion des Staates. Der Kalte Krieg zementierte eine Stärkung der staatlichen Macht, die mit dem New Deal eingesetzt hatte und im Zweiten Weltkrieg weiter vorangeschritten war. In einem historisch beispiellosen Ausmaß griff die US -Regierung in die Wirtschaft ein, baute das Militär aus und mobilisierte Ressourcen und Menschen. Wesentlich für diese Entwicklung im Kalten Krieg war eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und privaten Organisationen. Zahllose Stiftungen, akademische Einrichtungen und Ver29

bände identifizierten sich mit den Interessen des Staates und kooperierten bereitwillig mit der Regierung bei der Verfolgung von Kommunisten und dem Aufbau internationaler Bündnisse. Für eine solche freiwillige Mobilmachung boten die fünf Weimarer Emigranten sowohl theoretische Begründungen wie auch praktische Vorschläge. Seit ihren jungen Jahren in Deutschland betrachteten sie den demokratischen Staat als das natürliche Vehikel für kollektiven Fortschritt – und Einrichtungen wie Universitäten, Gewerkschaften oder Stiftungen nicht etwa als unabhängige Körperschaften, sondern als seine Organe. Unabhängig davon, ob sie direkt für staatliche Institutionen wie das Außenministerium arbeiteten oder die Regierungspolitik aus Stiftungen und Universitäten heraus stützten, förderten sie die Ausweitung der staatlichen Macht im frühen Kalten Krieg. Historikerinnen und Historiker berücksichtigen neuerdings viel stärker, dass nicht staatliche Akteure eine wichtige Rolle in internationalen Beziehungen spielen. Die Karrieren der fünf deutschen Emigranten zeigen allerdings, dass dies keine Schwächung des Staates bedeuten muss. Im Gegenteil: Indem er neue Akteure für seine eigenen Bedürfnisse und Ziele kooptierte, wurde er noch mächtiger.30 Drittens schließlich verdankte sich der immense Einfluss der Emigranten der Tatsache, dass die Demokratie um die Mitte des 20. Jahrhunderts Gegenstand ausgiebiger Reflexionen war. In den 1930er Jahren hatte die Weltwirtschaftskrise sie einer historisch beispiellosen Gefahr ausgesetzt. Angesichts des massenhaften Elends und sozialen Aufruhrs im Gefolge der wirtschaftlichen Katastrophe schien es ungewiss, ob Parlamentarismus und Gewaltenteilung das Versagen des Kapitalismus überleben würden, zumal antidemokratische Regime wie der italienische Faschismus, der Nationalsozialismus und der Sowjetkommunismus mit ihrer wachsenden Macht und Wirtschaftsstärke auf eine Unterlegenheit von Demokratie und liberalem Kapitalismus hinzudeuten schienen. Der Politikwissenschaftler Pendleton Herring sprach stellvertretend für viele, als er 1940 beunruhigt fragte: »Kann unsere Regierung die Herausforderung des Totalitarismus bewältigen und demokratisch bleiben?«31 Auf den Schock der sogenannten Großen Depression folgten wenig später die ebenfalls historisch beispiellose Mobilmachung für den Zweiten Weltkrieg und die Gefahr eines permanenten Konflikts mit der Sowjetunion. Diese Entwicklungen, die von der Zivilbevölkerung unablässig Opfer verlangten, einen ständigen Kampf mit »subversiven« Feinden nach sich zogen und die Macht und Zuständigkeit des amerikanischen Staates dramatisch ausweiteten, wurden von vielen Amerikanern mit großen Ängsten verfolgt. Insbesondere befürchteten sie, dass sich demokratische Institutionen angesichts der existenziellen Bedrohung im Kalten Krieg in einen auf permanente 30

Mobilmachung und Militarisierung geeichten »Garnisonsstaat« verwandeln könnten, der eben jene demokratischen und freiheitlichen Werte Amerikas, die zu schützen er behauptete, zerstören würde. Diese Sorge um die Zerbrechlichkeit der Demokratie rief substanzielle Debatten darüber hervor, durch welche Mechanismen man ihren Fortbestand sicherstellen könnte  – viele US -Politiker, Wissenschaftler und Intellektuelle suchten nach neuen Ideen und Institutionen, die die amerikanische Demokratie verbessern und schützen sollten. Was eine stabile demokratische Ordnung ausmachte, war somit Gegenstand einer offenen Debatte.32 In diesem Klima der Verunsicherung konnten Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau geistige Abhilfe leisten. Aus Weimar brachten sie umfassende Theorien über die Demokratie und ihre Feinde, Modelle für demokratische Bildungsinstitutionen und ihre persönlichen Erfahrungen mit der Zerstörung einer Demokratie mit. Viele Amerikaner fanden dies hilfreich für ihr eigenes Bemühen um eine Stärkung der Demokratie, für deren Erneuerung sie in den Schriften und Narrativen der Emigranten Anregungen entdeckten. In den 1930er und frühen 1940er Jahren befassten sich die fünf Emigranten vor allem mit Entwicklungen in Amerika, wo insbesondere Friedrich an einer Umstrukturierung der staatlichen Verwaltung und des Bildungssystems in Reaktion auf die Große Depression mitwirkte. Starken Einfluss gewannen ihre Ideen aber erst mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, den Wiederaufbauprogrammen in Europa und Asien und dem beginnenden Kalten Krieg. Alle ihre Schriften waren dem Nachweis verpflichtet, dass Demokratie und antikommunistische Mobilisierung keinen Gegensatz bildeten, sondern sich in Wirklichkeit ergänzten. Amerikanische Politiker und Diplomaten suchten bei innen- wie außenpolitischen Fragen ihren Rat und gestanden ihnen beträchtliche Autorität zu. Das Zusammenwirken demokratischer Theorien aus der Weimarer Zeit und der US -Diplomatie wirft somit Licht auf die Bedeutung von Demokratie in dieser frühen Phase des Kalten Krieges. Viele Historikerinnen und Historiker sind der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten damals kein besonderes Interesse an Demokratie hatten – weder im In- noch im Ausland. Vielmehr seien amerikanische Politiker zu der Überzeugung gelangt, dass die Demokratie ein Einfallstor für subversive Kräfte sei, die, einmal an die Macht gelangt, die westlichen Allianzen auflösen und sich sogar gegen die Vereinigten Staaten selbst wenden könnten. Im Namen antikommunistischer Sicherheitspolitik hätten sie eine Einschränkung demokratischer Freiheiten und die Unterstützung autoritärer und despotischer Führer daher für legitim erachtet.33 Das ausgeprägte Interesse an deutschen Emigranten und ihren Theorien belegt dagegen, dass amerikanische Diplomaten, Wissenschaftler und Poli31

tiker der Demokratie oftmals eine entscheidende Rolle für ihren Kreuzzug gegen den Kommunismus beimaßen. Ihnen schien für eine effektive antikommunistische Mobilisierung die Zustimmung starker und dynamischer Gesellschaften nötig, die sich allein durch die Zwangsmittel von Diktaturen nicht herstellen ließ. Sicherlich war es keine Mildtätigkeit, wenn sie das eigene Verständnis demokratischer Normen offensiv durchzusetzen versuchten  – die Demokratiekonzeptionen der US -Führung mündeten nur selten in den Versuch, egalitäre Gesellschaften aufzubauen oder der »einfachen« Bevölkerung mehr Einflussmöglichkeiten zu geben. Gestützt auf die dichotomen Vorstellungen der Emigranten waren sie starr, auf Stabilität fixiert und auf tragische Weise paranoid. Wie die Architekten des deutschen Wiederaufbaus waren viele Amerikaner davon überzeugt, dass Kritiker ihres militanten Demokratieverständnisses nur durchtriebene Kommunisten sein konnten. Sie hatten keine Bedenken, deren Rechte im In- wie Ausland auch unter Einsatz brutaler Gewalt vorbeugend einzuschränken. Dieses überspannte Verhalten und damit verbunden die Definition amerikanischer Interessen lassen sich aber nicht vollständig begreifen, ohne die durchaus aufrichtig geführten Demokratiedebatten und ihre Grenzen und Versäumnisse zu berücksichtigen. Gerade weil sie solche beunruhigenden Maßnahmen nach sich zogen und eine prägende Kraft in der Politik blieben, gilt es, diese Kontroversen umfassend zu verstehen.34 Die Einbindung der deutschen Emigranten veränderte auch den Machtapparat der Vereinigten Staaten. Unter der amerikanischen Prämisse weltweiter Machtexpansion nutzten sie ihre Positionen zugleich zur Förderung und Implementierung eigener Agenden – und griffen, als sie eine Sprache und Ideen für Amerikas globale Mission entwickelten, auf ihre früheren Schriften zurück. Die antisowjetische »Totalitarismustheorie«, die Theorie der »wehrhaften Demokratie« und andere wichtige Konzeptionen, die Amerikaner im Kalten Krieg übernahmen, waren etliche Jahre vor dessen Beginn von Deutschen ausgeprägt worden. Die Symbiose von deutschem Denken und amerikanischer Macht bestimmte nicht nur den Wiederaufbau Deutschlands, sondern zeigte sich auch auf der anderen Seite des Atlantiks, wo sie amerikanische Institutionen, Diskurse und Selbstbilder beeinflusste.35 Durch dieses wechselseitige Einwirken ergibt sich ein differenzierteres Bild der US -Politik in dieser Zeit: Sie beruhte sowohl auf der Entfaltung der eigenen Macht als auch auf der Rezeption und Erneuerung europäischer Ideen und Traditionen. Auch wenn das amerikanische Denken und Handeln fraglos stark von der Angst vor dem Kommunismus geprägt war, stellte der Kalte Krieg mehr als nur einen antikommunistischen Kreuzzug dar. Die jüngere Forschung hat die vielfältigen ideologischen Triebkräfte der damaligen 32

US -Politik aufgezeigt und sie als Fortsetzung und Erweiterung amerikanischer Traditionen gedeutet, so beispielsweise der Konsumkultur, bestimmter Vorstellungen von »Zivilisation«, religiöser Weltanschauungen oder des Glaubens an eine »fortschrittliche Entwicklung«.36 Doch auch geistige und politische Traditionen Deutschlands hatten einen Anteil an der Herausbildung der US -Hegemonie. Die Schriften und das praktische Wirken Weimarer Emigranten stellten einen wichtigen Kanal zur Verfügung, durch den die Auseinandersetzung der Vereinigten Staaten mit der Welt in die Vereinigten Staaten selbst zurückkehrte. Ihre Geschichte zeigt, dass der Kalte Krieg nicht bloß ein Zusammenstoß zweier Pole war, die die Welt in ihre Magnetfelder zogen, sondern Raum für die Erneuerung und Fortsetzung europäischer Geistestraditionen bot, sodass auch Akteure ohne amerikanische Herkunft die Welt mitgestalten konnten. Das »amerikanische Jahrhundert« verdankt seinen Namen somit außeramerikanischen Impulsen und ihrem Einfluss auf die weltanschaulichen und institutionellen Konturen der amerikanischen Weltmacht nach 1945. Die Lebensgeschichten deutscher Emigranten erfassen keineswegs alle oder auch nur die wichtigsten Kräfte, die dabei am Werk waren, tragen aber zu einem besseren Verständnis der Rolle von internationalen Erfahrungen, Staat und Demokratie bei. Sie zeigen, wie der Kalte Krieg Nicht-Amerikanern, die ihre eigenen Pläne und Ziele hatten, unverhoffte Chancen bot. Mit der Hilfe amerikanischer Institutionen konnten sie intellektuelle Projekte verfolgen, die älter waren als der Kalte Krieg und unabhängig von Amerikas geopolitischen Erwägungen existierten. Deutsche Emigranten standen dabei immer im Dienst von US -Institutionen, ihr Einfluss im In- und Ausland hing von der Zustimmung ihrer amerikanischen Vorgesetzten ab. Indem sie jedoch eigenständig Ideen in den Kalten Krieg einbrachten, machten sie »das amerikanische Jahrhundert« zu ihrem eigenen. Kurzum: Sie machten aus amerikanischen Erfahrungen zugleich Weimarer Erfahrungen respektive »das Weimarer Jahrhundert«.

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Kapitel 1

Auf der Suche nach »verantwortungs­ bewussten Eliten«: Carl J. Friedrich und die Reform der Universitäten

Als die US -Besatzungstruppen 1945 in Deutschland eintrafen, standen sie vor der überwältigend großen Aufgabe, das Geistesleben und die Kultur des Landes von Grund auf zu erneuern. Nach zwölf Jahren Nazidiktatur benötigten die Deutschen nach amerikanischer Überzeugung nicht nur neue politische Institutionen, sondern auch neue Werte und Normen, damit sie nicht abermals auf Gewalt und Krieg zurückgreifen würden. Der Nationalsozialismus hatte sämtliche Bereiche der deutschen Gesellschaft durchdrungen. Seine rassistische und militaristische Weltanschauung prägte Bücher, Filme, Kunst und alle wichtigen kulturellen Einrichtungen. Nirgends zeigte sich dies deutlicher als an den Universitäten. Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hatte Deutschland das größte und angesehenste Universitätssystem in Europa aufgebaut; seine Wissenschaftler, politischen Denker und Gelehrten wurden weltweit bewundert. 1945 jedoch waren die deutschen Universitäten diskreditiert – zu sehr hatten sie sich mit dem »Dritten Reich« identifiziert. Die renommiertesten geistigen Zentren des Landes hatten ihren gewaltigen Forschungs-, Publikations- und Lehrapparat in den Dienst der Rassenideologie der Nazis, von Krieg und Völkermord gestellt. Bei ihrer Mission, die deutsche Kultur neu zu gestalten, drängte es amerikanische Diplomaten, Bildungsexperten und Stiftungsvertreter folglich auf die Campusse von Heidelberg, München, Göttingen und anderen Universitäten. Sie brachten eine Vielzahl von demokratisch orientierten Lehrplänen, Forschungsprojekten und internationalen Austauschprogrammen für Studenten mit. Den US -Besatzungsbehörden ging es also um zweierlei: die Entnazifizierung der Universitäten und die Demokratisierung Deutschlands insgesamt. Wie aber ließ sich ein stabiles demokratisches System schaffen, das nicht erneut radikalen Massenbewegungen oder charismatischen Diktatoren zum Opfer fallen würde? In ihren Augen lag die Lösung in der Ausbildung neuer demokratischer Eliten, die über das breite Wissen, die Fähigkeiten und die Visionen verfügten, die eine Verwaltung der Demokratie im Interesse der Bevölkerung erforderte. Die Universitäten waren demnach der Schlüssel für die 35

Schaffung einer Schicht demokratischer Funktionsträger, die Deutschlands Zukunft gestalten und einen Rückfall in aggressiven Militarismus verhindern würde. Nach dieser elitären Demokratiekonzeption mussten zügig Tausende von Lehrern, Verwaltungsbeamten, Ärzten und Anwälten ausgebildet und in den Werten und Normen einer friedfertigen Politik unterwiesen werden, die wiederum in die übrige Bevölkerung durchsickern und so den demokratischen Konsens fördern sollten. Der Ökonom Joseph Willits von der Rockefeller Foundation formulierte es mit den Worten: »Deutsche Universitäten […], [die] begabte Individuen für eine aktive Führung der Gesellschaft ausbilden, werden – zum Guten oder zum Schlechten – die Verhältnisse und die Führungspersönlichkeiten der deutschen Gesellschaft prägen, wie auch immer sie aussehen wird.«1 Anders als vielfach behauptet, war die Bildungsrevolution unter der US Besatzung allerdings nicht nur eine amerikanische Reaktion auf den Krieg.2 Bei der umfassenden Neuorganisation der deutschen Universitäten wurde durchaus an intellektuelle Programme, Bildungseinrichtungen und internationale Netzwerke aus den 1920er Jahren angeknüpft. Am deutlichsten verkörperte Carl  J.  Friedrich diese Kontinuität. Als junger Intellektueller hatte Friedrich in Heidelberg eine höchst eigenwillige prodemokratische Theorie über Religion und Politik entwickelt. Im Zuge seiner Bemühungen, Protestanten für die Weimarer Republik zu gewinnen, behauptete er, dass die Ursprünge der Demokratie im deutschen Protestantismus und namentlich dem Calvinismus lagen und Deutschland ein demokratisches Bündnis mit anderen protestantisch geprägten Republiken, insbesondere mit den Vereinigten Staaten, eingehen müsse. Gemäß Friedrichs Narrativ beruhte Demokratie nicht auf individuellen Rechten und Liberalismus, sondern auf der friedlichen Zusammenarbeit christlicher Gemeinschaften. Sie stütze sich wie das calvinistische Konzept des »Bundes« – eines freiwilligen Zusammenschlusses von Menschen – auf das Einverständnis der Beteiligten. Allerdings könne sich das Volk nicht selbst vertreten: Demokratie sei daher auf »verantwortungsbewusste« Eliten angewiesen, die ihre politischen Gemeinschaften führen und repräsentieren sollten. Da »gewöhnliche« Menschen laut Friedrich leicht der Anziehungskraft von Massenbewegungen oder charismatischen Führern erlagen, die den Bund zerstören wollten, sollten kultivierte und gut ausgebildete Führungspersönlichkeiten zugunsten der allgemeinen Interessen der Gesellschaft jeder extremistischen Politik die Stirn bieten. Demokratie sei somit das Werk von Eliten, die die Freiheit vor ihren unverantwortlichen, plebejischen Feinden schützten. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatte Friedrich den Universitäten maßgebliche Bedeutung für die Stabilität der Demokratie beigemessen: Zur Festi36

gung der Weimarer Republik sollten sie die unverzichtbare verantwortungsbewusste Elite ausbilden. In den 1920er Jahren war dies ein außergewöhnlicher Gedanke in der deutschen akademischen Welt. Da die meisten Professoren und Studierenden konservativen, dezidiert republikfeindlichen Milieus entstammten, waren die Universitäten Hochburgen eines glühenden Nationalismus und antidemokratischen Geistes. Um sie in Organe des demokratischen Staates zu verwandeln, stieß Friedrich eine Reihe ambitionierter Projekte an: In Heidelberg entstanden unter seiner Regie neue, der Elitenbildung verpflichtete Bildungseinrichtungen, Lehrpläne und Austauschprogramme. Für die von ihm angestrebte Universitätsreform konnte Friedrich eine ungewöhnliche Allianz aus Vertretern der Rockefeller Foundation, Weimarer Politikern und deutschen Akademikern zusammenbringen. Während die Weimarer Republik 1933 unterging, blieben jene Leitbilder und Netzwerke für die Ausbildung einer demokratischen Elite erhalten und trugen zu einer epochalen Transformation des amerikanischen Hochschulwesens bei. Nachdem Friedrich 1926 in die Vereinigten Staaten umgesiedelt war, folgte er demselben hierarchischen Politikverständnis wie in Heidelberg, um nun in Amerika eine Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Staat einzufädeln. Als Dozent in Harvard griff er die Programme und Lehrpläne aus seiner Weimarer Zeit auf und begründete gemeinsam mit deutschen und amerikanischen Bildungsfachleuten und Stiftungsvertretern, die er in Deutschland kennengelernt hatte, mehrere Programme und Institutionen, darunter die Harvard Graduate School of Public Administration und später die School for Overseas Administration. Politiker, Akademiker und Vertreter der Rockefeller Foundation arbeiteten dabei Hand in Hand, um junge Männer für Positionen in Staat, Militär und Geheimdiensten auszubilden. Diese Verwischung der Grenzen zwischen Universitäten und Staat wurde im frühen Kalten Krieg zur Norm: Wissenschaftler kooperierten freiwillig mit Diplomaten, Politikern und Geheimdienstvertretern und führten Forschungen durch, die dem Kampf gegen den Kommunismus im eigenen Land und auf internationaler Ebene verpflichtet waren. Friedrichs Schriften wiesen in diese Richtung, indem sie begründeten, warum die Kooperation mit dem Staat und die Unterdrückung abweichender kommunistischer Meinungen nicht etwa die akademische Freiheit bedrohten, sondern lebenswichtig für die Demokratie wären. Wie in Heidelberg galten die Universitäten auch in Amerika nicht in erster Linie als Orte der kritischen Auseinandersetzung mit staatlicher Politik, sondern sie wurden vielmehr selbst als Organe des Staates verstanden, die einzig dazu da waren, der Elitebildung zu dienen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen diese Ideen und Netzwerke zurück nach Deutschland. Friedrichs Argument, dass Demokratie verantwortungs37

bewusste Eliten benötigt, fand in der Nachkriegsära Anklang bei Amerikanern und Westdeutschen, die das Trauma des Nationalsozialismus hinter sich lassen wollten. Dies gilt besonders für die 1950er Jahre, als die Furcht vor einer kommunistischen Expansion die Angst vor dem Faschismus ablöste. Mit Unterstützung der Rockefeller Foundation, deutscher Intellektueller und amerikanischer Diplomaten wirkte Friedrich daran mit, die deutschen Universitäten auf eine demokratische Elitebildung auszurichten und diesmal zeitigte die deutsch-amerikanische Kooperation bleibende Ergebnisse: Friedrichs Curricula, politische Theorien und Austauschprogramme wurden im Bildungswesen der Bundesrepublik nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel. Wie in Amerika entwickelten sich die Universitäten zu Organen eines Denkens und einer Politik im Dienst des Kalten Krieges. Was in der Weimarer Geisteslandschaft randständig geblieben war, rückte in der Nachkriegszeit nun ins Zentrum.

Protestantische Legitimation und Elitebildung in Heidelberg Als Deutschland im Herbst 1918 von einer Revolution erschüttert wurde, reagierten die Protestanten im Land mit Entsetzen, Wut und Fassungslosigkeit. Die protestantische Bevölkerungsmehrheit hatte den deutschen Nationa­ lismus und Imperialismus traditionell am vehementesten unterstützt. Die Demokratie, die politische Gleichheit implizierte und traditionelle Autoritäten infrage stellte, betrachtete sie als ein Werkzeug ausländischer Feinde – um die deutsche Nation zu spalten. Diese Ablehnung demokratischer Normen verstärkte sich noch, als die Weimarer Republik die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen schien: Nachdem die ersten Wahlen eine Koalition aus Sozialisten, Katholiken und Liberalen an die Macht gebracht hatten – Kräfte, die unter ihnen gleichermaßen verhasst waren  –, wurde dem Protestantismus der Rang der Staatsreligion aberkannt und so der Bund von »Thron und Altar« aufgelöst. Protestantische Intellektuelle und Politiker reagierten darauf mit wiederholten Schmähungen der Republik als ungeheuerlicher Anschlag eines ausländischen Säkularismus auf das deutsche Christentum. »Die christliche Liebe«, schrieb der evangelisch-lutherische Theologe Emanuel Hirsch, werde sich »gerade gegen ein demokratisches Regiment wehren«. Während der kurzen Existenz der Republik unterstützten die Protestanten mehrheitlich rechtsnationalistische Parteien und hofften unverhohlen auf ein autoritäres Regime. Ihr erbitterter Widerstand blieb die Achillesferse Weimars.3 38

Eine kleine Gruppe protestantischer Denker stellte sich allerdings diesem Common Sense entgegen. Unter der Führung des Pfarrers und Politikers Friedrich Naumann sprachen sich Ernst Troeltsch, Otto Baumgarten und andere Theologen laut und deutlich für die neue Republik aus. Die Demokratie war für sie ein zwingendes Resultat der modernen Gesellschaft und der massenhaften Partizipation an der Politik, dem sich Deutschland öffnen musste, wollte es nicht endlose Zusammenstöße zwischen Volk und Staat erleben. Das Land drohe ein »Vulkan des Elends und ein Herd der Bürgerkriege« zu werden, erklärte Troeltsch besorgt, wenn es nicht allen Bürgern die Teilhabe an demokratischer Politik ermögliche.4 Der wichtigste für die Demokratie eintretende protestantische Intellektuelle war der Soziologe Max Weber, ein hochrenommierter Vertreter des politischen Denkens in Deutschland. Ihm zufolge boten republikanische Ordnungen die beste Gewähr dafür, dass Politiker einer »Verantwortungsethik« folgten statt durch eine »Gesinnungsethik« eine unvernünftige Politik anzufeuern. Die Katastrophe des Ersten Weltkrieges führte Weber auf unverantwortliche romantische Tendenzen zurück, die das gesamte politische System in Deutschland durchdrungen und zu waghalsigen Unternehmen getrieben hätten. Politische Institutionen sollten deshalb den Aufstieg fähiger und verantwortungsbewusster Führungsfiguren fördern, die kraft ihres natürlichen Charismas das Volk vor den »diabolischen« Versuchungen der Politik bewahren würden. Obwohl Weber, wie die meisten Protestanten, ein elitäres Misstrauen gegenüber den Massen hegte, traute er eher Wahlen als einer Erbmonarchie zu, die geeigneten Personen an die Macht zu bringen. Kurz vor seinem frühen Tod im Jahr 1920 wirkte Weber bei der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung mit und setzte sich für eine starke, demokratisch legitimierte Exekutive ein. Seine Anhänger warben in den frühen 1920er Jahren unter Protestanten um Unterstützung für die Republik. Trotz ihrer geringen Zahl gehörten sie zu Weimars wichtigsten Architekten und Fürsprechern.5 Auch Friedrich bemühte sich darum, Protestanten für die Republik zu gewinnen und verantwortungsbewusste demokratische Eliten hervorzubringen. Aus einer calvinistischen Familie der Dresdner Mittelschicht stammend, begann er seine wissenschaftliche Laufbahn in Heidelberg, an Deutschlands ältester und renommiertester Universität. Dort schloss er sich einer Gruppe aufstrebender junger Intellektueller an, darunter Alexander Rüstow und Arnold Bergstraesser, die der Soziologe Alfred Weber um sich versammelt hatte. Alfred Weber, der jüngere Bruder von Max Weber, war wie dieser davon überzeugt, dass die Demokratie die bestmögliche Förderung eines elitären »kreativen Geistes« gewährleiste. Seine prorepublikanischen Studenten wurden als Mitglieder der »Weber-Schule« bekannt. Friedrich war sein 39

engster Schüler und Assistent in der Weimarer Zeit; 1930 promovierte er bei ihm über die amerikanische Politik und Wirtschaft. Auch nachdem er 1926 in die Vereinigten Staaten gegangen war, um eine Dozentenstelle in Harvard anzutreten, beteiligte sich Friedrich weiterhin an verschiedenen Heidelberger Programmen und blieb Webers politischer Mission verpflichtet.6 Friedrich begann sein Engagement für die Weimarer Republik mit der Ausarbeitung einer neuen politischen Theorie, die Demokratie als Verwirklichung christlicher Prinzipien darstellte. Mit der These, dass sich die wahre geistige Bedeutung des Protestantismus nicht in der Monarchie, sondern in republikanischen Institutionen zeige, gab er dem Glauben von Protestanten an die eigene selbstverständliche Überlegenheit neuen Ausdruck. Laut Friedrich war das parlamentarische System der Weimarer Ära nicht etwa, wie die meisten Protestanten meinten, aus der säkularen Aufklärung und der antireligiösen Französischen Revolution hervorgegangen; vielmehr lägen seine Ursprünge in den einzigartigen Traditionen des calvinistischen Christentums, die sich im deutschsprachigen Mitteleuropa des 16. und 17. Jahrhunderts entwickelt hätten. Dass »die Zentren der Demokratie Länder mit einer vorwiegend calvinistischen Tradition [wie] die Schweiz, die Vereinigten Staaten und Holland« seien – und nicht das revolutionäre Frankreich – war Friedrich zufolge kein Zufall: Zwischen Calvinismus und demokratischer Politik bestehe eine organische Verbindung.7 In den Mittelpunkt seiner Genealogie der Demokratie stellte Friedrich die politische Theorie des deutschen Calvinisten Johannes Althusius (1563–1638), der als Rechtsgelehrter und Stadtsyndikus in Emden eine Reihe von Büchern über Politik, Religion und Recht veröffentlicht hatte. Während Althusius’ Schriften im Kaiserreich eine gewisse Beachtung gefunden hatten, waren sie in der Weimarer Zeit weitgehend in Vergessenheit geraten und nicht mehr erhältlich.8 In Friedrichs Augen dagegen war er ein absolut herausragender Vertreter des modernen politischen und religiösen Denkens, »der klarste und tiefgründigste Denker, den der Calvinismus auf dem Gebiet der Politikund Rechtslehre hervorgebracht hat«. Ihm zufolge hatte Althusius als Erster dargelegt, dass politische Autorität im Volk und nicht in der Monarchie entstehe und protestantische Überzeugungen am besten von republikanischen Ordnungen verkörpert würden. 1926 machte Friedrich es sich zum Auftrag, Althusius und seine Ideen ins Zentrum der abendländischen politischen Theorie zu heben. Nachdem er über Jahre hinweg rare Ausgaben von Althu­ sius’ Politica Methodice Digesta (Systematische Analyse der Politik; 1614) gesammelt hatte, veröffentlichte er 1932 eine Neuausgabe des monumentalen Werks. In seiner umfassenden Einleitung argumentierte Friedrich, dass Althusius’ »calvinistische Kosmologie« der modernen Demokratie den Weg 40

gebahnt habe. Wie er dabei betonte, habe der Theoretiker aus dem 17. Jahrhundert demokratische Institutionen »in Begriffen einer protestantischen Ethik« und nicht des verhassten Humanismus der französischen Aufklärung gefasst.9 Althusius’ Theorie zielte auf die Begründung föderaler politischer Ordnungen: Ein System, das auf einem foedus (lat. für »Bund«) gründen sollte, auf dem spirituellen Bund zwischen Gott und den Menschen. Das Ziel von Politik sah er in der Gründung und Bewahrung solcher gesellschaftlich-politischen Gemeinschaften, die er nach dem Muster biblischer Bünde – etwa zwischen Gott und Noah oder Gott und dem Volk Israel – verstand, und die im Unterschied zu Monarchien auf der Einwilligung der Bürger beruhten. So wie das Volk Israel sich entschieden hätte, in einen Bund mit Gott zu treten, wären die Menschen in der neuzeitlichen politischen Ära frei, einem politischen Bund beizutreten. Althusius nahm an, dass sich jeder, dem man die Wahl ließe, eher einem solchen Gemeinwesen anschließen als einer monarchischen Autorität unterwerfen würde. Damit vertrat er die radikale Auffassung, dass die politische Souveränität nicht beim Herrscher, sondern beim Volk läge: Das Souveränitätsrecht »steht nicht den Einzelnen, sondern sämtlichen Gliedern des Reichs zusammen […] zu«, da der Staat »nicht von einem Einzigen, sondern nur von sämtlichen Gliedern der universellen Gemeinschaft zugleich begründet werden kann«. Die Bünde sollten wiederum auf Vereinigungen oder Gruppen beruhen, zu denen sich die Einzelnen zum Zweck der kooperativen Regelung öffentlicher Angelegenheiten zusammenschließen sollten. Modelle für solche Vereinigungen anzubieten, war für Althusius der Sinn politischer Theorie.10 Nach Friedrich stellte diese Hervorhebung der Gruppe als Ursprung politischer Souveränität eine tiefgreifende Neuerung dar: Sie entspringe Calvins Prädestinationslehre, dergemäß Gott manche Seelen für die Erlösung vorherbestimmt habe, während anderen ewige Verdammnis zugedacht sei. Die »furchtbare Angst, zu den Verdammten zu gehören«, habe Calvinisten zur Suche nach irdischen Zeichen dafür veranlasst, dass sie zu den wenigen Auserwählten zählten. Max Weber hatte in seiner berühmten Kapitalismustheorie behauptet, dass Calvinisten wirtschaftlichen Erfolg als Anzeichen eines glücklichen Loses betrachteten; Friedrich zufolge suchten sie nach solchen Zeichen auch durch ihre Teilhabe an politischen Prozessen.11 Gemäß ihrem Glauben könnten sie nur durch einen Beitrag zur Wohlfahrt des Gemeinwesens hoffen, zu den Auserwählten zu zählen. Für Friedrich erklärte dies, »warum der orthodoxe Calvinist sein [politisches] Leben in der Gemeinschaft […] als das einzige wertvolle betrachtet«. Im Calvinismus hätten »soziale und politische Funktionen eine religiöse Bedeutung und daher ist jede solche 41

Funktion von einem intensiven religiösen Geist durchdrungen«. Die Calvinisten seien die Ersten gewesen, die die Bewahrung einer friedlichen, gerechten und egalitären politischen Gemeinschaft als Zeichen göttlicher Gnade verstanden hätten. Politik habe für sie eine Form der religiösen Pflichterfüllung dargestellt.12 Da er sich an ein protestantisches Publikum wendete, betonte Friedrich insbesondere Althusius’ Argument, dass ein politischer Bund, in dem die politische Souveränität beim Volk liege, die friedlichste und harmonischste Ordnung sei. Dieser Bund beruhe auf fünf wesentlichen Vereinigungen, zwei davon waren privater Natur – die Familie und das auf dem Beruf basierende Kollegium oder die Gilde –, drei hingegen öffentlich: die Stadt, die Provinz und das Gemeinwesen. In Althusius’ Vision sollte jede der öffentlichen Vereinigungen von einem Rat aus Vertretern der Ebene darunter regiert werden. So würde zum Beispiel der Stadtrat Vertreter der Familien und Kollegien umfassen, während die Vertreter mehrerer Städte wiederum den Provinzrat bilden würden. Jedem Rat stehe dabei die Autonomie zu, in einer für seine Mitglieder annehmbaren Weise Gesetze zu erlassen und den eigenen Bund zu gestalten. An der Spitze dieser Struktur stehe der Staat oder das Gemeinwesen als Vermittler der Beziehungen zwischen sämtlichen Vereinigungen. »Als Glieder des Reichs oder der symbiotischen universalen Gemeinschaft«, so Althusius, bezeichne er »mehrere Städte, Provinzen und Regionen, die übereingekommen sind, durch wechselseitige Verbindung einen gemeinschaftlichen Körper zu bilden«. Sein Entwurf empfahl eine dezentrale Ordnung und verteilte die Macht auf unterschiedliche Ebenen und Institutionen, wodurch sie immer Gegenstand von Aushandlung und Debatten blieb.13 Mit dem Eifer eines politischen Missionars behauptete Friedrich, dass seine Freilegung der althusianischen Wurzeln der modernen Demokratie drei Ausgangspunkte für die Legitimierung der Weimarer Republik biete. Erstens zeige Althusius’ Werk, dass das republikanische System nicht etwa, wie viele deutsche Protestanten glaubten, das Produkt einer zerstörerischen Säkularisierung sei, sondern die Verwirklichung christlichen Denkens. Nichts zeige deutlicher als Althusius’ Werk, dass »ein auf Zusammenarbeit beruhendes Gemeinwesen, eine Demokratie, nur unter christlich motivierten Menschen von Dauer sein kann«. In der Republik sei die vornehme calvinistische Überzeugung verwirklicht, dass politische Souveränität nicht der Erbmonarchie, sondern Gemeinschaften zukomme, die sich miteinander verständigen. Zugleich reproduzierte Friedrich das auf Abgrenzung basierende Politikverständnis seines protestantischen Milieus mit der Versicherung, dass die Durchsetzung der Demokratie dessen spirituelle Überlegenheit keineswegs infrage stelle: Anstatt die geistige und religiöse Vorherrschaft des Protestan42

tismus zu untergraben, bekräftige sie seine einzigartigen Werte und bringe sie in neuen politischen Formen zur Geltung.14 Zweitens zeige Althusius laut Friedrich, dass nicht Individuen, sondern politische Gruppen die Grundlage politischer Autorität seien. Parteien, Gewerkschaften und politische Vereine könnten einen Bund schaffen; ein autoritärer Führer wie der deutsche Kaiser vermochte dies nicht. Wie Friedrich immer wieder mahnte, könne der Geist des Bundes nur von solchen Zusammenschlüssen von Menschen erfüllt werden: »Die Gruppe […] besteht aus Mitgliedern und diesen Mitgliedern kommt zusammen […] die Einheit der Gruppe zu. Nur was sie gemeinsam entscheiden, kann als Verwirklichung der kollektiven Einheit der Gruppe betrachtet werden.« In der dezentralisierten Struktur der parlamentarischen Demokratie drücke sich somit nicht ein schädlicher individualistischer Liberalismus aus; vielmehr beruhe sie auf einer Vereinigung religiöser Gemeinschaften, wie sie deutsche Protestanten schätzten. Indem sie Gemeinschaftsbindungen stärkten, schwächten Bünde und Republiken demnach sogar den Individualismus: In den »inklusiven Gruppen«, die das demokratische Leben fördere, »tendiert das Individuum zu verschwinden«, eins mit der Gemeinschaft zu werden. Die politischen Konzepte, die das Fundament der Republik bildeten  – etwa die politische Gleichberechtigung aller Bürger –, seien »in keinerlei Weise ein individuelles Recht«, sondern »in der Gruppe verwurzelt«: »Ein solcher Gedanke hat wenig mit Ideen wie den ›natürlichen Rechten des Menschen‹ gemein.« Folglich wären die Institutionen der Republik nicht von Natur aus an die Ideologien eines westlichen Liberalismus gebunden gewesen, sondern hätten von deutschen Protestanten selbst dann gutgeheißen werden können, wenn sie Säkularismus und Individualismus ablehnten.15 Drittens erkannte Friedrich in Althusius’ Werk den Beleg dafür, dass die Weimarer Republik kein Fremdkörper gewesen sei, den westlich-liberale Feinde Deutschland oktroyiert hatten. Folge man seiner Erzählung, dann war die Demokratie bereits Jahrzehnte vor ihrer Einführung in anderen Nationen aus deutschem Boden hervorgesprossen und von unabhängigen Städten wie Emden gestaltet worden. Althusius’ Theorie habe sich organisch aus dem Erfahrungsbestand frühmoderner deutscher Stadtstaaten wie Frankfurt und Nürnberg entwickelt: Hier seien erstmals jene »komplexen Institutionen« entstanden, »die in Althusius’ theoretischen Überlegungen einen Ausdruck fanden«. Mit der Gründung einer Republik habe Deutschland somit an einheimische Traditionen angeknüpft – nachdem die Puritaner sie nach Großbritannien und in die Vereinigten Staaten getragen hätten, seien sie wieder über den Atlantik an ihre deutsche Geburtsstätte zurückgekehrt. Wie Friedrich in einem Vortrag erklärte, sei die Weimarer Verfassung die Verwirklichung 43

deutscher Ideale gewesen und müsse daher »für jeden Deutschen eine Quelle von Stolz« sein.16 Mit dieser Betonung der transnationalen Zirkulation religiöser Ideen wollte Friedrich auch das Bemühen der Weimarer Regierung um friedliche internationale Zusammenarbeit stärken. Das historische Narrativ, das er auf der Figur des Althusius aufbaute, verband Deutschland nicht bloß durch spirituell-geistige Affinitäten mit seinen ehemaligen westlichen Feinden, besonders mit den Vereinigten Staaten. Jahrzehnte vor dem Kalten Krieg und der Politik der »Westintegration« der Bundesrepublik behauptete Friedrich, dass die amerikanische und die deutsche Republik Teil eines inter- und supranationalen Bundes seien, der im 17. Jahrhundert entstanden sei und in den 1920er Jahren noch immer existiere. Gemäß dieser internationalistischen Vision konnten beide Nationen ihre Demokratien durch kulturellen Austausch vertiefen und stärken; sie mussten sich die Hände reichen und eine demokratische Allianz schließen. Mit seinem Versuch, deutsche Protestanten für die Demokratie zu gewinnen, stellte Friedrich bestimmte Überzeugungen der Glaubensgemeinschaft infrage, reproduzierte aber ironischerweise einige ihrer Haltungen, die besonders antidemokratisch waren und auf Abgrenzung beruhten. Fixiert auf Religiosität und gestützt auf eine fragwürdige historische Genealogie, bekräftigte Friedrichs Glaubenssystem das anmaßende Überlegenheitsgefühl der deutschen Protestanten und erhob ihre Geschichte zum Ursprung ehrwürdiger politischer Traditionen. Friedrich folgte dem exklusiven protestantischen Selbstbild als Urheber und Hüter aller bedeutsamen Werte und wertete damit die deutschen Katholiken, Juden oder Sozialisten implizit ab, denn dass andere Religionen oder säkulare Gedankengebäude jemals produktive politische Konzepte hervorbringen könnten, war demnach kaum vorstellbar. Gleichzeitig war sein Denken eine mutige Herausforderung des politischen Konsenses unter deutschen Protestanten. Es stellte den umfassendsten Versuch dar, die in ihren Reihen verbreitete Ablehnung der Republik umzukehren und ihre religiöse und politische Zugehörigkeit zugunsten der Demokratie neu zu definieren. Selbst die wenigen Anhänger der Weimarer Republik unter ihnen wie Alfred Weber oder Ernst Troeltsch teilten diese Engführung von Demokratie und protestantischer Tradition nicht. In den folgenden Jahrzehnten öffnete sich Friedrichs Denken allmählich, sodass auch andere Religionen in das demokratische Bündnis eingeschlossen wurden. Eine eigentümliche Verknüpfung von Religion, Demokratie und westlicher internationaler Zusammenarbeit blieb jedoch der Kern seiner intellektuellen Agenda und trieb ihn noch viele Jahre dazu an, unermüdlich neue Programme ins Leben zu rufen.

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Verantwortungsbewusste Eliten und die Universitäten Friedrich unterstützte die Weimarer Republik nicht nur, indem er den christlichen Bund überhöhte, sondern er beteiligte sich auch an breit geführten Debatten über die Rolle von Führung und Bildung in einer demokratischen Gesellschaft. Wie die meisten Protestanten aus der deutschen Mittelschicht hielten auch die Anhänger der »Weber-Schule« die große Mehrheit der Bürger für führungsuntauglich mit der Begründung, dass es ihnen für ein öffentliches Amt an Wissen und visionärer Kraft fehle. Wie Friedrich mit ätzender Schärfe bemerkte, hatte selbst Althusius, der Vater der Demokratie, anerkannt, dass das Volk »unbeständig, gewalttätig, urteilsunfähig, leichtgläubig, neidisch, wild, turbulent, aufsässig, frivol, undankbar« sei »und immer geneigt, seine Führer nachzuahmen«. Diese ausgeprägte Geringschätzung des »durchschnittlichen Bürgers« hatte zur Folge, dass der Erfolg der Demokratie in Friedrichs Augen von der Fähigkeit der zusammengeschlossenen Bünde abhing, visionäre und verantwortungsvolle Führungspersonen hervorzubringen. Althusius’ Leitbild kooperierender Gemeinschaften verlangte, dass »gelehrte Männer die Staaten regieren«: Sie sollten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene die Interessen ihrer Gemeinschaft vertreten und der breiten Masse dabei helfen, ihre kleinlichen Schwächen zu überwinden und zum öffentlichen Wohl beizutragen. »Einfache« Bürger könnten sich zwar durch Kooperation und öffentliches Engagement selbst bessern, dennoch fiele Führern die Aufgabe zu, einen politischen Kurs festzulegen und sie für die richtigen Entscheidungen zu gewinnen. Die Herausbildung einer solchen Elite schien Friedrich wesentlich für das Überleben der Demokratie, weswegen er forderte, die Institutionen eines solchen Staates entsprechend auszurichten und ihren Erziehungsauftrag demgemäß zu definieren. Friedrichs Auffassung nach konnte die richtige Bildung die Moral, die Ethik und das Verantwortungsbewusstsein hervorbringen, die für die Aufrechterhaltung einer funktionierenden Demokratie der Bünde notwendig seien.17 Dieses patrizische Denken entsprang einem in den politischen und kulturellen Eliten verbreiteten Unbehagen gegenüber den »Massen«. Seit dem 19. Jahrhundert waren führende deutsche Politiker und Intellektuelle von der Angst beherrscht, die zunehmende Beteiligung »gewöhnlicher« Bürger an der Politik könne die »natürliche« Ordnung der Gesellschaft gefährden. Sie fürchteten, dass die aufkommende Massenpolitik den Einfluss fähiger Führer zunichtemachen und den Staat einer ungebildeten und leichtsinnigen Menge ausliefern könnte. Besonders ausgeprägt war diese elitäre Sorge in der protestantischen Mittelschicht, die mit den »Massen« atheistische Sozialisten 45

assoziierte – die protestantische Republikfeindschaft speiste sich auch aus der Annahme, dass die Demokratie verantwortungslose Massen, insbesondere die Arbeiterklasse, an die Macht bringen könnte. Ernst Troeltsch sprach stellvertretend für viele, als er in der Weimarer Demokratie »die Gefahren der Anarchie und der Nivellierung […] und der kunstvoll verbreiteten und alles niederhaltenden Mittelmäßigkeit« ausmachte.18 Auch Friedrichs Mentor Alfred Weber teilte diese Massenverachtung. Wie sein älterer Bruder unterstützte er die Demokratie, weil er sich von Wahlen eher als von einer Monarchie eine Regierung »verantwortungsbewusster«, zur Bändigung der Massen fähiger Führer versprach. Friedrich war sich sicher, dass die Ausbildung einer demokratisch eingestellten Elite den von leichtsinnigen Massen ausgehenden Gefahren entgegenwirken und den Bund schützen könne. Besonders wichtig schien ihm eine Beamtenschicht – eine »verantwortungsbewusste Verwaltung« –, die sich keinen Wahlen stellen müsse und dadurch imstande sei, den auf gewählte Politiker ausgeübten Druck auszugleichen: Anders als diese könnten sich Beamte den Forderungen partikularer Gruppen entziehen und die Integrität des Bundes bewahren, indem sie die Interessen aller Mitglieder der Gemeinschaft und nicht nur derjenigen, die sich bei Wahlen durchgesetzt hatten, berücksichtigten: »Wir müssen nicht nur die Annahme zurückweisen, dass Demokratie und Bürokratie einen Gegensatz bilden, sondern darüber hinaus begreifen, dass die Zukunft der Demokratie von ihrer Fähigkeit abhängt, eine vorbehaltlos anerkannte Verwaltung aufrechtzuerhalten.«19 Nach diesem Entwurf war die Demokratie auf eine hierarchische Struktur angewiesen. Eliten – nicht die Basis – sollten die Dynamik freier Interaktion schützen und optimale Maßnahmen erarbeiten. Politik und Macht ließen den »ungebildeten Massen« in diesem Gebilde wenig Raum; Demokratie sollte nicht den Einfluss der Bevölkerung stärken. Zudem würde der Zweck von Wahlen und freier Debatte in der Herstellung von Konsens bestehen und nicht in der Offenlegung von Brüchen und Meinungsverschiedenheiten. Führer wären notwendig, weil nur sie über den engen, von Emotionen bestimmten Horizont der Bevölkerung hinausblicken und langfristige, vernünftige Kompromisse erzielen könnten. Eine Einschränkung der Macht von Beamten, die nicht durch Wahlen legitimiert waren, brächte der Bevölkerung aus Friedrichs Sicht keine Vorteile, sondern würde sie in die Hände rücksichtsloser Tyrannen treiben: »Wenn die auf das Volk gegründete Regierung keine administrative Hierarchie aufrechtzuerhalten vermag, wird sie zwangsläufig durch eine Diktatur abgelöst.«20 Das Modell für die Ausbildung einer solchen Verwaltungselite fand sich in Heidelberg. Dort hatte Alfred Weber 1918 ein politisches Institut gegründet, 46

an dem sein Schüler Friedrich studierte, wichtige Anregungen erhielt und später selbst lehrte. In den 1920er Jahren blieb die deutliche Mehrheit der deutschen Akademiker  – Professoren wie Studierende  – demokratie- und republikfeindlich eingestellt; ihre Hoffnung auf eine Restauration der Monarchie oder ein neues autoritäres Regime schlug sich darin nieder, dass Theorie und Geschichte der Demokratie an deutschen Universitäten fast gar nicht gelehrt wurden. Weber und seine Schüler zählten zu den Ersten, die die Republik durch Forschung und Lehre festigen wollten, und versuchten, diese Leerstelle durch das Institut zu füllen. 1924 wurde aus der Einrichtung das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften, bald unter dem Akronym InSoSta bekannt, dessen Seminare und Forschungsprojekte mit dem ausdrücklichen Ziel der demokratischen Elitebildung deutsche Ökonomie, Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte, Geografie und Recht zum Gegenstand hatten. Tausende von Studierenden folgten Webers Lehrplänen, um sich auf eine Verwaltungslaufbahn in kommunalen oder Reichsbehörden vorzubereiten. Das badische Kultusministerium erklärte 1924 anerkennend, das InSoSta sei die beste Ausbildungsstätte für die Verwaltung der Republik.21 Für Friedrich war das einzigartige prodemokratische Klima am InSoSta Modell und Ausgangsbasis für ein neues Bildungskonzept. Das Institut sollte der Prototyp für deutsche Universitäten und das Herzstück einer neuen geistig-politischen Ordnung werden. Nur durch solide demokratische Curricula und Forschung konnte die »bündische Demokratie« der Weimarer Republik die für ihr Überleben und Gedeihen notwendigen Eliten finden. Die Hauptaufgabe akademischer Bildung bestand hier nicht in der Förderung von Kritik an Machtstrukturen, sondern in der Produktion einer qualifizierten Verwaltungsschicht, deren Urteilsvermögen das unbedachte Verhalten gewählter Politiker kompensieren sollte. Friedrich forderte somit eine enge Zusammenarbeit zwischen Bildungswesen und demokratischem Staat: Ein »öffentliches Schul- und Universitätssystem« erfülle »die Funktion, die Bildungseinrichtungen mit der Hierarchie« des Staatsapparates zu verzahnen.22 Durch Lehrpläne wie am InSoSta, die gründliche Kenntnisse demokratischer Institutionen, der Wirtschaft und der internationalen Kooperation vermittelten, so glaubte Friedrich, könnten die deutschen Universitäten zu Bastionen der Demokratie werden. Dieses Leitbild bestätigte das Selbstverständnis von Universitäten und stellte es zugleich infrage: Während es ihre elitäre Verachtung gewöhnlicher Menschen fortschrieb, definierte es zugleich ihren neuen Auftrag demokratischer Mobilisierung. Allerdings machten nicht nur prodemokratische Lehrinhalte das InSoSta zum maßgeblichen Modell für ein republikanisches Bildungswesen, sondern auch sein neuartiger institutioneller Rahmen. Die Ausbildung einer zuver47

lässigen Elite wollte Friedrich weder staatlichen Behörden noch dem Markt überlassen, sondern durch eine Zusammenarbeit von Staat, Universitäten und Stiftungen sicherstellen, bei der Macht und Geist eine hybride Verbindung eingehen sollten. Im Deutschland der 1920er Jahre war dies ein völlig neuer Gedanke. Wie im Kaiserreich erlaubte der Staat in der Weimarer Ära zwar gewisse Privatinvestitionen in die Fachgebiete Biologie und Chemie, insistierte bei den Rechts-, Politik- und Geisteswissenschaften aber auf seinem Bildungsmonopol. Insofern betrat Friedrich Neuland, als er Stiftungen und Privatsponsoren zur Förderung des partiell unabhängigen Heidelberger Instituts bewegen konnte. Mithilfe des Netzwerks ehemaliger Studenten A ­ lfred Webers, die mittlerweile Stellen in der deutschen Industrie bekleideten, finanzierte er Forschungsprojekte zur deutschen Politik und Diplomatie und rief Dutzende von Kursen zu demokratischer Politiktheorie ins Leben. Das Institut suchte nicht nur zur Wahrung seiner Unabhängigkeit vom Staat unermüdlich nach neuen privaten Geldgebern, sondern auch und vor allem zu dem Zweck, die deutsche Industrie- und Handelswelt mit demokratischer Bildung in Berührung zu bringen und so den Kern einer Elite zu schmieden, die wirklich für die Demokratie einstand.23 Unterstützung fand das Institut jedoch nicht in erster Linie bei vermögenden Deutschen, sondern auf der anderen Seite des Atlantiks: Seine engagiertesten Förderer waren finanzkräftige US -Stiftungen. Friedrich betrachtete Amerika schon seit geraumer Zeit als Verwirklichung von Althusius’ Vision einer bündischen Demokratie – einer Ordnung also, die auf der Zustimmung der Bevölkerung, dezentralisierter Macht und der Kooperation von Gruppen beruhte. Bei der erfolgreichen Durchsetzung von Institutionen und Normen, die in der Weimarer Republik gerade erst entstanden, konnten die Amerikaner auf eine lange Tradition zurückblicken. Amerikanische Pädagogen und Stiftungen waren für Friedrich daher natürliche Verbündete bei der Förderung demokratischer Bildung und verantwortungsvoller Eliten in Deutschland. Mit dem Einstieg der Rockefeller Foundation erfüllte sich die Hoffnung auf amerikanische Unterstützung binnen kurzer Zeit. 1913 gegründet, bemühte sich die Stiftung nach dem Ersten Weltkrieg um die Förderung globaler Zusammenarbeit und wissenschaftlicher Bildung. Nach mehrjährigen Erwägungen nahmen ihre Vertreter 1924 Deutschland in den Blick, um dort in Institutionen zu investieren, die sich für internationale Verständigung, Demokratisierung und Frieden einsetzten – Ziele, die aus ihrer Sicht untrennbar miteinander verbunden waren. Durch Vermittlung von Friedrich wurde das InSoSta zum Zugangstor für diese kühne ausländische Intervention. Der Ökonom und Rockefeller-Vertreter John V. Van Sickle traf ihn 1924 in New York und reiste wenig später nach Heidelberg zu Alfred Weber und Arnold 48

Bergstraesser. Nach diesen Treffen begann die Stiftung die Aktivitäten des InSoSta großzügig zu fördern, da sie hoffte, dass seine Absolventen die republikanischen Institutionen stärken und ähnliche Projekte in ganz Deutschland anregen würden. Beziehungen zwischen deutschen Demokraten und amerikanischen Stiftungen entstanden somit schon weit vor den 1940er Jahren, als die westliche Allianz im Kalten Krieg gegründet wurde.24 Im Lauf der 1920er Jahre nahmen die Investitionen der Rockefeller Foundation in das Institut exponentiell zu. Zunächst unterstützte sie das InSoSta bei der Gründung eines Zentrums für angloamerikanische Studien in Heidelberg, das Kurse zu demokratischen Institutionen, Wirtschaft und Rechtssystemen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten anbot – die ersten deutschen Studienprogramme zu englischsprachigen Demokratien überhaupt. Wenige Jahre später finanzierte die Stiftung Vortragsreisen von Institutsmitgliedern in die Vereinigten Staaten sowie umgekehrt Buchveröffentlichungen und Besuche amerikanischer Gelehrter in Heidelberg. Auch die Erweiterung des Lehrbetriebs wurde von ihr gefördert, sodass das Institut zusätzliche Mitarbeiter einstellen und mehr Kurse anbieten konnte. Selbst als die deutsche Politik während der Großen Depression bereits aus den Fugen geriet, meinte ein führender Stiftungsvertreter, dass »die Entscheidung für Investitionen« in das InSoSta »hervorragend« gewesen sei: »Das Institut zieht Studenten aus ganz Deutschland an und genießt daher einen landesweiten Einfluss.« Mit dem InSoSta wurde Heidelberg der erste Schauplatz einer prodemokratischen Symbiose, bei der deutsche Wissenschaftler und amerikanische Sponsoren für eine gemeinsame Agenda eintraten.25 Als die Rockefeller Foundation den durchschlagenden Erfolg des Instituts erkannte, weitete sie ihr Engagement im deutschen Universitätswesen aus und förderte eine ganze Reihe neuer akademischer Zentren, die sich für die internationale Verständigung einsetzten. Nach einem Besuch in Heidelberg reisten Stiftungsvertreter nach Berlin zur Akademie der Politik, zum Hamburger Institut für internationale Angelegenheiten und dem Kieler Institut für Weltwirtschaft – allesamt wissenschaftliche Einrichtungen, die die Republik unterstützten oder zumindest tolerierten. Bis zum Ende der Weimarer Ära versuchte die Stiftung außerdem, das InSoSta-Modell durch Zuschüsse an mehrere Dutzend kleinere Institutionen und Projekte zu vermitteln, darunter Forschungs- und Ausbildungsprogramme für das Finanzwesen in Bonn, für Statistik in Leipzig und für internationale Finanzen in Köln. Rockefeller-Vertreter unterstützten die Gründung eines Berliner Instituts für das Studium des modernen Pressewesens, Seminare über Wirtschaftstheorie in Frankfurt am Main, ein rechtswissenschaftliches Institut in Berlin und eines für internationales Recht in Köln. Als die Weimarer Republik 1933 zusammenbrach, 49

hatte die Stiftung insgesamt 1,5 Millionen Dollar in Deutschland investiert, mehr als in jedem anderen Land der Welt. Friedrichs Glaube an das innere Band zwischen deutscher und amerikanischer Demokratie spielte somit eine entscheidende Rolle bei der Begründung einer umfangreichen internationalen Zusammenarbeit, die nach dem Zweiten Weltkrieg zum Vorbild für ähnliche Bildungsprogramme wurde.26 Das Glanzstück unter den Projekten des InSoSta war ein neuartiges und gewagtes Experiment: ein internationales akademisches Austauschprogramm. Gemäß seiner internationalistischen Vision hielt Friedrich Beziehungen der zukünftigen deutschen Führungsschicht in andere Länder, besonders nach Amerika, für unbedingt erforderlich. Durch Austauschprogramme sollten die Politiker und Beamten von morgen mit anderen Eliten in Kontakt kommen, die internationale Stabilität fördern und einen transnationalen Bund schmieden; das dabei gewonnene Gespür für Kooperation und friedliche Verhandlungen würden sie nach Hause mitbringen und so die demokratische Politik in Deutschland stärken. Friedrich schwebte eine neue Form von Diplomatie vor, bei der Wissenschaftler Seite an Seite mit Politikern und Wirtschaftsführern an Import, Anpassung und Transfer demokratischer Methoden des Regierens arbeiten sollten. Auch diese Idee folgte einem hierarchischen Leitgedanken, nämlich, dass der »normale« Bürger nur eine marginale Rolle bei der Gestaltung von Politik spielen solle – die große Bevölkerungsmehrheit, besonders die Armen und Ungebildeten, hatte demnach zu Politik, internationalen Beziehungen und Diplomatie nichts beizutragen. In Friedrichs Augen konnte nur ein solches Eliteprogramm über passiven »Pazifismus und Nationalismus« hinausführen und eine internationale Gemeinschaft der Stabilität und des Friedens schaffen. So wie die Eliten im eigenen Land Konsens herstellen sollten, waren sie auf der internationalen Ebene als die entscheidenden Friedensbotschafter vorgesehen.27 Im Jahr 1922 nahm die angestrebte internationale Gemeinschaft eine erste institutionelle Gestalt an, als Friedrich und zwei weitere Mitglieder der »Weber-Schule«, Rüstow und Bergstraesser, den Plan entwarfen, Studierende und Fakultätsangehörige deutscher und amerikanischer Universitäten zusammenzubringen. Sie sollten ein Jahr im jeweils anderen Land verbringen, die Sprache lernen, Kenntnisse des Regierungssystems erwerben und soziale Beziehungen zu zukünftigen Eliten knüpfen. An diesem Experiment beteiligten sich alle maßgeblichen Akteure, die die einzigartige Struktur des InSoSta ausmachten  – die Weimarer Regierung, amerikanische Sponsoren und deutsche Universitäten. An der Wiederherstellung ihrer internationalen Reputation interessiert, willigte die Universität Heidelberg rasch ein, das Austauschprogramm bei sich anzusiedeln. Auch Vertreter des deutschen Staates 50

unterstützten das Vorhaben, das aus ihrer Sicht dazu beitragen konnte, die Republik zu stabilisieren und Deutschlands diplomatische Isolierung nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg aufzubrechen. Obwohl die öffentlichen Mittel aufgrund der Hyperinflation und der Wirtschaftskrise dahinschmolzen, sagten 1923 sowohl das Land Baden als auch die Reichsregierung eine Förderung des Programms zu. In den Vereinigten Staaten konnte Friedrich die Unterstützung des Institute of International Education (IIE) gewinnen, das seinerseits von der Rockefeller Foundation finanziert wurde. Nachdem IIE-Direktor Stephen Duggan 1924 Heidelberg besucht hatte, berichtete er der Rockefeller Foundation, ein solches Austauschprogramm sei der beste Weg zur Bekämpfung »des monarchistischen und reaktionären Elements, das noch immer die Hochschulbildung in Deutschland beherrscht«. Nach Duggans dringendem Hilfegesuch bewilligte die Stiftung mehr als 20 000 Dollar für die Stipendien und Reisekosten deutscher Studierender. Namhafte amerikanische Professoren wie der Philosoph John Dewey und der Politikwissenschaftler Charles Merriam erklärten sich ebenfalls zur Teilnahme an dem Programm bereit.28 So eröffnete die Universität Heidelberg 1924 eine neue Ära der demokratischen Kulturdiplomatie: In Zusammenarbeit mit den Universitäten Cornell, Columbia, Yale und Johns Hopkins gründete sie den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), das erste moderne Austauschprogramm für Studierende. Während eine erste Gruppe von 175 deutschen Studenten und Professoren – die Friedrich und Bergstraesser persönlich ausgewählt hatten – für ein Jahr in die Vereinigten Staaten reiste, trafen zeitgleich 155 Amerikaner für einen einjährigen Studienaufenthalt am InSoSta in Heidelberg ein. Bis in die frühen 1930er Jahre kamen Hunderte von Austauschstudenten nach Heidelberg oder gingen von dort ins Ausland, wodurch sich das Institut unter Anhängern der internationalen Verständigung einen guten Ruf erwarb. Das Eintauchen in fremde Sprachen und Kulturen sollte nicht bloß der persönlichen Entwicklung dienen – für Friedrich, die Rockefeller Foundation und deutsche Politiker waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Vorreiter bei der Prägung einer internationalen »westlich-demokratischen Eliteidentität«.29 Weimarer Diplomaten, denen Friedrichs eigentümliche Visionen und sein Glaube an eine bündische Demokratie vermutlich nicht bekannt waren, begriffen schnell, dass das innovative Programm Deutschlands internationales Ansehen steigern könnte. Zwar hatten deutsche Akademiker auch schon vor dem Ersten Weltkrieg an internationalen Konferenzen teilgenommen, doch Umfang und Intensität der DAAD -Programme waren beispiellos und die Diplomaten hatten ein starkes Interesse daran, Deutschlands akademische Reputation für die Überwindung seiner internationalen Isolation zu nutzen. Der Trend setzte sich fort: Der Botschafter in Peking bot die Finanzierung 51

eines deutsch-chinesischen Studentenaustauschs an, der Konsul in Kobe lud deutsche Professoren nach Japan ein und versuchte, japanische Gegenbesuche in Heidelberg zu arrangieren. Kooperationsanfragen kamen bald auch aus Argentinien und anderen lateinamerikanischen Ländern und führten zu einer Vielzahl von Vorträgen, Publikationen und gegenseitigen Besuchen.30 In Regierungsstellen wurde mit großer Genugtuung vermerkt, wie Deutschland wieder an internationalem Ansehen gewann. So erhielt beispielsweise das Auswärtige Amt einen überschwänglichen Bericht über den vom DAAD geförderten Vortrag des Biologen Wilhelm Kolle in Madrid, der spontane Jubelrufe ausgelöst hatte. Die spanischen Wissenschaftler, hieß es darin, seien weniger produktiv als ihre Kollegen im Norden, weshalb sie Kolles Vortrag tief beeindruckt habe. Dieser habe zudem den seit dem Krieg voll­zogenen Wandel Deutschlands demonstriert, über dessen erneutes Engagement in der internationalen Zusammenarbeit das spanische Volk begeistert sei. In den 1920er Jahren finanzierte die Reichsregierung regelmäßig solche Reisen von Wissenschaftlern und Mitgliedern des InSoSta nach Europa, Lateinamerika und Asien, wo sie in Vorträgen Deutschlands Verpflichtung auf die internationale Kooperation bekräftigten. Universitäten und Wissenschaftler wurden aktive Teilnehmer an einer kulturellen Diplomatie auf Eliteebene.31 Nachdem der DAAD im Lauf der 1920er Jahre auf ein rasant wachsendes Interesse gestoßen war, eröffnete er an allen bedeutenden Universitäten in Deutschland Zweigstellen – in Berlin, Bonn, Breslau, Danzig, Frankfurt am Main, Freiburg, Gießen, Göttingen, Halle (Saale), Hamburg, Jena, Karlsruhe, Kiel, Königsberg, Leipzig, Marburg, München, Stuttgart und Tübingen. Um deutsche Eliten in ein Netzwerk mit wirklich globalem Charakter einzuführen, expandierte er zudem rasch über die Vereinigten Staaten hinaus. 1926 eröffnete Friedrich die ersten Zweigstellen in Großbritannien und Frankreich, die beide jährlich mehrere Dutzend Studenten empfingen. Bis 1930 hatte der DAAD Austauschprogramme mit Chile, Finnland, Irland, Island, Kanada, Österreich, der Schweiz, der Tschechoslowakei und Ungarn vereinbart und plante eine Ausweitung nach Schweden, Spanien, Argentinien, Australien und Japan. Im Jahr darauf maß die Weimarer Regierung dem DAAD trotz der Weltwirtschaftskrise weiterhin genügend Priorität bei, um Programme mit Dänemark, Litauen, Mexiko und Südafrika einzufädeln. Durch den DAAD schien die Vision, die Friedrich und das InSoSta verband, den gesamten Globus zu umfassen. Die deutschen Universitäten nahmen ihre neue Rolle als Ausbildungsstätten einer internationalen Elite bereitwillig an.32 Friedrichs prorepublikanische Kampagne unter deutschen Protestanten brachte somit eines der innovativsten Bildungsprogramme der Ära hervor. Sein Versuch zu zeigen, dass die Demokratie auf deutsch-calvinistische 52

Konzeptionen des Bundes zurückging, und sein Einsatz für die Elitebildung wurden prägend für eine neuartige, ungewöhnliche Allianz. Ausgehend vom Modell des InSoSta konnte er amerikanische Sponsoren, deutsche Staatsvertreter und demokratisch eingestellte Akademiker an das Vorhaben binden, die deutschen Universitäten zu einem Ort und gleichzeitig einem Akteur zu machen, der die Demokratie im eigenen Land stärken und im Ausland für internationale Kooperation werben sollte. Das demokratische Leitbild dieser Allianz war stark von einem abgrenzenden und elitären Bewusstsein geprägt: »Verantwortungsbewusste« gebildete Männer sollten die Massen führen. Entsprechend bestand der Erfolgsmaßstab für diese hierarchisch strukturierte Demokratie in der Förderung von Konsens und Ordnung im In- und Ausland. Der kritischen Artikulation von politischen Konflikten, der Hinterfragung der Staatsmacht oder der Einbeziehung ärmerer Schichten in den politischen Prozess maß Friedrichs Theorie geringen Wert bei. Innerhalb dieser enggesteckten Grenzen erweiterte das InSoSta durch seine Programme allerdings den Aufgabenbereich der Universitäten. Mit der Ausarbeitung republikfreundlicher Lehrpläne und der Förderung von internationalem Austausch initiierten Friedrich und andere Mitglieder der »Weber-Schule« eine weitreichende Mobilisierung der Universitäten für die Weimarer Demokratie. Doch trotz ständiger Ausweitung gelang es den Heidelberger theoretischinstitutionellen Initiativen letztendlich nicht, die deutschen Protestanten für die Republik und die internationale Kooperation zu gewinnen. Als die Weltwirtschaftskrise Deutschland erfasste, war es gerade die protestantische Mittelschicht, die autoritäre und rassistische Ideologien übernahm und immer deutlicher eine aggressive imperialistische Expansion befürwortete. Keine andere Wählergruppe unterstützte den Nationalsozialismus mit größerer Begeisterung.33 Der Auftrag des InSoSta, verantwortungsbewusste demokratische Eliten auszubilden, blieb indessen bestehen. Binnen weniger Jahre erreichten Friedrichs Demokratiekonzepte die Vereinigten Staaten, wo dieselben Personen und Institutionen erneut zusammenarbeiteten, um die dortigen Universitäten zu verändern. Von hier aus sollten sie schließlich auch nach Deutschland zurückkehren.

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Das Heidelberger Projekt in den Vereinigten Staaten: Eine neue amerikanische Universität Die nationalsozialistische Übernahme der deutschen Universitäten erfolgte schnell und gründlich. Mit Unterstützung vieler nationalistischer und konservativer Wissenschaftler konnte das neue Regime sie schon wenige Monate, nachdem Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, vollständig unter Kontrolle bringen. Die Nationalsozialisten entließen sämtliche antinationalsozialistischen und jüdischen Professoren, beendeten die mit den amerikanischen Stiftungen bestehenden Austauschprogramme und verankerten ihre rassistische Weltanschauung in den akademischen Lehrplänen. Die deutschen Universitäten wurden zu Werkstätten obskurer Lehren. Zu den vielen Opfern der Gleichschaltung zählte auch das Heidelberger InSoSta. Dank seines halb unabhängigen Status  – es enthielt signifikante Zuwendungen von Dritten – konnte es noch zwei Jahre weiterarbeiten, bevor 1935 die Hakenkreuzflagge über seinem Eingang gehisst wurde. Auf direkten Befehl aus Berlin wurden die Förderung aus Amerika gestoppt, der DAAD aufgelöst, Alfred Weber in den Ruhestand und seine Assistenten zur Emigration gezwungen. Innerhalb von zwei Jahren war die »Weber-Schule« ausgelöscht worden und mit ihr das Leitbild einer verantwortungsvollen demokratischen Elite. Das verlassene Institutsgebäude stand wie ein Mahnmal für die zerstörte Republik; mit seinen leeren Fluren und zerrissenen Büchern lag es, wie Weber im Rückblick bitter formulierte, »wie ein gestrandetes Wrack verödet als Opfer gleichsam am Ufer«.34 Mit der Verwüstung des Instituts war allerdings weder seiner Mission, eine demokratische und verantwortungsbewusste Verwaltungsschicht auszubilden, noch seinem Modell einer Kooperation aus Staat, Universitäten und Privatsponsoren ein Ende gesetzt. Vielmehr eröffneten Entwicklungen in den USA Carl J. Friedrich in den folgenden Jahrzehnten unverhoffte Wirkungsmöglichkeiten. Die Große Depression und der New Deal veränderten die Rolle des Staates in der amerikanischen Gesellschaft einschneidend. Da Politiker und Beamte eine Schwächung der liberal-kapitalistischen Demokratie durch wirtschaftliches Elend und soziale Unruhen befürchteten, fand Friedrichs Appell, eine zwar nicht gewählte, aber verantwortungsvolle demokratische Elite hervorzubringen, in ihren Reihen großen Anklang. Friedrichs Schriften und praktische Erfahrungen boten ein Modell für eine Elitebildung, die die Gesellschaft stabilisieren und die Infragestellung ihrer tragenden sozialen und politischen Hierarchien abwehren sollte. Von seinem Büro im Department of Government der Harvard University aus initiierte er in den 1930er und 54

1940er Jahren zahlreiche Projekte, die Universitäten, US -Regierung und Philanthropen zusammenbrachten – eine Kooperation, welche die Universitäten in Organe des demokratischen Staates verwandelte. Die dabei entstandenen Programme revolutionierten die akademische Welt. Sie gingen weit über die Arbeit des InSoSta in Heidelberg hinaus: Sie boten in den kommenden Dekaden ein Modell für die Rolle von Eliteuniversitäten. Während Friedrich sich in den 1930er Jahren in Harvard allmählich den Ruf eines Spezialisten für politische Theorie erwarb, betrachteten seine Kollegen die von ihm vertretene Vision einer Verzahnung von Staat, Universitäten und Stiftungen bestenfalls als sonderbar. Als angesehenste akademische Institution des Landes war die Harvard University stolz auf ihre Distanz zur Politik; die hohen Mauern um ihren Campus standen symbolisch für die Praxis, die Auseinandersetzung mit aktuellen sozialen und politischen Themen bewusst zu meiden. Während andere akademische Einrichtungen, insbesondere die staatlichen Hochschulen, häufig Politiker in Wissenschaftsund Bildungsfragen berieten, galt eine solche Zusammenarbeit Harvard und vielen anderen Eliteuniversitäten als unstatthaft und Gefahr für ihre geistige Autonomie. Stellvertretend für viele erklärte etwa Robert Hutchins, Präsident der University of Chicago, Wissenschaftler sollten sich vor der Versuchung einer Zusammenarbeit mit dem Staat hüten; ob sie überhaupt einen für Regierungsvertreter nützlichen »Korpus systematischen Wissens« hervorbringen könnten, sei zweifelhaft, lautete eine bekannte Aussage von ihm.35 Solche Einstellungen verstärkten sich, als Franklin D. Roosevelt den New Deal auf den Weg brachte. Wie ihre Kollegen in Princeton, Yale und Stanford standen die meisten Harvard-Wissenschaftler Roosevelts experimentierfreudiger und populistischer Politik abweisend gegenüber und vermieden jegliche Zusammenarbeit mit seiner Administration. Selbst als die Große Depression ihre Einkünfte dramatisch schrumpfen ließ, lehnten die Eliteuniversitäten großzügige Angebote ab, durch die die Regierung sie für ihre sozialen und politischen Experimente zu gewinnen hoffte. Nichts illustriert diese Ablehnung einer Partnerschaft mit dem Staat besser als die Dreihunderjahrtfeier von Harvard im Jahr 1936: Als Roosevelt, der berühmteste Absolvent der Universität, auf dem Campus eintraf, protestierten Studierende, Fakultätsmitglieder und Alumni gegen den Besuch des Präsidenten und boykottierten die Veranstaltung. Wie Arthur Schlesinger Jr., ein weiterer namhafter Absolvent, formulierte: In den 1930er Jahren sei Harvard »ein Kokon« gewesen. Politische Einflussnahme und Regierungsberatung hätten in den Worten eines Historikers »nicht auf der Tagesordnung« gestanden.36 Friedrichs Konzeption von Elitebildung sah dagegen gerade eine enge Kooperation mit dem Staat vor. Während er an der sozialstaatlichen Ausrichtung 55

des New Deal weitgehend desinteressiert war, erkannte er schnell, dass der neuartige Aktivismus der US -Regierung und der gewaltige Ausbau des Staatsapparates einer solchen Kooperation ungekannte Möglichkeiten eröffneten. Zuverlässige Beamte, ausgebildet an akademischen Eliteinstituten, betrachtete er als Schlüssel zu einer soliden, demokratischen Führung und ihrer weltweiten Verteidigung. In einer ausführlichen Studie für Regierungsvertreter griff Friedrich 1935 auf seine am InSoSta entwickelten Ideen zurück, um ein theoretisches Fundament für eine zeitgemäße amerikanische Verwaltung zu schaffen. Die dramatische Ausweitung staatlicher Befugnisse während des New Deal wertete er als Bedrohung der Demokratie: Durch die Einsetzung zahlloser neuer Sozialprogramme, Planungsstellen und staatlicher Einrichtungen habe sich der Präsident demnach nahezu diktatorische Vollmachten verschafft. Gleichzeitig böte diese Fülle an neuen Staatsorganen allerdings »verantwortungsbewussten« Eliten die Chance, einen Beitrag zur Verteidigung der Demokratie zu leisten: Gut ausgebildete Verwaltungsbeamte könnten die neuen Programme überwachen, um sicherzustellen, dass sie dem Allgemeinwohl dienten, und als umsichtige Führungsschicht die Demokratie vor den unverantwortlichen Massen und ihren politischen Repräsentanten schützen. Nicht gewählt und daher von Sonderinteressen abgeschirmt, könnten sie eine für öffentliche Maßnahmen so wichtige »neutrale« Perspektive einnehmen.37 Mit demselben Eifer wie in der Weimarer Zeit predigte Friedrich, dass der Weg zur Hervorbringung einer solchen Elite in der Neugestaltung des akademischen Lebens bestehe. Dazu sollten die Vereinigten Staaten einen Blick über den Atlantik auf das europäische »staatlich geförderte Schul- und Universitätswesen« werfen, das diesem Ziel entgegenkomme. Das von privaten Einrichtungen »dominierte« amerikanische Bildungssystem befinde sich gegenüber Europa im Rückstand, da es nicht in Rechnung stelle, dass der stetig wachsende Bedarf an einer Expertise in Verwaltungsbelangen letztlich eine gegenseitige Abhängigkeit von Staat und Universitäten mit sich bringe. Moderne amerikanische Universitäten sollten ihre Rolle in der Gesellschaft daher überdenken und sich auf die Ausbildung verantwortungsvoller Beamter konzentrieren, während die Regierung mehr in akademische Einrichtungen investieren müsse. Einen Beweis dafür, dass die demokratische Gesellschaft ohne eine solche Verzahnung zusammenbrechen und durch eine gewalttätige Diktatur verdrängt werden könne, sah er in der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Nur umsichtige Verwaltungskräfte besäßen die Macht zu verhindern, dass die »diabolischen« Kräfte der Politik »die rechtlichen Fundamente des Landes zerstören«.38 Wissenschaftler, Staatsvertreter und Stiftungen, die den New Deal unterstützten, fanden in Friedrichs Überlegungen hilfreiche Ansätze für den Um56

gang mit der schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise. Sein Leitbild einer nicht gewählten, aber verantwortungsbewussten Führungsschicht wurde von vielen geteilt, die eine starke Ausweitung der Regierungsbefugnisse und zentralisierte Planung angesichts der schwierigen ökonomischen Lage für unumgänglich hielten. Friedrichs Theorie begründete, warum das Wirken einer solchen Elite demokratische Prinzipien nicht etwa verletze, sondern stärke, und bot außerdem denjenigen neue Argumente, die in der Zusammenarbeit von Universitäten mit der Regierung keine unlautere Parteilichkeit oder Einschränkung akademischer Freiheiten erkennen konnten. Viele stimmten mit ihm überein, dass die nationalsozialistische Zerstörung der Weimarer Republik nur die dringende Notwendigkeit bewies, die Kooperation zwischen Universitäten und demokratischen Regierungen zu fördern. Stacy May, eine führende Mitarbeiterin der Rockefeller Foundation, teilte Friedrich in einem Schreiben mit, dass die Stiftung großes Interesse daran habe, die von ihr in Heidelberg mitaufgebauten Programme in den Vereinigten Staaten einzuführen. Wie Friedrich war sie der Überzeugung, dass die »aktive Kooperation von Personen mit akademischer Erfahrung und den staatlichen Vertretern, die mit Problemen praktisch befasst sind, für beide Seiten von Nutzen sein sollte«.39 Die Mischung aus neuartigen institutionellen Ansätzen und sozialem Elitismus, die Friedrich empfahl, stieß somit rasch auf Interesse bei Vertreterinnen und Vertretern der Regierung und Stiftungen, die neue Formen der Zusammenarbeit mit der akademischen Elite suchten. Als Erster trat dabei Otis Wingo hervor, der 1933 in Washington, D. C., mit der National Institution of Public Affairs ein Privatinstitut für die Ausbildung höherer Beamter gründete. Wie er berichtete, wurde sein Aufruf zur akademischen Ausbildung dieser Schicht weithin »mit Verwunderung« aufgenommen; so hatte er zu­ mindest in Friedrich einen seiner wenigen Verbündeten gefunden.40 Diesen holte er 1934 in ein Beratungsgremium der Roosevelt-Administration: Zwei Jahre lang leitete Friedrich die Commission of Inquiry on Public Service Personnel, die den Social Science Research Council, eine unabhängige Einrichtung, die Forschungsarbeiten mit Nutzen für die Regierung förderte, ins Leben gerufen hatte. Die Mitgliederliste der Kommission – der ersten dieser Art in der amerikanischen Geschichte  – zeugte von Roosevelts Drängen, Intellektuelle und Akademiker in den öffentlichen Sektor zu holen. Neben Friedrich und Wingo zählten zu ihnen auch L. D. Coffman, Präsident der University of Minnesota, und Louis Brownlow, der das Chicagoer Forschungsinstitut Public Administration Clearing House leitete. Nachdem sie in verschiedenen Städten Anhörungen abgehalten hatte, entwarf die Kommission neue Ausbildungsprogramme für Verwaltungskräfte und bot sie Universitäten an, die so das geeignete Personal hervorbringen sollten, um der Regierung 57

in der Ära der Großen Depression »wissenschaftliche« und »rationale« Verwaltungsmaßnahmen zu ermöglichen.41 Während Princeton, Yale und andere Eliteuniversitäten wenig Interesse an den Plänen der Kommission zeigten, entstand in Harvard durch Friedrichs Vermittlung ein erster Ort für eine solche Zusammenarbeit. Im März 1934 schlug Friedrich der Universität vor, ein Institut für öffentliche Verwaltung zu gründen, dessen Konturen denen des InSoSta glichen: Politische Theoretiker sowie Vertreter des Staates und der Rockefeller Foundation sollten gemeinsam die Ausbildung von Männern und Frauen für »verantwortliche Positionen im öffentlichen Leben« gewährleisten. Als spätere Arbeitsfelder der Absolventinnen und Absolventen nannte Friedrich gegenüber den Stiftungen die Verwaltung des Bundes, der einzelnen Staaten und der Kommunen, legislative Organe und Strafvollzugsbehörden, Handelsverbände sowie Zeitschriftenund Zeitungsredaktionen – sie sollten die zukünftige verantwortliche Elite der Vereinigten Staaten bilden. Trotz starker Einwände im Universitätsrat bot Harvard im Januar 1935 schließlich einen neuen Studiengang für den öffentlichen Dienst an. Die Studierenden  – darunter Gewerkschafter, Verwaltungskräfte und junge College-Absolventen  – belegten drei Jahre lang Seminare bei Friedrich, hörten Vorlesungen von Politikern aus Massachusetts und erhielten eine praktische Ausbildung in öffentlichen Institutionen wie Bau- und Justizbehörden. Die Rockefeller Foundation schloss sich der Initiative kurz darauf an und sagte zu, den Studiengang fünf Jahre lang zu fördern. Auf diese Weise bauten Friedrich und die Stiftung praktisch das InSoSta in Neuengland wieder auf.42 Das Zusammenwirken von Privatvermögen und politischem Interesse ließ aus Friedrichs vielversprechenden Experimenten in kurzer Zeit eine bedeutende Institution werden. Im November 1935 unterstützte Lucius Littauer, ein Handschuhfabrikant und ehemaliger republikanischer Kongressabgeordneter, das Institut überraschend mit einer Spende von zwei Millionen Dollar. Littauer war der Überzeugung, wenn Harvard ein Graduiertenprogramm für den öffentlichen Sektor einrichte, biete dies »am ehesten die Aussicht zu verhindern, dass neuartige Experimente in Regierung und Verwaltung zu Katastrophen führen«, wie er mit Blick auf die Expansion des Staates und die Stärkung der Gewerkschaften unter dem New Deal meinte. In Friedrichs Konzepten erkannte Littauer den Schlüssel dafür, den Tatendrang der Regierung zu Sozialmaßnahmen in die Stärkung von Eliteinstitutionen fließen zu lassen. Nachdem der Rat der Harvard University aufgrund von Bedenken, die Beziehungen zur Regierung auszubauen, ein ganzes Jahr lang über den Vorschlag debattiert hatte, gab schließlich die politische Entwicklung den Ausschlag. Der Erdrutschsieg, mit dem Roosevelt 1936 als Präsident wieder58

gewählt wurde, überzeugte das konservative Gremium davon, dass Littauer Recht hatte: Der New Deal ließ sich nur durch eine Kooperation mit der Bundesregierung eindämmen. Im Dezember 1936 gab Harvard die Gründung einer Graduate School of Public Administration bekannt und ernannte Friedrich zu ihrem Leiter. Wie Universitätspräsident James Conant ausführte, war »das Projekt, ein Ausbildungsprogramm für den öffentlichen Dienst auf Graduiertenniveau anzubieten, etwas gänzlich Neues. Erfolgreiche Vorbilder, die uns dabei Orientierung bieten könnten, sind in diesem Land nicht vorhanden und in anderen Ländern rar gesät.« Wissenschaftler, Politiker und Mäzene wie Littauer und die Rockefeller Foundation betraten mit der Gründung des Kollegs Neuland. Harvard öffnete seine Pforten für die Bundesregierung.43 Ironischerweise führte das Programm, von dem sich Harvard eine Zügelung des expandierenden Staatsapparates erhofft hatte, zu einer immensen Erweiterung von staatlichen Eingriffen in Wirtschaft und Gesellschaft. Tatsächlich unterstützte niemand Friedrichs demokratisch-elitäres Bildungskonzept stärker als die US -Regierung. Wie zuvor in Weimar erkannten auch amerikanische Politiker und Beamte, dass ein solches Bildungswesen die seltene Gelegenheit bot, die Elite des Landes in den Machtbereich des Staates hineinzuziehen. Aus diesem Grund strömten hochrangige Regierungsvertreter aus Boston, New York und Washington nach Harvard, um das neue Graduiertenkolleg mitzugestalten. Roosevelts einflussreicher Finanzminister Henry Morgenthau arbeitete am Lehrplan über Bundesausgaben mit, sein Staatssekretär Rosewell Magill stellte Überlegungen zu Mängeln im existierenden Steuerwesen vor. Zu ihnen gesellten sich Felix Frankfurter, Richter am Obersten Gerichtshof, der rechtswissenschaftliche Vorträge hielt, der Journalist Walter Lippmann, Henry Parkman aus dem Außenministerium – der spätere Chef der amerikanischen Zivilverwaltung in Deutschland sowie einer der engsten Mitarbeiter Friedrichs – und Dutzende weitere Akademiker, Politiker, Juristen und Wirtschaftsvertreter. Sie, Frauen und Männer, und die Sponsoren, die ihre Zusammenarbeit mit Friedrich förderten, betrachteten die gewaltige Ausweitung der staatlichen Macht als ein bleibendes Merkmal der modernen Politik und das akademische Bildungswesen als das geeignetste Instrument für ihre bewusste Steuerung.44 Um die Studierenden, die in den späten 1930er Jahren an das Kolleg kamen, auf ihre zukünftige Führungsrolle vorzubereiten, wurden sie gründlich politisch geschult. Wie Friedrich betonte, waren Kenntnisse in politischer Theorie »für viele Stellen im Staatsapparat von wesentlicher Bedeutung«. Das Kolleg ziele nicht darauf, »technische Experten für bestimmte Zweige des öffentlichen Dienstes auszubilden«, sondern solle »solide Grundkenntnisse der grundlegenden Prinzipien und Probleme« des öffentlichen Lebens 59

vermitteln.45 Deshalb mussten die Studierenden viele Seminare über Politik, Recht und Geschichte belegen und regelmäßig nach Washington fahren, um in Gesprächen mit Senatoren, Beamten und Beratern der Bundesregierung einen umfassenden Einblick in die Regierungsfunktionen zu gewinnen. Am Ende des Jahrzehnts konnte die Rockefeller Foundation zufrieden feststellen, dass das neue Kolleg in Harvard noch mehr landesweiten Einfluss genoss als seinerzeit das InSoSta in Deutschland. Seine Absolventinnen und Absolventen bekleideten später Stellen im Landwirtschafts-, Handels-, Außen- und Finanzministerium, in der Tennessee Valley Authority, der Bundesjugendbehörde, der Verwaltung der Nationalparks, dem Vorstand der Zentralbank Federal Reserve, im Militär, im Aufsichtsgremium für Arbeitsbeziehungen (Labor Relations Board)  und in der Sozialbehörde des Bundesstaates New York sowie der Kommission zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit in Michigan; sie leiteten Wirtschaftskollege im Mittleren Westen, wurden Anwälte und Journalisten bei so bedeutenden Zeitschriften wie The Nation. Kurzum: Inner- wie außerhalb des Staates fanden sie Positionen im Gefüge der Demokratie. Gemessen an dem Auftrag, Eliteuniversitäten in die demokratische Ordnung zu integrieren, war das Kolleg in den Worten eines Vertreters der Rockefeller Foundation »ein gewaltiger Erfolg«.46 Bemerkenswert ist, dass Friedrich und seine Mitstreiter in einer von Massenarbeitslosigkeit und Armut geprägten Zeit den Hauptfeind der Demokratie nicht in sozialem Elend, sondern in politischer Instabilität ausmachten. Anders als einige Anhänger des New Deal hatten sie nicht im Sinn, die grundlegenden Normen des Kapitalismus infrage zu stellen oder das Verhältnis zwischen Bürgerinnen, Bürgern und Regierung neu zu gestalten. Im Gegenteil: Die potenziell einschneidenden Folgen bestimmter Maßnahmen der Roosevelt-Administration, etwa die Anerkennung von Gewerkschaften und der Ausbau des Sozialstaats, sollten gerade eingedämmt werden. Die neuen Programme in Harvard zielten somit gleichermaßen auf die Konservierung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status quo wie auf seine Veränderung; ihre Absolventen sollten die sozioökonomischen Hierarchien und die existierende Klassenschichtung nicht kritisieren, sondern festigen und verwalten. Ihr Auftrag bestand in vielerlei Hinsicht darin, radikalen Kräften Schranken zu setzen. Anstatt politische Institutionen stärker für die Partizipation der Bevölkerung zu öffnen, galt es, sie vor unverantwortlichen Personen zu schützen. Wie bereits in der Weimarer Republik sollten die von Friedrich und seinen Kollegen betreuten Studierenden eine primär ordnungsstiftende Rolle ausüben. Obwohl die neue Achse zwischen Universitäten, Staat und privaten Sponsoren spezifische Probleme der Vereinigten Staaten in den Blick nahm, bot sie 60

auch Experten aus Europa eine Chance. Friedrich hielt die erfolgreiche Integration europäischer Wissenschaftler in die amerikanischen Universitäten für wesentlich, um die für Aufbau und Führung seiner Vorstellungen von bündischer Demokratie erforderliche verantwortungsvolle Verwaltung zu schaffen. Mit Unterstützung der Rockefeller Foundation sah er in der amerikanischen Kopie des InSoSta zudem eine Möglichkeit, verfolgten und geflüchteten deutschen Wissenschaftlern zu helfen, die durch das neue Graduiertenkolleg in vielen Fällen tatsächlich Zugang zur akademischen Welt in den Vereinigten Staaten bekamen. Zu den zahlreichen europäischen Emigranten und Gastwissenschaftlern, die im Lauf der Zeit seine Fakultät vergrößerten, zählten Alfred Oppler, ein ehemaliger Richter am Preußischen Oberverwaltungsgericht, der später im US -Kriegsministerium arbeitete und die japanische Nachkriegsverfassung mitentwarf, der schwedische Politiker Nils Herlitz und der ungarische Politiker Joseph Vcsekloy. Der bekannteste von ihnen war der ehemalige erzkonservative Reichskanzler Heinrich Brüning, der nach 1933 ins amerikanische Exil gegangen war und eine Professur in Harvard erhalten hatte, wo er sich als einer der wichtigsten Politikdozenten des Kollegs betätigte. Friedrich hatte Brünings protodiktatorischen Kurs und seinen wirtschaftspolitischen Austeritätskurs in den frühen 1930er Jahren zwar missbilligt, lernte ihn nun jedoch als hochintelligente Führungskraft schätzen; kurzzeitig planten die beiden sogar, eine offizielle deutsche Exilregierung zu gründen und gegen das »Dritte Reich« in Stellung zu bringen. Die Expansion von Harvard in den Bereich der öffentlichen Verwaltung schuf somit neue Räume für europäische Emigranten in der amerikanischen Politik. Sie verschaffte ihnen einen Zugang zu Regierungsvertretern, den sie zehn Jahre früher nur in seltenen Ausnahmefällen genossen hatten.47 Diese Verwischung der Grenzen zwischen Universitäten und Staat bereitete einer gänzlich neuartigen Zusammenarbeit den Boden, die der Zweite Weltkrieg weiter vorantrieb. Als die Vereinigten Staaten im Dezember 1941 in den Krieg eintraten, wurden Universitäten wie Harvard ein unverzichtbares Element der Kriegsführung. Die US -Regierung beschäftigte Wissenschaftler nicht nur zur Entwicklung neuer Waffen wie Napalm oder der Atombombe, sondern auch aufgrund ihrer Kenntnisse von Sprachen, Gesellschaften, Regierungssystemen und Institutionen feindlicher Staaten. Anders als europäische Imperien, die über Jahrzehnte hinweg einen umfangreichen Apparat zur Produktion solchen Wissens aufgebaut hatten, verfügte sie nur über wenige Personen mit umfangreichen Sprach- und Fachkenntnissen von ausländischen Kulturen. Dies galt vor allem für Asien, besonders für China und Japan, aber auch für Europa. In Harvard warb das Kriegsministerium deshalb Hunderte von Geistes- und Sozialwissenschaftlern an, die sowohl in Washington 61

wie auch auf ihrem Campus Geheimdienstinformationen auswerteten, in die Propaganda eingebunden waren oder die Nachkriegspolitik planten. Zudem stellte die US -Regierung Millionenbeträge für Forschungsprojekte bereit, mit denen die Universitäten ihre diplomatischen, militärischen und gesellschaftlichen Planungen unterfüttern sollten. Diese Bundesmittel setzten die Universitäten unter starken Druck, neue Lehrpläne zu entwickeln und den Fokus ihrer Forschung und Publikationen zu verschieben; sie förderten eine symbiotische Beziehung zwischen ihnen und dem Staat, einschließlich des Militärs, und die Prioritäten der Regierung und wissenschaftlicher Forschungsagenden überschnitten sich wie nie zuvor: »Harvard war derart tief in die Kriegsanstrengungen einbezogen, dass sich kaum ausmachen ließ, wo die Befugnisse der Regierung endeten und die der Universität anfingen.«48 Allerdings war der Krieg nicht die Ursache dieser Umwälzung des Universitätswesens, sondern lediglich ein Katalysator für Prozesse und Entwicklungen, die bereits in den Jahrzehnten zuvor am InSoSta und in Harvard entstanden waren. Dass die Personen, die Harvards Kriegseintritt vollzogen, dieselben waren, die zuvor die Ausbildungsprogramme für die öffentliche Verwaltung aufgebaut hatten, war kein Zufall. Nach jahrzehntelangen Bemühungen, Universitäten und Staat in der Verteidigung des demokratischen Bundes zusammenzuführen, waren Friedrich, Harvard-Präsident James ­Conant und die sie fördernden Vertreter der Rockefeller Foundation sofort in der Lage, auf die Erfordernisse der Kriegsmobilisierung zu reagieren. Keine Institution verkörperte diese langjährigen Kontinuitäten besser als Friedrichs ehrgeizigstes Bildungsprojekt: die Harvard School for Overseas Administration (HSOA). 1942 gegründet, bereitete sie Hunderte von Diplomaten und Militärs auf ihre Aufgaben in der Nachkriegszeit vor. Friedrich war ihr Direktor und als sein Stellvertreter fungierte der Harvard-Soziologe Talcott Parsons, der in den 1920er Jahren ebenfalls bei Alfred Weber studiert hatte. Wie Friedrich gegenüber dem Kriegsministerium erläuterte, bestand die Aufgabe der HSOA darin, »intensive Forschungs- und Studienprogramme zu bestimmten Regionen zu entwickeln, unter besonderer Berücksichtigung der Ausbildungserfordernisse jener Amerikaner, die im Zuge des Krieges im Ausland kämpfen, sowie der Aufgaben, mit denen Amerika nach dem Krieg weltweit konfrontiert sein wird«.49 So befassten sich Diplomaten und Militärs während der Kriegsjahre mit der Politik, Sprache, Geografie, Geschichte, Wirtschaft und Kultur der Länder, die sie wenig später besetzen sollten, und mit Methoden ihres demokratischen Neuaufbaus. Emigranten aus Europa und ehemalige Missionare aus Asien halfen bei Planungen für den Aufbau von zivilen Verwaltungsstrukturen, Nahrungsmittelversorgung und Rechtssystemen. Diese Programme brachten detaillierte Pläne für die Beherrschung 62

fremder Länder hervor und ihre Absolventen dienten später als Besatzungsoffiziere in Frankfurt, Tokio und Rom.50 Wie bereits die School of Public Administration ging auch die HSOA über die Vermittlung technischer Kenntnisse weit hinaus. In anspruchsvollen Seminaren über politische Theorie versuchte sie, den zukünftigen Eliten die Werte eines auf Konsens gegründeten Regierens zu vermitteln. Unter Friedrichs Leitung mussten die Studierenden bei den deutschen Emigranten Arnold Brecht, Karl Loewenstein, Heinrich Brüning und Paul Tillich etliche Seminare und Vorlesungen über »die institutionellen Strukturen« in Deutschland, »nationalsozialistisches und demokratisches Recht«, die »Organisation von Glaubensgemeinschaften«, »protestantisch-katholische Beziehungen« und »Staat und Kirche« belegen. Alle Einführungsvorlesungen über politische Ideologien, Liberalismus, Konservatismus und die Ursprünge der Demokratie hielt Friedrich selbst. Dabei schien niemandem aufzufallen, dass das Selbstverständnis der HSOA von einem offenkundigen Widerspruch geprägt war: Während sie einerseits ein spezifisches Wissen über die eigenständigen Kulturen anderer Länder zu vermitteln suchte, ging sie andererseits davon aus, dass Demokratie universell gültig, von oben durchsetzbar und für alle Länder und Kulturen geeignet sei. Als zuverlässige Eliten im Auftrag der bündischen Demokratie sollten ihre Absolventen die Mission der Verwaltungsakademie von Amerika nach Deutschland, Italien und Japan tragen. Auf diese Weise weitete sich die Theorie der verantwortungsbewussten Eliten nahtlos von der nationalen auf die internationale Sphäre aus. Die HSOA wirkte daran mit, die Fundamente der globalen US -Hegemonie zu errichten.51 Im Lauf des Krieges wurde Harvards Verwaltungsakademie zum Modell für ähnliche Kooperationsprojekte auf anderen Campussen. In Michigan, Virginia und New York schufen die an ihrer Gründung beteiligten Wissenschaftler, Militärs und Vertreter der Rockefeller Foundation Einrichtungen, die sich eng an die Lehrpläne, Aufgaben und Ausbildungskonzepte der HSOA anlehnten. Um diese Expansion zu koordinieren, lud die Foundation im Sommer 1943 Vertreter von 16 Colleges und Universitäten sowie Regierungsbeamte und Militärs zu einer Konferenz in Washington, D. C., ein, auf der entschieden wurde, die Lehrpläne der HSOA zur Grundlage für ein Dutzend weiterer Einrichtungen im Land zu machen. Auf diese Weise erhielten bis 1944 mehrere Tausend Diplomaten und Militärs eine Fortbildung an akademischen Einrichtungen. Friedrichs Bildungsgedanke wurde in der Kriegszeit Konsens.52 Die pädagogischen, institutionellen und theoretischen Konzepte dieser Bildungseinrichtungen wurden zwar häufig als Innovation begrüßt, in Wirklichkeit aber waren sie inhaltlich wie personell nur eine Fortsetzung früherer 63

Initiativen. Wie bereits das InSoSta baute die HSOA auf einem zutiefst elitären Verständnis des demokratischen Staates auf. Wissenschaftler sollten Beamten Kenntnisse vermitteln, damit diese – ohne gewählt worden zu sein oder öffentlicher Kontrolle zu unterliegen – demokratische Institutionen schützen konnten. »Gewöhnliche« Bürger kamen in Friedrichs Vision praktisch nicht vor. Höhere Bildung sollte nicht die soziale Mobilität fördern, sondern Führungskräfte auf ihre praktischen Aufgaben vorbereiten – dass die HSOA an der elitärsten Universität des Landes angesiedelt wurde, ist insofern nicht überraschend. Diese Ausrichtung auf Stabilität und soziale Hierarchien war es aber gerade, die Friedrich die Möglichkeit gab, an der Transformation des amerikanischen Universitätswesens mitzuwirken. Als der New Deal und der Zweite Weltkrieg Harvard unter beispiellosen Druck setzten, trugen seine Gedanken zur staatlich-akademischen Zusammenarbeit bei, ohne an den Fundamenten der politischen, ökonomischen und sozialen Hierarchien zu rütteln. Die vom Zweiten Weltkrieg hervorgebrachte Universität lehnte sich stark an das InSoSta an. Anders als der Heidelberger Vorläufer wurde die HSOA durch die Große Depression jedoch zum Motor einer gewaltigen Mobilmachung.

Universitäten im Kalten Krieg: »Verantwortungsbewusste Eliten« in Amerika und Deutschland Während der New Deal und der Zweite Weltkrieg es Friedrich ermöglichten, die US -Universitäten für den Staat und seine Idee des demokratischen Bundes zu mobilisieren, war es der Kalte Krieg, der diese Kooperation auf Dauer sicherstellte. Als die sowjetische Macht und die Gefahr einer kommunistischen Unterwanderung ein permanentes Bedrohungsgefühl unter Diplomaten, Politikern und Akademikern erzeugten, prägte der Kalte Krieg die amerikanischen Universitäten tief und nachhaltig. So kam es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht etwa zu einer Demobilisierung des Bündnisses von Akademikern, Privatstiftungen und Staatsvertretern, sondern zu einem Ausbau. Zur Beamtenausbildung und zur Stärkung der Kenntnisse und Qualifikationen, die der Kampf gegen den Feind und das Verständnis von den eigenen Verbündeten im Kalten Krieg erforderten, wurden neue Studienfelder, Fremdsprachenprogramme, Institutionen und akademische Lehrpläne entworfen. In den Bibliotheken und Seminarräumen von Harvard und anderen Universitäten entstand eine Flut von Studien, die die amerikanischen Studenten mobilisieren und Diplomaten in Europa, Asien und anderen Regionen als Leitfaden 64

für den Umgang mit der kommunistischen Expansion dienen sollten. Die US -Regierung unterstützte dies nachdrücklich, indem sie Millionenbeträge für neue Lehrangebote, Sprachkurse und Forschungsprojekte bereitstellte. Akademiker und Intellektuelle, die politisch relevantes Wissen produzierten, erhielten beträchtliche Fördermittel, Zugang zu vertraulichen Informationen und oftmals Stellen im Staatsapparat. Der weltweite Kampf gegen den Kommunismus zementierte die neue Rolle von Universitäten als Triebkräfte der Mobilmachung im eigenen Land, des Dienstes am Staat und einer entschlossenen Diplomatie. Die Historikerzunft hat diese neue institutionelle Konstellation später »Cold War University« getauft.53 Weniger beachtet wurde allerdings, dass diese Form der Universität keine amerikanische Besonderheit war: Die früheren Projekte des InSoSta und der Harvard University wurden nicht nur in den USA auf breiter Front fortgeführt, sondern sie avancierten auch beim Wiederaufbau Deutschlands zu einem wichtigen Modell, vorangetrieben erneut von Friedrich und anderen Angehörigen der »Weber-Schule«. Als die US -Besatzungsbehörden den Neuaufbau der Universitäten angingen, strömten Dutzende von Bildungsexperten und Stiftungsvertretern auf die deutschen Campusse. Die Rückkehrer machten den alten Gedanken einer die bündische Demokratie verteidigenden Verwaltungsschicht zur Grundlage neuer Bildungsprogramme. Mit umfangreicher amerikanischer Unterstützung wurde die bewährte Zusammenarbeit von Staat, Privatstiftungen und Universitäten erneut zum Vorbild für das deutsche Universitätswesen, wobei sich nationale Geistestraditionen mit Friedrichs hierarchischer und rigider Konzeption einer dem Kalten Krieg angemessenen demokratischen Ordnung verbanden. Unter amerikanischer Ägide kehrte das InSoSta aus dem Exil zurück, um beim Wiederaufbau Deutschlands eine zentrale Rolle einzunehmen. Harvard im Kalten Krieg Mehr als jede andere Universität reagierte Harvard auf den Kalten Krieg mit einer Ausweitung der im Zweiten Weltkrieg erprobten Zusammenarbeit mit Staat und Stiftungen. Auch wenn andere akademische Institutionen mehr öffentliche Fördergelder erhielten, war Harvard der entscheidende Motor einer gemeinsamen staatlich-akademischen Politik. Präsident James Conant betrachtete die vorhergehenden Experimente seiner Universität bei der Beamtenausbildung und der Beteiligung an der Landesverteidigung als richtungsweisend für ihren Auftrag in der Nachkriegssituation. »Der Hauptauftrag des amerikanischen Bildungssystems«, erklärte er in einem Reformkonzept, 65

»besteht heute nicht darin, jungen Männern aus den besten Familien des Landes einen Sinn für das ›gute Leben‹ zu vermitteln. […] Unsere Aufgabe ist es, bei der größtmöglichen Zahl unserer heranwachsenden Bürger einen Sinn sowohl für die Pflichten als auch für die Vorteile zu wecken, die sie als Amerikaner und freie Menschen haben.« Für Conant und zahllose andere Wissenschaftler und Politiker stellte der Kalte Krieg die Widerstandsfähigkeit der amerikanischen Bevölkerung und ihre Verpflichtung auf demokratische Institutionen und Normen auf den Prüfstand. Es war nicht auszuschließen, dass kommunistische Propaganda, Einflussnahme und Unterwanderung eine mangelnde Wertschätzung der Vorzüge und Werte der Demokratie innerhalb der Bürgerschaft ans Licht bringen würden. Einen solchen Verlust an nationaler Willensstärke stilisierten Politiker wie Wissenschaftler zu einer der größten Gefahren des Kalten Krieges. Universitäten konnten jedoch durch Seminare und Vortragsveranstaltungen ein gleichermaßen aufgeklärtes wie entschiedenes Bekenntnis zu den demokratischen Institutionen und Amerikas globaler Mission fördern. Sie sollten bei der Herstellung eines breiten Konsenses die Vorhut bilden.54 Dieser erneuerte Glaube an die einzigartige Rolle und Verantwortung des Landes förderte nicht nur die Bereitschaft innerhalb der amerikanischen Gesellschaft, den Kalten Krieg zu führen, sondern auch die Herausbildung der internationalen US -Hegemonie. Harvard baute seine Seminare über internationale Politik und ausländische Kulturen drastisch aus und rückte dabei Wissen in den Vordergrund, das die Studierenden auf ihren Beitrag zur Eindämmung des globalen Kommunismus vorbereitete. Diplomaten wie Paul Nitze und George Kennan statteten der Universität häufig Besuche ab, um den akademischen Nachwuchs kennenzulernen und nach vielversprechenden Kandidaten für das Auswärtige Amt Ausschau zu halten. Die Ausbildung von Funktionsträgern wurde zur treibenden Mission der Eliteuniversität und auch ihre Forschungsprogramme waren nun von einer beständigen Indienstnahme akademischer Kompetenzen durch den Staat geprägt. Wie Columbia, Yale und andere Universitäten führte auch Harvard das Fach »Regionalstudien« (area studies) ein, das sich thematisch an nationalen Sicherheitsinteressen orientierte. In Fortführung der Arbeit der HSOA und gefördert von Stiftungen, wurde sich der Kultur, Gesellschaft und Politik anderer Länder gewidmet. Im Mittelpunkt stand dabei die Sowjetunion, deren Strukturen und Geschichte mit fieberhaftem Eifer erforscht wurden. Die wachsende Überzeugung, dass der Kalte Krieg ein globaler Kampf sei, in dem alle Länder potenzielle Schlachtfelder darstellten, führte allerdings zu einer explosionsartigen Zunahme der Produktion von Studien, Berichten und Schaubildern über die kommunistischen Regime in Europa, die wirtschaftliche Entwick66

Abb. 1: Carl J. Friedrich an der Harvard University (Datum unbekannt). Harvard stand exemplarisch für Friedrichs Leitbild der Elitebildung und für die Cold War University. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Su Friedrich.

lung Asiens und soziale Bewegungen in Lateinamerika und Afrika. Die Cold War University generierte ein Wissen, das für die Außenpolitik der USA immensen Wert besaß.55 Mit seiner Theorie gewann Friedrich in diesem Umfeld enormes Gewicht (Abb. 1). An nationaler Stärke und internationalen Kenntnissen interessiert, schätzten Wissenschaftler und Staatsvertreter seine Gedanken ebenso wie seine praktischen Erfahrungen mit dem Aufbau von Studienprogrammen. Wie viele Fakultätsangehörige Harvards, die die kommunistische Idee der Abschaffung aller gesellschaftlichen Hierarchien als illusorisch ablehnten und 67

gerade im kommunistischen Machtbereich das genaue Gegenteil verwirklicht sahen, legte Friedrich nach dem Zweiten Weltkrieg vehement antikommunistische und antisowjetische Überzeugungen an den Tag. In seinen Augen war die Sowjetunion ein tyrannisches Regime, das die gesamte Welt versklaven wollte; ihre Führer zielten auf die Abschaffung jeder Gewaltenteilung und der bündischen Demokratien ab. Für Friedrich waren die Sowjetunion und der gesamte Kommunismus eine Ausgeburt der Massengesellschaft. Mit dem Versuch, eine soziale Utopie durchzusetzen, befeuerten die Kommunisten seiner Ansicht nach eben jene »diabolischen« Kräfte der Massenpolitik, die verantwortungsvolle Eliten zu bändigen hätten. In dieser dichotomen Vorstellungswelt, die das gesamte politische Universum in Demokratien und deren Todfeinde unterteilte, blieb für Koexistenz kein Raum. Im Kampf gegen den Kommunismus ging es nicht bloß um die sicherheits- oder geopolitischen Interessen Amerikas. Es war auch ein Ringen mit Schwachstellen der eigenen Gesellschaft, die antidemokratische Kräfte ausnutzen konnten, und somit ein Kampf gegen die Zerstörung der bündischen Demokratie.56 Friedrichs politische Theorie mit ihren christlich-eschatologischen Zügen kam zudem einem Verständnis des Kalten Krieges als religiösem Kampf entgegen. Wie bereits vor 1939 konnte er sich eine legitime säkulare Politik schlechterdings nicht vorstellen; Atheismus setzte er automatisch mit brutaler Versklavung gleich. Kommunisten waren nicht nur Antidemokraten, sondern auch Atheisten und somit auf die Zerstörung der Zivilisation aus. Ausgehend von Überzeugungen aus der Weimarer Ära behauptete Friedrich, dass Amerika eine breite christlich-demokratische Allianz verteidige, die auf Althusius’ bündischer Ordnung beruhe. Die Erfahrung der Zusammenarbeit mit der US -Regierung im Kampf gegen Nazideutschland untermauerte seine Auffassung, dass Amerika die Schutzmacht eines »gemeinsamen religiösen Erbes der modernen Zivilisation« sei. Die Vereinigten Staaten müssten daher nicht nur sich selbst, sondern auch die westliche Zivilisation und die gesamte Menschheit gegen das Gespenst des Kommunismus verteidigen. Wenn sich an Friedrichs Denken im Zweiten Weltkrieg und frühen Kalten Krieg etwas änderte, dann dahingehend, dass er nun nicht mehr allein den Protestantismus, sondern auch den Katholizismus und das Judentum der religiös-­demokratischen Ordnung zurechnete. Seine Begegnungen mit jüdischen und katholischen Deutschen, die vor den Nazis geflohen waren, und die Gewalt des nationalsozialistischen Antisemitismus brachten ihn zu der Überzeugung, dass die Demokratie dem Protestantismus ebenso wie einer weiter gefassten »judäo-christlichen« Tradition entsprungen war. Der Kampf gegen die Sowjetunion war daher »ein gigantischer Kampf […] um das geistige Schicksal der Welt«. Die Vereinigten Staaten hatten »das Recht und die Pflicht, 68

all jenen auf der Welt zu helfen, […] die den Kampf für die Ausweitung der Demokratie […] und für ein Reich des Friedens und des Himmels auf Erden führen«.57 Dieses Verständnis vom Kalten Krieg als totalem Konflikt, der politische, religiöse und geopolitische Implikationen hatte, bestimmte Friedrichs Bemühungen, die Programme in Harvard zu dauerhaften Einrichtungen zu machen. Alle wissenschaftlichen und institutionellen Ressourcen der bedeutenden Universität sollten in den Dienst des demokratischen Staates und des Feldzugs gegen den Kommunismus gestellt werden. Im Frühjahr 1946, nur Monate nachdem die HSOA ihre Arbeit eingestellt hatte, gründete Friedrich gemeinsam mit Kollegen in Harvard ein Komitee für internationale und regionale Studien. Die Initiative, der unter anderem Talcott Parsons, der Wirtschaftswissenschaftler Edward Mason und der Japan-Spezialist (und spätere Botschafter in Tokio) Edwin O. Reischauer angehörten, rief ein neues Studienprogramm ins Leben, um den »nationalen Bedarf an breit ausgebildeten Kräften, die aktuellen und künftigen Problemen gewachsen sind«, zu decken. Vorgesehen waren Seminare über internationale Wirtschaft, politische Beziehungen, Diplomatie und staatliche Verwaltung. Die Studierenden sollten über »neuere strategische, wirtschaftliche und staatsrechtliche Trends in der Weltgemeinschaft« unterrichtet werden, intensive Fremdsprachenkurse belegen, ferne Kulturen erforschen und Arbeiten über deren Geschichte anfertigen. Wie bereits die HSOA war das Programm ausdrücklich darauf ausgelegt, politischen Institutionen zuzuarbeiten. »Unsere Hoffnung ist es«, formulierte ein beteiligter Wissenschaftler, »Studenten auszubilden, die später sowohl in akademischen Kreisen als auch für die Regierungspolitik tätig sind«.58 Anfangs lag der Fokus des Programms auf China und Japan, zwei wichtigen Ländern, bei denen amerikanische Entscheidungsträger dringenden Wissensbedarf hatten. Friedrich, der mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein meinte, dass »alle politischen Begriffe und Geschichten im Grunde universell gültig sind«, entwarf den Lehrplan für beide Staaten, führte die entsprechenden Seminare durch und hielt außerdem Vorlesungen über kurz zuvor vom japanischen Imperium befreite Länder wie Korea und die Philippinen.59 Als die Konflikte mit der Sowjetunion über die Deutschlandpolitik zunahmen, wurde auch der kommunistische Rivale ein Thema. 1947 führte das Komitee ein umfassendes Programm für russische und sowjetische Studien ein, für das es Experten aus der Wissenschaft und den Nachrichtendiensten gewann und zusätzliche Stipendien für Sprachkurse bereitstellte. 1948 ging daraus das Russian Research Center hervor, eine der einflussreichsten US -Institutionen für das Studium der Sowjetunion. Es verzeichnete in den folgenden Jahren ein stetiges Wachstum, warb weitere Wissenschaftler und Diplomaten an 69

und organisierte eine Fülle von Vorträgen und Seminaren. Gefördert von der Rockefeller und später auch von der Ford Foundation analysierte es die Politik, militärischen Kapazitäten, kulturellen Maßnahmen und Strategien der Sowjetunion. Ziel dieser Forschungsagenda war, so ein Beteiligter, »die Haupttriebkraft der sowjetischen Außenpolitik zu bestimmen«. Mit einer Koalition aus Vertretern von Wissenschaft, Stiftungen, Politik und Geheimdiensten verkörperte das Russlandzentrum die Verwandlung der Harvard University in ein ständiges Organ des amerikanischen Staates; es stand exemplarisch für Friedrichs Leitbild der Elitebildung und für die Cold War University.60 Das immer deutlichere Heraufziehen des Kalten Krieges in Europa trieb diese Anstrengungen weiter voran. Nach dem kommunistischen Staatsstreich in der Tschechoslowakei 1948 und der Teilung Deutschlands in zwei feindliche Staaten 1949 wuchs das Interesse amerikanischer Politiker an Kenntnissen der europäischen Politik noch weiter. Auch die darauf folgende Spaltung des gesamten Kontinents in zwei militärische Blöcke, die NATO und den Warschauer Pakt, hatte zur Folge, dass US -Diplomaten mehr über Verbündete und Feinde in Europa wissen wollten. Friedrich leitete die Europa-Abteilung des Regionalstudienprogramms in Harvard und konzipierte Seminare über Großbritannien, Deutschland, Polen, Ungarn, Frankreich und Italien. Zusammen mit Brüning und anderen deutschen Emigranten, die bereits an der HSOA beteiligt gewesen waren, unterrichtete er amerikanische Diplomaten über die Geschichte der europäischen Politik und die effektivsten Maßnahmen zur Bekämpfung des Kommunismus. Diese Diplomaten reisten danach in die US -Botschaften in London, Kopenhagen, Frankfurt und Rom, wo sie zur Herstellung des westlich-antikommunistischen Bündnisses beitrugen.61 Ebenso wichtig wie die Diplomatenausbildung war die Wissensproduktion an der Cold War University. Friedrich und andere dirigierten enorme landesweite Projekte der Datensammlung und Analyse von Kulturen, Gesellschaften und politischen Systemen rund um den Globus und bereiteten ihre Forschungsergebnisse für US -Diplomaten auf. Das ehrgeizigste dieser Vorhaben hieß Human Relations Area Files (HRAF) und wurde 1948 unter Leitung des Yale-Anthropologen Clellan Ford begonnen: Zwölf führende amerikanische Universitäten teilten die Welt unter sich auf und erstellten dickleibige Bände mit Informationen und Analysen zu wichtigen Schauplätzen des Kalten Krieges. So untersuchte beispielsweise eine Gruppe von Historikern und Sozialwissenschaftlern an der University of Chicago Polen, Laos und Indien, ihre Kollegen in Stanford steuerten acht Bände über China bei, ein Team an der Indiana University produzierte detaillierte Studien über die Tschechoslowakei, Ungarn und Finnland, während in Cornell die Philip70

pinen erforscht wurden. Mit Fördergeldern der Carnegie Corporation und der US -Regierung belieferte das HRAF-Projekt die amerikanischen Diplomaten mit Dutzenden Büchern. Häufig wurden Kurzfassungen erstellt und als Hintergrundlektüre an Tausende Angehörige der US -Streitkräfte in Europa und Asien verteilt.62 Friedrich leitete die Beteiligung von Harvard am HRAF-Projekt. Unter seiner Aufsicht steuerte die Universität eine 646 Seiten umfassende, detaillierte Studie über die DDR bei – die Friedrich beharrlich nur »die Sowjetzone« nannte –, die basierend auf Diplomatenberichten und regulären Publikationen die Institutionen, Kulturpolitik und wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands sowie seine potenzielle militärische Stärke und geopolitische Bedeutung für die Sowjets analysierte. Wie Friedrich bemerkte, war es das ausdrückliche Ziel des Berichts, zu beurteilen, ob die Vereinigten Staaten einen Zusammenbruch des Regimes herbeiführen könnten. Durch anhaltenden Druck und auf die ostdeutsche Bevölkerung zugeschnittene Rundfunksendungen, so seine Einschätzung, würden »die meisten Institutionen des gegenwärtigen Regimes wie die Mauern Jerichos vor den Trompetenstößen der […] deutschen Demokratie einstürzen«. Auf die selbstverständliche Anziehungskraft und Überlegenheit eines demokratischen Systems vertrauend, gab die Studie Empfehlungen für wirtschaftliche Maßnahmen und Bildungsprogramme »zur Assimilation der Gesellschaft in der Sowjetzone an die westdeutsche Gesellschaft«. Die Studie war ein Dokument des demokratischen Wandels und der antikommunistischen Propaganda. Auch wenn Friedrich nie ein politischer Entscheidungsträger wurde, gehörte er als Autor zum intellektuellen Establishment im Kalten Krieg – und entsprechend wurde die von ihm geleitete DDR-Studie an die Mitarbeiter des US -Außenministeriums verteilt.63 Wie Harvards Verwaltungsakademie und die HSOA war die Cold War University kein Ort für Kritik. Ihre wissenschaftlichen Kompetenzen und die Fördermittel, die der Staat und Stiftungen für Regionalstudien aufbrachten, sollten nicht Stimmen zugutekommen, die die Legitimität von Amerikas neuer Führungsrolle im weltweiten Kampf gegen den Kommunismus infrage stellten, im Gegenteil: In einer Ära des ausgeprägten Antikommunismus, deutlich ablesbar am wachsenden Einfluss Joseph McCarthys, schlossen sich Harvard und andere Universitäten der zunehmenden Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen an: Mitarbeiter, die im Verdacht standen, »subversive« Gegner des Kalten Krieges zu sein, wurden gemaßregelt und in mehreren Fällen sogar entlassen. Für Friedrich und seine Geistesverwandten war genau dies die Rolle, die Universitäten zu erfüllen hatten. Nach ihrem hierarchischen Demokratieverständnis bestand der Auftrag von Universitäten in der Stärkung von Eliten, die dem demokratischen Staat dienen sollten, anstatt ihn 71

durch Kritik zu schwächen. Die starre Dichotomie, zu der Friedrichs Denken beitrug, setzte beinahe jegliche Kritik mit gefährlicher Unterwanderung gleich. Jede Infragestellung sozialer Hierarchien im eigenen Land oder antikommunistischer Maßnahmen im Ausland erschien so als eine existenzielle Bedrohung des demokratischen Bundes. Die neuen Möglichkeiten, die der Kalte Krieg Friedrich und anderen europäischen Emigranten an US -Universitäten eröffnete, gingen somit zulasten kritischerer Stimmen. Die Kooperation zwischen Wissenschaftlern, Stiftungen und Staat diente der Ordnung des Kalten Krieges und der amerikanischen Hegemonie.64 Niemand verkörperte die Rolle der Cold War University als verlängerter Arm des Staates und als Quelle nützlicher internationaler Kenntnisse besser als Henry Kissinger und Zbigniew Brzezinski  – zwei junge europäische Emigranten, die in Harvard bei Friedrich studierten. Kissinger, ein verarmter jüdischer Flüchtling aus Bayern, hatte zunächst bis 1947 seinen Militärdienst in der US Army abgeleistet, bevor er in den ersten zehn Jahren seiner akademischen Laufbahn von Friedrich betreut wurde. Während er an seiner Dissertation in internationaler Politik schrieb, arbeitete er auch an der monumentalen DDR-Studie mit. Vielleicht mehr als jeder andere nutzte Kissinger geschickt die von Friedrich mitgeprägten akademisch-diplomatischen Beziehungen und schuf einige der wichtigsten Institutionen der Harvard University für internationale Studien, so etwa das Center for International Affairs. Später wechselte er als mittlerweile bekannter Theoretiker der internationalen Politik in den diplomatischen Dienst und wurde schließlich in den 1970er Jahren Außenminister unter Richard Nixon. Brzezinski, ein Flüchtling aus Polen, traf ebenfalls während des Kalten Krieges in Harvard ein und verfasste gemeinsam mit Friedrich einflussreiche antikommunistische Bücher. Auch er konnte seine Karriere danach mühelos fortsetzen: Für John  F.  Kennedy arbeitete er als diplomatischer Berater, später wurde er Nationaler Sicherheitsberater von Jimmy Carter. Wie ihr Mentor Friedrich verstanden Kissinger und Brzezinski die Demokratie als ein Unternehmen gebildeter Eliten, die nicht gewählt wurden und gerade dadurch Schutz vor den Gefahren der Massenpolitik bieten konnten. Auch wenn sie unterschiedlichen Parteien dienten – Kissinger überwiegend den Republikanern, Brzezinski den Demokraten  –, erhoben beide die Vereinigten Staaten in den Rang des Verteidigers der westlichen Zivilisation gegen das kommunistische Übel, das auf deren Zerstörung aus war. Für beide war der Wechsel von der Universität in die Politik dank der von Friedrich geschaffenen Strukturen einfach, ja beinahe selbstverständlich. Wie eine ganze Generation von Beamten und Diplomaten, die Harvard und ähnliche Eliteinstitutionen durchlaufen hatte, waren sie Produkte der Cold War University.65 72

Der Kalte Krieg gab somit den letzten Anstoß zu einer umfassenden Implementierung von Friedrichs demokratischer Vision. Mitte der 1950er Jahre war die Transformation von Harvard abgeschlossen und die Zusammenarbeit mit der Regierung zur Norm geworden. Erst der Vietnamkrieg und das Heranwachsen einer neuen Generation in den 1960er Jahren untergruben diesen intellektuellen Konsens und verwandelten die Universitäten in Zentren der Kritik an der US -Politik. Die Cold War University und demokratische Eliten in Deutschland Als die US -Besatzungsbehörden 1945 ihre Arbeit in Deutschland aufnahmen, wollten sie nicht nur an die Stelle der Nazidiktatur eine Verfassung, Wahlen und eine demokratisch legitimierte Regierung setzen. Vielmehr waren sie der Überzeugung, dass die Demokratie in Deutschland  – wie auch der Weltfrieden  – nur dann eine Überlebenschance besaß, wenn man Kultur, Nationalcharakter und Denkmuster der Deutschen durch demokratische, gegen Imperialismus und Autoritarismus gerichtete Normen radikal veränderte. Eine zentrale Bedeutung für dieses ehrgeizige Unternehmen besaß der Neuaufbau der Universitäten. Zwölf Jahre lang hatten die Universitäten in Heidelberg, München, Tübingen und vielen anderen Städten als Organe des nationalsozialistischen Regimes fungiert, auch und gerade im Krieg; ihre Professoren, Publikationen und Lehrpläne hatten die rassistischen und imperialistischen Programme des »Dritten Reichs« mitentworfen und gerechtfertigt. Die US -Behörden machten sich deshalb sofort an die Entnazifizierung der sieben Universitäten in ihrer Besatzungszone. Unter der Leitung von Edward Hartshorne, einem Harvard-Soziologen, der in der Weimarer Zeit in Heidelberg studiert und später Friedrich beim Aufbau des Graduiertenkollegs für Verwaltungskräfte in Harvard geholfen hatte, brachte die US -Militäradministration amerikanische Stiftungen, Bildungsexperten und antinazistische Intellektuelle für die Konzipierung eines neuen demokratischen Universitätswesens zusammen. Nachdem sie dem »Dritten Reich« gedient hatten, sollten die Universitäten nun Triebkräfte einer auf freien Wahlen, gewaltfreier Partizipation der Bürgerinnen und Bürger und Rechtsstaatlichkeit beruhenden Gesellschaft werden. Ihr Auftrag lautete, eine antinazistische, demokratische und verantwortungsbewusste Elite hervorzubringen.66 Infolge des sich herausbildenden Kalten Krieges hielten diese Anstrengungen auch nach dem Ende der Besatzung 1949 an und wurden sogar noch ausgeweitet. Amerikaner wie Deutsche sahen die bundesrepublikanischen Universitäten nicht nur als Motor der Demokratie, sondern auch als notwendigen 73

Schutz gegen eine kommunistische Unterwanderung. Wie bereits in Harvard, versuchten US -Diplomaten die Universitäten in Marburg, Heidelberg und Frankfurt am Main in die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion einzubeziehen. Durch großzügige Förderung, kulturelle Programme und Eingriffe in die Lehrpläne hofften sie, sie nach dem Muster der Cold War University in Zentren demokratischer Stabilität und antikommunistischer Rekrutierung zu verwandeln. Vor allem Friedrichs Heidelberger Projekte profitierten davon. Am Ende der 1950er Jahre hatten er und seine Mitstreiter Heidelberg mit massiven amerikanischen Investitionen erneut in ein hochdynamisches Zentrum antikommunistisch-demokratischen Denkens verwandelt. Zuvor, bereits im Jahr 1946, hatte Militärgouverneur General Lucius Clay Friedrich zur Mitarbeit an demokratischen Verfassungsentwürfen für Bayern, Baden und Hessen eingeladen, 1948 hatte er zudem am Grundgesetz mitgewirkt. Bei diesen Aufgaben setzte sich Friedrich durchweg für Althusius’ Modell des Bundes und eine dezentrale Ordnung ein, die den Kommunalverwaltungen und Bundesländern in der Bildungs-, Steuer- und Kulturpolitik beträchtliche Kompetenzen zugestand. Ebenso war er mit dafür verantwortlich, dass mit dem Bundesrat eine zweite Kammer neben dem Bundestag entstand, deren von den Ländern entsandte Mitglieder ein Gegengewicht zum direkt gewählten Bundestag und somit zu den als gefährlich vermuteten Massen bilden sollten.67 Friedrich erachtete diese Verfassungen als erste Schritte zu einem neuen politischen Selbstverständnis in Deutschland, dessen Kern nicht länger in Nationalismus bestehen würde, sondern in der Verpflichtung auf demokratische Institutionen und der aktiven Partizipation an ihnen. Ausgehend von seinen früheren Gedanken vertrat er die Auffassung, dass Freiheit von der Bindung der Bürgerinnen und Bürger an solche Einrichtungen abhänge. Durch aktive Beteiligung an politischen Vereinigungen und durch Ausübung ihrer politischen Rechte sollten die Deutschen einen Sinn für ihre kollektive Zugehörigkeit zu friedlichen, sich selbst regierenden Bünden gewinnen, die den Vorrang nationaler Konzepte wie Sprache, »Rasse«, Volkskultur oder ethnischer Zugehörigkeit beenden sollten. Diese Demokratie zielte nicht auf die Stärkung der Zivilgesellschaft oder auf größere soziale Mobilität, sondern sollte die Loyalität der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Verfassungsstaat sicherstellen.68 Der Schlüssel zur Festigung der Demokratie in Deutschland lag für Friedrich darin, durch einen Neuaufbau der Universitäten Eliten hervorzubringen, die die nationalsozialistischen Verwaltungskräfte und damit autoritäre Denkmuster verdrängen sollten. Wie er an die US -Besatzungsbehörden schrieb, sollte dem neuen demokratischen Experiment durch die Ausbildung einer begabten, »verantwortungsbewussten Verwaltung« gelingen, woran die 74

Weimarer Republik gescheitert war. Ihr Niedergang, mahnte er, sei »nicht spezifischen verfassungsrechtlichen Problemen geschuldet« gewesen, sondern »der fortdauernden Macht der etablierten [aus dem Kaiserreich stammenden] Verwaltung« – also dem Unvermögen demokratischer Kräfte, das alte Personal abzulösen: »Die Situation war so, als hätte George Washington nach der amerikanischen Revolution vorgeschlagen, den neuen Staat mit den britischen Beamten und Tories aus der vorherigen Administration fortzuführen.«69 Aus diesem Grund nutzte Friedrich seine Position im amerikanischen Besatzungsapparat, um in die westdeutsche Universitätsreform einzugreifen. Während der gesamten Besatzungszeit pendelte er zwischen Heidelberg, München und Berlin, organisierte wissenschaftliche Arbeitsgruppen und diskutierte mit Rektoren und Professoren über »den Ort der Universität in der Verfassungsordnung als Ganzes«. 1948 war Friedrich in koordinierender Funktion an der Gründung der Freien Universität (FU) im Westsektor Berlins beteiligt. Ausdrücklich als Gegengewicht zur sowjetisch kontrollierten Humboldt-Universität konzipiert, brachte sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rockefeller Foundation, Vertreterinnen und Vertreter der US -Behörden und antikommunistische Intellektuelle aus Deutschland zusammen. Friedrich steuerte viele der Lehrmodule über politische Theorie, Demokratie und Kommunismus bei, die er kurzerhand aus seinen Seminaren in Harvard übernahm und die nach 1949 auch an den politikwissenschaftlichen Fakultäten in Marburg, Köln und Hamburg eingeführt wurden. Dies waren die ersten Schritte, um die deutschen Universitäten zu Ausbildungszentren für zuverlässige Eliten zu reformieren.70 Besonders deutlich zeigte sich der Beitrag der »Weber-Schule« zum Wiederaufbau Deutschlands in Heidelberg. Alfred Weber, Friedrichs Mentor und Spiritus Rector des InSoSta, betätigte sich anfangs selbst beim Wiederaufbau. Nach zwölf Jahren im erzwungenen Ruhestand brannte er 1945 darauf, seine Bildungskonzepte in den Dienst einer neuen Republik zu stellen. Das Trauma des Krieges und der totalen Zerstörung hatten Webers festen Glauben an die Notwendigkeit einer begabten Führungsschicht für die Demokratie ebenso wenig geschwächt wie seine Überzeugung, dass allein politische Bildung jene »verantwortungsbewusste Verwaltung« hervorbringen konnte, die es brauchte, um das Land zu regieren. Eine Einführung demokratischer Strukturen ohne entsprechende politische Bildung musste ihm zufolge zu nationalem Niedergang und geistiger Verarmung führen. »Die zwei Weltkriege und die Nazi-Zeit haben Deutschland seiner besten Führer beraubt«, erklärte er einem amerikanischen Besucher verzweifelt, weshalb nun eine unmittelbare Gefahr bestehe, dass die politische Macht in die Hände von »Mittelmäßigen« falle.71 75

Wie schon in der Weimarer Ära trieb Weber die Sorge um, die moderne Gesellschaft könne zu bürokratisiert sein, um noch Raum für Freiheit zu lassen; industrialisierte Ökonomien und mächtige Staatsapparate hatten die Freiheiten des Einzelnen zerstört und die Macht gewählter Amtsträger verringert. In seinen Augen war das Naziregime als eine »totalitäre Bürokratie« die monströseste Manifestation allgemeiner Tendenzen der modernen Gesellschaft gewesen, deren Ursprung er in der Unfähigkeit der Massen ausmachte, den Wert demokratischer Freiheiten zu erkennen. Weber, mittlerweile fast achtzig Jahre alt, sah deshalb in der Ausbildung einer zuverlässigen Führungsschicht das einzige Bollwerk, das ein erneutes Versinken Deutschlands in einer Diktatur verhindern könne. So begann er von Heidelberg aus, alte und neue Verbündete für den Wiederaufbau des InSoSta um sich zu scharen. Zu ihnen zählten Dolf Sternberger, ein aufstrebender Politikwissenschaftler, der als Webers Assistent nach Heidelberg kam, und der ehemalige Weber-Schüler Karl Geiler, der nach 1945 für kurze Zeit Ministerpräsident Hessens war und in Heidelberg Vorlesungen hielt. Gemeinsam gründete die Gruppe von Wissenschaftlern und Politikern die erste prodemokratische intellektuelle Zeitschrift in Deutschland, Die Wandlung, und begann Curricula im Dienst eines demokratischen Geistes zu entwerfen. 1946 schlugen sie die Wiedereröffnung des InSoSta in Heidelberg vor. Dieses Ausbildungszentrum, behauptete Weber, werde die in Weimar begonnene demokratische Revolution zu Ende führen.72 Angesichts der bitteren Armut in Nachkriegsdeutschland konnten solche Träume nur mithilfe amerikanischer Gelder Wirklichkeit werden. Und wie in Weimar war es Friedrich, der die Brücke zwischen Webers Bildungskonzept und der Rockefeller Foundation bildete. Im Winter 1948 traf er Vertreter der Stiftung, die daraufhin zu Gesprächen mit Weber und Sternberger nach Heidelberg reisten. Beeindruckt von Webers Plänen und der Begeisterung seiner Studierenden legten sie die 1935 von den Nazis beendete Unterstützung des Instituts wieder auf. Ende des Jahres wurde das InSoSta offiziell neu gegründet und nahm seinen Seminarbetrieb zu demokratischer Politik und internationaler Kooperation wieder auf. Auf Werben Friedrichs investierte auch die US -Regierung in die Einrichtung. Zusammen mit der Rockefeller Foundation stellte sie mehrere zehntausend Dollar für ihre Studien über demokratische Institutionen und Führung bereit. Heidelberg sollte nach Auffassung der Sponsoren erneut das geistige Zentrum für eine prodemokra­ tische, antikommunistische Mobilisierung werden.73 Die US -Behörden begannen auch, die Mitglieder der alten Garde des InSoSta, die wie Friedrich den Krieg im Exil verbracht hatten, nach Deutschland zurückzuholen, um sie in den Dienst des Kalten Krieges gegen den Osten zu 76

stellen. 1948 kehrte Alexander Rüstow, mit dem Friedrich den DAAD gegründet hatte, aus seinem Exil in der Türkei zurück und löste Weber als Direktor des InSoSta ab. 1954 kehrte auch der Politologe Arnold Bergstraesser aus seinem Exil in Chicago nach Deutschland zurück, um den Wiederaufbau der Universität Freiburg zu leiten, an der schließlich die demokratisch orientierte »Freiburger Schule« der Politikwissenschaft groß wurde. Gemeinsam waren diese politischen Theoretiker führend an der intellektuellen Erneuerung Deutschlands nach dem Krieg beteiligt. Als Publizisten und Lehrer setzten sie sich für eine klare deutsche Unterstützung der antikommunistischen Mobilisierung und ein enges Bündnis mit Amerika ein.74 Die erneute Zusammenarbeit von US -Stiftungen und deutschen Wissenschaftlern trug dazu bei, dass Friedrich noch lange nach dem Ende der Besatzung eine einflussreiche, ja zentrale Figur in der politischen Bildung blieb. Nach der Wiedereröffnung des InSoSta reiste er regelmäßig nach Deutschland, um in Heidelberg zu lehren. Die Kooperation des Instituts mit der Rockefeller Foundation verhalf Friedrich 1956 zur ersten Professur für Politikwissenschaften in Heidelberg, die er neben seiner Lehrtätigkeit in Harvard nur im Sommersemester wahrnehmen musste, sodass er in den 1950er und 1960er Jahren seine Zeit zwischen beiden Universitäten aufteilte. Laut Rüstow löste Friedrichs Rückkehr »große Begeisterung« unter antikommunistischen Intellektuellen aus, die Heidelberg nun, wie er hoffte, als das »wichtigste Zentrum der Politikwissenschaft in Westdeutschland« betrachten würden.75 In dieser Zeit veröffentlichte Friedrich eine ungeheure Menge von Büchern und Studien über Verfassungen, Wahlen und ihre religiösen Ursprünge, parallel dazu unterrichtete er Hunderte von deutschen Studenten über die Demokratie und ihre nationalsozialistischen wie kommunistischen Feinde. Wie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen in Harvard lernten sie von Friedrich etwas über Parlamentarismus, Föderalismus und Demokratie, das Wesen des Kommunismus, das Christentum und das Politische. Er machte sie vertraut mit Theorien über das US -Regierungssystem und das politische Denken in Amerika. Nicht zuletzt – in Friedrichs Augen das Allerwichtigste – erhielten sie Einsichten in Althusius’ politische Theorie der calvinistischen Ursprünge von Demokratie.76 Das InSoSta wurde 1949 in Alfred-Weber-Institut umbenannt. Wie Harvard galt es als ein verlängerter Arm des Staates. Unter der Aufsicht von Friedrich und Sternberger bearbeitete ein Heer von jungen Studenten und Wissenschaftlern das erste bedeutende westdeutsche Forschungsprojekt über die Funktionsweisen demokratischer Politik. Schon im ersten Jahr seines Bestehens erschienen etliche für den Gymnasialunterricht konzipierte kurze Bücher und Broschüren zu Themen wie »Parlamentsfraktionen«, »Koalitions­ 77

regierungen« oder »Entschließungsanträge«. Daneben organisierte das Institut eine Reihe von Forschungsgruppen über die Soziologie der (demokratischen) Repräsentation, die Aufgaben parlamentarischer Opposition oder die Analyse von Bundestagswahlen. Dies alles trug in den ersten Nachkriegsjahren erheblich zur Herausbildung einer neuen politischen Haltung bei, die Parlamentarismus, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit zu zentralen Elementen des westdeutschen Selbstverständnisses machte.77 Mithilfe amerikanischer Fördermittel wuchs das Weber-Institut stetig und wurde so zu einem führenden politischen Studienzentrum in Deutschland. Sein Wirken war nun einflussreicher als in der Weimarer Ära – das Institut veranstaltete Dutzende von Vorlesungen, Symposien und internationalen Konferenzen über deutsche Demokratie, Religionsgeschichte und die Gefahren des weltweiten Kommunismus. Politiker, Wissenschaftler und Stiftungsvertreter aus ganz Europa und Amerika kamen nach Heidelberg, um gemeinsam über Möglichkeiten einer Stärkung der Westintegration zu diskutieren. Von 1953 bis 1960 besuchten die baden-württembergischen Ministerpräsidenten Gebhard Müller und Kurt Georg Kiesinger und die Bundespräsidenten Theodor Heuss und Heinrich Lübke das Institut und hörten Studierenden zu, die ihre Forschungsarbeiten über parlamentarische Systeme, die Organisation von Wahlen oder die Beamtenausbildung in Großbritannien, der Schweiz, Frankreich und den Vereinigten Staaten vorstellten. Im Lauf des Jahrzehnts strömten auch junge Unternehmer und Politiker nach Heidelberg. Der spätere CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts und promovierte an ihm 1958 über die Neugründung politischer Parteien in der Pfalz nach dem Zweiten Weltkrieg. Viele amerikanische Beobachter hielten das Institut unter den breit gefächerten Programmen zur Erneuerung der intellektuellen Landschaft in Deutschland für den »größten Erfolg«, vor allem in Hinsicht auf die Rekrutierung von demokratischem und antikommunistischem Führungspersonal für den Staatsdienst.78 In Heidelberg wurde auch das innovativste kulturdiplomatische Programm, das Friedrich in der Zwischenkriegszeit auf den Weg gebracht hatte, revitalisiert: der akademische Austauschdienst. Genau wie drei Jahrzehnte zuvor setzten sich Universitäten nun wieder dafür ein, eine internationale Elite zu schmieden. Im Jahr 1949 beschloss eine Gruppe britischer Besatzungsoffiziere, die in den 1920er Jahren selbst Austauschstudenten gewesen waren, den DAAD als paneuropäische und transatlantische Initiative zur Förderung der internationalen Verständigung wiederzubeleben. Träger des Programms sollte aus ihrer Sicht neben der FU Berlin und der angesehenen Tübinger Universität seine Geburtsstätte in Heidelberg sein. Dort traf im Sommer 1950 die erste Gruppe Franzosen ein, um am Alfred-Weber-Institut zu studieren. Ein 78

Jahr später folgten ihnen britische und amerikanische Studenten, während die erste deutsche Gruppe nach Harvard reiste. Bis 1953 hatte das badische Kultusministerium den DAAD in Italien, Griechenland und Schweden eingeführt, sogar im Iran, und am Ende der Dekade hatte er Japan erreicht. Auch einst aus Deutschland geflüchtete Wissenschaftler nutzten den Rahmen des DAAD, um nach Heidelberg zu kommen – Hannah Arendt hielt einen Vortrag über kommunistischen Terror, Herbert Marcuse erörterte seine freudianische Interpretation der totalitären Pervertierung der Sowjetunion, Arnold Brecht sprach über die Werte der deutschen Demokratie.79 Die Reichweite des Instituts übertraf schließlich sogar die von Harvard, als die Demokratie Ende der 1950er Jahre zur Grundlage für die politische Bildung von Millionen deutschen Schülerinnen und Schülern wurde. 1958 wurde an den Gymnasien das Pflichtfach Politik eingeführt. Friedrich und Bergstraesser hatten lange dafür gekämpft und die Lehrpläne des Faches waren stark durch ihre Schriften beeinflusst. Zunächst in Hessen, später auch in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern, gaben von Politikwissenschaftlern ausgebildete Lehrer Unterricht über das demokratische System als solches, die Arbeitsweise der Parlamente und Verfassungsreformen. Wie sich der Heidelberger Politikwissenschaftler Klaus von Beyme später erinnerte, war Friedrichs Buch Der Verfassungsstaat der Neuzeit (1951, zuerst 1937 auf Englisch erschienen) »ein bahnbrechendes Werk«, ja »das Lehrbuch einer ganzen Generation«. Ihm zufolge zeigte Friedrich der jungen Generation, »dass es in Deutschland auch andere geistige Traditionen gegeben hatte als jene, die für das Jahr 1933 von Bedeutung und Vorbild waren«.80 Ohne Übertreibung kann festgehalten werden, dass sich Friedrichs Vision einer demokratischen und supranationalen Elitebildung um 1960 im Zentrum des bundesrepublikanischen Geisteslebens etabliert hatte. Gefördert von den amerikanischen Bemühungen, die westdeutschen Universitäten für den Kalten Krieg zu mobilisieren, trugen seine Theorien, persönlichen Netzwerke und jahrzehntelangen institutionellen Erfahrungen zu einer engen Verzahnung der wissenschaftlichen Zentren mit dem demokratischen Staat bei. Wie ihr amerikanisches Pendant war die Universität im Kalten Krieg in Deutschland nicht auf soziale Mobilität ausgerichtet; geschaffen von selbst ernannten Eliten, sollte sie eben solche zum Schutz der Demokratie vor skrupellosen Nazis und Kommunisten ausbilden. Sowohl in den Vereinigten Staaten wie in der Bundesrepublik wurden Universitäten zu Vehikeln für die internationale Vernetzung demokratischer Führungskräfte. Sie brachten Wissen, Curricula und Studenten hervor, die die beiden Länder einander annähern und in den Kampf gegen den Kommunismus im eigenen Land wie auf internationaler Ebene führen sollten. In dieser Ära einer breiten geistigen Mobilmachung 79

war das InSoSta nicht länger ein eigentümliches Experiment demokratisch engagierter Protestanten, sondern auf beiden Seiten des Atlantiks zur intellektuellen und institutionellen Norm für die akademische Bildung geworden. Das betraf auch die Rolle des Instituts im frühen Kalten Krieg. Wissenschaftler, Diplomaten und führende Politiker waren quer durch das politische Spektrum der Überzeugung, dass einer lebendigen und starken demokratischen Gesellschaft zentrale Bedeutung für die Bezwingung des kommunistischen Feindes zukam. Diese verbreitete Einstellung brachte der US -Diplomat George Kennan zum Ausdruck, als er 1946 mit Blick auf den bevorstehenden Kampf gegen die Sowjetunion mahnte: »Viel hängt von der Gesundheit und Kraft unserer eigenen Gesellschaft ab. […] Dies ist der Punkt, an dem sich Innen- und Außenpolitik kreuzen. Jede mutige und klare Maßnahme, die innere Probleme unserer eigenen Gesellschaft löst, die Selbstvertrauen, Disziplin, Moral und Gemeinschaftsgeist unseres Volkes stärkt, ist ein diplomatischer Sieg über Moskau und genauso viel wert wie Tausend diplomatische Noten und gemeinsame Verlautbarungen.«

»Gesunde« Politik verlange somit ein unablässiges Streben nach »Kraft« und »Geist« sowie bereitwilligen Einsatz im In- und Ausland. Diese Überzeugung von der Notwendigkeit neuer geistiger Schutzvorrichtungen und Führung war wesentlich für einen umfassenden Konsens im Kalten Krieg.81 Universität und Wissenschaft fiel also die doppelte Aufgabe zu, das für die Austragung eines globalen Konflikts erforderliche Wissen zu produzieren und Studierenden die Werte und Verantwortung einer demokratischen Bürgerschaft zu vermitteln. Doch wie die größeren politischen Visionen, die sie prägten, versperrte die Cold War University ebenso viele Optionen, wie sie eröffnete. Sie bot wenig Spielraum für Dissens, Opposition oder Kritik an der existierenden Ordnung und ihrer Hierarchien. Fixiert auf das Ziel, Konsens herzustellen, bildete sie einen intellektuellen Raum, der ein politisches Klima äußerster Nervosität förderte. Mangelnde Loyalität gegenüber der Regierungspolitik und den gegebenen Machtverhältnissen konnte sich in den Augen von Harvard-Präsident Conant, Friedrich und ihren Mitstreitern umstandslos als Unterwanderung durch dunkle Kräfte darstellen, die das Wesen der Demokratie bedrohten. Die aus den Umbrüchen der 1940er Jahre hervorgegangene neue akademische Struktur erweiterte das Feld von Wissensproduktion und Lehre und schränkte es zugleich ein; wie Friedrichs Theorie war sie sowohl innovativ als auch traditionalistisch, brachte gleichermaßen neue Möglichkeiten und rücksichtslose Ausgrenzung mit sich. Friedrichs Reisen und sein intellektuelles Gewicht auf beiden Seiten des Atlantiks zeigen, dass der vom Kalten Krieg geprägte Konsens in seinen Ur80

sprüngen wie Folgen kein ausschließlich amerikanisches Phänomen war. Die geistigen Fundamente einer entscheidenden Institution der demokratischen Mobilmachung – der Cold War University – lagen in der Weimarer Republik, in den zu ihrer Zeit entworfenen religiösen und elitären Leitbildern und Zentren wie dem InSoSta. Heidelberg und Harvard waren Geschwister im Geiste und durch dieselben Personen miteinander verbunden. Die Cold War University verdankte Weimarer Ideen ihre wesentlichen Grundlagen. Und die Folgen dieser, heute würde man sagen, »Weimar-Connection« beschränkten sich nicht auf die Vereinigten Staaten, sondern bestimmten auch die westdeutsche Nachkriegsdemokratie grundlegend. Der Erfolg, mit dem Friedrich seine Ideen aus der Weimarer Republik in den Kalten Krieg einspeiste, wirft ein Schlaglicht auf zumeist übersehene Ähnlichkeiten zwischen zwei Momenten demokratischer Mobilisierung. Als Deutsche und Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg gemeinsam an der Umgestaltung Westdeutschlands arbeiteten, standen sie vor Schwierigkeiten, die nicht vollkommen neu waren – die Zeit nach 1945 wies ähnliche Herausforderungen auf wie die Novemberrevolution von 1918. Wie damals galt es, im Gefolge einer demütigenden militärischen Niederlage und geplatzter Träume von imperialem Ruhm eine Republik aufzubauen. Verfechter der Demokratie mussten die deutsche Bevölkerung von der politischen Legitimität dieses Systems überzeugen, nicht bevor, sondern nachdem sie dessen Institutionen bereits eingeführt hatten: Wie in Weimar sollte in einer Gesellschaft, deren kulturelle, politische und wirtschaftliche Institutionen noch gar nicht demokratisiert waren, ein demokratischer Staat entstehen. Und diese Reformen mussten durchgeführt werden, während das Gespenst der kommunistischen Unterwanderung und die Angst vor einer erstarkenden Sowjetunion umgingen. So fanden während des frühen Kalten Krieges Demokratiekonzepte aus der Weimarer Ära Widerhall – mit ihren vielversprechenden Möglichkeiten ebenso wie mit ihren Beschränkungen. Aus Friedrichs Sicht hatte der in Weimar geborene demokratische Bund den Nationalsozialismus wie auch den »totalen Krieg« überlebt und stand nun als Sieger da.

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Kapitel 2

Sozialistische Reformen, Rechtsstaat und das Werben um die Arbeiterschaft: Ernst Fraenkel und das Konzept der »kollektiven Demokratie«

In den 1950er Jahren vollzog sich in der deutschen Linken ein tiefgreifen­der geistiger und politischer Wandel. Nach dem Krieg hatten sich die Sozialdemokraten  – die auch Sozialisten genannt wurden  – zunächst auf den zügigen Wiederaufbau der SPD konzentriert und ihre Anstrengungen wiederaufgenommen, die Arbeiterklasse politisch zu vertreten und zu stärken. Die SPD folgte einer streng marxistischen Weltanschauung, nach der ein Zusammengehen mit den bürgerlichen Parteien abzulehnen war und die Schlüsselindustrien verstaatlicht werden mussten. Wie ihr Vorsitzender Kurt Schumacher in temperamentvollen Reden proklamierte, sei es für eine »wahre« Demokratie notwendig, die Macht des Großkapitals zu brechen, das das Volk ausbeute. Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und eine zentralisierte Planwirtschaft sollten den Weg zur Demokratisierung Deutschlands ebnen. Nach einer Serie von Wahlniederlagen trat jedoch 1959 ein außerordentlicher SPD -Parteitag in Bad Godesberg zusammen, der ein ideologisch ganz anders ausgerichtetes Programm entwarf. Die Partei löste sich vom Marxismus, gab ihre traditionelle antiklerikale Rhetorik auf und änderte ihre klassenorientierte Taktik; das neue Demokratieverständnis der SPD -Führung beruhte auf Marktwirtschaft; und die einstige Arbeiterpartei erhob nun den Anspruch, eine »Volkspartei« zu sein, also eine Partei für alle Schichten der Bevölkerung. Herbert Wehner, einer der vehementesten Befürworter des neuen Programms, rief die Delegierten in einer emotionalen Rede dazu auf, die Vergangenheit der Partei hinter sich zu lassen und ein gesellschaftliches Leitbild anzunehmen, das die Pluralität der Klassen akzeptiert. Die Menge im Saal jubelte und folgte seinem leidenschaftlichen Appell mit Begeisterung. Mit einer überwältigenden Mehrheit von 324 zu 16 Stimmen wurde das neue Godesberger Programm verabschiedet.1 Der programmatischen Kehrtwende der SPD folgte eine ebenso bemerkenswerte Veränderung ihres außenpolitischen Kurses. Bis zum Ende der 1950er Jahre hatten die Sozialdemokraten dem westdeutschen Bündnis mit 83

den USA die Unterstützung verweigert und beharrlich Neutralität im Kalten Krieg gefordert. Nur durch Verhandlungen mit den Sowjets außerhalb der 1949 gegründeten NATO und westlich-kapitalistischer Dominanz konnte Deutschland ihrer Meinung nach seine Wiedervereinigung und die für den Aufbau einer sozialistischen Planwirtschaft notwendige volle Unabhängigkeit erlangen. Mit einer Fülle von Kampagnen, Demonstrationen und Petitionen versuchte die SPD, die Bundesrepublik aus dem westlichen Block herauszulösen, dem sie ab 1955 angehörte. Indem sie selbst mit Vertretern kommunistischer Staaten Verhandlungen führte und ihre Anhänger zum Widerstand gegen die von der Bundesregierung verfolgte Politik der Westbindung mobilisierte, betrieb sie faktisch eine eigene Außenpolitik. Erst 1960, einige Monate nach der Verkündung des neuen Wegs in Bad Godesberg, nahm die SPD auch hier einen Kurswechsel vor. Die Tatsache, dass die zweitgrößte deutsche Partei sich nun zur NATO und der Mitgliedschaft der Bundesrepublik im westlichen Bündnis unter US -Führung bekannte, wird von Historikern zwar seltener erwähnt, war aber nicht weniger bedeutend als der Godesberger Parteitag. Die doppelte Transformation der deutschen Linken von einer klassenorientierten Partei der internationalen Neutralität in eine Volkspartei, die im Kalten Krieg das westliche Lager unterstützte, hat Beobachter seit jeher verblüfft. Historiker haben sie auf strategische Überlegungen in Bezug auf bessere Wahlchancen, auf den Generationenwandel und auf den Einfluss der amerikanischen Idee des »Konsenskapitalismus« zurückgeführt, denen zufolge der freie Markt – ohne Planwirtschaft – die Lage der Arbeiter verbessern würde.2 Doch der dramatische Wandel der SPD hatte tiefere Wurzeln: Er erfolgte auch im Rückgriff auf theoretische Entwürfe aus der Weimarer Zeit. Niemand verkörperte diesen Rekurs auf die 1920er Jahre besser als Ernst Fraenkel, einer der wichtigsten sozialdemokratischen Intellektuellen der Bundesrepublik. In der ersten deutschen Demokratie hatte er als junger Intellektueller einer einzigartigen Schule angehört, die sozialistische und bürgerliche Theorien über Recht, Politik und Demokratie zu synthetisieren versuchte. Sozialisten und liberale Vertreter der bürgerlichen Schichten hatten demgemäß die Aufgabe, gemeinsam eine neuartige demokratische Ordnung aufzubauen, die die Rechte des Einzelnen und die soziale Wohlfahrt gleichermaßen respektierte. Aus Fraenkels Sicht musste die SPD ihren Glauben aufgeben, nur die Verstaatlichung der Wirtschaft könne zu »wahrer« demokratischer Gleichheit führen, und sich stattdessen ein Demokratieverständnis zu eigen machen, das individuelle Rechte ins Zentrum rückt, sich für die Mittelschichten öffnen und auf sozialstaatliche Maßnahmen setzen. Die wirkliche Bedrohung dieser fortschrittlichen Vision ging in Fraenkels Augen weder von den bürgerlichen Schichten noch von den Industriellen aus, wie viele Sozialisten behaupteten, 84

sondern vom Kommunismus. Oberstes Ziel der SPD musste es Fraenkel zufolge daher sein, ein breites Bündnis mit dem demokratischen Bürgertum gegen die revolutionäre und radikale Linke zu schmieden. Wie im Fall Carl J. Friedrichs waren es der gewaltige Machtzuwachs der Vereinigten Staaten und der beginnende Kalte Krieg, die Fraenkel unverhofft die Gelegenheit gaben, seine Vorstellungen erfolgreich ins Spiel zu bringen. In seiner Zusammenarbeit mit amerikanischen Institutionen offenbarten sich sowohl das progressive Potenzial wie auch die repressiven Beschränkungen der von ihm propagierten Politik. Nachdem er vor den Nazis nach Amerika geflohen war und während des Krieges für den US -Geheimdienst gearbeitet hatte, versuchte er seine Idee einer neuartigen sozialen Demokratie auf der anderen Seite der Weltkugel zu verwirklichen: in Ostasien. 1945 trat Fraenkel in den Dienst der US -Besatzungstruppen in Korea und stieg schnell in deren Hierarchie auf. Er war fest davon überzeugt, dass seine Vorstellung von Demokratie – ein Zusammenspiel von individuellen Freiheiten und sozialer Gleichheit – universell gültig und somit auf alle Staaten und Völker anwendbar sei. Fünf Jahre lang verwaltete Fraenkel in Korea umfangreiche US Hilfsgelder, setzte sich für radikale Wirtschafts- und Bildungsreformen ein und arbeitete am Entwurf der südkoreanischen Verfassung mit. Allerdings spielte er auch eine gewichtige Rolle in dem diplomatischen Drama, das zur tragischen Teilung Koreas führte. Getrieben von einem auf die Weimarer Zeit zurückgehenden erbitterten Antikommunismus trug er zu einer antisowjetischen Strategie bei, die der Zusammenarbeit der beiden Supermächte ein Ende setzte und die koreanische Nation in fataler Weise spaltete. So wie Friedrich für eine Neuauflage der elitären Konzepte aus seiner Heidelberger Zeit auf amerikanische Institutionen setzte, nutzte Fraenkel die US -Militäradministration in Korea als Vehikel für seine Theorie der sozialen Demokratie, die einen rigiden Antikommunismus einschloss. Im Jahr 1951 kehrte Fraenkel nach Westdeutschland zurück und setzte sein Engagement für eine Erneuerung des Demokratieverständnisses der SPD fort. Er wurde der bekannteste sozialdemokratische Intellektuelle in Westdeutschland. Nach langjährigem Exil und seiner Tätigkeit für die US Regierung betrachtete er die Vereinigten Staaten als Verwirklichung seiner politischen Vision und ein Bündnis mit ihnen als den besten Hebel für eine Transformation der deutschen Linken. Eine solche Allianz sollte insbesondere Kräfte delegitimieren und von politischem Einfluss ausschließen, die in gefährlicher Weise einer demokratiefeindlichen antikapitalistischen Umverteilung das Wort redeten. Der Wandel der deutschen Linken in den 1950er Jahren war somit nicht bloß das Ergebnis einer »Amerikanisierung« oder der Politik im Kalten Krieg, sondern auch stark von inneren Kräften getragen, 85

die sich bereits mehrere Jahrzehnte zuvor herausgebildet hatten. Um die Kluft zwischen der deutschen Linken und Amerika zu schließen, griff Fraenkel sowohl auf persönliche Erfahrungen im Dienst des US -Militärs als auch auf seine Theorien aus der Weimarer Ära zurück. Das von ihm mitgeschmiedete Bündnis wurde für mehrere Jahrzehnte zum Rückgrat der westdeutschen Politik im Kalten Krieg.

Demokratie, Arbeiterbewegung und Recht in Frankfurt am Main und Berlin Die Novemberrevolution von 1918 brachte aus Sicht der Sozialdemokratie einerseits ermutigende Erfolge, andererseits ernüchternde Kompromisse mit sich. Seit ihrer Gründung 1875 in Gotha hatte die SPD radikale soziale und politische Reformen wie die Umverteilung des Reichtums, die Verstaatlichung der Großindustrie und die Abschaffung des Zensuswahlrechts gefordert. Trotz staatlicher Unterdrückung wurde sie zur größten Partei des Landes und mächtigen Opposition gegen das kaiserliche Regime. Gegen Kriegsende waren es vor allem führende SPD -Politiker, die der Monarchie ein Ende setzten und die Republik ausriefen. Die Sozialdemokraten Philipp Scheidemann und Friedrich Ebert stellten sich in Berlin an die Spitze der Revolution und übernahmen die Ämter des Reichsministerpräsidenten und Reichspräsidenten, als die SPD Regierungspartei wurde. Zu Beginn der Revolution verstanden die Sozialdemokraten die Republik als ersten Schritt zu einer völlig neuen Gesellschaftsordnung; sie hofften, schon bald eine »Demokratie des sozialen Rechts« einzuführen und vollständige wirtschaftliche Gleichheit zu erreichen. In der Weimarer Verfassung, die sie gemeinsam mit anderen demokratischen Parteien entwarfen, drückte sich ihre Überzeugung aus, dass sozioökonomische Gleichheit der Schlüssel zu wirklicher Demokratie sei: Die neue Verfassung garantierte soziale Sicherheit, Mindestlöhne, gewerkschaftliche Mitbestimmung im Betrieb und etliche weitere Grundrechte, die Sozialisten lange gefordert hatten.3 Die beflügelnden Träume von einer unumschränkten sozialistischen Hegemonie platzten jedoch, als sich kurz darauf ein radikaler Flügel von der SPD abspaltete. Unter der mitreißenden Führung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht trat die neu gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) dafür ein, die junge Republik samt Parlament zu zerstören, eine Diktatur der Arbeiter an ihre Stelle zu setzen und das Privateigentum abzuschaffen. Anfang 1919 verbündete sich die SPD mit ihren bisherigen rechten Gegnern, 86

um einen bewaffneten Aufstand der KPD gewaltsam niederzuschlagen. Nach ihrer Überzeugung würde der Kommunismus nicht zu wirklicher Demokratie, sondern zu einer Parteidiktatur und politischem Terror führen. Deshalb ermunterten Scheidemann und Ebert nationalistische und monarchistische Milizen, gegen die KPD vorzugehen; die Folge waren heftige Straßenschlachten mit vielen Todesopfern. Dieses gewaltsame Schisma begründete bis weit in die 1920er Jahre hinein eine tiefe Feindschaft zwischen SPD und KPD. Für die Politik in der Weimarer Republik blieb die traumatische Spaltung der Linken prägend.4 Der tiefe Graben innerhalb der Linken zwang viele Sozialisten dazu, ihre Bündnispolitik und insbesondere ihre Haltung zur bürgerlichen Mittelschicht zu überdenken. Da die SPD aufgrund des Bruchs mit den Kommunisten weder in den Länderparlamenten noch im Reichstag die erhoffte Mehrheit gewinnen konnte, arbeitete sie mit bürgerlichen, katholischen und sogar nationalistischen Parteien zusammen und schuf somit eine »Koalition der Ordnung« (Eric Weitz).5 Mit dieser pragmatischen Kompromisspolitik öffneten sich die Sozialdemokraten, die zuvor noch nie an der Macht gewesen waren, für liberale, von der Mittelschicht dominierte Institutionen wie Parlament, Universitäten und Justiz. So entwickelte sich in der deutschen Sozialdemokratie eine lebhafte Debatte darüber, ob solche Institutionen dem Ziel dienen konnten, größere soziale Gleichheit herzustellen und die Kommunisten zu bezwingen. Während beispielsweise der mittlerweile betagte SPD -Theoretiker Karl Kautsky am alten Gedanken eines kompromisslosen Klassenkampfs festhielt und die Kooperation mit Teilen des Bürgertums als ein notwendiges, aber nur zeitweiliges Übel betrachtete, argumentierte der bekannte Wirtschaftsjournalist  – und spätere israelische Sozialminister  – Fritz Naphtali, dass bürgerlich-liberale Institutionen durchaus in den Dienst der wirtschaftlichen Gleichheit und Demokratie gestellt werden könnten. Diese Auseinandersetzungen waren keine deutsche Besonderheit, sondern prägten die sozialistische Politik weltweit. Die Rolle der Gründerin und Verteidigerin der Republik, die die SPD angenommen hatte, gab diesen Fragen in Deutschland allerdings eine besondere Dringlichkeit.6 In diesen intensiv geführten Debatten trat Fraenkel als vehementer Befürworter der Zusammenarbeit mit dem Bürgertum hervor. Fraenkel stammte aus einer assimilierten jüdischen Familie in Köln und hatte im Ersten Weltkrieg an der Westfront gedient. Seine Einheit war eine der ersten, die im Herbst 1918 meuterten und an der demokratischen Revolution teilnahmen. Danach schloss sich Fraenkel einer Gruppe junger sozialistischer Studenten an, zu der auch Franz  L.  Neumann und Otto Kahn-Freund gehörten. Sie studierten in Frankfurt am Main Rechtswissenschaften bei Hugo Sinzheimer, 87

einem führenden Intellektuellen der SPD, der als Vater des deutschen Arbeitsrechts gilt. Nachdem er 1923 über ein arbeitsrechtliches Thema promoviert hatte, veröffentlichte Fraenkel populäre Bücher und Aufsätze in wichtigen sozialdemokratischen Zeitschriften wie Die Gesellschaft und beteiligte sich in Berlin, Leipzig und Karlsruhe an der Gründung von sozialistischen Arbeiterbildungsprogrammen. 1926 wurden er und Neumann Rechtsberater des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes, der größten und mächtigsten Gewerkschaft im Land, und berieten später auch die SPD. Fraenkel galt weithin als einer der aufstrebenden Intellektuellen der Partei; 1930 zog die SPD -Führung in Betracht, ihn zum Reichsjustizminister zu ernennen.7 Von Anfang an unterstützte Fraenkel innerhalb der Sozialdemokratie die Forderung nach klassenübergreifender Zusammenarbeit. Er war insbesondere für die Akademie der Arbeit tätig, ein ganz neuartiges Bildungszentrum in Frankfurt. Indem die 1921 gegründete Akademie lokale Gewerkschaften, die Frankfurter Universität und sozialistische Intellektuelle wie Fraenkels Mentor Sinzheimer zusammenbrachte, verkörperte sie die Bemühungen gemäßigter Sozialisten um einen prorepublikanisch-antikommunistischen Schulterschluss von Arbeiterklasse und fortschrittlichem Bürgertum. Jedes Jahr besuchten Tausende von Studenten, älteren SPD -Funktionären und Gewerkschaftern ihre Kurse über Wirtschaft, Recht, Geschichte und Kunst und nahmen an politischen Seminaren über die Geschichte von Wahlen, Parlamentarismus und Sozialgesetzgebung teil. Um Theorie und Praxis zu verbinden, lud die Akademie Intellektuelle und führende Vertreter sowohl der SPD als auch der eher konservativen katholischen Gewerkschaften ein, darunter der SPD -Politiker Erik Nölting, der bekannte belgische Sozialist und Autor Hendrik de Man und der katholische Gewerkschafter (und spätere Bundesminister) Jakob Kaiser. Ihr breit angelegtes Programm und ihr innovativer Charakter machten die Akademie der Arbeit zu einer der meistgeschätzten Institutionen unter moderaten Sozialisten und zum Vorbild für ähnliche Einrichtungen in Deutschland und Amerika. Fraenkel wurde bereits vor der Fertigstellung seiner Dissertation Lehrkraft an der Akademie und unterrichtete im Laufe eines Jahrzehnts unzählige Studierende in Sozialismus, Demokratie und Recht. Der für die Akademie verbindliche Leitgedanke einer Zusammenarbeit zwischen den Klassen prägte Fraenkels Schriften, Gedanken und politischen Vorschläge über viele Jahre.8 Der Aufbau einer Ordnung, die auf der Sozialpartnerschaft zwischen Kapital und Arbeit beruht, erforderte allerdings mehr als nur neue Institutionen. Fraenkel beteiligte sich deshalb auch an dem ehrgeizigen intellektuellen Unternehmen, den tiefen Graben zwischen bürgerlichen und sozialistischen Rechtsauffassungen zu schließen, der in der deutschen politischen Theorie be88

stand. Im Zentrum dieser Bemühungen stand der Begriff des Rechtsstaats, definiert als juristisch-politische Ordnung, in der alle Bürgerinnen und Bürger und Staatsorgane denselben rationalen, unpersönlichen und berechenbaren Gesetzen unterliegen.9 Die große Mehrheit bürgerlicher Gelehrter hielt die Verwirklichung eines solchen Systems im Deutschland des 19. Jahrhunderts für eine der größten Errungenschaften der modernen Politikgeschichte, und doch sah sie im Erstarken der Sozialisten insofern eine Gefahr, als die Forderung nach besonderen sozialpolitischen Maßnahmen und Rechtsbestimmungen – etwa Mindestlöhne und Gewerkschaftsrechte – ausschließlich für Arbeiter aus ihrer Sicht gegen das Prinzip des abstrakt-allgemeinen Rechts verstieß. Max Weber formulierte diese Sorge mit der Behauptung, die von den Sozialisten angestrebten »Arbeiterrechte« würden auf eine Wiederbelebung des Feudalsystems, in dem jede Gruppe eigenen Gesetzen unterliegt, hinauslaufen und somit den Rechtsstaat aushöhlen. Sozialistische Intellektuelle zeigten dagegen zunächst wenig Interesse am Konzept des Rechtsstaats. Zwar unterstützten sie den Grundsatz rechtlicher Gleichheit, hielten ihn aber im Gegensatz zu einer wirklichen ökonomischen Gleichheit, die nur durch die Verstaatlichung der Wirtschaft erreicht werden könne, für nebensächlich. Der Rechtsstaat wurde von Sozialisten daher oftmals als Verschleierung einer fortdauernden Klassenausbeutung gesehen.10 Im Zuge der breit geführten Kampagne für ein Bündnis der SPD mit dem demokratischen Bürgertum begannen sozialistische Intellektuelle, das Konzept des Rechtsstaats zu überdenken. Federführend waren dabei Sinzheimer in Frankfurt und der namhafte Berliner Rechtswissenschaftler Hermann Heller, die beide zu zeigen versuchten, dass sich der Rechtsstaat in Wirklichkeit komplementär zum Sozialismus verhalte und von bürgerlichen Denkern aus gutem Grund als eine bedeutende Errungenschaft betrachtet wurde  – jedes ethisch intakte politische Gemeinwesen musste sich demnach durch allgemeine und berechenbare Gesetze selbst Schranken auferlegen. Allerdings war es aus ihrer Sicht zugleich Aufgabe des Staates, soziale Gerechtigkeit herzustellen und seine schwächsten Mitglieder vor wirtschaftlicher Ausbeutung zu schützen. Um der rechtlichen Gleichheit eine reale Bedeutung zu geben, obliege es daher Politik und Justiz, soziale Ungleichheiten abzubauen und Konflikte zu regeln. Sinzheimer und Heller zufolge sollte die Regierung den Rechtsstaat verteidigen und zugleich Sozialgesetze und Wohlfahrtsprogramme fördern: Galt es einerseits, das Privateigentum vor willkürlicher Enteignung zu schützen, so musste andererseits auf friedlichem Wege größere wirtschaftliche Gleichheit verwirklicht werden. Heller bezeichnete diese gemischte Ordnung als »sozialen Rechtsstaat« und prägte damit einen später sehr populären Begriff.11 Laut dieser Denkschule mussten Sozialisten die 89

marxistische Vision einer klassenlosen, homogenen Gesellschaft aufgeben, in der die Arbeiterklasse über die Wirtschaft herrschen sollte, und stattdessen für einen sozialen Rechtsstaat eintreten und die von der Bourgeoisie geschaffenen Institutionen anerkennen.12 Als junger Autor und Protegé Sinzheimers schloss sich Fraenkel in Frankfurt der Kampagne für einen sozialen Rechtsstaat an und wurde schon bald einer ihrer eloquentesten Vertreter. In einer Vielzahl von Publikationen versuchte er, das sozialistische Denken durch die These zu erneuern, dass der Kampf der Arbeiter für soziale Gleichheit nicht bloß ökonomisch-materiellen Gesichtspunkten folge. In letzter Instanz, so Fraenkels provokatives Argument, sei der Antrieb zu sozialistischer Politik vielmehr ein ethischer und moralischer: Arbeiter träten nicht nur aus Gründen wirtschaftlicher Gerechtigkeit für höhere Löhne, Sozialleistungen und Gewerkschaftsrechte ein, sondern auch deshalb, weil sie darin die einzigen moralisch angemessenen Maßnahmen zur Verwirklichung einer gerechten Gesellschaft sähen. Damit behauptete Fraenkel, dass sowohl die Arbeiter wie auch das Bürgertum in der Tradition eines rationalen »Naturrechts« ständen: Beide seien der Überzeugung, dass Gesetze universelle moralische Wahrheiten und nicht Machtverhältnisse oder Klasseninteressen ausdrücken sollten. Demnach unterschieden sich Arbeiter gar nicht so radikal vom Bürgertum, wie Kommunisten und marxistische Sozialdemokraten häufig meinten. Trotz wirtschaftspolitischer Differenzen würden beide Klassen die Auffassung teilen, dass der Rechtsstaat einer allgemeinen Gerechtigkeit dienen sollte. Folgte man diesem Gedanken, dann waren Arbeiter keineswegs zum Umsturz des gesamten bürgerlichen Rechtssystems gezwungen – sie mussten es lediglich ausbauen, um ein »proletarisches Naturrecht« zu verwirklichen.13 Fraenkel stützte sich mit dieser provokanten Kritik sozialistisch-materialistischer Überzeugungen auch auf eigene Erfahrungen als Rechtsanwalt, die ihm zufolge zeigten, dass Arbeiter nicht an den Marxismus, sondern an den Rechtsstaat glaubten. Obwohl die von ihm vor Gericht vertretenen Arbeiter ihre arbeitsrechtlichen Prozesse gegen die Unternehmen in der Regel verloren, rückte Fraenkel nie von der Überzeugung ab, dass das Rechtssystem soziale Gerechtigkeit herstellen konnte und sollte. In seinen Augen waren der Rechtsstaat und das von ihm geschützte universelle Recht die einzig legitimen Mittel zur Beilegung sozialer Konflikte. »Ich fordere jedermann auf, vor Arbeiterkreisen das von mir dutzendfach unternommene Experiment zu wiederholen«, schrieb Fraenkel spöttisch an die Adresse etwaiger kommunistischer Leserinnen und Leser. Wolle man Arbeiter davon überzeugen, dass das Rechtssystem nicht die Gerechtigkeit schütze, sondern nur das willkürliche Vorgehen kapitalistischer Eliten, dann werde man »kein Verständnis finden, 90

als Echo nur das eine Wort hören: Kautschuk!« F ­ raenkel sah in solchen Reaktionen den Beleg dafür, dass Arbeiter die innere Verwandtschaft zwischen der sozialistischen Gleichheitsforderung und den universellen Normen des Rechtsstaates intuitiv begriffen. »Das Proletariat glaubt an das Recht«, bemerkte er, es »ist erfüllt von naturrechtlichem Denken proletarischer Prägung«.14 Mit der Weimarer Verfassung hatte das wagemutige Projekt einer Versöhnung von Rechtsstaat und Sozialismus laut Fraenkel bereits begonnen: Neben individuellen Rechten wie der Presse-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit gewährleistete sie auch kollektive Rechte für Arbeiter. Besonders positiv hob Fraenkel die von seinem Mentor Sinzheimer mitentworfenen Bestimmungen hervor: Artikel 151 besagte beispielsweise, dass die »Ordnung des Wirtschaftslebens […] den Grundsätzen der Gerechtigkeit« entsprechen müsse, Artikel 159 gewährleistete »für jedermann und für alle Berufe« die Vereinigungsfreiheit und Artikel 165 rief Arbeiter und Angestellte dazu auf, »gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen« mitzuwirken.15 Solche Bestimmungen waren für Fraenkel Beleg dafür, dass die Weimarer Republik keineswegs, wie die Kommunisten behaupteten, einen schmachvollen Kompromiss mit Konservativen und Kapitalisten darstellte, sondern eine bedeutende sozialistische Errungenschaft war, die Deutschland in eine nachkapitalistische Ära und zum »proletarischen Naturrecht« führen würde.16 Aus dieser Neubestimmung des Verhältnisses von Recht und sozialer Gleichheit entwickelte sich wenig später eine weitreichende Kampagne für die Umgestaltung der Demokratie in Deutschland. Laut Fraenkel beruhte das parlamentarische System der Weimarer Republik ebenso wie der Rechtsstaat auf bürgerlichen Prinzipien des 19. Jahrhunderts und sozialen Verhältnissen, die vor der industriellen Revolution und der Gründung der sozialistischen Bewegung bestanden hatten, weshalb aus seiner Sicht beide reformiert und mit sozialistischen Ideen verbunden werden mussten, um zu einer sozialistisch-liberalen Mischform von Demokratie zu gelangen. Wie Hellers sozialer Rechtsstaat sollte diese neue demokratische Ordnung die Hauptanliegen des Sozialismus verwirklichen: größere wirtschaftliche Gleichheit, mehr Einflussmöglichkeiten für die Arbeiterklasse und eine Ökonomie jenseits der freien kapitalistischen Marktwirtschaft. Um die Notwendigkeit einer sozialistischen Reform des parlamentarischen Systems zu begründen, machte Fraenkel starke Anleihen bei dem Staatsrechtler Carl Schmitt, der zur politischen Rechten gehörte und bei dem er kurzzeitig studiert hatte. Schmitt verabscheute die SPD regelrecht, da ihre Ausrichtung auf die Arbeiterklasse und wirtschaftspolitische Maßnahmen in seinen Augen die Einheit der deutschen Nation zerstörte und den Staat 91

schwächte. Fraenkel entdeckte in dessen Schriften gleichwohl die schlüssigste Erklärung dafür, warum es der Weimarer Republik nicht gelungen war, die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Parteien zu einer klassenübergreifenden Zusammenarbeit zu bewegen – sie legten genau die Schwächen der Demokratie offen, die er selbst überwinden wollte.17 Schmitt hatte argumentiert, dass das Parlament ursprünglich keine Institution der Demokratie und nationalen Politik gewesen sei. Bei seiner Entstehung im 19. Jahrhundert handelte es sich demnach um eine strikt bürgerliche, nur den wohlhabenden Eliten offenstehende Einrichtung, die den Zweck hatte, fähigen und eigenständigen Individuen ein Forum für freie Diskussionen und friedlichen Ideenwettstreit zu geben, gefolgt von der Verabschiedung von Gesetzen zum Wohl der Allgemeinheit. In der Weimarer Republik sei diese bürgerliche Institution jedoch in einen Verfallsprozess geraten: Zur Wählerschaft gehörten nun nicht mehr nur vermögende Personen, sondern die breite Masse. Es hätten sich nun große Parteien herausgebildet, die sich nicht länger dem öffentlichen Wohl, sondern ausschließlich ihrer jeweiligen Anhängerschaft und deren Interessen verpflichtet gefühlt hätten. Nach Schmitts Narrativ, das viele antirepublikanische Konservative begeistert aufnahmen und das auch Fraenkel beeindruckte, hatte dieser unumkehrbare Prozess den Reichstag in eine jämmerliche Einrichtung verwandelt, die weder der freien Diskussion noch irgendeiner Form von Zusammenarbeit Raum ließ. Wie er in einer bekannten Passage formulierte: »Engere und engste Ausschüsse von Parteien oder von Parteikoalitionen beschließen hinter verschlossenen Türen, und was die Vertreter großkapitalistischer Interessenverbände im engsten Komitee abmachen, ist für das tägliche Leben und Schicksal von Millionen Menschen vielleicht noch wichtiger als jene politischen Entscheidungen.«

Schmitt verwarf das Parlament somit mit polemischer Schärfe als eine leere, für die moderne Politik irrelevante Hülle. Deutschland müsse es vollständig abschaffen und sich als autoritäre Diktatur neu konstituieren.18 Fraenkel teilte zwar den Kern dieser scharfen Kritik, Schmitts antiparlamentarische Schlussfolgerungen wies er allerdings entschieden zurück. Richtig schien ihm dessen Behauptung, dass der Reichstag aus einer bürgerlichen, auf individuelle Freiheiten und freies Unternehmertum ausgelegten Weltanschauung hervorgegangen sei, die den Anforderungen des 20. Jahrhunderts nicht mehr entspreche. Das wachsende Gewicht der Arbeiterklasse habe ein neues Konzept von Rechten in die Politik eingeführt: Arbeiter interessierten sich nicht für individuelle, sondern für »kollektive Rechte«, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhten. Der Gedanke solcher »Gruppenrechte« hatte sich laut Fraenkel über die Arbeiterklasse hinaus auch in religiösen, 92

ethnischen und anderen Gruppen verbreitet, die nun ebenfalls vom Staat verlangten, ihre Interessen nicht nur als Einzelne, sondern auch als Angehörige einer Gemeinschaft zu schützen. Laut Fraenkel war »bisher kaum beachtet« worden, »daß wir zur Zeit die Ansätze zu einer neuen Gesellschaftsordnung miterleben«, die sich dadurch auszeichne, »daß bei der Bildung des Staatswillens nicht mehr die einzelnen, nicht mehr nur als Individuum, sondern auch die Verbände als solche beteiligt sind«. Diese neuartige Ausrichtung auf Gruppenforderungen habe das Parlament in eine Bühne für rivalisierende Blöcke verwandelt. In den Schwierigkeiten, vor denen Politiker bei Koalitionsverhandlungen standen, drückte sich nach Fraenkel der grundlegende Konflikt zwischen den individualistischen Prinzipien des bürgerlichen Parlamentarismus und dem kollektiven Wesen moderner Parteien und Politik aus.19 Auch wenn sich diese Überlegungen stark an Schmitts antirepublikanische Traktate anlehnten, erklärte Fraenkel mit Nachdruck, dass das parlamentarische System keineswegs zum Untergang verdammt sei. Individuelle und kollektive Rechte würden sich nicht ausschließen, sondern könnten in einem neuen System der »kollektiven Demokratie« verschmelzen. So wie Sozialisten zur Verwirklichung des Rechtsstaats ein Bündnis mit der Mittelschicht eingegangen seien, könnten sie dies auch zugunsten des Parlaments tun und dieses durch sozialistische Ideen und die Forderung nach kollektiven Rechten bereichern. In Aufsätzen und Broschüren rief Fraenkel die Deutschen dazu auf, die Apparate der Regierung durch eine Reihe legislativer Räte zu erweitern; diese sollten neben dem weiterhin für die Vertretung individueller Rechte und Interessen zuständigen Reichstag mit der Befugnis arbeiten, die für ihr jeweiliges Gebiet relevanten Gesetzesentwürfe zu debattieren und zu verabschieden. Neben einem Rat für Wirtschaft schwebten Fraenkel Räte für Religion, Bildung und weitere Bereiche vor. Sein Konzept sah vor, die Vertreter in diesen Räten anders als die Reichstagsabgeordneten nicht durch individuelle Stimmabgabe, sondern durch Kollektive zu bestimmen  – und zwar durch die Gruppen, die von ihren Entscheidungen am stärksten betroffen sein würden. So sollte sich zum Beispiel der Wirtschaftsrat aus Vertretern der beiden maßgeblichen ökonomischen Gruppen, der Arbeiter- und der Unternehmerschaft, zusammensetzen, der Gesundheitsrat aus Vertretern von Ärzteverbänden und den zuständigen Behörden. Ferner sprach sich Fraenkel für eine Entschlussfassung in den Räten durch Konsens aus, um sicherzustellen, dass nur Vorschläge, die von den Vertretern aller Gruppen im jeweiligen Rat befürwortet wurden, als Gesetz verabschiedet werden könnten, wobei er die Machtverteilung zwischen Räten und Reichstag nie genau bestimmte. In jedem Fall stellten solche Räte für ihn eine Institutionalisierung der sozialistischen Forderung nach »kollektiver« Repräsentation dar. So wie das »prole93

tarische Naturrecht« eine Weiterentwicklung des bürgerlichen Rechtsstaats war, sollten sie die bürgerliche in eine kollektive Demokratie verwandeln.20 Fraenkel behauptete, dass ein solches gemischtes System durch die Einbeziehung unterschiedlicher Gruppen und Berufe in den legislativen Prozess die Demokratie stärke. Anstatt ausschließlich von den Parteipolitikern im Reichstag abhängig zu sein, würden die Bürger in einer Vielzahl von Räten eine Vertretung durch unterschiedliche Kollektive erhalten. Diese vielschichtige Repräsentation sollte Gruppen stärken, die normalerweise außerhalb des politischen Prozesses verblieben. Arbeiter zum Beispiel wären dank ihrer Delegierten im Wirtschaftsrat nicht auf eine Regierungsbeteiligung der SPD angewiesen, damit ihre Interessen vertreten werden. Außerdem traute Fraenkel einem solchen System zu, den auf den Reichstagsabgeordneten lastenden Druck zu verringern: Da die Räte nach dem Konsensprinzip arbeiten sollten, könnten Politiker leichter Kompromisse eingehen, anstatt nur ihrer jeweils eng abgesteckten Basis zu dienen. Fraenkel sah in diesem Entwurf eine Verwirklichung der ursprünglichen Vision der Weimarer Verfassung, die auf ein Gleichgewicht von individuellen Freiheiten und sozialer Gleichheit zielte; die kollektive Demokratie sollte das parlamentarische System »ergänzen«.21 Dieses neue System sollte nicht nur die politische Funktionsweise des Reichstags und der Weimarer Republik transformieren. Ebenso wichtig war Fraenkel der Effekt, die Sozialisten zum Abrücken von einem Demokratieverständnis zu bewegen, das eine homogene, klassenlose Gesellschaft zur Voraussetzung hatte. Nach Fraenkels Überzeugung musste die SPD anerkennen, dass die Gesellschaft aus einem heterogenen Amalgam konfligierender Gruppen bestand. Anstatt auf die Beseitigung von Klassenkonflikten zu zielen, sollte das demokratische System soziale Spannungen akzeptieren, steuern und durch sozialpartnerschaftliche Kooperation lösen. Arbeiter müssten erkennen, dass ihre Interessen nicht ausschließlich durch ihre Klassenzugehörigkeit bestimmt seien: Sie gehörten unterschiedlichen sozialen Gemeinschaften gleichzeitig an und eben diese Vielfalt sollte Fraenkels Ansicht nach im demokratischen Staat ihren Ausdruck finden. Er war daher überzeugt, dass die SPD durch die Verwirklichung einer kollektiven Demokratie zugleich die soziale Gleichheit fördern und das Wesen der Demokratie schützen könne; sowohl individuelle Rechte wie auch Gruppeninteressen würden so in das Gewebe der Politik integriert. Indem die Weimarer Republik die SPD und bürgerliche Kräfte zu einer zögerlichen Kooperation zwang, habe sie den Anbruch eines wirklich demokratischen Zeitalters eingeläutet. Die Republik war für Fraenkel ein System, das Sozialisten genauso wie bürgerliche Kräfte wenn nötig mit äußerster Entschlossenheit gegen nationalistische und kommunistische Extremisten zu verteidigen hatte.22 94

Wie Friedrichs Theorie der christlichen Bünde zielte Fraenkels Demokratieentwurf auf die Förderung eines Konsenses, der mittels staatlicher Institutionen hergestellt werden sollte. Die Aufgabe demokratischer Politik bestand dabei nicht in der Kritik von Machtstrukturen oder der Einschränkung staatlicher Autorität, sondern darin, innerhalb des Staates Kompromisse und Kooperationen zwischen Gruppen und Wählerblöcken zu fördern. Indem sie die klassenübergreifende Zusammenarbeit ins Zentrum rückte, eröffnete Fraenkels Theorie neue Perspektiven für eine sozialistische Politik, verfolgte damit jedoch zugleich das Ziel, die Arbeiterklasse von einer radikalen Opposition gegen die existierenden sozialen, politischen und ökonomischen Hierarchien abzubringen. Den traditionellen Sozialismus und Kommunismus zeichnete sie als von Natur aus amoralisch und destruktiv – als unfähig, die im Parlamentarismus und im Kompromissprinzip verkörperten universellen Werte zu begreifen. Fraenkel befasste sich in seinen Schriften zwar nur selten mit dem Kommunismus, aber er verstand ihn grundsätzlich als eine barbarische Idee jenseits des Horizonts der »Kulturstaaten«.23 In der Weimarer Ära spielte diese feindselige Haltung zu konkurrierenden politischen Ideen in der Arbeiterklasse noch eine untergeordnete Rolle. Nach dem Trauma des Nationalsozialismus und angesichts des einsetzenden Kalten Krieges trat sie in den Vordergrund und führte zu politischen Tragödien gewaltigen Ausmaßes. Aus dem facettenreichen Weimarer Universum sozialdemokratischer Theorie stach Fraenkel mit seinen Bemühungen um ein neues sozialistisches Demokratieverständnis als eine der originellsten Stimmen hervor. Anstatt durch zentrale Wirtschaftsplanung eine klassenlose Gesellschaft aufzubauen, sollten Sozialisten zu Verteidigern und Erneuerern von bürgerlichen Institutionen wie Rechtsstaat und Parlament werden und anerkennen, dass die Gesellschaft ein vielfältiges und in ständigem Wandel begriffenes Puzzle aus heterogenen Kräften darstelle. Doch auch Fraenkels Aufruf zu klassenübergreifender Zusammenarbeit gelang es in den letzten Jahren der Weimarer Republik nicht, einen Schulterschluss von Sozialdemokraten und Mittelschichten herbeizuführen. Zwar ging die SPD 1928 eine Große Koalition mit bürgerlichen Parteien ein, diese zerbrach jedoch unter dem Druck der Weltwirtschaftskrise.24 Der Zusammenbruch der Weimarer Republik im Jahr 1933 bedeutete allerdings nicht das Ende von Fraenkels Mission, die moderne Demokratie zu reformieren. Nach seiner Emigration in die Vereinigten Staaten wurden Fraenkels Ideen zum Leitfaden für eine vollkommen neuartige Diplomatie.

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Soziale Demokratie und amerikanische Macht: Fraenkel in den Vereinigten Staaten und Korea Als die Nazis im Winter 1933 an die Macht gelangten, begannen sie unverzüglich mit der gewaltsamen Unterdrückung der Linken. Sozialisten wie Kommunisten gehörten nach ihrer Überzeugung einer jüdisch angeführten Verschwörung an, die Chaos verbreiten und die deutsche Nation spalten sollte. Wie Hitler noch am Tag seines Amtsantritts verkündete, bestand das oberste Ziel des »Dritten Reichs« darin, zu verhindern, dass die »rote Fahne der Vernichtung« über Deutschland wehen würde.25 Gegen diese angebliche existenzielle Bedrohung entfesselte das neue Regime sofort eine brutale Repressionswelle. Zuerst wurden die Kommunisten, danach die Gewerkschaften und die SPD ins Visier genommen; SA-Männer stürmten Büros, schlugen Aktivisten zusammen und schlossen Zeitungen. Sozialistisch geführte Einrichtungen wie die Frankfurter Akademie der Arbeit wurden aufgelöst, führende sozialdemokratische Intellektuelle wie Sinzheimer und Heller flohen ins Exil. Funktionäre der Arbeiterbewegung wurden ermordet oder in Konzentrationslager gebracht, die Gewerkschaften in die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront zwangseingegliedert. Im Sommer 1933, nur sechs Monate nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, lag die größte Arbeiterbewegung der Welt in Trümmern. NS -Propagandaminister Joseph Goebbels notierte nach der Auflösung der SPD im Juni des Jahres jubilierend in seinem Tagebuch: »Bravo! Der totale Staat läßt nicht mehr lange auf sich warten.«26 Die fatale gewaltsame Machtübernahme der Nazis hatte allerdings nicht zur Folge, dass Fraenkel seine Bemühungen um eine Erneuerung der Demokratie einstellte. Vielmehr boten ihm der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und später der beginnende Kalte Krieg unerwartete Gelegenheiten, sein Projekt außerhalb Deutschlands fortzuführen. Nachdem er 1938 in die Vereinigten Staaten geflohen war, schloss er sich einer mehrere Dutzend starken Gruppe sozialistischer Emigrantinnen und Emigranten an, die den US -Behörden bei der Planung des Wiederaufbaus Deutschlands nach dem Krieg halfen. Diese Zusammenarbeit eröffnete Fraenkel wiederum neue Perspektiven in Übersee: 1945 trat er, wie schon erwähnt, als hochrangiger Mitarbeiter in den Dienst der US -Besatzungstruppen in Korea. In dieser Funktion beteiligte er sich an dem umfassenden amerikanischen Vorhaben, Asien nach dem Krieg von Grund auf umzugestalten und den japanischen Imperialismus durch eine amerikanische Hegemonie zu ersetzen. Trotz ihrer völlig anders gearteten Geschichte und kulturellen, sprachlichen und politischen Traditionen 96

schienen in Fraenkels Augen die Vereinigten Staaten imstande zu sein, das gescheiterte Projekt der Weimarer Republik – ein sozialdemokratisch-antikommunistischer Staat – in Südkorea umzusetzen. Als er die südkoreanische Verfassung mitentwarf, implementierte er sein Konzept der kollektiven Demokratie durch Paragrafen, die individuelle Rechte und soziale Gleichheit ausbalancierten, wie auch den Geist eines vehementen Antikommunismus, der vor dem Hintergrund der sowjetischen Machtentfaltung und dem Kalten Krieg noch an Schärfe gewonnen hatte. Als die Sowjets ihrerseits das Projekt einer kommunistischen Staatsgründung im Norden des Landes verfolgten, verwarf Fraenkel sogar die ursprünglichen Pläne für ein vereintes Korea, indem er sich aktiv für die Teilung der Halbinsel in einen kommunistischen und einen antikommunistischen Block einsetzte. Hier verschmolzen also eine sozialdemokratische Theorie aus der deutschen Republik vor 1933 mit der amerikanischen Nachkriegspolitik, in der es darum ging, in Ostasien neue Staaten aufzubauen und den Kommunismus zu bekämpfen – und zwar mit zerstörerischen und tragischen Konsequenzen. Als Veteran des Ersten Weltkrieges war Fraenkel von einem noch im Frühjahr 1933 beschlossenen Gesetz ausgenommen, das Juden und Kommunisten die Anwaltstätigkeit untersagte. So vertrat er weitere fünf Jahre Arbeiter vor deutschen Gerichten und wurde Zeuge, wie die Nazis den Rechtsstaat, die organisierte Arbeiterbewegung und das bisherige Gerichtswesen zerstörten. Nachdem er von der Gestapo bereits anhaltend drangsaliert worden war, erfuhr Fraenkel schließlich 1938 aus dem sozialistischen Untergrund, dass seine Verhaftung unmittelbar bevorstand, und floh mithilfe von Verwandten nach Großbritannien und von dort aus nach Amerika. Dort wurde er mit Unterstützung eines Netzwerks deutscher Emigranten und gemeinnütziger Organisationen für jüdische Arbeiterorganisationen tätig und hielt mehrere Kurse über Arbeitsrecht an der New School for Social Research in New York ab. Danach studierte er zwei Jahre lang an der University of Chicago, um einen zweiten Abschluss in Rechtswissenschaften zu erlangen.27 Die Jahre, die er unter der NS -Herrschaft verbracht hatte, ließen Fraenkel sein Bemühen um ein Bündnis von sozialistischen und bürgerlichen Gruppen nur noch dringlicher erscheinen. Während sein ehemaliger Kollege Franz Leopold Neumann, radikalisiert durch den Zusammenbruch der Weimarer Republik, für eine »Volksfront« aus Sozialdemokraten und Kommunisten eintrat, hob Fraenkel weiterhin Ähnlichkeiten zwischen sozialistischem und bürgerlichem Denken hervor. Das beste Beispiel dafür ist Fraenkels Studie des nationalsozialistischen Rechtssystems Der Doppelstaat, die sein bekanntestes und meistzitiertes Werk wurde. Wissenschaftler lobten das 1941 in den Vereinigten Staaten publizierte Buch als eine detaillierte Untersuchung und 97

Anklage der Nazi-Justiz.28 Doch wie bereits in der Weimarer Zeit betonte Fraenkel darin auch die Überschneidungen zwischen sozialistischen und bürgerlichen Rechtsauffassungen: Beide seien universellen Normen und dem Naturrecht verpflichtet und wollten eine Gesellschaft aufbauen, die einen Rechtsstaat verwirklicht. Für Sozialisten, die noch immer glaubten, die vom Marxismus vorhergesagte unausweichliche Revolution werde für soziale Gerechtigkeit sorgen, hatte Fraenkel nur Spott übrig. Sarkastisch bemerkte er: »Noch niemals hat jemand sein Leben um der [marxistischen] ›Bewegungsgesetze der Gesellschaft‹ auf das Spiel gesetzt.« Der Doppelstaat war ein Plädoyer für ein breites Bündnis sozialistischer und bürgerlicher Aktivisten gegen das Naziregime. In Fraenkels Augen stand »der Eingliederung der Marxisten in die Einheitsfront der Naturrechtler nichts im Wege«.29 Während Fraenkels politische Theorie im Kern unverändert blieb, wandelte sich sein Blick auf die Vereinigten Staaten durch die eigene Exilerfahrung erheblich. Wie viele europäische Sozialisten hatte er sie vor seiner Emigration als den Inbegriff von entfesseltem Kapitalismus, freier Marktwirtschaft und Plutokratie wahrgenommen – als »das reaktionärste Land der Welt«, wie er sich später erinnerte.30 Im Exil gelangte er unter dem Einfluss amerikanischer Rechtswissenschaftler in Chicago dagegen mehr und mehr zu der Auffassung, dass sein Gastland die fortschrittlichste Kraft in der Weltpolitik darstelle. Der New Deal hatte Amerika in Fraenkels Augen radikal von einer Bastion des Kapitalismus in das Zentrum sozialdemokratischer Politik transformiert. Roosevelts couragierte Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Ordnung, der Aufbau eines Sozialstaats, die Anerkennung von Gewerkschaftsrechten und die Entwicklung neuer Wohlfahrtsprogramme waren demnach nicht bloß Notmaßnahmen zur Stabilisierung des Kapitalismus, sondern markierten den Anbruch einer neuen sozialdemokratischen Ordnung. Diesem Narrativ zufolge hatte der New Deal eine »friedliche Revolution« in Gang gesetzt und damit eine neuartige, individuellen Freiheiten und sozialer Gleichheit verpflichtete Mischform aus liberaler und sozialistischer Demokratie hervorgebracht. Unter Roosevelts Führung seien die Vereinigten Staaten jene kollektive Demokratie geworden, die Weimarer Sozialisten seit Langem angestrebt hatten.31 Dass Amerika verwirklichte, was Weimar nicht vollbracht hatte, führte Fraenkel auf die Reaktion der amerikanischen juristischen Elite auf Roosevelts revolutionären New Deal zurück: Anders als damals in Deutschland habe diese verstanden, dass ihr bisheriger Glaube an das bürgerliche Recht im modernen Industriezeitalter nicht länger eine Gewähr für Gerechtigkeit biete. Angeführt von Louis Brandeis, einem Richter am Obersten Bundes­ gerichtshof, habe sie anerkannt, dass der Staat zum Schutz der Demokratie 98

weitreichende Eingriffe in die Wirtschaft vornehmen und zugleich rechtsstaatliche Prinzipien wahren müsse. Nach anfänglichen Konflikten zwischen dem Obersten Bundesgerichtshof und der Roosevelt-Administration – ­Fraenkel blieb hier etwas vage und ignorierte Roosevelts umstrittenen und gescheiterten Versuch von 1937, das Gericht um loyale Vertreter zu erweitern – gaben die Richter schließlich nach und bestätigten die Verfassungsmäßigkeit der wichtigsten New-Deal-Programme wie etwa des National Labor Relations Act. Damit akzeptierten die Vereinigten Staaten laut Fraenkel, dass kollektive Übereinkünfte dieselbe Bedeutung hätten wie individuelle Rechte. In einer deutlichen Projektion seiner eigenen Vorstellungen erklärte er, dank des Obersten Bundesgerichtshofs seien »die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Arbeitszeit- und Arbeitsschutzrecht, Koalitions-, Arbeitskampf- und Tarifrecht und ein modernes Sozialversicherungsrecht radikal beseitigt«.32 Dabei ging es um weit mehr als eine spitzfindige Debatte über die Grenzen der Regierungsbefugnisse. Mit der Entscheidung, kollektive und individuelle Rechte für gleichrangig zu erklären, hatte das Gericht das amerikanische Rechtsverständnis tiefgreifend verändert. Angesichts dessen vollzog Fraenkel eine beinahe wundersame Kehrtwende und betrachtete Amerika nunmehr als Hüter seiner eigenen Ideen, als Verkörperung demokratischer sozialer Gerechtigkeit. Deren Verwirklichung bemaß sich in Fraenkels Erzählung allein an der Lage der Arbeiter; die legalisierte Unterdrückung und gewaltsame, rassistisch motivierte Verfolgung von Minderheiten – ein Thema, das er selten erwähnte – fiel offenbar nicht ins Gewicht. Wie er später seinem sozialistischen Freund Otto Suhr zur Erklärung dieser Hochachtung vor den Vereinigten Staaten schrieb: »Wir hatten das Glück, in das Amerika FDRs und nicht in das Amerika eines Harding, Hoover, oder Coolidge, einzuwandern.«33 Mit dem Eintritt Amerikas in den Zweiten Weltkrieg übersetzten sich diese Ansichten in die Praxis. Zu den einschneidenden Veränderungen, die der Vorfall von Pearl Harbor und der Aufbau eines gewaltigen Kriegsapparats nach sich zogen, gehörte die Aufnahme etlicher sozialistischer Emigranten in die US -Geheimdienste. Bekannt wurde vor allem der Fall des Office for Strategic Services (OSS), des zentralen Nachrichtendienstes des Kriegsministeriums, das gleich Dutzende von ihnen einstellte  – darunter radikale marxistische Intellektuelle wie Herbert Marcuse und Fraenkels ehemaligen Anwaltskollegen Franz Neumann. Auch wenn ihre politischen Ansichten den amerikanischen Diplomaten und Kriegsplanern nicht unbedingt zusagten, waren sie zweifelsfrei Nazigegner und wurden als Kenner Deutschlands geschätzt. So kam es, dass sozialistische Wissenschaftler und Juristen während des Krieges US -Diplomaten über das Rechtssystem und die Wirtschaftsstrukturen des 99

»Dritten Reichs« aufklärten und ihnen dabei halfen, Pläne für die Besatzung und Entnazifizierung Deutschlands auszuarbeiten. Viele Emigranten setzten diese Zusammenarbeit auch noch lange nach dem Krieg fort. Marcuses und Neumanns Arbeit im OSS ist bekannt und rekonstruiert, doch auch viele andere Emigranten zog es in den Dunstkreis des US -Geheimdienstapparats.34 Zu ihnen gehörte auch Fraenkel, der von der ehemaligen SPD -Aktivistin Hedwig Wachenheim für die Foreign Economic Administration (FEA) des OSS in Washington angeworben wurde. Als Experte für deutsches wie amerikanisches Recht hatte er die Aufgabe, den Wiederaufbau der deutschen Justiz nach dem Krieg vorzubereiten. Während des Krieges entwarf Fraenkel daher Pläne für die Entnazifizierung und Neugründung der deutschen Gerichte, Gemeinden und Polizei. Wie in der Weimarer Zeit leitete ihn dabei die Überzeugung, dass der Wiederaufbau Deutschlands nicht durch die Zerschlagung der Macht des Kapitals und die Einführung einer Planwirtschaft vonstattengehen solle, wie viele ehemalige SPD -Mitglieder weiterhin meinten, denn die von den Regimevertretern so genannte nationalsozialistische Revolution ließ sich seiner Ansicht nach nicht einfach dadurch rückgängig machen, dass die amerikanische Besatzungsmacht Schlüsselindustrien verstaatlichte. Wie Fraenkel in einer Reihe von Memoranden darlegte, sollten sich die Besatzungsbehörden stattdessen auf die Wiederherstellung des Rechtsstaats konzentrieren, einer Ordnung, die auf einem universellen und für alle Bürger gleichen Rechtskodex beruhe. Besonders wichtig schien ihm dabei die Absetzung völkisch-konservativer Richter, die das Recht instrumentalisiert hätten, um die deutschen Arbeiter zu unterdrücken.35 Damit schloss sich Fraenkel einer großen Gruppe von sozialistischen Emigranten an, die Amerika für ihre Überzeugung, es gelte ein sozialdemokratisches Deutschland aufzubauen, zu gewinnen hofften. Unter anderem trug er zu einer wichtigen Publikation bei, die Wachenheims Arbeitsgruppe für das Kriegsministerium erstellte. Darin hieß es, die deutsche Arbeiterbewegung sei »vor dem Krieg die stärkste demokratische Kraft in Deutschland« gewesen und werde »erneut die tragende Säule der Demokratie werden, sofern sie sich organisieren darf. […] Die erneute Demokratisierung Deutschlands muss mit der Neuorganisation der Arbeiterbewegung beginnen.« Die Gruppe legte detaillierte Pläne für die Neugründung der Gewerkschaften, sofortige Kommunalwahlen und die Umstrukturierung der Sozialbehörden vor. Als fester Grund für Reformen nach dem Nationalsozialismus galten ihr durchweg die Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei.36 Für Fraenkel war der Neuaufbau der organisierten Arbeiterbewegung in Deutschland allerdings untrennbar mit der Wiederherstellung des sozialen Rechtsstaats verbunden: 100

»Nur wo ein Rechtsstaat besteht, sind freie Gewerkschaften möglich. Nur wenn freie Gewerkschaften wieder auferstehen, kann ein Rechtsstaat gedeihen in Deutschland. Es geht eine klare Linie von der Neubildung der Gewerkschaften über den Neuaufbau des Rechtsstaates zur Dauersicherung des Weltfriedens.«

Die bevorstehende Besatzung Deutschlands sollte aus Sicht von Fraenkel und ähnlich denkenden Emigranten die partiellen Errungenschaften der Weimarer Republik vollenden.37 Doch erforderte eine wirkliche Demokratisierung nicht nur eine umfassende gesellschaftliche und rechtliche Revolution, sie wurde überdies vom alten Erzfeind der Sozialdemokratie bedroht: dem Kommunismus. Ausgehend von bitteren Erinnerungen an die gewaltsamen Zusammenstöße in der Weimarer Zeit sagten Fraenkel und andere voraus, mit dem Ende des Krieges werde erneut der Kampf zwischen der gemäßigten und der radikalen Linken entflammen. Die größte Gefahr, schrieb Fraenkel 1944, werde nach dem Krieg weder von Nazis im Untergrund noch von anderen rechten Fanatikern ausgehen, wie viele befürchteten, sondern von den Kommunisten, die das bolschewistische Modell auf Europa und Deutschland ausdehnen wollten, womit »eine Form des Totalitarismus durch eine andere ersetzt« würde. Paradoxerweise schien Fraenkel gerade die Arbeiterschaft, das Rückgrat der Demokratisierung, am anfälligsten für die Verlockungen des Kommunismus zu sein: Nach dem Trauma von Weltwirtschaftskrise und Krieg könnten die Sowjets die deutschen Arbeiter leicht davon überzeugen, dass »es das Ziel der ›westlichen Plutokratien‹ sei, den nationalsozialistischen Albtraum zu verewigen, statt ihn zu beseitigen, und daß der Bolschewismus mit Freiheit und Gleichheit identisch sei«.38 Da er an das demokratische Potenzial der Massen glaubte, aber auch befürchtete, dass sie der Demokratie die Unterstützung versagen könnten, mahnte Fraenkel, dass für das Überleben Europas insbesondere die Fähigkeit der Alliierten maßgeblich sei, die deutschen Arbeiter für eine robuste antikommunistische und soziale Demokratie zu gewinnen. Ihr Erfolg werde darüber entscheiden, ob »Europa kosakisch oder republikanisch sein wird«.39 Mehr noch: Der Konflikt zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus habe globale Ausmaße. Sollte es den Westmächten in Deutschland nicht gelingen, die Sozialdemokraten zu stärken und eine fortschrittliche Ordnung aufzubauen, würden sie dem weltweiten Totalitarismus in die Hände spielen und indirekt sogar »die Demokratie in ihren eigenen Ländern in Gefahr« bringen.40 Fraenkels Zeit im US -Nachrichtendienst veränderte sein Denken. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges bekam seine Vision einer dezidiert antikommunistischen kollektiven Demokratie einen weltpolitischen Bezug. Nachdem 101

er drei Jahre lang eng mit Vertretern der US -Geheimdienste zusammengearbeitet hatte, war Fraenkel davon überzeugt, dass die Vereinigten Staaten angesichts ihrer beeindruckenden Siege in Europa und Asien das beste Vehikel für den Aufbau einer postkapitalistischen Demokratie seien. Ihre enorme militärische Stärke mache sie zudem zur einzigen Kraft, die die soziale Demokratie vor dem kommunistischen Feind schützen könne, der diese in Weimar sabotiert habe. Eine persönliche Beteiligung am Wiederaufbau des Landes, das Millionen Juden ermordet hatte, lehnte Fraenkel anders als die große Mehrheit seiner sozialistischen Kollegen beim OSS allerdings zunächst ab. So schrieb er einem Freund: »Und nun schau’ dir dieses Heer von  – Verzeihung, hier versagt mein Englisch  – Schleimscheißern, Postenjägern, Opportunisten, Arschkriechern an, die sämtliche Maßnahmen, die Schritt für Schritt zu Auschwitz und all den anderen Vernichtungslagern führten, unterstützt, erfunden, verherrlicht und umgesetzt haben. Sie sind keine ›Kriegsverbrecher‹ und man wird sie weder hängen noch einsperren. Man trifft sie tagtäglich auf der Straße, im Büro, in der Gesellschaft. Das wäre für mich unerträglich; kein Jude sollte einer solchen Erfahrung ausgesetzt sein.«41

1945 entschied sich Fraenkel deshalb, für die Vereinigten Staaten nicht in Europa, sondern in Asien tätig zu werden. Mit seiner Arbeit in Korea war er auf einem der ersten und wichtigsten Schlachtfelder des Kalten Krieges aktiv. Die dramatischen Veränderungen, die sich in Korea nach dem Krieg vollzogen, boten Fraenkel unter amerikanischer Ägide eine erste Gelegenheit zur Umsetzung seiner Idee von Demokratie – mit all ihren Möglichkeiten und verhängnisvollen Beschränkungen. Im Sommer 1945 hatte Japan, dessen Städte durch amerikanische Bombardierungen zerstört waren und dem eine sowjetische Invasion drohte, die jede Hoffnung auf Verhandlungen zunichte gemacht hätte, endlich kapituliert. Korea, seit 1905 eine japanische Kolonie, wurde im Zuge der Auflösung des japanischen Imperiums hastig aufgeteilt – sowjetische Truppen waren von Norden, amerikanische von Süden einmarschiert. Die Besatzung und Teilung des Landes sollten nur vorübergehend sein und erfolgten auf allen Seiten erstaunlich ungeplant. Sowohl Präsident Roosevelt als auch sein Nachfolger Harry S. Truman hatten sich während des Krieges zwar zu einer späteren Unabhängigkeit Koreas bekannt, über klare Pläne mit Blick auf Dauer und Charakter der Besatzung verfügten sie indessen nicht – ein deutlicher Kontrast zu den umfangreichen Planungen und Vorbereitungen für die Okkupation Deutschlands und Japans. 1945 und Anfang 1946 agierten die beiden Besatzungsmächte unabhängig voneinander, sowohl amerikanische wie auch sowjetische Vertreter gingen allerdings davon aus, dass Korea bald unabhängig sein würde, und stellten sich auf eine Heimkehr ein.42 102

Innerhalb eines Jahres nahmen die Spannungen in Asien allerdings derart zu, dass Korea mehr und mehr in den Fokus der Amerikaner rückte. 1946 kam bei amerikanischen Diplomaten und Militärs der Verdacht auf, die sowjetische Politik in der nördlichen Besatzungszone könnte Teil einer breit angelegten Strategie zur Durchsetzung des Kommunismus in Ostasien sein. US -Vertreter wie der Diplomat Edwin Pauly und General Albert Wedemeyer, die beide als Gesandte Trumans nach Korea gereist waren, warnten vor dem sowjetischen Expansionismus und bezeichneten die Sowjetunion als einen »gewaltigen amöbenhaften Organismus, der jedes Objekt, das keinen ausreichenden Widerstand zu leisten vermag, umschließt und verschlingt«. Der neu entfachte Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten in China verstärkte diese panikartige Sorge beträchtlich. Als sich 1947 und 1948 die Gefahr eines Sieges der chinesischen Kommunisten abzeichnete, griff unter amerikanischen Vertretern die Befürchtung um sich, ein Bündnis von asiatischen Kommunisten und den Sowjets könne Ostasien erobern und die Sicherheitsinteressen der Vereinigten Staaten, namentlich ihre Kontrolle über Japan, bedrohen.43 Im Windschatten dieser Ängste rückte die koreanische Halbinsel ins Zentrum des amerikanischen Interesses; Diplomaten und Politiker erklärten einen prosperierenden, stabilen und antikommunistischen Staat in Korea zu einem entscheidenden Bollwerk gegen die kommunistische Aggression. Unter General John Hodge begannen die US -Besatzungsbehörden deshalb, einheimische konservative und antikommunistische Kräfte zu unterstützen. Sie flogen den Nationalisten Syngman Rhee aus seinem amerikanischen Exil ein, wo er die Kriegsjahre verbracht hatte, und förderten den von ihm vorangetriebenen Aufbau einer antikommunistischen Partei in Korea. Das Land wurde zu einem wichtigen Prüfstein für die Entschlossenheit Washingtons, in Korea Flagge zu zeigen. Korea war für Truman »ein ideologisches Schlachtfeld, von dem unser gesamter Erfolg in Asien abhängen könnte«.44 Angesichts der wachsenden Spannungen in Asien arbeiteten amerikanische Militärs und Diplomaten mit Hochdruck an der Transformation des post­kolonialen und überwiegend agrarisch geprägten Landes in eine vollständig industrialisierte und »moderne« Gesellschaft. Durch Technologieimporte sowie den Aufbau eines neuen Bildungswesens und einer öffentlichen Verwaltung sollten die »rückständigen« Koreaner nach vierzig Jahren imperialer Unterdrückung durch die Japaner zu einem »fortschrittlichen« und zuverlässigen Verbündeten im Kalten Krieg werden. Diese Bemühungen folgten in vielerlei Hinsicht dem Leitgedanken eines internationalen Liberalismus und einer Idee von »Entwicklung« (development), die sich in den 1920er Jahren und während des New Deal herausgebildet hatte. Wie viele US -Vertreter in Deutschland und Japan betrachteten auch die in Korea eingesetzten Ameri103

kaner ihr Land seit Langem als ein universelles Modell für Wohlstand und Stabilität, das sich rund um den Globus verbreiten und so jegliche Konkurrenz zum »American Way of Life« ausschalten könne. Die Nachahmung amerikanischer Modernisierungsprojekte wie der Tennessee Valley Authority aus der Zeit des New Deal könnte die Koreaner demnach auf ein »höheres« Niveau heben, um der kommunistischen Expansion und Unterwanderung Einhalt zu gebieten. In den Augen vieler Politiker, Stiftungsvertreter und Wissenschaftler bot nur ein massives Modernisierungsprojekt die Gewähr dafür, dass Asien nicht an die Kommunisten fiele. So wurde Korea neben Deutschland und Japan eine wichtige Bewährungsprobe für die Überlegenheit und internationale Hilfsbereitschaft der Vereinigten Staaten – das »Versuchsfeld« für ihre Fähigkeit, in aller Welt moderne und stabile Gesellschaften aufzubauen, wie es der hochrangige US -Diplomat Paul Hoffman formulierte.45 Während Diplomaten und Wissenschaftler darin eine rein amerikanische Mission sahen, wurde Korea unter der US -Besatzung auch zu einem wichtigen Raum für Fraenkels Konzept von Demokratie. Wie die vielen Diplomaten, Reformexperten und Militäroffiziere, die auf der Halbinsel arbeiteten, hielt auch er die eigene Theorie für allgemeingültig und auf alle Weltregionen übertragbar. Mit dem New Deal hatten die Vereinigten Staaten in Fraenkels Augen sein Verständnis von Sozialismus übernommen und waren nun folglich imstande, es nach Ostasien zu bringen. Sie waren aus seiner Sicht die ideale Macht für den Aufbau eines neuen politischen Systems in Korea: Durch kraftvolle Führung, wirtschaftliche Entwicklung und die Unterdrückung kommunistischer Umtriebe sollten sie einen koreanischen Staat schaffen, der sich an der Weimarer Verbindung von individuellen Rechten und sozialer Gleichheit orientierte. Auch die US -Diplomaten erkannten bald die Schnittmengen zwischen Fraenkels Leitbild und ihrem eigenen; seine umfassende demokratische Theorie und sein erbitterter Antikommunismus machten ihn zu einem optimalen Mitstreiter bei der Transformation Koreas.46 Anfangs beschränkte sich Fraenkels Tätigkeit auf juristische Beratung. Da sich das auch in Korea geltende Rechtssystem des japanischen Imperiums stark an das deutsche angelehnt hatte, mit dem sich Fraenkel bestens auskannte, stellte ihn die juristische Abteilung der US -Besatzungsbehörden mit der Aufgabe ein, Reformen auf diesem Gebiet auszuarbeiten. Innerhalb eines Jahres erwarb er sich unter den amerikanischen Vertretern jedoch zusätzlich den Ruf eines herausragenden politischen Denkers. Nachdem mehrere Mitarbeiter der US -Militäradministration seine während des Krieges verfassten Expertisen zur Besatzung Deutschlands gelesen hatten, ernannte General Hodge ihn im Winter 1946 zum Mitglied der amerikanisch-sowjetischen Kommission, die über die Zukunft der koreanischen Halbinsel entscheiden sollte (Abb. 2).47 104

Abb. 2: Ernst Fraenkel (3. von rechts) bei einer Zusammenkunft der amerikanisch-sowjetischen Kommission, die über die Zukunft der koreanischen Halbinsel entscheiden sollte (1946). Fraenkel, der, geprägt von der Weimarer Ära, einen starken Antikommunismus vertrat, war einer der dezidiertesten Gegner der Sowjetunion in der US -Delegation. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Müller.

Die Hauptaufgabe der Kommission bestand darin, eine grundlegende Streitfrage zwischen Amerikanern und Sowjets über die ersten Wahlen im Land zu klären. Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz vom Juli 1945, auf der die Alliierten auch die Ziele der Besatzung Japans und Koreas festgelegt hatten, sollte allen »demokratischen Kräften und Organisationen« die Teilnahme am politischen Leben erlaubt sein. Im Jahr 1946 bildeten die amerikanischen und sowjetischen Besatzungsbehörden eine gemeinsame Kommission, um Korea auf die ersten Wahlen vorzubereiten und die »demokratische Eignung« potenzieller Bewerber zu prüfen. Eine Einigung darüber, was als »demokratische Kraft« oder »Organisation« zu gelten hatte, erzielten sie jedoch nicht. Während die US -Vertreter verlangten, allen Parteien die Teilnahme an den Wahlen zu erlauben, beharrten die Sowjets darauf, nur sozialistischen Kräften zu trauen. Aufgrund der Angriffe, die Japan in den 1930er Jahren auf die Ostgrenzen der Sowjetunion unternommen hatte – bis 105

hin zu einer gescheiterten Invasion der Mongolei im Jahr 1939 –, befürchteten sie, ein nicht kommunistisches Korea könne zum Stützpunkt für Aggressionen gegen ihr Land werden. Mehr als ein Jahr lang verhandelten die Mitglieder der Kommission ergebnislos darüber, wie »demokratisch« zu de­ finieren sei.48 Fraenkel war einer von zwei Zivilisten in der Kommission und zugleich der am stärksten antikommunistische und konfrontationsbereite US -Vertreter. Gegenüber Vorgesetzten klagte er, die beiden Supermächte hätten derart unvereinbare Auffassungen von Politik und Recht, dass die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt seien. Gemäß diesem dichotomen Weltbild stand Amerika für politische Vielfalt und den freien Wettstreit der Ideen, während die Sowjets einer Ideologie der Gesetzlosigkeit anhingen, der jede Opposition gegen die rohe Gewalt der Regierung als illegitim galt. Die Sowjets waren nach Fraenkels Überzeugung von einer politischen Theorie geleitet, die Verhandlungen und Übereinkünfte unmöglich machte. »Für die Kommunisten«, schrieb er sarkastisch, »kann es kein ›befreundetes‹ Land geben, das nicht von einer kommunistischen Partei regiert wird und seinen Willen vollständig der Sowjetunion unterordnet.« So schien sich die europäische Geschichte in Asien zu wiederholen: Genau wie die KPD in der Weimarer Zeit würden die Kommunisten auch in Korea versuchen, die neue Republik zu zerstören. Fraenkel setzte sich deshalb für einen Abbruch der Verhandlungen ein; die amerikanischen Diplomaten, die sich auf ein sinnloses Tauziehen mit den Sowjets einließen, schwächten nur ihre eigene Position. Er ist später mitunter für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich gemacht worden: Alfred Oppler, ebenfalls ein deutsch-jüdischer Emigrant, der für die US -Besatzungsbehörden in Japan arbeitete, behauptete, Fraenkel habe Syngman Rhee persönlich zu einem Boykott der gemeinsamen Kommission geraten.49 Auch wenn Fraenkels Verantwortung für den Abbruch der Gespräche im Herbst 1947 fraglich scheint, ist doch offenkundig, dass er seinen Einfluss vergrößern konnte. Nach anderthalb Jahren ergebnisloser Diskussionen gaben Amerikaner und Sowjets offiziell bekannt, dass sie sich nicht auf einen gemeinsamen Rahmen für durchzuführende Wahlen einigen konnten. Die wachsenden Spannungen des Kalten Krieges verstärkten auf beiden Seiten die Überzeugung, die jeweilige Gegenseite wolle Korea in eine Operationsbasis für zukünftige Aggressionen verwandeln. Im November 1947 ernannten die kurz zuvor gegründeten Vereinten Nationen auf Ersuchen Washingtons wie Moskaus eine internationale Delegation, die über das Schicksal Koreas entscheiden sollte. Wenig später bereisten die Delegierten das Land, um eine Lösung für die umstrittene Frage der Wahlen zu finden. Während die ­ S -Vertreter einen sofortigen Übergang der Souveränität auf das koreanische U 106

Volk verlangten, drohten die Sowjets damit, Wahlen in ihrer Besatzungszone zu verhindern. »Verfrühte« Wahlen, so warnten sie, würden zur Teilung der Halbinsel führen. Fraenkel war ein wichtiger Akteur in der diplomatischen Kampagne der Amerikaner, die die Meinungen der UN-Delegierten beeinflussen sollte – mit tragischen Folgen. Da er mehrere europäische Sprachen beherrschte und über detaillierte Kenntnisse der politischen Verhältnisse in Europa verfügte, schien er den US -Vertretern bestens geeignet, auf die europäischen Delegationsmitglieder einzuwirken. Außerdem war er in den Führungsrängen des Besatzungsapparats der einzige Nicht-Amerikaner, sodass seine antisowjetische Einstellung nicht sofort den Eindruck erwecken würde, einem amerikanischen Machtkalkül zu folgen.50 Besonders effektiv erwies er sich bei informellen Treffen mit den europäischen Delegationsmitgliedern, was aus Sicht von US -Vertretern ebenfalls wichtig war. Im Winter 1948 traf sich Fraenkel mit belgischen, französischen und niederländischen Delegierten in Restaurants und Bars in Seoul. Die Kontakte zwischen dem deutschen Emigranten und den Europäern wurden so eng, dass der niederländische Leiter der Delegation, Petrus Johannes Schmidt, ihre Treffen sogar einschränken wollte.51 Dessen ungeachtet konnte Fraenkel seinen Vorgesetzten im Februar 1948 zufrieden berichten, dass seine Bemühungen Früchte trugen. Mehrere Delegationsmitglieder, die die amerikanische Forderung nach sofortigen Wahlen zunächst abgelehnt hatten, waren nun zu einer anderen Auffassung gelangt und unterstützen diesen Schritt  – selbst um den Preis der Teilung der Halbinsel. Drei Monate später übernahm die UN die Empfehlung ihrer Delegation  – und die zwei miteinander verfeindeten koreanischen Staaten erklärten jeweils ihre Unabhängigkeit.52 Die Debatte über Koreas Zukunft machte deutlich, welche tragischen Konsequenzen eine antikommunistische Fixierung und das Eintreten für die amerikanische Hegemonie im Kalten Krieg nach sich ziehen konnten. ­Fraenkel bekannte sich zwar emphatisch zum Gedanken von Zusammenarbeit und Verhandlungen, eine Koexistenz oder gar ein langfristiger Kompromiss zwischen Demokratie und Kommunismus blieb für ihn aber ausgeschlossen. Trotz des Gewichts, das er der Repräsentation der breiten Masse in der kollektiven Demokratie beimaß, zeigten er und die ihn mit Macht ausstattenden US -Vertreter erschreckend wenig Interesse an dem Preis, den ihre diplomatischen Manöver dem koreanischen Volk abverlangen würden. Dass die Teilung Koreas die Bevölkerung in verfeindete Staaten einsperren und Familien und Gemeinschaften zerreißen würde, bereitete ihnen offenbar keine Bedenken. Der Kommunismus, der individuelle Rechte und Rechtsstaatlichkeit missachtete, lag für sie jenseits des Horizonts politischer Auseinandersetzung. 107

Wenn seine Niederlage es verlangte, war das Leid der Koreaner ein Preis, den es zu zahlen galt. Fraenkels Einfluss hatte somit zwar tragische Folgen, machte sich jedoch nicht nur in der Teilung Koreas und der Verbreitung antikommunistischen Gedankenguts geltend. Gerade die Teilung des Landes schien ihm nämlich zugleich eine große Chance für die Einführung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Gleichheit in Asien zu eröffnen. Dafür setzte er sich bereits in den ersten Monaten der Besatzung ein, als er in der juristischen Abteilung auf die Stärkung der Gewerkschaften hinarbeitete. Viele seiner Kollegen in der US -Militäradministration folgten ihm darin jedoch nicht; primär auf politische Stabilität bedacht, versuchten sie, die Macht der Gewerkschaften eher zu begrenzen, indem sie ausländische – hauptsächlich chinesische – Arbeiter von der Mitgliedschaft in denselben ausschlossen und so ein konkurrierendes Segment billiger Arbeitskräfte schufen. Fraenkel dagegen sah den wesentlichen Auftrag der US -Besatzung in der Stärkung der Arbeiterschaft. Wiederholt warnte er seine Vorgesetzten in juristischen Memoranden, dass eine Einschränkung von Gewerkschaftsrechten die Strukturen der Demokratie gefährden werde. Jeder Versuch, die Arbeitsbevölkerung zu spalten oder die Autonomie der Gewerkschaften durch staatliche Kontrolle zu begrenzen, verstieß aus seiner Sicht »gegen das anerkannte politische Ziel der Militärregierung in Korea« und war »unvereinbar mit dem Grundsatz, die Bildung von Gewerkschaften zu fördern«.53 Wie Charles Pergler, der Leiter der juristischen Abteilung, bemerkte, überzeugten diese Argumente Fraen­kels seine Vorgesetzten, die seine Empfehlungen schließlich annahmen. Die US -Behörden unterstützten die Organisierung in Gewerkschaften und kodifizierten deren Recht auf kollektive Verhandlungen in entsprechenden Gesetzen.54 Im Lauf der Besatzungszeit beteiligte sich Fraenkel auch an dem breit angelegten Projekt der wirtschaftlichen Modernisierung Koreas. Gemeinsam mit amerikanischen Liberalen und Veteranen des New Deal unterstützte er den Auftrag der US -Besatzungsbehörden, eine »höher entwickelte« und von mehr Gleichheit geprägte Ökonomie zu schaffen. Dies schloss auch erhebliche Investitionen in das Grundschulwesen ein: Die US -Behörden bauten Hunderte von Grundschulen auf der südlichen Halbinsel und stellten lan­ desweit neue Schulbücher zur Verfügung. Um die von den Japanern eingeführten Lehrpläne abzulösen, die konfuzianische Lehren ins Zentrum stellten und autoritäre und militaristische Werte vermittelten, arbeiteten Fraenkel und andere neue Bildungsprogramme aus, die den Fokus auf moderne Technik und demokratische Politik legten. In ähnlicher Weise verfolgten die amerikanischen Besatzungsbehörden Pläne für eine weitreichende Landreform. 108

Nachdem Fraenkel den Verkauf und die Umverteilung großer Ländereien aus dem Besitz der japanisch-imperialen Behörden in die Wege geleitet hatte, arbeitete er gemeinsam mit US -Vertretern daran, durch die Ausgabe von Düngemitteln, Stromerzeugung auf dem Land und die Einführung neuer agrarwirtschaftlicher Technologien verarmte Bauern zu unterstützen. Aus seiner Sicht dienten alle diese Bemühungen dem übergeordneten Ziel, die für eine moderne Demokratie erforderliche wirtschaftliche und vor allem soziale Gleichheit zu verwirklichen. Wenn Korea das Versuchsfeld für den amerikanischen Liberalismus war, sollte es zugleich die universelle Gültigkeit der deutschen sozialistisch-demokratischen Theorie beweisen.55 Nirgends zeigte sich Fraenkels Glaube an die breite Anwendbarkeit seiner Ideen deutlicher als bei der Ausarbeitung einer südkoreanischen Verfassung im Frühjahr 1948. Im Mai des selben Jahres fanden in der US -Besatzungszone die ersten Wahlen statt. Unter amerikanischer Aufsicht trat eine südkoreanische Nationalversammlung zusammen, die eine neue Verfassung entwerfen sollte und schließlich im August 1948 unter Führung von Syngman Rhee die Unabhängigkeit des Landes verkündete. General Hodge erteilte Fraenkel den Auftrag, in den Monaten von den Wahlen bis zur Unabhängigkeitserklärung die Arbeit am Verfassungsentwurf zu beaufsichtigen. Als kompetentester Rechtsgelehrter in der Besatzungsadministration vermittelte er zwischen dem US -Befehlshaber und der kleinen Gruppe koreanischer Wissenschaftler und Politiker, die das Gründungsdokument des neuen Staates ausarbeitete. Dabei insistierte Fraenkel darauf, auch soziale Rechte, insbesondere von Gewerkschaften, in der Verfassung zu verankern. Soziale Kollektive und deren Rechte, erklärte er, könnten nicht allein durch wirtschaftliche Entwicklung oder Privatverträge erreicht werden. Sie müssten in Gesetzen festgeschrieben werden und denselben Status wie individuelle Rechte – etwa Rede-, Versammlungs- und Religionsfreiheit – erhalten.56 Wie die Weimarer Verfassung, war das von der südkoreanischen Nationalversammlung schließlich ratifizierte Dokument deutlich von sozialdemokratischen Grundsätzen geprägt. Artikel 16 garantierte allen Bürgern gleiche und bezahlbare Bildung, Artikel 17 das Recht auf Arbeit, Artikel 18 die »Freiheit von Arbeitern, sich zu vereinigen, kollektive Verhandlungen zu führen und gemeinsam zu handeln«; weitere Bestimmungen gewährleisteten Mindestlöhne sowie Unterstützung für Kranke und Alte. Dies waren wesentliche Prinzipien der kollektiven sozialen Demokratie und Fraenkel rechnete es sich ausdrücklich als seinen Verdienst an, dass sie in die Verfassung Eingang gefunden hatten. Wie er in einem Bericht an seine Vorgesetzten schrieb, hatten sie aus seiner Sicht »den Geist der westlichen Demokratie« an die Ufer Ostasiens getragen.57 109

Nachdem die Besatzungszeit solche sozialdemokratischen Positionen zunächst begünstigt hatte, konnten diese in den Jahren danach in der südkoreanischen Politik und Gesellschaft weiter verankert werden. Wie im Fall Westdeutschlands und Japans bedeutete die Unabhängigkeit Südkoreas im August 1948 keineswegs das Ende der amerikanischen Präsenz im Land. In der Überzeugung, dass sich Rhees Regime als Bollwerk gegen die sowjetische und später die chinesische Aggression bewähren würde, stellte die US -Regierung weiterhin beträchtliche Energien und Ressourcen für den südkoreanischen Staat bereit, indem sie Industrie, Wirtschaft und Bildung förderte. 1948 wurde so beispielsweise die ursprünglich im Rahmen des Marshallplans für den Wiederaufbau Europas gegründete Economic Cooperation Administration (ECA) auf Korea ausgeweitet. Dort nahm ihr Engagement im Lauf der Jahre exponentiell zu – insgesamt investierte sie die gewaltige Summe von 100 Millionen US -Dollar in das Land. Die US -Botschaft in Seoul wuchs, auch durch das dort angesiedelte ECA-Personal, auf zweitausend Mitarbeiter an und war damit eine der größten weltweit. Die Vertreter der ECA arbeiteten fieberhaft an der Modernisierung Koreas und nutzten die günstigen Bedingungen unter anderem für den Bau von Brücken, den Anschluss entlegener Dörfer an das Stromnetz und den Ausbau des Bildungswesens. Südkorea wurde eines der Länder auf der Welt, in dessen zivilen Staatsapparat die Vereinigten Staaten am meisten investierten.58 Diese enormen Anstrengungen waren zugleich der Höhepunkt von Fraenkels Engagement in Korea. Im Juni 1948, einen Monat nach dem Ende der militärischen Besatzung, ernannte ihn der amerikanische Botschafter zu einem der hochrangigsten Mitarbeiter im ECA-Hauptquartier in Seoul: Fraenkel war nun zuständig für die Planung und Verwaltung des Budgets. In dieser Funktion leitete er zwei Jahre lang die Förderung von Wohnungsbau, Elektrifizierung und Ausbildung in der Industrie und reiste durch die südkoreanischen Dörfer und Städte, um Aufbau und Gestaltung von öffentlicher Verwaltung, Eisenbahnen, Buchmessen, staatlichen Kliniken, akademischen Austauschprogrammen und Landwirtschaftsreformen zu beaufsichtigen (Abb. 3). 1950 hatten diese Projekte einen Umfang erreicht, der weit über die Programme der Besatzungszeit hinausging. Millionen südkoreanischer Kinder besuchten Schulen, die mit amerikanischen Mitteln errichtet worden waren, Tausende von Bauern erhielten Düngemittel und Hunderte von Studenten nahmen an Austauschprogrammen mit den Vereinigten Staaten teil. Das US -geführte Modernisierungsprojekt, das Südkorea in einen stabilen und prosperierenden antikommunistischen Staat verwandeln sollte, verschaffte Fraenkel mehr Einfluss als jemals zuvor. Eine solche Gelegenheit hatte sich ihm weder in der Weimarer Zeit noch während seiner Beteiligung an den Kriegsplanungen in Washington geboten.59 110

Abb. 3: Ernst Fraenkel (Mitte), seine Frau Hanna und ein US -Vertreter bei einem Landausflug in Korea (1948). Fraenkel war ein bedeutender Akteur im Rahmen der amerikanischen Modernisierungskampagne für Südkorea. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Müller.

Fraenkel und andere US -Diplomaten wussten allerdings genau, dass das südkoreanische Regime weit von einer lebendigen Demokratie entfernt war – Präsident Rhee hatte unmittelbar nach seinem Amtsantritt die Macht in seinen Händen konzentriert und ein autokratisches Regierungssystem etabliert. Nachdem er den Sicherheitsapparat mit persönlichen Vertrauten besetzt hatte, unterdrückte er die Opposition, ließ linke Politiker verhaften und Versammlungen gewaltsam auflösen. Wie das übrige US -Personal in Seoul hatte Fraen­ kel wenig Zweifel daran, dass Rhee ein aufstrebender Diktator war. Als 1949 13 Abgeordnete der Nationalversammlung wegen Verrats verhaftet wurden, warnte er seine Vorgesetzten, dass der wirkliche Grund dafür ihre Opposition zu Rhee, der Prozess gegen sie offenkundig parteiisch und Beweismaterial durch Folter erpresst worden sei. Fraenkel war sich mit vielen Mitarbeitern der US -Botschaft gleichwohl auch darin einig, dass solche Vorgänge das amerikanische Engagement in Korea nicht obsolet werden ließen – das Land konnte, musste und sollte nach wie vor demokratisiert und modernisiert 111

werden. Dabei folgte er dem in der US -Diplomatie schon länger vertretenen Gedanken, dass eine autoritäre Führung eine Zwischenstation auf dem Weg zur Demokratie sein könne, wenn sie die wirtschaftliche Entwicklung fördere. Fraenkel zeigte sich zuversichtlich, dass sich Rhees antikommunistische Diktatur durch die von den Vereinigten Staaten geförderte Prosperität und soziale Gleichheit letztlich in eine stabile Demokratie verwandeln würde. Das eigene Vermögen – und das Amerikas –, globalen Wandel herbeizuführen, stand für ihn weitgehend außer Frage.60 In ihren repressiven wie progressiven Elementen war die Machtarchitektur der Vereinigten Staaten in Korea somit nicht einfach das Produkt der US -Strategie im Kalten Krieg oder amerikanischer Traditionen eines liberalen Internationalismus. Beides prägte die Politik der US -Besatzungsbehörden zwar durchaus, aber in ihr kamen auch sozialistische Visionen aus Deutschland zum Tragen. Als Amerika mit neuen Feinden konfrontiert war – zunächst mit dem »Dritten Reich«, dann mit der Sowjetunion und schließlich mit den nach der Macht greifenden chinesischen Kommunisten – und gewaltige neue Kriegsapparate aufbaute, begannen viele Militärs und Diplomaten, deutsche Emigranten wertzuschätzen. Intellektuelle wie Fraenkel verbanden antinazistische und antisowjetische Überzeugungen mit juristischer Expertise und Kenntnissen der internationalen Politik, an denen es US -Vertretern mitunter mangelte. Doch indem sie sozialistische Emigranten in Dienst nahmen, gewährten amerikanische Regierungsvertreter zugleich Ideen und Visionen aus früheren Dekaden einen Einfluss auf ihre Politik. Fraenkel machte sich seine Position als wertvoller Mitarbeiter von US -Diplomaten rasch zunutze, um seine eigene Kampagne für den Aufbau eines sozialdemokratischen und antikommunistischen Staates wiederaufzunehmen. 1950 scheiterten diese Bemühungen, als ein furchtbarer Krieg zwischen Nord- und Südkorea ausbrach. Binnen weniger Monate traten sowohl die Vereinigten Staaten – unter der Ägide der UN – als auch das kommunistische China in den Konflikt ein, der Hunderttausende Todesopfer forderte und die dauerhafte Teilung des Landes zur Folge hatte. Wie alle zivilen Mitarbeiter amerikanischer Einrichtungen musste auch Fraenkel aus Südkorea ausreisen und die vielen von ihm mitgegründeten Institutionen und Programme hinter sich lassen. Doch das Zusammenspiel des amerikanischen Leviathan und der deutschen sozialistischen Theorie war noch nicht ans Ende gelangt. Innerhalb eines Jahres fand es eine Fortsetzung in Deutschland; die kollektive Demokratie kehrte an ihren Geburtsort zurück.

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Die deutsche Linke und der Kalte Krieg Als Fraenkel 1951 wieder in Westdeutschland eintraf, führte die deutsche Linke eine erbitterte Kampagne gegen die Westbindung. Nach dem Ende der Besatzung und der Unabhängigkeit der Bundesrepublik 1949 hatte kein politisches Lager den Aufruf der Vereinigten Staaten zu einer internationalen antisowje­ tischen Mobilisierung so entschieden abgelehnt wie die Sozialdemokraten. Grund dafür war nicht etwa ein Mangel an antikommunistischem Eifer. Die Aktivisten, die die SPD wiederaufgebaut und zur zweitgrößten Partei in der Bundesrepublik gemacht hatten, vertraten nach Krieg und Besatzung einen genauso vehementen Antikommunismus wie in den Weimarer Jahren. Eine Beteiligung an der westlichen Allianz musste nach ihrem Demokratieverständnis jedoch zulasten von Freiheit und sozialer Gerechtigkeit gehen. Führende SPD -Politiker und Intellektuelle hielten sich an die kompromisslose Linie aus der Weimarer Ära, nach der die einzige Gewähr für Demokratie in umfassenden Verstaatlichungen und zentraler Wirtschaftsplanung bestand. Auf der Grundlage des Parteiprogramms von 1925 forderten sie auch und gerade nach dem Krieg, die ökonomische Macht von Industriellen und Kapitalisten zu brechen. Das Modell des New Deal, das vorsah, eine Balance zwischen kapitalistischer Marktwirtschaft und Sozialstaat herzustellen, lehnte die SPD -Führung folglich entschieden ab. Ein deutsch-amerikanisches Bündnis würde den Plänen zur Verstaatlichung von Schlüsselindustrien im Weg stehen und die SPD somit an der Verwirklichung ihres gesellschaftlichen Leitbilds hindern. Wie ihr Vorsitzender Kurt Schumacher mit kämpferischer Rhetorik verkündete, bestand das Ziel der Sozialdemokratie darin, die Weimarer Revolution durch den Aufbau einer neuen Wirtschaftsordnung zu vollenden. Dabei sei sie einem dritten Weg jenseits des kommunistischen Staates mit seinen »totalen Bürokraten« und der westlichen »Monopolwirtschaft des Kapitalismus« verpflichtet, da diese dem deutschen Volk gleichermaßen fremd seien.61 Im ersten Jahrzehnt der Bundesrepublik mobilisierte die SPD deshalb unter großem Einsatz ihre Anhänger gegen eine Bindung an das nordatlantische Bündnis, auch um die Option auf die Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht zu zerschlagen. SPD -Vertreter betrieben in Ostberlin und Moskau eine eigenständige Diplomatie und brachten regelmäßig Millionen von Arbeitern, Intellektuellen und Gewerkschaftern auf die Straße. Diese Proteste richteten sich gegen sämtliche politische Weichenstellungen im Kalten Krieg: 1952 stand die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik im Zentrum, 1955 ihr NATO -Beitritt, 1957 die Aufrüstung mit Atomwaffen. Während der gesamten 113

Dekade bildete die Opposition zum Kalten Krieg eine der wichtigsten politischen Triebkräfte der deutschen Linken. Die westliche Allianz galt ihr als Hindernis, nicht als Unterstützung für eine »wirkliche« Demokratie.62 Die Vereinigten Staaten bemühten sich sehr darum, die Linke von dieser Opposition abzubringen. US -Diplomaten befürchteten, dass es der SPD tatsächlich gelingen könnte, die Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis herauszubrechen. Besonders ausgeprägt waren diese Ängste bei John J. McCloy, der als Hoher Kommissar der Alliierten nach dem Ende der Besatzung offiziell die Bundesregierung beaufsichtigte. Mit einer Vielzahl von kulturellen Programmen, Ausstellungen und Vorträgen wandten sich die Vereinigten Staaten deshalb an die westdeutsche Arbeiterschaft, um sie für den US -geführten internationalen Block zu gewinnen. Eine Schlüsselfigur in diesen Bemühungen war Ernst Fraenkel. Als einer von wenigen, die mit dem amerikanischen Establishment vertraut waren und dennoch den Ruf eines bedeutenden sozialdemokratischen Intellektuellen genossen, befand er sich in einer einzigartigen Position, um den Dialog zwischen der SPD und Amerika zu fördern. Anders als ein Teil der Forschung behauptet hat, zielte sein Tun jedoch nicht nur auf eine »Amerikanisierung« der SPD.63 Wie bereits in Korea, nutzte Fraenkel vielmehr die gewaltige amerikanische Werbe- und Mobilisierungskampagne für die Wiederaufnahme seiner eigenen intellektuellen und politischen Projekte aus der Weimarer Ära. Wenn die deutsche Linke Amerika als Bündnispartner akzeptierte, konnte sie nach Fraenkels Überzeugung den Marxismus aufgeben und seine eigene Vision von Demokratie übernehmen. Die westliche Allianz würde es der SPD ermöglichen, Demokratie nicht mit staatlicher Wirtschaftsplanung und Umverteilung von Vermögen gleichzusetzen, sondern in erster Linie als eine Verbindung von Rechtsstaat und begrenzten sozialpolitischen Maßnahmen zu verstehen, die individuell-bürgerliche und kollektiv-sozialistische Prinzipien gleichermaßen respektierte. Nach einem Jahrzehnt intensiver Öffentlichkeitsarbeit war ­Fraenkel in den späten 1950er Jahren zum Stichwortgeber für Veränderungen in der Bundesrepublik und auch auf internationaler Ebene geworden. Indem er zur politischen Umorientierung der SPD beitrug, half er, die Kluft zwischen der deutschen Linken und Amerika zu schließen. Fraenkel, der eine Rückkehr nach Europa zunächst abgelehnt hatte, änderte seine Haltung, nachdem er Korea hatte verlassen müssen und in den Vereinigten Staaten keine akademische Stelle hatte finden können. 1951 nahm er eine Einladung von Otto Suhr an, mit dem er in der Weimarer Zeit befreundet gewesen war und der mittlerweile als Westberliner Bürgermeister großen Zuspruch in der Bevölkerung genoss. Fraenkel unterstützte Suhrs Engagement für die Neubelebung der sozialdemokratischen Bildungsarbeit und wurde als 114

Dozent an der wiedereröffneten Deutschen Hochschule für Politik in Berlin tätig, einer sozialistisch geprägten Privatinstitution, die neben der Freien Universität existierte.64 Innerhalb weniger Jahre wurde der zurückgekehrte Emigrant zu einem einflussreichen und anerkannten politischen Theoretiker in Westdeutschland. In einer Vielzahl von Publikationen befasste er sich mit der Funktion des parlamentarischen Systems, dem richterlichen Prüfungsrecht, Koalitionen und Parteipolitik. Westdeutsche Universitäten nahmen diese Schriften erstaunlich schnell in ihre Lehrpläne auf, gefolgt von vielen Gymnasien. Man kann aus ideengeschichtlicher Perspektive mit Fug und Recht behaupten, dass Fraenkel zu einem »Klassiker« des demokratischen Denkens in Nachkriegsdeutschland wurde. In sozialdemokratischen Kreisen galt er in den 1950er Jahren als einer der wichtigsten Theoretiker. Sowohl SPD -Politiker wie auch Wissenschaftler, die er teilweise aus der Weimarer Zeit kannte, baten ihn in dringenden rechtlichen Fragen oftmals um Rat.65 Mehr als jeder andere sozialdemokratische Intellektuelle in Deutschland stellte Fraenkel sein außerordentliches Prestige und seine demokratische Theorie in den Dienst der Vereinigten Staaten. Wie zahlreiche amerikanische Gewerkschaftsvertreter und ehemalige Mitarbeiter der New-DealAdministration schloss er sich der imposanten kulturellen Kampagne an, mit der US -Diplomaten die deutsche Linke in das westliche Bündnis holen wollten. John McCloy – der wie Fraenkel in Korea gedient hatte, bevor er nach Europa kam – mobilisierte dafür beträchtliche Ressourcen. Unter seiner Federführung finanzierte die US -Regierung Reisen und Austauschprogramme für mehrere Tausend Vertreter der Arbeiterbewegung beider Länder. Als wichtigster Transmissionsriemen dieser Operation dienten die in der ganzen Bundesrepublik entstehenden Kulturzentren, die bald als Amerikahäuser bekannt wurden. Verteilt über 27 Städte förderten sie unter anderem den Bau von Bibliotheken; sie veranstalteten Konzerte und Sportereignisse, die alle dem Ziel dienten, der deutschen Bevölkerung die amerikanische Kultur nahezubringen. Dank ihrer enormen Finanzmittel zählten die Amerikahäuser in den ersten Jahren nach der Besatzung zu den populärsten und lebendigsten kulturellen Einrichtungen in der Bundesrepublik – Monat für Monat zogen sie mehr als eine Million Besucher an.66 Fraenkel diente dieser gewaltige kulturelle Apparat als Werkzeug für die Erneuerung des Demokratieverständnisses der deutschen Linken. Wie er 1955 in einem Memorandum für US -Diplomaten in Frankfurt am Main ausführte, waren Reformen im Inland die Voraussetzung, um eine internationale Allianz auf den Weg zu bringen. Der Widerstand der SPD gegen eine Zusammenarbeit mit dem Westen hatte demnach wenig mit der Wiedervereinigung zu tun, sondern vielmehr mit einer Fixierung auf die Arbeiterklasse und 115

der Forderung nach Verstaatlichung der Schlüsselindustrien. Laut Fraenkels harschem Urteil zeigten solche gesellschaftspolitischen Positionen, dass die SPD letztlich eine »Ghettopartei« sei – mit sich selbst beschäftigt und restlos von Arbeiterthemen eingenommen, während in Wirklichkeit ein Bündnis mit den bürgerlichen Schichten auf der Tagesordnung stand. Fraenkel ging so weit zu behaupten, dass die SPD ein mittelalterliches feudales »Kastensystem« in die Moderne verlängere: Ihre Mitglieder und Funktionäre lebten in einem »vorkapitalistischen […] selbstgeschaffenen politischen Ghetto, in dem die Überlappung verschiedener Loyalitäten […] als eine Art von Verrat missbilligt wird«. Solange die SPD in dem strikten Glauben befangen bleibe, dass nur die Arbeiter wirklich für eine wahre Demokratie einstünden, seien alle amerikanischen Versuche, ihre antikommunistische Einstellung in ein gemeinsames Bündnis zu kanalisieren, schlechterdings vergeblich.67 Fraenkel zufolge litt die deutsche Linke unter einem fundamentalen Widerspruch: Während sie einerseits soziale Gleichheit durch eine eingreifende Wirtschaftsplanung herstellen wollte, war sie andererseits, wie ihre entschiedene Verteidigung der Weimarer Republik gezeigt hatte, »Hüter einer wirklich demokratischen Verfassung«. Amerika sollte deshalb diejenigen Aktivisten unterstützen, die an eine Zusammenarbeit mit nicht marxistischen Gruppen glaubten – etwa durch Veranstaltungen, Seminare und Zeitschriften, die Sozialisten einen Dialog mit bürgerlichen Führungspersönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen und politischen Lagern, inklusive der Kirchen, und die Förderung von klassenübergreifender Kooperation ermöglichten. Würde die SPD nicht ihr Profil verändern, konnte laut Fraenkel das gesamte demokratische System zusammenbrechen, so wie es bereits in der Weimarer Republik geschehen war. Das Werben um die deutsche Arbeiterschaft diente somit nicht nur der antisowjetischen Mobilisierung – es war für den gesamten politischen Neuaufbau Deutschlands von großer Bedeutung.68 Fraenkels Gedanken zur deutschen Nachkriegspolitik waren genauso nachdrücklich und starr wie während seines Korea-Engagements: Demokratische Emphase und antisowjetischer Elan gingen Hand in Hand. Die Politik sollte seiner Ansicht nach Konsens und Kooperation herstellen und nicht die von Ungleichheiten bestimmte Wirtschaft radikal umgestalten. In Fraenkels ­Augen waren »orthodoxe« sozialistische Positionen, die auf Verstaatlichungen statt auf sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit setzten, eine existenzielle Bedrohung für demokratische Verkehrsformen und spielten dem Kommunismus in die Hände. Weder Fraenkel noch seine amerikanischen Vorgesetzten vermochten sich eine soziale Demokratie vorzustellen, die nicht auf Kompromisse mit Konservativen ausgerichtet war und sich der Frontstellung des Kalten Krieges verweigerte. Traditionelle sozialistische Auffassungen konnten 116

für sie nur das Ergebnis einer überkommenen Politik oder kommunistischer Unterwanderung sein; legitime Bausteine für eine neue deutsche Demokratie oder ein transatlantisches Bündnis waren sie jedenfalls nicht. Diese generelle Beunruhigung über die Opposition erklärt, wieso es für US -Diplomaten so dringlich war, als Grundlage für ihre Öffentlichkeitsarbeit eine Kooperation zwischen Fraenkel und dem Netzwerk der Amerikahäuser herzustellen. Fraenkel ging Jahr für Jahr auf Vortragsreise, auf der er die amerikanische Politik und ihren antisowjetischen Kurs erläuterte. In Hannover, Hamburg, Bremen, Kassel, Berlin und etlichen weiteren Städten sprach er vor Tausenden Zuhörerinnen und Zuhörern über die NATO – der die Bundesrepublik noch nicht beigetreten war  –, den Koreakrieg und die Strategien der Kommunisten.69 Das deutsche Publikum erkannte in Fraenkel schnell einen intimen Kenner des amerikanischen Staatsapparats, der an den Frontlinien des Kalten Krieges in Asien gedient hatte. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen ihrem eigenen geteilten Land und der koreanischen Halbinsel strömten die Leute in die Amerikahäuser, um etwas über ihren Ort in der bipolaren Weltordnung zu erfahren.70 Wie Fraenkel seinen amerikanischen Vorgesetzten erklärte, sollten seine öffentlichen Stellungnahmen einem noch unentschiedenen Publikum die Vorzüge eines Beitritts zur westlichen Allianz verdeutlichen, die gerade Gestalt annahm. Er schrieb: »Besonderer Nachdruck wird auf dem rein defensiven Charakter der NATO liegen und auf den Gründen für die Auffassung, dass sich Deutschland nach dem Ausbruch des Koreakrieges dieser Organisation anschließen muss. […] Ich beabsichtige, in diesen Vorträgen die globalen Aspekte des sowjetischen Imperialismus zu behandeln und zu zeigen, wie sich die Offensive der Russen im Laufe der letzten 35 Jahre zwischen Mitteleuropa und Asien hin- und her bewegt hat.«

Seine Hauptbotschaft fasste er so zusammen: »Ich werde versuchen, die defensiven Methoden zu erläutern, die die westlichen Demokratien zur ›Eindämmung‹ Sowjetrusslands in diesen Regionen verwenden.«71 Die amerikanische Hegemonie war demnach rein defensiver Natur: Sie schützte die Existenz der europäischen Demokratie. Zentrale Adressaten dieser Kampagne waren die Gewerkschaften und die SPD. Fraenkel hatte der US -Regierung bereits in seinen Berichten für das OSS dazu geraten, in Deutschland insbesondere um die Linke zu werben. Zwar verfolgte die SPD -Führung einen antikommunistischen Kurs, die sozialdemokratische Basis schien ihm aber anfällig für das sowjetische Versprechen einer utopischen klassenlosen Gesellschaft. Deshalb nutzte Fraenkel die Amerikahäuser als Bühne, um vor Tausenden von Gewerkschaftern, Mitgliedern sozialistischer Frauenorganisationen und der SPD -Jugend zu sprechen und 117

ihr Misstrauen gegenüber Amerika zu zerstreuen. Die westliche Supermacht, erklärte er, sei entgegen den Behauptungen führender Sozialisten wie dem SPD -Vorsitzenden Kurt Schumacher weder ein Hindernis für die deutsche Wiedervereinigung noch ein Gegner der Arbeiterschaft, sondern agiere in Wirklichkeit als Schutzmacht von sozialer Gerechtigkeit und Arbeiterrechten – Ziele, für die die SPD seit jeher eingetreten war. Wenn die Vereinigten Staaten ihre Truppen um den Globus schickten und Militärstützpunkte in Deutschland einrichteten, dann nur zu dem Zweck, sozialdemokratische Prinzipien wie Wohlfahrt und Rechtsstaatlichkeit zu verbreiten. Im Kern ging es im Kalten Krieg laut Fraenkel somit um die Stärkung von sozialer Gleichheit und Demokratie unter amerikanischer Führung. Das historische Narrativ, das Fraenkel für diese Vorträge konstruierte, wurde eine seiner populärsten Theorien in der Nachkriegsära. Demnach hätten die westeuropäischen Nationen und Amerika im Lauf des 20. Jahrhunderts nach und nach demokratische Institutionen und Ideen voneinander übernommen und so in einem langen Wandlungsprozess starke Ähnlichkeit gewonnen: Alle seien nunmehr Spielarten derselben »westlichen Demokratie«, eine Variante des verbreiteten Konzepts der »westlichen Zivilisation«. Jedes Land habe ein grundlegendes Element zu diesem internationalen Austausch beigetragen. Großbritannien zum Beispiel habe das Konzept der indirekten Repräsentation entwickelt, Frankreich hingegen den Gedanken der Rechtsgleichheit aller Bürgerinnen und Bürger zur Vollendung gebracht. Der kühnste und revolutionärste Beitrag zur westlichen Demokratie allerdings stammte laut Fraenkel aus Deutschland: die Idee kollektiver Rechte und sozialer Gesetzgebung. Diese habe ihre mutigste Verwirklichung in der Weimarer Verfassung und den vielen Maßnahmen gefunden, die die SPD in den 1920er Jahren durchsetzen konnte. Im Rückgriff auf Arbeiten aus seiner Exilzeit behauptete Fraenkel, dass die Weimarer Sozialdemokraten auch die Sozialgesetzgebung des New Deal inspiriert hätten. Seiner Ansicht nach hatte »eine erstaunlich große Zahl hervorragender Sozial- und Politikwissenschaftler der westlichen Nationen mit größter Aufmerksamkeit und innerer Anteilnahme den Gärungsprozeß« verfolgt, »der sich unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung in Deutschland abspielte«. Amerika habe insofern bloß etwas nachgeahmt, mit dessen Aufbau die SPD vor der Nazidiktatur selbst bereits begonnen hatte. Durch ein Bündnis mit den Vereinigten Staaten würde die deutsche Arbeiterbewegung somit nur die erforderliche Kraft erhalten, um ihre eigene politische Mission zu Ende zu führen.72 Diese etwas vereinfachende Erzählung erwies sich als wirkungsvolles Mittel, um die deutsche Linke anzusprechen. Indem Fraenkel die USA als Teil einer sozialdemokratischen Tradition präsentierte, eröffnete er einen völlig 118

neuen Blick auf die westliche Supermacht. Die Leitungen der Amerikahäuser lernten die außergewöhnlichen Fähigkeiten und die Wirkungskraft der Botschaft Fraenkels schnell schätzen  – seine unanfechtbare Glaubwürdigkeit als Sozialdemokrat und geistige Autorität machten auch SPD -Funktionäre sichtbar aufgeschlossen für seine Überlegungen. In den 1950er Jahren wurden Fraenkels Vorträge gedruckt, massenhaft verteilt und er selbst tingelte buchstäblich von Veranstaltung zu Veranstaltung. Durch ihn hofften die Amerikaner, Zielgruppen zu erreichen, die sich von ihren bisherigen Bemühungen unbeeindruckt gezeigt hatten. Ein im Berliner Amerikahaus tätiger US -Vertreter bekannte gegenüber Fraenkel, dass Gewerkschaften »die größte Herausforderung« seien, vor der er bislang gestanden habe, und sich Fraenkels Vorträge als das beste Vehikel bewährt hätten, um in einen Dialog mit ihnen zu treten. Aus Tübingen berichtete ihm ein Mitarbeiter des US -Außenministeriums, sein Vortrag habe es »erstmals ermöglicht, die Gewerkschaftsführer in der Region […] zu erreichen und bei ihnen Interesse für die Aktivitäten des Amerikahauses zu wecken« – und schloss die inständige Bitte an, Fraenkel möge solche Vorträge auch in »Reutlingen, Friedrichshafen, Schwenningen und Tuttlingen« halten, »allesamt wichtige Zentren der Kleinindustrie«. »Wir haben selten, wenn überhaupt«, schwärmte ein Dritter, »solche durchweg positiven, begeisterten Reaktionen erlebt« wie nach Fraenkels Vorträgen.73 Für Amerikas Werben um die deutsche Arbeiterschaft erwies sich Fraenkel als ein seltener Brückenbauer; seine Vorträge boten eine Sprache an, mit der Arbeiter ihre Ansichten zur internationalen Politik ändern und Amerika als eine neue Führungsmacht begreifen konnten, die ältere politische Leitbilder und Traditionen aus Deutschland fortführte. Fraenkel bemühte sich auch auf persönlicher Ebene, führende Vertreter der deutschen Linken mit den »Kalten Kriegern« bekannt zu machen. Gemeinsam mit der NATO und mit großzügiger amerikanischer Unterstützung ging es in den 1950er Jahren darum, Intellektuelle, Politiker und Journalisten zusammenzubringen, um die Beziehungen zwischen den NATO -Ländern zu stärken. Vereinigungen wie die Deutsche Atlantische Gesellschaft, die British Atlantic Treaty Association und der Kongress für kulturelle Freiheit richteten regelmäßig Treffen und Diskussionen für Angehörige der gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Führungsschicht aus, die »Einfluss sowohl auf die öffentliche Meinung als auch, direkt oder indirekt, auf die Regierungspolitik« hatten.74 Dank seiner umfangreichen Beziehungen zu US -Diplomaten konnte Fraenkel gemeinsam mit Politikern wie dem französischen Außenminister Robert Schumann und Politikwissenschaftlern wie William Elliot von der Harvard University die antisowjetische Mobilisierung planen. Die von ihnen begründeten Diskussionsgruppen hießen Atlantic Futures und Atlantic 119

Values und verbrachten Tage und Wochen mit der Erörterung von Themen wie »der Nordatlantik und der Totalitarismus«, »wissenschaftliche und technische Fortschritte der westlichen Zivilisation« und »der Nordatlantik und die unterentwickelte Welt«. Fraenkel war maßgeblich daran beteiligt, einen ersten Kontakt zwischen SPD -Vertretern und diesem bemerkenswert breiten und einflussreichen Netzwerk von Architekten des Kalten Krieges herzustellen. Führende Gewerkschafter und SPD -Abgeordnete wie Adolf Arndt reagierten zunächst zögerlich auf seine Einladungen, denn schließlich verstießen sie damit stillschweigend gegen die Parteilinie, nach der solche Veranstaltungen weiterhin klar abzulehnen waren. Im Lauf der 1950er Jahre nahmen sie aber immer häufiger an den Treffen teil, die ihnen eine seltene Gelegenheit zum Austausch mit proamerikanischen Vertretern der Arbeiterbewegung aus Frankreich, Großbritannien und Italien boten. Durch Fraenkel gewannen US -Diplomaten einen wertvollen Zugang sowohl zu Basisaktivisten wie zur SPD -Führung. Sein außergewöhnlicher Status als Intellektueller erlaubte es ihm, wie Melvin Lasky, Herausgeber der einflussreichen Zeitschrift Der Monat, in einem Brief an Fraenkel bemerkte, »Dinge zu tun und zu sagen, die man von anderen nicht ohne Weiteres akzeptieren würde. Wie Sie sich gegen den Kommunismus aussprachen […] [und] ein tieferes, intelligenteres Verständnis der Vereinigten Staaten, ihrer Geschichte und Probleme einforderten – das alles hatte eine Wirkungskraft, die ein einzigartiger Beitrag zum demokratischen Kampf Berlins war.«75 Gleichzeitig nutzte Fraenkel die Amerikahäuser und Elitenetzwerke für seine eigene Agenda, die auf eine Erneuerung der SPD -Programmatik abzielte. In einer Reihe von Vorträgen wandte er sich an Arbeiter, Gewerkschaftsführer, SPD -Abgeordnete und Intellektuelle, um sie vom Wert klassenübergreifender Zusammenarbeit zu überzeugen. In Frankfurt und Düsseldorf, Kiel und West-Berlin hörten Tausende Genossinnen und Genossen Fraenkels eindringliches Plädoyer dafür, den Marxismus zugunsten des gemäßigten Ziels sozialstaatlicher Programme aufzugeben. Zudem war er federführend an vielfältigen Zusammenkünften, Organisationen und Aktivitäten beteiligt, die führenden Sozialisten Raum für einen Dialog mit neuen Partnern und für die Bildung von Bündnissen boten. Mithilfe amerikanischer Fördermittel initiierte Fraenkel Diskussionskreise und Seminare, auf denen Gewerkschaftsführer wie Walter Freitag, der Vorsitzende des mächtigen Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), namhaften marktwirtschaftlich orientierten Ökonomen wie Wilhelm Röpke und Soziologen wie Helmut Schelsky und Politologen wie Carl J. Friedrich begegneten.76 In einem emphatischen Appell erklärte Fraenkel, nur durch Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Kräften und den Aufbau eines Staates, der Sozialismus und Liberalismus miteinander 120

versöhne, könnten die demokratischen Ziele der Arbeiterbewegung verwirklicht werden. Eine Kooperation war ihm zufolge nicht mit einem Kompromiss oder einer Niederlage gleichzusetzen; sie würde der historischen Mission des deutschen Sozialismus, eine kollektive Demokratie aufzubauen, zur Verwirklichung verhelfen.77 Ihren Höhepunkt erreichte diese vom Kalten Krieg bestimmte kulturelle Kampagne an den westdeutschen Universitäten. Fraenkel und die ihn unterstützenden US -Diplomaten versuchten schon frühzeitig, seine Ideen in der Struktur des Hochschulwesens zu verankern. In den 1950er Jahren brachte Fraenkels Zusammenarbeit mit John McCloy das Fachgebiet der Amerikastudien hervor, durch das Tausende Studierende ein neues Bild der Vereinigten Staaten erhielten. 1952 war Fraenkel, gefördert von der US -Regierung, das erste Fakultätsmitglied der West-Berliner Hochschule für Politik, das Kurse zu amerikanischer Politik und Geschichte anbot. Im Zuge dessen initiierte er auch deutsche Übersetzungen von Werken, die er dem »amerikanischen geistigen Kanon« zurechnete, angefangen von den Federalist Papers bis zu John Deweys Schriften über Pädagogik.78 Sichtbares Zeichen von Fraenkels Lobbyarbeit war die Eröffnung des mit großzügiger amerikanischer Förderung ausgestatteten ersten Instituts für Nordamerikastudien an der FU Berlin im Jahr 1963. Unter seiner Leitung konnten sich Studierende dort mit der amerikanischen Geschichte, Geografie, Literatur und Soziologie befassen und die amerikanische Wissenschaftskultur kennenlernen. In den folgenden vier Jahren kopierten zahlreiche westdeutsche Universitäten Lehrpläne und Forschungsagenda des wenig später nach John  F.  Kennedy benannten Instituts. Seine Fakultätsmitglieder – überwiegend Studierende Fraenkels – organisierten Seminare, Vorträge, Ausstellungen und Veranstaltungen über Kultur, Politik und Recht der Vereinigten Staaten in Hamburg, Frankfurt am Main, Köln, Gießen, Nürnberg, Heidelberg, Mainz und vielen anderen Städten der Bundesrepublik. Diese Programme stellten das systematischste und umfangreichste Projekt der amerikanischen Kulturdiplomatie dar. Was mit einer Reihe von Vorträgen in den Amerikahäusern begonnen hatte, erweiterte sich zu einer umfassenden akademischen Bildung von mehreren Zehntausend jungen Deutschen.79 Ende der 1950er Jahre hatte diese nicht abebbende Flut von Schriften, Vorträgen und Bildungsprogrammen einem radikalen Wandel im Demokratieverständnis der deutschen Sozialdemokratie den Boden bereitet. Fraenkels Publikationen und Initiativen unterstützten sozialdemokratische Aktivisten, Journalisten und Führungsfiguren im Lauf der Jahre dabei, ein neues Programm für die SPD vorzubereiten, das die Arbeiterklasse nicht mehr als alleinigen Akteur demokratischer Politik verstand und von weitreichenden 121

Wirtschaftsreformen als oberstem Ziel Abstand nahm. Die schweren Niederlagen der SPD bei den Bundestagswahlen von 1953 und 1957 versetzten die reformorientierten Kräfte schließlich in die Lage, ihre Leitbilder durchzusetzen. 1959 stimmten die Delegierten auf dem wegweisenden Godesberger Parteitag dafür, das Heidelberger Programm von 1925 zu ersetzen, die bislang zentrale Forderung nach Verstaatlichung der Schlüsselindustrien aufzugeben und jede antibürgerliche Rhetorik zu vermeiden. Stattdessen bekannte sich die SPD in ihrem neuen Programm ausdrücklich zu dem Willen, sich an Koalitionsregierungen zu beteiligen und mit den Mittelschichten zusammenzuarbeiten. Trotz der Enttäuschung einiger älterer Mitglieder, die darin reinen Opportunismus witterten, erwies sich das im Godesberger Programm entworfene Leitbild als tragfähig. Es ermöglichte der SPD in den 1960er Jahren mehrere Koalitionen mit den Christdemokraten und blieb drei Jahrzehnte lang offiziell gültig. Ebenso wichtig und eng damit verbunden war, dass Fraenkels Ideen und praktischen Bemühungen auch dazu beitrugen, die Unterstützung für das westliche Bündnis in der SPD mehrheitsfähig zu machen. Aktivisten und Mitgliedern der Führung, die das Ziel der deutschen Einheit zurückstellten und eine Eingliederung in den westlichen Block anstrebten, bot er einen theoretischen Rahmen. Angeführt von dem Bundestagsabgeordneten Herbert Wehner und dem jungen West-Berliner Bürgermeister Willy Brandt akzeptierte ein immer stärker werdender Flügel der Partei die NATO und die Vereinigten Staaten als natürliche Verbündete. Nach einer mehrjährigen parteiinternen Debatte konnte sich dieser Flügel schließlich 1960 durchsetzen, als die SPD offiziell auf einen proamerikanischen Kurs einschwenkte. In einer dramatischen Grundsatzrede vor dem Bundestag verkündete Wehner den Abschied der SPD von ihrer Neutralität im Kalten Krieg und das Ende ihrer seit einem Jahrzehnt andauernden Verhandlungen mit der Sowjetunion. Die SPD erkenne nun an, erklärte Wehner, dass »die europäische Einheit und die atlantische Allianz Voraussetzungen für die Erhaltung der Freiheit […] sind«. Zehn Jahre zuvor wäre diese drastische Verschiebung kaum vorstellbar gewesen: Die Macht der Vereinigten Staaten galt nicht mehr als ausländische kapitalistische Bedrohung, sondern als Garant für Gleichheit und Demokratie. Fraenkels vormals umstrittene Ideen waren zum neuen Konsens geworden.80 Fraenkels öffentliches Eintreten für seine Theorie aus der Weimarer Ära stand somit im Zentrum eines Kraftfelds, das in den 1950er Jahren einen Wandel der deutschen Linken bewirkte. Seine Theorie der kollektiven Demokratie verhalf beunruhigten US -Diplomaten, die die deutsche Linke unbedingt für das antisowjetische Bündnis gewinnen wollten, zu Legitimität und gab zugleich sozialdemokratischen Reformern, die die SPD weg vom 122

Marxismus und hin zu einer Kooperation mit der Mittelschicht bewegen wollten, ein Argument an die Hand. Als ein einzigartiger Grenzgänger, der sowohl mit dem US -Establishment der Ära des Kalten Krieges als auch mit dem Universum der deutschen Sozialdemokratie vertraut war, lieferte Fraenkel gleichsam das Bindemittel, das die beiden Reformkampagnen zu einem umfassenden Projekt verband. Damit beförderte er zugleich die Delegitimierung anderer sozialistischer Theorien. Vor dem Hintergrund der traumatischen Erfahrungen der 1920er Jahre attackierte er die Befürworter von Verstaatlichungen als Feinde der Demokratie, die ihren verhassten kommunistischen Gegnern letztlich ähnelten. Der Kalte Krieg und das Modell der »kollektiven Demokratie« stützten sich gegenseitig. Allerdings fand die Theorie über Arbeiterbewegung, Rechtsstaat und Demokratie, die Fraenkel aus dem Weimarer Deutschland ins Exil mitnahm, keinen Eingang in das vorherrschende amerikanische Denken. Anders als Friedrichs Schriften über demokratische Eliten und Hochschulbildung wurden nur wenige von Fraenkels Arbeiten auf Englisch veröffentlicht und fanden unter amerikanischen Politikern und Wissenschaftlern wenig Beachtung.81 Ein Grund dafür könnten die zunehmenden Auseinandersetzungen darüber gewesen sein, welchen Platz die Arbeiterschaft in der gesellschaftlichen Ordnung Amerikas nach dem Krieg einnehmen sollte. Während sich etliche Vertreter der amerikanischen Arbeiterbewegung bereitwillig an den Bemühungen ihrer Regierung beteiligten, die Arbeiter in Europa und Asien für sich zu gewinnen, waren sie im eigenen Land immer häufiger mit Rückschlägen konfrontiert. Viele amerikanische Politiker und Wirtschaftsvertreter sahen in der organisierten Arbeiterbewegung eine Gefahr für Wohlstand, Freiheit und Sicherheit im Kalten Krieg; entsprechend versuchten sie, die Errungenschaften aus der Zeit des New Deal rückgängig zu machen. 1947 verabschiedete der US -Kongress mit großer Mehrheit das sogenannte Taft-Hartley-Gesetz (offiziell Labor Relations Management Act), das die Arbeiterrechte in puncto gewerkschaftlicher Organisierung, Streiks und kollektiver Verhandlungen drastisch einschränkte. Auch wenn Fraenkel fest davon überzeugt war, dass Amerika der Leuchtturm der kollektiven Demokratie sei, fanden seine Ideen dort wenig Resonanz. Nur wenige Amerikaner sahen in seinen sozialistisch inspirierten Schriften und Theorien eine geeignete Blaupause für demokratische Politik.82 Der Kalte Krieg hatte jedoch immerhin neue Räume geschaffen, in denen Fraenkel sich politisch entfalten konnte. Wie seine Geschichte zeigt, waren die Vereinigten Staaten weder in Ostasien noch in Europa darauf festgelegt, bekannte gesellschaftlich-politische Modelle – etwa bestimmte Leitbilder von »Entwicklung« und »Konsenskapitalismus« – zu kopieren und durchzusetzen. 123

Anstatt sich ausschließlich an amerikanischen politischen Vorstellungen zu orientieren, eröffneten sie ausländischen Ideen Räume und förderten sie sogar, solange sie zu ihren Anstrengungen im Kalten Krieg beitrugen, den Kommunismus weltweit zurückzudrängen und den »American Way of Life« im eigenen Land zu sichern. Paradoxerweise trat Fraenkel zur Förderung von Werten in den Dienst einer US -Regierung, die diese Werte in der eigenen Gesellschaft gar nicht unterstützte. Indem er seine eigenen Visionen auf die amerikanische Macht projizierte, konnte er deren enorme Ressourcen aber auch in den Dienst seiner persönlichen Agenda stellen.

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Kapitel 3

Konservativer Katholizismus und amerikanische Stiftungen: Waldemar Gurian, die »personalistische Demokratie« und der Antikommunismus

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Westdeutschland nicht nur einen demokratischen Neuaufbau, sondern auch einen beispiellosen Aufschwung des Katholizismus. Überall in Westeuropa wurden katholische Gemeinden zu bestimmenden Kräften des Wiederaufbaus, sei es in der Kultur oder in der Politik. Die amerikanischen Besatzungsoffiziere in Deutschland betrachteten diese Entwicklung mit Hoffnung und Sorge zugleich. Die deutschen Katholikinnen und Katholiken hatten zwar nicht zu Hitlers begeistertsten Unterstützern gezählt, weshalb manche US -Vertreter sich von ihnen »die geistige Grundlage der neuen Demokratie« erhofften,1 als besonders gute Demokraten waren sie in historischer Perspektive allerdings ebenfalls nicht aufgefallen. Die Bilanz ihres Verhältnisses zu demokratischer Politik war durchaus problematisch. Viele hatten in der Weimarer Republik eine säkulare Bedrohung der eigenen Werte gesehen und deshalb autoritäre Führer und Ideen unterstützt. In den späten 1940er Jahren, als die Spannungen des Kalten Krieges zunahmen, erklärten viele katholische Politiker und Publizisten außerdem, dass Deutschland sich nicht an den säkularen und materialistischen Vereinigten Staaten orientieren, sondern als Teil des »Abendlandes« ausschließlich den Verbund mit anderen europäischen Ländern suchen sollte. Der Katholizismus war daher im frühen Kalten Krieg keine verlässliche Größe für die amerikanischen Bemühungen um den Wiederaufbau in Europa und die entstehende transatlantische Allianz.2 Bei den Versuchen, diese Kluft zu überbrücken, spielten deutsch-katholische Emigranten eine wichtige Rolle. Nachdem sie den Krieg im Exil verbracht hatten, kehrten sie unter amerikanischer Ägide nach Europa zurück und arbeiteten an der Herstellung eines demokratischen und antikommunistischen Bundes zwischen den Vereinigten Staaten und der katholischen Gemeinde. Das beste Beispiel für ihren Einfluss bietet der politische Theoretiker Waldemar Gurian, der 1948 als einer der ersten katholischen Emigranten für einen Deutschlandbesuch aus dem Exil zurückkehrte. In der Besatzungszeit 125

und in den frühen 1950er Jahren finanzierte er mit amerikanischen Fördermitteln eine Flut von Publikationen, Vorträgen und Bildungsprogrammen, die Europas Katholiken an die Seite der Vereinigten Staaten führen sollten. Diese zeichnete Gurian in seinen Schriften als Schutzmacht der katholischen Ideale, Selbstverwaltung und Gemeinden und erklärte beharrlich, ein Bündnis mit der westlichen Großmacht sei der einzig effektive Weg zur Bezwingung des größten Feindes des Katholizismus, der Sowjetunion. Mit massiver Unterstützung des amerikanischen diplomatischen und kulturellen Apparats bemühten er und andere Rückkehrer sich um die Popularisierung dieser Ideen unter den deutschen Katholiken. Dies trug dazu bei, dass sich Mitte der 1950er Jahre tatsächlich eine Allianz von Katholiken, der Bundesregierung und den Vereinigten Staaten herausbildete, die zu einer tragenden Säule der westlichen Politik im Kalten Krieg in Europa wurde.3 Während US -Vertreter beabsichtigten, die katholischen Remigranten als Transmissionsriemen für amerikanische Demokratiekonzepte in Dienst zu nehmen, verfolgten Gurian und ähnlich Gesinnte eine viel ältere Agenda. Wie protestantische und sozialistische Heimkehrer aus dem Exil zielten sie auf die Wiederbelebung eines eigenen kulturellen Projekts, in diesem Fall einer zutiefst reaktionären und antiliberalen Weltanschauung, die sie in den Weimarer Debatten über Politik, Nationalismus und Kommunismus entwickelt hatten. Als junger Journalist und Intellektueller gehörte Gurian nämlich damals zu einer katholischen Gruppe, die eine katholisch durchsättigte Gesellschaftsordnung anstrebte, aufgebaut auf kleinen, traditionellen und »natürlichen« Gemeinschaften wie Familie, Dorf, Berufsverbänden und eben katholischer Kirche. Die Todfeinde dieser Ordnung waren die radikale Linke und Rechte – Kommunismus und Ultranationalismus –, also die Revolutionäre unter den säkular-modernen Kräften. In den letzten Jahren der Weimarer Republik entwickelte Gurian allerdings eine eigentümliche Theorie, nach der der Katholizismus im Kampf um die Erhaltung »organischer« Gemeinschaften seinen natürlichen Verbündeten in der liberalen Demokratie fand. Damit gehörte er zu einer winzigen Minderheit von Katholiken, die ihre Glaubensgenossen dazu aufrief, demokratische Politik und die Notwendigkeit einer wachsamen Bekämpfung von Kommunismus und extremem Nationalismus zu akzeptieren und ihr negatives Verhältnis zu säkularen Ideen zu überdenken. Wie Friedrich und Fraenkel sah auch Gurian in den amerikanischen Wiederaufbaubemühungen nach 1945 weit mehr als eine Reaktion auf das Trauma von Nationalsozialismus und Krieg. In seinen Augen boten sie die Gelegenheit, alte geistliche Visionen aus den 1920er Jahren wiederaufzunehmen und einen wesentlichen katholischen Beitrag zur gesellschaftlichen Neuordnung zu leisten. 126

Die Zusammenarbeit konservativer deutscher Katholiken mit den Amerikanern hatte nicht nur bedeutsame Auswirkungen in Deutschland, sondern hinterließ auch in den Vereinigten Staaten ihre Spuren. Insbesondere prägte sie die Entstehung eines neuen Wissensgebietes: der Soviet Studies (Sowjetwissenschaft). Ausgehend von eigenen frühen Schriften entwickelte Gurian im Exil seine berühmte »Totalitarismustheorie«, der zufolge Nazismus und Kommunismus ihrem Wesen nach identisch seien – säkulare Ungeheuer, die die Auslöschung von Religion und autonomen, »natürlichen« Gemeinschaften anstrebten. Aus diesem Grund ließe sich der Kommunismus nicht einfach eindämmen: Wie der Nazismus müsse er zerstört werden. In den späten 1940er Jahren verwendete die Rockefeller Foundation einen Teil ihrer gewaltigen Ressourcen auf die Popularisierung dieser extremen antikommunistischen Theorien. Vertreter der Stiftung, die Gurian nach dem Krieg in Deutschland trafen und sich bereitwillig der antisowjetischen Mission der US -Regierung anschlossen, versorgten den katholischen Rückkehrer mit den finanziellen Mitteln für die Organisation einer Vielzahl von Publikationen, Konferenzen und Kulturprogrammen. Diese Unterstützung trug zugleich zur Integration von Gurians Ideen in die akademische Forschung und Lehre in Amerika bei, durch die er zu einer maßgeblichen Autorität auf dem Feld der Soviet Studies avancierte. Seine Totalitarismustheorie wurde zu einem der entscheidenden mobilisierenden Konzepte im Kalten Krieg, das viele Zeitgenossen zugunsten der amerikanischen Regierung politisierte. Wie Friedrich und Fraenkel trieb Gurian mit seinen Theorien aus der Weimarer Ära geistige Projekte auf beiden Seiten des Atlantiks an. Als ein Theoriegebäude, das die restlose Zerstörung des Kommunismus verlangte, prägte dieses katholische Denken aus Europa nicht nur die amerikanische Wissenschaft im Kalten Krieg, sondern auch den Blick der Vereinigten Staaten auf ihren politischen Auftrag in der Welt. Mit dem Protestanten Friedrich und dem Sozialdemokraten Fraenkel hatte der katholische Emigrant Gurian gemein, dass er die Finanzkraft, Macht und Institutionen der Vereinigten Staaten für die Förderung seiner eigenen Vorstellung einer christlichen, gemeinschaftsorientierten und antikommunistischen Ordnung nutzte. Die Symbiose von deutschem katholischen Denken und amerikanischer Macht war keineswegs naheliegend; keine der beiden Seiten hätte ein Zusammengehen in den 1930er Jahren vorausahnen können. Diese neue Entwicklung nahm jedoch auf Kultur und Denken bis in die 1950er Jahre hinein prägenden Einfluss.

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Katholizismus, »Personalismus« und Demokratie im Rheinland: Die Ursprünge von Gurians Denken Die Weimarer Republik wurde von keiner Bevölkerungsgruppe mit derart gemischten Gefühlen aufgenommen wie von den Katholiken. Für die größte konfessionelle Minderheit im Land, die traditionell ein gespaltenes Verhältnis zu demokratischen Prinzipien hatte, löste die demokratische Revolution im Herbst 1918 sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen aus. Da die Katholiken im Kaiserreich verhasst und häufig verfolgt worden waren, erkannten sie die Vorzüge, die bürgerliche Freiheiten und eine parlamentarische Repräsentation ihnen angesichts der protestantischen Bevölkerungsmehrheit bieten konnten. Dass sie die parlamentarische Regierungsform teilweise euphorisch begrüßten, war innerhalb des europäischen Katholizismus einzigartig und hat mehrere Historikerinnen und Historiker dazu veranlasst, sie – mit leichter Ironie – »die wahren Liberalen der Ära« zu nennen. Gleichwohl fürchteten viele Katholiken, dass der Vormarsch der Demokratie Säkularismus, Individualismus und Materialismus fördern und so ihre Gemeinde und Institutionen schwächen werde. Die Tatsache, dass die Republik von Sozialisten gegründet wurde, die oft dezidiert atheistische und antiklerikale Auffassungen vertraten, hielt konservative Katholiken auf Abstand zu ihr. Diese zwiespältige Haltung gegenüber demokratischer Herrschaft wurde bereits während des Krieges deutlich, als sich Katholiken zwar den Sozialisten und Liberalen anschlossen, die die Autorität der Monarchie offen anfochten und für Demokratie und ein Ende des Krieges eintraten, aber nicht an der Revolution von 1918 teilnahmen. Die Gründung der Republik billigten sie erst, als sie bereits eine vollendete Tatsache war.4 Wie unter Protestanten und Sozialisten löste der Übergang zur Demokratie auch im Katholizismus erbitterte intellektuelle und politische Debatten aus, die einer Zerreißprobe gleichkamen. Nach jahrzehntelanger Marginalisierung konnten Katholiken nun in die Institutionen der Macht einziehen und sogar Führungsämter bekleiden. Die Selbstverortung in der neuen republikanischen Ordnung gewann für sie folglich große Dringlichkeit, wobei sich die entscheidende Debatte an der Frage nach dem geeignetsten Koalitionspartner für die Zentrumspartei entzündete, die die Katholiken politisch repräsentierte. Der linke Flügel mit Politikern wie Matthias Erzberger und Joseph Wirth forderte ein festes Bündnis mit den Sozialdemokraten; sie sahen im republikanischen System eine neue Möglichkeit für katholische Einflussnahme. Der rechte Flügel mit Kardinal Michael von Faulhaber, Hermann Port und Ludwig Kaas strebte dagegen eine Zusammenarbeit mit konservativen 128

Protestanten an, um die Republik durch einen autoritären Staat zu ersetzen, der das Parlament schwächen und die Macht in der Exekutive bündeln sollte. Aufgrund dieser gegensätzlichen Kräfte blieb die Zentrumspartei ständig umkämpft, ihre Haltung und ihre Allianzen wechselten und waren widersprüchlich  – häufig gehörte sie auf Länder- und Reichsebene gleichzeitig pro- und antirepublikanischen Koalitionen an. Diese Unentschiedenheit war derart augenfällig, dass manche Stimmen meinten, die Katholiken sollten den Versuch gemeinsamen politischen Handelns kurzerhand aufgeben. 1925 löste der katholische Journalist Heinrich Teipel einen kurzen Sturm der Entrüstung aus, als er die Zentrumspartei zur Selbstauflösung und Abdankung von der politischen Bühne aufrief. Das Bemühen, Feinde, Verbündete und den eigenen Ort in der neuen deutschen Republik zu definieren, blieb für das katholische Denken in den Weimarer Jahren bestimmend.5 Im Kontext dieser stürmischen Debatten über die katholische Bündnispolitik entwickelte Waldemar Gurian seine konservativ-antiliberalen Gedanken über den Katholizismus, die Demokratie und ihre Feinde. Gurian war 1902 in St. Petersburg als Kind russischer Juden geboren worden, die 1911 vor antisemitischer Gewalt nach Deutschland geflohen waren. Die Familie trat zum Katholizismus über und ließ sich in Düsseldorf nieder, einem katholischen Zentrum des Landes; von 1917 bis 1923 studierte Gurian in Berlin, Breslau, Köln und Bonn. Als Student gehörte er der von Romano Guardini geprägten katholischen Jugendbewegung an, die das Gemeindeleben durch neue Liturgien, Riten und Landausflüge revitalisieren wollte. Nach dem Abschluss seines Studiums pendelte er zwischen Köln und Frankfurt am Main, wo er als Redakteur und Autor für führende katholische Zeitungen, Zeitschriften und Verlage wie Heiliges Feuer, Abendland, Kölnische Volkszeitung und Germania, das offizielle Organ der Zentrumspartei, tätig war. In den 1920er und frühen 1930er Jahren dienten ihm diese Publikationen als Plattform für seine Untersuchungen über Feinde und Verbündete des Katholizismus.6 Gurians Werk war stark von den katholischen Reformimpulsen im Rheinland und an der Kölner Universität geprägt. Während in Bayern, der zweiten katholischen Hochburg in Deutschland, weiterhin eine republikfeindliche Einstellung vorherrschte, waren am Rhein die am stärksten zu Neuerungen bereiten und prorepublikanischen katholischen Zeitschriften und Organisationen beheimatet. Auch unter der im Versailler Vertrag festgelegten Besatzung des Rheinlands versuchten katholische Denker und Politiker, das kulturelle Leben ihrer Glaubensgemeinschaft zu erneuern und ihr neue Pfade in der veränderten politischen Landschaft zu erschließen. Eine Vorreiterrolle nahm in diesen Reformbestrebungen die 1919 gegründete Universität Köln ein. Unter Federführung von Konrad Adenauer, dem ehrgeizigen Bürgermeis129

ter der Stadt, wurde die Universität als der wichtigste Beitrag des deutschen Katholizismus zur Nachkriegsordnung beworben. Ihre Gründer hofften, die Universität werde den Zusammenhalt der Katholiken und ihre Position in der neuen Demokratie stärken. Im Jahr 1921 begann Gurian sein Studium in Köln, 1923 schloss er seine Promotion über die katholische Jugendbewegung ab. Seine wichtigsten Mentoren waren der Philosoph Max Scheler und der Staatsrechtler Carl Schmitt, zwei der originellsten katholischen Denker der Weimarer Zeit. Ihre Lehren und der Anspruch Kölns, die Rolle des Katholizismus in der modernen Welt zu definieren, blieben für Gurians Arbeiten jahrzehntelang wegweisend.7 Gurians frühe antiindividualistische und antikommunistische Ideen gingen aus einer reaktionären Denkschule hervor: dem Personalismus, der sich in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg herauskristallisierte.8 Sein Begründer in Deutschland war Scheler, ein jüdischer Konvertit, der sich während des Krieges als führende intellektuelle Stimme des Katholizismus profiliert hatte. Im Mittelpunkt von dessen Theorie stand die Unterscheidung zwischen Individuum und Person. Laut den Personalisten hatten moderne säkulare Denker seit der Aufklärung zu Unrecht das Individuum als Grundeinheit der Morallehre, Philosophie und Gesellschaftstheorie betrachtet. Durch die Reduktion von Menschen auf Individuen hatte gemäß dieser Erzählung die Moderne sämtliche Traditionen und gewachsenen sozialen Beziehungen zertrümmert. Anstatt die Menschen zu befreien, habe die Aufklärung sie in einen armseligen Zustand von Isolation und Atomismus geführt. Die Personalisten nahmen deshalb nicht für das Individuum, sondern für »die Person« als ein geistiges Wesen Partei. Sie verstanden darunter einen Menschen, der in ein Geflecht aus natürlichen und historischen Gemeinschaften wie Familie, Dorf, Berufsstand und Nation eingebettet ist und im Gegensatz zum leeren Individuum der Aufklärung aus vielfältigen Quellen traditioneller Autorität schöpfe; die Person nehme moralische Werte an, die der Religion und Tradition entstammten. Nur sie könne, so behaupteten die Personalisten, ein geistig erfülltes und moralisches Leben führen. Wie Emmanuel Mounier, der bekannteste Vertreter der Bewegung in Frankreich, es formulierte: Allein die Person stelle »einen geistigen Wert« dar, sie stehe im »Mittelpunkt der ganzen menschlichen Wirklichkeit«.9 Während sich der Personalismus in Frankreich aus unterschiedlichen geistigen Traditionen speiste, war er in Deutschland eindeutig katholisch.10 Scheler verstand die katholische Gemeinde als die ideale Gruppe für die Verwirklichung der Person. Anders als die Protestanten hatten sich die Katholiken in Deutschland ihm zufolge der Säkularisierung und dem Materialismus widersetzt und die traditionellen Gemeinschaften von Familie und Kirche als 130

Mittelpunkt des moralischen Lebens aufrechterhalten. Besonders wichtig war Scheler dabei, dass sie auch der Forderung des Nationalstaats nach absoluter Loyalität standhielten. Im Unterschied zu den Protestanten, für die »durch die Nation hindurch der einzige Weg zu Gott« führe, bewahrten sie ihre Treue zu Familie, Beruf und der katholischen Gemeinde, die einen gesunden Abstand zur Nation hielt.11 Gegen Ende des Ersten Weltkrieges rief Scheler die Katholiken auf, bei Deutschlands geistigem Neuaufbau voranzugehen. Nur sie, schrieb er, könnten die Rolle von Familie, Kirche und lokalen Gemeinschaften stärken und der protestantischen Glorifizierung des Nationalstaats entgegenwirken. Das katastrophale Ende des Krieges und der Zusammenbruch der Monarchie verschafften Schelers Botschaft in den katholischen Regionen Deutschlands einen breiten Widerhall. Seine Theorie erlaubte es Katholiken, aus ihrer historischen Marginalisierung auszubrechen und sich selbst als Vorhut der geistigen Erneuerung des Landes zu sehen. Nach dem Krieg wurde Scheler als der »schwarze [das heißt katholische] Nietzsche« bekannt und konnte in Bonn junge katholische Intellektuelle wie Dietrich von Hildebrand um sich versammeln. Zu ihnen gehörte auch Gurian, der einer seiner begeistertsten Schüler wurde.12 Während der geistige Gehalt des Personalismus nach Schelers Überzeugung klar bestimmbar war, blieben seine konkreten politischen Implikationen im Dunkeln. Jenseits ihrer Fixierung auf »organische« Gemeinschaften und vielfältige Loyalitäten war der Theorie nichts über die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse zu entnehmen, die die Verwirklichung der Person erlauben würden. Wie die katholische Gemeinde insgesamt, konnten sich auch die Vertreter der personalistischen Schule nicht darüber einigen, welche politischen Strukturen ihren Zielen am ehesten entgegenkämen. Während Scheler zögerlich die Weimarer Republik unterstützte und sogar eine Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie guthieß, hingen andere Katholiken einer autoritären Ordnung und selbst dem Monarchismus an. Deutlich fiel dagegen die politische Feindbestimmung der personalistischen Theorie aus: Ihr zufolge führte die säkulare Atomisierung der Menschheit in isolierte Individuen direkt zu gefährlichen Formen kollektivistischer Ideologie, wie etwa Nationalismus und Kommunismus. Vom Liberalismus aus ihren traditionellen Gemeinschaften herausgelöst, würden die Menschen demnach zu Sklaven antireligiöser Kräfte wie Nation, Klasse oder Staat, die totalen Gehorsam verlangten – eine gewagte Gleichsetzung aller modernen soziopolitischen Systeme, nach der Kapitalismus, Liberalismus und Kommunismus im Kern dasselbe waren. Alle drei lehnte der Personalismus als gleichermaßen zerstörerisch und materialistisch ab; tatsächlich gab es für ihn überhaupt keine säkulare gesellschaftliche und politische Denkrichtung, die zur Bewahrung 131

anständiger menschlicher Beziehungen imstande gewesen wäre. Der Feind in den 1920er Jahren war also der säkulare Individualismus. Die Mehrdeutigkeit des Personalismus war in gewissem Sinne das Geniale an ihm: »Während er eine klare Identität des gegnerischen Lagers behauptete, blieb er mit Blick auf sein Alternativprogramm flexibel.«13 Gurian schloss sich der personalistischen Bewegung als junger Autor an und wurde einer ihrer eloquentesten und populärsten Vertreter. Sein erstes Buch, eine 1924 erschienene Untersuchung der deutschen Jugendbewegungen, glich einem Echo von Schelers Appell an die Katholiken, Deutschlands geistige Erneuerung anzuführen. Das Buch wurde ein Bestseller und regte in der katholischen Leserschaft breite Diskussionen an. Gurians Hauptbeitrag zum Personalismus, auf dem sein Ruf als aufstrebendes Talent im europäischkatholischen Denken beruhte, war jedoch seine eingehende Untersuchung der säkularen Feinde der Person – Liberalismus, Nationalismus und Kommunismus. Ersterer war für Gurian der älteste Feind der Katholiken und die Ursache des geistigen Verfalls in der Moderne. In Anlehnung an Schelers frühe Schriften klagte Gurian, dass seit der Französischen Revolution liberale Denker die Menschen zur Vergöttlichung der Vernunft und zur Zurückweisung jeglichen Glaubens an Erlösung und Transzendenz verleitet hätten. Diese Überhöhung der Vernunft fördere einen widernatürlichen Materialismus, worunter Gurian das obsessive Streben nach Geld und irdischen Genüssen verstand. Die vom Bürgertum, dem Schrittmacher des Liberalismus, hervorgebrachte Gesellschaft sei beherrscht von Gier, körperlicher Lust und Selbstsucht. Sie bilde den Nährboden für die Angriffe auf Gemeinschaft und Spiritualität im modernen Zeitalter.14 Ganz im Geiste Schelers erklärte Gurian den konservativen Nationalismus zum zweiten Feind des Katholizismus. Den modernen Nationalismus betrachtete er als eine blasphemische Ideologie: Die Nationalisten huldigten dem Nationalstaat; sie erhoben die Nation zur Quelle aller Autorität und versuchten, alle anderen Gemeinschaften ihrer Macht und Herrschaft zu unterwerfen. In Gurians Augen strebten Nationalisten, so oft sie sich auch als Verteidiger von Traditionen ausgaben, in Wahrheit die Säkularisierung der öffentlichen Sphäre und die Beseitigung religiöser Autorität an. Ihr Ziel bestehe wie das der Liberalen darin, einen »säkularisierten Katholizismus« zu schaffen – eine verdrehte Vergöttlichung von Menschen und ihres irdischen Lebens zulasten wahrer Spiritualität. Nationalistische Denker wie Oswald Spengler und Charles Maurras, ein französischer Monarchist, attackierte Gurian als gefährlichen Nihilisten, die an der Glaubenslehre und dem Christentum gar kein Interesse hätten; ihr giftiger Hass auf den Liberalismus (und der anderer Nihilisten) verberge nur die eigentliche Identität beider Ideologien. 132

Katholiken hätten zu Nationalisten und ihrer trügerischen Selbstdarstellung als Verteidiger der Tradition somit Distanz zu wahren.15 Das größte Echo fand jedoch Gurians Kritik des dritten und schlimmsten Feindes der Katholiken: des Bolschewismus. Sein 1931 veröffentlichtes Buch Der Bolschewismus. Einführung in Lehre und Geschichte wurde ein bedeutendes Werk in der katholischen Geisteswelt; innerhalb von zwei Jahren erschien es auch auf Französisch, Italienisch, Holländisch und Englisch und wurde begeistert in Europa aufgenommen.16 Dass Katholiken die erklärtermaßen atheistische Sowjetunion ablehnten, war zwar nichts Neues – der Papst hatte das kommunistische Regime bereits 1917 verurteilt –, Gurians Buch bot der internationalen Kampagne der Kirche gegen den Bolschewismus allerdings frische Munition. Seine originelle und innovative Theorie über Ursprünge und Ziele des Kommunismus befeuerte die obsessiven Bemühungen der Kirche, die Katholiken gegen die aufstrebende kommunistische Macht zu mobilisieren.17 Gurian zufolge begriffen zeitgenössische Beobachter weder das Wesen noch die Anziehungskraft des Bolschewismus – ein Begriff, den er als Syno­ nym für Kommunismus und Sozialismus gebrauchte. Indem sie ihn nur als ein weiteres Glied in der Kette autoritärer Regime in Russland deuteten oder seinen Feldzug gegen das Privateigentum in den Mittelpunkt rückten, verfehlten sie den Kern seiner Ideologie. Russlands despotische Geschichte und die marxistische Fixierung auf die Eigentumsfrage waren laut Gurian in Wirklichkeit nebensächlich, betrachtete man das zutiefst schädliche geistige Wesen des Bolschewismus. Die eigentliche Triebkraft des sowjetischen Übels sah er in dem Versuch der Kommunisten, eine Gesellschaft ohne jede transzendentale Quelle von Autorität und Legitimität durchzusetzen. Mehr noch als die Ablehnung des Kapitalismus sei es diese Mission, von der sich die Revolutionäre leiten ließen. Die dem Bolschewismus eigene »mechanistische Betrachtung der Gesellschaft« reproduzierte laut Gurian nur die säkularen Attacken des Liberalismus und Nationalismus auf die Familie und organische Gemeinschaften. Wie diese beiden Strömungen schaffe auch der Bolschewismus atomisierte Individuen ohne soziale Bande oder spirituelle Quellen. Er sei das extremistische und »notwendige Ergebnis einer Welt, für die das Christentum, ihre Hinordnung auf das Jenseits zu einem privaten Glaubensartikel geworden ist, der auf die Gestaltung der Öffentlichkeit keinen Einfluß mehr hat«.18 Der universalistische Charakter des Bolschewismus machte ihn in Gurians Augen für Katholiken besonders widernatürlich und gefährlich. Während sich der Liberalismus am isolierten Individuum orientiere und der Nationalismus jeweils einen bestimmten Nationalstaat verherrliche, ziele die säkulare 133

Mission der Bolschewisten auf die gesamte Menschheit: Wie die katholische Kirche versprächen sie jedem, ohne Ansehen von Klasse, Nation oder Geschlecht, die Erlösung. Der Bolschewismus behaupte zwar, Individuen und Gruppen ungeachtet ihrer Geschichte oder ihres spezifischen kulturellen Erbes Frieden zu bringen, allerdings bezöge sich sein Erlösungsversprechen im Unterschied zu dem der Kirche auf materielle Zustände, Geld und irdischen Besitz. Dass die Person mehreren Gemeinschaften zugleich angehöre, könne er nicht hinnehmen; die Menschen sollten ihr gesamtes Dasein seiner Weltanschauung unterordnen. In einer kommunistischen Gesellschaft solle der »Mensch […] restlos vom Bolschewismus ergriffen und erfaßt werden«. Da er die universelle Botschaft der Kirche nachahme und pervertiere, war der Kommunismus für Gurian nicht nur ihr Feind, sondern auch ihr dunkles Spiegelbild. Er sei, wie er aggressiv notierte, »eine Gegenkirche, welche versucht, auf Erden einen neuen ›babylonischen Turm‹ zu errichten«, »die keines Erlösers bedarf«. Gurians Schriften standen exemplarisch für den starken Drang des Personalismus zur Erforschung und Dämonisierung seiner Feinde. Zudem drückte sich in ihnen ein allgemeines Unbehagen von Katholiken an der Politik und den Ideologien des modernen Zeitalters aus.19 In den 1920er Jahren profilierte sich Gurian als produktiver und systematischer Denker der personalistischen Schule und als populäre und einflussreiche deutsch-katholische Stimme. Indem er das Festhalten des Katholizismus an organischen Gemeinschaften positiv hervorhob und Liberalismus, Nationalismus und Bolschewismus attackierte, trug er zur Herauskristallisierung einer deutsch-katholischen politischen Philosophie bei. In den letzten Jahren der Weimarer Republik begann sich jedoch ein Graben zwischen ihm und der katholischen Gemeinde zu öffnen. Während in dieser eine autoritäre und antidemokratische Politik wachsenden Zuspruch fand, radikalisierte Gurian seine konservativen Angriffe auf politische Extremisten und rief seine Glaubensgemeinschaft zur Unterstützung der Republik als Bollwerk gegen die doppelte Bedrohung durch Nationalismus und Kommunismus auf. Diese Verschiebungen in den frühen 1930er Jahren steigerten seine Prominenz, isolierten ihn aber auch innerhalb der katholischen Gemeinde. Gurians antikommunistische Schriften fanden zwar weiterhin begeisterte Aufnahme, sein Eintreten für die Demokratie hingegen wurde fast rundweg ignoriert. Trotz dieses Fehlschlags erwiesen sich seine Ideen in den folgenden Jahren als durchaus relevant. Die Verbindung von Demokratie und einer Ablehnung von Nationalismus und Kommunismus förderte in späteren Dekaden eine breite geistige Umorientierung. Der ausschlaggebende Hintergrund für Gurians Bekenntnis zur Demokratie war eine allgemeine Rechtswende im deutschen Katholizismus der späten 134

1920er Jahre. 1928 wählte die Zentrumspartei auf ihrer Kölner Jahresversammlung den erzkonservativen Priester Ludwig Kaas zu ihrem neuen Vorsitzenden. Dieser warb offen für ein »Führertum großen Stils«, die Schwächung des Parlamentarismus und autoritäre Regierungsformen. Die Kraftlosigkeit der Weimarer Republik im Angesicht der Weltwirtschaftskrise, die Europa ab 1930 erfasste, beschleunigte diesen Trend; katholische Politiker und Intellektuelle brachen nun entschieden mit der liberalen Politik. Während Theologen wie Friedrich Muckermann die Einführung einer katholischen Monarchie forderten, beschnitt Reichskanzler Heinrich Brüning von der Zentrumspartei die Macht des Parlaments. Auch die meisten personalistischen Denker schlossen sich diesem Angriff auf liberale Institutionen an und sprachen sich für die Abschaffung politischer Parteien und des allgemeinen Wahlrechts aus. In München forderte Dietrich von Hildebrand die Gründung einer auf Klasse und Beruf beruhenden christlichen Ordnung, und in Frankreich führte Mounier eine Kampagne gegen die Dritte Republik. Das unklare Verhältnis des Katholizismus zur Demokratie schien sich in entschiedene Ablehnung zu verwandeln. Der Schutz organischer Gemeinschaften und die Bezwingung des Kommunismus waren, so glaubten die meisten Katholiken, offenbar nur noch durch eine autoritäre und antidemokratische Politik möglich.20 Als exemplarisch für die gefährlichen Konsequenzen dieser Verschiebung wertete Gurian Carl Schmitts Theorie des »totalen Staates«. Während seiner Kölner Zeit hatte Schmitt ihn als Mentor nachhaltig beeinflusst. In den ersten Jahren von Gurians journalistischer Karriere zeigte sich eine deutliche Prägung durch das Denken des Staatsrechtlers, das Liberalismus und Individualismus in aggressiver Manier als schwach und seelenlos verurteilte. Im Lauf der 1920er Jahre schlug diese Bewunderung jedoch in Feindschaft um, da Schmitt sich nun für autoritäre und sogar faschistische Modelle aussprach.21 Er hoffte, ein derartiges Regime werde die Autonomie von Gemeinschaften, Parteien und Kirchen brechen und sie einem starken, zentralisierten Staat unterstellen. 1931 prägte Schmitt den Terminus, in dem sich seine gesamte Vision zusammenfasste: Die Deutschen sollten die parlamentarische Demokratie durch einen »totalen Staat« ersetzen. In der Moderne, führte er aus, müssten Länder zwischen zwei Optionen wählen: Sie konnten zusehen, wie der Kampf zwischen Parteien und Gruppen die politischen Entscheidungsprozesse paralysiert und so der Staat von innen zerrissen wird, oder alle Macht einem starken Führer übertragen, der das Parlament auflösen, die Opposition beseitigen und die Entscheidungsgewalt über wirtschaftliche und politische Maßnahmen ausüben würde. Ein solcher autoritärer Staat sollte nach Schmitts antiliberaler Theorie uneingeschränkte Macht besitzen und insofern ein »totaler« sein. Nur ein derartiges Regime schien ihm imstande, 135

die innere Spaltung der Gesellschaft zu überwinden und Deutschland vor einem Versinken in Desintegration und Chaos zu bewahren.22 Schmitts Theorie verdeutlichte in Gurians Augen, welche Gefahr die katholische Wende zum Autoritarismus barg. In ihrem Unmut über die Demokratie stellten sich Katholiken wie Schmitt in einer alarmierenden, unbedachten Weise hinter säkulare und weltliche Institutionen wie den Staat und vergaßen aus Gurians Sicht dabei den Vorrang organischer geistiger Gemeinschaften. Gurian übernahm den Begriff »totaler Staat«, verstand darunter aber nicht ein erstrebenswertes politisches Modell, sondern einen Ausdruck von Kirchenfeindschaft und ein Bekenntnis zu irdisch-profanen Ideen. Indem er Schmitts Terminus umdrehte und zur Beschreibung der Gegner des Katholizismus verwendete, hoffte Gurian, Katholiken wachzurütteln, die dessen Theorie möglicherweise attraktiv fanden. Gleich auf den ersten Seiten seines Buches über den Bolschewismus, das nur wenige Monate nach Schmitts erstmaliger Verwendung des Begriffs erschien, erklärte er sarkastisch, seine deutlichste Ausprägung habe der totale Staat nicht in dem von Schmitt gelobten autoritären Regime in Italien gefunden, sondern in dessen erklärtem Feind  – in der von Katholiken verabscheuten Sowjetunion. »Der faschistische Staat«, erklärte er zum Spott auf seinen früheren Mentor, »ist lange nicht so total wie der bolschewistische«.23 Im Jahr 1932 verwendete Gurian den Begriff des totalen Staates zur Untermauerung seiner These grundlegender Ähnlichkeiten von Nationalismus und Kommunismus. In dem unter Pseudonym veröffentlichten Buch Um des Reiches Zukunft argumentierte er, die nationalsozialistische Bewegung – der extreme Ausdruck des Nationalismus  – stelle die äußerste Revolution des Säkularismus dar. Wie alle geistigen Abkömmlinge des Liberalismus verherrlichten die Nazis irdische Konzepte – Blut und Rasse – als Quelle aller menschlichen Werte. Der Nationalsozialismus war für Gurian eine säkulare und nihilistische Religion, die sich auf der Suche nach weltlicher Erlösung der katholischen Terminologie bediente. Die Sehnsucht der Nazis nach einem neuen »Reich« deutete er beispielsweise als Anlehnung an die kirchliche Ordnung des Mittelalters, das Sacrum Imperium Romanum oder Heilige Römische Reich. Mehr noch: Um die Schöpfung einer säkularen Religion bemüht, eiferten die Nazis ihrem erklärten Feind – dem Bolschewismus – nach. Beide Bewegungen teilten den fanatischen Glauben an eine säkulare Errettung durch die restlose Politisierung der Gesellschaft, den Glauben also, der »totale Staat« könne seine Anhänger auf Erden erlösen. Wie Gurian an seinen Freund Karl Thieme schrieb: »Nationalsozialismus … Das ist heute das, was früher der Marxismus war.« Folgten Katholiken autoritären Konzepten wie Schmitts totalem Staat, dann öffneten sie einer säkularen Revolution nach 136

Art der Kommunisten Tür und Tor und arbeiteten so auf den Untergang des Katholizismus hin.24 Mit dieser Attacke offenbarte Gurian die blinden Flecken und paradoxen Konsequenzen der personalistischen Weltanschauung. Indem er die katholische Opposition gegen den Nationalsozialismus durch dessen Gleichsetzung mit dem Bolschewismus zu stärken versuchte, übersah er allerdings häufig die grundlegendsten und gefährlichsten Elemente der nationalsozialistischen Ideologie: Zum aggressiven Antisemitismus, ausgeprägten Militarismus und zu den imperialistischen Bestrebungen der Nazis wusste er praktisch nichts zu sagen, obwohl gerade sie zentrale Bedeutung für Hitlers politische Vision besaßen. Anstatt eine umfassende, moralisch fundierte Kritik vorzulegen, war Gurian nur dazu imstande, die katholische Angst vor dem Kommunismus auf die neue politische Zielscheibe, den Nationalsozialismus, zu lenken. Wie anderen Katholiken schien ihm die bittere Ironie zu entgehen, dass zwischen dem obsessiven Antikommunismus der Personalisten und dem Aufstieg des Nationalsozialismus ein Zusammenhang bestand. Obwohl Hitlers Anziehungskraft in hohem Maß dem Versprechen entsprang, den Kommunismus zu unterdrücken und später die Sowjetunion zu zerschlagen, stellte sich Gurian nie die Frage, ob die Personalisten durch die Förderung des antikommunistischen Furors nicht selbst zur Popularität der Nazis beigetragen hatten. Der Personalismus hatte zwar keine rassistische Komponente, ihn von der radikalen Rechten abzutrennen, erforderte jedoch erhebliche intellektuelle Akrobatik. Trotz dieser Überschneidungen mit dem rechten Lager formulierte Gurian eine der kühnsten Thesen im deutsch-katholischen Denken: Er erklärte die Demokratie zum einzigen politischen System, das die katholische Selbstverwaltung schützen könne. 1931 plädierte er in seinem Buch über den Bolschewismus dafür, dass Katholiken ihre natürliche Abneigung gegen den Liberalismus überwinden und zur Abwehr der kommunistischen Gefahr ein Bündnis mit seinen Vertretern in Betracht ziehen sollten.25 Ein Jahr später ging er in Um des Reiches Zukunft noch weiter und forderte seine Glaubensgemeinschaft auf, aktiv für die Weimarer Republik einzutreten: Katholiken sollten anderen republikanischen Kräften die Hände reichen und das parlamentarische System reformieren, das sich nach jahrelangem Parteienzwist als dysfunktional und zerrüttet erwiesen habe. An seiner Stelle galt es, eine neue Ordnung zu errichten, die Gurian »autoritäre Demokratie« nannte. Mit der Bezeichnung »autoritär« zielte er nicht auf eine Diktatur oder einen korporatistischen Staat, sondern auf ein demokratisches System, das die chronischen Schwächen der Weimarer Republik überwinden sollte. Im Gegensatz zu der von Schmitt angestrebten Diktatur sollte sich diese »autoritäre Demokratie« 137

nicht durch Einschränkung der Macht parlamentarischer Interessengruppen, sondern vielmehr durch Erweiterung der parlamentarischen Demokratie auszeichnen, die neben den bestehenden politischen Parteien auch Gruppen und Gemeinschaften an ihren Prozessen beteiligen sollte. Gurian schwebte eine Ordnung vor, die Kirchen, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen eine Interessenvertretung unabhängig von den Parteien ermöglichen sollte, indem sie ihnen dieselbe Anerkennung innerhalb der staatlichen Strukturen gewährte. Nur ein solches System konnte seiner Ansicht nach die Selbstverwaltung des Katholizismus und die Verwirklichung der Person sicherstellen.26 So wie das personalistische politische Denken allgemein schwer greifbar war, äußerte sich auch Gurian nur vage über die konkreten Mechanismen einer derartigen Ordnung – über einen klaren Entwurf für ihre Institutionen und Verfahrensweisen verfügte er nicht. Außer Frage stand allerdings, dass die »autoritäre Demokratie« auf ihrem parlamentarischen Vorläufer aufbauen müsse: Sie sollte effektivere Regierungsstrukturen entwickeln, aber weiterhin auf den parlamentarischen und repräsentativen Prinzipien des Weimarer Staates beruhen. In deutlichem Kontrast zur wachsenden Republikfeindlichkeit von Katholiken erklärte Gurian, eine Ordnung, die traditionelle Gemeinschaften und die katholische Selbstverwaltung schütze, könne nicht das Parlament und die Parteien abschaffen, die »zu den notwendigen Kräften der politischen Einheitsbildung« gehörten: »Ohne Parlament und Parteien kann es kein politisches Regime in Deutschland geben, das mit dem Volkswillen verbunden ist.« Die deutschen Katholiken, warnte Gurian, stünden vor einer dramatischen Wahl: Sie könnten »sich nur für den totalen Staat oder für die autoritäre Demokratie entscheiden, die das Werk von Weimar ausbaut«. Was der »totale Staat« bedeuten würde, war klar: den Bruch mit der Tradition, die Zerstörung geistiger Unabhängigkeit und die Versklavung von Gemeinschaften durch eine säkulare Macht. Jeder, der diesen Alptraum ablehne, müsse »die autoritäre Demokratie bejahen«.27 Am Ende der Weimarer Ära nahm Gurian in der von Ängsten geplagten deutsch-katholischen Kultur eine widersprüchliche Stellung ein. Einerseits fanden sein emphatisches Bekenntnis zu organischen katholischen Gemeinschaften sowie seine Attacken auf Liberalismus, Nationalismus und Bolschewismus als Ausflüsse einer seelenlosen Moderne breiten Anklang in den katholischen Regionen und auch über sie hinaus. Gurians Schriften förderten eine energische antisowjetische Geisteshaltung, die geradezu kennzeichnend wurde für die damalige katholische Kultur und das Unvermögen, den Charakter des Nationalsozialismus vollständig zu begreifen. Andererseits markierten sie einen drastischen Bruch mit den Auffassungen der meisten 138

deutschen Katholiken. Während diese wie im übrigen Europa in wachsender Zahl zur autoritären Rechten übergingen, stellte sich Gurian ausdrücklich hinter das demokratische System als Schutzmacht der Person. In der Weimarer Zeit beförderte ihn dieses Eintreten für die Republik an die Ränder der katholischen Geisteswelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg boten seine Ideen jedoch – mit amerikanischer Förderung – sowohl der demokratischen Neuorientierung der deutschen Politik und Kultur als auch der entstehenden transatlantischen Allianz eine theoretische Grundlage.

Der Weg zur »Totalitarismustheorie«: Die personalistische Exil-Kampagne gegen den Nationalsozialismus Die nationalsozialistische Machtübernahme löste 1933 eine heftige Kontroverse unter Katholiken in Deutschland und Europa aus. Während einigen führenden Vertretern der Glaubensgemeinschaft der Rassismus und die eugenischen Bestrebungen des neuen Regimes nicht behagten, zeigten sich andere beeindruckt von seiner Dynamik, der raschen Zerschlagung der Linken und dem erklärten Ziel einer Wiederbelebung konservativer Werte. Das brutale Tempo, mit dem die Nationalsozialisten die KPD aus dem Weg räumten – ihre Infrastruktur wurde zerstört, die Führungsmitglieder ermordet oder inhaftiert –, verstärkte diesen positiven Eindruck. Der Heilige Stuhl unternahm wenig, um die Einstellung des Katholizismus zum Naziregime zu klären, sondern hielt sich seine diplomatischen Optionen offen, indem er es weder verurteilte noch unterstützte. Im Juli 1933 unterzeichneten Deutschland und der Vatikan ein in der Öffentlichkeit viel beachtetes Konkordat, das die Selbstverwaltung der Kirche im »Dritten Reich« garantieren sollte, womit die Unklarheiten jedoch kaum beseitigt waren. In den 1920er Jahren hatte der Vatikan ähnliche Übereinkünfte mit vielen demokratischen wie auch autoritären Regimen erzielt und dabei stets erklärt, dass er damit die jeweilige Weltanschauung keinesfalls sanktioniere. Diese mehrdeutige Haltung hatte erbitterte Konflikte unter katholischen Politikern, Intellektuellen und Geistlichen über die angemessene Reaktion auf den Nationalsozialismus zur Folge. Keine Auseinandersetzung in der europäisch-katholischen Politik und Geisteswelt der 1930er Jahre wurde mit größerer Schärfe geführt.28 Gurian trat in diesen hitzigen Kontroversen als einer der profiliertesten antinazistischen Denker des europäischen Katholizismus hervor. Zunächst in Deutschland und später im Schweizer Exil engagierte er sich in Emigran139

tennetzwerken, er förderte Publikationen und Theorien, die sich gegen das Regime in Deutschland richteten. Kurzfristig war diesen Anstrengungen wenig Erfolg beschieden; Gurian und seinen Mitstreitern gelang es nicht, die deutschen und europäischen Katholiken oder den Vatikan zu einer Kriegserklärung an das »Dritte Reich« zu bewegen. Allerdings griffen sie bei ihren Bemühungen auf Gurians frühere Ideen zurück und schufen damit die geistige Grundlage für dramatische Veränderungen in der katholischen Welt. Sie stellten die Sprache und die Theorien bereit – namentlich die Totalitarismustheorie –, die die Kirche und die katholischen Gemeinden nach dem Zweiten Weltkrieg dazu brachten, die demokratische Politik als Vehikel für ihre konservativen Werte zu akzeptieren und sich dem globalen Kreuzzug der westlichen Allianz, des »Abendlandes«, gegen die Sowjetunion anzuschließen. Wie zuvor mit der Verteidigung der Weimarer Republik entfernte sich Gurian mit seiner Kampagne gegen Nazideutschland weit vom katholischen Konsens. Während viele katholische Bischöfe, Theologen und Denker kaum Sympathien für das Regime hegten, sahen andere in ihm den Beginn einer Erneuerung des Christentums und versuchten, seine Rassetheorie mit katholischen Glaubensinhalten zu versöhnen. Diese Parteigänger des »Dritten Reichs« bemühten sich in katholischen Seminaren, Verlagen und Gemeinden um den Nachweis einer tiefen Geistesverwandtschaft von Katholizismus und Nationalsozialismus. So behauptete etwa der Würzburger Historiker und Kaplan Joseph Lortz, durch die Zurückdrängung von Säkularisierung, Liberalismus und Marxismus schaffe das Naziregime die Grundlagen für eine spirituelle Erneuerung. Der renommierte Tübinger Theologe Karl Adam schrieb, Gottes Gnade hänge von rassischer Reinheit ab und nur das deutsche Volk unter seinem Führer Hitler stelle den mystischen Leib Christi dar. Selbst Karl Eschweiler, ein Student Schelers und enger Freund von Gurian, begrüßte zur Bestürzung seiner Kollegen das neue Regime als den einzigen Hüter der Person.29 Die Nazis ihrerseits betrachteten den Katholizismus als Relikt der »jüdischen Moral« und als Hindernis für die von ihnen angestrebte »wissenschaftliche« Ordnung, versuchten aber, sich bei ihren Kampagnen gegen Homosexuelle, Straftäter, Juden und andere »Volksfeinde und Rassefremde« seine Unterstützung zunutze zu machen. Langfristig erwies sich der Graben zwischen Nationalsozialismus und Katholizismus als zu tief und in den späten 1930er Jahren hatten die meisten Katholiken ihr Bemühen um eine Versöhnung beider wieder aufgegeben; in den ersten Jahren des Regimes allerdings, schienen dessen katholische Anhänger mit Erfolg an der Umwälzung des deutsch-katholischen Denkens zu arbeiten.30 Mit Entsetzen sah Gurian darin eine Beschmutzung der kirchlichen Lehren und versuchte umgehend, die kulturelle Widerstandskraft des Katholizismus 140

gegen den Nationalsozialismus zu stärken. In den Monaten nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler im Januar 1933 veröffentlichte er unter diversen Pseudonymen eine Reihe von Aufsätzen und gab mehrere katholische Zeitungen heraus, in denen er warnte, das neue Regime werde die Kirche zerschlagen und die katholische Selbstverwaltung abschaffen. Binnen eines Jahres festigten die Nazis jedoch ihre Kontrolle über die Medien. Gurians Texte wurden von den Behörden streng zensiert, nationalsozialistische Autoren führten ihn als Beleg dafür an, dass »der deutsche Katholizismus sich […] stark verjuden ließ«. Da Gurian mit seinen jüdischen Vorfahren als »Nicht-Arier« galt, beschieden Kirchenvertreter seine Bitten um Hilfe abschlägig und rieten ihm eindringlich zur Auswanderung. Nach einem Rom-Besuch im Frühjahr 1934 entschied er sich, nicht zurückzukehren und in die Schweiz zu gehen, wo er sein Engagement gegen den Nationalsozialismus mit mehr Erfolg fortzusetzen hoffte (Abb. 4).31 In der Schweiz setzte sich Gurian für die Organisierung einer katholischen Opposition gegen die Nazis ein und drängte den Klerus, sein Schweigen über die Brutalität des Regimes zu brechen.32 Besonders empörten ihn die Ereignisse des 30. Juni 1934  – die sogenannte »Nacht der langen Messer«  –, als SS -Mitglieder nicht nur mehr als hundert SA-Führer, sondern auch Politiker und Publizisten, die Hitlers Autorität nicht rückhaltlos anerkannt hatten, ermordeten. In einer Ambrosius und die deutschen Bischöfe betitelten Broschüre beschwor Gurian die Figur des heiligen Ambrosius herauf, jenes Bischofs von Mailand, der im Jahr 390 Kaiser Theodosius unter Androhung der Exkommunikation zur öffentlichen Reue über ein von seinen Truppen begangenes Massaker gezwungen hatte. Gurian erinnerte seine Leserschaft daran, dass Ambrosius ungeachtet der Macht des Römischen Reichs an seiner Entscheidung festhielt, während der Kaiser mehrere Monate Buße leisten musste. Durch diesen Vergleich wollte er das beschämende Verhalten der deutschen Bischöfe hervorheben, zumal unter den Ermordeten auch Katholiken waren: »Das Schweigen der Bischöfe ist vielleicht noch furchtbarer als alles andere, was am 30. Juni geschehen ist.« Ihre Untätigkeit kompromittiere die mora­ lische Autorität der Kirche und drohe, die katholische Gemeinschaft von innen zu zersetzen.33 Diese Broschüre, die katholische Aktivisten nach Deutschland schmuggelten und in ihren Gemeinden kursieren ließen, war der Ausgangspunkt für ein größeres Projekt: die Gründung des Wochenperiodikums Deutsche Briefe, das sich schnell als eines der wenigen antinazistischen Organe europäischer Katholiken etablierte. Verfasser und Herausgeber dieser erstmals im September 1934 erschienenen Briefe waren Gurian und Michael Knab, ebenfalls ein deutsch-katholischer Publizist im Schweizer Exil. Sie berichteten über die nationalsozialistischen Schikanen gegen katholische Einrichtungen und 141

Abb. 4: Waldemar Gurian nach der Emigration aus Deutschland (Datum unbekannt). Gurians Schriften hatten maßgeblichen Einfluss auf Haltung und Denken der Katholiken zu Kommunismus und Demokratie. © Notre Dame Archives.

Würdenträger sowie über die wenigen Fälle, in denen führende Katholiken das »Dritte Reich« verurteilt hatten. Gurian nutzte das Periodikum auch dazu, seine personalistische Argumentation gegen die Weimarer radikale Rechte erneut zur Geltung zu bringen.34 Mehrfach warnte er vor dem »totalen« Charakter des Regimes: Während der Nazistaat vorgebe, christliche Werte wiederzubeleben, versuche er in Wirklichkeit, alle eigenständigen Gruppen, Gemeinschaften und Institutionen zu zerstören und »alle möglichen Gegenkräfte moralisch zu lähmen«, indem er sie zu einem Pakt mit ihm bewege. Durch eine Analyse nationalsozialistischer Bücher und Reden, insbesondere 142

des einflussreichen Ideologen Alfred Rosenberg, sollte gezeigt werden, dass der fanatische Rassismus des Regimes jeden Gedanken von Moral und göttlicher Gnade eliminiert hatte. Im Kern war der Nationalsozialismus eine »Selbstvergöttlichung, die eine Erlösung der Menschheit durch Jesus Christus nicht begreift, nicht als nötig ansieht«. Die Bekämpfung des Naziregimes war folglich die Pflicht aller Katholiken. Die Deutschen Briefe und eine Handvoll weiterer katholischer Organe  – so etwa Der christliche Ständestaat, in Wien von Dietrich von Hildebrand herausgegeben, und Der deutsche Weg, publiziert von Friedrich Muckermann in den Niederlanden – wurden nach Deutschland geschmuggelt und organisierten und festigten die katholische Opposition gegen den Nationalsozialismus.35 Um das Jahr 1935 zeichnete sich jedoch ab, dass Gurians Kampagne auf taube Ohren stieß. Weder die Würdenträger noch die einfachen Gemeindemitglieder in Deutschland würden sich gegen das Regime stellen. Gurians enger Freund Karl Thieme klagte, dass von den deutschen Bischöfen nichts zu erwarten sei.36 Dieser Misserfolg veranlasste Gurian und seine exilierten Mitstreiter zur Neuausrichtung ihrer Bemühungen auf den Vatikan und die europäische Bevölkerung. Das Wort des Heiligen Stuhls, so glaubten sie, könne die Katholiken in Europa zu einem breiten Bündnis mit anderen politischen Kräften bewegen, das den Nationalsozialismus besiegen und den Vormarsch der radikalen Rechten zurückdrängen sollte. Indem er sich an dieses neue Publikum wendete, hoffte Gurian, eine innerdeutsche Debatte in eine global angelegte Kampagne zu verwandeln. Politisch erwies sich auch dies als Fehlschlag; doch im Bemühen, Leserinnen und Leser außerhalb Deutschlands mit Gedanken aus der Weimarer Ära vertraut zu machen, legte Gurian die erste umfassende Totalitarismustheorie überhaupt vor. Die Eröffnungssalve von Gurians auf den Vatikan zielenden Kampagne, sein 1935 publiziertes Buch Bolschewismus als Weltgefahr, stellte eines der bedeutendsten Ereignisse in der katholischen Geisteswelt der Zwischenkriegszeit dar. Wie der Historiker James Chappel bemerkt hat, erzeugte das Buch »Schockwellen in der katholischen intellektuellen Kultur« und zog Leserinnen und Leser in Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen und den Vereinigten Staaten in seinen Bann. Innerhalb weniger Jahre wurde es in acht Sprachen übersetzt und weltweit in mehreren Dutzend Zeitschriften besprochen. Es sorgte für eine solche Begeisterung, dass Jacques Maritain, der damals renommierteste katholische Denker in Frankreich, sich für eine französische Aufsatzfassung einsetzte, um noch weitere mehrere Hunderttausend Leser zu erreichen. Freunde im Vatikan berichteten Gurian, der Klerus sei hochzufrieden mit seiner »ausgezeichneten Arbeit«, und ermutigten ihn zur Fortsetzung seiner Anstrengungen.37 143

Für ein breiteres Publikum verpackte Gurian seine Gedanken aus der Weimarer Ära neu und erweiterte sie: Der Bolschewismus, so erklärte er nun, habe sich radikal in eine neue Weltanschauung verwandelt – in einen rassistischen und konservativen Nationalismus. Nicht mehr dem sozialen und wirtschaftlichen Ziel des Kommunismus, der universellen Gleichheit, sei er verpflichtet, sondern der Durchsetzung eines »totalen Staates« wie 1931 von Carl Schmitt entworfen, um das menschliche Leben restlos zu politisieren und jede konkurrierende Quelle von Autorität neben dem Staat auszuschalten. In diesem Streben nach einem »totalen Staat« hätten die Bolschewisten in Deutschland ihre kommunistischen Überzeugungen aufgegeben und die Sprache des Nationalismus übernommen: Ungeachtet aller antisowjetischen Rhetorik ähnelten sich laut Gurian letzten Endes das »Dritte Reich« und das bolschewistische Regime. Wie zuvor die Sowjets hätten auch die Nazis die Auslöschung traditioneller Gemeinschaften zum Ziel gehabt, um die Menschen als ohnmächtige Individuen, die »keinen Gesamtwillen entwickeln« könnten, voneinander zu isolieren und sie so zu beherrschen: »Der nationalsozialistische Staat ist genau so eine in alle Gebiete eingreifende und sie wandelnde Erziehungsdiktatur wie sein kommunistischer Gegenspieler.« Laut Gurian ließen sich beide Regime nicht durch ihre offiziellen Ideologien, sondern durch die ihnen gemeinsame Vision eines »totalen Staates« am adäquatesten verstehen. Beide bezeichnete er deshalb als »totalitär«: Wie Zwillinge verkörperten sie ein und dieselbe säkular-destruktive Revolution.38 Während es der kommunistischen Rhetorik nicht gelungen war, die Europäer außerhalb der Sowjetunion emotional anzusprechen, führte das Naziregime in Gurians Augen nun vor, wie man durch eine extreme Überhöhung des Nationalismus Millionen von Menschen täuschen und für das bolschewistische Projekt der totalen Politisierung gewinnen konnte. Indem sie in ihrer Propaganda Gemeinschaft, Familie, die organische Nation und die Verteidigung überlieferter Geschlechterrollen hochleben ließen, eigneten sich die Nazis traditionelle Werte für ihre eigenen nihilistischen Ziele an. Das Wesen des totalitären Phänomens sah Gurian in zwanghaftem Lügen und Täuschen. In totalitären Regimen »wandeln sich alle Begriffe und verlieren ihren bisherigen Sinn – sie werden weiter propagandistisch gebraucht, aber nur propagandistisch, aus Rücksicht auf die Gefühle, die mit ihrem Klang offenbar infolge traditioneller Gewöhnung verknüpft sind«. Im Totalitarismus werde »Recht […] zur Erhaltung einer bestimmten Parteiherrschaft«: »Freiheit ist die […] Beherrschung der Öffentlichkeit durch die bolschewistische Partei […]. Menschlichkeit ist die unmenschliche Vernichtung (Liquidierung) aller sog. Staats- und Klassenfeinde […]. Freiwilligkeit ist das Gleiche wie Handeln unter 144

Zwang […]. Wahrheit ist stets das, was vom Staate vorgeschrieben wird. Lüge ist alles, was gegen den Staat oder die ihn beherrschende Partei gerichtet ist.«

In seinem Bestreben, alle Tradition und Autorität neben dem Staat zu vernichten, könne sich der Totalitarismus mit jeder beliebigen Rhetorik maskieren, sofern sie genügend Anziehungskraft besitze. Selbst die entschiedensten Antikommunisten hätten daher mitunter sein teuflisches Wesen verkannt und sich unwissentlich seinem Feldzug zur Auslöschung der Person angeschlossen.39 In dieser eschatologisch-apokalyptischen Weltsicht stellte sich der Totalitarismus nicht einfach als eine politische Ordnung dar, sondern als nihilistische Bewegung, die beständig an Stärke gewann. Nach der Eroberung Deutschlands seien die westlich-liberalen Länder, allen voran Großbritannien und Frankreich, die nächsten Ziele auf seiner Liste. Gurian fürchtete, nach Jahrzehnten von Säkularisierung, Wohlstand und Individualismus seien die europäischen Mittelschichten geistig kraftlos geworden, atomisiert und bar jeder festen Überzeugung. Die westlich-europäische Welt, klagte er, sei dem Nationalsozialismus »unterlegen«, da sie »nicht einmal seine primitive Gläubigkeit« besitze. Auch wenn sie machtvolle Staaten und gewaltige Imperien aufgebaut habe, verkenne die westliche Welt das Wesen des Totalitarismus und verfüge über keine geistigen Widerstandskräfte gegen ihn. Wie bereits die Deutschen hätten ihre Vertreter zwar den Kommunismus erfolgreich in die Schranken gewiesen, vermochten es aber nicht, eine Alternative zur jüngeren nazistischen Inkarnation des Totalitarismus vorzuweisen.40 Mit seiner Totalitarismustheorie verfolgte Gurian somit zwei Ziele: Erstens hoffte er, über sein katholisches Publikum hinaus die europäische Mittelschicht für eine moralische Erneuerung zu gewinnen. Der Triumph des Nationalsozialismus offenbarte ihm zufolge eine »moralische Krise«. Deshalb appellierte er an die Bürger und Bürgerinnen Europas, anzuerkennen, dass ihr Überleben von katholischen Glaubensinhalten abhänge, mit denen die von den Nazis vorgetäuschte Verteidigung von »Tradition« zurückgewiesen werden könne. Nur wenn sie die Lehren der Kirche annahmen und sich mit ihrer Mission wappneten, könnten Liberale demnach den vollständigen Zerfall ihrer Länder und deren Verwandlung in totalitäre Regime abwenden: »Es kommt darauf an, ob sich moralische Kräfte finden, die stark genug sind, dem Bolschewisierungsprozess, dessen Exponenten in der heutigen Welt Sowjetunion und Drittes Reich sind, nicht nur politisch entgegenzutreten.«41 Dabei ging Gurian ganz selbstverständlich von einer Überlegenheit des Katholizismus und seiner Kultur aus. Dieses Unvermögen, sich eine legitime säkulare Politik vorzustellen, erschwerte dem katholischen Denken den Brückenschlag 145

zum Liberalismus. Für Gurian blieb der liberale Staat ein Werkzeug zur Bekämpfung der Feinde des Christentums. Zweitens wollte Gurian seine katholische Leserschaft in Europa schockieren, um sie zur Änderung ihrer politischen Prioritäten zu bewegen. Im Unterschied zu anderen Personalisten behauptete er nicht mehr, dass alle modernen säkularen Bewegungen gleich gefährlich für die katholische Kirche seien. In einem langen Abschnitt seines Buches führte er vielmehr aus, warum andere nationalistische Bewegungen wie der italienische Faschismus oder die Action française nicht als totalitär klassifiziert werden sollten. Für ihre Ideologie galt: »Die Totalität des Staates wird beschränkt durch überlieferte Institutionen (Monarchie, Kirche).« Die Apotheose des Totalitarismus, seine radikalste Manifestation und daher der größte Feind der Katholiken sei der Nationalsozialismus. Ihn stellte Gurian zugleich als wirkmächtigste Gestalt des Bolschewismus dar, um seine Anziehungskraft auf Katholiken zu untergraben und deren Antikommunismus in eine Kampagne gegen das »Dritte Reich« umzulenken.42 Gemessen an Gurians Intentionen war sein Buch Bolschewismus als Weltgefahr bemerkenswert erfolgreich und im Ergebnis doch enttäuschend. Einerseits wirkte die Verknüpfung von Kommunismus und Nationalsozialismus unter der Rubrik »totalitär« immens auf europäische Katholiken. Katholische Denker aller politischen Überzeugungen – von Unterstützern des autoritären Regimes in Österreich bis zu Befürwortern liberaler Strukturen – erkannten in der neuen Theorie einen wichtigen Rahmen für ihren Kampf um die Seele Europas. Autoren wie Dietrich von Hildebrand und Jacques Maritain schöpften bei ihren Appellen zur katholischen Erneuerung ausgiebig aus ihr und bereits wenige Monate nach der Veröffentlichung des Buches hatte der Totalitarismusbegriff Eingang in katholische Zeitschriften und Bücher gefunden und wurde zahllose Male aufgegriffen.43 Auch der Vatikan zeigte sich dafür aufgeschlossen, als er im März 1937 sowohl den Kommunismus als auch das NS -Regime verurteilte. Wenngleich Pius XI. einen umfassenden Konflikt mit Deutschland vermeiden wollte und die Rücknahme des 1933 unterzeichneten Konkordats ablehnte, gab er fast gleichzeitig die antinazistische Enzyklika Mit brennender Sorge und die antikommunistische Divin redemptoris heraus, in denen er beiden Regimen Feindschaft gegenüber dem Katholizismus, organischen Gemeinschaften und der Autonomie der Familie vorwarf. Die Sprache des Antitotalitarismus breitete sich in katholischen Kreisen aus und gewann grundlegende Bedeutung für deren politisches Denken.44 Andererseits musste Gurian enttäuscht zur Kenntnis nehmen, dass europäische Katholiken zwar immer häufiger seine Auffassungen übernahmen und das »Dritte Reich« ablehnten, allerdings diesem Gesinnungswandel 146

keine Taten und Fakten folgen ließen. Die meisten Katholiken schlossen sich weder antinazistischen Netzwerken an, noch befürworteten sie Sanktionen gegen Deutschland. Selbst die beiden Enzykliken des Papstes ließen Raum für unterschiedliche Interpretationen. Während er die grundlegende Bedeutung des Antikommunismus für die kirchliche Lehre bekräftigte, klagte der Papst in seiner Erklärung zu Deutschland vor allem über Hitlers Einmischungen in die katholische Bildung und enthielt sich einer umfassenden Verurteilung der ideologischen Fundamente des Nazismus. Einzelne Praktiken wie die Eugenik wurden abgelehnt, doch vielen Katholiken reichte es, wenn Hitlers Regime die Selbstverwaltung der katholischen Kirche respektierte.45 In den 1930er Jahren war Gurians personalistische Totalitarismustheorie somit verbreitet, hatte aber keine mobilisierende Kraft. Erst später, mit Rückendeckung durch die amerikanische Macht, löste sie weitreichendes politisches Handeln aus. Die langfristig größte Wirkung hatte Gurians Theorie darin, dass sie dem Katholizismus einen Zugang zur modernen Politik eröffnete. Sein wichtigster, von der Geschichtswissenschaft allerdings häufig übersehener Beitrag bestand in der Hervorhebung der Fähigkeit des Totalitarismus, sich zu verwandeln, gegensätzliche ideologische Sprachen anzunehmen und jede politische Struktur zu infiltrieren: Keiner der existierenden institutionellen Mechanismen konnte seinen Vormarsch aufhalten. Seine Verfechter machten hemmungslos von Trug und Schwindel Gebrauch, um ihren »totalen Staat« zu errichten, und stellten daher für alle modernen Gesellschaften eine Gefahr dar. Das vielleicht Entscheidende dabei war, dass er die vom totalitären Feind ausgehende Bedrohung der Zivilisation kaum an dessen militärischer und wirtschaftlicher Macht festmachte: Auch ohne sie könne der Totalitarismus seine Gegner durch Täuschungsmanöver gefügig machen und sodann ihre Staaten von innen zerstören. Diese These begründete maßgeblich Gurians Einfluss auf die politische Theorie und sprach Leser auf der ganzen Welt an. Entstanden in den Debatten Weimarer Katholiken, wurde sie später ein wesentliches Element des europäisch-katholischen Denkens. Gurians Exiljahre waren die düsterste Zeit für den deutschen Persona­ lismus. Aus Deutschland vertrieben, beobachteten Konservative wie er bestürzt, wie sich ihre Gemeinde angesichts der Untätigkeit des Vatikans und der internationalen Gemeinschaft dem Nationalsozialismus unterwarf. 1937 begann er, jenseits der katholischen Regionen Europas nach Unterstützung zu suchen und übersetzte in der Hoffnung auf Verbündete in Großbritannien und Amerika seine Werke ins Englische. Wenngleich die Mobilisierung der Katholiken misslang, festigten sich seine Theorien aus der Weimarer Ära in diesen Jahren und entfalteten eine Wirkung, die über Deutschland hinaus147

ging. Die dabei entstehenden Begriffe und Konzepte prägten den Blick vieler Katholiken auf den heraufziehenden Weltkrieg und später auf die Konfrontation mit der Sowjetunion. So gelangten Gurians Ideen nach 1945 aus der Isolation und gewannen Einfluss auf die Nachkriegsordnung.46

Personalismus und amerikanische Stiftungen: Transatlantische Demokratie und Antikommunismus Als Gurians Zeit in der Schweiz zu Ende ging, lag das Projekt des europä­ ischen Personalismus in Trümmern. In Wien, dem Knotenpunkt seiner Netzwerke, zog im Frühjahr 1938 die Wehrmacht ein; sämtliche Aktivitäten der Strömung  – und antinazistischer Katholiken überhaupt  – wurden brutal unterdrückt. Die Nazis lösten ihre Zeitschriften auf, zerstörten ihre Verlage und zwangen ihre führenden Vertreter zur Flucht nach Frankreich, Großbritannien und in die Vereinigten Staaten.47 Nur ein Jahrzehnt später jedoch standen Personalisten an der Spitze einer katholischen Renaissance, die unter dem Banner der »Christdemokratie« die europäische Geisteswelt und Politik einschneidend veränderte. Die Koalitionen und kulturellen Netzwerke, die sie gemeinsam mit katholischen Aktivisten, Politikern und Parteien schufen, gestalteten Europa zu einem föderalen, integrativen und supranationalen Gebilde um. In Deutschland gewann das konservative katholische Bekenntnis zu kleinen Gemeinschaften und zur christlichen Lehre als Quelle geistiger Erneuerung einen prägenden Einfluss auf die postnazistische Kultur. Mit ihren traditionell antisäkularen und antikommunistischen Überzeugungen avancierten katholische Politiker und Denker zu bestimmenden Figuren des deutschen Wiederaufbaus. Eine entscheidende Triebkraft dieses Umschwungs war die Zusammenarbeit katholischer Emigranten mit amerikanischen Stiftungen, besonders mit der Rockefeller Foundation. Wie wichtig deren enormes Kapital und etablierter Apparat für die Wiederbelebung des deutschen Katholizismus in den unmittelbaren Nachkriegsjahren waren, haben Historikerinnen und Historiker weitgehend übersehen. Um die Wiederaufbauarbeit der US -Regierung in Deutschland flankierend zu begleiten, nahm die Rockefeller Foundation Intellektuelle wie Gurian in Dienst, die ihrerseits die Ressourcen der Stiftung dafür nutzten, ältere Ideen und Netzwerke mit neuem Leben zu füllen. Gurian bot diese Zusammenarbeit im Deutschland der Nachkriegszeit die Gelegenheit, seine Auffassungen nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten in einem viel größeren Maßstab als bisher zu verbreiten. Dank der 148

aktiven Unterstützung durch die Stiftung fand seine Totalitarismustheorie weit über katholische Kreise hinaus Gehör und wurde unter amerikanischen Intellektuellen und Diplomaten eine der bekanntesten und meistgeschätzten Interpretationen zum Verständnis von Sowjetunion und Nazideutschland. Wie Friedrich und Fraenkel nahmen Gurian und ähnlich gesinnte katholische Emigranten an der Besatzung Deutschlands wie auch an der Mobilisierung für den Kalten Krieg teil und förderten so erheblich die internationale Machtexpansion der Vereinigten Staaten. Dabei führten sie ihre eigenen reaktionären Zielsetzungen und Widersprüche in die geistige Nachkriegslandschaft ein, wie es sich nur wenige Jahre zuvor niemand hätte vorstellen können. Als Gurian 1937 von der Schweiz in die USA ging, ahnte er nicht, dass dorthin gerade ein Massenexodus katholischer Denker einsetzte. Vielmehr stellte er sich auf eine lange Phase der Einsamkeit und Isolation in dem für ihn neuen Land ein, als er an der University of Notre Dame in Indiana eintraf, deren Präsident John F. O’Hara – später Erzbischof von Philadelphia und Kardinal – europäische Gelehrte einstellte, um die akademische Reputation der katholischen Einrichtung zu verbessern. Obwohl mehrere amerikanischkatholische Organisationen vertriebenen Intellektuellen durch Anstellungen zu helfen versuchten, zog es die große Mehrheit antinazistischer katholischer Denker zunächst vor, in Europa zu bleiben, wo sie die kirchliche Opposition gegen das »Dritte Reich« steuern konnten. Als jedoch 1938 Österreich und 1940 Frankreich an die Deutschen fielen, gingen viele von ihnen in die Vereinigten Staaten; Ende 1940 hatten alle Verbündeten Gurians, darunter Johannes Oesterreicher, Dietrich von Hildebrand, Yves Simon, Ferdinand Hermens, Jacques Maritain und Otto Knab, an Universitäten und katholischen Seminaren an der Ostküste und im Mittleren Westen Zuflucht gefunden.48 Gleich im ersten Jahr nach der Ankunft in Notre Dame nahm Gurian seine antitotalitäre Kampagne wieder auf. Während sein Freund Karl Thieme bezweifelte, dass katholische Ideen und Botschaften für Angehörige der anglikanischen Tradition von Interesse sein könnten, war Gurian entschlossen, sich an ein neues globales Publikum zu wenden.49 In Vorträgen vor Politikwissenschaftlern und katholischen Organisationen und in Aufsätzen in der katholischen Presse stellte er seine Überlegungen zum Totalitarismus, zu dessen säkularen Wurzeln sowie zu seinem inhärenten Expansionsdrang und aggressiven Charakter vor. »Der politische Totalitarismus der Nazis«, warnte er in einem Vortrag, »bedeutet das Erstarken einer neuen, antichristlichen Auffassung des Lebens.«50 Das totalitäre Übel war ihm zufolge allerdings nicht nur für das Christentum, sondern für alle demokratischen Systeme einschließlich des amerikanischen eine existenzielle Gefahr. Totalitäre Regime »zerstören alle realen stabilisierenden Kräfte. […] Letzten Endes muss sich die 149

Stärke des totalitären Staates an der Zerstörung der nicht-totalitären Staaten beweisen.«51 1939 gründete Gurian mit der Zeitschrift The Review of Politics ein dauerhaftes Forum für Reflexionen über den Totalitarismus (Abb. 5). Zu ihren vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zählten Jacques Maritain, Talcott Parsons und Carl J. Friedrich, der dort seine erste systematische Auseinandersetzung mit dem Phänomen veröffentlichte. Auch Hannah Arendt, die eine enge Freundin Gurians wurde und von seiner politischen Theorie tief beeindruckt war, schickte der Zeitschrift Entwürfe über den »totalitären Terror«, die sie später in ihren Nachkriegsschriften ausarbeitete.52 Wie bei anderen Angehörigen seines katholischen Milieus beschleunigte die Erfahrung von Exil und Migration drei sich parallel vollziehende Veränderungen in Gurians Denken. Erstens behauptete er nun, dass Personalismus und Demokratie nicht nur Verbündete gegen den Totalitarismus, sondern für ihr Überleben schlechthin aufeinander angewiesen seien. Auf der einen Seite müsse die Begründung eines »Neuen Christentums, das dazu bestimmt ist, die innere Triebkraft der neuen personalistischen, pluralistischen und humanistischen Zivilisation zu bilden«, Wahlen und individuelle Rechte umfassen. Auf der anderen Seite könnten nur personalistische Auffassungen die Demokratie vor einem Zerfall in Atomismus und Individualismus bewahren. Gurian zufolge würde der Personalismus mit seiner Ausrichtung auf religiöse Spiritualität und die Autonomie organischer Gemeinschaften den Demokraten die weltanschauliche Stärke verleihen, die der Fortbestand ihrer Ordnung erfordere. Die Vorstellung von der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger am politischen Leben, namentlich an einem repräsentativen System, sei »vom Christentum inspiriert«. Nach Gurians Überzeugung müsse der Personalismus alle autoritären Regime kategorisch ablehnen – auch diejenigen, die sich wie das Spanien Francos ausdrücklich zur katholischen Kirche bekannten. Nur ein Bund zwischen der parlamentarischen Demokratie und dem wahren Christentum biete eine Gewähr für das Überleben der Religion.53 Neben diesem veränderten Demokratieverständnis wurde Gurian zweitens durch die zunehmende antisemitische Gewalt in Europa zu der Erklärung veranlasst, dass die zukünftige personalistische Ordnung allen Konfessionen offenstehe. Hatte er in früheren Schriften den Katholizismus zu der einzigen Gemeinschaft überhöht, die die Person verwirklichen konnte, so fasste er nach der Umsiedlung in die Vereinigten Staaten eine Gesellschaft ins Auge, in der Katholiken in freier Zusammenarbeit mit anderen Religionen organische Gemeinschaften schützen sollten. Eine solche Kooperation würde die selbstverständliche Überlegenheit des Katholizismus nicht untergraben, sondern vielmehr seine politische Mission stärken. »Dieses Neue Christentum«, schrieb er, »wird die Existenz unterschiedlicher religiöser Glaubensrichtungen und 150

Abb. 5: Waldemar Gurian (Mitte) zelebriert 1945 mit dem Philosophiedozenten Frank O’Malley (links) und dem Historiker Thomas McAvoy (rechts) die Fertigstel­ lung einer Ausgabe von The Review of Politics. Die Zeitschrift trug entscheidend zur Popularisierung der Totalitarismustheorie in den Vereinigten Staaten bei. © Notre Dame Archives.

der entsprechenden religiösen Gruppen als eine zu akzeptierende Tatsache begreifen.« Dies bedeute »selbstverständlich nicht eine glaubensmäßige Toleranz, bei der kein Glaubenssatz zählt, weil alles wahr oder unwahr sein kann. Doch die zivile Toleranz schließt eine Orientierung aller Gemeinschaften am zeitgebundenen Gemeinwohl nicht aus. […] Die tiefsten Fundamente und den letzten Zweck dieses Gemeinwohls kennen nur die Christen, die Bürger der einen überzeitlichen Polis, der Kirche, sind, doch es steht allen Gruppen offen, wenngleich in einer unvollkommenen Weise und nicht als Ausdruck eines Mindestmaßes an theoretisch-philosophischer Übereinstimmung, sondern als gemeinsame Pflicht und gemeinsames Werk.«

Die personalistische Gesellschaft solle »von Freundschaft und dem Willen zu gegenseitigem Verständnis und Zusammenarbeit« geleitet sein. Lange bevor die katholische Kirche den Grundsatz religiöser Freiheit akzeptierte, bekannte sich Gurians Personalismus somit zu einem Pluralismus der Konfessionen.54 151

Drittens schließlich gingen diese Verschiebungen mit einem neuen Blick auf die Vereinigten Staaten als der Kraft einher, die den Personalismus fördere und schütze. In den 1920er und 1930er Jahren hatten Personalisten, und katholische Autoren im Allgemeinen, den USA kaum Beachtung geschenkt, betrachteten sie sie doch als Inbegriff säkularistischer und liberaler Kräfte, als Quelle spirituellen Niedergangs und Symbol für zwanghaften Materialismus.55 1940 hingegen war Gurian dazu übergegangen, für Amerika als wahre Verkörperung christlicher Werte zu werben. Wie Friedrich behauptete er nun, dass die amerikanische Demokratie den säkularen Traditionen der Aufklärung kaum etwas verdanke; ihr Pluralismus gründe vielmehr im »spirituellen Wesen des Neuen Christentums«. Die Vereinigten Staaten seien folglich dazu bestimmt, den Kreuzzug gegen den atheistischen Totalitarismus anzuführen und eine Renaissance des Christentums in Europa einzuläuten. Mehrere Jahre vor dem Kriegseintritt der USA war sich Gurian bereits sicher, dass dieser erfolgen würde. Wie er 1940 und 1941 wiederholt erklärte, konnte nur Amerika gewährleisten, dass die »Vergottung« des Staates durch Nazis und Sowjets »einen Zusammenbruch erleben wird und, wie nach dem des Römischen Reiches, an ihre Stelle die Wiederentdeckung des wirklichen Mittelpunkts des menschlichen Lebens tritt«.56 So sehr sie den politischen Horizont des Katholizismus erweiterten, verblieben diese Gedanken innerhalb des enggesteckten und ausgrenzenden Rahmens des Weimarer Personalismus. Eine legitime säkulare Kultur – zumal eine, die sich den totalitären Kräften widersetzen und sie schließlich besiegen würde – lag weiterhin außerhalb der Vorstellungswelt Gurians und anderer katholischer Emigranten. Säkulare politische Institutionen benötigten aus ihrer Sicht religiöse Visionen, die ihnen Lebenskraft und Bedeutung gaben. Ebenso sticht ins Auge, dass die Personalisten noch immer das Christentum als Hauptopfer der nationalsozialistischen Brutalität betrachteten. Obwohl sich die extremen Maßnahmen und rhetorischen Angriffe des »Dritten Reichs« gegen die jüdischen Gemeinden richteten und das Judentum als »Rasse« angriffen wurde, blieb der Antisemitismus für die exilierten Katholiken bloß Ausdruck einer tieferen antireligiösen Geisteshaltung, deren furchtbarste Manifestation die Feindschaft gegenüber dem Christentum war. Das personalistische Denken blieb somit selbstbezogen und vehement antisäkular. Was sich jedoch änderte, war das demokratische Gespür und die geopolitische Strategie seiner Vertreter. Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen und Kontinuitäten sahen Gurian und seine katholischen Mitstreiter im amerikanischen Kriegseintritt vom Dezember 1941 eine Fortsetzung der eigenen Mission, ein »Neues Christentum« zu errichten und den Totalitarismus zu zerschlagen. Während 152

der Vatikan nie offiziell eine der Kriegsparteien unterstützte, bestand unter den katholischen Emigranten kein Zweifel, wem ihre Loyalität galt. Nirgends zeigte sich die Verschmelzung der personalistischen Weltanschauung mit neuen Visionen von Demokratie und einer neuen Hochachtung der Vereinigten Staaten deutlicher als in einem von 43 katholischen Intellektuellen unterzeichneten Manifest zum Krieg. Die Stellungnahme brachte Anhänger unterschiedlicher geistiger Tendenzen zusammen, darunter Dietrich von Hildebrand, Otto Knab, Jacques Maritain, Yves Simon und Johann Oesterreicher. Trotz Bedenken gegenüber manchen Formulierungen schloss sich auch Gurian der Gruppe an.57 Die Arbeit an dem Manifest begann im Februar 1942, seine Veröffentlichung erfolgte allerdings erst Monate später in der katholischen Zeitschrift Commonweal. Dennoch wurde es einer der wichtigsten katholischen Texte der Ära, bot es doch das Muster für eine Rhetorik, der sich der Vatikan zwei Jahre später anschloss. In einer Sprache, die unter katholischen Emigrantinnen und Emigranten allmählich konsensfähig wurde, stellte das Manifest den Zweiten Weltkrieg als Kulminationspunkt des inneren Zerfalls des Säkularismus dar. Der Krieg sei der finale Angriff des Totalitarismus auf das Christentum, »das nicht wiedergutzumachende Ergebnis jener Zersetzung, die in der modernen Geschichte schon so lange am Werk ist«. Mit derselben Entschiedenheit erklärte das Manifest eine personalistische Demokratie zum Kriegsziel. Das allgemeine Wahlrecht, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Grundrechte der Bürger waren demnach ein Ausdruck des Personalismus und der Botschaft des Evangeliums, sie deckten sich »mit dem christlichen Ideal der Zivilisation«. Der Krieg in Europa sei »kein wirtschaftlicher oder politischer Krieg, er ist ein Krieg für die Zivilisation und somit, da er die geistigen und religiösen Prinzipien der zivilisierten Ordnung betrifft, auch ein religiöser Krieg«. Mit diesem zugleich reaktionären und revolutionären Manifest schloss sich eine breite Koalition katholischer Denker Gurians Auffassungen an und befürwortete demokratische Wahlen als Ausdruck personalistischer Ideale. Selbst ehemalige Anhänger autoritärer Regime, wie der von den Nazis gestürzten österreichischen Diktatur, stimmten nun der Einschätzung zu, dass liberale Grundsätze wie das allgemeine Wahlrecht und der Rechtsstaat keine Feinde des Katholizismus seien, sondern diesen im Gegenteil schützten. Gurians Demokratieverständnis, das in den 1920er und 1930er Jahren nur am äußersten Rand des Katholizismus einen Platz gefunden hatte, war nun in dessen Zentrum gerückt.58 Der vielleicht bemerkenswerteste Zug des Manifests war seine furiose Ablehnung der Sowjetunion. Die Verfasser erinnerten daran, dass deren geistiges Wesen ungeachtet der Kriegsallianz mit Amerika »die Zerstörung 153

der Religion, der Familie und von allem verlangt, was die menschliche Person schützt und ihr Aufgehen in der sozialen Masse verhindert«. Als ein weiteres Kriegsziel benannte das Manifest daher die Auflösung des sowjetischen Imperiums, an dessen Stelle eine christliche, demokratische Ordnung treten sollte. Indem der christliche Westen an der Seite der Sowjetunion kämpfte, lud er aus Sicht der Autoren das russische Volk dazu ein, »in die westliche Gemeinschaft zurückzukehren, und das an sich vergrößert bereits die Chancen für einen Sieg der Zivilisation«. Trotz der antireligiösen Sowjetpropaganda habe das russische Volk nie seinen Glauben an das Christentum aufgegeben. Inmitten des gemeinsamen Krieges gegen Nazideutschland wurde hier also die Bekämpfung des Kommunismus zum Inbegriff einer christlichen Demokratie erklärt.59 Mitte der 1940er Jahre waren Gurians Ideen aus der Weimarer Ära unter katholischen Exilanten mehrheitsfähig geworden; seine Verknüpfungen zwischen der Verteidigung »natürlicher« und autonomer Gemeinschaften, dem demokratischen Prozess und einem vehementen Antikommunismus wurden nun immer häufiger übernommen. Gurians frühe Schriften stellten somit den Rahmen bereit, in dem sich der Umbruch im katholischen Denken vollzog: Die personalistischen Emigranten betrachteten die Institutionen der amerikanischen Demokratie fortan als Vehikel für ihre eigenen religiösen Vorstellungen und erwarteten ungeduldig den amerikanischen Sieg, der ihnen eine Teilnahme am Neuaufbau Europas ermöglichen sollte. Das damit anvisierte Bündnis zwischen dem zeitgenössischen katholischen Denken und der US -Demokratie wäre vielleicht eine bloße Idee geblieben, hätte sich nicht die Rockefeller Foundation zu einem wichtigen Architekten der Nachkriegsordnung entwickelt. Nachdem ihre internationalen Projekte im Zweiten Weltkrieg größtenteils kollabiert waren, entschied der Stiftungsrat 1945, sie in Kooperation mit amerikanischen Diplomaten und Militärs wieder aufzunehmen. Jahrzehntelang hatte die Stiftung unabhängig von der US -Regierung und teilweise sogar im Konflikt mit ihr gearbeitet; nun schien ihr deren Blick auf die Welt mit dem eigenen Auftrag, »Unternehmungen zu fördern, die zur Stabilisierung demokratischer Regierungsformen beitragen«, in Einklang zu stehen.60 Im Mittelpunkt dieser neuen Zusammenarbeit stand der Wiederaufbau Deutschlands. Nach Auffassung vieler Stiftungsvertreter hing die Zukunft des Friedens in Europa davon ab, dem materiell wie geistig zerstörten Land wieder aufzuhelfen, um die Ausbreitung von Chaos und extremistischen Ideologien sowie einen neuen Krieg zu verhindern. Unter der Leitung von Robert Havinghurst, einem renommierten Pädagogikprofessor der University of Chicago, der in der Weimarer Zeit in Deutschland studiert 154

hatte, legte die Rockefeller Foundation ein gigantisches Nothilfeprogramm für Deutschland vor. Allein 1948 investierte sie mehrere Hunderttausend Dollar in die Förderung von jungen Führungskräften und Personalaustauschprogrammen sowie in Ausstellungen, Kunst- und Musikveranstaltungen, die die Arbeit der US -Besatzungsbehörden ergänzen sollten.61 Mit diesem ambitionierten Programm, von der deutschen Presse als »ein geistiger Marshall-Plan« gefeiert, wurde sie als erste US -Stiftung nach dem Krieg in Deutschland aktiv. Während sich die Forschung auf die erst Jahre später einsetzende kulturelle Diplomatie der Ford Foundation konzentriert hat, war es die Arbeit der Rockefeller Foundation, die lange Zeit das Muster für solche Initiativen lieferte.62 Ihren Auftrag sahen die Mitarbeiter der Stiftung darin, breiten Schichten der deutschen Bevölkerung die amerikanische liberal-demokratische Weltanschauung nahezubringen, deren Allgemeingültigkeit für sie außer Frage stand. Vorrangig Nutznießer des Programms wurden aber schon bald Katholiken; keine andere Gruppe erkannte so schnell, welche einzigartigen Chancen zur Förderung der eigenen Agenda das Engagement der Stiftung in Deutschland bot. Gurian und andere Katholiken suchten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Möglichkeiten zur Wiederbelebung ihrer alten Netzwerke, aufgrund ihres generellen Misstrauens gegenüber dem Nationalstaat zögerten sie aber, direkt mit der US -Regierung zusammenzuarbeiten, und bevorzugten einen privaten Kooperationspartner. Diesen fanden sie in der Rockefeller Foundation, mit deren Vertretern sie ihre Arbeit 1947 zu koordinieren begannen. Als deutsche Katholiken erfuhren, dass Havinghurst nach Deutschland gereist war und die Stiftung dort tätig wurde, bestürmten sie die Rockefeller-Zentrale mit Bitten, Gurian und andere Vertreter ihrer Glaubensgemeinschaft nach Deutschland zu schicken, damit sie beim Wiederaufbau der katholischen Kultur helfen könnten. Franz Josef Schöningh, seit den 1920er Jahren ein Freund Gurians und Mitherausgeber der 1945 gegründeten Süddeutschen Zeitung, schrieb, Gurian könne entscheidend zur Neuentstehung einer demokratischen katholischen Presse beitragen. Der Dekan der neu gegründeten Rechtsfakultät an der Bonner Universität, Ernst Friesenhahn, hoffte, sein alter Freund werde die Gelegenheit erhalten, beim Aufbau von Studienprogrammen für internationale Politik mitzuwirken. In einem überschwänglichen Empfehlungsschreiben beschrieb er Gurian als einen der wenigen Gelehrten, die imstande seien, den Studierenden neue Gedanken über Totalitarismus und Demokratie zu vermitteln. Zudem habe er seit seinen Studentenjahren vielfältige Kontakte in der Region gepflegt: »Dr. Gurian steht von damals her mit mehreren Mitgliedern des Lehrkörpers in freundschaftlicher Verbindung. Er ist außerdem durch seine frühere publizistische Tätigkeit auch mit den politischen und kirchlichen Kreisen des Rheinlandes eng verbunden.«63 155

Auf Einladung von Havinghurst kehrte Gurian im Frühjahr 1948 nach Europa zurück. Als einer der ersten Fellows der Rockefeller Foundation in Deutschland reiste er mehrere Monate durch die französische, britische und amerikanische Besatzungszone, besuchte die neu entstehenden katholischen Vereine und Organisationen und hielt dort Vorträge oder eröffnete Ausstellungen. In Bonn unterrichtete er Studierende und Fakultätsangehörige in Seminaren über die Sowjetunion und den Totalitarismus. Auf seiner Vortragsreise sprach er, teilweise auf Einladung von Studentenverbänden, an der Frankfurter Universität, der Pädagogischen Akademie Bonn, der Technischen Hochschule Stuttgart, vor einem katholischen Kulturverein in Münster und einem Verband katholischer Verleger in München. Die Stiftung arrangierte für ihn Zusammenkünfte mit katholischen Journalisten, Politikern und Geistlichen sowie weitere Vorträge in Kiel, Stuttgart und Frankfurt, die sie auch finanzierte. Wie die Stiftung aus begeisterten Briefen aus Deutschland erfuhr, konnte Gurian tatsächlich katholische Organisationen und Aktivisten für den Gedanken demokratischer Wahlen gewinnen. Dekan Friesenhahn aus Bonn meinte, Gurians Auftritte hätten unmittelbar dazu beigetragen, dass Studierende an seiner Universität einen Wahlverein gegründet hätten und sich an den demokratischen Prozessen in der Stadt beteiligten. Die Arbeit der Stiftung habe »einen enormen positiven Einfluss auf die politische Bildung der jungen Generation in Deutschland« und Besuche emigrierter Rheinländer sollten einer ihrer festen Bestandteile werden, schrieb Friesenhahn.64 Gurian stellte den Prozess der Demokratisierung, die Förderung der christlichen Hegemonie und das Bündnis mit Amerika grundsätzlich als inte­ gralen Bestandteil deutsch-katholischer Traditionen dar. Die US -Truppen in Deutschland, erklärte er in Reden in Frankfurt am Main und Köln, seien keine feindselige Besatzungsmacht, sondern aufgrund ihrer christlichen und demokratischen Überzeugungen vielmehr Beschützer angestammter katholischer Ideen und natürliche Verbündete bei dem Versuch, »den Säkularisierungsprozess umzukehren«.65 Katholiken hatten demnach wenig Grund zur Sorge, die wachsende amerikanische Macht in Europa könne ihre Selbstverwaltung beeinträchtigen. Gurian sah die Vereinigten Staaten als die einzige politische Kraft, die der Kirche die Verbreitung ihrer universellen Botschaft spiritueller Erlösung ermöglichen konnte. Wie er in einem späteren Aufsatz formulierte: »Die Vereinigten Staaten kämpfen nicht nur für sich; sie vertreten die Sache der Menschheit.«66 Auch schürte Gurian in seinen Vorträgen die Flamme des Antikommunismus. Als die Spannungen des Kalten Krieges in Europa einsetzten, erklärte er, der Neuaufbau des Kontinents erfordere die vollständige Niederlage des Kommunismus; Deutschland könne nur »ohne Russland, gegen seinen Wil156

len und seine Hoffnungen« wiederaufgebaut werden.67 Im Gegensatz zu den Niederlagen der 1920er und 1930er Jahre bot sich den Katholiken laut Gurian nun aber eine neuartige Chance, ihren Feldzug gegen den Kommunismus zu einem siegreichen Ende zu führen. Mit der vollen Macht der Vereinigten Staaten an ihrer Seite, so seine Prophezeiung, könnten sie den Totalitarismus endlich entscheidend zurückdrängen. Wie Beobachter berichteten, fand diese Neudefinition des katholischen Antikommunismus als transatlantisches demokratisches Projekt ein begeistertes Echo bei Gurians Publikum. Mehrere Verleger fragten an, ob er seine antibolschewistischen Bücher aus den 1930er Jahren für eine Wiederveröffentlichung um Ausführungen zur neuen Mission Amerikas ergänzen könne.68 Dass solche Gedanken für deutsche Katholiken eine große Attraktivität besaßen, zeugt auch von beträchtlichen Verdrängungsleistungen. Sie erlaubten es ihnen, den alten Glauben an die Überlegenheit der eigenen Religionsgemeinschaft neu zu begründen und ihren Kampf gegen den Kommunismus fortzuführen, ohne den eigenen Anteil am Aufstieg des Nationalsozialismus und der Katastrophe des Krieges zu reflektieren. Wie die Historikerin Maria Mitchell gezeigt hat, empfanden sich deutsche Katholiken nach dem Krieg sehr häufig als Opfer. Diese Überzeugung sprach jene bequemerweise von jeder Verantwortung für den deutschen Antisemitismus und die in Deutschland und ganz Europa begangenen Gräueltaten – so auch dem Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion – frei, und förderte ihre Gleichgültigkeit gegenüber der Versklavung anderer europäischer Nationen und der Judenvernichtung, die katholische Repräsentanten und Politiker bei ihren Zusammenkünften und Stellungnahmen nach dem Krieg fast vollständig ausblendeten. Wie der Bischof von Münster, Clemens von Galen, erklärte: »[W]ir haben mehr unter dem NS gelitten als andere.«69 Gurian bekräftigte solche Haltungen und versuchte, sie für das neue Bündnis mit den Vereinigten Staaten in Dienst zu nehmen. Den Vertretern der Rockefeller Foundation und der US -Militäradminis­ tration entgingen diese befremdlichen Züge des katholischen Denkens keineswegs  – in ihrer internen Korrespondenz kam mehr als einmal die frühere Parteinahme von Katholiken für autoritäre Politik und ihre Gleichgültigkeit gegenüber vielen Naziverbrechen zur Sprache. Doch sie suchten dringend neue Verbündete und erkannten schnell Gurians einzigartige Ausstrahlung auf katholische Bevölkerungsgruppen. Jahr für Jahr schickten sie ihn deshalb auf Vortragsreisen nach Deutschland. Im Sommer 1949 kehrte Gurian nach Frankfurt am Main zurück, wo er Seminare über Demokratie und Religion anbot, gefolgt von Vorträgen über Katholizismus und internationale Politik im bayerischen Kultusministerium, an Universitäten in 157

Würzburg, Freiburg im Breisgau und Münster und vor einem katholischen Studentenverband in Westfalen. 1950 führte ihn seine Vortragsreise zum Thema »US -Diplomatie und Sowjetunion« über die deutschen Landesgrenzen hinaus nach Paris, Zürich und Innsbruck.70 Im Lauf der 1950er Jahre fand Gurians Engagement für seine Ideen aus der Weimarer Zeit neue Interessenten in der Publizistik. Melvin Lasky, Herausgeber der Zeitschrift Der Monat und einer der bekanntesten antikommunistischen Kritiker in Europa, ließ in seiner Redaktion Ausgaben der Review of Politics sowie Aufsätze von Gurian und seine Bücher über den Bolschewismus zirkulieren. Bis 1953 hatten er und Gurian eine Liste von Werken zusammengetragen, die in Deutschland publiziert werden sollten, darunter Neuausgaben von Gurians älteren Arbeiten.71 Gurian warb aber nicht nur für seine eigenen Ideen, sondern setzte sich bei der Rockefeller Foundation auch für die Förderung anderer katholischer Denker, Seminare und Zeitschriften ein, mit denen er seit der Weimarer Zeit in Verbindung stand. Zu diesen Intellektuellen gehörten etwa Karl Thieme, Johannes Maassen, Eugen Kogon und andere Katholiken, die den Krieg in Europa verbracht hatten und nun zu einer Renaissance des Katholizismus beitragen wollten.72 Auch in Amerika ermunterte er katholische Emigrantinnen und Emigranten zur Beteiligung am Aufbau einer neuen christlichen Ordnung in Deutschland. Der bedeutendste von ihnen war der Philosoph Eric Voegelin, der damals im Exil in Louisiana lebte. Voegelin, dessen deutsche Eltern zum Katholizismus konvertiert waren, gehörte im Österreich der Zwischenkriegszeit zu den vehementesten Gegnern rassistischer Lehren unter katholischen Autoren und teilte Gurians Überzeugung, dass die nationalsozialistische Rassenlehre und der Kommunismus pervertierte »säkulare Religionen« seien. Seit er 1938 als Flüchtling in den Vereinigten Staaten eingetroffen war, hatten beide nach Wegen gesucht, ihre Gedanken über den Kommunismus als globale Bedrohung auch jenseits der amerikanischen Presse zu verbreiten. Das Engagement der Rockefeller Foundation schien dafür neue Möglichkeiten zu bieten und Gurian machte sich umgehend für eine Förderung Voegelins stark. Nachdem die Stiftung eine Vortragsreihe von ihm über die Bedeutung des westlich-antikommunistischen Bündnisses finanziert hatte, unterstützte sie Voegelins Rückkehr nach München, wo er eine Professur für Politikwissenschaft erhielt.73 Gurians wachsender Einfluss auf die Rockefeller Foundation schlug sich darin nieder, dass die Investitionen der Stiftung in die deutsch-katholische Kultur zunahmen und Stiftungsvertreter den Katholiken eine Schlüsselrolle sowohl für den demokratischen Neuaufbau als auch für antikommunistische Allianzen beimaßen.74 Nachdem Havinghurst dem Stiftungsvorstand 158

Gurians Berichte übermittelt hatte, erhielt er die Genehmigung, katholische Publikationen, Austauschprogramme und Kulturveranstaltungen dauerhaft zu fördern. Wenige Monate nach Gurians ausgesprochener Empfehlung stellte die Stiftung Mittel für die katholisch orientierten Zeitschriften Frankfurter Hefte, Hochland und Rheinischer Merkur bereit, die mehrere Hunderttausend Leser erreichten und völlig neuartige Plädoyers für eine Kooperation mit den USA enthielten. Die Stiftung finanzierte auch Konferenzen zur Förderung des katholisch-protestantischen Dialogs – organisiert von Karl Thieme, der damit an sein Weimarer Projekt der interkonfessionellen Zusammenarbeit anknüpfte –, unterstützte die Veröffentlichung katholischer Bücher, lud führende katholische Intellektuelle wie Eugen Kogon in die Vereinigten Staaten ein und organisierte in Salzburg eine Vortragsreihe mit Gurian, Dietrich von Hildebrand und Erik Peterson.75 Krönung der Zusammenarbeit zwischen Stiftung, US -Administration und deutsch-katholischen Remigranten war ein umfangreiches Bildungsprogramm, das deutschen Katholiken längere Aufenthalte in den Vereinigten Staaten ermöglichte. Von 1948 an bereisten Hunderte von katholischen Intellektuellen, Journalisten, Geistlichen und Lehrern für drei bis vier Monate das Land, um das Bildungswesen und die politischen und religiösen Institutionen Amerikas kennenzulernen. Das Ziel bestand darin, eine natürliche Geistesverwandtschaft zwischen den USA und Deutschland zu pflegen. Die Gäste besuchten das Rosary College in Chicago, die Catholic University in Washington, das St. Benedict College in Minnesota und schließlich die Notre Dame University, wo sie von Gurian empfangen wurden. Wie aus zahlreichen Erfahrungsberichten hervorgeht, hinterließ die Reise oftmals einen bleibenden Eindruck bei den Teilnehmern. So erklärte einer von ihnen, er habe Amerika immer als kulturlos betrachtet, nun aber verstanden, wie tief es von christlichen Kräften und europäischen Traditionen geprägt sei.76 Diese breit gefächerte Zusammenarbeit trug zur politischen Renaissance des Katholizismus in Nachkriegsdeutschland erheblich bei. Mit aktiver amerikanischer Unterstützung während der Besatzungszeit verbündeten sich Katholiken mit Protestanten, um gegen den Kommunismus mobil zu machen und in Gestalt der CDU eine neue christliche Partei zu gründen. Diese sollte unter der Führung von Konrad Adenauer, der in den 1920er Jahren als wichtigster katholischer Befürworter des Parlamentarismus hervorgetreten war, zur stärksten politischen Kraft im Land werden und bis weit in die 1960er Jahre an der Regierung bleiben. Im Einklang mit dem Leitbild, das Gurian und andere Personalisten in der Weimarer Ära und im Exil entworfen hatten, verband die CDU einen ausgeprägten Antisäkularismus mit hasserfülltem Antikommunismus und einem Bekenntnis zu parlamentarischen Strukturen. 159

In ihrer Rhetorik geißelte sie Nationalsozialismus und Kommunismus als Produkte eines »säkularen Materialismus« und pries Christentum, Familie und kleine Gemeinschaften als Grundlage für eine gesunde Politik an. Dass in das Grundgesetz konservative Bestimmungen aufgenommen wurden, die Religionsunterricht an öffentlichen Schulen erlaubten und die Familie unter den »besonderen Schutz« des Staates stellten, war dem Einfluss der CDU geschuldet. Für sie lautete die Lehre aus Nationalsozialismus und Krieg, dass Deutschland dringend wieder christlicher werden müsse und der Parlamentarismus Schutz benötige: Nur eine christliche Demokratie könne den Sieg des gottlosen Totalitarismus verhindern.77 Die intensiven Kampagnen von US -Stiftungen und katholischen Rückkehrern trugen außerdem dazu bei, dass viele Katholiken die supranationale und transatlantische Orientierung akzeptierten, mit der sich Westdeutschland in den antikommunistischen Block unter amerikanischer Ägide eingliederte. Wie von Adenauer nachdrücklich gefordert, steuerte die CDU die Bundesrepublik nicht nur in eine Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern, sondern auch in die NATO und andere transatlantische Organisationen. Kaum zehn Jahre nach Hitlers Griff nach der totalen Herrschaft über Europa war dies ein bemerkenswerter Wandel. Gurian und die Rockefeller Foundation setzten sich dafür ein, ein neues Bild Amerikas nicht nur als Schutzmacht gegen die Sowjetunion, sondern auch als natürlichen Verbündeten für den Aufbau einer christlichen Ordnung durchzusetzen. Die von der Stiftung geförderten Publikationen, Vorträge und Seminare verschweißten den Neuaufbau Deutschlands, die christliche Erneuerung und das transatlantische Bündnis zu einem Rahmen, dessen Komponenten sie fest miteinander verbunden sahen. Gewisse antiamerikanische Einstellungen bestanden zwar noch insofern fort, als manche Katholiken Amerika aus ihrer Vision eines »christlichen Abendlandes« ausschlossen, aber auch solche Vorbehalte lösten sich im Lauf der Zeit auf – immer mehr katholische Journalisten und Politiker folgten Gurian und ähnlich gesinnten Remigranten darin, Amerika als Teil des antimaterialistischen und antisäkularen Lagers zu betrachten. Als Adenauer in die Reihen der christlich geprägten »Abendländer« ausdrücklich »die Vereinigten Staaten von Amerika mit einschließen« wollte, stand er damit nicht allein; in solchen Äußerungen kam die jahrelange Arbeit von Intellektuellen, Journalisten und Wissenschaftlern zum Tragen. Am Ende der 1950er Jahre war das Bündnis zwischen Amerika und deutschen Katholiken ein festes Merkmal der Politik im Kalten Krieg geworden. Selbst Adenauers entschiedenste Gegner begrüßten seine Zugewandtheit gegenüber den USA, und für eine ganze Generation von Deutschen wurde diese zu einer selbstverständlichen Gegebenheit der Nachkriegsordnung.78 160

Die Kooperation zwischen katholischen Emigrantinnen und Emigranten und der Rockefeller Foundation beeinflusste nicht nur Deutschland. Eine meist übersehene, aber genauso bemerkenswerte Entwicklung bestand darin, dass personalistische Theorien auch eine der wichtigsten intellektuellen Unternehmungen der Stiftung in Amerika selbst prägten: die Begründung der Soviet Studies, die bald als »Sowjetologie« bekannt wurden. Dieses neue Forschungsfeld stilisierte den Kalten Krieg als Kampf zwischen der christlichen Zivilisation und ihrem bösartigen, rücksichtslosen Todfeind. Gurians Totalitarismuskonzept hatte bereits vor Beginn des Kalten Krieges wachsenden Zuspruch gefunden. Nach seiner Ankunft in Amerika hatte sich der Begriff innerhalb weniger Jahre wie ein Lauffeuer über die katholische Gemeinschaft hinaus verbreitet und wurde unter amerikanischen und emigrierten Journalisten, Politikern und Intellektuellen gebräuchlich. Er war ein wirkmächtiger Ausdruck der Angst, die angesichts des Erstarkens aggressiver antiliberaler Regime wie des »Dritten Reichs« und der Sowjetunion sowie der Gefahr, dass sie auch in den Vereinigten Staaten antidemokratische Kräfte wecken könnten, um sich griff. Als der Journalist Eugene Lyons 1937 von einem »totalitären Wahnsinn« schrieb, der aus dem »moralischen Zusammenbruch Europas« entstanden sei, und behauptete, zwischen den brutalen Diktaturen Stalins und Hitlers bestehe kein Unterschied, traf er den Nerv der Zeit.79 Erst die zunehmenden globalen Spannungen mit der Sowjetunion nach dem Krieg bewirkten die eindrucksvolle Konjunktur des Totalitarismusbegriffs als wichtigstes politisches Schlagwort der Ära. Über politische Lager und Weltanschauungen hinweg drückte er die Überzeugung aus, dass die Sowjetunion nicht nur ein antidemokratisches Regime, sondern ein widernatürliches Monstrum sei, das nicht neben der Demokratie koexistieren könne. Gurians Begriff erfasste die ausgeprägte Angst, ausländische Bedrohungen könnten eine fatale Unterwanderung im eigenen Land nach sich ziehen, und förderte sie zugleich; als der am meisten beunruhigende Charakterzug des Totalitarismus galt seine Fähigkeit, sich in trügerischer Weise in das Gewebe der demokratischen Gesellschaft einzunisten. In den Nachkriegsjahren kam es so zu einer explosionsartigen Zunahme von Publikationen, Konferenzen, Diskussionen und Reden über Ursprünge und Wesen des Totalitarismus. Bezeichnend war beispielsweise, dass Präsident Truman in seiner berühmten Rede vor dem Kongress vom März 1947, in der er eine entschlossenere US -Außenpolitik ankündigte, die Sowjetunion gar nicht erwähnte, sondern sein Land zur Geschlossenheit gegen »aggressive Bewegungen, die totalitäre Regime erzwingen wollen«, aufrief. Für Truman war Totalitarismus gleichbedeutend mit der kommunistischen Gefahr.80 161

Gurians Bild vom Kalten Krieg als eines christlichen Kreuzzugs harmonierte zudem mit der wachsenden Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten einen Kampf nicht nur für die Demokratie, sondern auch für die christliche Zivilisation führten. Intellektuelle und Politiker aller Glaubensrichtungen erkannten die geistige Quelle der Größe Amerikas nun immer häufiger in monotheistischen Religionen, insbesondere im Christentum. Theologen wie Reinhold Niebuhr und Diplomaten wie George Kennan erklärten den Monotheismus zum Ursprung politischer Freiheit und zur Triebkraft der Demokratie. In dieser Perspektive stellte der internationale Kommunismus mit seinem säkularen Glaubensbekenntnis eine existenzielle Bedrohung für die ältesten Wurzeln der Demokratie und ihre Forderung nach Religionsfreiheit dar. Truman, dessen Sprache von christlicher Terminologie durchtränkt war, erklärte stellvertretend für viele, dass »unser amerikanisches Erbe der menschlichen Freiheit aus dem Glauben geboren ist, dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde und sich daher selbst regieren kann«. Ihm zufolge sollten sich die Christen aller Länder die Hand zu einem globalen Kampf reichen. Wie er 1946 im Bemühen um einen antikommunistischen Schulterschluss an Papst Pius  XII. schrieb: »[K]ein Friede kann von Dauer sein, der nicht auf christlichen Grundsätzen beruht«.81 In diesem kulturellen Umfeld galten religiöse Überzeugungen als ebenso entscheidend für den weltweiten Kampf mit dem Kommunismus wie Waffengewalt. In ihrem »Streben nach Gerechtigkeit«, so Trumans hyperbolische Behauptung, könnten die Vereinigten Staaten nur siegreich sein, wenn »wir, in den glänzenden Worten Paulus’, die Rüstung Gottes anlegen«. Das christliche Kulturfundament des Kalten Krieges wurde zudem wissenschaftlich untermauert: Mit Fördermitteln der Rockefeller Foundation wurde 1946 ein Russisches Institut an der Columbia University eröffnet – das Erste seiner Art in den Vereinigten Staaten –, um das existierende Wissen über die Sowjetunion und den Kommunismus zu erweitern. Anfang der 1950er Jahre stellte die Stiftung Millionenbeträge für vierzig weitere Zentren dieser Art an amerikanischen Universitäten bereit. Die äußerst umtriebigen und finanziell gut ausgestatteten Institutionen brachten zahllose Konferenzen, Zeitschriften und Bücher auf den Weg und vermittelten Tausenden Studierenden, Diplomaten und Soldaten Kenntnisse über Geschichte, Wirtschaft, Sprachen und Politik des neuen Feindes. Auch wenn sich die Stiftung als »unpolitisch« ausgab, war leitenden Mitarbeitern sehr bewusst, dass ihre Mission nach dem Krieg die antikommunistische Kampagne der US -Regierung flankierte. Rockefeller-Vertreter pflegten enge Beziehungen zu Entscheidungsträgern; sie waren stolz darauf, der Regierung das nötige Wissen zu verschaffen, und bemühten sich nachdrücklich um die Fortsetzung der Zusammenarbeit. 162

Wie einer von ihnen mit Genugtuung berichtete, schickten »nicht nur das Außenministerium, sondern auch das Kriegsministerium und die Marine« ihr Personal zur Weiterbildung in die von ihr geförderten Studienzentren. Nirgends war die Zusammenarbeit zwischen Stiftungen und Staat enger als bei der Begründung der Sowjetologie nach dem Krieg.82 Gurian begriff auf der Stelle, welche Chancen dieses neue Gefüge aus Institutionen, Fördermitteln und Wissenschaft seiner eigenen Spielart des Antitotalitarismus eröffnete. Als er 1948 aus Deutschland zurückkehrte, nutzte er seine Beziehungen zur Rockefeller Foundation und schlug ihr die Finanzierung eines neuen Instituts an der University of Notre Dame vor. Gurian schwebte ein katholisches Studienzentrum für internationale Politik mit einem Schwerpunkt auf der Sowjetunion vor; als Themen, zu denen es relevantes Wissen hervorbringen sollte, nannte er »die wechselseitigen Beziehungen zwischen Religion, Demokratie und internationaler Ordnung; das Verhältnis von Kirche und Staat; die Rolle der Religion in Bildungssystemen; und die Gefahr des Totalitarismus in ihren vielfältigen Formen«. Aus seiner Sicht konnte eine solche Institution eine einzigartige katholische Perspektive auf den Kommunismus bieten und zur Mobilisierung der katholischen Gemeinde gegen den totalitären Feind beitragen, dessen Bekämpfung sie in den 1930er Jahren versäumt hatte.83 Philip Mosely, ein Spezialist für russische Kultur, der das Studienzentrum an der Columbia University gegründet hatte und die Arbeit der Stiftung auf diesem Gebiet leitete, zeigte sich über Gurians Beteiligung begeistert. Zwar kannte er dessen personalistische Theorien kaum, Gurians Reputation als guter Katholik und seine Verankerung in intellektuellen Kreisen der Glaubensgemeinschaft konnten aus Mosleys Sicht aber sowohl der Sowjetologie als auch dem Wirkungsradius der Rockefeller Foundation nur zugutekommen. In einem Schreiben an den Stiftungsrat nannte er Gurians Arbeit über den Bolschewismus »eine der intelligentesten langfristig ausgerichteten Deutungen, die von den meisten nicht kommunistischen Gelehrten als objektiv akzeptiert wird«. 1949 stellte die Stiftung mehrere zehntausend Dollar für die Gründung des Forschungsinstituts Committee of International Politics an der University of Notre Dame bereit, zu dessen Direktor Gurian ernannt wurde.84 In dem von der Rockefeller Foundation geförderten ausgedehnten Feld der Sowjetologie profilierte Gurians Institut sich bald als eine besonders dynamische und zudem einzige katholische Einrichtung. Eine zweite wichtige Figur neben Gurian war dort Ferdinand A. Hermens, ebenfalls ein deutsch-katholischer Emigrant, der sich seit der Weimarer Ära für die Demokratie eingesetzt und dessen Flucht vor den Nationalsozialisten ihn nach Indiana geführt 163

hatte.85 Hinzu kamen der Militärexperte William Shanahan, der Historiker Matthew Fitzsimons sowie Stephen Kertesz, ein ehemaliger ungarischer Diplomat, der vor der kommunistischen Revolution geflüchtet und Bolschewismus-Forscher geworden war. Innerhalb von nur vier Jahren organisierte diese Gruppe mehrere internationale Konferenzen über die Sowjetunion und ihre Ideologie. Zu den Teilnehmern gehörten Russland-Spezialisten der Universitäten Yale, Harvard, Columbia und Fordham, Mitarbeiter des US -Außenministeriums und russische Flüchtlinge, erörtert wurden unter anderem die »Ziele und Methoden des sowjetischen Terrorismus« und die »Methoden der sowjetischen Durchdringung Osteuropas«. Einen ähnlichen Charakter hatten die Konferenz zur Frage »Wer ist der Feind – der russische Imperialismus oder der Sowjetkommunismus?« und Symposien über die »Schwächen der Vereinigten Staaten in der heutigen Weltkrise«, an denen unter anderem Hans Morgenthau und Kertesz teilnahmen. 1952 veranstaltete das Institut in Notre Dame eine Tagung über »Das Schicksal Mitteleuropas: Hoffnungen und Versäumnisse der amerikanischen Außenpolitik« mit Mosely, Alvin Bentley – Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des Repräsentantenhauses – und zahlreichen Wissenschaftlern. 1953 rief das Institut außerdem ein Graduiertenprogramm ins Leben, dessen Teilnehmer und Teilnehmerinnen – betreut von Gurian und Kertesz – Arbeiten über die Sowjetideologie unter besonderer Berücksichtigung ihrer »Expansions- und Operationsmethoden« schrieben. Der Ruf des Instituts als Leuchtturm der Sowjetforschung drang bis zum FBI vor. Dessen Direktor J. Edgar Hoover lobte die Symposien als einen »Beitrag zu sämtlichen Bereichen unserer amerikanischen Gesellschaft«.86 Auch wenn die Rockefeller Foundation nie einer religiös orientierten Politik folgte, gab sie Gurian in Gestalt des Instituts eine Plattform, durch die er den Verbreitungsgrad seiner antisäkularen Totalitarismustheorie steigern konnte. So ermöglichte er es zahlreichen religiösen Gelehrten wie N. S. Tima­ sheff und Yves Simon, in Zeitschriftenbeiträgen, Aufsatzsammlungen und Monografien einer rücksichtslosen Konfrontation mit dem säkularen Ostblock und sogar einem militärischen Vorgehen gegen ihn das Wort zu reden. Die erfolgreichsten Publikationen stammten von einem deutsch-jüdischen Emigranten, dem renommierten Nationalismusforscher Hans Kohn. Mithilfe des Instituts veröffentlichte dieser 1953 eine scharfe Abrechnung mit der sowjetischen Außenpolitik unter dem Titel Pan-Slavism (dt.: Die Slawen und der Westen). Basierend auf Vorträgen in Notre Dame behauptete Kohn in dem Buch, die sowjetische Politik sei die Fortsetzung eines aggressiven russischen Nationalismus, der niemals friedlich mit dem Westen koexistieren könne. Wie Stiftungsmitarbeiter berichteten, fanden die Publikationen des Instituts an amerikanischen Universitäten große Verbreitung und Zustimmung.87 164

Als Hauptprotagonist dieser emsigen Publizistik nutzte Gurian das Institut zur Wiederbelebung älterer Ideen. 1952 veröffentlichte es eine gekürzte Neuausgabe seines Bolschewismus-Buches von 1931, der er zwar einen neuen Untertitel gab, in die er aber ganze Passagen unverändert übernahm. In den folgenden Jahren förderte das Institut zudem mehrere neue Arbeiten, in denen Gurian seine Darstellung der Sowjetunion als eines »totalen Staates« bekräftigte, der auf die Auslöschung jeglicher Gemeinschaft, Tradition und Religion aus sei. Wenn sich mit den Jahren etwas änderte, dann war es Gurians Rhetorik, deren Ton im Lauf des Kalten Krieges schärfer wurde. Mehrere Jahre bevor im Westen Gerüchte über Stalins Verbrechen aufkamen, behauptete Gurian, dass die Sowjetunion nicht nur einen aggressiven Expansionskurs verfolge, sondern auch einen Genozid plane, der den der Nazis noch übertreffen werde. »Die Planung und Industrialisierung rücksichtsloser totalitärer Methoden«, schrieb er 1953, werde »zum Ausradieren nationaler Grenzen genutzt […] ganze Nationen und Bevölkerungsgruppen werden deportiert. Den Juden droht heute die Vernichtung oder der Verlust aller Rechte, da man sie als bürgerliche Nationalisten und als Kosmopoliten verurteilt. […] Die totalitäre Gnadenlosigkeit des sowjetischen Regimes macht Methoden möglich, deren Brutalität und Effizienz einen viel planvolleren Charakter haben als jemals zuvor.«

Was daraus folgen würde, machte Gurian unmissverständlich klar: »Sollte der Kampf gegen das totalitäre sowjetische Regime nicht zugleich ein Feldzug für die Befreiung von jeglicher Herrschaft Moskaus sein? Sollte die Existenz der totalitären Sowjetunion […] nicht ein Ende haben, damit ein dauerhafter Friede möglich wird?« Es waren keine unbedeutenden Publikationen, in denen solche Gedanken formuliert wurden. Sie erreichten Auflagen von mehreren Tausend Exemplaren und eine erhebliche Verbreitung an amerikanischen Universitäten.88 Der Auftrag des Instituts erschöpfte sich allerdings nicht in antitotalitärer Propaganda. Gurian wie auch die Rockefeller Foundation verstanden es in einem weitgefassten Sinn als Zentrum für katholisches Denken. So wurde das Institut zu einem Knotenpunkt der internationalen Forschung über zeitgenössische Politik und Religion und zu einem Sammelbecken diverser katholischer Interpretationen des Weltgeschehens. Es organisierte Konferenzen und Symposien zu Themen wie »Katholizismus und Vatikan in der Weltpolitik«, lud deutsche Philosophen zu Vorträgen über »Die Regierung der Welt und christliche Hoffnung« und italienische Politikwissenschaftler zum Thema »Christdemokratie in Westeuropa« ein. Alle Vorträge wurden umgehend in Sammelbänden oder Monografien sowohl für die breitere Öffentlichkeit wie 165

auch für das Fachpublikum herausgebracht. Das Institut organisierte zudem Veranstaltungen mit Hannah Arendt über ihre neueren Forschungen zu »totalitärem Terror und Organisation«, dem französischen Philosophen Ber­ trand de Jouvenel über »Die Vereinigten Staaten und Europa« sowie dem vom diplomatischen Dienst in die Wissenschaft gewechselten Robert Byrnes über internationales Recht. Im Rahmen eines ständigen Austauschprogramms lud es zudem katholische Professoren aus Frankreich und Deutschland zu Forschungsaufenthalten in Notre Dame ein und finanzierte Vortragsreisen katholisch-amerikanischer Intellektueller nach Europa. Da die Förderbeträge der Rockefeller Foundation Jahr für Jahr stiegen, konnte Gurians Institut seine Aktivitäten und die Reichweite seiner Publikationen stetig ausbauen.89 Das ambitionierteste Projekt des Instituts bestand in dem Versuch, seine Absolventen und Absolventinnen im diplomatischen Dienst unterzubringen. Wie Gurian gegenüber der Stiftung angab, sah er in seinen Studierenden die Vorhut der Mission, »die wahren Werte der säkularen Zivilisation und ihre Freiheiten gegen die säkularistischen Pseudoreligionen zu verteidigen«. Wenngleich er und die anderen Institutsmitglieder nie recht erklärten, wieso die säkulare Zivilisation – die Ursache der Zerstörung der modernen Politik – einer Verteidigung durch Christen würdig war, legten sie den Studierenden nahe, in ihren Dienst zu treten. Gleich in den ersten zwei Jahren des Institutsbetriebs führten sie eine Reihe neuer Kurse an der Universität von Notre Dame ein, die sich besonders den »päpstlichen Lehren über die internationale Ordnung, den Friedensbemühungen der katholischen Kirche […] den Methoden der sowjetischen Expansion und der Religionspolitik der Sowjetunion« widmeten. Später kamen Abendkurse über »Theorie und Praxis des Kommunismus« und »Die Krisen der heutigen Welt« hinzu, die von Laien und fortgeschrittenen Studierenden besucht wurden. Im Lauf der Zeit verschmolzen die diesbezüglichen Angebote des Instituts mit einem kleinen Programm der politikwissenschaftlichen Fakultät von Notre Dame, das Studierende offiziell für den diplomatischen Dienst ausbildete und vom US -Außenministerium gefördert wurde. Die Teilnehmenden belegten Seminare bei Gurian über die Sowjetunion, den Vatikan und die internationale Politik im 20. Jahrhundert. Rockefeller-Präsident Dean Rusk – ehemaliger Diplomat und späterer Außenminister –, wählte das Institut 1955 als geeigneten Rahmen für seine Vorlesungen über die außenpolitischen Beziehungen der Vereinigten Staaten in der Nachkriegsära. Durch Gurians Wirken wurden katholische Bildung und Forschung zu einer tragenden Säule des mit dem Kalten Krieg befassten Establishments. Unterstützt von der Rockefeller Foundation setzte das Institut seine Arbeit noch weit über Gurians Tod hinaus bis in die 1960er Jahre fort.90 166

In den Jahren vor seinem frühen Tod 1954 verankerte Gurian seine personalistischen Ideen im Zentrum der amerikanischen Sowjetologie und trat als bedeutender Vertreter auf diesem Gebiet hervor. Wie Hannah Arendt, Philip Mosely, Carl J. Friedrich und Hans Morgenthau prägte er mit seinen Auffassungen die theoretische und institutionelle Agenda der Rockefeller Foundation und beeinflusste die Vergabe von Fördermitteln. Gurians Ruf drang auch zu anderen Stiftungen vor – die Ford Foundation, die Carnegie Foundation und der American Council of Learned Societies baten ihn alle um Rat, wie sie die Soviet Studies fördern sollten. Ein Rockefeller-Vertreter schrieb: »Ich muss eine gewisse Bewunderung für die Arbeit des Instituts gestehen […]. [Gurian] ist ein Mann von Integrität und ein erstrangiger Experte für die Sowjetunion«; die Studien seines Instituts zählten zu den wichtigsten Beiträgen »zur Literatur über die internationale Politik«. Zwar kooperierten US -Stiftungen mit deutschen Emigrantinnen und Emigranten unterschiedlichster weltanschaulicher Orientierung und förderten sogar Studien über die Sowjetunion von marxistischen Autoren wie Herbert Marcuse, doch kaum jemand hatte einen so immensen Einfluss auf sie wie Gurian.91 Das Engagement der Rockefeller Foundation in Deutschland und ihre Förderung der amerikanischen Sowjetologie waren nicht nur ein Produkt des Wiederaufbaus nach 1945 und der Teilung der Welt durch den Kalten Krieg. Auch ergaben sie sich nicht einfach aus dem spezifischen liberalen Internationalismus der Stiftung. Mit beidem verschaffte sich vielmehr eine bestimmte Strömung des deutsch-katholischen Konservatismus Geltung, die im Exil überlebt und sich in das Geflecht aus amerikanischen Stiftungen, Intellektuellenkreisen und Universitäten integriert hatte. Mithilfe der Rockefeller Foundation traten Gurian und andere Emigranten für ihr antisäkulares Verständnis des Katholizismus und seines totalitären Feindes ein und verbreiteten dieses sowohl in Westdeutschland wie auch in Amerika. Ebenso beeinflussten Gurians Schriften das amerikanische Denken über den Kommunismus, die internationale Politik und die Sowjetunion. Die von ihm mitgeprägten Begriffe, sein Eintreten für demokratische Strukturen und für ein Bild der Sowjetunion, das diabolische Züge trug, bekamen auf beiden Seiten des Atlantiks allgemeine Gültigkeit. Mitte der 1950er Jahre hatten diese Ideen eine solche Verbreitung erlangt, dass sich kaum noch jemand daran erinnerte, wie umstritten sie einmal gewesen waren. Unter den vielen Allianzen, die der Kalte Krieg förderte, war die zwischen katholischen Personalisten und internationalistischen US -Stiftungen die vielleicht kurioseste. Ein tiefer Graben trennte das für die Rockefeller Foundation maßgebliche Leitbild einer »zivilisatorischen Mission« des Liberalismus, ihr 167

Vertrauen auf die Überlegenheit amerikanischer Forschung und Wissenschaft und ihren Glauben an eine progressive wissenschaftliche Bildung von Gurians konservativ motivierter Suche nach traditionellen, katholischen, organischen und antiindividualistischen Gemeinschaften. Während der Weimarer Ära hatten sich Vertreter der Stiftung und europäische Personalisten daher weitgehend ignoriert. Zwar teilten sie die ausgeprägte Verachtung für den Kommunismus, eine Zusammenarbeit wäre jedoch kaum vorstellbar gewesen. Doch der Schock des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges, die Nöte wie Chancen des Exils und eine starke Angst vor der wachsenden Macht der Sowjetunion führten sie zusammen. Da beide der Überzeugung waren, dass nur die liberale Demokratie ein soziales Chaos verhindern könne, und beide einen Kreuzzug gegen den Kommunismus befürworteten, nahmen sie einander als wertvolle Verbündete an. Diese Zusammenarbeit wurde schließlich Teil einer vom Kalten Krieg bewirkten gewaltigen Transformation, die sich im freiwilligen Engagement von Personen und Privatorganisationen für die Ziele des amerikanischen Staates ausdrückte. In den 1920er und 1930er Jahren hatte die Rockefeller Foundation unabhängig von der US -Regierung agiert. Katholische Personalisten begegneten staatlichen Institutionen sogar mit besonderem Misstrauen. Ihre Wertschätzung kleiner Gemeinschaften war auch ein Protest gegen die Macht des modernen Staates, den sie als potenziellen Schrittmacher des Säkularismus sahen. Als jedoch der Kalte Krieg begann, erkannten sowohl amerikanische Stiftungen wie auch Personalisten die Parallelen zwischen den eigenen Zielen und denen der US -Regierung. Die neue Supermacht war die einzige Kraft, die den Kommunismus aufhalten und nicht kommunistischen Gemeinschaften zu einem Aufschwung verhelfen konnte. Die dadurch motivierte Selbstmobilisierung für die Expansion der Staatsmacht war einer der substanziellsten Resultate des Kalten Krieges. Durch diese wurden enorme Finanzmittel und geistige Energien in den Dienst staatlicher Ziele gestellt und der US -Macht zu entscheidender weltanschaulicher Legitimation verholfen. Die Totalitarismustheorie wiederum bildete in vielerlei Hinsicht den Leim, der diese Partnerschaft zusammenhielt. Durch die Arbeiten Gurians und anderer europäischer Emigrantinnen und Emigranten avancierte sie zum wichtigsten Rahmen für die Deutung des Kommunismus als teuflische, rücksichtslose und beständig wachsende globale Gefahr. Aus ihren religiösen und eschatologischen Ursprüngen schöpfend, fasste die Theorie den Totalitarismus als ausländische Bedrohung und als potenzielle Gefahr im Zentrum der modernen Gesellschaft selbst: Indem sie ihr wahres Wesen verschleierten, könnten totalitäre Akteure die kulturelle Kraftlosigkeit der Demokratie ausnutzen und deren Institutionen von innen übernehmen. Die durch diese para168

noide Sichtweise geschürten Ängste hatten zur Folge, dass der Feldzug gegen den Kommunismus eine permanente kulturelle Mobilmachung erforderte, sowohl in den Vereinigten Staaten wie auch im Ausland. Gurian und Vertreter der Rockefeller Foundation erkannten die Schnittmengen, die sich durch ihr Eintreten für eine solche Mobilisierung ergaben. Ihre gemeinsamen Kampagnen förderten die Hinwendung deutscher Katholikinnen und Katholiken zur Demokratie, die Entstehung der Sowjetologie in den Vereinigten Staaten sowie allgemein die Stabilisierung der westlichen Allianz. Gurians Ideen und Arbeiten blieben bei allem Wandel, den sie in den 1930er Jahren erfuhren, immer an ihre Weimarer Wurzeln und an das Streben nach Verwirklichung der Person gebunden – eines Menschen, der in ein Gewebe aus Traditionen und Gemeinschaften eingebettet sein sollte. In der Weimarer katholischen Debatte über Politik und Selbstverwaltung argumentierte Gurian mit Nachdruck, trotz ihrer vielen Mängel und säkularen Ursprünge könne allein die Demokratie die spirituelle Integrität organischer Gemeinschaften und Familien schützen. Auch wenn er eine säkulare Politik niemals als legitim anerkennen konnte, beharrte er darauf, dass allein die Institutionen der liberalen Demokratie imstande seien, der Gefahr der nihilistischen Zerstörung durch den »totalen Staat« Widerstand zu leisten, wie auch der Gefahr einer totalen Politisierung und Säkularisierung, die von der radikalen Rechten wie Linken ausging. Die umfassende finanzielle Förderung aus den Vereinigten Staaten ermöglichte Gurian und anderen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Verbreitung dieser Botschaft; sie stellte ihnen die seit den 1920er Jahren gesuchte globale Plattform bereit, von der aus sie Denken und Kultur auf beiden Seiten des Atlantiks prägen konnten.

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Kapitel 4

Individuelle Freiheiten und die »wehrhafte Demokratie«: Karl Loewenstein und der aggressive Liberalismus

Im August 1956 fällte das Bundesverfassungsgericht eines der aufsehenerregendsten Urteile seiner Geschichte. Nach jahrelangen Beratungen folgten die Richter dem Wunsch der Bundesregierung und verboten die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Laut Gericht lehnten die Kommunisten die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab und hatten daher ihr Recht auf Partizipation am politischen Leben verwirkt. Zur Begründung führte das Gericht die Theorie der »streitbaren Demokratie« an, der zufolge der liberaldemokratische Staat antidemokratischen Kräften das Recht auf Vereinigung, Rede- und Meinungsfreiheit absprechen muss. Wie die Richter ausführten, hatte der Schutz demokratischer Institutionen Vorrang vor einer vollständigen Repräsentation des Volkes und der Staat folglich das Recht, den Kommunisten eine politische Existenz zu versagen. Die Bundesregierung setzte das historische Urteil mit großer Entschlossenheit um: Die KPD wurde mitsamt ihren Jugendverbänden aufgelöst, ihr Eigentum konfisziert. Damit wurde die Bundesrepublik zum einzigen europäischen Staat, in dem der Kommunismus offiziell verboten war. Einige Beobachter äußerten Erstaunen darüber, dass Deutsche in solchen »wehrhaften« Maßnahmen einen Schutz und nicht eine Einschränkung des demokratischen Lebens erkannten  – immerhin hatten die Nazis nur zwei Jahrzehnte zuvor ihren politischen Repressionsfeldzug in ähnlicher Weise mit einem Verbot der KPD und der Beschlagnahmung ihres Vermögens begonnen. In der DDR kommentierte die Tageszeitung Neues Deutschland diese offenkundige Ironie mit der Schlagzeile, die Bundesregierung habe »den Weg Hitlers« beschritten.1 Diese drastische Einschränkung politischer Rechte wurde durch einen allgemeinen Wandel des Liberalismus, und damit eines der größten politischen Lager in Deutschland, nach 1945 befördert. Seit dem 19. Jahrhundert waren die liberalen Parteien für den Schutz des Individuums vor dem Staat und für die Gleichheit vor dem Gesetz ungeachtet von Religion, Beruf oder Klasse eingetreten. Unterstützt vor allem von den gebildeten bürgerlichen Schichten 171

in den Städten, machten sie sich für »klassische« politische Freiheiten wie das Recht auf Meinungsäußerung und die Ausübung des Glaubens und für die Unantastbarkeit des Privateigentums stark. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren die meisten Liberalen der Ansicht gewesen, dass diese Rechte allen deutschen Bürgern zustanden, auch denen, die die Demokratie ablehnten. Im Kalten Krieg rückten sie von dieser Überzeugung ab. In den 1950er Jahren fand die Theorie der »streitbaren« oder auch »wehrhaften Demokratie« unter liberalen Politikern, Intellektuellen und Juristen breiten Zuspruch: Politische Rechte sollten nunmehr an die Loyalität gegenüber demokratischen Institutionen geknüpft werden. Auf diese Weise wurden Liberale dezidierte Befürworter einer Einschränkung von Rechten und energische Unterstützer der Beteiligung Deutschlands an der antikommunistischen Unterdrückung im Zuge des Kalten Krieges.2 Historikerinnen und Historiker haben diese kämpferische Haltung gegenüber demokratischen Rechten häufig auf das Trauma des Nationalsozialismus zurückgeführt, wonach die Nazis die Demokratie durch den Missbrauch politischer Freiheiten von innen zerstören konnten, vor allem indem sie sich auf ihrem Weg zur Macht die uneingeschränkte Redefreiheit und parlamentarische Mechanismen zunutze machten.3 Geistesgeschichtlich betrachtet, wurzelten der Wandel des deutschen Liberalismus und die Herausbildung der wehrhaften Demokratie jedoch in älteren Erfahrungen. Was sie stark prägte, war die Neuauflage einer Theorie, die Karl Loewenstein in der Weimarer Ära vertreten hatte – jener Liberale, der später in der Emigration auch den Begriff der »wehrhaften Demokratie« erfand. Als junger Jurist hatte Loewenstein demokratische Strukturen wie das Parlament und die Parteien als Hüter individueller Freiheiten gepriesen. Ihren Sinn sah er nicht in der Repräsentation des Volkswillens, sondern in der Verhinderung des Missbrauchs demokratischer Freiheiten und einer Unterstützung von Diktaturen durch die Massen. In seinen Augen gebührte den individuellen Freiheiten der Vorrang gegenüber dem allgemeinen Volkswillen, während sie gleichzeitig an die Loyalität zum demokratischen Staat geknüpft werden sollten. Dieser hatte folglich das Recht und sogar die Pflicht, jedem, der diese Freiheiten bedrohte – etwa Kommunisten und Faschisten –, das Recht auf freie Rede und politische Organisation abzuerkennen. In dieser Überzeugung rief Loewenstein die deutschen Liberalen schon in der Weimarer Zeit dazu auf, von ihrer uneingeschränkten Unterstützung universeller Freiheiten Abstand zu nehmen. Im Sinne der Selbstverteidigung müsse die Weimarer Republik wachsam sein und antidemokratische Parteien im Zaum halten.4 Diese Gedanken vermochten es zwar nicht, die Weimarer Republik zu retten, jedoch fanden sie nach dem Zweiten Weltkrieg Verwendung – wenngleich 172

mit unvorhergesehenen und düsteren Folgen. Vor allem Vertreterinnen und Vertreter des amerikanischen Justizministeriums, die eine kommunistische Unterwanderung der Vereinigten Staaten befürchteten, adaptierten sie und gewannen Loewenstein für einen massiven internationalen Feldzug, bei dem »subversive« Akteurinnen und Akteure im eigenen Land und in Lateinamerika verhaftet, eingesperrt und deportiert wurden. In einem weitreichenden – heute weitgehend vergessenen – Experiment der US -Außenpolitik verbündeten sich amerikanische Diplomatinnen und Diplomaten mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Brasilien, Chile, Honduras, Mexiko, Venezuela und anderen Ländern und bauten ein Netz von Internierungslagern in der westlichen Hemisphäre auf. Tausende Menschen, die sie als Feinde der demokratischen Ordnung einstuften, wurden verhaftet, als politische Gefangene eingesperrt und sogar aus dem Land geschafft. Loewenstein war der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten das geeignetste Vehikel für die Verwirklichung seiner kämpferischen Demokratietheorie seien. Wie Ernst Fraenkel in Korea glaubte er an die universelle Gültigkeit der demokratischen Ideen und im amerikanischen Machtbereich ließen sich seine spezifischen Konzepte aus der Weimarer Zeit vermutlich auch umsetzen. Die tragischen Folgen dieser Ideen waren jedoch – wie in Korea – furchtbare Gewalt und breit angelegte Repression. Wie Friedrich, Fraenkel und Gurian kehrte auch Loewenstein nach Deutschland zurück. Der gebürtige Münchner sprach mit Unterstützung der Amerikaner vor Tausenden Wissenschaftlern, Studierenden und Politikern, um ihnen die »wehrhafte Demokratie« zu erklären, die schließlich dem KPD -Verbot von 1956 zugrunde lag. Für viele zeigte Loewensteins Theorie überzeugend auf, warum politische Verfolgung und die Einschränkung von Freiheiten die Demokratie nicht etwa untergruben, sondern im Gegenteil ihr Fortbestehen sicherten.

Dissens unter liberalen Demokraten Wie Sozialisten und Katholiken nahmen auch Liberale die Gründung der Weimarer Republik mit einer Mischung aus Triumphgefühlen und Angst auf. Die demokratische Revolution von 1918 hatte den liberalen Grundgedanken einer auf individuellen Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit beruhenden Ordnung verwirklicht. Unter Federführung von Hugo Preuß, einem der wichtigsten liberalen Rechtsgelehrten in Deutschland, waren in der Weimarer Verfassung wesentliche Prinzipien des Liberalismus wie die Presse- und 173

Vereinigungsfreiheit und der Schutz des Privateigentums verankert worden. Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bekleideten auf Reichs- und Länderebene Regierungsämter und nutzten diese entschlossen, um ihre gesellschaftspolitischen Ziele, etwa die Gleichstellung von Frauen und ein freiheitliches Bildungssystem, voranzutreiben.5 Gleichzeitig waren Liberale in der Weimarer Ära häufig Hass und Gewalt ausgesetzt: Die Führer nationalistischer und monarchistischer Milizen riefen unablässig zum Sturz der Demokratie auf und stachelten ihre Anhängerschaft zu Gewalttaten gegen Liberale und ihre Verbündeten an. In den frühen Jahren der Weimarer Republik hatte diese hasserfüllte Kampagne etliche Terrorakte und gescheiterte Putschversuche zur Folge. So fiel Walter Rathenau, Außenminister und bedeutendster Politiker der DDP, 1922 einem Attentat von Rechtsradikalen zum Opfer. Zu Beginn der 1930er Jahre entfalteten antidemokratische Gewalt und Unterwanderung eine noch größere Wirkmacht: NSDAP und KPD, die beide im Parlament vertreten waren und unter der Weimarer Verfassung, die Redeund Versammlungsfreiheit garantierte, einen Aufschwung erlebten, arbeiteten offen auf den Sturz der bestehenden Ordnung hin. Der Erfolg der Demokratie ging Hand in Hand mit einem Erstarken der größten Feinde des Liberalismus. Ob die Republik angesichts solcher Bedrohungen Bestand haben konnte, war eine politische und theoretische Frage von äußerster Dringlichkeit.6 Der Eindruck, dass die Republik paradoxerweise das Erstarken ihrer eigenen Feinde begünstigte, bildete den Hintergrund für Loewensteins kämpferische Theorie, wobei sich in seinen frühen Überlegungen auch persönliche Erfahrungen aus seiner Münchner Zeit niederschlugen. In den ersten Jahren der Weimarer Ära war die bayerische Hauptstadt Schauplatz ausgiebiger politischer Gewalt, gescheiterter Staatsstreiche und blutiger Zusammenstöße zwischen der jungen Republik, Kommunisten und extremen Nationalisten wie Anhängern der gerade entstehenden nationalsozialistischen Partei. Gleichzeitig bildete die Münchner Universität ein Zentrum liberaler Gelehrter, die sich dort zur Förderung demokratischer Theorien und internationaler Kooperationen versammelten. Zu ihnen zählten Karl Neumeyer, der das Fachgebiet des internationalen Rechts mitbegründete und für eine internationale liberale Kooperation eintrat, Robert Piloty, ein Spezialist für die britische Politik und leidenschaftlicher Befürworter des parlamentarischen Systems, Albrecht Mendelssohn-Bartholdy, ein renommierter Experte für internationale Zusammenarbeit und später Vertreter Deutschlands beim Völkerbund und dem Ständigen Schiedshof in Den Haag, sowie kurzzeitig der herausragende Soziologe Max Weber. Im Münchner Mikrokosmos entfaltete sich das ganze Drama des deutschen Liberalismus zwischen demokratischem Optimismus und antidemokratischem Aufruhr.7 174

Loewenstein, 1891 in eine jüdische Familie geboren, studierte Recht und Volkswirtschaftslehre bei den genannten Wissenschaftlern in seiner Geburts­ stadt München sowie kurze Zeit in Heidelberg, wo er ein Schüler Max Webers wurde.8 Nachdem er im Ersten Weltkrieg im Münchner Büro der Rechtsabteilung des Militärs gedient hatte (unter dem späteren Innenminister der Nazis Wilhelm Frick) und in den ersten Jahren der Weimarer Republik Zeuge der Straßengewalt von Nazis und Kommunisten geworden war, schloss er sich als Student Münchner liberalen Kreisen an, denen er auch als zunehmend renommierter Wissenschaftler verbunden blieb. Im Herbst 1932 stellte ihn die Universität als Dozenten für internationales und vergleichendes Verfassungsrecht ein und die Münchner DDP spielte mit dem Gedanken, ihn als Kandidaten für die Reichstagswahlen zu nominieren.9 Während der gesamten Weimarer Zeit war Loewenstein bemüht, die fragile Republik durch eine neue liberale Theorie der Rechte und des Schutzes der Demokratie zu stärken. In seinen Augen hatten die deutschen Liberalen nicht begriffen, welche politischen und geistigen Kräfte für demokratische Politik wirklich entscheidend waren, und daher auch das Wesen ihrer Feinde verkannt. Mit der Motivation, diese Versäumnisse zu beheben, machte er sich an eine Untersuchung der historischen Ursprünge der Demokratie sowie der Mechanismen, die sie in Europa und den Vereinigten Staaten entwickelt hatte. Die große Mehrheit der Liberalen war nämlich der Überzeugung, dass das Wesen der Demokratie keinerlei Maßnahmen zulasse, die auf die Eindämmung extremistischer Gewalt zielten. In den Augen führender liberaler Intellektueller und Politiker gründete die Demokratie auf einem politischen Relativismus: Da in einer säkularen Ordnung keine Weltanschauung der anderen überlegen war, besaß die Demokratie kein Recht, irgendein Handeln oder Denken einzuschränken oder auszugrenzen, selbst wenn es ihre Zerstörung zum Ziel hatte. So meinte etwa der Rechtsgelehrte und Justizminister Gustav Radbruch über »die verschiedenen Parteiauffassungen vom Allgemeinwohl«, dass »jede von ihnen so unbeweisbar wie die andere […], jede aber auch so unwiderlegbar wie die andere« sei und Liberale daher kein Recht hätten, missliebige Meinungen zu verbieten oder einzuschränken.10 Hans Kelsen, einer der bedeutendsten liberalen Denker und Rechtstheoretiker Mitteleuropas, unterschied die Demokratie von der Autokratie dadurch, dass Erstere anerkenne, dass es eine absolute Wahrheit nicht gebe. Der »metaphysisch-absolutistischen Weltanschauung« war demnach »eine autokratische, der kritisch-relativistischen die demokratische Haltung zugeordnet«.11 Laut Kelsen und seinen Schülern hatte die Republik die Aufgabe, den Willen des Volkes umfassend zu repräsentieren, woraus »ihr tragisches Schicksal« erwuchs, dass sie selbst Demokratiefeinden die Partizipation in ihren Ins175

titutionen gestatten müsse. Liberale könnten zwar hoffen, Bürgerinnen und Bürger durch Aufklärung für die Demokratie zu gewinnen, dürften sie aber nicht dazu zwingen.12 Loewenstein hielt solche Ansichten für falsch und gefährlich. Die Demokratie beruhte für ihn nicht auf Relativismus, sondern auf dem festen Glauben an die Bedeutung demokratischer Institutionen. Alle modernen Ordnungen hatten sich laut Loewenstein in einem anhaltenden Kampf zweier demokratischer Lehren herausgebildet: der »repräsentativen« und der »unmittelbaren Volksgesetzgebung«. Beide erklärten »das Volk« zur letztgültigen Quelle politischer Macht, hatten aber ganz unterschiedliche politische Institutionen und Werte hervorgebracht. Der Staats- und Verfassungsrechtler erläuterte die Differenz zwischen diesen beiden Weltanschauungen, um Liberale an die Ursprünge ihrer Werte zu erinnern und um das Wesen ihrer Feinde zu erhellen und zu erklären, warum man sie unterdrücken müsse. Loewenstein war Anhänger der repräsentativen Demokratie, wie sie sich im Lauf des 17. Jahrhunderts in Großbritannien und Nordamerika herausgebildet hatte. In ihr hatte jede Regierung die Pflicht, den Interessen und dem Willen des »Volkes« zu dienen, wodurch traditionelle Quellen der Macht infrage gestellt und auf verschiedene Klassen und Gruppen verteilt werden sollten. Damit begrenzten britische und amerikanische Philosophen die Macht des Monarchen und zwangen ihn, sie mit anderen zu teilen. Loewenstein behauptete, das angelsächsische Konzept der Repräsentation habe das Aufkommen von Einrichtungen wie Parlamenten, Stadträten und Gerichten gefördert, durch die die Macht des Staates aufgeteilt werde: Das Gleichgewicht zwischen ihnen verhindere eine Machtkonzentration in einem einzigen Zentrum. Zudem garantiere das System der checks and balances eine Reihe individueller Freiheiten wie die Gleichheit vor dem Gesetz und die Religionsfreiheit.13 Wie viele deutsche Liberale – so auch wie Carl J. Friedrich – war Loewen­ stein davon überzeugt, dass demokratische Institutionen nur unter der Aufsicht einer umsichtigen und verantwortungsvollen politischen Elite gedeihen könnten: Eine Klasse hochbegabter und gebildeter Politiker, die dem Prinzip individueller Freiheiten verpflichtet seien, sollte sicherstellen, dass sich die Macht nicht in den Händen eines autokratischen Herrschers konzentriere. Übereinstimmend mit liberalen Intellektuellen wie Richard Thoma und Gerhard Anschütz hegte Loewenstein ein zutiefst elitäres Misstrauen gegenüber den »Massen«. Die meisten Bürgerinnen und Bürger schienen ihm anfällig für dumpfe Gefühle und verantwortungslose Demagogie; sie seien außerstande den hohen Wert der vom liberalen Staat gewährleisteten Freiheiten zu erkennen. In Loewensteins Modell sollten repräsentative demokratische Institutionen nicht das Volk zu einer aktiven Partizipation an der Politik 176

ermutigen, sondern verantwortungsvollen Eliten den Schutz individueller Freiheiten und der Teilung der Macht ermöglichen.14 Das Entscheidende am britischen und amerikanischen System war demnach die Erkenntnis, dass die repräsentative Demokratie ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Volk benötige. Sowohl britische wie auch amerikanische Eliten hatten laut Loewenstein verstanden, dass eine Demokratie die Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess beteiligen, aber zugleich einen Missbrauch demokratischer Freiheiten durch die von dunklen Kräften getriebenen Massen verhindern müsse. Die Amerikaner hätten ihren Staat und ihre Bundesverfassung hinter verschlossenen Türen, ohne Beiträge aus der breiten Bevölkerung entworfen; selbst als sie die Verfassung dem Volk zur Ratifizierung vorlegten, hätten sie keine Ergänzungen oder Veränderungen gestattet. Auch die britischen Parlamentsabgeordneten bemühten sich, so Loewenstein, anfangs darum, der Öffentlichkeit nur begrenzten Einblick in ihre Debatten zu gewähren, indem sie geheime Sitzungen abgehalten und Journalisten Informationen vorenthalten hätten. Diese historischen Beispiele bewiesen in Loewensteins Augen, dass in einem repräsentativen System die Institutionen der Demokratie über dem Willen des Volkes stünden: Parlament, Wahlen und Verfassung müssten unabhängig davon, ob sie die Zustimmung des Volkes genossen, das öffentliche Leben bestimmen. Die Auffassung deutscher Liberaler wie Radbruch und Kelsen, demokratische Institutionen sollten den Willen des Volkes repräsentieren, sei daher falsch. Die Institutionen sollten vielmehr universelle Freiheiten schützen und gegenüber dem Irrationalismus des gewöhnlichen Volkes wachsam bleiben.15 Doch sei die repräsentative Demokratie nicht die einzige Form von Volksherrschaft. Ihre Konkurrentin war nach Loewensteins Theorie die »radikale Demokratie«, deren Ursprünge sich bis zu Jean-Jacques Rousseau und den radikalen Kräften in der Französischen Revolution zurückverfolgen ließen. Politische Legitimität entsprang hier der Gemeinschaft als einem einheitlichen Organismus – dem »allgemeinen Willen«. Das Ziel radikaler Demokraten sah Loewenstein in der Bildung politischer Organe, die die gesamte Gemeinschaft in den Staat integrieren sollten. Staatliche Institutionen hatten demnach den Willen der Massen so unmittelbar wie möglich auszudrücken, wodurch ihnen die volle Hoheit sowohl über die inneren Angelegenheiten des Landes als auch über dessen Außenpolitik zugestanden werden sollte. Als entscheidende Mechanismen der radikalen Demokratie erschienen Loewen­ stein die direkte Wahl der Exekutive – etwa die Wahl des Präsidenten durch das Volk in der französischen Dritten Republik – und Volksabstimmungen, die den Bürgern umfassende Entscheidungsgewalt geben sollten. Sie zielten darauf, das Volk hinter einem Führer oder einer bestimmten politischen 177

Entscheidung zu vereinigen und so seine politischen Energien zu kanalisieren. Loewenstein zufolge politisierte dieses radikale Demokratieverständnis die Massen und bezog sie stark in die staatlichen Angelegenheiten ein; die radikale Demokratie sei die Triebkraft aller modernen Revolutionen in Europa gewesen, somit irreversibel und ein fester Bestandteil der modernen Politik;16 die Entstehung brutaler Tyranneien war ihre bedauerliche Folge. In ihrem Drang nach Einheit versuchten radikale Demokraten, soziale Unterschiede zu beseitigen, wodurch sie alle Freiheiten opferten und die liberale Gewaltenteilung zerstörten. Wie sie das »Volk« dabei definierten  – ob sie seine politische Identität durch die Kategorie der Nation, der Klasse oder der »Rasse« bestimmten –, war für Loewenstein dabei weitgehend unerheblich. Sowohl die sowjetische Utopie einer klassenlosen Gesellschaft als auch der extreme Nationalismus des faschistischen Italiens waren demnach Varianten radikaler Demokratie. Loewenstein behauptete, eine seitdem »nicht mehr unterbrochene Kontinuität« führe von Rousseaus Vorstellung eines kollektivpartizipatorischen Staates zu den unterdrückerischen Regimen Lenins und Mussolinis. So wie die französischen Revolutionäre alle Franzosen repräsentieren wollten, versuchten die Bolschewiki die gesamte Arbeiterklasse und die italienischen Faschisten die geeinte Nation zu verkörpern. Rousseau und seine Anhänger hatten gemäß Loewensteins Narrativ eine zerstörerische politische Vision in die Welt getragen: Indem sie versucht hätten, ganze Nationen und Staaten zu homogenen Gebilden zu formen, hätten sie Regime geschaffen, in denen an die Stelle der verantwortlichen Eliten der repräsentativen Demokratie eine massenhafte Versklavung getreten sei.17 Nach Loewenstein erklärte diese Geschichte des permanenten Konflikts zwischen den Konzepten der repräsentativen und der radikalen Demokratie die Entwicklung der modernen Politik. Seit der amerikanischen und der französischen Revolution hätten alle Länder, die »das Volk« als höchste Autorität anerkannten, unter gemischten, widersprüchlichen Ordnungen gelebt, in denen liberale und radikale Ideen miteinander um die Vorherrschaft rangen. So hätten beispielsweise viele lokale Regierungen in den Vereinigten Staaten gegen ihr angeblich repräsentatives Ethos verstoßen, als sie den Bürgern (und später auch den Bürgerinnen) die Möglichkeit gaben, Verfassungsänderungen vorzuschlagen und darüber abzustimmen. Die französische Dritte Republik wiederum habe zwar dem repräsentativen Parlament beträchtliche Autorität gegeben, gleichzeitig jedoch die machtvolle Position des direkt gewählten Präsidenten geschaffen.18 Dieser allgemeine Kampf zwischen den unkontrollierbaren Impulsen der radikalen Demokratie und dem mäßigenden Einfluss repräsentativer Traditionen habe sich auch in der Weimarer Verfassung niedergeschlagen – sie habe dem Parlament die oberste Entscheidungsgewalt 178

und viele individuelle Freiheiten zugestanden, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern die Initiierung von Plebisziten und die direkte Wahl des Präsidenten erlaubt. Loewenstein zufolge zeugte diese Mischung aus repräsentativen und radikalen Formen vom Unvermögen der Weimarer Liberalen, ihre Vorstellungen umfassend zu implementieren, da sie vor allem Radikalen die nötigen Instrumente zur Untergrabung der liberalen Ordnung verschafft habe. Die Schwachstellen der Weimarer Republik seien somit in der Struktur ihrer Demokratie angelegt.19 Die Tragödie der liberalen Demokratie sah Lowenstein also darin, dass ihre wesentlichen Institutionen und Prinzipien – »das Volk«, Wahlen und repräsentative Politik – das Potenzial zur Selbstzerstörung bargen. Nicht anders als Liberale würden auch Kommunisten und Faschisten behaupten, stets im Geist der Demokratie zu handeln, wenn sie ihre Anhänger mobilisierten und bei Wahlen antraten. Der Angriff auf den Liberalismus sei somit kein außergewöhnlicher, nur in Krisenmomenten auftretender Vorgang, sondern im demokratischen Vokabular selbst verankert – eine ständig hinter der Fassade liberaler Ideen lauernde Gefahr.20 Während der Weimarer Ära studierte Loewenstein britische und amerikanische Modelle, die er für geeignet hielt, die »radikalen Massen« zu bändigen. Briten und Amerikaner hatten seines Erachtens verstanden, dass demokratische Institutionen die Souveränität der Nation transzendierten und die Massen ohne Einschränkung individueller Freiheiten erfolgreich in die Politik integrieren konnten. Ein Beispiel für eine solche Institution war für ihn das nordamerikanische town hall meeting, bei dem Kongressabgeordnete regelmäßig ihre Wähler trafen und sich deren Nöte und Wünsche anhörten. Solche Foren gäben den Menschen Gelegenheit zu Unmutsbekundungen, zwangen die Abgeordneten aber nicht zu einer übereilten Umsetzung der Forderungen aus dem Volk, da sie für die Dauer ihres Mandats unabhängig agieren könnten. Ein anderes Beispiel seien politische Parteien, die gesellschaftliche Kräfte in parlamentarische Debatten kanalisierten. Anstatt die gesamte Nation zu repräsentieren, drückten sie den Willen und die Interessen bestimmter Gruppen aus und seien somit gezwungen, miteinander zu verhandeln und Koalitionen zu bilden. An diesen Modellen sollten sich deutsche Liberale nach Loewensteins Auffassung orientieren.21 Das geeignetste Modell für die Stärkung der Republik und die Zähmung der Massen sah Loewenstein in der neuen britischen Theorie des »Pluralismus«, die in den frühen 1920er Jahren intensive Debatten unter politischen Theoretikern entfachte. Nach der Definition von Harold Laski, einem jungen Politikwissenschaftler und Freund Loewensteins, bedeutete Pluralismus, dass der liberalen Demokratie mit einer Verteilung der Macht auf möglichst viele 179

Knotenpunkte am besten gedient sei. Die Bereitschaft des Staates, sich die Macht mit Organisationen wie Kirchen, Verbänden und Gewerkschaften zu teilen, bot demnach eine Gewähr für individuelle Freiheiten.22 Loewen­ stein sah darin auch die Chance, in Deutschland verantwortungsvolle Eliten hervorzubringen: Indem die Republik die Führungsschichten von Vereinen, Kommunen und Gewerkschaften in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen und zum Dienst am Allgemeinwohl motivieren würde, könne sie Eliten ausbilden, die individuelle Freiheiten verteidigen und zugleich die Massen unter Kontrolle halten würden. Im Zuge dieses Prozesses sollten die Deutschen allmählich lernen, den Staat nicht als die politische Verwirklichung einer mystischen und »organischen« Nation zu betrachten und den Wert individueller Freiheiten und repräsentativer Institutionen zu erkennen. Loewensteins Denken lag somit von Beginn an eine eklatante Spannung zugrunde: Während er sich mit Nachdruck für repräsentative Institutionen aussprach, machte er ihre Legitimität gerade an der Schwächung und Beschränkung des Willens der Bevölkerung fest.23 In der Auseinandersetzung mit der eskalierenden politischen Krise, die Deutschland in den frühen 1930er Jahren erfasste, radikalisierten sich Loewen­steins Ansichten zunehmend. Nachdem die Katastrophe der weltweiten Wirtschaftskrise das Land erreicht hatte, verzeichnete die NSDAP bei den Reichstagswahlen von 1930 einen kometenhaften Aufstieg: Die Zahl ihrer Mandate stieg sprunghaft von 12 auf 107, womit sie zur zweitstärksten Partei wurde. Auch die KPD, der zweite Todfeind der liberalen Demokratie, legte bei den Wahlen zu – während Loewensteins DDP in der Bedeutungslosigkeit versank. In den folgenden drei Jahren herrschte im Reichstag ein offen antidemokratisches Verhalten vor; die extreme Rechte und Linke verhinderten jegliche Koalitionsbildung und zwangen die Kabinette, per Notverordnung zu regieren. Die grundlegenden Institutionen und Organisationen des deutschen Liberalismus schienen dem Untergang geweiht.24 Loewenstein reagierte auf diese dramatische politische Situation mit einer Reihe kämpferisch gestimmter Schriften und Reden. Um den deutschen Liberalismus zu retten, sprach er der repräsentativen Demokratie sowohl das Recht wie die Pflicht zu einem entschiedenen Vorgehen gegen die Vertreter radikaler Ideologien zu: Für ihn war der Zeitpunkt gekommen, den gegen den liberalen Staat agierenden Faschisten und Kommunisten die Stirn zu bieten; die Verteidigung des parlamentarischen Systems erfordere es, dass die deutsche Republik den Radikalen bürgerliche Freiheiten verwehre. Diese Positionen vertrat Loewenstein beispielsweise auf einer Tagung deutscher Staatsrechtslehrer, die sich im Oktober 1931 in Halle (Saale)  mit der Verfassungskrise und möglicher Abhilfe gegen die politische Lähmung der Weimarer Republik 180

befasste. Unter Beteiligung renommierter Rechtsgelehrter wie Georg Jellinek, Richard Thoma und Ernst Jacobi entzündete sich auf der Konferenz eine hitzige Debatte, in der Loewenstein erklärte, die Republik habe »die Pflicht der Selbsterhaltung«; Parteien, die »programmatisch und durch die Tat den Parlamentarismus verwerfen«, müssten ungeachtet ihres starken Rückhalts in der Bevölkerung »ausgeschlossen werden«. Konkret bedeutete dies, Nazis und Kommunisten die Beteiligung an Wahlen, die Verbreitung politischer Propaganda und möglicherweise sogar das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verwehren. Ebenso sollte die Republik in Betracht ziehen, nur Parteien mit einer demokratisch gewählten Führung zu Parlamentswahlen zuzulassen und Beamten die Mitgliedschaft in radikalen Parteien zu verbieten. In einem Schlagabtausch mit Radbruch und Kelsen argumentierte Loewenstein, dass demokratische Institutionen nicht Ausdruck eines Relativismus, sondern empirisch gültiger und höherwertiger Freiheiten seien, die nicht unabhängig vom repräsentativen Staat existierten: Sie seien ein Bestandteil des einzigartigen Bundes, den liberale Ordnungen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern eingingen. Liberale sollten sich daher mithilfe staatlicher Institutionen gegen ihre gewalttätigen Feinde »entschlossen […] zur Wehr setzen«.25 Damit modifizierte Loewenstein mutig Grundüberzeugungen des deutschen Liberalismus, der sich in einem rapiden Niedergang befand. Während individuelle Freiheiten und Rechte vom Gros der führenden Liberalen weiterhin als unantastbar betrachtet wurden, stellte Loewenstein sie in den Rahmen des Kampfs des liberalen Staates gegen seine radikalen Feinde. Gleichzeitig projizierte er sein eigenes Demokratieverständnis auf Großbritannien und die Vereinigten Staaten und erklärte sie zu natürlichen Verbündeten der deutschen Liberalen. An diese appellierte der Rechts- und Staatswissenschaftler – mehrere Jahrzehnte vor dem Kalten Krieg und der Entstehung der westlichen Allianz –, sich zur Stärkung der eigenen demokratischen Institutionen am Westen zu orientieren. In der Weimarer Zeit entfalteten diese Gedanken wenig Durchschlagskraft. Loewenstein gewann zwar an wissenschaftlicher Reputation, doch die republiktreuen Kräfte im Reichstag ignorierten seine Appelle und unternahmen keinerlei Versuche, das Erstarken der extremistischen Parteien durch rechtliche oder politische Maßnahmen aufzuhalten. Wenige Jahre später fanden seine Theorien allerdings ein bemerkenswertes Echo auf der anderen Seite des Atlantiks.

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Die Geburt der »wehrhaften Demokratie« und Diplomatie in Lateinamerika Wie für demokratisch orientierte Protestanten, Sozialisten und Katholiken bedeutete das »Dritte Reich« auch für Liberale das gewaltsame Ende ihres politischen und geistigen Wirkens. Ihren Glauben an Bürgerrechte und Gewaltenteilung hatten die Nazis seit jeher verachtet. In einem von dem hochrangigen NS -Funktionär Dietrich Klagges herausgegebenen Schulbuch wurde beispielsweise erklärt, der Traum der Liberalen von einer »Menschheitsverbrüderung« habe zum »zersetzende[n] Einfluß des Judentums auf das deutsche Volk« geführt.26 Die DDP löste sich im Juni 1933 kleinlaut auf; Verlage, die eine liberale Kultur gefördert hatten, wurden von den Nazis geschlossen und die Universitäten gleichgeschaltet. Namhafte intellektuelle Vertreter des deutschen Liberalismus wie Albrecht Mendelssohn-Bartholdy, Hans Kelsen und Gerhard Anschütz zogen sich einer nach dem anderen aus dem öffentlichen Leben zurück oder verließen Deutschland. Auch die liberalen Intellektuellen an der Münchner Universität, darunter Loewenstein, fielen den nationalsozialistischen Säuberungen zum Opfer; sie wurden aufgrund ihrer politischen Verbindungen oder ihrer jüdischen Herkunft entlassen. Bereits 1934 war von der vormals dynamischen politischen und geistigen Bewegung, die Deutschland mitgeprägt hatte, kaum etwas übrig geblieben.27 Nachdem Loewenstein 1933 in die Vereinigten Staaten geflohen war, nahm er dort seine Kampagne für die Bekämpfung der radikalen Feinde repräsentativer Ordnungen unbeirrt wieder auf. Diesmal fand seine weltanschauliche Mission die breite Beachtung, die ihr in Deutschland verwehrt geblieben war. Die Veröffentlichung englischsprachiger Ausgaben seiner Schriften fiel mit einer wachsenden Angst unter amerikanischen Politikern vor einer Infiltration des demokratischen Systems durch antidemokratische, insbesondere kommunistische Kräfte zusammen. Loewensteins Behauptung, dass eine verantwortungsvolle Elite die Rechte von Extremisten einschränken könne, ohne der Demokratie zu schaden, fand bei Antikommunisten Anklang und machte den Staatsrechtler zu einem öffentlich wahrgenommenen Intellektu­ellen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges griffen US -Diplomaten seine rigiden Vorstellungen auf und gewannen Loewenstein für die Mitarbeit an einer neuen offensiven Politik der Sicherheitskooperation in Lateinamerika. Im Zuge der Kriegsanstrengungen entzogen Loewenstein und seine amerikanischen Kollegen Tausenden von vermeintlich »subversiven Personen« in der westlichen Hemisphäre grundlegende Rechte, wodurch sie sie in große Schwierigkeiten brachten und ganze Leben ruinierten. Diese gewaltsame Kampagne markierte den Beginn 182

der Zusammenarbeit zwischen dem emigrierten Liberalen und dem US -Militär; sie wurde nach 1945 im Rahmen des deutschen Wiederaufbaus fortgesetzt. Nach seiner Flucht in die Vereinigten Staaten erhielt Loewenstein 1934 auf Vermittlung Harold Laskis und des Harvard-Juristen und späteren Richters am Obersten Gerichtshof Felix Frankfurter Lehraufträge für Recht und Politik an der Yale University und dem Amherst College.28 Seine eigene Forschung kreiste erneut um das Problem des politischen Extremismus und demokratischer Freiheiten. Seine bisherigen Überlegungen erweiterte Loewen­stein nun insofern, als er alle repräsentativen Demokratien zu einer radikalen Einschränkung von Freiheiten und einem harten Vorgehen gegen ihre inneren Feinde aufrief. An die Vereinigten Staaten appellierte er darüber hinaus, ihre Achtung der nationalen Souveränität anderer Länder aufzugeben und aggressiv gegen »radikale Regime« zu intervenieren. Wie Friedrich und Fraenkel zweifelte Loewenstein kaum an der offenkundigen Allgemeingültigkeit des eigenen Verständnisses von Rechten und ihren Grenzen: Aus seiner Sicht standen die Amerikaner vor denselben Gefahren wie die Weimarer Liberalen und sollten daher die Maßnahmen ergreifen, die diese versäumt hatten. Der Kerngedanke von Loewensteins Theorie war die »wehrhafte Demokratie«.29 Nun sollte er Wirkung entfalten: Das manichäische Narrativ eines Kampfes der Weltanschauungen wurde aus der deutschen Innenpolitik in die globale Arena übertragen. Loewenstein zufolge teilte sich die Welt mit rasender Geschwindigkeit in zwei Lager: Auf der einen Seite standen die liberalen Demokratien, auf der anderen ihre Todfeinde, die er nunmehr im Sprachgebrauch von Emigranten wie Gurian als »totalitär« bezeichnete.30 Gemäß diesem Narrativ hatten der Aufstieg des italienischen und deutschen Faschismus radikale Bestrebungen zu einer Weltrevolution gegen die repräsentative Demokratie beschleunigt. Eine »faschistische Internationale in unterschiedlich gefärbten Gewändern« vereine die Revolutionäre aller Länder »über nationale Grenzen hinweg und völlig ungeachtet der historischen Unterschiede zwischen traditionell voneinander getrennten Nationalismen«. Diese Bewegung hatte laut Loewenstein bereits Italien, Deutschland, die Türkei und Spanien erfasst und stand nun im Begriff, auch Österreich, Bulgarien, Griechenland, Portugal, Rumänien, Ungarn und das übrige Mittel- und Osteuropa zu verschlingen. Es handele sich um eine internationale Verschwörung zum Sturz aller demokratischen Ordnungen. Die Agenten des Totalitarismus arbeiteten fieberhaft an der Errichtung von Brückenköpfen in Großbritannien, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten, um den Boden für ihre weltweite Revolution zu bestellen.31 Der Totalitarismus war für Loewenstein weit mehr als eine ausländische Bedrohung. Wie Friedrich, Fraenkel und Gurian erkannte auch er den Haupt183

gegner in den Strukturen der liberalen Demokratie selbst: Die Freiheiten, die sie allen Bürgerinnen und Bürgern eines Staates gewähre, würden von radikalen Revolutionären ausgenutzt, deren Erfolg sich einer »perfekten Anpassung an die Demokratie« verdanke. Während die Gefährdung der Demokratie laut Fraenkel von wirtschaftlicher Ungleichheit und einer Überbetonung individueller Freiheiten, laut Friedrich und Gurian von der Säkularisierung ausging, machte Loewenstein sie in den auch ihren Feinden zugestandenen Freiheiten aus: Da liberale Ordnungen am Grundsatz unteilbarer Grundrechte festhielten, könne die Maschinerie der radikalen Unterwanderung mühelos und vollkommen legal in Gang gesetzt werden. Genau wie in Weimar führten »demokratischer Fundamentalismus und legalistische Blindheit zu der Weigerung anzuerkennen, dass der Mechanismus der Demokratie das trojanische Pferd ist, durch das der Feind in die Stadt einzieht«.32 Diese angesichts des heraufziehenden Weltkrieges überraschende Betonung einer inneren Bedrohung hielt bis weit in den Kalten Krieg hinein eine manische Fixierung auf subversive Kräfte im eigenen Land am Leben. Loewenstein proklamierte, dass alle demokratischen Länder, auch die Vereinigten Staaten, diese existenzielle Bedrohung erkennen und auf sie reagieren müssten, indem sie sich durch eine radikale Veränderung ihrer Institutionen und Außenpolitik in »wehrhafte Demokratien« verwandelten,33 und antidemokratischen Kräften im Inland die verfassungsmäßigen Rechte entzögen. Obwohl Loewenstein bewusst war, dass die Nazis teilweise ähnlich verfuhren, schien ihm der mögliche Missbrauch von Maßnahmen gegen politische Minderheiten keine Sorge zu bereiten. Wie Friedrich erklärte er, dass demokratische Institutionen von der Führung durch fähige Eliten abhängig seien, die aufgrund ihrer Vision und Courage auch dann noch den demokratischen Rechten verpflichtet seien, wenn sie von der Macht Gebrauch machten, sie ihren Feinden zu entziehen.34 Der Jurist legte schließlich einen ausführlichen Maßnahmenkatalog vor, durch den solche Eliten liberale Staaten »wehrhaft« machen sollten. Dazu zählte die Einschränkung sämtlicher Aktivitäen, die den Sturz der demokratischen Ordnung provozierten. Alle das staatliche Gewaltmonopol infrage stellenden Milizen sollten aufgelöst, paramilitärische Symbole und Memorabilien verboten werden. Außerdem forderte Loewenstein die Gründung einer politischen Polizei »für die Aufdeckung, Unter­drückung, Überwachung und Kontrolle« antidemokratischer Aktivitäten und Bewegun­gen. »Feuer«, so seine in Nachkriegseuropa unzählige Male wiederholte Schlussfolgerung, »sollte mit Feuer bekämpft werden.«35 Die Ideen, die die Weimarer Liberalen nicht hatten überzeugen können, fanden in den Vereinigten Staaten der späten 1930er Jahre breiten Wider184

hall. Ein wesentlicher Grund für ihre positive Aufnahme war die wachsende Kampfbereitschaft der amerikanischen Arbeiterklasse. 1936 gingen Kommu­ nisten in den Vereinigten Staaten ähnlich wie zeitgleich in Europa eine Art »Volksfront« mit Sozialisten und anderen Aktivisten ein, die massive Streiks in den Fabriken und Häfen des Landes organisierte. In Reaktion darauf bildete sich eine breite Koalition aus Unternehmern und konservativen Politikern, die äußerst beunruhigt über das Gespenst der kommunistischen Infiltration waren und Franklin D. Roosevelt sowie den gesamten New Deal zu diskreditieren versuchten. Antikommunistische Intellektuelle und Politiker riefen die Regierung lautstark dazu auf, kommunistische Umtriebe wachsam zu beobachten und zurückzudrängen. 1938 initiierte der texanische Kongressabgeordnete Martin Dies Jr. im Rampenlicht der Öffentlichkeit eine Untersuchung, die die angebliche Illoyalität und subversive Aktivitäten amerikanischer Kommunisten beweisen sollte. Der von ihm geleitete Ausschuss, später als Komitee für unamerikanische Umtriebe bekannt geworden, nahm auch Gewerkschaftsaktivisten und Einrichtungen des New Deal wie das National Labor Relations Board ins Visier. 1939 schlug sich die Angst vor kommunistischer Unterwanderung auch in Gesetzen wie dem Hatch Act nieder – benannt nach Senator Carl Hatch aus New Mexico  –, der die Mitglieder »jeglicher Organisation, die den Sturz unserer verfassungsmäßigen Regierungsform befürwortet«, mit einem Berufsverbot in Bundesbehörden belegte. Dies betraf unter anderem die Mitglieder der Kommunistischen Partei. 1940 erzielte die antikommunistische Koalition einen noch größeren Sieg, als der Kongress beschloss, dass Mitglieder antidemokratischer Organisationen zu inhaftieren seien. Der Smith Act  – benannt nach Howard Smith, der den Bundesstaat Virginia vertrat – entfesselte eine ganze Serie von Untersuchungen und Strafverfahren gegen kämpferische Vertreter der Arbeiterbewegung in Detroit, Minneapolis und anderen Industriezentren. Diese Maßnahmen markierten den Beginn eines neuen politischen Umgangs mit dem Kommunismus in den Vereinigten Staaten; nach dem Krieg diente der Smith Act zur Verfolgung der Kommunistischen Partei.36 In dieser Atmosphäre einer um sich greifenden übersteigerten Angst vor Unterwanderung lieferte Loewenstein die passenden, der antikommunistischen Paranoia entgegenkommenden Argumente. Wer gegen die Arbeiterbewegung und die angebliche kommunistische Gefahr vorgehen wollte, dem bot er eine Rechtfertigung und Erklärung dafür, weshalb die Einschränkung von Rechten demokratische Institutionen nicht bedrohe, sondern stärke. Wie er 1938 in einem Vortrag vor Juristen in Chicago ausführte, agierten Vertreter des Totalitarismus ebenso in pronazistischen Vereinen wie in Gewerkschaften der Volksfront, die beide gleichermaßen die liberale Demokratie bedrohten. 185

Im selben Jahr wurde Loewenstein ein gefragter Redner; Unternehmer und Juristen luden ihn nach Chicago, New Haven, New York, Saint Paul und New Orleans zu Vorträgen darüber ein, warum die Bundesregierung »Radikale« von politischer Partizipation und von beruflicher Betätigung im öffentlichen Dienst ausschließen müsse. In der Weimarer Republik weitgehend ignoriert, wurde die Theorie der wehrhaften Demokratie Ausdruck einer starken Bewegung in der US -Politik.37 Dieses robuste politische System benötigte Loewensteins Ansicht nach allerdings nicht bloß Repression im eigenen Land. Ebenso wichtig sei eine Revolution in den internationalen Beziehungen. Demokratische Staaten konnten ihm zufolge der totalitären Revolution nicht allein standhalten. Sie müssten sich zu einer neuen »Demokratischen Internationale« zusammenschließen, die ein Gegengewicht zu den kommunistischen und faschistischen Organisationen bilden solle. Loewenstein schwebte eine ständige demokratische Föderation vor, die ihre Mitglieder durch rechtlichen Beistand, demokratisches Wissen und antitotalitäre Gesetzesentwürfe unterstützen sollte. Ihre Mitarbeiter sollten Gesetze ausarbeiten und Regierungen über effektive Methoden der Bekämpfung subversiver Akteure beraten. In einer Welt der wehrhaften Demokratie müssten Regierungen auf staatliche Souveränität und Autonomie zugunsten eines Mechanismus ständiger wechselseitiger Eingriffe verzichten. Auf diese Weise sollten sich Demokratien gegenseitig unterstützen und die Kraft zur Bezwingung ihrer globalen Feinde gewinnen. So wie demokratische Institutionen mehr zählten als der Wille des Volkes, musste auch die nationale Souveränität dem Interesse am Erhalt der Demokratie untergeordnet werden. Loewenstein war sich darüber im Klaren, dass diese Vision weitreichende Implikationen für die Weltpolitik hatte. Als er seine Überlegungen in einer Vortragsreihe an der Chicago School of Law vorstellte, berief er sich auf Immanuel Kants berühmte Schrift Zum ewigen Frieden (1795), die er zugleich weiterentwickelte. Kant zufolge war dauerhafter Friede nur in einer Welt repräsentativer Republiken möglich: Wenn gewöhnliche Menschen, die naturgemäß ein Interesse an Frieden und Stabilität hätten, bei politischen Entscheidungen mitreden dürften, würden sie das Chaos und Blutvergießen des Krieges vermeiden. Kants These, dass die Strukturen des Staates sein Verhalten auf internationaler Ebene prägten, stimmte Loewenstein zu. Für ihn war dies aber gerade kein Argument für staatliche Souveränität, sondern für demokratische Interventionen: Sofern es den Frieden fördere, betrachtete er Einmischungen repräsentativer Systeme in andere politische Regime als legitim. Und da totalitäre Staaten von Natur aus aggressiv seien und die Demokratie bedrohten, hätten liberale Staaten das Recht und sogar die 186

Abb. 6: Karl Loewenstein in US -Militäruniform. Loewensteins Leitbild der »wehrhaften Demokratie« trug während des Zweiten Weltkrieges zur Rechtfertigung einer brutalen Inhaftierungs- und Deportationspolitik in der westlichen Hemisphäre bei. © Amherst College Library, Archives and Special Collections.

Pflicht zu ihrer präventiven Zerstörung. Mit Blick auf die jüngere Geschichte argumentierte Loewenstein, der Völkerbund habe deshalb keinen Weltfrieden herstellen können, weil er sowohl liberale wie totalitäre Regime als Mitglieder akzeptierte. Während Kant niemals Republikaner dazu aufgerufen hatte, anderen Ländern ihre Ordnung aufzuoktroyieren, schien Loewenstein ein solches Vorgehen im 20. Jahrhundert wesentlich für das Überleben der Demokratie. Die »Demokratische Internationale« solle internationale Interventionen und Präventivschläge gegen totalitäre Staaten koordinieren und diese in repräsentative Demokratien verwandeln. Wenn die Bürger eines solchen Staates »sich nicht selbst in einem Aufstand erheben, müssen wir ihrem Land eine verfassungsmäßige Ordnung aufzwingen«, erklärte Loewenstein unmissverständlich.38 So wie in der Innenpolitik sollten die Verfechter des Totalitarismus auch auf internationaler Ebene kein Recht auf Sicherheit und Autonomie innerhalb der Völkerfamilie genießen.39 Folgerichtig plädierte Loewenstein für amerikanische Interventionen in Japan, der Sowjetunion, Italien und Deutschland. In den späten 1930er Jahren, 187

als Nazideutschland und das japanische Kaiserreich ihre Grenzen und ihren internationalen Einfluss erweiterten, rief er die US -Regierung zur Beendigung ihrer diplomatischen Zurückhaltung in Asien und Europa auf. Da Amerika schon immer als Speerspitze der repräsentativen Demokratie agiert habe, sei es die geeignete Führungsmacht für eine internationale demokratische Revolution. Diese Auffassungen verbreitete Loewenstein durch Broschüren und auf Vortragsreisen durch die Vereinigten Staaten. In charakteristischer Zuspitzung schrieb er: »Deutschland, Italien, Japan und Russland können die Existenz eines freien und demokratischen Landes wie der Vereinigten Staaten in einer totalitären Welt nicht dulden. Das Überleben auch nur einer freien und demokratischen Nation wäre ein Versprechen für die unterworfenen Völker, die sich erheben und ihre Fesseln abschütteln könnten, und somit für totalitäre Diktaturen eine ständige Bedrohung.«40

Vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor hatte diese Rhetorik kaum praktische Folgen. Während Loewensteins innenpolitische Agenda von vielen Antikommunisten begeistert aufgegriffen wurde, unterstützte kaum jemand seinen Ruf nach Interventionen im Ausland. Nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten hingegen gewann der Emigrant durch seine Ideen Zugang zu den Schaltzentralen der amerikanischen Macht. Als Mitarbeiter des Justizund des Außenministeriums wirkte er an einer ganzen Reihe außenpolitischer Maßnahmen mit, die die wehrhafte Demokratie in die Realität umsetzten. Loewenstein hatte das Konzept der wehrhaften Demokratie zwar mit Blick auf Europa entwickelt, ein Leitprinzip für diplomatisches Handeln wurde es jedoch zuerst in Lateinamerika. Nachdem die Vereinigten Staaten im Dezember 1941 in den Zweiten Weltkrieg eingetreten waren, beteiligte er sich an einer ehrgeizigen, gewalttätigen und beispiellosen Operation, die sich auf die gesamte westliche Hemisphäre erstreckte (Abb. 6): Auf Initiative amerikanischer Diplomaten und Juristen arbeiteten 21 Staaten in Nord-, Mittel- und Südamerika bei der Internierung und Deportation von Tausenden Lateinamerikanern zusammen, von denen viele in US -Gefängnissen endeten. Zur selben Zeit, als sie die berüchtigte Internierung japanisch-amerikanischer Bürger und Einwohner an der eigenen Westküste durchführte, trieb die US -Regierung eine ebenso beschämende Politik in ihren südlichen Nachbarländern voran. In den Augen der beteiligten amerikanischen Diplomaten und Juristen waren diese Maßnahmen keineswegs von Hysterie getrieben, sondern eine angemessene, notwendige und umsichtige demokratische Reaktion auf das Handeln ihrer Feinde. Von machtvollen Institutionen in Kriegszeiten umgesetzt, bewirkten Loewensteins Ideen vielfaches Leid. 188

Diese Kampagne war Teil einer allgemeinen Umorientierung der US -Politik gegenüber Mittel- und Südamerika. In den frühen 1930er Jahren hatte die Regierung das Ende ihrer jahrzehntelangen militärischen und politischen Interventionen in Lateinamerika zugunsten einer »Politik der guten Nachbarschaft« verkündet, wie Roosevelt es formulierte.41 Im Jahr 1936 jedoch änderte sich Washingtons Blick auf seine südlichen Nachbarn abermals drastisch. Als Roosevelt und seine Administration die aggressive Expansion Deutschlands, Italiens und Japans als Bedrohung wahrzunehmen begannen, erkannten sie in Lateinamerika ein entscheidendes Schlachtfeld des heraufziehenden globalen Konflikts. Sie waren davon überzeugt, dass die Nazis und die japanischen Imperialisten fieberhaft an der Infiltration des Kontinents arbeiteten, um schließlich von Süden her in die Vereinigten Staaten einzumarschieren. Aus dieser von wachsender Angst bestimmten Perspektive stellten sich die florierenden japanischen und deutschen Einwanderergemeinschaften in Peru, Brasilien, Argentinien und anderen Ländern als Vorhut einer Verschwörung zur Eroberung des gesamten Doppelkontinents dar. Roosevelt schürte solche Ängste in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren wiederholt mit der Behauptung, dass die Achsenmächte bereits »Brückenköpfe in der Neuen Welt« errichtet hätten. So warnte er beispielsweise im September 1941 in einer Rundfunkansprache, ihre Agenten hätten ein umfassendes Netz aus geheimen Militärstützpunkten und Milizen gebildet und bereiteten die Annektierung Lateinamerikas an ihre weltumspannenden Imperien vor. Die Furcht vor ausländischer Unterwanderung war so ausgeprägt, dass Roosevelt im Mai 1940 sogar die Entsendung von 100 000 Soldaten nach Brasilien in Betracht zog, um einen nach verbreiteter Überzeugung unmittelbar bevorstehenden deutschen Angriff auf Rio de Janeiro durch einen Präventivschlag zu vereiteln.42 Dieses weitgefasste Sicherheitsverständnis, nach dem jede Unterwanderung im Ausland einer Bedrohung der Vereinigten Staaten gleichkam, veranlasste US -amerikanische Entscheidungsträger zur Herstellung einer breiten kontinentalen Allianz. Da sie fürchteten, die lateinamerikanischen Regierungen könnten zu schwach für eine Infiltrationsabwehr sein, versuchten sie, auf die Gesellschaften Mexikos, Venezuelas und des übrigen Kontinents einzuwirken. Mit großem Eifer initiierte das US -Außenministerium akademische Austauschprogramme  – die ersten staatlich finanzierten in der amerikanischen Geschichte  –, Propagandakampagnen und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen »den amerikanischen Republiken«, wie die geläufige Bezeichnung lautete. Diese Maßnahmen sollten die Lateinamerikaner sowohl von den guten Absichten der Vereinigten Staaten als auch von der Bedrohung durch die Achsenmächte überzeugen. Nach ihrem Kriegseintritt 189

weitete die US -Regierung diese Anstrengungen gewaltig aus, insbesondere nachdem die meisten lateinamerikanischen Länder ihre Beziehungen zu den Achsenmächten abgebrochen hatten. Lateinamerika wurde auf diese Weise ein Experimentierfeld für die US -Diplomatie, die dort an einer internationalen Allianz gegen ausländische Aggression und subversive Kräfte innerhalb der einzelnen Länder arbeitete. Wie es im Lauf des 20. Jahrhunderts noch häufiger der Fall sein sollte, dienten ihre südlichen Nachbarn den Vereinigten Staaten somit als Laboratorium für neue außenpolitische Maßnahmen.43 Federführend innerhalb dieser breiten Kampagne war das Emergency Advisory Committee for Political Defense (CPD), in dem Loewenstein eine bedeutende Rolle spielte. Gegründet im Januar 1942 von den Außenministern aller 21 amerikanischen Länder – von Kanada im Norden bis nach Chile und Argentinien im Süden –, war das CPD für die Koordinierung innenpolitischer Maßnahmen gegen potenzielle Feinde zuständig, die im Auftrag der Achsenmächte agierten. Die in Montevideo ansässige und von Uruguays Vizepräsident Alberto Guani geleitete Zentrale richtete ihr Tun auf die Ausarbeitung neuer politischer, diplomatischer und rechtlicher Methoden. Ziel des CPD war laut den US -Vertretern die Vereitelung von »aggressiven Akten nicht militärischen Charakters« wie etwa Spionage, Sabotage und Antikriegspropaganda. Darüber hinaus plante das Komitee eine internationale öffentliche Kampagne gegen »Doktrinen, die die Tendenz aufweisen, das von ganz Amerika geteilte demokratische Ideal oder die Sicherheit und Neutralität der amerikanischen Republiken zu gefährden«.44 Carl  B.  Spaeth, der leitende US -Delegierte im Komitee, bezeichnete diese rechtliche und politische Zusammenarbeit als »die radikalste Abweichung von der bisherigen Geschichte und Tradition« der US -Diplomatie.45 Loewensteins Schriften über demokratische Selbstverteidigung machten ihn aus Sicht des US -Außenministeriums zu einem idealen Kandidaten für das CPD. Wie ihm ein amerikanischer Diplomat schrieb, waren vor allem seine »persönlichen Erfahrungen« mit Demokratiefeinden in Deutschland von »unschätzbarem Wert« für die Mission des CPD.46 Außerdem hatte Loewenstein bereits lange vor dem Vorfall von Pearl Harbor nachdrücklich für ein US -Engagement in Lateinamerika plädiert. Wie viele Diplomaten in der Roosevelt-Administration nahm er an, dass der Kontinent die möglicherweise entscheidende Front im weltweiten Kampf zwischen Totalitarismus und Demokratie sei. »Die Militärmaschinerie der Nazis«, schrieb er 1940 in einer Broschüre, plane die Einnahme »unseres lebenswichtigen Panamakanals und sogar der Grenzposten dieser Nation«. Kurz nach der Gründung des CPD lud Spaeth ihn daher ein, im Justizministerium als Sonderbeauftragter für lateinamerikanische Angelegenheiten zu arbeiten. Auf diesem Posten koordinierte 190

Loewenstein Forschungsarbeiten und entwarf rechtliche Maßnahmen gegen Unterwanderung sowie Konzepte für ihre Umsetzung, die US -Diplomaten den Staaten im Süden unterbreiten sollten.47 Loewensteins Wirken und die Arbeit des CPD insgesamt waren der Inbegriff wehrhafter Demokratie. Zweieinhalb Jahre lang nutzte er die neue Gelegenheit zur Verwirklichung seiner Ideen. Mit äußerster Entschlossenheit leitete der Wissenschaftler in politischen Diensten das Washingtoner Büro des Komitees und reiste häufig nach Montevideo zu Sitzungen in der Zentrale. Mit einem Team aus Rechtsexperten, Vertretern des Justiz- und des Außenministeriums erarbeitete er zahlreiche Studien und Resolutionsentwürfe, für die er sich bei den anderen CPD -Mitgliedern mit Nachdruck einsetzte. Loewensteins Büro zeichnete unter anderem für eine Studie über »totalitäre Propaganda« in Lateinamerika verantwortlich, die zur Schließung mutmaßlich subversiver Rundfunksender und Zeitungen in Mexiko und Brasilien führte.48 Es wurden Gesetze entworfen, nach denen aus Sicht des FBI verdächtige Personen registriert, überwacht und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden mussten, indem sie ihren Wohnort nicht ohne Genehmigung der örtlichen Behörden verlassen dürfen sollten. Per Notverordnung wurden diese Gesetze in mehreren lateinamerikanischen Ländern später tatsächlich eingeführt. Das CPD half den Behörden der einzelnen Staaten auch beim Aufspüren kleiner Firmen, die mit den Achsenmächten Handel trieben und die infolgedessen kurzerhand geschlossen wurden. Diese Maßnahmen richteten sich primär gegen lateinamerikanische Bürger japanischer, italienischer und deutscher Herkunft, die Staatsvertretern als grundsätzlich gefährlich galten. Während des gesamten Krieges wurden sie präventiv überwacht.49 Darüber hinaus koordinierte Loewenstein Repressionsmaßnahmen gegen unterschiedliche politische Gruppen in Süd- und Mittelamerika. In Studien über Chile, Brasilien und Argentinien, die er für das CPD erstellte, gratulierte er den betreffenden Regierungen zu ihrem Verbot »totalitärer und antidemokratischer Organisationen«.50 So durften in Chile die extremen Nationalisten sowie die Kommunisten 1937 nicht zu den Wahlen antreten. In Brasilien untersagte die Regierung 1938 allen Ausländern, Kundgebungen abzuhalten, Vereine zu gründen oder politische Propaganda zu verbreiten. Außerdem mussten sie sich regelmäßig bei der Polizei melden, um die Überwachung potenzieller Nazis und Kommunisten zu erleichtern. Loewenstein behauptete, diese Maßnahmen hätten extremistisch-antiliberale Unterwanderungsbestrebungen erfolgreich vereitelt und sollten von allen 21  CPD -Mitgliedsstaaten übernommen werden. Nachdem Spaeth und andere US -Diplomaten seine Berichte erhalten hatten, drängten sie ebenfalls auf ein solches Vorgehen – in manchen Ländern wurden tatsächlich Gesetze verabschiedet, die im Wort191

laut dem brasilianischen Dekret ähnelten. Auch wenn die Vereinigten Staaten selbst – sehr zum Missfallen Loewensteins – diesem Rat nicht folgten und ihre Souveränität auch nicht der Aufsicht der Nachbarstaaten unterstellten, hatte sich die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder bis 1944 auf ein Verbot oder zumindest Einschränkungen des Wirkens sowohl potenziell subversiver Personen als auch ganzer politischer Organisationen verständigt. Dies war die wehrhafte Demokratie in Aktion.51 Die revolutionärste Operation des CPD bestand allerdings in der massenhaften Internierung und Deportation von Zivilisten, die alles übertraf, was die US -Administration bisher an Maßnahmen zur inneren Sicherheit ergriffen hatte. Im Februar 1942 unterzeichnete Roosevelt die berüchtigte Executive Order 9066, mit der mehrere Zehntausend japanischstämmige Amerikaner umgesiedelt und in Lagern festgesetzt wurden. Wenige Wochen später begannen die US -Vertreter im CPD, ein ähnliches Vorgehen gegen Menschen, die aus den Ländern der Achse stammten, in ganz Lateinamerika zu koordinieren.52 Unter Anleitung des Komitees führten Polizeibeamte in Kuba, Paraguay, Chile, Brasilien und zwölf weiteren lateinamerikanischen Ländern Razzien in den entsprechenden Einwanderergruppen durch. Tausende Menschen, die bei den Behörden im Verdacht der Kriegsgegnerschaft standen, wurden festgenommen und nach Asien oder Europa abgeschoben. Um den örtlichen Behörden bei diesen Festnahmen zu helfen, reisten C ­ PD -Beamte während des Krieges durch die Region. Gestützt auf Recherchen der US -Botschaften und des Washingtoner Büros von Loewenstein erstellten sie Listen »potenziell gefährlicher« Personen und nahmen häufig auch an deren Verhör teil. Ab 1943 stellte die US -Regierung außerdem Finanzmittel für die Einstellung zusätzlicher Polizeibeamter und den Transport der Gefangenen in Lager bereit. In mehreren Ländern, etwa in Kuba, beteiligten sich FBI-Beamte sogar an den Verhaftungen und an der Bewachung der Internierungslager. Kein Projekt zog eine so umfangreiche interamerikanische Zusammenarbeit nach sich wie diese Masseninternierung.53 Anders als im bekannteren Fall der Gefangennahme japanischstämmiger Menschen in den Vereinigten Staaten ging die vom CPD durchgeführte internationale Kampagne nicht allein von der »rassischen« Zugehörigkeit der Betroffenen aus. Gemäß der von Loewensteins Washingtoner Büro erstellten Richtlinien suspendierten die beteiligten Staaten präventiv die Rechte aller Personen und Gemeinschaften, die Beziehungen zu feindlichen Ländern hatten, sodass neben Menschen japanischer Herkunft auch Deutsche und Italiener ins Visier der Behörden gerieten. In einigen Fällen verhafteten übereifrige Beamte auch Personen aus europäischen Ländern wie Ungarn, Rumänien und Bulgarien, die mit den Achsenmächten verbündet waren, sowie Menschen 192

ohne jedwede Beziehung zu einer Einwanderergruppe. Dass die Internierten selbst nach Loewensteins extremen Kriterien nicht allesamt als Sicherheitsrisiko für die westliche Hemisphäre klassifiziert werden konnten und die Beamten bei den Verhaftungen häufig infolge von rassistischen Vorurteilen, aus reiner Habgier oder einer Mischung von beidem handelten, war amerikanischen Diplomaten bewusst. In Schreiben und Unterredungen bemerkten sie wiederholt, dass sich beispielweise Beamte in Peru ihrer verhassten japanischen Nachbarn entledigen wollten und Polizisten in Costa Rica darauf spekulierten, sich die Habe verhafteter deutscher Einwanderer aneignen zu können. Selbst deutsch-jüdische Flüchtlinge, die gerade dem »Dritten Reich« entkommen waren, befanden sich unter den festgenommenen »gefährlichen Ausländern«.54 Bei ihrer eifrigen Infiltrationsabwehr kümmerte dies amerikanische Entscheidungsträger jedoch nicht – sie nahmen solche Missstände als »Kollateralschaden« in Kauf und versuchten die Zahl präventiver Festnahmen sogar noch zu steigern. Wie Edward Ennis, im ­US -Justizministerium für »feindliche Ausländer« zuständig, im Juli 1943 trocken bemerkte, seien die Verhaftungen in den mittel- und südamerikanischen Republiken »schlichtweg nicht ausreichend«, weshalb »ihre Ausweitung« angezeigt sei.55 Die Repressionspolitik im amerikanischen Auftrag mündete schließlich in einem großangelegten Programm der gemeinsamen Feindabwehr: im Aufbau eines kontinentalen Netzes aus Konzentrationslagern – oder Internierungslagern, wie sie in der sterilen Amtssprache genannt wurden. Auf CPD -Sitzungen wurde argumentiert, dass es dem Schutz der – nie näher erläuterten – »demokratischen Ideale« der amerikanischen Republiken zugutekäme, wenn die verhafteten Personen und ihre Familien nicht vor Ort festgehalten, sondern ins Ausland gebracht würden. Wie Loewenstein erläuterte, würde dies ihre Chancen verringern, auszubrechen und mit anderen Subversiven in Kontakt zu treten. Da die Vereinigten Staaten am meisten Erfahrung mit Masseninhaftierungen hatten, plädierte er dafür, dass sie ihre Modelle für Internierungslager den lateinamerikanischen Ländern zur Nachahmung empfehlen sollten. Im Juli 1943 folgte Nicholas Collaer, im Justizministerium für Internierung und Abschiebung verantwortlich, diesem Vorschlag und legte den Botschaftern Brasiliens und Mexikos die entsprechenden Pläne vor. Beide Botschafter zeigten sich angetan von der Idee und schlugen ihren Regierungen den Aufbau eines Netzes von Konzentrationslagern vor.56 Im Spätsommer konkretisierte das CPD das Vorhaben dahingehend, dass in Lateinamerika mehrere Dutzend Lager für »gefährliche Ausländer« – auch für die aus den Vereinigten Staaten – entstehen sollten. Dieser Plan wurde von den höchsten Ebenen der Regierung Roosevelt gebilligt. Justizminister Francis Biddle erklärte in einem Schreiben an den Außenminister, dass »die Resolution des CPD in dieser Hin193

sicht richtig ist und umgesetzt werden sollte«, da dies die Widerstandskraft der Demokratie stärken werde.57 Mehrere lateinamerikanische Regierungen sprachen sich zwar gegen den Plan des CPD aus, offenbar aber nicht wegen der mit ihm verbundenen Gewalt und Unterdrückung. Weitgehend ungerührt von diesen Aspekten klagten Diplomaten aus Honduras und Venezuela vielmehr über die Kosten für Transport und Verpflegung der Internierten. Trotz solcher Einwände konnten Loewenstein und andere Mitarbeiter des Washingtoner Büros die US -Regierung zur Annahme des zentralen Vorschlags bewegen, »subversive« Inhaftierte aus anderen Ländern des Kontinents aufzunehmen. In den Vereinigten Staaten, so ihre Überzeugung, seien sie am besten zu überwachen und in ihren Handlungsmöglichkeiten einzuschränken. So deportierten zwölf mittel- und südamerikanische Länder – Bolivien, Kolumbien, Costa Rica, die Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Nicaragua, Panama und Peru – ihre inhaftierten »feindlichen Ausländer« teilweise oder vollständig gen Norden. Nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten wurden sie von den Behörden auf Lager in Texas und Montana verteilt, wo das Militär sie als billige Arbeitskräfte auf Farmen und in Fabriken einsetzte. 1943 gerieten auf diesem Weg 4 656 Menschen in US -amerikanische Lager, darunter rund 3 000 Deutsche und 1 400 Japaner. Bis 1944 hatte sich diese Zahl verdoppelt und schloss 4 058 Deutsche, 2 264 Japaner und 288 Italiener ein. Die meisten von ihnen kehrten nie mehr nach Lateinamerika zurück, sondern wurden bei Kriegsende von der US -Regierung nach Asien und Europa abgeschoben.58 Loewensteins aggressives Konzept der wehrhaften Demokratie spielte auch in der Auseinandersetzung über das Recht der Internierten auf Staatsbürgerschaft eine bedeutende Rolle. 1942 und Anfang 1943 wurde im CPD darüber debattiert, ob man Personen, die die Achsenmächte politisch oder ideologisch unterstützten, ausbürgern könne. Während etwa die mexikanischen Delegierten die Staatsangehörigkeit für ein unantastbares Grundrecht hielten, betrachteten die Vertreter anderer Staaten einen solchen Schritt als politisch vorteilhaft für die Alliierten. Als das Komitee im Juli 1943 in die Vereinigten Staaten reiste, machte Loewenstein einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft und Loyalität gegenüber demokratischen Werten geltend: Wenn sich Menschen »von der demokratischen Ordnung abwenden«, habe der liberale Staat das Recht, ihnen die Staatsbürgerschaft und ihre bürgerlichen Grundrechte zu entziehen. Für diesen Schritt schien Loewenstein sogar der Nachweis hinreichend, dass eine Person »zum Zeitpunkt ihres Treueeids mentale Vorbehalte oder Täuschungsabsichten« habe, ganz unabhängig von ihrem späteren tatsächlichen Verhalten. Wie er festhielt, hatten 194

die Vereinigten Staaten alle Einbürgerungsanträge japanischstämmiger Einwohner vorsorglich auf Eis gelegt, da sie einen Missbrauch bürgerlicher Freiheiten für Sabotage und Unterwanderung befürchteten. Loewenstein empfahl, solche Maßnahmen auch auf Europäer anzuwenden und in ganz Lateinamerika zu implementieren. Schlussendlich stimmten die Delegierten mehrheitlich für eine aggressive Beschränkung des Rechts auf Staatsbürgerschaft nach US -amerikanischem Vorbild. Diese Entscheidung verurteilte die aus Lateinamerika deportierten Insassen der US -Lager dazu, bis weit in die Nachkriegszeit in rechtlicher Ungewissheit auszuharren.59 Ungeachtet der wiederholten Berufung des CPD auf »die demokratischen Werte der amerikanischen Republiken« war Loewenstein und anderen US Vertretern nur zu bewusst, dass viele Mitgliedsstaaten der Allianz mitnichten als liberale Demokratien bezeichnet werden konnten. Die Präsidenten Brasiliens und Argentiniens, Getúlio Vargas und Ramón Castillo, galten vielmehr als autoritäre Despoten, die vorgeblich defensive Maßnahmen zu Zwecken der Repression einsetzten. Loewenstein warnte in mehreren Aufsätzen davor, solche Länder als Demokratien zu bezeichnen, da dies »irreführend und […] trügerisch, bestenfalls Wunschdenken« sei. Es schien ihm sogar fraglich, ob irgendeine der »subversiven Bewegungen« in Lateinamerika tatsächlich Verbindungen zu Nazideutschland, dem faschistischen Italien oder dem japanischen Kaiserreich unterhielt. »Man darf bezweifeln«, schrieb er in einem langen Bericht für seine Vorgesetzten, dass »einheimische totalitäre Bewegungen […], sollten sie einmal an die Macht gelangen, diese an Hitler, Mussolini oder Japan abgeben würden. Im Gegenteil ist es wahrscheinlicher, dass sie die Macht primär für sich selbst beanspruchen.«60 Im Unterschied zu anderen Beteiligten sah Loewenstein das vorrangige Ziel des CPD allerdings nicht in regionaler Stabilität durch Kooperation mit Diktatoren. Vielmehr folgte er einer in den Vereinigten Staaten seit Langem existierenden Haltung gegenüber lateinamerikanischen Staaten und behauptete, das Komitee – auch seine Zusammenarbeit mit autoritären Führern – könne einer wirklichen repräsentativen Demokratie in Lateinamerika den Boden bereiten. Insbesondere war Loewenstein der Überzeugung, die Bekämpfung totalitärer Akteure und die Kooperation mit den Vereinigten Staaten werde den dortigen Bevölkerungen und politischen Eliten zeigen, dass die Demokratie ihre Feinde besiegen könne. Nach dieser verqueren und repressiven Logik konnten die Vereinigten Staaten andere Nationen durch eine Suspendierung bürgerlicher Rechte zur Respektierung derselben erziehen. Wie Loewenstein in einem Schreiben an den US -Staatssekretär für Lateinamerika, Sumner Welles, darlegte, bestand der Auftrag des CPD darin, in Kuba, Mexiko, Panama und dem übrigen Lateinamerika zur Herstellung der Grundlagen für demo195

kratische Institutionen beizutragen. Welles, der Loewensteins theoretische Auffassungen teilte, leitete diese Überlegungen an den Außenminister und US -Diplomaten in Montevideo, Rio de Janeiro, Santiago, Lima und anderen lateinamerikanischen Staaten weiter.61 Während sich die Vereinigten Staaten aufgrund kriegsstrategischer Erwägungen am CPD beteiligten, betrachtete Loewenstein die Allianz als ersten Schritt auf dem Weg zu jener ständigen »Demokratischen Internationale«, die er bereits vor dem Krieg ins Auge gefasst hatte. Das CPD schuf erstmals einen Rahmen für die gemeinsame Verteidigung der Demokratie. Indem sie anderen Staaten bei der Unterdrückung totalitärer Umtriebe halfen, gelangten die Mitglieder des CPD zu der Überzeugung, dass subversive Akte in Nachbarländern genauso geahndet werden sollten, »als wären sie gegen den eigenen Staat gerichtet«. Als »der erste vielversprechende Keim einer entstehenden Föderation« von Demokratien sollte das CPD nach Loewensteins Ansicht nach dem Krieg erweitert und in eine ständige Einrichtung verwandelt werden.62 In einem langen Memorandum für Laurence Knapp, der die Abordnung des US -Außenministeriums im CPD leitete, begründete er, warum die Vereinigten Staaten die weltweite Nachbildung der Strukturen des Komitees vorbereiten sollten. Auch wenn es amerikanischen Diplomaten vielleicht nicht bewusst sei, bildeten die amerikanischen Staaten die Basis für eine globale Konföderation. Die »Bedeutung des CPD als Institution« lag für Loewenstein in seiner bevorstehenden Ausweitung.63 Während diese globale Vision vielen Entscheidungsträgern in weiter Ferne zu liegen schien, fand Loewensteins antikommunistischer Eifer großen Zuspruch. Da die Vereinigten Staaten aus seiner Sicht den jahrhundertealten Kampf der Demokratie gegen den Radikalismus angeführt hatten, mussten sie zwangsläufig auch mit dem Kommunismus in Konflikt geraten. Wie der Flüchtling aus Deutschland unermüdlich wiederholte, würde der Kampf der wehrhaften Demokratie keineswegs mit der Niederlage der Achsenmächte an sein Ende gelangen – genau wie in Weimar stehe ihr auch eine Konfrontation mit der linken Variante des Radikalismus, den Bolschewisten, bevor. Mehrere Jahre vor Beginn des Kalten Krieges ermahnte Loewenstein seine amerikanischen Vorgesetzten, ihr Land müsse sich für einen langwierigen Kampf gegen die Sowjetunion wappnen. In seinen Augen hatte das CPD die Grundlage für einen internationalen Feldzug gegen den Kommunismus im In- und Ausland geschaffen. In einem viel gelesenen Bericht vom April 1943 drängte Loewenstein das US -Außenministerium, die vorbeugende Beschneidung der Rechte von Kommunisten noch auszuweiten. »Ganz offensichtlich«, schrieb er nur Wochen nach der Schlacht von Stalingrad, sei der mögliche Sieg der Sowjetunion über die Nazis »ein politisches Problem ersten Ranges […], das 196

unsere innere Sicherheit beeinträchtigen könnte. Es steht zu erwarten, dass die gegenwärtig aus taktischen Gründen gedämpfte missionarische Ausstrahlung des Bolschewismus wieder stärker hervortreten wird, wenn die Sowjetunion einen prominenten Platz unter den Siegern einnimmt.« Darauf müsse sich eine »auf den Schutz demokratischer Prozesse« ausgerichtete Gesetzgebung in den Staaten der westlichen Hemisphäre vorbereiten.64 Dieser vehemente Antikommunismus stieß auf offene Ohren. Sowohl US wie auch lateinamerikanische Diplomaten hegten wenig Sympathie für den Kommunismus und waren bereit, eine Ausweitung des CPD für eine zukünftige Konfrontation mit den Bolschewisten in Betracht zu ziehen. Laurence Knapp und der Vorsitzende des CPD, Alberto Guani, folgten Loewensteins Ausführungen und riefen ihre Regierungen auf, Pläne für die nach dem Krieg anstehende Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in der westlichen Hemisphäre zu entwickeln. Auch wenn die Sowjetunion derzeit in Europa ein Verbündeter sei, könne sich der globale Kommunismus künftig durchaus als eine destabilisierende und subversive Kraft darstellen und einen Vormarsch in Lateinamerika anstreben. Während des Zweiten Weltkrieges schwelten solche Befürchtungen noch eher im Hintergrund des Geschehens. Wenig später rückten sie jedoch ins Zentrum des Projekts der wehrhaften Demokratie.65 Über Lateinamerika gelangten Loewensteins Ideen aus der Weimarer Zeit somit in die amerikanische Außenpolitik. Das CPD und seine massive Überwachungs- und Inhaftierungskampagne waren somit nicht bloß ein Produkt des US -amerikanischen geo- und sicherheitspolitischen Kalküls. Wie die Besatzung Koreas für Fraenkel war das Komitee für Loewenstein ein Vehikel, um seine alte Vision der wehrhaften Demokratie auf die Agenda zu setzen. Für die mehreren Tausend vom CPD verhafteten und abgeschobenen Menschen bedeutete dies die abrupte Zerstörung ihrer friedlichen Existenz. Für Loewenstein waren die vom CPD gesammelten Erfahrungen und die von ihm geschmiedeten Beziehungen dagegen nur der Auftakt zu einer langjährigen und folgenreichen Zusammenarbeit mit der US -Regierung. Die brutale Kampagne des Komitees offenbarte das gefährliche Potenzial von Loewensteins Demokratieverständnis. Stärker noch als Friedrich, Fraenkel und Gurian vertrat er eine dichotome Perspektive, die die gesamte Welt in zwei antagonistische weltanschauliche Lager unterteilte und nach drastischen, gewaltsamen Maßnahmen verlangte. Angetrieben von amerikanischen Entscheidungsträgern und kriegsbedingter Paranoia missachteten Loewenstein und die Anhänger seiner Ideen grundlegende bürgerliche und politische Freiheiten – offenbar ohne zu realisieren, dass sie damit genau die Werte zerstörten, die sie zu verteidigen vorgaben. So entschieden er kollek197

tivistische und radikale politische Überzeugungen zugunsten individueller Freiheiten und repräsentativer Institutionen ablehnte, schien Loewenstein außerstande, die tragische Ironie seines Handelns zu erkennen. Beim Wiederaufbau Deutschlands und vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges nahmen US -Diplomaten Loewenstein abermals in Dienst und machten seine Theorien zu einer entscheidenden Kraft der politischen Neuordnung. Durch diese deutsch-amerikanische Kooperation wurde der Gedanke der wehrhaften Demokratie innerhalb weniger Jahre zu einem Leitprinzip des bundesrepublikanischen Nachkriegsliberalismus.

Die »wehrhafte Demokratie« und der Kalte Krieg in Westdeutschland Nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reichs« und dem Ende des Krieges in Europa wurde der Liberalismus zu einer wichtigen Kraft beim Wiederaufbau Deutschlands. Viele Liberale aus der Weimarer Ära kehrten aus dem Exil zurück oder beendeten ihr erzwungenes Schweigen, um durch Veröffentlichungen, Lehre und Verfassungsentwürfe ihr geistiges und politisches Engagement für individuelle Freiheiten wieder aufzunehmen. Politische Veteranen wie Theodor Heuss reorganisierten den Liberalismus in Gestalt der FDP, die rasch zur drittstärksten Partei wurde.66 Im Zuge dieser Rückkehrwelle traf auch Loewenstein als Angehöriger der US -Besatzungsmacht 1945 in Deutschland ein. Seine offizielle Aufgabe bestand in der Reform des Rechtswesens und der politischen Bildung im Rahmen der »Entnazifizierung«, doch verfolgte Loewenstein kaum überraschend weiterreichende Ziele. Seiner Überzeugung nach würde sich Deutschland im Kampf zwischen Demokratie und Totalitarismus als das entscheidende Schlachtfeld erweisen. Daher initiierte er eine Kampagne, die den Liberalismus in den Dienst des Antikommunismus stellen und dadurch transformieren sollte. Er ging davon aus, dass der antikommunistische Kreuzzug im Kalten Krieg liberale Ideale nicht kompromittieren, sondern schützen würde. Diesmal trafen Loewensteins Gedanken auf erheblichen Zuspruch unter deutschen Politikern und Intellektuellen. Mitte der 1950er Jahre war sein aggressives Demokratiekonzept zum Bonner Konsens geworden; es bildete einen festen Bestandteil der westdeutschen Politik und diente als Leitgedanke im Kalten Krieg. In der »wehrhaften Demokratie« wurden die Konturen der Neuordnung Deutschlands deutlich – sowohl die Möglichkeiten, die sie eröffnete, als auch ihre drastischen Beschränkungen. 198

Im Juli 1945, zwei Monate nach der Kapitulation des »Dritten Reichs«, schloss sich Loewenstein dem Obersten Anwalt der Vereinigten Staaten, Charles Fahy, der bereits für die New-Deal-Administration gearbeitet hatte, und zwanzig weiteren Juristen beim Aufbau der Rechtsabteilung der US Militär­administration an, die den Neuaufbau des gesamten deutschen Rechtssystems leitete. Fünfzehn Monate lang reiste er durch das Land, studierte das Rechtswesen des »Dritten Reichs« und entwarf Gesetze, die an die Stelle nationalsozialistischer Bestimmungen zu »Rasse«, Steuern, Kriminalität, Landwirtschaft und Familie treten sollten. Daneben wirkte Loewenstein an den Entscheidungen darüber mit, welchen Richtern, Anwälten und Juraprofessoren die weitere berufliche Betätigung verboten werden sollte.67 Als einer von drei deutschen Rückkehrern in der Rechtsabteilung führte er zahllose Befragungen von Mitgliedern der juristischen Elite des Landes durch und wurde so »de facto einer der führenden Nachrichtenoffiziere der Abteilung«.68 Am Ende seines Einsatzes im Herbst 1946 hatte er die deutsche Anwaltskammer durch ihre Befreiung von politischer Kontrolle reformiert und zu Berufsverboten für etliche ehemalige Nazis in den Reihen der Professoren und Anwälte beigetragen, was ihm unter Kollegen den Titel »Papst der Entnazifizierung« einbrachte. Wie das CPD sollte die US -Besatzung einen langwierigen Aufbauprozess einläuten, der durch die Säuberung von Extremisten aus der deutschen Nachkriegsordnung, an der zu partizipieren sie ihr Recht verwirkt hatten, eine lebendige liberale Demokratie hervorbringen sollte.69 Diese ersten Schritte beförderten Loewenstein ins Zentrum der von Amerika­nern wie Deutschen getragenen Bemühungen, den deutschen Liberalismus wiederzubeleben. Nach dem Ende seines Auftrags in der Rechtsabteilung 1946 nutzte er seine Position als Berater des amerikanischen Militärs, um andere Teile des gewaltigen Besatzungsapparats für den Neuaufbau einer demokratischen Kultur in Deutschland zu mobilisieren. Im Sommer des Jahres erhielt er eine positive Rückmeldung aus den Abteilungen für Bildung und Kultur, die unter anderem für neue Programme im Erziehungswesen, in Bibliotheken und im Bereich kultureller Veranstaltungen zuständig waren. Den dort tätigen Besatzungsoffizieren gefiel Loewensteins kämpferischer Liberalismus, und sie engagierten ihn für »einen geistigen Kreuzzug« für das deutsche Volk – wie er es selbst ausdrückte. In den folgenden vier Jahren schickten sie ihn auf Dutzende Vortragsreisen in den westlichen Besatzungszonen, verbreiteten seine Reden unter Rechtswissenschaftlern und verhalfen ihm so zu einer bislang ungekannten öffentlichen Wahrnehmung im Land. Damit wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Loewen­ steins Gedanken über Demokratie und Freiheit erneut Geltung gewinnen konnten.70 199

Mit demselben intellektuellen Eifer wie bei seiner Arbeit in Lateinamerika nutzte Loewenstein diese Plattform, um seinen auf individuellen Freiheiten und repräsentativen Institutionen beruhenden deutschen Liberalismus wiederzubeleben. Nach den verheerenden zwölf Jahren Naziherrschaft zielten seine Vorträge und Schriften auf die Verankerung eines politischen Leitbilds, in dem demokratische Einrichtungen wie Parlament und Parteien Vorrang vor dem Willen der Bevölkerung hatten. Politische Autorität, erklärte er in einem Vortrag in München, gehe nicht aus einer organischen Nation hervor, wie deutsche Nationalisten und Nazis behauptet hätten, sondern aus Institutionen, die die Gewaltenteilung gewährleisteten. Der Zweck von Wahlen und Parlamenten bestehe darin, eine Verteilung von Macht auf unterschiedliche Zentren und Akteure sicherzustellen und dadurch die Politik im Rahmen eines demokratischen, dezentralisierten Staates zu Kompromissen mit ihren Gegnern zu nötigen. Als den Auftrag der Demokratie definierte Loewenstein die Beteiligung aller Mitglieder des Gemeinwesens, »auch Minderheiten«, an einem friedlichen politischen Prozess.71 Durch seine Vorträge wurde Loewenstein bald einer der renommiertesten liberalen Intellektuellen und eine maßgebliche Autorität für neue politische Theorien in Deutschland. In den 1950er Jahren publizierten führende Verlage Neuausgaben seiner Weimarer Schriften über Demokratie und Politik ebenso wie seine zeitgenössischen Aufsätze und Bücher über Parteipolitik, Parlamentarismus und das richterliche Prüfungsrecht in der angelsächsischen Welt. Wie Friedrich und Fraenkel wirkte er an neuen Lehrplänen für die politikwissenschaftlichen Fakultäten mit; Tausende Studierende lasen seine Bücher. Seine Verfassungslehre (1959) avancierte zu einer der umfassendsten Theorien über den politischen Liberalismus und individuelle Freiheiten, die in der Bundesrepublik entstanden.72 Viele liberale Theoretiker und Politiker erkannten in Loewenstein einen eloquenten Verteidiger von Institutionen, die dem Individualismus verpflichtet waren. Insbesondere die Anerkennung des FDP-Gründers und ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, der von Loewenstein tief beeindruckt war und ihn für einen der wichtigsten politischen Denker des Landes hielt, verdeutlicht Loewensteins Status in der Nachkriegszeit. Wie Heuss in mehreren persönlichen Briefen an ihn bemerkte, war seine eigene Überzeugung, dass der »politische Stil« der Demokratie nicht vom Willen der Bevölkerung, sondern von Institutionen und Normen abhänge, stark von Loewensteins Vorträgen und Schriften geprägt. Obwohl er Deutschland mit dem Ende der US -Besatzung 1949 verließ und nur gelegentlich für Vorträge und Seminare nach Europa zurückkehrte, waren seine Schriften von grundlegender Bedeutung für das Bemühen deutscher Liberaler, eine eigene politische Vision zu formulieren. Unter der Ägide der US -Behörden 200

Abb. 7: Karl Loewenstein bei einem Vortrag in Coburg über demokratische Institutionen und Antikommunismus (1948). Derartige Veranstaltungen und Publikationen halfen nach dem Zweiten Weltkrieg, das Konzept der »wehrhaften Demokratie« in der deutschen Politik und Geisteswelt zu verankern. © Amherst College Library, Archives and Special Collections.

trug Loewensteins Theorie aus der Weimarer Ära zum zweiten Versuch von Liberalen bei, eine lebendige republikanische Kultur zu begründen.73 Doch wie bereits in Lateinamerika entfaltete Loewenstein auch in Deutschland vor allem durch das Konzept der wehrhaften Demokratie eine nachhaltige Wirkung. Als die Spannungen des Kalten Krieges 1946 und 1947 zunahmen und sich die US -Diplomatie ausdrücklicher gegen den Kommunismus wendete, erkannten amerikanische Regierungsvertreter in Deutschland den potenziellen Nutzen seiner Ideen für die von ihnen angestrebte antikommunistische Mobilisierung. Aus diesem Grund förderten die Bildungs- und Kulturabteilungen der Besatzungsbehörden Loewensteins Vortragsreisen, auf denen er die Bevölkerung für ihre antikommunistische Kampagne gewinnen sollte. Auf seinen Reisen durch das zerstörte Land rief er die Deutschen dazu auf, den Aufbau demokratischer Institutionen mit einer wachsamen Unterdrückung kommunistischer Umtriebe zu verbinden. In Frankfurt am Main, Koblenz, Nürnberg, Berlin, Bonn, Tübingen, Hamburg und vielen weiteren Städten strömten die Menschen in Scharen zu Loewensteins Vorträgen. Wie ein US -Vertreter begeistert berichtete, waren Politiker, Studierende 201

und Wissenschaftler stark daran interessiert, von einem Deutschen, der über intime Kenntnisse des amerikanischen diplomatischen Establishments verfügte, mehr über die antisowjetische Kampagne der Vereinigten Staaten zu erfahren.74 Auf diese Weise artikulierte und verstärkte Loewensteins Botschaft einen bestimmten Gesinnungswandel, der unter demokratisch eingestellten Deutschen vielfach in der Nachkriegszeit zu beobachten war. Da sie Hitlers Missbrauch demokratischer Formen zur Zerstörung des Weimarer Staates noch in lebhafter Erinnerung hatten, rückten viele von ihrem Glauben an den Relativismus und die Pflicht der Demokratie ab, allen Bürgerinnen und Bürgern dieselben Freiheiten zu gewähren. Politiker, Juristen und politisch Aktive folgten nun stattdessen der von Loewenstein beharrlich vertretenen Überzeugung, dass eine wehrhafte Demokratie auch eine Einschränkung von Freiheiten im eigenen Land mit sich bringen müsse. Wie er vor 1 800 Zuhörern in Schwäbisch Gmünd erklärte, hatte der Nationalsozialismus bewiesen, dass Rechte denjenigen vorbehalten sein sollten, die an das demokratische System glaubten. Wer sie dagegen missbrauchen wolle – sei er Nationalist oder Kommunist  –, müsse aktiv vom freien politischen Wettbewerb ausgeschlossen werden. Wie amerikanische und deutsche Regierungsvertreter berichteten, quittierte Loewensteins Zuhörerschaft solche Ausführungen immer wieder mit stürmischem Applaus. Bürgermeister, Lokalpolitiker und Anwälte aus allen Teilen des Landes bekundeten Zustimmung und baten darum, ihren örtlichen Bibliotheken Loewensteins Bücher zukommen zu lassen.75 Die wichtigste Zielgruppe für Loewensteins Engagement war die neue politische und juristische Elite des Landes. Seiner politischen Theorie zufolge war die Herausbildung einer verantwortungsvollen und umsichtigen Führungsschicht, die zu entscheiden vermochte, wann und wie die Rechte aggressiver Gruppen eingeschränkt werden mussten, notwendig für den Erhalt der repräsentativen Demokratie. Loewenstein sprach unter anderem vor der bayerischen Landesregierung, dem württembergischen Richterverband, der Nürnberger Anwaltskammer sowie Mitgliedern des bayerischen Landesverfassungsgerichts, die seinen Ausführungen aufmerksam folgten und von den US -Behörden deutsche Übersetzungen seiner Aufsätze erhielten (Abb. 7). Wie er seinen amerikanischen Vorgesetzten berichtete, zeigten sich diese Gruppen nun aufgeschlossener gegenüber dem Gedanken, demokratische Rechte an eine weltanschauliche Verpflichtung auf demokratische Institutionen zu binden – nach der restlosen Niederlage des Liberalismus in Weimar und angesichts wachsender Ängste vor einer sowjetischen Vorherrschaft schien ihnen der Gedanke einer Einschränkung bürgerlicher Grundrechte deutlich weniger Unbehagen als früher zu bereiten. Für viele seiner Zuhörerinnen und 202

Zuhörer war der Weimarer Gelehrte in amerikanischer Mission selbst ein Beispiel für die von seiner Theorie geforderte umsichtige Elite.76 Die Überzeugung, dass die Demokratie zur Suspendierung der Freiheiten ihrer Feinde verpflichtet sei, breitete sich unter deutschen Politikern und Rechtstheoretikern rasch aus. Um die Grundprinzipien der deutschen Nachkriegsdemokratie zu beschreiben, setzte sich die Bezeichnung »wehrhaft« immer mehr durch. Bei einem Symposium namhafter liberaler Rechts- und Politikwissenschaftler im Jahr 1949 führte der Jurist Hermann Jahrreiß von der Universität Köln Loewensteins Gedanken als integralen Bestandteil der demokratischen Ordnung an und warf die Frage auf, ob der Staat ihm feindlich gesonnene Kräfte »nicht […] fesseln oder vernichten« müsse, »sobald sie antidemokratische […] Ziele verfolgen? Wer hier ja sagt, denkt den Gedanken der wehrhaften Demokratie.« Richard Thoma, der damals bekannteste liberale Verfassungsexperte, pflichtete dem bei und plädierte dafür, »einer demokratischen Verfassungsurkunde eine Hemmung gegen das Recht auf Selbstmord« einzufügen. Der Staatsrechtler Friedrich August Freiherr von der Heydte sprach sich ebenfalls für ein Verbot antidemokratischer Parteien aus; nur dadurch könne der liberale Staat zwischen »der Scylla eines Zuviel an Freiheit und der Charybdis eines Zuwenig« hindurchsteuern.77 Als 1951 die Studie Diagnose unserer Zeit des Soziologen Karl Mannheim erschien und viel Beifall fand, war die darin vertretene Forderung nach einer wehrhaften Demokratie den Deutschen bereits bekannt. Was in der Weimarer Zeit ein umstrittenes Konzept gewesen war, fand nach dem Zweiten Weltkrieg Eingang in den politischen Konsens der Bundes­republik.78 Die Theorie der wehrhaften Demokratie wurde für die neu entstehende politische und juristische Elite des Landes zu einem Leitprinzip. Sie fand nicht nur unter Liberalen Zuspruch, sondern auch in den beiden anderen politischen Hauptströmungen, der Christ- und der Sozialdemokratie. Die Verfassungsrechtler, die sich im Sommer 1948 an den Entwurf des Grundgesetzes machten, und die Politiker, die im Jahr darauf zu dessen Fertigstellung im Parlamentarischen Rat in Bonn zusammenkamen, stimmten darin überein, dass die neue Republik das Recht zu Präventivmaßnahmen gegen ihre Feinde haben sollte. In den Debatten über die einzelnen Artikel des Grundgesetzes verwendeten linke wie konservative Ratsmitglieder viel Mühe darauf, den Katalog der Rechte zu definieren, die antidemokratischen Kräften verwehrt werden sollten. Ludwig Bergsträsser (SPD), der in Heidelberg einen Vortrag Loewensteins gehört hatte, plädierte beispielsweise dafür, Demokratiefeinden die akademischen Freiheiten zu entziehen. Gustav Zimmermann (SPD), der Loewenstein ebenfalls begegnet war, führte unter Berufung auf das Konzept der wehrhaften Demokratie aus, warum der Staat verfassungswidrigen Par203

teien das Recht auf freie Rede und Kommunikation untereinander verweigern dürfe. Der neue Staat, erklärte er, habe die Aufgabe, »die Wurzel dieses Übels […] zu vernichten oder auszurotten«, bevor es sich festsetzen könne. Hermann von Mangoldt (CDU) spekulierte, die Abschaffung des Rechts auf freie Meinungsäußerung für Extremisten werde dieses Recht insgesamt sogar fördern, da sie Stimmen zugutekomme, die andernfalls von antidemokratischer Propaganda übertönt würden. So setzten die Verteidiger der demokratischen Ordnung immer stärker auf die Einschränkung von Rechten.79 Der Gedanke der wehrhaften Demokratie wurde gleich in mehreren Artikeln des 1949 verabschiedeten Grundgesetzes festgeschrieben. Das Grundgesetz garantiert die Glaubens-, Meinungs- und Vereinsfreiheit, spricht sie den Feinden der demokratischen Ordnung aber vorbeugend ab. Artikel 21 (2) definiert »Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen«, als »verfassungswidrig«. Artikel 9 (2) bezieht diese Bestimmung auch auf Vereine und Gesellschaften. Artikel 18 ermächtigt den Staat, Grundrechte wie die Freiheit der Meinungsäußerung und die Pressefreiheit jedem zu entziehen, der sie »zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht«. Artikel 5  (3) erklärt, dass die Freiheit der Lehre »nicht von der Treue zur Verfassung« entbindet. Artikel 139 hält fest, dass die Maßnahmen der Entnazifizierung »von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt« werden, es für die betroffenen Personen also keinen Anspruch auf Wiederherstellung ihrer verwirkten Rechte begründet. Wie viele Rechtswissenschaftler angemerkt haben, machten solche Bestimmungen die Bundesrepublik zur Avantgarde einer neuen politischen und geistigen Vision des Liberalismus. Kein anderes europäisches Land verankerte in seiner Verfassung derart robuste Klauseln, um politischer Unterwanderung Grenzen zu setzen.80 Bereits in den ersten Jahren der Bundesrepublik wendete der Staat diese Gesetze sowohl gegen die Rechte als auch gegen die Linke an. 1951 beantragte die Bundesregierung unter Konrad Adenauer, an der auch die FDP beteiligt war, beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der 1949 gegründeten neonazistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP), da sie mit ihrem extremen Nationalismus, einer Rhetorik der Gewalt und autoritären Strukturen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoße. Nach einjährigen Beratungen entschied das Gericht im Oktober 1952, dass die Weltanschauung der SRP verfassungsfeindlich sei, und ordnete die Auflösung der Partei an. Die im Grundgesetz verankerten Rechte und Freiheiten, argumentierten die Richter, hätten für Demokratiefeinde keine Geltung. Infolge des Urteils verlor die SRP ihre Parlamentssitze und der Staat konfiszierte ihr Vermögen.81 204

Während in dieses Verbotsurteil die noch frischen Erinnerungen an die nationalsozialistische Gewalt einflossen, erzeugte der Kalte Krieg schließlich jenes Gefühl einer ständigen Bedrohung der Demokratie, das deren »wehrhafte« Gestalt dauerhaft in der westdeutschen Politik verankerte. Nach dem Urteil von 1952 debattierten Juristinnen und Juristen darüber, ob es sich dabei um eine einmalige, nur gegen Neonazis gerichtete Suspendierung von Rechten gehandelt habe oder die junge Republik von nun an gegen alle ihre Feinde vorgehen müsse. Als wirkliche Geburtsstunde der wehrhaften Demokratie im Sinne eines Leitprinzips der Bundesrepublik muss insofern das wenig später eingeleitete Verfahren gegen die KPD gelten.82 Nach Einreichen der Klage gegen die SRP beantragte die Bundesregierung noch im selben Jahr ein Verbot der KPD, die sie ebenfalls als verfassungswidrig betrachtete. Obwohl die Partei wenig Unterstützung erhielt – sie schaffte es nur in den ersten Bundestag und scheiterte bei den meisten Landtagswahlen an der Fünf-Prozent-Hürde  –, beharrte das Adenauer-Kabinett darauf, dass sie aufgrund ihres »totalitären Charakters« eine existenzielle Bedrohung der Demokratie darstelle. Da den Bundesverfassungsrichtern bewusst war, welche Tragweite ihre Entscheidung über eine nicht-nazistische Organisation für die politische Kultur der Bundesrepublik haben würde, ließen sie sich für ihr Urteil volle fünf Jahre Zeit. Während ein Verbot von Naziparteien unumstritten war, kam ein Urteil über die KPD einer Grenzziehung zwischen legitimer Opposition und politischer Gefährdung in der freiheitlichen, aber kämpferischen Demokratie gleich.83 Das im August 1956 verkündete Urteil bereitete der Partei das Ende. In einer 308 Seiten umfassenden Begründung – der längsten in der Geschichte des Gerichts – befassten sich Gerichtspräsident Josef Wintrich und das Kollegium mit der Geschichte, Ideologie, Führungsriege und den politischen Strukturen der KPD. All diese Aspekte sollten beweisen, dass die KPD eine totalitäre, demokratiefeindliche Bewegung anführe, die unter Missbrauch demokratischer Freiheiten auf den Sturz der Bundesrepublik hinarbeite. Nach Auffassung des Gerichts musste der Staat nicht auf tatsächliche Gesetzesverstöße oder »ein konkretes Unternehmen« der KPD warten, um sie zu kriminalisieren – es genüge der Nachweis, dass sie aufgrund ihrer weltanschaulichen Überzeugungen zu irgendeinem späteren Zeitpunkt ihr antidemokratisches Programm in die Tat umsetzen könne. Auch eine solche präventive Aufstandsbekämpfung bedeutete aus Sicht der Richter allerdings, »daß der freiheitlich-demokratische Staat gegen Parteien mit einer ihm feindlichen Zielrichtung nicht von sich aus vorgeht; er verhält sich vielmehr defensiv, er wehrt lediglich Angriffe auf seine Grundordnung ab«. Das Gericht versäumte es bei diesem folgenschweren Urteil auch nicht, anzugeben, aus welcher theoretischen Quelle ihr Verständnis von Demokratie, Rechten und Freiheiten 205

schöpfte: Das KPD -Verbot, hieß es abschließend, sei ein »Bekenntnis zu einer […] ›streitbaren Demokratie‹. Diese verfassungsrechtliche Entscheidung ist für das Bundesverfassungsgericht bindend.«84 Mit diesem Rekurs auf Loewensteins Theorie und seine Überzeugung, dass die Unversehrtheit demokratischer Institutionen Vorrang vor dem Willen der Bevölkerung haben müsse, begründeten die Richter nicht nur ihr Urteil, sondern signalisierten darüber hinaus die Erwartung, dass der Staat es entschlossen vollstrecken würde. Dem Gericht zufolge galt das Verbot nicht nur für die KPD selbst, sondern auch für alle bestehenden oder zukünftigen Vorfeldorganisationen, die eine vergleichbare Ideologie vertraten. Diesem Verständnis folgend entfesselte die Bundesregierung eine breit angelegte politische Repressionskampagne: Sie veranlasste die Auflösung der KPD, die Annullierung ihrer verbliebenen Landtagsmandate und die Beschlagnahme ihres gesamten Vermögens; kurz darauf wurden sämtliche Zeitungen, Ju­ gendverbände und Kulturvereine der Partei verboten. Die Adenauer-Regierung setzte das Urteil konsequent um und verbannte die Kommunisten für viele Jahre aus dem politischen Leben. Auch später berief sich der Staat immer wieder auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, um neugegründete kommunistische Organisationen von Wahlen auszuschließen. Bis 1964 waren nicht weniger als 328 Vereinigungen verboten worden. Auch wenn es solchen Maßnahmen nie gelang, kommunistische Aktivitäten in Deutschland vollständig auszulöschen, schränkten sie den Handlungsspielraum für oppositionelle Kräfte radikal ein. Mit dem Anbruch des Kalten Krieges wurde die wehrhafte Demokratie zu einem Kernprinzip der bundesrepublikanischen Politik.85 Ohne Zweifel hatte der deutsche Antikommunismus eine bittere ironische Note: Glühender Hass auf den Kommunismus und insbesondere auf die Sowjetunion war auch für die brutale Zerstörung der Demokratie durch die Nazis und ihren Vernichtungskrieg im Osten von grundlegender Bedeutung gewesen. Der breite Zuspruch, den Loewensteins Positionen in Deutschland fanden, erklärt sich teilweise sicherlich aus der Tatsache, dass vertraute Geisteshaltungen in ihnen nachhallten. Indem Loewenstein solche antikommunistischen Energien in eine neuartige Bindung an demokratische Institutionen kanalisierte, führte er allerdings zugleich eine politische Sprache ein, die sich radikal von der des Nationalsozialismus unterschied, sowie eine Haltung, die sich von der NS -Ideologie, von Rassismus und Antisemitismus, abgrenzte. Dass ein demokratisches Denken wie das von Loewenstein vertretene den Antikommunismus der Nazis in den Dienst ganz anderer Zwecke stellen konnte, ihn eben dadurch aber auch fortschrieb, bleibt eine der großen Eigentümlichkeiten der deutschen Nachkriegspolitik. Während die Liberalen in der 206

Weimarer Ära mit dem Versuch, die Autorität demokratischer Institutionen zu befestigen, kläglich scheiterten, gelang ihnen dies nach 1945 auch durch die Übernahme der antikommunistischen Fixierung ihrer größten Feinde und Totengräber. Loewenstein und der Anhängerschaft seiner Ideen entging diese Ironie offenbar; sie wurde von ihnen nie systematisch reflektiert und blieb eine auffällige Leerstelle im politischen Denken des Nachkriegsliberalismus. Die Karriere dieses Konzepts von den Rändern Weimarer Diskurse ins Zentrum der Nachkriegsordnung beschränkte sich nicht auf die Bundesrepublik. 1957 wendete sich die KPD in der Hoffnung, ihr Recht auf Partizipation am politischen Prozess zurückzugewinnen, an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Zu ihrer großen Enttäuschung wiesen die Brüsseler Richter die Beschwerde ab – mit der Begründung, dass das KPD -Verbot den Grundsätzen der wehrhaften Demokratie entspreche. Selbst nach dem Ende des Kalten Krieges verlor der Begriff nicht seinen Wert für Juristen und politische Denker. Seit dem Anbruch des Krieges gegen den Terror (War on Terror) zu Beginn des 21. Jahrhunderts dient er erneut als theoretische Grundlage für die Forderung an demokratische Staaten, die Rechte ihrer Feinde zu beschneiden. Rechtsexperten und europäische Gerichte haben sich wiederholt auf ihn berufen, um vorbeugende Festnahmen und die Suspendierung von Rechten radikalislamischer Prediger und Aktivisten zu rechtfertigen. Loewensteins Ideen sind somit auch lange nach dem Kalten Krieg weiterhin prägend für Debatten über Umfang und Charakter bürgerlicher Freiheiten unter den Bedingungen eines permanenten Krieges.86

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Kapitel 5

Vom Völkerbund nach Vietnam: Hans J. Morgenthau und die realistische Reform der internationalen Beziehungen

Im Sommer 1965 stand das Weiße Haus unter wachsendem Druck  – zum einen durch den Kongress, zum anderen durch die Demonstrationen gegen den US -Mili­täreinsatz in Vietnam. Die Regierung entschloss sich, der Kritik nicht länger auszuweichen. Am 21. Juni des Jahres verfolgte ein Millionen­ publikum im Fernsehen die Debatte zwischen dem Nationalen Sicherheitsberater McGeorge Bundy, einem der maßgeblichen Architekten der amerikanischen Intervention, und Hans  J.  Morgenthau von der University of Chicago, einem deutschen Emigranten, der als Spezialist für internationale Beziehungen zugleich einer der wichtigsten intellektuellen Fürsprecher der aufkeimenden Antikriegsbewegung war. Bundy warnte davor, dass Amerika mit einem Rückzug aus Vietnam sein Versprechen gegenüber dem vietnamesischen Volk brechen und es dem Grauen einer kommunistischen Diktatur ausliefern würde; ein solches Zeichen von Schwäche könne überdies zur Folge haben, dass die Kommunisten den gesamten asiatischen Kontinent einnähmen. Morgenthau bezeichnete dagegen das amerikanische Engagement in Vietnam als eine diplomatische und moralische Katastrophe. Anstatt Stabilität zu erreichen, würden die Vereinigten Staaten ihre Ressourcen in einer strategisch unbedeutenden Region verschwenden und dabei Tausende unschuldiger Zivilisten töten. Der Vietnamkrieg sei das Produkt einer paranoiden Wahrnehmung, nach der alle kommunistischen Bewegungen und Regime die Inkarnation des Bösen seien. Morgenthau forderte die US -Regierung auf, Verhandlungen mit den vietnamesischen Kommunisten aufzunehmen, ihre Intervention zu beenden und sich aus Südostasien zurückzuziehen.1 Morgenthaus Kritik bereitete den amerikanischen Entscheidungsträgern erhebliche Probleme, da sich der Wissenschaftler in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in Amerika als unangefochtene Autorität auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen etabliert hatte. Seine als »Realismus« bekannt gewordene Theorie legte dar, warum den Vereinigten Staaten keine andere Wahl blieb, als sich der Sowjetunion und China entgegenzustellen und sie an einer Machtexpansion in Europa und Ostasien zu hindern. 209

Der Politologe hatte argumentiert, dass die internationale Sphäre von Natur aus anarchisch und von Gewalt bestimmt sei: Nationen müssten um Macht und Einfluss konkurrieren; Amerika müsse seine Interessen verteidigen, anstatt sich um den Weltfrieden zu bemühen oder das Völkerrecht zu stärken; die Eindämmung der sowjetischen und chinesischen Macht sei eine Frage des Überlebens. In den 1950er Jahren fanden diese Gedanken in intellektuellen und Wissenschaftskreisen in Amerika breiten Widerhall. Morgenthau fungierte als Berater hochrangiger Diplomaten wie George Kennan und Dean Acheson, und seine Bücher waren Lehrstoff an zahllosen Universitäten. Viele betrachteten ihn als den wichtigsten deutschen Emigranten in den Vereinigten Staaten und geistigen Vater der Diplomatie des Kalten Krieges. Wie ein Kommentator überspitzt formulierte: »Morgenthau ist für die Politik, was Einstein für die mathematische Physik ist.«2 Seine paradoxe Position als renommierter Theoretiker des Kalten Krieges und führender Intellektueller der Opposition gegen den Vietnamkrieg stellte sowohl die Zeitgenossen wie später Historikerinnen und Historiker vor ein Rätsel. Vielen schien  – und scheint noch immer  – besonders seine Behauptung verwirrend, dass der Vietnamkrieg nicht nur strategisch falsch, sondern auch moralisch verheerend war. In Morgenthaus Augen vergiftete das Töten der vietnamesischen Zivilbevölkerung das moralische Gewebe der Vereinigten Staaten und zerstörte ihre Demokratie. Während andere realistische Theoreti­kerinnen und Theoretiker Innen- und Außenpolitik strikt voneinander trennten, behauptete er, dass der Krieg in Vietnam das direkte Ergebnis einer wachsenden Apathie der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Demokratie und einer gefährlichen Machtkonzentration in den Händen einer kleinen Elite sei. Für Morgenthau kam internationale Politik nicht umhin, demokratische Normen und moralische Gesichtspunkte zu beachten. Er war also keineswegs ein hartgesottener Theoretiker staatlicher Macht, wie sein Ruf als »klassischer Realist« suggeriert. Ein reines Machtstreben, warnte er in seinen Schriften, führe in die Katastrophe.3 Entgegen dem Anschein einer Metamorphose vom Falken zum Dissidenten, gingen sowohl Morgenthaus anfängliche Unterstützung des Kalten Krieges wie auch seine spätere Opposition gegen denselben auf die Weimarer Zeit zurück. Seine Gedanken über internationale Politik und Diplomatie waren von den intensiven Debatten geprägt, die damals in Deutschland über die eigene Stellung in der globalen Nachkriegsordnung geführt wurden. Als junger Intellektueller hatte Morgenthau die Position vertreten, dass Staaten ein Gleichgewicht zwischen notwendigem Machtstreben einerseits, der Stärkung der Demokratie im eigenen Land und internationaler Zusammenarbeit andererseits finden müssten. Zwar sollten sie Machtpolitik als »natürliche« 210

Ordnung anerkennen, zugleich aber ein gerechteres internationales System anstreben, in dem sich alle Länder Macht und Ressourcen teilen. Deutschland schien ihm gute Voraussetzungen dafür zu bieten, den Weg zum Aufbau einer solchen globalen Ordnung zu weisen: Sein diplomatisches Korps konnte der Welt zeigen, dass es möglich war, gleichzeitig für nationale Interessen, demokratische Politik und internationale Kooperation einzutreten. Diese Vision leitete Morgenthau auch nach 1945, als er den Vereinigten Staaten die Aufgabe zuwies, bei der Schaffung einer neuen, Macht und Moral austarierenden Weltordnung voranzugehen.4 Morgenthaus Weg von Weimar in den Kalten Krieg war somit kennzeichnend für den einsetzenden Zerfall der deutsch-amerikanischen Symbiose. Wie Friedrich, Fraenkel, Gurian und Loewenstein bot er Amerikanern, die die Rolle ihres Landes in der Nachkriegsära verstehen wollten, wichtiges geistiges Rüstzeug. Seine realistische Theorie erklärte, warum die Mobilmachung des amerikanischen Staates gegen die Sowjetunion und das kommunistische China das »natürliche« Produkt internationaler Beziehungen, ein Resultat universeller und unveränderlicher Regeln sei. Im Unterschied zu den anderen vier Emigranten gewann Morgenthau mit seinen Gedanken aber schließlich auch für Kräfte Bedeutung, die die Diplomatie des Kalten Krieges infrage stellten. Eine neue Generation verdankte ihm Begriffe zur Artikulation der Angst, dass die antikommunistische Politik die Integrität demokratischer Institutionen beschädigen könnte. Nachdem er zwei Jahrzehnte lang die Mobilisierung für den Kalten Krieg unterstützt hatte, leistete Morgenthau nun der Demobilisierung Vorschub. In paradoxer Weise gab seine intellektuelle Autorität auf dem Feld der US -Außenpolitik nun gerade denjenigen Legitimität, die diese Politik herauszufordern begannen.

Die internationale Politik, das Recht und der Krieg Deutschlands Niederlage im Ersten Weltkrieg läutete nicht nur den ersten Demokratieversuch des Landes ein, sondern auch ein viel weiterreichendes Projekt: die Schaffung einer neuen, von den Grundsätzen des Völkerrechts geleiteten Weltordnung. Noch während des Krieges gab US -Präsident Woodrow Wilson im März 1918 seinen Plan zur Gründung einer neuen internationalen Organisation bekannt: des Völkerbundes. Sie war von Wilson und Unterstützern des britischen Imperialismus wie dem südafrikanischen Diplomaten Jan Smuts entworfen worden und hatte zum Ziel, Machtpolitik und militärische Bündnisse durch internationale Zusammenarbeit und offene Diplomatie zu 211

ersetzen. Der Völkerbund war als ein globales legislatives Organ konzipiert, in dessen Rahmen alle Länder gleichberechtigt an der Lösung internationaler Konflikte arbeiten sollten – ein Ziel, das durch seine imperialen Ursprünge stets konterkariert wurde. An seiner Seite sollte ein neuer Gerichtshof die Einhaltung von Rechtsprinzipien in der internationalen Politik sicherstellen, und zwar mit der Befugnis, internationale Streitigkeiten zu schlichten und wenn nötig gegen staatliche Verletzungen von Minderheitenrechten in Ostund Mitteleuropa vorzugehen. 1919 schlossen sich 44 Staaten im Rahmen der Pariser Friedenskonferenz zum Völkerbund zusammen und ratifizierten die Gründung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Zusammen sollten die beiden Institutionen, wie ein amerikanischer Journalist formulierte, »eine neue Ära in der Weltgeschichte« eröffnen.5 Deutschland war nach dem Krieg vom Völkerbund zunächst ausgeschlossen und konnte ihm erst nach langen Verhandlungen 1926 beitreten. Dies war Teil einer harten Bestrafung durch den Versailler Vertrag, durch den Deutschland seine überseeischen Kolonien verlor, umfangreiche Gebiete an Polen und Frankreich abtreten und immense Reparationen zahlen musste. Trotzdem assoziierten Deutsche aller politischen Überzeugungen die Weimarer Republik vom Augenblick ihrer Gründung an mit dem Völkerbund und dem internationalen Recht. Viele Befürworter der Republik waren der Auffassung, dass Deutschlands Demokratisierung mit einer Eingliederung in eine neue Gemeinschaft der Nationen einhergehen müsse. Für den führenden liberalen Rechtsgelehrten und Vater der Weimarer Verfassung Hugo Preuß entsprangen die Republik und der Völkerbund derselben politischen Vision. So wie die Demokratie von friedlicher Zusammenarbeit und rechtsstaatlichen Prinzipien innerhalb des Nationalstaates abhinge, müsse sich Deutschland auch der internationalen Kooperation und dem Völkerrecht unterordnen. Viele Liberale und Sozialisten teilten diese Haltung und verankerten sie in der Weimarer Verfassung. Artikel 4 zum Beispiel bestimmte die »allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts« als »bindende Bestandteile des deutschen Reichsrechts«.6 Für Nationalisten und Antidemokraten gehörten der Völkerbund und die Weimarer Demokratie ebenfalls zusammen. Beide galten ihnen als Manöver von Deutschlands Feinden, um die Nation zu spalten und zu schwächen. So erklärte der Konservative Clemens von Delbrück, ehemals stellvertretender Reichskanzler: »Allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts gibt es so gut wie gar nicht«; alle Autorität gründe im deutschen Staat. Gustav Stresemann bezeichnete die Republik und Artikel  4 als eine »Schlinge um den Hals« Deutschlands. Die umfassendste Kritik formulierte der einflussreiche Staatsrechtler Carl Schmitt, dem zufolge sowohl die Weimarer Republik als auch der Völkerbund ein Produkt fataler liberaler Täuschungen waren. Beide 212

stellten laut Schmitt den Versuch dar, politische Konflikte durch rechtliche Mechanismen zu ersetzen und den deutschen Staat durch die Gewaltenteilung im Inneren und durch das Völkerrecht von außen her zu schwächen. Deutsche Demokraten und die Gründer des Völkerbundes weigerten sich demnach anzuerkennen, dass Konflikt und Gewalt zur menschlichen Natur gehörten und nicht durch das Recht reguliert werden konnten. In Schmitts Augen hatten solche Reformer auch gar nicht den Weltfrieden im Sinn, sondern die Unterdrückung des deutschen Nationalismus und die Sabotage von Deutschlands legitimem Streben nach Weltmachtstatus. Wie er in einer berühmt gewordenen Formulierung höhnte: »Wer Menschheit sagt, will betrügen.« In den 1920er Jahren war das Verhältnis der deutschen Republik zur neuen internationalen Ordnung somit Gegenstand intensiver theoretischer und politischer Debatten: Sollte Deutschland das Völkerrecht begrüßen oder auf seine Demontage hinarbeiten?7 Diese Auseinandersetzungen prägten Hans Morgenthaus frühes Denken. 1904 als Kind jüdischer Eltern in Bayern geboren, begann er in München ein Jurastudium und promovierte 1928 bei Karl Neumeyer, einem renommierten Spezialisten für internationales Recht, über den Völkerbund.8 Später zog er nach Frankfurt am Main, wo er ein Referendariat bei dem sozialistischen Intellektuellen Hugo Sinzheimer absolvierte und mehrere Bücher und Aufsätze über internationale Politik veröffentlichte. Als Anhänger der Weimarer Demokratie war Morgenthau um die Stärkung der Republik durch eine neue Theorie internationaler Beziehungen bemüht. Er argumentierte, dass die deutsche Außenpolitik eine neue Vision benötige, die das liberale Eintreten für Frieden und internationale Gerechtigkeit mit der Überzeugung von Nationalisten synthetisieren sollte, und dass Konflikte ein unvermeidlicher Bestandteil der Weltpolitik seien. Diese neue Theorie war von Morgenthau als Blaupause für eine »dynamische« Diplomatie in der veränderten Situation der Nachkriegsära konzipiert. Die Weimarer Republik konnte ihm zufolge federführend bei der Schaffung eines internationalen Systems werden, in dem Völkerrecht und nationales Machtstreben Seite an Seite existierten.9 Der Völkerbund und das von ihm geschaffene internationale System stellten laut Morgenthau ein Rätsel dar: Die stärksten und einflussreichsten Länder der Welt  – die USA, Großbritannien und Frankreich  – hatten sich große Mühe gegeben, Institutionen und komplexe rechtliche Mechanismen zur Lösung internationaler Konflikte zu schaffen, doch trotz ihrer enormen Macht und beispiellosen Dominanz waren der Völkerbund und der Ständige Gerichtshof kläglich am Abbau von Spannungen zwischen Nationen gescheitert. Den gewaltsamen Konflikten auf dem Balkan standen sie ebenso machtlos gegenüber wie den Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich 213

im Hinblick auf Elsaß-Lothringen, das ungeachtet des französischen Sieges im Weltkrieg weiterhin von beiden Ländern beansprucht wurde. Trotz der intensiven Anstrengungen, die die Großmächte in die Gründung des Völkerbundes investiert hatten, und obwohl mehrere Dutzend Länder an seinen Institutionen partizipierten, hatte er sich als eine inkompetente, zur Förderung von Frieden und internationalem Recht unfähige Organisation erwiesen.10 Morgenthau führte dieses Versagen des Völkerbundes darauf zurück, dass seine Gründer die Natur von Konflikten nicht begriffen hätten. Eine Reform der internationalen Ordnung setze ein anderes Verständnis des Wesens von Politik voraus. Um die geforderte neue Perspektive zu entwickeln, stützte sich Morgenthau auf Carl Schmitts breit rezipierten Aufsatz Der Begriff des Politischen, demzufolge Politik  – oder »das Politische«  – eine spezifische, selbstständige Sphäre des Handelns darstellt, die sich von anderen Gebieten des menschlichen Lebens unterscheidet. Während Moral auf der Unterscheidung von Gut und Böse, Ästhetik auf jener von Schön und Hässlich beruhe, sei für das Politische die von Freund und Feind bestimmend. Für Schmitt bewies diese Definition, dass friedliche Beziehungen zwischen Nationen nie von Dauer sein könnten: Wann immer Menschen Gemeinschaften bildeten, markierten sie zwangsläufig andere Gemeinschaften als Feinde. Konflikte seien somit dem menschlichen Leben inhärent, weshalb das Ziel von Politik in der Vorbereitung auf sie bestehe. Das letztgültige Ziel des Staates sei es, die Nation für den Sieg in potenziellen Konflikten mit anderen Nationen zu mobilisieren. Jede Institution, die wie der Völkerbund Spannungen zu beseitigen oder auch nur zu regulieren suchte, kämpfte laut Schmitt gegen die menschliche Natur an und war folglich zum Scheitern verurteilt.11 Morgenthau schlug in Antwort auf Schmitt eine andere Definition von Politik vor. Letzterer ging ihm zufolge zu Unrecht davon aus, dass das Politische ein eigenständiges, von Religion, Kunst und Moral abgetrenntes Gebiet sei; in Wirklichkeit könne jeder Aspekt des menschlichen Lebens eine Quelle von Spannungen und möglicherweise von Gewalt zwischen Gemeinschaften werden. Je nach dem subjektiven emotionalen Wert, den Menschen ihnen beimaßen, könnten auch Moral, Ästhetik oder Wirtschaft politisch werden: »Der Begriff des Politischen hat keine Substanz, die ein für allemal feststände, er ist vielmehr eine Eigenschaft, eine Qualität, eine Färbung, die allen Substanzen anhaften kann […]. Einer Frage, die heute politischen Charakter hat, kann morgen jede politische Bedeutung abgehen und eine Frage von an sich geringer Wichtigkeit kann über Nacht zu einer politischen Frage ersten Ranges werden.«

Was politische Fragen im engeren Sinn auszeichnete, war demnach der »Grad der Intensität«, mit der sie Konflikte hervorriefen. Jeder menschliche Hand214

lungsbereich könne einen politischen Charakter annehmen, Konflikten sei diese Eigenschaft aber nur dann beizumessen, wenn sie zum Brennpunkt eines ausgeprägten Antagonismus zwischen Gemeinschaften würden. Morgenthau räumte ein, dass der Punkt, an dem ein Thema diese Linie überschritt, nicht exakt zu bestimmen sei. Durch die Definition des Politischen als der schärfsten Form von Konflikt ließen sich ihm zufolge jedoch die Schwierigkeiten besser verstehen, vor denen der Völkerbund stand.12 Auf der Grundlage dieses Begriffs von Politik unterschied Morgenthau zwischen zwei Arten von internationalem Konflikt. Es gebe einerseits »Streitigkeiten«, die – wie beispielsweise handelspolitische Differenzen – von den beteiligten Nationen nicht als existenziell betrachtet würden und die sich durch internationale rechtliche Institutionen wie den Völkerbund und den Internationalen Gerichtshof schlichten ließen. Andererseits gebe es »Spannungen«, die im Unterschied zu Streitigkeiten von den Konfliktparteien emotional stark aufgeladen würden und somit grundsätzlich von politischer Natur seien. Durch rechtliche Mechanismen, wie der Völkerbund sie zu schaffen versuchte, könnten sie nicht gelöst werden. Der Versailler Vertrag von 1919 war für Morgenthau ein solcher Fall, denn die Deutschen lehnten ihn beharrlich und mit starkem Unmut ab, da er in ihren Augen ungerecht war. Die deutschen Forderungen, Teile des Vertrags zu revidieren oder zu ignorieren, waren demnach keine rechtliche Angelegenheit, über die ein internationales Gericht hätte entscheiden können. Nach Morgenthau erklärte der Unterschied zwischen Streitigkeiten und Spannungen, warum es Liberalen wie Preuß und Nationalisten wie Schmitt gleichermaßen nicht gelungen war, eine umfassende und realistische Theorie des Völkerrechts und der internationalen Politik vorzulegen: Sämtliche internationalen Konflikte seien im ersten Fall als Streitigkeiten, im zweiten als Spannungen betrachtet worden. Folgerichtig habe das Völkerrecht entweder, wie bei Preuß, als ein Allheilmittel zur Lösung aller Konflikte gegolten, oder die internationale Politik sei, wie bei Schmitt, als ein anarchischer Kampf, der niemals reguliert werden könne, aufgefasst worden. Morgenthau behauptete, dass die einen wie die anderen falsch lagen, und versuchte, in seinen Schriften die Grenzen beider Auffassungen von internationaler Politik aufzuzeigen. Zunächst richtete sich Morgenthaus Kritik gegen Liberale wie Preuß. Der Glaube, dass politische Spannungen, die das Völkerrecht betreffen, wie Streitigkeiten geregelt werden könnten, zeugte seiner Ansicht nach von Naivität. Mehr noch, der Versuch, politische Fragen in rechtliche zu verwandeln, sei sogar gefährlich, da er zu einer Zunahme statt zu einer Verringerung von Gewalt führen könne. Nach Morgenthau erwarteten Liberale von rechtlichen 215

Institutionen Urteile über Konflikte, zu deren Lösung diesen jedoch die Mittel fehlten. Wie der Politologe scharf einwandte: »Die Begriffe ›rechtlich‹ und ›politisch‹ bilden überhaupt kein adäquates Begriffspaar […]. Der begriffliche Gegensatz zu dem Begriff der politischen Fragen wird durch den Begriff der nichtpolitischen Fragen, nicht aber durch den Begriff der Rechtsfragen gebildet.« Kein Gericht wäre demnach etwa imstande gewesen, eine rechtlich akzeptable Lösung für die das Rheinland betreffenden politischen Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland zu finden, die deren Verhältnis nicht vergifteten – die Verliererseite hätte unweigerlich die Objektivität des internationalen Rechtssystems in Zweifel gezogen und das Urteil als politisch voreingenommen und ungerecht aufgefasst. Die unterliegende Nation – in den 1920er Jahren war dies Deutschland – musste ihre Niederlage zwangsläufig als Zeichen des Ausbleibens eines fairen Verfahrens werten und umso verbitterter und aggressiver werden.13 Morgenthau gestand Schmitt deshalb die richtige Erkenntnis zu, dass die vom Völkerbund und seinen Verfechtern errichtete internationale Ordnung auf Illusionen gründe. Internationale Übereinkünfte drückten lediglich den politischen Willen aus, kriegerische Handlungen einzustellen; der Frieden hing vom guten Willen und den Absichten der beteiligten Staaten ab, kein Völkerrecht und keine internationale Organisation könne ihn garantieren. Nüchtern bemerkte Morgenthau, dass »bisher kein internationales Rechtspflegeorgan […] einen politischen Konflikt beigelegt und so den Frieden zwischen den Staaten aufrechterhalten hat«. Der Völkerbund könne die Politik nicht aus der Welt schaffen, er vermöge nur, rechtliche Streitigkeiten zu lösen, die die betroffenen Nationen als nicht allzu wichtig betrachteten.14 Morgenthau stützte seine politische Theorie auf das Menschenbild der Psychoanalyse. Nach seiner Lesart von Sigmund Freud folgten die Menschen einem ursprünglichen Trieb zur Herrschaft. Da die Individuen jedoch durch soziale Normen daran gehindert würden, diesen Trieb im Alltag auszuleben, projizierten sie ihr Verlangen nach Macht auf Kollektive, allen voran auf die Nation. Die aggressive Natur der menschlichen Psyche erzeuge daher eine Reihe unvermeidlicher Konflikte, die die Menschen zu einem unaufhörlichen Kampf verurteilten. Gesellschaftliche Institutionen könnten diese Triebe zwar mit friedlichen Mitteln eindämmen, aber niemals vollständig auslöschen. Selbst wenn es der menschlichen Gesellschaft gelänge, einen bestimmten Bereich von Herrschaft auszuschalten – etwa durch die von den Sowjets angestrebte Abschaffung wirtschaftlicher Ungleichheit –, entstehe unweigerlich ein neuer Schauplatz von Konflikten. Keine menschliche Organisation, wie ausgefeilt sie auch sein mochte, könne Aggression und Machtstreben gänzlich überwinden.15 216

Die Implikationen dieses Gedankens für die internationale Politik lagen nach Morgenthau auf der Hand: Da Menschen ihre Gefühle in eine Identifi­ kation mit der Nation kanalisierten, strebten sie zwangsläufig nach Macht und Herrschaft auf internationaler Ebene. Auch wenn sich manche Konflikte vielleicht durch Institutionen lösen ließen, bliebe die Drohung von Gewalt stets unvermeidlich und allgegenwärtig. Die Herstellung eines dauerhaften Friedens war demnach nicht einfach durch die Überwindung von primitivem nationalistischen Egoismus zu leisten, wie viele Liberale meinten  – sie lief der menschlichen Natur zuwider. Die Menschen seien in einer tragischen Existenz gefangen und könnten bestenfalls auf einen fragilen Modus Vivendi hoffen, dessen Störung durch internationale Gewalt unausweichlich sei.16 Im Unterschied zu Schmitt richtete Morgenthau seine Kritik allerdings nicht nur gegen die Verfechter, sondern auch gegen die nationalistischen und konservativen Gegner des Völkerbundes. In mehreren Manuskripten und Vorträgen griff er sie scharf dafür an, nicht anzuerkennen, dass bestimmte Konflikte durchaus Streitigkeiten werden könnten und folglich auf rechtlichem Wege lösbar seien. Stattdessen behaupteten sie, dass alle Spannungen unweigerlich in einen Krieg münden müssten, und verherrlichten Gefecht und Kampf sogar. Niemand verkörperte diese pervertierte Geisteshaltung besser als der heute politisch umstrittene Schriftsteller Ernst Jünger, dessen Kriegsromane und Elogen auf die soldatische Erfahrung sich unter deutschen Nationalisten großer Beliebtheit erfreuten. Morgenthau argumentierte, dass Jüngers Kriegsverherrlichung den kollektiven Charakter politischer Spannungen verkannte. Krieg sei keine individuelle Erfahrung, sondern würde von Gruppen bestimmt, die gemeinsam entschieden, wann ein Konflikt politisches Handeln erforderte. Für das von Jünger und der deutschen Rechten gezeichnete Bild des Krieges als einer befreienden, spirituellen Erfahrung, die die Behauptungskraft der Nation stärke, hatte Morgenthau nur Spott übrig. In Gestalt von Maschinengewehr, Artillerie und Giftgas habe die moderne Technik den Krieg in ein sinnloses Schlachten verwandelt, bei dem es auf Courage nicht mehr ankomme. In der Hoffnung, dass Deutschland eines Tages erneut zu den Waffen greifen und den Völkerbund abschaffen werde, forderten Nationalisten ihr eigenes Land zu einem »Selbstmord mit gutem Gewissen« auf. Denker wie Jünger betrachtete Morgenthau als Beleg dafür, dass die deutsche Rechte nihilistisch geworden war. Anstatt sich um Frieden und Sicherheit für Deutschland zu bemühen, feierten sie Gewalt als Selbstzweck.17 Morgenthau verfolgte den »geistigen Verfall« des deutschen Nationalismus bis ins 19. Jahrhundert zurück. In einer Darstellung der Geschichte der deutschen Moralphilosophie von Immanuel Kant bis zu Friedrich Nietzsche beklagte er eine wachsende Tendenz, den Gedanken einer universellen Moral 217

durch die zwanghafte Glorifizierung deutscher Größe zu ersetzen. Wenn Intellektuelle wie Jünger oder Schmitt das internationale Recht ablehnten und auf Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund drängten, folgten sie nicht einer nüchternen Beurteilung der menschlichen Realität. Vielmehr sei ihr Widerstand gegen das Völkerrecht ein Symptom des Unvermögens, moralische oder rechtliche Normen gleich welcher Art anzuerkennen. Mangels eines moralischen Kompasses brächten sie nur ziellose Angriffe auf den Parlamentarismus und selbstgerechte nationalistische Propaganda hervor. Morgenthau zufolge musste die nationale und internationale Politik von moralischen Normen geleitet sein. Die Weigerung deutscher Nationalisten, eine universelle Moral anzuerkennen, führe die Nation in eine düstere Zukunft des immerwährenden Chaos. Jenseits von Nihilismus und endloser Kriege hätten sie letztlich nichts anzubieten.18 Morgenthaus Agenda war somit nicht, wie in der wissenschaftlichen Literatur häufig behauptet, Teil der nationalistischen Kampagne gegen die internationale Ordnung der Zwischenkriegszeit. Im Gegenteil: Denker wie Jünger und Schmitt, die die nationale Souveränität über jedes Recht stellten und den Versuch einer Reform des internationalen Systems folgerichtig zurückwiesen, verabscheute er geradezu und führte Deutschlands Irrweg in den Ersten Weltkrieg auf genau diese Machtpolitik zurück. Laut Morgenthau hatte sich die deutsche Führungsschicht seit den Tagen Otto von Bismarcks von einer aggressiven Expansion die Stärkung der Nation erhofft, das Land damit aber nur in eine demütigende Niederlage geführt. Machtpolitik, wie Schmitt sie zelebrierte, sei nicht nur moralisch bankrott, sondern auch verhängnisvoll für Deutschland und führe sich somit selbst ad absurdum.19 Welches Verhältnis sollte die Weimarer Republik zum Völkerbund und zum internationalen Recht einnehmen, wenn weder Liberale wie Preuß noch Nationalisten wie Schmitt überzeugende Richtlinien für die Diplomatie anbieten konnten? Sollten deutsche Diplomaten das Völkerrecht gutheißen oder ablehnen? Zur Beantwortung dieser Fragen griff Morgenthau auf das Werk des Frankfurter sozialistischen Rechtswissenschaftlers Hugo Sinzheimer zurück, der für ihn – wie auch für Fraenkel – ein Mentor war.20 Sinzheimer zufolge krankte die Weimarer Republik an einer nur partiellen Demokratisierung: Während sie formal allen Bürgerinnen und Bürgern volle rechtliche Gleichheit und Freiheit gewähre  – alle waren vor dem Gesetz gleich und hatten dieselben politischen Rechte –, bleibe sie sozial von starker Ungleichheit geprägt. Im Kapitalismus bestand zwischen der von Armut geplagten Arbeiterklasse und den Mittelschichten aus Sinzheimers Sicht ein ungerechtes, moralisch nicht zu vertretendes Gefälle. Um eine stärker egalitäre und demokratische Gesellschaft zu erreichen, müsse das deutsche Rechtswesen – 218

insbesondere die Richterschaft  – soziale Ungleichheiten berücksichtigen. Richter sollten nicht einfach das Gesetz auslegen, sondern das Rechtssystem zur Stärkung von Arbeitern und zur Förderung sozialer Gleichheit einsetzen. Beispielsweise sei in Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitern und Unternehmern zu berücksichtigen, dass Erstere von Letzteren ökonomisch und sozial abhängig und somit in einer schwächeren Ausgangsposition seien. In der Weimarer Zeit war Sinzheimers Appell, rechtsstaatliche Prinzipien zu wahren, bei Urteilssprüchen aber auch außerrechtliche und soziale Faktoren zu bedenken, ausgesprochen originell. Er zielte auf die Herstellung sozialer Gleichheit durch rechtliche Mittel.21 Morgenthau wendete diese Theorie des sozialen Rechtsstaats auf die internationale Sphäre an, da sie ihm geeignet schien, die Probleme der globalen Nachkriegsordnung herauszuarbeiten und Lösungen für sie zu finden. Wie die Republik gewährten der Völkerbund und das internationale Recht offiziell allen Staaten gleiche Rechte und Macht – alle seien in ihm vertreten und vor dem Internationalen Gerichtshof formal gleich. Wie Schmitt jedoch treffend argumentiert habe, ignoriere das Völkerrecht substanzielle soziale, politische und wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen den Nationen. So habe der Völkerbund beispielsweise ein »Mandatssystem« geschaffen, das dem britischen und dem französischen Imperium zahlreiche rechtliche Verantwortlichkeiten gegenüber ihren überseeischen Kolonien zugewiesen, damit in Wirklichkeit aber nur einem System roher Ausbeutung und Ungleichheit einen legalen Anstrich verliehen habe. So wie die formale Gleichheit der Weimarer Republik der Aufrechterhaltung einer ausgeprägten sozialen Schichtung innerhalb Deutschlands diene, hätten der Völkerbund und der Internationale Gerichtshof nichts zur Verringerung eines drastischen und ungerechten sozioökonomischen Gefälles zwischen Ländern unternommen; wie die deutschen Gerichte seien die internationalen Organisationen Werkzeuge der Mächtigen. Nach dem Ersten Weltkrieg, so Morgenthau, habe die »Entwicklung des Völkerrechts […] Halt gemacht« und die Ungleichheiten zwischen Siegern und Verlierern »in einem gleichsam gefrorenen Zustand« erhalten.22 Eine gerechte und glaubwürdige internationale Ordnung erfordere ein Gleichgewicht zwischen der Respektierung des Völkerrechts und der Einsicht, dass bestimmte Ungleichheiten mit politischen Mitteln gelöst werden müssten. In Anlehnung an Sinzheimers Appell an die Richterschaft, neben rechtsstaatlichen Prinzipien auch die sozialen Realitäten in ihren Urteilen zu berücksichtigen, erklärte Morgenthau, Diplomaten sollten das Völkerrecht akzeptieren und stärken, aber gleichzeitig nach politischen Lösungen für internationale Spannungen suchen. Anders als Sinzheimer und seine Schüler betrachtete Morgenthau wirtschaftliche Ungleichheiten nicht unbedingt als 219

die tiefste Ursache von Ungerechtigkeit, denn gemäß seiner Definition von Politik konnten alle gesellschaftlichen Bereiche zur Quelle von Spannungen und Ungleichheit zwischen Nationen werden. Folglich gab es auch nicht den einen rechtlichen oder politischen Mechanismus, der einen höheren Grad an internationaler Gleichheit herstellen könnte – Diplomaten müssten ständig miteinander verhandeln und Übereinkünfte zum Abbau politischer Spannungen finden. Morgenthau zufolge konnte kein internationales System je die Gewähr für einen gerechten und harmonischen Frieden bieten; aufgrund der menschlichen Natur blieben gewaltsame Konflikte stets möglich. Durch das Bemühen um eine Stärkung des Völkerrechts bei gleichzeitiger Anerkennung seiner Grenzen könnten Staaten allerdings ein System »relativ gerechter und für alle gleichmäßig geltender Normen« aufbauen, das sich im Gegensatz zum »statischen« Völkerbund durch »Elastizität« auszeichnen solle und die bestmögliche Lösung darstelle, auf die die Menschheit hoffen dürfe.23 Der Aufbau eines solchen dynamischen internationalen Systems hing laut Morgenthau von einer fähigen Führung ab. Talentierte Diplomaten, die Frieden anstrebten, aber sich bewusst waren, dass Gewalt in der menschlichen Natur angelegt war, könnten entscheiden, ob es sich bei Konflikten um Rechtsstreitigkeiten oder politische Spannungen handelte. Deutsche Diplomaten konnten in Morgenthaus Augen bei der Verwirklichung eines solchen Systems vorangehen – da die Deutschen die Hauptleidtragenden des ungerechten Versailler Vertrags, später aber Mitglied des Völkerbunds geworden waren, wodurch sie ein besonderes Gespür für die Ungerechtigkeit wie auch für das befreiende Potenzial der internationalen Ordnung hätten. Besonders positiv hob er die Leistungen Gustav Stresemanns hervor, der sich von 1923 bis 1929 als außerordentlich fähiger Außenminister erwiesen habe. Als deutscher Nationalist hatte Stresemann die Weimarer Republik und das Völkerrecht zunächst abgelehnt, seine Position aber später geändert. 1926 führte er Deutschland in den Völkerbund, trug so zur Überwindung der diplomatischen Isolierung des Landes bei und löste Gebietskonflikte mit Frankreich. Aus Morgenthaus Sicht hatte Stresemann damit genau jene Dynamik de­ monstriert, die die internationale Politik benötigte: Er hatte den Völkerbund als Instrument zur Förderung des Friedens und zugleich als Ort zur Vertretung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen Deutschlands genutzt. Stresemann zeigte so, wie der Völkerbund bei richtiger Führung als Organ eines dynamischen Rechts fungieren konnte: eines Rechtssystems, das Ungleichheiten und politische Spannungen anerkannte und bearbeitete. Morgenthau führte nicht genau aus, inwieweit er damit ein Modell für allgemeinere Mechanismen war; ob zukünftige Diplomaten Stresemanns Erbe fortführen könnten, blieb unklar. In jedem Fall diente er Morgenthau aber als 220

Beleg dafür, dass sich die Akzeptanz des Völkerrechts und ein Eintreten für nationale Stärke nicht gegenseitig ausschlossen, sondern grundsätzlich Hand in Hand gehen konnten. Die deutsche Diplomatie habe damit der gesamten Welt bewiesen, dass ein dynamisches internationales Recht – eines, das sich von utopischen Träumen gelöst habe und an den Realitäten des politischen Lebens orientiere – möglich sei.24 Im Rahmen der vehement geführten Weimarer Debatten über das Wesen der internationalen Politik und den Platz Deutschlands in der neuen Weltordnung entwarf Morgenthau mit seinen Schriften eine neuartige Vision von Diplomatie, die zugunsten der Republik und der internationalen Zusammenarbeit linke und konservative Positionen verschmolz. Sowohl in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern erkannten führende Völkerrechtler wie Paul Guggenheim oder Hersch Lauterpacht in seinen Schriften den Entwurf einer um Frieden bemühten internationalen Politik, die zugleich die Schwächen des Völkerbundes in Rechnung stellte.25 Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, beendeten sie unverzüglich jeden Versuch eines Austarierens von Machtpolitik und internationaler Zusammenarbeit. Wie Schmitt und andere Nationalisten waren sie der Überzeugung, dass Demokratie und Kooperation zwischen Staaten ein und demselben Irrglauben an die menschliche Gleichheit entsprangen und daher zerstört werden mussten. Wie Hitler in einer Rede proklamierte: »Internationalismus und Demokratie sind unzertrennliche Begriffe«, die »praktisch zur Aufhebung der wirklichen Werte eines Volkes führen«. Für die Nazis war die Weltpolitik eine Arena des ewigen Kampfes zwischen Rassen um knappe Ressourcen und Gebiete, die jede Respektierung des Völkerrechts ausschloss. Eine der Maßnahmen, die Hitler noch im ersten Amtsjahr vollzog, war daher der Austritt aus dem Völkerbund, gefolgt von der Unterdrückung aller Stimmen, die für internationale Kooperation eintraten.26 Für Morgenthau war das Bemühen um eine dynamische Außenpolitik jedoch noch nicht beendet. Nachdem er von Deutschland in die Schweiz und später nach Spanien geflohen war, traf er 1937 in den Vereinigten Staaten ein. 1940 erhielt er, mit Unterstützung durch Carl J. Friedrich, eine Professur an der University of Chicago und nahm sein intellektuelles Projekt wieder auf. Mit der Neugestaltung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg und im Zuge des beginnenden Kalten Krieges trug seine Theorie zur Gestaltung eines neuen diplomatischen Vorhabens mit globalen Ausmaßen bei.27

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Morgenthau und der amerikanische Machtapparat im Kalten Krieg In der Zeit, in der sich Morgenthau in den Vereinigten Staaten als ein bedeu­ tender Theoretiker der internationalen Politik profilierte, fand in der US Außenpolitik eine dramatische Verschiebung statt. Als sich der Zweite Weltkrieg dem Ende näherte, kam in Amerika breite Unterstützung für den Gedanken einer globalen Reform auf; viele glaubten, die US -Regierung werde federführend eine neue Weltordnung des Friedens und der Stabilität schaffen. Grundlage dieser Hoffnungen war die Atlantik-Charta von 1941, in der sich Präsident Roosevelt zur internationalen Zusammenarbeit, dem Völkerrecht und gemeinsamer Abrüstung bekannt hatte. Zahllose Intellektuelle, Journalisten und Politiker erwarteten von den Vereinigten Staaten die Gründung einer globalen Organisation, die internationale Konflikte beenden würde. Innerhalb weniger Jahre wich dieser Optimismus jedoch einer allgegenwärtigen Angst: Statt globaler Zusammenarbeit erlebte die Welt die wachsenden Spannungen des Kalten Krieges zwischen den USA und der UdSSR . Um die Zurückdrängung einer mutmaßlichen kommunistischen Bedrohung bemüht, rückten Washington und die amerikanischen Diplomaten von Roosevelts einstigem Appell zur Abrüstung ab und bauten stattdessen einen gewaltigen Militärapparat und antikommunistische Bündnisse auf; das Völkerrecht wurde nachrangig, im Zentrum stand die Ausweitung der Macht des Staates. Statt der anvisierten globalen Kooperation herrschte ein globaler Konflikt. Morgenthau spielte bei dieser Transformation eine zentrale Rolle. Er profilierte sich sogleich als der wichtigste intellektuelle Kritiker der globalen Zusammenarbeit, da sich die Vereinigten Staaten seiner Überzeugung nach auf die Eindämmung der sowjetischen Macht konzentrieren sollten. Unter Rückgriff auf seine Theorie aus der Weimarer Ära verwarf er die internatio­ nale Zusammenarbeit als gefährliche Illusion und formulierte seine »realistische« Theorie internationaler Beziehungen. Mit dem Heraufziehen des Kalten Krieges wurden diese Ansätze von amerikanischen Entscheidungsträgern und Intellektuellen bereitwillig übernommen. Morgenthau wurde ein enger Berater von US -Diplomaten, die sich bei der Formulierung ihrer Richtlinien häufig auf seine Schriften und Ideen bezogen. Sein Aufstieg zu einem intellek­ tuellen Kalten Krieger erfolgte allerdings nicht ohne Spannungen und Missverständnisse. Gemäß den Überzeugungen, die er bereits in den Weimarer Jahren vertreten hatte, rief er die Vereinigten Staaten nicht zu einer reinen Machtpolitik auf Kosten der Moral auf, sondern zu einer »dynamischen« Form von 222

Diplomatie, die Ethik und Macht in ein Gleichgewicht bringen sollte. Dieser Aspekt von Morgenthaus Denken wurde von vielen Lesern jedoch nicht wirklich begriffen oder akzeptiert. Im Lauf der 1950er Jahre kam bei Morgenthau wachsender Unmut über Diplomaten auf, die seine realistische Theorie zur Rechtfertigung von Maßnahmen heranzogen, die er selbst ablehnte. Dieser Dissens blieb damals noch weitgehend unbemerkt, deutete aber bereits auf Morgenthaus spätere vehemente Opposition zu bestimmten Strategien im Kalten Krieg voraus: In den 1960er Jahren würde er mit denselben Grundannahmen die Politik kritisieren, die er in anderen Zusammenhängen noch verteidigt hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten jedoch viele auf eine neue kooperative Weltordnung mit dem frischen Rückenwind neuer Institutionen gehofft. Alfred Zimmern, ein britischer Intellektueller, der bereits an der Gründung des Völkerbundes beteiligt gewesen war, erklärte, die Vereinigten Staaten müssten ein weltumspannendes Gemeinwesen aufbauen  – wie zuvor das britische Empire hätten sie den einzigartigen Auftrag, Recht und Gesetz in die ganze Welt zu tragen. Wendell Willkie, ehemals Präsidentschaftskandidat der Republikaner und Berater von Roosevelt, brachte das Konzept kollektiver Sicherheit ins Spiel. In seinem Buch One World (dt. Unteilbare Welt) – von dem bis 1945 zwei Millionen Exemplare verkauft wurden – schrieb er, dass es für keinen Teil der Erde »Frieden geben kann, wenn die Fundamente dieses Friedens nicht in allen Teilen der Erde verankert sind«. Es gab sogar Vertreterinnen und Vertreter aus Presse und Politik und Intellektuelle, die den Zeitpunkt für die Durchsetzung einer Weltrepublik für gekommen hielten: Amerika sollte die nationale Souveränität der Staaten abschaffen, die zwischenstaatliche Gewalt eliminieren und so ein Zeitalter des Weltfriedens einläuten.28 Als die Siegermächte die Vereinten Nationen (UN) zu entwerfen begannen, wähnten sich viele an der Schwelle zu einer neuen internationalen Ära. Im Unterschied zum gescheiterten Völkerbund sollten die UN eine tragfähige Zusammenarbeit, eine starke Verpflichtung auf das Völkerrecht und dauerhafte Stabilität hervorbringen.29 Morgenthau hingegen kritisierte die UN und die Vorstellungen einer globalen Kooperation. Von 1946 an warnte er in einer Reihe viel gelesener Bücher und Aufsätze, dass die UN wie bereits der Völkerbund das Produkt einer fehlgeleiteten liberalen politischen Theorie seien. Denker wie Zimmern wollten die Politik durch das Völkerrecht verdrängen: Wie Woodrow Wilson würden sie versuchen, politische Konflikte dadurch zu lösen, dass sie sie wie Rechtsstreitigkeiten behandelten. Gestützt auf unveröffentlichte Weimarer Manuskripte, die er nun auszugsweise übersetzen ließ, behauptete ­Morgenthau, die Natur der menschlichen Seele und der Politik stehe in schroffem Gegensatz 223

zur liberalen Hoffnung auf die Überwindung von Konflikten. Wie Freud gezeigt habe, bestimmten »dunkle und bösartige Kräfte […] als Manifestationen des Unbewussten das Schicksal des Menschen«. Menschliche Gemeinschaften seien von einem Machtstreben geleitet, von dem Drang, um die begrenzten Ressourcen der Welt zu konkurrieren und eine überlegene Position zu erlangen. Einen Mechanismus, der politische Spannungen vollständig ausschalten könne, gebe es folglich nicht. Internationalisten übersähen, dass »Machtgelüste […] allen Menschen eigen sind«, und zielten auf die Ausschaltung jener Kraft, die das menschliche Handeln im gemeinschaftlichen Leben bestimme.30 Laut Morgenthau versuchten die UN wie zuvor der Völkerbund, politische Konflikte mit rechtlichen Mitteln zu lösen; ihre Gründer hofften die politischen Fragen umgehen zu können, die den Kern internationaler Spannungen ausmachten. Mit Blick auf die ersten Konflikte, um deren Lösung sich die UN bemühten, schrieb er: »Was für den Völkerbund galt, hat sich auch für die UN schon jetzt als zutreffend erwiesen. Im Umgang mit der Situation in Griechenland, Syrien, Indonesien, Iran und Spanien ist der Sicherheitsrat der vom Rat des Völkerbundes etablierten legalistischen Tradition treu geblieben. Diese Fälle waren für ihn Gelegenheiten für eine Übung in parlamentarischen Verfahrensweisen, aber kein einziges Mal hat er auch nur versucht, sich den politischen Problemen zu stellen, die in diesen Situationen zutage treten.«

Indem die UN den Großmächten ein Vetorecht eingeräumt hatten, seien sie der Anerkennung realer Machtverhältnisse vielleicht einen Schritt nähergekommen; dennoch seien sie ein »legalistisches« Unternehmen geblieben, das in einem »gesellschaftlichen Vakuum« operiere, ein Erbe des Traums, internationale Politik durch das Völkerrecht zu ersetzen.31 Morgenthau hielt dem ein anderes Leitbild entgegen: Die Vereinigten Staaten müssten ihre Versuche zum Aufbau einer Weltordnung des dauerhaften Friedens aufgeben und stattdessen eine »realistische«, am »nationalen Interesse« orientierte Diplomatie betreiben. Die Interessen eines Landes konnten laut Morgenthau unterschiedlicher Art sein  – wirtschaftlich, militärisch, sozial oder kulturell – und sich im Laufe der Zeit wandeln. Entscheidend sei, dass Diplomaten ihre Grundsätze und Maßnahmen vollständig darauf ausrichteten, sie zu erkennen und durchzusetzen. »Der Gedanke des Interesses«, erklärte er, »ist in der Tat das Wesen von Politik.« Nach dieser realistischen Position – im Gegensatz zu »idealistischen« Illusionen, wie Morgenthau abschätzig formulierte – sollten Diplomaten alle für das Interesse ihres Landes nebensächlichen Fragen außer Acht lassen, also beispielsweise auf »humanitäre Interventionen« im Ausland verzichten und sich aus Regionen, die 224

für den Wohlstand ihrer Nation unbedeutend waren, fernhalten. Morgenthau plädierte nicht für nationalen Unilateralismus oder Isolationismus: Im Optimalfall könnten Diplomaten Interessen identifizieren, die sich mit denen anderer Nationen überschnitten und so zu einer Kooperation führten. Gleichzeitig betonte er aber, dass es globale Ambitionen wie die Förderung von Menschenrechten oder des Völkerrechts zu vermeiden gelte. Das letztgültige Ziel der Diplomatie bestehe in der Durchsetzung von Interessen und in nichts anderem. Wie er polemisch schrieb, seien für die Dilemmata der internationalen Politik »nicht Rechtsanwälte zuständig, sondern der Staatsmann. Es geht nicht um die Wahl zwischen Legalität und Illegalität, sondern um die zwischen politischer Klugheit und politischer Dummheit.«32 Anders als von Roosevelt in der Atlantik-Charta anvisiert, sei es nicht Aufgabe von US -Diplomaten, für den Weltfrieden und globale Abrüstung zu sorgen. Die Vereinigten Staaten hätten nur ein Kerninteresse in der Weltpolitik: die Aufrechterhaltung eines Kräftegleichgewichts in Europa und Ostasien. In Morgenthaus Augen hatte der Zweite Weltkrieg gezeigt, wie entscheidend Stabilität und Wohlstand dieser Regionen für die Sicherheit Amerikas waren. Sollten sie in die Hände seiner Feinde fallen, könnten diese den amerikanischen Handel schwächen und sie als Operationsbasis für Angriffe auf die Vereinigten Staaten nutzen. Laut Morgenthau standen die Interessen des Kreml in klarem Gegensatz zu denen des Weißen Hauses: Die Sowjetunion wolle in erster Linie Europa beherrschen und ihre Macht in Asien ausweiten, um an wirtschaftlicher und militärischer Stärke zu gewinnen. Dieser Interessenkonflikt war Morgenthau zufolge unlösbar – kein Völkerrecht und keine internationale Organisation könnten die unvereinbaren Ziele der beiden Supermächte miteinander versöhnen. Amerika müsse die sowjetische Macht in Europa und Asien deshalb entscheidend zurückdrängen und insbesondere sicherstellen, dass die industriellen Kraftzentren der beiden Kontinente, Deutschland und Japan, nicht an sie fallen würden. Dies war die einzige Art von Diplomatie, die die Interessen der Nation schützen könne. Nur indem sie Deutschland und Japan durch Allianzen an die Vereinigten Staaten binden und gegen die Sowjets verteidigen würden, könnten US -Diplomaten internationale Stabilität gewährleisten.33 1948 veröffentlichte Morgenthau die umfassendste Darstellung seiner Theorie, die zum Grundlagentext für eine ganze Schule des »Realismus« wurde. In dem Mammutwerk mit dem Titel Politics among Nations. The Struggle for Power and Peace (dt.: Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik, 1963) beanspruchte er, die allgemeinen Gesetze der internationalen Politik entdeckt zu haben. Alle internationalen Beziehungen drehten sich demnach um das zwischenstaatliche Ringen um Vorherr225

schaft. Morgenthau behauptete, dass dieser »Kampf um Macht universellen Charakter in Zeit und Raum hat und eine unwiderlegliche Erfahrungstatsache darstellt«. Ob ihre Führer es zugaben oder nicht, strebten alle Länder nach einer Steigerung ihrer Macht. Ihre diplomatischen, wirtschaftlichen und kulturellen Interaktionen mit anderen Ländern trieben ihr Streben nach Herrschaft an. Wie »Politik« und »Interessen« manifestiere sich Macht nicht nur auf militärischem oder ökonomischem Gebiet. Die Macht eines Landes sei das Produkt vieler Elemente, darunter der Zusammenhalt unter seinen Bürgerinnen und Bürgern und sein Ansehen in den Augen anderer Nationen. Die wichtigste Erkenntnis des »Realismus« sah Morgenthau darin, dass der Weg zu Frieden und Stabilität nicht in allgemeiner Kooperation bestehe, sondern in der Herstellung eines Kräftegleichgewichts zwischen mächtigen Staaten. Indem sie ihre eigenen Länder stärkten, anstatt sich um den Weltfrieden zu bemühen, würden Diplomaten nicht zur Ausbreitung, sondern zur Eindämmung von Gewalt beitragen: Staaten, die nach mehr Macht strebten und nicht nach weltweiter Gerechtigkeit und Frieden, würden eine Beteiligung an unnötigen Konflikten vermeiden; anstatt sich in einen universellen Kreuzzug für die Errettung der Menschheit zu verwandeln, würden sich ihre Kriege auf notwendige Kämpfe für wesentliche Interessen beschränken. Durch die Einsicht, dass ihr oberstes Ziel in der Sicherung von Macht bestehe, könnten Diplomaten dem Trugbild eines ewigen Friedens widerstehen. Gewalt ließe sich so zwar nicht vollständig überwinden, aber auf ein Minimum reduzieren.34 Den vielen Akteurinnen und Akteuren aus Wissenschaft, Journalismus und Diplomatie, die in den unmittelbaren Nachkriegsjahren die Furcht vor der wachsenden Macht der Sowjetunion umtrieb, boten Morgenthaus Gedanken einen starken theoretischen Rahmen für das Verständnis der Welt. Seine Begründung dafür, dass die Vereinigten Staaten sich vom Traum einer entmilitarisierten Weltordnung verabschieden und stattdessen ihre Ressourcen gegen die Sowjetunion mobilisieren müssten, überzeugte viele. Morgenthau machte deutlich, warum das Bemühen, die Sowjetunion in die Schranken zu weisen und die amerikanische Macht in Europa und Ostasien auszubauen, keine paranoide Reaktion auf eine eingebildete Gefahr war, sondern der beste, ja einzig mögliche Weg zu internationaler Stabilität. Mehr noch: Er behauptete in seinen Schriften, dass der amerikanische Widerstand gegen die Sowjetunion der menschlichen Natur und den allgemeinen Gesetzen der internationalen Politik entspreche – im Gegensatz zu den naiven, »idealistischen« Visionen, von denen sich die Befürworter der UN leiten ließen, sei das amerikanische Misstrauen gegenüber den Sowjets »realistisch« und »natürlich«. Aus diesem Grund genossen Morgenthaus Auffassungen enorme Popularität und wurden vielfach rezipiert. Politics among Nations wurde 226

sofort ein Bestseller und diente bereits 1949 als Lehrbuch für Seminare über internationale Politik in Yale, Princeton, Harvard, Columbia und an neunzig weiteren Universitäten und Colleges. Im Lauf der folgenden Dekade stand es häufiger auf den Lehrplänen amerikanischer Universitäten als alle anderen Texte über internationale Beziehungen zusammen. Im frühen Kalten Krieg war Morgenthaus Hauptwerk die bei weitem einflussreichste Schrift auf seinem Fachgebiet.35 Der wichtigste Diplomat, der sich positiv auf Morgenthaus Schriften bezog, war George Kennan. Nachdem er während des Zweiten Weltkrieges für die US -Botschaft in Moskau gearbeitet hatte, erregte Kennan 1946 großes Aufsehen: Als erster amerikanischer Diplomat beschrieb er die Sowjetunion als eine expansionistische Macht, die die Sicherheit der Vereinigten Staaten unmittelbar bedrohe. In seinem berühmten »Langen Telegramm« aus Moskau, das er später in Foreign Affairs veröffentlichte, riet er der US -Regierung zu einer »Eindämmung« der sowjetischen Macht mit psychologischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Mitteln. 1947 kehrte Kennan nach Washington zurück, wo ihn Außenminister George Marshall zum Leiter des Politischen Planungsstabs, des neuen hauseigenen Think Tanks des Ministeriums, ernannte. Als er Ende 1946 Schriften von Morgenthau gelesen hatte, meinte Kennan in ihm den scharfsinnigsten Theoretiker internationaler Beziehungen erkannt zu haben, dessen Auffassungen mit seinen eigenen übereinstimmten. Tatsächlich teilten beide ein düsteres Bild der internationalen Politik als Arena unvermeidlicher Konflikte sowie die Ansicht, dass eine dynamische Führung globalen Institutionen überlegen sei; beide waren sich zudem sicher, dass die Sowjetunion nach der Herrschaft über Mitteleuropa und Japan strebte und die Sicherheit der Vereinigten Staaten davon abhing, ihr die Kontrolle dieser wichtigen Industriezentren zu verwehren. Vor allem aber war Kennan der Auffassung, dass Morgenthaus realistische Theorie tatsächlich die allgemeinen Gesetze der internationalen Politik aufgedeckt hätte. Sie bot seiner Auffassung nach eine praktikable Richtschnur für das politische Handeln in einem neuartigen und gefährlichen internationalen Umfeld.36 Kennan lud Morgenthau zu Diskussionen über die US -Politik in Europa und Ostasien ein. Morgenthaus Interessenbegriff, davon war er überzeugt, konnte US -Diplomaten bei der Entscheidung darüber helfen, wo Energien und Ressourcen investiert werden sollten. So trug Morgenthau 1949 in ausgedehnten Treffen und Konsultationen dazu bei, Kennan und seinen Stab zu der Einsicht zu bewegen, dass die gerade gegründete Bundesrepublik ein Mitglied der westlichen Allianz werden müsse. Ungeachtet der Nazi-Vergangenheit, so Morgenthaus Argumentation, sei sie ein mächtiger Staat von strategischer Bedeutung, den die Vereinigten Staaten aufrüsten und in die NATO integrieren 227

sollten.37 Kennan und seine Mitarbeiter waren davon überzeugt, dass solche kühlen Kalkulationen die amerikanische Diplomatie leiten sollten und moralische Erwägungen gegenüber den nationalen Interessen sekundär bleiben mussten. In einem emotionalen Brief attestierte Kennan Morgenthau, er sei bei Fragen der internationalen Politik »eine der wenigen klaren und nüchternen Stimmen« und an solchen bestehe »enormer Bedarf«. Einige Jahre später schrieb er ihm, er habe seinen Rat immer »aus vollem Herzen und mit großer Bewunderung« angenommen.38 Morgenthaus wachsende Reputation und sein enges Verhältnis zu Kennan beförderten ihn in die höchsten Ebenen des Machtapparats, der den Kalten Krieg führte; das Netzwerk wirtschaftlicher, akademischer, diplomatischer und militärischer Eliten, die sich zur Eindämmung der sowjetischen Gefahr zusammenschlossen, zeigte großes Interesse an seiner Person. So lud ihn das Außenministerium im Juni 1949 zu einer Reihe von Diskussionen über die damals noch vage Idee ein, als Gegengewicht zur expansionistischen Sowjetunion eine europäische Union zu gründen. Neben dem deutschen Emigranten beteiligten sich daran auf Initiative Kennans auch der Theologe Reinhold Niebuhr, der das Außenministerium bereits im Zweiten Weltkrieg beraten hatte, John J. McCloy, der kurz zuvor zum US -Hochkommissar in Deutschland ernannt worden war, der ehemalige US -Botschafter in Moskau und neue CIA-Direktor Walter Bedell Smith, der Privatmäzen Frank Altschul, der später Radio Free Europe gründete, sowie der Coca-Cola-Vorstandsvorsitzende Robert  W.  Woodruff. Morgenthau wurde auch zu Treffen eingeladen, die mögliche amerikanische Reaktionen auf das Zerwürfnis zwischen Stalin und dem jugoslawischen Staatschef Josip Tito und auf den Sieg der Kommunisten im chinesischen Bürgerkrieg erörterten. Bei all diesen Beratungen wiederholte Morgenthau seinen Appell an die US -Diplomaten, sich auf die Eindämmung der sowjetischen und chinesischen Macht zu konzentrieren. Nur durch eine dynamische Bündnispolitik gegen die beiden kommunistischen Staaten und einen beständigen Ausbau der eigenen militärischen Stärke könnten die Vereinigten Staaten aus seiner Sicht ihre wesentlichen Interessen verteidigen.39 Der Beginn des Koreakrieges 1950 und der weitere Verlauf des Kalten Krieges in Europa festigten Morgenthaus Status als eine intellektuelle Säule der US -Politik; Diplomaten und Wissenschaftler suchten gleichermaßen seinen außenpolitischen Rat und verbreiteten seine Texte. Dean Acheson zum Beispiel, der 1949 George Marshall als Außenminister abgelöst hatte, bezog sich in seinen Überlegungen zu Europa häufig auf Morgenthaus Empfehlungen und Schriften.40 Das einflussreichste diplomatische Forum, das Morgenthaus Expertise nutzte, war der Council on Foreign Relations. Zunächst als Berater und später als Mitglied nahm Morgenthau an vielen vertraulichen 228

Sitzungen des Gremiums teil, bei denen die mächtigsten Militärs und Diplomaten mit Akademikern über die US -Nuklearpolitik und die Aktualisierung der Eindämmungsstrategie debattierten. William Bundy, ein hochrangiger CIA-Vertreter, stellte seine Einschätzung der sowjetischen Außenpolitik vor. Der Militärstratege Herman Kahn, der durch die Behauptung berüchtigt wurde, die Vereinigten Staaten sollten vor einem »begrenzten« Atomkrieg nicht zurückschrecken, rechnete die potenzielle Zahl der Opfer eines solchen Konflikts vor. Henry Kissinger, damals noch ein aufstrebender Politologe aus Harvard, erörterte, wie die transatlantische Zusammenarbeit gegen die Sowjetunion gestärkt werden könnte. Dean Rusk, Paul Nitze, der Medienmogul Henry Luce und Admiral William Miller schlugen Maßnahmen für eine effektive Abwehr der sowjetischen Expansion vor. In den späten 1950er Jahren hatte Morgenthaus »Realismus« somit selbstverständlichen Eingang in das vorherrschende Denken des mit dem Kalten Krieg befassten Apparats gefunden. Seine Schriften artikulierten und rechtfertigten das amerikanische Bemühen, die sowjetische Macht einzudämmen.41 Morgenthaus wachsendes Prestige als Vordenker des Kalten Krieges verdeckte allerdings zugleich zunehmende Differenzen mit dem Establishment. Im Lauf der 1950er Jahre kam bei ihm die Sorge auf, dass seine realistische Theorie in den amerikanischen Machtzirkeln missverstanden werden könnte, was nicht unbegründet war. Morgenthaus Schriften waren nuancierter, als sie von vielen Lesern verstanden wurden. Wie bereits in der Weimarer Ära empfahl er Diplomaten, sich nicht nur von Machtkalkül leiten zu lassen, sondern eine »dynamische« Führung anzustreben, die bei der Durchsetzung des nationalen Interesses zugleich moralische und ethische Gesichtspunkte berücksichtigen sollte. Im frühen Kalten Krieg erkannte er bei vielen seiner Leserinnen und Leser treffend die Tendenz, diesen Teil seiner Theorie zu ignorieren. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Diplomatinnen und Diplomaten betrachteten den Realismus als eine Lehre, nach der Moral in der internationalen Politik keine Rolle zu spielen habe. In den frühen 1950er Jahren stellte Morgenthau zwar den Moralaspekt hintenan, da es darum ging, die Macht der Sowjetunion und Chinas einzudämmen. Mit der Zeit jedoch wuchs sein Unmut über eine allein auf Macht zielende Außenpolitik. In seinen Nachkriegsschriften reflektierte Morgenthau durchaus die Rolle von Moral in der Politik und begründete sie wie in der Weimarer Zeit anthropologisch. Das Machtstreben und der Drang nach Dominanz waren demnach nicht die einzigen prägenden Kräfte des menschlichen Lebens – ebenso wichtig schien ihm, dass Menschen von Natur aus moralische Wesen sind: Sie kannten seiner Ansicht nach auch das starke Bedürfnis, die eigene Macht einzuschränken und das Glück ihrer Mitmenschen zu respektieren. Trotz des 229

Verlangens nach Macht hätten sie eine natürliche Neigung, andere zu unterstützen und zu stärken. Moral, so Morgenthau, »ist nicht einfach ein weiteres Gebiet menschlicher Betätigung neben den entscheidenden Gebieten, etwa Politik und Wirtschaft. Ganz im Gegenteil: Sie überlagert sie […] und steckt den legitimen Bereich eines bestimmten Gebiets des Handelns insgesamt ab.«

In seinen Augen war die menschliche Existenz im Kern eine tragische, in einem Widerspruch gefangene: Als zugleich politische und moralische Wesen seien alle Individuen sowohl auf die Ausweitung als auch auf die Einschränkung der eigenen Macht bedacht. Nach seiner Überzeugung sollten alle Menschen diese Spannung akzeptieren und ein Gleichgewicht zwischen ihren widersprüchlichen Bedürfnissen anstreben. »In der Verbindung von politischer Klugheit, moralischer Courage und moralischem Urteilen«, so Morgenthau, »versöhnt der Mensch seine politische Natur mit seiner moralischen Bestimmung.«42 Morgenthau war kein Moralphilosoph und arbeitete diese Gedanken nicht näher aus, aber sein Menschenbild führte ihn zu der These, dass keine internationale Ordnung allein durch Machtkalkül fortbestehen könne. Ausschließlich auf Macht bedachte und um Moral unbekümmerte Regime schienen ihm entgegen der Überzeugung vieler Realisten schlecht gewappnet für die harten Realitäten der internationalen Politik. Seiner Ansicht nach verwandelten sie Menschen nicht nur in machthungrige »Bestien«, sondern unterdrückten auch den fundamentalen menschlichen Drang nach Schaffung einer gerechten, ethischen Weltordnung. Aus diesem Grund behauptete Morgenthau, dass die Verfechter einer Diplomatie der rohen Macht ihren Gegenspielern, den an das globale Recht glaubenden Internationalisten, letztlich ähnelten. Beide versuchten eine Weltordnung aufzubauen, die die menschliche Natur verkenne, indem sie jeweils nur eines ihrer Elemente berücksichtigen: das Machtstreben oder das Verlangen nach Gerechtigkeit. »Ob sie auf Wilson schwören oder Machiavelli folgen«, polemisierte Morgenthau, »stets sind sie Utopisten, die entweder nur nach Macht oder nur nach Gerechtigkeit streben, aber nie innehalten und nach den Regeln der politischen Kunst suchen.«43 Er beharrte deshalb darauf, dass Diplomaten ihr politisches Machtstreben und ihre moralischen Gesichtspunkte gegeneinander abwägen müssten. Wie Gustav Stresemann in der Weimarer Zeit sollten sie eine »dynamische« Diplo­ matie verfolgen, die die Macht des eigenen Landes vergrößerte und zugleich den dadurch anderen zugefügten Schaden auf das Geringstmögliche begrenzte. Ein großer Staatsmann hatte »unter mehreren zweckdienlichen Handlungen die am wenigsten bösartige zu wählen«.44 Selbst in seinem Buch 230

Politics among Nations, das viele als Aufruf zu Machtpolitik lasen, warnte er vor den Gefahren einer ausschließlich an der eigenen Stärke orientierten Diplomatie: »[Ü]berlegene Macht gibt weder das moralische noch das geschriebene Recht, mit jener Macht das zu tun, wozu sie physisch im Stande ist. Macht unterliegt Beschränkungen im Interesse der gesamten Gesellschaft und ihrer einzelnen Glieder, die nicht das Ergebnis der Mechanismen des Machtkampfes sind, sondern jenem Kampf in Form von Verhaltensnormen oder -regeln durch den eigenen Willen der Glieder der Gesellschaft übergeordnet sind.«

Eine erfolgreiche und realistische Diplomatie müsse somit die harten Fakten der Machtpolitik anerkennen und dennoch Gerechtigkeit anstreben. Diplomaten könnten sich nicht ausschließlich um das Wohlergehen des eigenen Staates kümmern und den Rest der Welt ignorieren; sie müssten auch gerechte internationale Verhältnisse fördern. Diese Balance erfordere eine ständige Reflexion und Berechnung, und für Situationen, in denen Macht und Moral aufeinanderprallten, gebe es keine simplen Richtlinien. Das Bemühen um eine solche Balance sei jedoch der einzige Weg, um eine desaströse Diplomatie zu vermeiden.45 Um eine dynamische Diplomatie zu entfalten, müssten sich die Vereinigten Staaten laut Morgenthau vom Bild des Kalten Krieges als eines moralischen Kreuzzugs gegen den globalen Kommunismus lösen und begreifen, dass ihr Konflikt mit der Sowjetunion kein Kampf um die Herzen und Köpfe der gesamten Menschheit, sondern ein schlichter Interessenkampf sei – es gelte, Verhandlungen mit Moskau zu führen und ein friedliches internationales Gleichgewicht anzustreben. Obwohl die beiden Supermächte entgegengesetzte Interessen hatten, schien ihm eine Aushandlung von Kompromissen möglich, dank derer sie sich nicht fortwährend gegenseitig als existenzielle Bedrohung betrachten müssten. Außerdem drängte Morgenthau die amerikanische Diplomatie zu einem Abschied von der Auffassung, dass alle kommunistischen Bewegungen und Regime im Kern identisch seien. Die Kommunisten in Asien und Afrika verfolgten andere Interessen als die Sowjetunion und China. Es gebe folglich keinen Grund, warum die Vereinigten Staaten mit solchen Kräften in Vietnam oder dem Kongo nicht zusammenarbeiten sollten. Lösten sich amerikanische Entscheidungsträger von der zwanghaften Fixierung, den Kommunismus allerorts zu bekämpfen, könnten sie laut Morgenthau die Welt zu einem friedlicheren und stabileren Ort machen.46 Amerikanische Diplomaten sollten sich generell mit Nachdruck für internationale Kooperation und Verständigung einsetzen. Trotz seiner harschen Kritik an ihren »idealistischen« Mängeln erkannte Morgenthau in den Ver231

einten Nationen ein mögliches Werkzeug für entsprechende Reformen. In Aufsätzen und Kapiteln, die die Wissenschaft oft überlas, rief er die Vereinigten Staaten zu einem Umbau der UN auf, die zu einem robusteren und machtvolleren Organ der internationalen Zusammenarbeit werden sollten. Die UN hatten in seinen Augen einen zähmenden Effekt auf die Großmächte: Da Amerika und die Sowjetunion zur Verabschiedung von Resolutionen in der Vollversammlung Verbündete und Unterstützung bräuchten, könnten sie nicht einfach unilateral nach den eigenen Interessen handeln. Unter anderem sollten die USA der Erweiterung des Sicherheitsrates um neue ständige Mitglieder zustimmen, um mehr Ländern einen Einfluss auf die internationale Politik zu ermöglichen.47 Im Unterschied zu Friedrich, Fraenkel, Gurian und Loewenstein unterstützte Morgenthau den Kalten Krieg somit nicht aus antikommunistischen Motiven. Seine Überlegungen zur US -Diplomatie entsprangen vielmehr der Überzeugung, dass Amerika eine Weltordnung schaffen sollte, die ein Gleichgewicht zwischen Machtpolitik einerseits sowie Frieden und internationaler Zusammenarbeit andererseits herstellte. Im amerikanischen Establishment fand er für diesen bereits in der Weimarer Zeit entwickelten Ansatz Unterstützung, zumal seine Kritik an jeder Form von Idealismus in der internationalen Politik der antisowjetischen Politik Argumente lieferte. Zugleich übersahen viele Anhängerinnen und Anhänger der realistischen Schule wesentliche Momente von Morgenthaus Denken. Sie verstanden den Kalten Krieg als einen globalen und weltanschaulichen Konflikt, der nicht begrenzt werden sollte, und die meisten ignorierten seinen Aufruf zu Verhandlungen mit den Sowjets und zu einer UN-Reform. Innerhalb weniger Jahre und vor allem vor dem Hintergrund des immer umfangreicheren US -Engagements in Vietnam spitzten sich die Differenzen zu. Morgenthau, einer der führenden Intellektuellen im außenpolitischen Establishment, wurde zu einer Symbolfigur für den Protest gegen genau dieses Establishment.

Macht und Moral: Die Opposition zur Intervention in Vietnam Nichts forderte die amerikanische Diplomatie mehr heraus als der Vietnamkrieg. Seit der 1954 erfolgten Teilung Vietnams in einen kommunistischen Staat im Norden und ein antikommunistisches Regime im Süden waren die Vereinigten Staaten in dem Land präsent. In der zweiten Hälfte der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre reiste eine Schar von amerikanischen Akade­mikern, Diplomaten und Stiftungsvertretern nach Südostasien, um 232

den südvietnamesischen Staat im Angesicht kommunistischer Umsturzversuche zu stärken. In ihren Augen war Vietnam ein mustergültiges Beispiel für die Fähigkeit Amerikas, rund um den Globus »rückständige« Länder zu modernisieren und zu demokratisieren. Dieses wachsende Engagement rief allerdings auch landesweite Proteste beispielloser Intensität und Größe hervor. Nachdem sich die Opposition gegen die US -Präsenz in Vietnam über viele Jahre hinweg langsam aufgebaut hatte, gipfelte sie Mitte der 1960er Jahre in gewaltsamen Demonstrationen, Unruhen und Protesten. Es bildete sich eine überraschende Koalition aus Politikern, Wissenschaftlern und Aktivisten, die die amerikanische Unterstützung des südvietnamesischen Regimes und seiner Bekämpfung der Kommunisten ablehnte.48 Morgenthau stand im Zentrum dieses Bündnisses. Seine Überlegungen zu Macht und Moral inspirierten die zwei wichtigsten Gruppen, die sich den Protesten anschlossen – das außenpolitische Establishment und die Studentenbewegung. Als Sprachrohr der mit dem Kalten Krieg befassten Elite kritisierte er 1955 öffentlich die US -Politik in Vietnam: Sie sei Resultat internationalistischer Illusionen. Wie die Gründer des Völkerbundes und der UN ignorierten ihre Verfechter die Realität und die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten. Morgenthaus Kritik brachte Befürchtungen zum Ausdruck, die viele Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Diplomatie inzwischen teilten; er formulierte die Ablehnung des Vietnamkrieges in Begriffen, die dem außenpolitischen Establishment vertraut waren. Er vertrat allerdings zugleich eine radikalere Kritik. Ähnlich wie in seinen Angriffen auf die deutschen Nationalisten der Weimarer Zeit erklärte Morgenthau die Intervention in Vietnam auch zu einem moralischen Debakel, einem Symptom des Versinkens der amerikanischen Demokratie in politischem Nihilismus. Diese Auffassungen fanden großen Widerhall unter den radikalen Studierenden, die den Protest gegen den Vietnamkrieg an den amerikanischen Universitäten anführten. Aus ihrer Sicht belegte der Militäreinsatz in Vietnam die Notwendigkeit weitreichender Reformen für einen Neuaufbau der amerikanischen Demokratie. Morgenthaus Versuch, eine »dynamische«, Gesichtspunkte von Macht und Moral gleichermaßen berücksichtigende Diplomatie zu formulieren, schlug somit eine ungewöhnliche Brücke zwischen zwei Gruppen von Gegnern des Vietnamkrieges. Gemeinsam sollten sie die US -Diplomatie erschüttern.49 Morgenthaus Opposition zur US -Politik in Vietnam begann beinahe sofort nach der Unabhängigkeit des Südens. Nach einer internationalen Konferenz in Genf wurde die ehemalige französische Kolonie 1955 in einen kommunistischen Staat im Norden und einen antikommunistischen im Süden geteilt. Der südvietnamesische Staatspräsident Ngô Đình Diệm versuchte, sein Land 233

an die Seite der Vereinigten Staaten zu führen, wo er einige Jahre im Exil verbracht hatte. Eine Gruppe amerikanischer Akademikerinnen und Akademiker, Diplomatinnen und Diplomaten drängte sofort auf ein umfassendes Engagement zugunsten des neuen Staates und des Diệm-Regimes: Vietnam sollte ein Beispiel für die Allgemeingültigkeit amerikanischer Werte, demokratischer Politik und moderner Wissenschaft werden. Wesley Fishel, der bei Morgenthau in Chicago studiert und sich an der Michigan State University auf internationale Politik spezialisiert hatte, war der Wortführer dieser Gruppe. Mit Diệm seit 1950 freundschaftlich verbunden, leitete Fishel die Vietnam Advisory Group in Michigan, ein Team von Professoren, die das Land »modernisieren« wollten. Von 1954 an diente er Diệm als persönlicher Berater und wichtigster Befürworter von US -Investitionen in sein Land. 1955 organisierte Fishel eine ausgedehnte Reise durch Südvietnam, auf die er Morgenthau mitnahm. Nach dem Besuch Saigons und der Begegnung mit dem Präsidenten, so Fishels Hoffnung, würde sich seine Begleitung mit dessen beträchtlicher Reputation für starke amerikanisch-vietnamesische Beziehungen einsetzen.50 Die Reise hatte allerdings den gegenteiligen Effekt: Morgenthau kehrte aus Saigon als entschiedener und lautstarker Gegner jedes amerikanischen Engagements in Südostasien zurück. Im Lauf der folgenden Dekade formulierte er seine scharfe Ablehnung der wachsenden US -Präsenz in der Region immer nachdrücklicher und drängte mit seinem Status als renommierter Denker des Kalten Krieges in einer ganzen Reihe von Essays und mehreren schmalen Büchern auf einen Rückzug aus Vietnam. Morgenthaus Position beruhte auf vier wesentlichen Annahmen. Erstens erklärte er, dass das von Präsident Diệm unter amerikanischer Schirmherrschaft in Südvietnam etablierte Regime tyrannisch sei und kaum Chancen habe, länger als ein paar Jahre zu überleben. Wenngleich Diệm zweifellos eine beeindruckende und tatkräftige Person sei, errichte er eine autokratische Herrschaft. »Hier sehen wir einen Mann«, schrieb Morgenthau nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten, »der noch vor einem Jahr kaum mehr als ein Name war, den verzweifelte amerikanische Politiker aus dem Hut zogen, und der heute eine eigenständige Machtbasis besitzt. Einen Mann, dessen moralischer Eifer außer Frage steht und der gleichwohl mit einer Listigkeit und Rücksichtslosigkeit agiert, die eines orientalischen Despoten würdig wären. Einen Mann, der als Staatsmann von seiner Opposition zum Kommunismus lebt, aber bis in kleinste Details hinein ein Abbild des von ihm bekämpften totalitären Regimes errichtet.«

Nach Morgenthaus Ansicht wurde Diệms Regime durch eine aggressive Propagandamaschine und brutale Repression aufrechterhalten. »Pressefreiheit existiert nicht […]. Versucht man, mit einer Privatperson ein politi234

sches Gespräch zu führen, stößt man auf verstohlene Blicke und Schweigen.« Morgenthau warnte, unter solchen Umständen könne Diệm kaum von sich behaupten, ein Mann der Freiheit zu sein; sein Regime entfremde das eigene Volk und sei zu einem baldigen Zusammenbruch verurteilt.51 Zweitens lenkte die Intervention in Vietnam laut Morgenthau von den wirklichen Zielen Amerikas in der Region ab, deren wichtigstes die Eindäm­ mung Chinas sei. Gemäß seiner realistischen Überzeugung, dass Staaten immer nach Macht strebten, argumentierte Morgenthau, Chinas Politik sei nicht nur durch die kommunistische Ideologie motiviert, sondern auch durch seinen traditionellen Drang nach Vorherrschaft in Asien. Die Chinesen hofften nicht, den Kommunismus zu verbreiten, sondern »ihren Einfluss und ihre Macht nach Westen und Süden auszudehnen«. Vietnam besäße für diese strategische Mission keinen Wert. Anders als Japan oder Mitteleuropa sei es ein kleines, armes Land ohne wertvolle Ressourcen oder geopolitische Vorzüge. Nach Morgenthau hatte die chinesische Führung ihr Desinteresse an Vietnam bereits demonstriert: Obwohl sie über die militärische Fähigkeit verfügte, in das Land einzumarschieren und es den Kommunisten im Norden zu übergeben, habe sie entschieden, dies nicht zu tun. »Dass die Kommunisten durch Großzügigkeit zu diesen Zugeständnissen bewegt worden seien, wäre gewiss eine absurde Behauptung«, schrieb er. Geopolitisch betrachtet, sei Vietnam offenkundig zu unbedeutend, um für das Ringen um Vorherrschaft in Asien eine Rolle zu spielen. Die Vereinigten Staaten sollten daher nicht auf Stimmen hören, die wie Fishel mehr Investitionen in das Land forderten. Es habe strategisch, wirtschaftlich und politisch keinerlei Wert.52 Der dritte Grund für Morgenthaus Ablehnung der Intervention in Vietnam entsprang seinem Eindruck, dass US -Politiker auf militärische Macht fixiert seien und jeden Konflikt mit Gewalt zu lösen versuchten. Wie sein Freund Kennan behauptete er, dass seit dem Koreakrieg die Probleme in Asien militärisch aufgefasst worden seien.53 Die Stärke der kommunistischen Kräfte in Vietnam sei jedoch das Resultat einer weitverbreiteten politischen Unzufriedenheit im Land. Keine einzelne Handlungsebene – sei sie militärisch, juristisch oder wirtschaftlich – konnte Morgenthau zufolge das vietnamesische Unabhängigkeitsstreben unterdrücken. Wenn die Vereinigten Staaten Stabilität in Vietnam erreichen wollten, müssten sie ihre militärische Strategie aufgeben und dem Land eine weitaus ambitioniertere und breiter gefächerte wirtschaftliche, politische und institutionelle Unterstützung anbieten. Und anstatt Diệm an der Macht zu halten, sei eine »anständige und stabile politische Ordnung« herzustellen. »Wir haben uns mit einem Regime identifiziert, das die Opposition unterdrückt und sie mit dem Kommunismus gleichsetzt. Infolgedessen kommt das Verlangen der Bevölkerung nach Veränderung vor 235

allem kommunistischen Kräften zugute.«54 Nur eine neue Ordnung, die für die politischen Wünsche der Bevölkerung empfänglich sei, könne Stabilität in der Region bewirken. Und nicht durch militärische Macht, sondern allein durch »die Bereitschaft und Fähigkeit, die nationalen und sozialen Bestrebungen der Völker Asiens wirkungsvoll zu unterstützen«, könnten die Vereinigten Staaten zugleich ihr eigenes nationales Interesse sichern.55 Viertens schließlich – und dies war am wichtigsten – attackierte Morgenthau die US -Politik in Vietnam als Symptom eines gefährlichen moralischideologischen Kreuzzugs gegen den Kommunismus. Anstatt anzuerkennen, dass Staaten in einem geopolitischen Wettstreit um Einfluss und die Durchsetzung nationaler Interessen ständen, deute die US -Führung laut Morgenthau jede Herausforderung als Ausdruck einer kommunistischen Weltverschwörung. Folglich verstehe sie auch nicht, dass Hồ Chí Minh und die von ihm angeführten kommunistischen Kräfte keine Diener des chinesischen oder sowjetischen Expansionismus seien, sondern in allererster Linie eine nationale Befreiungsbewegung, mit der die Vereinigten Staaten prinzipiell zusammenarbeiten könnten. Die bolschewistische Theorie hatte für Hồ Chí Minhs nationale Ziele demnach kaum eine Bedeutung. Nirgends in Vietnam sei »der Konflikt zwischen Kommunismus und Demokratie relevant oder auch nur klar erkennbar«. Der Triumph der kommunistischen Ideologie in jenem Land war laut Morgenthau in Wirklichkeit ein »Triumph des Antikolonialismus, zu dem der Kommunismus eine effektive Führung und Organisation beigesteuert hat«. Mit der Unterdrückung der vietnamesischen Befreiungskräfte dämmten die Vereinigten Staaten somit nicht den Kommunismus ein, sondern agierten wie eine imperialistische Macht. Die US -Führung behandele jeden Konflikt als Teil eines globalen Kampfes zur Ausrottung des Bösen und vermöge aus diesem Grund nicht zu begreifen, dass manche Konflikte komplexe Ursachen und eine Geschichte aufweisen, die mit dem globalen Kommunismus nichts zu tun hatten.56 In den frühen 1960er Jahren weitete Präsident John F. Kennedy die US Intervention in Vietnam durch stetig wachsende Militär- und Wirtschaftshilfe aus, sein Nachfolger Lyndon  B.  Johnson setzte diese Politik fort. In Reaktion darauf wurde Morgenthaus Einspruch lauter und vehementer. Er gelangte zu der Überzeugung, dass die gesamte diplomatische Elite Amerikas mit einer idealistischen Blindheit geschlagen sei, die das Land in einen Krieg führe. Es stehe außer Zweifel, schrieb er 1964, dass »unser nationales Interesse, wie es gegenwärtig bestimmt ist, die Eindämmung der russischen und chinesischen Macht verlangt«. Westeuropa und Japan blieben wichtige Industrieregionen, die die Vereinigten Staaten vor anderen starken Nationen beschützen müssten. 236

»[Doch eine] kommunistische Regierung kann der Sowjetunion oder China dienstbar sein oder auch nicht – ebenso wie eine nicht-kommunistische Regierung. Es ist weltanschaulich konsequent, aber politisch und militärisch töricht, eine Regierung allein aus dem Grund abzulehnen, dass sie kommunistisch ist. […] Rumänien, obgleich kommunistisch, ist eine geringere Bedrohung unserer Interessen als die Vereinigte Arabische Republik, die den Kommunismus weltanschaulich ablehnt.«

Mit dem Versuch, den Kommunismus überall auszuradieren, würde die Diplomatie in eine moralische Mission verwandelt und den Bezug zu den Realitäten der Politik verlieren. Die amerikanische Politik in Vietnam ignoriere die Gesetze des nationalen Interesses nicht nur, sondern verstoße gegen sie und führe so in »eine nationale Katastrophe«, ein »amerikanisches Algerien«.57 Um dieser Blindheit in der Vietnampolitik entgegenzuwirken, bot Morgenthau eine den Prinzipien der »dynamischen Diplomatie« folgende Alternative an. Die Vereinigten Staaten sollten breit angelegte regionale Verhandlungen initiieren und leiten, und zwar unter Beteiligung Chinas, Süd- und Nordvietnams sowie der kommunistischen Untergrundbewegung im Süden, der Nationalen Befreiungsfront (NLF). Ziel der Verhandlungen sollte die friedliche Wiedervereinigung des Landes sein, Amerika sollte dafür großzügige politische und wirtschaftliche Unterstützung anbieten. Morgenthau hatte keinen Zweifel, dass das Versagen des südvietnamesischen Regimes und die Popularität der NLF früher oder später zu einer kommunistischen Regierung in Vietnam führen würden. Mit der richtigen Politik könne man jedoch dazu beitragen, dass es sich um einen »titoistischen Staat« handeln würde, um ein unabhängiges, für die regionale Stabilisierung förderliches Land. Nur indem sie zu einer solchen Diplomatie übergingen, konnten die Vereinigten Staaten ihre Ziele in der Region erreichen. Verwendeten sie dagegen ihre Ressourcen weiterhin auf Südvietnam, würden sie ein kolossales Debakel erleben.58 Anfang der 1960er Jahre blieb Morgenthau mit diesen Auffassungen eine einsame Stimme im außenpolitischen Establishment (Abb. 8). Solange Vietnam noch wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhielt, äußerten die wenigen Diplomaten und Politiker, die die US -Intervention begrenzen oder beenden wollten, ihre Ansichten nur in privaten Kreisen, internen Memoranden für das Weiße Haus oder vertraulichen Gesprächen. Staatssekretär George Ball zum Beispiel bereitete das amerikanische Engagement in Vietnam große Sorge, dennoch formulierte er seine Kritik nur hinter verschlossenen Türen. Dasselbe galt für George Kennan und Senator Mike Mansfield, die beide den Krieg ablehnten, dies aber nur in privaten Briefen und Gesprächen deutlich machten. Als der allgemeine Unmut jedoch von 1964 an stärker wurde, begannen die Befürworter einer anderen Politik, ihre Blicke auf Morgenthau zu richten. Der Einspruch eines Realisten des Kalten Krieges gegen die anti237

kommunistische Diplomatie musste aus ihrer Sicht bei der Bestimmung der außenpolitischen Prioritäten Amerikas ein besonderes Gewicht haben.59 Im Sommer 1964 schloss sich die von fünftausend Befürworterinnen und Befürwortern aus Wissenschaft und Medien unterzeichnete erste nationale Petition zu Vietnam Morgenthaus Aufruf an, Verhandlungen mit dem Regime Hồ Chí Minhs aufzunehmen und die Vereinigung des Landes unter ameri­kanischer Führung anzustreben. Auf einer viel beachteten Pressekonferenz trat Morgenthau als Sprecher der Gruppe auf und erklärte, wenn »Hồ Chí Minh bereit sein sollte, der Tito Südostasiens zu werden«, und Vietnam »weiterhin kommunistisch, aber nicht chinesisch sein wird«, sollten die Vereinigten Staaten seinen Sieg begrüßen und ihn unterstützen.60 Wenige Monate später begann Frank Church, Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des Senats, die US -Politik in Vietnam infrage zu stellen und sich nach einer soliden Analyse ihrer Ursachen und alternativen Lösungen umzusehen. Church wandte sich an Senator Wayne Morse, ein Vietnamkriegsgegner der ersten Stunde, der Morgenthau seit 1955 kannte. Morse empfahl ihm Morgenthaus Schriften, die Church stark beeindruckten und dazu bewegten, den Politologen zur Vorstellung seiner Überlegungen vor weiteren Senatoren einzuladen. Anfang 1965 führte Morgenthau eine lange Diskussion unter anderem mit Senator William Fulbright, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses, und Senator Jacob Javits, den Journalisten David Broder, Charles Roberts, Max Frankel und Richard Strout sowie dem persönlichen Berater und Juristen von Präsident Johnson, Harry McPherson. Wie McPherson Johnson berichtete, war die Gruppe beeindruckt von Morgenthaus entschiedenem Eintreten für einen Rückzug der Vereinigten Staaten aus Vietnam; ihm zufolge erkannten die Senatoren in einer solchen »titoistischen« Lösung großes Potenzial.61 Die Begegnung mit Morgenthau half Church dabei, seine Kritik klarer zu artikulieren. In einem vertraulichen Schreiben an den Präsidenten beklagte er, der Krieg sei die Folge einer fehlgeleiteten und »zutiefst ideologischen Auffassung des Kalten Krieges«: »Wir haben es uns angewöhnt, den ›Kommunismus‹ ganz unabhängig davon, welche Form er in einem bestimmten Land annimmt, als den Feind zu betrachten […] [und] zu versuchen, die Welt durch Injektion massiver amerikanischer Hilfe gegen eine weitere kommunistische Ansteckung zu immunisieren.« Es sei an der Zeit, schloss Church, diese Sichtweise durch eine pragmatische Diplomatie des Dialogs zu ersetzen.62 Auch Fulbright las Morgenthaus Bücher und Aufsätze und gelangte zu der Überzeugung, dass der Vietnamkonflikt ein Desaster werden könnte. Nachdem er sich bei Morgenthau kundig gemacht hatte, sprach er sich ebenfalls für eine »titoistische« Lösung aus.63 238

Abb. 8: Hans Morgenthau Anfang der 1960er Jahre bei einem Vortrag über die US -Außenpolitik. Auch wenn Morgenthau darüber klagte, dass seine Ideen nur teilweise verstanden würden, prägte seine Theorie der Internationalen Politik maßgeblich das amerikanische Vorgehen gegen kommunistische Staaten im frühen Kalten Krieg. © picture alliance / A SSOCIATED PRESS / H WG.

1965 setzte sich Fulbright über den wütenden Protest Johnsons hinweg und initiierte die ersten öffentlichen Anhörungen zum Krieg. Nach seiner Einschätzung stimmte »eine klare Mehrheit des Kongresses […] [mit] Morgenthau überein«. Die landesweit vom Fernsehen übertragenen Anhörungen wurden eine wichtige Bühne für Kritikerinnen und Kritiker der Vietnampolitik der US -Regierung. George Kennan, der seine oppositionelle Haltung inzwischen öffentlich gemacht hatte, erklärte zum Beispiel, dass er wie Fulbright Morgenthaus Ansichten teile. Die Bedenken innerhalb der politischen Führungsschicht wuchsen.64 Im Winter 1965 nahm das Weiße Haus zur Kenntnis, dass Morgenthau eine Hauptstimme der Opposition geworden war. In der Administration kursierten seine Schriften und der Nationale Sicherheitsberater McGeorge Bundy schrieb an Johnson, dass Figuren »wie Morgenthau, [und] Fulbright […] großen Schaden« anrichteten, was die Vietnampolitik betreffe.65 Nachdem mehrere Hundert Akademiker Bundy aufgefordert hatten, sich Morgenthaus Kritik zu stellen, kamen die beiden am 21. Juni 1965 in der Georgetown Uni239

versity zu einer Debatte zusammen, die der Fernsehsender CBS in Millionen Haushalte übertrug. Bundy wiederholte zur Rechtfertigung der US -Intervention Johnsons Worte: Die Vereinigten Staaten hätten »ein nationales Versprechen« abgegeben, Südvietnam bei der Verteidigung gegen kommunistische Unterwanderung zu helfen. Dieses Versprechen nicht einzuhalten, wäre sowohl moralisch falsch als auch nachteilig für das weltweite Ansehen Amerikas. Er fuhr fort: »Wir sind auch dafür da, die Weltordnung zu stärken. Rund um die Welt, von Berlin bis Thailand, gibt es Menschen, deren Wohl auch von der Überzeugung abhängt, im Falle eines Angriffs auf uns zählen zu können. Vietnam seinem Schicksal zu überlassen, würde das Vertrauen all dieser Menschen auf die Gültigkeit einer amerikanischen Selbstverpflichtung erschüttern.«

Sollten sich die Vereinigten Staaten aus Vietnam zurückziehen, dann werde der Kampf in einem Land nach dem anderen neu entbrennen. Morgenthau erwiderte darauf, dass »wir es waren, die die erste Regierung in Saigon eingesetzt haben. […] der Staat Südvietnam ist in gewissem Sinne unsere Schöpfung. […] Wenn wir also sagen, wir müssen ein Versprechen einhalten, dann geht es in Wirklichkeit um ein Versprechen, dass wir gegenüber einem unserer Statthalter abgegeben haben.«

Die Vereinigten Staaten hätten im Grunde kein geopolitisches Interesse an Vietnam, für die Eindämmung der chinesischen Macht sei das Land unbedeutend. Die Militärintervention, der jede »moralische, militärische, politische und allgemein intellektuelle« Begründung fehle, müsse beendet werden.66 Die im Fernsehen übertragene Debatte führte der Öffentlichkeit vor Augen, welche Kluft sich im außenpolitischen Establishment aufgetan hatte. Johnson war über den Schaden, den Morgenthaus Kritik seiner Ansicht nach angerichtet hatte, so außer sich, dass er Bundy unverzüglich entließ. Im Weißen Haus bestand die Überzeugung, dass Morgenthaus Rang als Vordenker des Kalten Krieges ihn zu einem besonders gefährlichen Kritiker machte. Seine Beziehungen zu prominenten Politikern und seine Fähigkeit, Einspruch gegen die Regierungspolitik in einer ihnen vertrauten Terminologie zu formulieren, mussten jeden beunruhigen, der den Einsatz in Vietnam fortsetzen oder sogar ausweiten wollte. Da sie von einem Intellektuellen stammten, dessen Konzepte für die Rechtfertigung des Kampfes gegen die Sowjetunion zwei Jahrzehnte lang zentral gewesen waren, schienen Morgenthaus Äußerungen über die Nutzlosigkeit der amerikanischen Vietnampolitik ausgesprochen bedrohlich zu sein; tatsächlich sah sich das Weiße Haus bei keinem anderen Intellektuellen je zu einer direkten Konfrontation veranlasst.67 240

Morgenthaus Ablehnung des Vietnamkrieges stieß nicht nur unter Politikern und anderen Anhängern des »Realismus« in der Außenpolitik auf Zuspruch. Genauso wichtig war, dass er auch eine umfassende Kritik formulierte, nach der die Intervention in Vietnam die amerikanische Demokratie selbst bedrohe. In der ersten Dekade des Kalten Krieges war das Thema Demokratie in Morgenthaus Schriften nebensächlich gewesen. Zwar blieb er gesellschaftspolitisch ein Linksliberaler, der in mehreren progressiven Organisationen aktiv war, als Autor ging er aber nur beiläufig auf die Ursprünge des demokratischen Denkens und die Notwendigkeit von Reformen im eigenen Land ein. Von 1958 an argumentierte Morgenthau jedoch in einer Reihe von Publikationen, dass die Fehlschläge der Vereinigten Staaten in anderen Ländern direkt aus der Schwächung ihrer demokratischen Normen resultierten; Demokratie und Außenpolitik, schrieb er im Rückgriff auf die Weimarer Anfänge seiner Theorie, seien keine getrennten Bereiche, sondern eng miteinander verbunden. Diese Kritik beflügelte eine radikale Protestbewegung, die Mitte der 1960er Jahre an amerikanischen Universitäten entstand. Morgenthaus Gedanken zählten zu den Anregungen, die wütende Studierende dazu brachten, den Militäreinsatz in Vietnam auf eine Schwäche der amerikanischen Demokratie zurückzuführen. Für diese Generation war Vietnam ein Symptom für den moralischen Verfall des eigenen Landes. Ihre Forderung nach einer solideren Demokratie war unter anderem von Morgenthau inspiriert.68 Im Jahr 1960 veröffentlichte Morgenthau die Monografie The Purpose of American Politics. Das später von der Wissenschaft weitgehend ignorierte Buch präzisierte sein Konzept des »nationalen Interesses« und verdeutlichte die darin eingeschlossenen wesentlichen moralischen Aspekte. Es war der eindrücklichste Appell an seine Leserschaft, den »Realismus« nicht als gleichbedeutend mit Machtpolitik, sondern in seiner engen Verbindung mit ethischen Erwägungen zu verstehen. Laut Morgenthau konnte Diplomatie nicht allein auf strategischen Überlegungen und Machtkalkül beruhen. Eine Regierungspolitik, die den Einsatz und die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger verdiente, musste auch ethische und geistige Substanz haben: »Um unserer dauerhaften Sympathie würdig zu sein, muss eine Nation ihre Interessen zugunsten eines transzendenten Zwecks verfolgen, der den tagtäglichen Abläufen der Außenpolitik eine Bedeutung verleiht. Die Reiche der Hunnen und der Mongolen, die in politischer und militärischer Hinsicht ungemein erfolgreich waren, bedeuten uns nichts, das antike Griechenland, Rom und Israel dagegen sehr viel. An Griechenland, Rom und Israel erinnern wir uns […], weil es nicht bloß politische Gebilde waren, deren Zweck sich im eigenen Überleben und Wachstum erschöpft hätte, sondern Zivilisationen, einzigartige Verwirklichungen von menschlichen Potenzialen, die wir mit ihnen gemein haben.« 241

Die normativen Prinzipien einer Nation, erklärte Morgenthau, würden durch das gemeinsame Handeln ihrer Bürgerinnen und Bürger hervorgebracht. Jede bedeutende Zivilisation beziehe ihre Stärke aus dem gesellschaftlichen Konsens über ein fundamentales Prinzip: Die Bürger des Römischen Reichs hätten den Glauben an die Herrschaft des Gesetzes geteilt, die alten Hebräer seien durch den Monotheismus vereint worden. Diese geistig-spirituellen Konzepte seien entstanden aus »einem Kontinuum von Handlungen, die ein gemeinsames und einzigartiges Muster aufweisen« und durch die die Bürger ein kollektives Interesse herstellen und definieren könnten. Das »Bewusstsein des nationalen Zwecks […] folgte auf seine Verwirklichung im Handeln«.69 Auch die Vereinigten Staaten hatte laut Morgenthau ursprünglich ein solcher geistiger Gehalt ausgezeichnet: Ihnen lag das ehrgeizige Experiment einer »Gleichheit in Freiheit« zugrunde. Morgenthau behauptete, die Vereinigten Staaten hätten als erste Nation eine pluralistische Demokratie geschaffen, ein auf der Überzeugung beruhendes System, dass keine einzelne Gruppe ein Monopol auf transzendentale Werte beanspruchen könne. Das wesentliche Ethos ihrer Demokratie habe darin bestanden, dass sie es der Bürgerschaft erlaubt habe, die moralischen Ansichten anderer zu respektieren, öffentliche Diskussionen zu führen und auf Grundlage von Kompromissen eine gemeinsame Politik zu entwickeln. Alle Teilnehmenden an der öffentlichen Debatte hätten bestimmte moralische Prinzipien wie das Recht des Individuums auf persönliches Glücksstreben verbunden. Damit habe Amerika ein politisches System hervorgebracht, das auf einem einzigartigen moralischen Gleichgewicht beruhe: Alle Akteure »verbleiben innerhalb dieses relativistischen Ethos der Demokratie« – nach dem kein Akteur ein Monopol auf die Wahrheit besitzt –, »während sie zugleich jene absoluten, objektiven Prinzipien respektieren, die jenseits des Horizonts dieses Relativismus liegen«.70 Nach Morgenthau hatten die Vereinigten Staaten bei allen Mängeln die Prin­zipien des Pluralismus somit vollständiger entwickelt als jede andere Nation. Auf diese Weise »trugen sie immer eine Bedeutung in sich, die die Landesgrenzen Amerikas überschreitet und sich an alle anderen Nationen der Welt richtet«. Die Macht der Vereinigten Staaten liege nicht nur in ihrer militärischen und wirtschaftlichen Stärke, sondern auch – und wichtiger noch – in ihrem Streben nach Gleichheit in Freiheit. Die Ideale der partizipatorischen Demokratie und Selbstverwaltung machten einen Teil ihrer Ausstrahlung auf Menschen jenseits der eigenen Grenzen aus. Folglich existiere die Diplomatie der Vereinigten Staaten nicht unabhängig von der Politik im eigenen Land: Die Stärke ihrer Demokratie sei der Motor ihres Wirkens in der Welt.71 Dieses einzigartige Experiment glaubte Morgenthau allerdings in einem rapiden Zerfallsprozess begriffen. Partikulare Interessengruppen hätten die 242

staatlichen Institutionen übernommen und die direkte Beziehung zwischen Öffentlichkeit und Regierung verdrängt: »Die gesetzgebenden Organe sind unter die Kontrolle von Bergbau-, Energie- und Eisenbahnunternehmen geraten und viele Kongressabgeordnete repräsentieren spezifische Wirtschaftsinteressen.« »[Abgeordnete und Beamte] verwandeln sich häufig in Abgesandte wirtschaftlicher Gruppen, deren Interessen sie verteidigen und fördern, wenn sie in ihrem Auftrag miteinander verhandeln. Das Ergebnis ist ein neuer Feudalismus, der wie jener des Mittelalters die Autorität der zivilen Regierung untergräbt und auszulöschen droht. […] Schlussendlich wird die verfassungsmäßige Regierung der Tendenz nach […] eine ›feierliche Farce‹, die das Schwinden politischer Lebenskraft verdeckt.«

Mit dem Bruch zwischen Bevölkerung und Regierung trete an die Stelle politischen Handelns Apathie; die öffentliche Sphäre verwandele sich von einer Bühne der Diskussion in eine Stätte geistlosen Konsumverhaltens. Morgenthau warnte, die Vereinigten Staaten seien auf dem Weg, ihre geistigen Ursprünge zu vergessen und Reformen zur Anpassung ihres Systems an neue gesellschaftliche Bedingungen zu versäumen. Partikularinteressen würden die Institutionen der Demokratie kapern und den freien Austausch von Gedanken bedrohen.72 Dieser Zerfall demokratischer Normen war nach Morgenthau nicht nur moralisch verwerflich, sondern schade auch dem internationalen Ansehen des Landes und seinen nationalen Interessen, da Amerikas Macht auf der Vitalität seiner Demokratie beruhe: »Die Vereinigten Staaten werden nicht in derselben Weise wie andere Länder nach der Situation im eigenen Land beurteilt, also nicht wie etwa die Briten mit Blick auf das Rassenproblem oder wie früher die Franzosen mit Blick auf Algerien. Wir werden in einem eher eigentümlichen Sinne beurteilt, in dem sich die besondere moralische Tugend spiegelt, die wir gegenüber dem Rest der Welt repräsentiert haben.«

Um ihre internationale Position zu sichern, müssten die Vereinigten Staaten mit gutem Beispiel vorangehen und das Vertrauen der Menschen in das Prinzip von »Gleichheit in Freiheit« wiederherstellen. Deshalb appellierte Morgenthau an die amerikanische Führung und Öffentlichkeit, Sonderinteressen zu bekämpfen und die politische Gestaltungsmacht zurückzufordern. Durch aktive Partizipation an staatlichen Institutionen sollte die Bevölkerung ihre Autorität und ihre demokratischen Rechte wiedererlangen. Außerdem forderte Morgenthau Amerika dazu auf, seine Energien auf die Änderung des moralisch beschämenden Umgangs mit der afroamerikanischen Bevölkerung, den Armen und den bildungsschwachen Gruppen zu verwenden; zur 243

Stärkung der unterprivilegiertesten Gruppen sollte die Regierung mehr Geld für öffentliche Bildung, staatliche Arbeitsbeschaffung und Sozialleistungen bereitstellen. Solche Programme waren in seinen Augen wichtiger für das nationale Interesse als militärische Macht. Indem die Vereinigten Staaten ihre Ressourcen in den gewaltsamen Konflikt in Vietnam steckten, anstatt die eigenen Bürgerinnen und Bürger zu fördern, würden sie Missstände im eigenen Land verschlimmern und die Demokratie untergraben.73 Die immer umfangreichere US -Intervention in Vietnam sah Morgenthau daher nicht nur als eine strategische Fehlkalkulation. Ausgehend von der Gleichsetzung von Moral mit demokratischen Normen hielt er sie auch für einen antidemokratischen Morast, der Nihilismus erzeuge: »Mit der Zerstörung von Dörfern und Wäldern sind wir zu einer Politik der verbrannten Erde übergegangen. Wir haben Kombattanten und Nicht-Kombattanten ohne Unterschied getötet. […] Wir müssen immer weiter foltern, töten und niederbrennen, und dies umso mehr, je tiefer wir in Vietnam verstrickt sind.«74

Diese Brutalisierung bedeute, dass die Vereinigten Staaten »ihre moralische Anziehungskraft« verlieren und nur noch auf Expansion und Unterdrückung aus seien. Tatsächlich symbolisiere der Krieg die Zerstörung demokratischer Normen nicht nur, sondern fördere sie auch: Führende Politiker hätten versucht, den öffentlichen Protest zu unterdrücken und jede Opposition mundtot zu machen. Gegen diesen Verfall ihres Gemeinwesens müssten sich Amerikanerinnen und Amerikaner erheben; sie müssten sich der Zerstörung der »geistigen, moralischen und politischen Verfassung« des Landes widersetzen.75 Die Verbindungslinie, die Morgenthau zwischen Außen- und Innenpolitik, zwischen der Gewalt in Vietnam und sozialer Ungerechtigkeit in Amerika herstellte, wurde wenig später auch von der entstehenden Protestbewegung an den Universitäten und Colleges gezogen. Für eine wachsende Zahl Studierender wurde der Militäreinsatz in Vietnam zum Symbol für antidemokratische und tyrannische Führungsfiguren, die die Landespolitik und die Bildungseinrichtungen beherrschten; er wurde zum Symptom einer Fülle von sozialen, rassistischen, wirtschaftlichen und geschlechtsspezifischen Formen von Unterdrückung, die den Anspruch der Vereinigten Staaten, ein demokratisch verfasstes Land zu sein, zum Hohn machten. Die 1965 erfolgte Einberufung von Wehrpflichtigen gab solchen Überzeugungen wachsende Dringlichkeit. Im ganzen Land suchten Studierende nach unterschiedlichen Möglichkeiten für das, was sie »direct action« nannten. Die Verstrickung in den Vietnamkrieg demonstrierte aus ihrer Sicht das dringende Erfordernis, das Land von korrupten Eliten zurückzufordern und eine radikale und lebendige »partizipatorische Demokratie« zu schaffen. 244

Der erste Studentenprotest fand im März 1965 an der University of Michigan in Form eines »Teach-in« statt, eines gemeinsamen Forums von Fakultätsangehörigen und Studierenden. Mit Filmvorführungen, Dutzenden von Vorträgen und einer offenen Diskussion über »die neue amerikanische Arroganz« sollte die Öffentlichkeit über das Grauen des Krieges informiert und für weitere Proteste mobilisiert werden. Morgenthau nahm an der Veranstaltung zwar nicht selbst teil, Studierende dankten ihm in einem Brief aber für seine Anregungen und baten ihn für weitere Aktionen um Rat. Die Teach-ins breiteten sich schnell über die Campusse aus. Eine Woche nach dem Protest in Michigan versammelten sich Studierende und Lehrkräfte an der Universität of Berkeley zu ähnlichen Diskussionen und gründeten das Vietnam Day Committee. Im April fanden Teach-ins an der New York University, der University of Chicago, Wisconsin-Madison und in Harvard sowie am Marist College in New York statt; im Mai und Juni kamen Dutzende weitere Institutionen hinzu. Manche luden Morgenthau als Hauptredner ein. Am Jahresende hatten die Teach-ins sogar Paris und London erreicht.76 Hunderte junge Studierende aus dem ganzen Land, die Morgenthau bei diesen Veranstaltungen als Redner erlebt, seine Artikel gelesen oder Rundfunkinterviews mit ihm gehört hatten, baten ihn schriftlich um Hilfe. »Wir sind vom Kurs des Außenministeriums zutiefst deprimiert«, schrieben zwei Studierende aus Maine, »und Ihre Stimme ist eine der wenigen nüchternen.« Andere fragten: »Wie können wir gegen diesen Wahnsinn protestieren? Bitte geben Sie uns Rat.« Nur Morgenthau habe mit seiner »großen intellektuellen Courage« eine Lösung für die moralische Katastrophe in Vietnam aufgezeigt, meinte ein Student aus Pennsylvania. Diese wachsende Opposition gegen den Krieg und eine sozial ungerechte Gesellschaft erkannte in Morgenthau eine seltene Stimme der Vernunft innerhalb des außenpolitischen Establishments im Kalten Krieg. Militärveteranen, politische Aktivisten und Journalisten wandten sich mit Petitionen, Bitten um Kontakt zu politischen Entscheidungsträgern und detaillierten Vorschlägen für den Präsidenten an ihn. Als sich die Protestbewegung über die Grenzen der Vereinigten Staaten ausweitete, erreichten Morgenthau Unterstützungsschreiben und Bitten um Rat von Studierenden aus Australien, Großbritannien und Frankreich. Ein langes Manifest für gesellschaftlichen Wandel aus Chicago trug den Titel »God Bless You, Professor Morgenthau!«.77 Als die Proteste die amerikanische Hauptstadt erreichten, stand Morgenthau in ihrem Mittelpunkt. Im Mai 1965 veranstaltete die Ad-hoc-Gruppe Inter-University Committee for a Public Hearing on Vietnam im Sheraton Park Hotel das erste landesweite Teach-in. Die Veranstaltung dauerte länger als drei Stunden und wurde für hunderttausend Menschen an mehr als 245

hundert Colleges übertragen (Abb.  9). Die Position der US -Regierung vertraten Arthur Schlesinger Jr., Stellvertreter des Nationalen Sicherheitsberaters Walt Rostow, und Zbigniew Brzezinski, ein Politikwissenschaftler, der ein Jahrzehnt zuvor an antisowjetischen Büchern Carl J. Friedrichs mitgearbeitet hatte; der Historiker William Appleman Williams und der politische Theoretiker Seymour Melman sprachen für die Opposition. Morgenthau hielt die Eröffnungsrede. Vor einer gewaltigen Menschenmenge wiederholte der deutsche Emigrant nicht nur seine mittlerweile berühmte Kritik an den Fehlkalkulationen der US -Diplomatie, sondern auch seine Warnungen über den Zustand der amerikanischen Demokratie.78 Während der Vietnamkrieg eskalierte und die Proteste lautstärker und gewalttätiger wurden, übernahm die Opposition viele von Morgenthaus Argumenten. Howard Zinn von der University of Boston, der zu einer ihrer zentralen Figuren wurde, schickte Morgenthau Entwürfe seiner Texte. Wie er selbst erklärte, hatte ihn Morgenthau zu der Erkenntnis gebracht, dass sich im Militäreinsatz in Vietnam der moralische Bankrott der amerikanischen Gesellschaft ausdrücke. Auch Noam Chomsky, der renommierte Linguist vom MIT, argumentierte mit Nachdruck, Vietnam sei ein Symptom der Zerstörung der amerikanischen Demokratie durch bestimmte Interessengruppen. Studierende, die Morgenthaus Gedanken im Mund führten, radikalisierten ihren Protest und brachten ihre Wut durch Gewalt gegen staatliche Einrichtungen und Regierungsgebäude zum Ausdruck.79 Morgenthau selbst nahm weiter an Demonstrationen teil, hielt Reden und sprach im Radio, schrieb für radikale Publikationen und rief zum Widerstand gegen den Krieg auf. In den 1970er Jahren bezeichneten Intellektuelle ihn häufig als den für die Debatte über Vietnam wichtigsten Denker. Aus ihrer Sicht legte er die strukturellen, hausgemachten Ursachen der diplomatischen Katastrophe der Vereinigten Staaten offen.80 Der Studentenprotest gegen den Vietnamkrieg schöpfte aus vielen intellektuellen Quellen. Auf der Suche nach Ausdrucksmöglichkeiten für den wachsenden Dissens ließen sich die Studierenden unter anderem von älteren aktivistischen Traditionen, dem Pazifismus der Zwischenkriegszeit und neomarxistischer Philosophie inspirieren. Morgenthau blieb an den meisten dieser Geistestraditionen desinteressiert. Im Unterschied zu den studentischen Führungsfiguren der Proteste hegte er tiefes Misstrauen gegenüber der marxistischen Weltanschauung. Doch ungeachtet dieser Differenzen halfen Morgenthaus Theorie über Macht und Moral sowie sein Beharren auf dem Zusammenhang zwischen einer gerechten Außenpolitik und radikalen Reformen in Amerika den Studierenden bei der Artikulation ihrer Empörung. Er stellte das erforderliche Vokabular bereit für ihre Forderung nach einer stärker 246

Abb. 9: Hans Morgenthau vertritt bei einer öffentlichen Debatte in Washington, D. C. die Opposition gegen den US -Militäreinsatz in Vietnam (Mai 1965). Die Debatte wurde an mehr als hundert Colleges im Land ausgestrahlt. Neben Morgenthau sitzt Arthur Schlesinger Jr., Historiker, ehemaliger Berater der Administration unter Kennedy und Befürworter der Intervention. ©  picture alliance / ​A SSOCIATED PRESS / H WG.

partizipatorischen Demokratie als Teil einer größeren und gerechten nationalen Mission. In Morgenthau fanden die Protestierenden eine ungewöhnliche Stimme innerhalb des Establishments, die ihr Anliegen unterstützte. Die Ursprünge seiner konfliktreichen Doppelrolle lagen in der ambitionierten Theorie internationaler Beziehungen, die er in der Weimarer Ära entwickelt hatte. Im Zuge intensiver Debatten über das Verhältnis von Demo­k ratie, Völkerbund, Völkerrecht und Machtpolitik hatte sich Morgenthau damals um den Entwurf einer neuen deutschen Diplomatie bemüht. Aus seiner Sicht hatte die Weimarer Republik einen Drahtseilakt vollbringen müssen: Galt es einerseits, Abschied von der liberalen Hoffnung zu nehmen, dass Völkerbund und Völkerrecht eine Überwindung von Gewalt und Konflikten gelingen würde, so waren andererseits die nationalistischen Bestrebungen nach Abschaffung internationaler Organisationen zugunsten der nationalen Souveränität und Macht zurückzuweisen. Nach Morgenthau sollte die Weimarer Republik beim Aufbau eines neuen internationalen Systems vorangehen, in dem dynamische und fähige Diplomaten Moral und Machtpolitik ausbalancierten. In diesem Gleichgewicht bestand für ihn der Kern des Realismus. 247

Die Doppelrolle des Politologen als Angehörigem der außenpolitischen Elite im Kalten Krieg und aktiver Stimme des Protests gegen den Vietnamkrieg markierte somit zugleich den Höhepunkt der deutsch-amerikanischen Symbiose und den Moment ihrer Krise. Seine Schriften zeugten von einer Konvergenz der US -Diplomatie und deutscher Theorien, die im Zweiten Weltkrieg begann und im frühen Kalten Krieg ihren Zenit erreichte. Stärker als die Werke von Friedrich, Fraenkel, Gurian und Loewenstein stieß Morgenthaus Theorie beim amerikanischen Publikum auf Widerhall und große Wertschätzung. Als die Vereinigten Staaten sich jedoch immer tiefer in den Vietnamkonflikt verstrickten, entfalteten seine Gedanken eine genauso starke Wirkung auf diejenigen, die das außenpolitische Establishment, seine obsessive Furcht vor dem globalen Kommunismus und sein Demokratieverständnis infrage stellten. Morgenthaus scharfe Kritik an ihrer Politik untergrub die Bemühungen der US -Regierung, die Bürgerinnen und Bürger Amerikas und anderer Länder in den Kampf gegen den kommunistischen Feind zu führen. Mit den massiven Protesten gegen den Vietnamkrieg erfuhr die freiwillige Mobilmachung, zu der die anderen deutschen Emigranten beigetragen hatten, einen Niedergang. Ihre Visionen hatten in den Augen vieler nun stark an Attraktivität eingebüßt.

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Schlussbemerkungen

Die 1960er Jahre meinten es nicht gut mit Carl J. Friedrich, Ernst Fraenkel, Waldemar Gurian, Ernst Loewenstein und Hans J. Morgenthau. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in den Vereinigten Staaten betrat eine neue Generation von Studierenden und Aktivisten die Bühne, die ihre Werte und Ideen nicht teilte. Für diese jungen Männer und Frauen, die nach dem Krieg geboren und in einer Ära von Stabilität und Wohlstand aufgewachsen waren, ergab die Ordnung des Kalten Krieges wenig Sinn. Die Angst vor dem Kommunismus und die Befürwortung starker, »verantwortungsbewusster« Eliten erschienen ihnen wie Relikte aus einer vergangenen Zeit, die für die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen keine Bedeutung hatten. Überdies war ihr Bild der Vereinigten Staaten von der katastrophalen Militärintervention in Vietnam geprägt. In Westberlin und Frankfurt am Main, Berkeley und Madison sahen Studierende Amerika und seine Bündnispartner – also auch die Bundesrepublik – nicht länger als wohlwollende Hüter der Demokratie, sondern als aggressive und unterdrückerische Imperialisten. Die Darstellung kommunistischer Regime als »totalitär« hatte ihre mobilisierende Kraft verloren und erschien als ein fadenscheiniger Versuch zur Rechtfertigung furchtbarer Gewalt.1 Dabei vertrat die Generation der 1960er Jahre zugleich ein neues Demokratieverständnis. Anders als die Architekten der Nachkriegsordnung hoben die linken Studierenden die Legitimität von demokratisch gewählten Institutionen und Parteipolitik nicht positiv hervor, sondern stellten sie infrage: In Parlamenten sahen sie eine Bühne für Oligarchien, Werkzeuge für den Machterhalt von Eliten. Wie der deutsche Studentenführer Rudi Dutschke erklärte, beruhte die Nachkriegsordnung in ihren Augen auf ausgehöhlten, bloß formalen Demokratien: Westdeutschland und Amerika würden dabei versagen, die Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger zu fördern, und nichts als »existenzielle[n] Ekel« hervorrufen. Dutschke und andere propagierten eine »direkte Demokratie«, die politische Entscheidungen aus Massenversammlungen, Demonstrationen und Aktionen des Volkes hervorbringen sollte. Am vielleicht wichtigsten war, dass diese Generation den Staat nicht als Hebel für allgemeine Verbesserungen verstand. Westdeutsche wie amerikanische Studierende behaupteten vielmehr, dass staatliche Institutionen unweigerlich starre Hierarchien und repressive Normen verstärkten. Eine 249

»wirkliche« Demokratie könne nicht mit ihnen, sondern nur durch »Autonomie«, durch kleine Organisationen, Studentenbewegungen, NGOs und später Menschenrechtsorganisationen aufgebaut werden.2 Als Unmut und Zorn dieser neuen Generation in den späten 1960er Jahren explosionsartig hervorbrachen, zählten die Protagonisten des vorliegenden Buches folglich zu ihren wichtigsten Zielscheiben. Mit Ausnahme Morgenthaus, der sich der Bewegung gegen den Vietnamkrieg anschloss, wurden die führenden Denker der älteren Generation in den Zeitschriften und Broschüren der Studierenden häufig attackiert und verspottet. Besonders heftig fiel diese Kritik in der Bundesrepublik aus, wo die Rückkehrer zur Verkörperung der im Kalten Krieg geschmiedeten Beziehungen mit den moralisch verkommenen Vereinigten Staaten wurden. Studierende führten Demonstrationen gegen Einrichtungen wie den DAAD und die Amerikahäuser durch, die den Schulterschluss mit der amerikanischen Kultur symbolisierten; Fraenkels Westberliner Institut für Amerikastudien wurde mit Molotowcocktails angegriffen. Nach dem enormen Einfluss in den 1950er Jahren gerieten ihre Ideen und Institutionen nun unter starken Beschuss. Ihr früherer Erfolg machte sie ironischerweise zu Symbolen für eine in Ungnade gefallene Ordnung.3 Dieser leidenschaftliche Protest in Europa und den Vereinigten Staaten drängte das theoretische und politische Erbe der deutschen Emigranten in den Hintergrund. Während der erhoffte Aufbau einer »direkten Demokratie« ausblieb, gelang es der neuen Generation, den intellektuellen Rang ihrer Vorgänger mit Erfolg zu untergraben. Die Gedankengebäude und Schriften von Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und – in geringerem Maße – auch von Morgenthau verschwanden allmählich aus den akademischen Lehrplänen und den Debatten über politische Theorie. Viele von ihnen mitbegründete Programme und Institutionen wie das Zentrum für Nordamerikastudien in Berlin und die School for Public Policy in Harvard bestanden zwar weiter, büßten aber erheblich an Prestige ein. Ihre Theorien und politischen Vorschläge bildeten nicht länger die tragenden Säulen der Nachkriegsordnung. Wie überzeugend sie einmal gewirkt hatten, wurde zunehmend vergessen. Die harsche Kritik an ihnen war nicht unbegründet. Angesichts der grausamen Kriegführung in Vietnam, der Unterstützung autoritärer Diktaturen und des Fortdauerns ethnischer, wirtschaftlicher, geschlechtlicher und anderer Ungleichheiten in der eigenen Gesellschaft erschien ihr Beharren auf der Überlegenheit demokratischer Staaten und der westlichen Allianz unhaltbar. Allerdings stellte die Generation der 1960er Jahre die Ziele der Emigranten häufig verzerrt dar. Die von Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau in der Weimarer Zeit entwickelten und im Kalten Krieg vertretenen Theorien hatten Antworten auf vollkommen andere Herausforderungen 250

gegeben, als sie in der Prosperitätsphase der 1960er Jahre bestanden. Das Trauma des Ersten Weltkrieges und der explosive Aufruhr der Weimarer Ära führten die späteren Architekten der Nachkriegsdemokratie dazu, der Stabilität den Vorrang einzuräumen. Die Demokratie konnte nach ihrer Überzeugung die Wut und den Unmut der Deutschen über die demütigende Kriegsniederlage und die chronische Instabilität der Weimarer Republik in einen friedlichen politischen Wettstreit lenken; sie sollte es Bürgerinnen und Bürgern erlauben, über die eigenen religiösen und politischen Gemeinschaften hinaus neue Koalitionen zu bilden. Als Mittel gegen Polarisierung und Gewalt bedürfe es eines starken, stabilen Staates, der die politische Unbeständigkeit überwinden könne; keine Universität, Religionsgemeinschaft oder Gewerkschaft allein vermochte politische Zusammenarbeit und Konsens zu fördern. Vor allem aber stellten demokratisch gewählte Institutionen und die Parteiendemokratie für die in Weimar herangereifte Generation revolutionäre Projekte dar. Die Republik verfügte nur über einen brüchigen Rückhalt in der Bevölkerung und musste sich ununterbrochen gegen Kommunismus und extremen Nationalismus behaupten. Die größte Herausforderung für die Demokratie bestand in den Augen von Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau deshalb darin, das Volk zur Unterstützung der republikanischen Institutionen zu bewegen. Ihre Gesundheit bemesse sich an der Verpflichtung der Bürgerinnen und Bürger auf Verfassung und Parlament, nicht an deren Drang zur Infragestellung gesellschaftlicher und kultureller Hierarchien. Trotz aller revolutionären Entschlossenheit und der neuen Horizonte, die sie in der Weimarer Zeit eröffneten, hatten diese Visionen von Demokratie etliche blinde Flecken und repressive Folgen. Auch wenn die fünf Emigranten unterschiedlichen Denkschulen und kulturellen, politischen und religiösen Milieus entstammten, verband sie die Fixierung auf politischen Konsens und eine geradezu paranoide Furcht vor kommunistischer Unterwanderung. In ihrem geistigen Universum war die Grenze zwischen legitimer Kritik und Staatsgefährdung grundsätzlich unscharf und häufig überhaupt nicht existent. Diese binäre Perspektive, die die gesamte Welt in Demokratien und deren Todfeinde unterteilte, enthielt die Saat brutaler Zwangsmaßnahmen. Sie geriet leicht zur Legitimierung einer vorbeugenden Einschränkung von Grundrechten, politischer Unterdrückung und offener Gewalt. Diese Verbindung von mutiger Erneuerung und repressiver Strenge zeigte sich erneut bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung. Auf beiden Seiten des Atlantiks und quer durch das politische Spektrum eröffneten Visionen aus der Weimarer Zeit neue Möglichkeiten und brachten zugleich eine Einschränkung des politischen Horizonts mit sich. Westdeutsche und amerikanische 251

Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft sowie von Stiftungen bekannten sich zu den Ideen der Emigranten, indem sie enorme Ressourcen für die Wiederbelebung ihrer früheren Projekte bereitstellten. In Westdeutschland wurden ihre Gedanken als kohärente und umfassende demokratische Theorien wahrgenommen, an die sich anschließen ließ. Die Rückkehrer verfügten über fertige Modelle für demokratische Bildung, Verfassungen und Diskurse. Ihr Plädoyer für einen friedlichen politischen Wettstreit und starke staatliche Institutionen fand nach der Zerstörung und den Verwerfungen des Krieges breiten Anklang; ihr hierarchisches Politikverständnis und die Fixierung auf Stabilität waren für eine erschöpfte und demoralisierte Bevölkerung durchaus attraktiv. Ebenso wichtig war, dass die Verknüpfung von einer lebensfähigen Demokratie und einem militanten Antikommunismus an eine verbreitete Abneigung in der Bundesrepublik anschließen konnte: Die dichotomen Weltanschauungen von Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau trugen dazu bei, existierende antikommunistische Einstellungen in den Dienst neuer politischer Institutionen zu stellen. Aus diesem Grund trafen die Rückkehrer auf ein aufgeschlossenes Publikum, als sie in Heidelberg akademische Einrichtungen neu aufbauten, sich in Berlin an die Gewerkschaften wandten oder im katholischen Rheinland Vorträge hielten. Sie boten vielen Deutschen, die eine neue, auf dem Bekenntnis zu demokratischen Institutionen und internationaler Zusammenarbeit basierende politische Identität schaffen wollten, das intellektuelle Rüstzeug dazu. In den späten 1950er Jahren wurden ihre Auffassungen in der Geisteslandschaft und politischen Kultur vorherrschend. Ihre Theorien und Schriften gaben der Architektur der Bundesrepublik stabile Fundamente. Auch den Amerikanerinnen und Amerikanern hatten die deutschen Emigranten in den Nachkriegsjahren vieles anzubieten. Ihr Wissen über andere Kulturen und ihre demokratischen Visionen waren brauchbare Werkzeuge für die Diplomatie im Kalten Krieg. Ihre auf die Weimarer Ära zurück­ gehende Überzeugung, dass die Demokratie angesichts ihrer Todfeinde eine ständige Mobilisierung und einen staatlich geförderten Konsens benötige, verschmolz mit den im Kalten Krieg dominierenden Geisteshaltungen. Sie konnten sich an die Spitze der gewaltigen Koalition aus Einzelpersonen und Institutionen stellen, die sich zur weltweiten Niederringung des Kommunismus bildete. Nicht zuletzt durch ihre Schriften gelangten viele Amerikanerinnen und Amerikaner außerdem zu der Überzeugung, dass der Kampf mit den kommunistischen Regimen eine Fortsetzung der gigantischen Schlacht gegen den Nationalsozialismus sei. Den Einsichten derer, die den Untergang der Weimarer Republik und den Aufstieg des »Dritten Reichs« erlebt hatten, 252

maß man in dem Vorhaben, eine Wiederholung der deutschen Katastrophe nun unter kommunistischem Vorzeichen zu verhindern, große Bedeutung bei. Deshalb lasen US -Diplomaten nicht nur ihre Bücher, sondern statteten sie auch mit beträchtlicher politischer Autorität aus, sei es als kulturelle Botschafter, Bildungsreformer oder Träger wichtiger diplomatischer Aufgaben im Kalten Krieg. Mit ihren Ideen und praktischen Tätigkeiten formten deutsche Emigranten amerikanische Ansichten und Einstellungen mit. Wie in Deutschland erweiterten sie den Horizont im Amerika des Kalten Krieges und schränkten ihn zugleich ein. Obwohl sie für US -Diplomaten arbeiteten, setzten sie sich allerdings nicht nur für die Macht und Interessen der Vereinigten Staaten ein: Amerikanische Institutionen und Diplomaten eröffneten ihnen zugleich Räume für die Förderung eigener Forschungen und Überlegungen. Als sie die Regionalstudien an US -Universitäten einführten, Verfassungen in Südkorea entwarfen oder vermeintlich »subversive« Kräfte in Lateinamerika inhaftieren ließen, implementierten sie aus Weimar mitgebrachte Konzepte. Sie meinten sogar, dass die Vereinigten Staaten ein bewundernswertes Projekt verteidigten und fortführten, das sie selbst in der Weimarer Republik begonnen hatten – sei es der calvinistische Bund, die sozialistische kollektive Demokratie, der katholische Personalismus, die wehrhafte Demokratie oder die dynamische Diplomatie. Die großen Hoffnungen, die die deutschen Emigranten in die Vereinigten Staaten setzten, resultierten nicht einfach aus ihrer Dankbarkeit gegenüber dem Land, das sie vor dem Nationalsozialismus gerettet hatte; sie waren nicht, wie Alfons Söllner behauptet hat, das Ergebnis einer »jämmerlichen […] Überidentifikation mit Amerika«.4 Vielmehr erfüllten die Vereinigten Staaten die Versprechen der Weimarer Demokratie. Sie waren eine Hochburg demokratischer Visionen, die zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen entstanden waren. In ihren befreienden wie düsteren Manifestationen beruhte diese deutschamerikanische Symbiose auf dem gemeinsamen Glauben an eine Überlegenheit der europäischen und nordamerikanischen politischen Kultur. Amerika wie Deutschland waren davon überzeugt, dass ihr Demokratieverständnis allgemeingültig sei und rund um die Welt kopiert werden könne. Trotz der furchtbaren deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg und der brutalen imperialen Unternehmungen Frankreichs und Großbritanniens blieb Europa für viele Amerikanerinnen und Amerikaner die »fortschrittlichste« und »zivilisierteste« Region auf der Welt. Deshalb zögerten die amerikanische Diplomatie sowie die intellektuelle Elite auch nicht, die deutschen Emigranten in die Institutionen der Wissenschaft und Politik aufzunehmen. Nachdem sie häufig vor rassistischer und politischer Verfolgung in die Vereinigten Staaten 253

geflohen waren, verhalf ihnen ironischerweise ihre europäische Herkunft zu Positionen, die Angehörigen anderer religiöser, politischer oder ethnischer Minderheiten verschlossen blieben. Die ausgrenzenden sozialen Strukturen und kulturellen Einstellungen in Amerika ermöglichten dieser spezifischen Gruppe weißer männlicher Europäer eine Integration in die institutionellen, intellektuellen und politischen Kreise, die zusammen das außenpolitische Establishment im Kalten Krieg bildeten. Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau brachten ihrerseits aus Weimar einen starken Glauben an die Bedeutung der eigenen Ideen auch jenseits der deutschen Grenzen mit, der mit dem amerikanischen Selbstbewusstsein, internationalen Wandel herbeiführen zu können, harmonierte und es stärkte. Der Export ihrer Projekte in andere Länder in Ostasien, Lateinund Nordamerika und Europa bereitete ihnen keine Bedenken. Aufgewachsen in einem eurozentrischen Umfeld, betrachteten sie ihre Konzepte, Theorien und Modelle als selbstverständlich relevant für die Deutung und Gestaltung nicht nur Deutschlands, sondern vielfältiger Gesellschaften in aller Welt. Dass sie sich zwischen grundverschiedenen Kulturen und Gesellschaften bewegten, galt ihnen schwerlich als Grund, ihre Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit, dem Schutz demokratischer Institutionen oder Machtpolitik zu überdenken. Wie viele Angehörige der Generation der 1960er Jahre bemerkten, hatten diese von Amerikanerinnen und Amerikanern sowie deutschen Emigranten geteilten Visionen oftmals tragische Konsequenzen. In Korea und Lateinamerika gestalteten die Emigranten Maßnahmen mit, die gewaltigen Schaden anrichteten und das Leben vieler Menschen zerstörten. Von dem französischen Philosophen und politischen Theoretiker Raymond Aron stammt der berühmte Ausspruch, das 20. Jahrhundert hätte »Deutschlands Jahrhundert« werden können. Hätten die Deutschen der Verlockung des Nationalsozialismus widerstanden und die rassistischen und imperialistischen Abenteuer des »Dritten Reichs« vermieden, dann wäre Deutschland mit seiner Kombination aus geistiger Kraft, herausragender Wirtschaftsleistung und politischer Macht nach Einschätzung Arons vermutlich das einflussreichste Land der Erde geworden.5 Amerikas Sieg über Nazideutschland und das darauffolgende »amerikanische Jahrhundert« taten Deutschlands Einfluss auf die Nachkriegswelt jedoch keinerlei Abbruch. Die diversen Kanäle, durch die Ideen aus der Weimarer Republik in amerikanische Diskurse und Institutionen einflossen, illustrieren die verborgene, aber dauerhafte Wirkung deutscher Netzwerke, Theorien und Individuen auch außerhalb Deutschlands. Als die Vereinigten Staaten im Kalten Krieg zwecks Eindämmung des Kommunismus entschlossen in die Politik, Kultur und Wirtschaft anderer Länder eingriffen, boten sie aus 254

Deutschland stammenden Akteurinnen und Akteuren Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, und verbreiteten ihre Ideen weltweit. Hierdurch konnten sie mit ihren Konzepten die revolutionären Möglichkeiten wie auch die drastischen Beschränkungen der Nachkriegspolitik mitdefinieren. Wie Friedrich, Fraenkel, Gurian, Loewenstein und Morgenthau exemplarisch zeigen, wirkten am »amerikanischen Jahrhundert« einheimische und ausländische, alte und neue Kräfte mit. Unter der Ägide Amerikas rückten Ideen von den Rändern Weimars ins Zentrum des Denkens und Handelns vor – in Westdeutschland, den Vereinigten Staaten und rund um den Globus.

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Anmerkungen

Einleitung 1 Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart, 299. 2 Von einem »Wunder« sprechen u. a. Jarausch / Bauerkämper / Payk (Hgg.), Demokratiewunder. Wie bei der Planung des Einmarschs in den Irak auf die Besatzungserfahrungen aus Deutschland und Japan zurückgegriffen wurde, schildern Dobbins u. a., America’s Role in Nation-Building. 3 Die wissenschaftliche Literatur über den amerikanischen Einfluss auf Deutschland ist überaus umfangreich. Aufschlussreiche klassische Studien sind etwa Berghahn, Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik; Naumann (Hg.), Nachkrieg in Deutschland; Diefendorf / Frohn / Rupieper (Hgg.), American Policy and the Reconstruction of West Germany; Rupieper, Die Wurzeln der westdeutschen Nachkriegsdemokratie. Zu den Debatten über den Marshallplan vgl. die Aufsätze in Maier / Bischof (Hgg.), The Marshall Plan and Germany. 4 Zu den Grenzen und Fehlschlägen der amerikanischen kulturellen Diplomatie in Deutschland vgl. beispielsweise Nolan, The Transatlantic Century, 154–266; Poiger, Jazz, Rock, and Rebels. 5 Vgl. etwa Jarausch, Die Umkehr; Schildt, Ankunft im Westen; ders., Zwischen Abendland und Amerika. 6 Lilla, The Other Velvet Revolution. 7 Zum geistigen Neuaufbau Deutschlands liegen neuerdings mehrere exzellente Studien vor, die meistens jedoch Fragen der nationalen Identität und historischen Erinnerung und nicht demokratische Theorien als solche ins Zentrum rücken. Vgl. etwa Moses, German Intellectuals and the Nazi Past; Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit; Müller (Hg.), German Ideologies since 1945; Albrecht u. a. (Hgg.), Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Ausnahme, die die Arbeiten mehrerer liberaler Denker im Heidelberg der Nachkriegszeit erforscht, ist Forner, German Intellectuals and the Challenge of Democratic Renewal. Vgl. auch die Befragung von Experten durch Moses, The Intellectual History of the Federal Republic. 8 Kielmansegg, Nach der Katastrophe, 10. 9 Rodgers, Atlantiküberquerungen, 472. 10 Eine hervorragende Studie über nationalsozialistische Kontinuitäten nach 1945 ist Frei, Vergangenheitspolitik. 11 Über die Nazifizierung von Denken und Kultur in Deutschland liegt ausgesprochen umfangreiche wissenschaftliche Literatur vor. Einen Überblick über die Beziehung des Nazismus zu unterschiedlichen Feldern des Denkens bieten die exzellenten Aufsätze in Bialas / Rabinbach (Hgg.), Nazi Germany and the Humanities. 12 Vgl. Krauss, Heimkehr in ein fremdes Land; Lühe / Schildt / Schüler-Springorum (Hgg.), »Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause«. Zum Beitrag von Emigranten zur deutschen Politikwissenschaft nach 1945: Söllner, Normative Verwestlichung; ders., Deutsche Politikwissenschaftler in der Emigration. Eine ausgezeichnete Untersuchung ihrer Rolle beim kulturellen Wiederaufbau Deutschlands ist Strote, Emigration and the Foundation of West Germany, 1933–1963.

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13 Granieri, The Ambivalent Alliance. 14 So der deutsche Diplomat und Schriftsteller Harry Graf Kessler in seinem Tagebuch, zit. nach Fritzsche, Wie aus Deutschen Nazis wurden, 98.15 Zit. nach Fritzsche, Wie aus Deutschen Nazis wurden, 118. 16 Remarque, Im Westen nichts Neues (1929), 5. 17 So die Formulierung von Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Die zahllosen wissenschaftlichen Studien über die Weimarer Republik können im Rahmen dieses Buches nicht behandelt werden. Die besten Überblicksarbeiten zu den inneren Spannungen und Konflikten der Periode sind Weitz, Weimar Germany, und Peukert, Die Weimarer Republik. 18 Lazier, God Interrupted, 5. Vgl. auch Graf, Die Zukunft der Weimarer Republik; ders. / ​ Föllmer (Hgg.), Die »Krise« der Weimarer Republik; Widdig, Culture and Inflation in Weimar Germany. 19 Wie mehrere Forscher gezeigt haben, entwickelten sich im deutschen Kaiserreich zwar viele demokratische Institutionen und Praktiken  – etwa Parlamentswahlen, das allgemeine Wahlrecht für Männer und politische Autonomie  –, deutsche Intellektuelle verwendeten jedoch wenig Mühe auf die Erarbeitung einer umfassenden Demokratietheorie. Vgl. Anderson, Lehrjahre der Demokratie. 20 Eine außergewöhnliche Untersuchung des demokratischen Denkens in der Weimarer Ära – die sich allerdings nicht mit den im vorliegenden Buch behandelten Intellektuellen befasst – ist Groh, Demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik. 21 Wie neuere Studien gezeigt haben, war der Antikommunismus in vielen Gesellschaften und kulturellen Milieus bereits lange vor dem Kalten Krieg eine wichtige geistige und politische Kraft. Vgl. etwa die hervorragende Studie von Chamedes, A Twentieth-Century Crusade; Goodall, Loyalty and Liberty; Ruotsila, British and American Anticommunism before the Cold War. 22 Ullrich, Der Weimar-Komplex; Gusy (Hg.), Weimars lange Schatten; Moses, The Weimar Syndrome in the Federal Republic of Germany. »Bonn ist nicht Weimar« war ursprünglich der Titel eines 1956 veröffentlichten Buches des Journalisten Fritz René Allemann. 23 Zu den Beziehungen zwischen dem nationalsozialistischen Antikommunismus und dem der Nachkriegszeit vgl. Mitchell, The Origins of Christian Democracy, bes. 76–104; Frei, Vergangenheitspolitik. 24 Osgood, Total Cold War. Vgl. auch Belmonte, Selling the American Way. 25 Luce, The American Century. Zur Rolle Deutschlands in der US-Strategie im Kalten Krieg vgl. Gaddis, Strategies of Containment, bes. 24–86; McAllister, No Exit. 26 Der Begriff »totale Diplomatie« wurde 1946 vom damaligen US-Außenminister Dean Acheson geprägt. Vgl. Beisner, Dean Acheson, 236–251. Zur kulturellen Diplomatie im Kalten Krieg vgl. etwa Berghahn, Transatlantische Kulturkriege; Eschen, Satchmo Blows Up the World; Caute, The Dancer Defects; Hochgeschwender, Freiheit in der Offensive?. 27 Dieser Wandel (und die Forschung darüber) wird ausführlicher im ersten Kapitel erörtert. Einen Überblick bieten Solovey / Cravens (Hgg.), Cold War Social Science; Suri, Henry Kissinger and the American Century, 92–137; Engerman, Rethinking Cold War Universities. 28 Das Standardwerk über Emigranten am OSS ist Söllner (Hg.), Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland, Bd. 2. Joachim Radkaus klassische Studie über die Bemühungen deutscher Emigranten, Einfluss auf die US-Außenpolitik zu nehmen, befasst sich nicht mit der Nachkriegsära (ders., Die deutsche Emigration in den USA). Vgl. auch Katz, Foreign Intelligence. 29 Trotz eines anderen Fokus sind meine Überlegungen zu deutschen Emigranten und den Chancen, die sich ihnen durch den Kalten Krieg eröffneten, stark beeinflusst von der glänzenden Studie von Suri, Henry Kissinger and the American Century.

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30 Zur Kooperation zwischen dem US-Außenministerium und unabhängigen Gruppen vgl. etwa Laville / Wilford (Hgg.), The U. S. Government, Citizen Groups, and the Cold War. Wie der Staat im Amerika des Zweiten Weltkrieges seine Macht ausdehnte, erörtert Sparrow, Warfare State. Diese Frage wird im vorliegenden Buch insbesondere in den Kapiteln 1 und 3 genauer untersucht. Zur Rolle nicht staatlicher Akteure im Kalten Krieg, vgl. Iriye, Global Community; Cullather, The Hungry World. 31 Herring, Presidential Leadership, LVI. 32 Eine lebendige Schilderung dieser Debatten vom New Deal bis zum Ende des Kalten Krieges bietet die einschlägige Studie von Katznelson, Fear Itself. Näher zum Kalten Krieg: Hogan, A Cross of Iron; Leffler, A Preponderance of Power. 33 Repräsentativ für diese Interpretation sind etwa die Aufsätze in Schrecker (Hg.), Cold War Triumphalism; Grandin, Empire’s Workshop. Wie amerikanische Entscheidungsträger zu der Überzeugung gelangten, die öffentliche Partizipation an politischen Prozessen müsse nicht nur im Ausland, sondern auch in den Vereinigten Staaten selbst eingeschränkt werden, erörtert Bessner, Democracy in Exile. 34 Mein Verständnis von der Rolle der Demokratie im Kalten Krieg ist stark von einer Studie geprägt, die sich besonders mit dem amerikanisch-japanischen Bündnis befasst: Miller, Cold War Democracy. 35 Neuere Untersuchungen gehen den Verbindungslinien zwischen mitteleuropäischen Theorien der Zwischenkriegszeit und dem Paradigma des Kalten Krieges nach, beschränken sich dabei aber zumeist auf eine einzelne Figur oder Konzeption. Am wichtigsten ist die Pionierstudie von Hacohen, Karl Popper. Vgl. auch Jones, The Lost Debate. 36 Zur Rolle von Konsumkultur und freier kapitalistischer Marktwirtschaft vgl. de Grazia, Das unwiderstehliche Imperium. Zu religiösen Ideen: Herzog, The Spiritual-Industrial Complex. Zur Rolle von »Entwicklung« und Fortschrittsgedanken: Ekbladh, The Great American Mission; Engerman, Modernization from the Other Shore.

Kapitel 1 Auf der Suche nach »verantwortungsbewussten Eliten«: Carl J. Friedrich und die Reform der Universitäten 1 Rockefeller Archive Center, Tarrytown, N. Y., Rockefeller Foundation Archives (nachfolgend RAC, RFA), Box 7, Folder 39, Series 717, RG 1.1, Joseph H. Willits, Report on Germany, 24. Mai 1950. 2 Die umfassendsten Arbeiten zur Rolle der USA und der Entnazifizierung während der Besatzung sind die monumentale Studie von Freytag-Loringhoven, Erziehung im Kollegienhaus, und Tent, Mission on the Rhine. Zum amerikanischen Einfluss auf die deutschen Universitäten während und nach der Besatzung vgl. Paulus, Vorbild USA?. 3 Hirsch zit. nach Tanner, Protestantische Demokratiekritik in der Weimarer Republik, 29. Zur intellektuellen und theologischen Ablehnung der Republik vgl. Flasch, Die geistige Mobilmachung; Jacke, Kirche zwischen Monarchie und Republik. Zur politischen Opposition von Protestanten vgl. Ohnezeit, Zwischen »schärfster Opposition« und dem »Willen zur Macht«. 4 Troeltsch, Die deutsche Demokratie, 304. 5 Zu prodemokratischen Protestanten: Frye, Liberal Democrats in the Weimar Republic. Zu Webers Theorie der Führung: ders., Wissenschaft als Beruf (1917/1919); ders., Politik als Beruf (1918/1919). Zu Webers Verhältnis zur Demokratie: Breiner, Max Weber and Democratic Politics.

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6 Zu Alfred Weber und seinen Schülern vgl. Loader, Alfred Weber and the Crisis of Culture, 1890–1933; Demm, Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik. Die biografischen Angaben über Friedrich basieren auf seinen Einstellungsakten: Universitätsarchiv der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (nachfolgend UAH), B-66801/1, IV, 3d, Nr. 22b, 15. September 1925, sowie auf Lietzmann, Politikwissenschaft im »Zeitalter der Diktaturen«, 29–46. 7 Friedrich, Preface, XVII. 8 Gierke, Johannes Althusius und die Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien. 9 Friedrich, Preface, XVIII und XV. Friedrich erwähnt den Beginn seines Vorhabens in einem Brief an Gustav Braun: Harvard University Archive, Cambridge, Mass. (nachfolgend HUA), Carl J. Friedrich Papers (nachfolgend HUGFP 17), 17.6, Box 5, Folder Book Sellers, 4. Dezember 1926. Auf Drängen Friedrichs wurde das Buch nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in Deutschland gedruckt. Er brachte auch sofort eine deutsche Ausgabe auf den Weg, die jedoch aufgrund der nationalsozialistischen Machtübernahme im Jahr darauf nicht mehr zustande kam. HUA, HUGFP 17.6, Box 2, Folder 4, Friedrich an den Verlag Duncker & Humblot, 8. Dezember 1932. Eine von ihm initiierte englische Übersetzung von Althusius’ Politica erschien 1965. 10 Althusius, Politik, 116. 11 Nach Webers bekannter Theorie war der in der protestantischen Ethik liegende Ansporn zu Arbeit, Handel und Anhäufung von Reichtum die Haupttriebkraft bei der Entwicklung des Kapitalismus. Vgl. ders., Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904/05 bzw. 1920). 12 Friedrich, Preface, LXXIX. 13 Althusius, Politik, 112. 14 Friedrich, Preface, LXXXII–LXXXIII. 15 Ebd., LXXIV f. 16 Das erste Zitat stammt aus ebd., LXXIV, das zweite aus HUA, HUGFP 17.6, Box 8, Folder the German Constitution of 1919, Lecture on the German Constitution 1919, 1926 (Manuskript). Dieses Narrativ findet sich auch in Friedrich, Deutsche Gedanken beim Aufbau des amerikanischen Staates. 17 Friedrich, Preface, LXXI. 18 Troeltsch, Demokratie, 218. Solche Ängste waren natürlich nicht nur in Deutschland, sondern bei vielen Konservativen in Europa vorhanden. Einen Überblick dazu bietet Berghahn, Transatlantische Kulturkriege, 105–124. 19 Friedrich, Responsible Bureaucracy, 14. 20 Ebd., 28. 21 Die bis heute klassische Studie über den antidemokratischen Geist an den deutschen Universitäten ist Ringer, Die Gelehrten. Zum InSoSta und Weber im Allgemeinen vgl. Blomert, Intellektuelle im Aufbruch; Blomert / Eßlinger / Giovannini (Hgg.), Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Dass sich Studenten am Institut auf Stellen in der staatlichen Verwaltung vorbereiteten, belegt ein Memorandum von Dr. Gieseke an den Senat der Heidelberger Universität vom 17. November 1920: UAH, B-6680/1, IV, 3d, Nr. 22g. Die Unterstützung des badischen Kultusministeriums ist dokumentiert in ebd., Schreiben an den Senat der Universität, 23. Mai 1924. 22 Friedrich, Responsible Bureaucracy, 24. 23 RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 195, Memorandum, JVS [John V. Van Sickle] Visit to Heidelberg, 13. Mai 1931. UAH, B-6680/1, IV, 3d, Nr. 22g, Brief des InSoSta an das Badische Ministerium für Kultus und Unterricht, 9. August 1927; ebd., Brief der Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst an den Senat der HU, 10. Oktober 1927.

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24 Die Angaben beruhen auf: RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 195, Memorandum, JVS [John V. Van Sickle] Visit to Heidelberg, 13. Mai 1931. Auf die Rockefeller Foundation, ihre Geschichte und besonders ihre Tätigkeit in Deutschland geht das dritte Kapitel näher ein. Zu anderen Bemühungen deutscher Gelehrter, amerikanische Geldgeber für ihre Bildungsprogramme zu gewinnen vgl. Richardson / Reulecke / Trommler (Hgg.), Weimars transatlantischer Mäzen. 25 Die Angaben über die angloamerikanischen Studien stützen sich auf: UAH, B-6680/1, IV, 3d, Nr. 22g, Report, Entwurf zur Stiftungsurkunde des Anglo-Amerikanischen Institutes an der Universität Heidelberg, undatiert [wahrscheinlich Winter 1924]. Das Zitat stammt aus RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 195, Memorandum, JVS [John V. Van Sickle] Visit to Heidelberg, 13. Mai 1931. 26 RAC, RFA, RG 1.1, Series 717, Box 7, Folder 36, Report on the Rockefeller Foundation’s Investment in Social Sciences in Germany, 9. August 1932; ebd., Folder 37, Annual Report, RF Appropriations in Germany, 27. Juni 1933; ebd., Folder 36, John V. Van Sickle, Report on the Rockefeller Foundation’s Activities in Germany, 22. Juni 1933. 27 Zit. nach UAH, B-8245/1, IX, 7, Nr. 34, Carl  J.  Friedrich, Report, Der akademische Austauschdienst 1924–1926, 1926. Die übrigen Informationen stützen sich auf UAH, B-0680/1, VII, 1, Nr. 83, Studie für Ausländer auf französischen Schulen, September 1920. 28 Zu Heidelberg: UAH, FII-B-0682/1, Nr. 64, Heft 6, Schreiben des Senats der HU an das Ministerium für Kultus und Unterricht in Baden, 23. Juni 1922; Demm, Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik, 124–128. Zu Duggans Besuch: RAC, RFA, Series 1, Accession 26, Subseries 207, Box 9, Folder 134, Report, Stephen Duggan to Administrative Board of the IIE, 10. Oktober 1925. Die amerikanischen Akademiker, die an dem Programm teilnahmen, werden erwähnt in: UAH, HUGFP 17.6, Box 39, Folder Salin, Brief von Friedrich an Edgar Salin, 23. Januar 1924. 29 UAH, B-8245/1, IX, 7, Nr. 34, Arnold Bergstraesser / Carl J. Friedrich, Application Guidelines for the DAAD Program in the United States, 29. Oktober 1925; UAH, F-II-6680/1, IX, 3 Nr. 96, Brief von Alfred Weber an den Rektor der HU, 10. September 1925; UAH, B-0680/1, VII, 1, Nr. 83, Bericht, Der Akademische Austauschdienst, Oktober 1930; UAH, B-0683/2, I, 17, Nr. 80, Brief von Captain AEW Thomas an Alfred Weber, 24. April 1931. Trotz der Bedeutung des DAAD liegt bis heute keine umfassende Untersuchung seiner Geschichte vor. Die einzige – fragmentarische und von DAAD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern verfasste  – Darstellung ist Schultz, Die Entstehung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und seine Entwicklung bis 1945. 30 UAH, B-0680/1, VII, 1, Nr. 83, Schreiben des deutschen Botschafters in Peking an Dr. Linde, Generalsekretär des Verbands für den Fernen Osten in Berlin, 19. Oktober 1922; ebd., Deutsches Konsulat in Kobe an den Senat der HU, 11. April 1923; ebd., Deutsches Konsulat in Buenos Aires an das Auswärtige Amt, Berlin, 11. Mai 1923. 31 UAH, B-0683/1, I, 17, Nr. 76, W. Kolle an das Ministerium für Kultus und Unterricht Baden, Karlsruhe, 26. Juni 1922; ebd., Karlsruhe an das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten in Berlin, 26. Juni 1922; ebd., Deutsches Konsulat in Kobe, Japan, an den Senat der HU, 29. Dezember 1922. Zu den Vorträgen von InSoSta-Mitgliedern vgl. RAC, RFA, Series 1, Accession 26, Subseries 207, Box 9, Folder 134, Report, Stephen Duggan to the Rockefeller Foundation Board, 10. Oktober 1925. 32 UAH, B-0680/1, VII, 1, Nr. 83, [o. A.], Memorandum, 14. Juni 1921; ebd., Bericht, 28. Oktober 1929; ebd., Josy Schäfer, Bericht, 10. Oktober 1929. Vgl. auch UAH, B-0680/2, VII, 1, Nr. 80, Bericht, Der Akademische Austauschdienst 1924–1930, [o. D.] [Sommer 1930?]; UAH, B-8245/1, IX, 7, Nr. 34, Liste der an DAAD-Programmen teilnehmenden Studierenden, 1931–1932, undatiert [Sommer 1932?]. 33 Gailus, Protestantismus und Nationalsozialismus.

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34 Weber, Nochmals neue Universität, 630. Allgemein zu Nazismus und Universitäten: Scholtyseck / Studt (Hgg.), Universitäten und Studenten im Dritten Reich. Zur Nazifizierung des InSoSta vgl. Brintzinger, Die nationalsozialistische Gleichschaltung des InSoSta und die Staats-und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Kurioserweise verfolgten die Nazi-Behörden 1940 den Plan einer Wiederbelebung des DAAD-Modells, um einen deutsch-sowjetischen Kulturaustausch ins Leben zu rufen; mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurde dieses Vorhaben aber schon bald wieder aufgegeben. Vgl. UAH, FII-B-0682/1, Nr. 64, Heft 6, Memorandum, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an den Senat der HU, 21. Oktober 1940. 35 Zit. nach Keller / Keller, Making Harvard Modern, 131. Die folgende Darstellung stützt sich stark auf Suri, Henry Kissinger and the American Century, 92–137. 36 Suri, Henry Kissinger and the American Century, 100 f. Zu den Spannungen zwischen amerikanischen Universitäten und der New-Deal-Administration vgl. Lowen, Creating the Cold War University, 31–33. 37 Friedrich, Responsible Government Service under the American Constitution, 111. 38 Ebd., 68 und 74. Ausführlicher befasste Friedrich sich mit der Rolle der Verwaltung in der Demokratie in ders., Der Verfassungsstaat der Neuzeit, 40–64. 39 RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 345, Folder 4106, Stacy May an James Conant und Carl J. Friedrich, 18. April 1935. 40 Wingo, Training for Public Administration, 84. 41 Zur neuen Rolle von Akademikern in der Roosevelt-Administration vgl. Rosen, Roosevelt, the Brain Trust, and the Origins of the New Deal. Die Angaben über die Kommission basieren auf Materialien in: HUA, HUGFP 17.6, Box 9, Folder Committee on Adminis­ trative Ability. 42 Friedrichs Vorschlag für das Institut findet sich in: RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 345, Folder 4106, Schreiben an Edmund Day, 13. April 1934. Die Rockefeller Foundation gab ihre Unterstützung in einer Presseerklärung bekannt: RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 345, Folder 4106, 29. Oktober 1934. 43 Littauer zit. nach Keller / Keller, Making Harvard Modern, 132. Das Zitat von Conant stammt aus seinem Papier für Stacy May: RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 344, Folder 4097, Memorandum on the Projected Conferences in Connection with the Organization of the Graduate School of Public Administration and Harvard University, 1. Dezember 1936. Zur zögerlichen Haltung Harvards vgl. HUA, HUGFP 17.10, Box 9, Folder School of Public Administration, Protokoll, 7. Dezember 1936. Zur Unterstützung durch die Rockefeller Foundation: RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 344, Folder 4097, Memorandum re[garding] Harvard Project, Stacy May to the Rockefeller Foundation Board, 31. Dezember 1936. 44 RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 344, Folder 4097, Outline of Topics and Speakers at the Seminar on Fiscal Policy, 17. November 1937; ebd., Box 345, Folder 4107, Larris Lambie an Stacy May, 8. Januar 1938; HUA, HUGFP 17.10, Box 9, Folder School of Public Administration, Tentative Suggestions for Agenda of General Session, 1. März bis 27. Januar 1937. 45 RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 345, Folder 4104, Friedrich, Report on Harvard Grad­ uate School of Public Administration, November 1938. 46 Das Zitat stammt aus HUA, HUGFP 17.10, Box 4, Folder Graduate School of Public Administration, Memorandum, Research in Public Administration, undatiert [Herbst 1939?]; RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 344, Folder 4097, Grant Approval, 20. Mai 1938. Die Angaben basieren auf ebd., Box 345, Folder 4104, Friedrich, Report on Graduate School of Public Administration, 22. März 1938; ebd., Box 346, Folder 4113, Report, Carl Friedrich to the Rockefeller Foundation Board, 17. Oktober 1939; ebd., Box 345, Folder

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4107, Report, Carl Friedrich to the Rockefeller Foundation Board, 14. November 1938; ebd., Box 344, Folder 4100, Press Release, David Puttinger of the Harvard University Press, 22. Januar 1940. 47 In den 1930er Jahren gründete Friedrich zusammen mit Vertretern der Rockefeller Foundation das American Committee for the Guidance of Professional Personnel, das Hunderten vom »Dritten Reich« verfolgten deutschen Wissenschaftlern bei der Emigration half. Die Stiftung stellte für das Komitee mehr als 350 000 Dollar bereit. Vgl. New York Public Library (nachfolgend NYPL), Special Collections and Manuscripts, Emergency Committee in Aid of Displaced Scholars (nachfolgend MssCol 922), Box 178, Folder 9, Murrow an Stephen Duggan, 2. Mai 1934; ebd., Murrow an Carl J. Friedrich, 2. Juli 1934. Zu den Emigranten in Harvard vgl. RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 345, Folder 4104, John H. Williams, Annual Report of the Harvard Graduate School of Public Adminis­ tration, August 1941. Über Brüning äußert sich Friedrich in einem Tagebucheintrag vom 1. Januar 1939: HUA, HUGFP 17.2, Box 1, Folder 1938–1949. 48 Suri, Henry Kissinger and the American Century, 102. Vgl. außerdem Winks, Cloak and Gown; Bernstein, American Economics and the National Security State, 1941–1953; Herman, Project Camelot and the Career of Cold War Psychology. 49 HUA, HUE 67.143.75.5, Folder 1, List of Courses, Appendix  II, undatiert [Frühjahr 1942?]. 50 HUA, HUE 67 143.75 A, Carl J. Friedrich, Annual Report, 1. Feb. 1943 – 1. Feb. 1944, undatiert [Februar 1944?]; HUA, UAV 664.255, Box »Military Government Problems 1943–1945«, Folder »Solutions to Military Government Problems Central Europe«, Military Government: Organization of Civil Affairs Staff, undatiert [Herbst 1943?]; ebd., Box »Military Government Problems 1943–1945«, Folder »Solutions to Military Government Problems Central Europe«, Military Government: Civil Affairs Training Program, 8. Dezember 1943; ebd., Box »Military Government Problems 1943–1945«, Folder »Military Government Regierungsbezirke«, Civil Affairs Training Program Assignments. 51 HUA, HUGFP 17.26, Box 1, Folder SOA Curriculum, Classes Curriculum; ebd., Folder OA, OA-Examination and Problems, 1944–1945; HUA, 67.143.75.5, Appendices to Annual Report, Folder 4, Synopses of Courses, undatiert. 52 HUA 67 545 A, William Fenton, Reports on Area Studies in American Universities, April 1945. 53 Vgl. etwa Engerman, Rethinking Cold War Universities; Rohde, Armed with Expertise; Lewontin, The Cold War and the Transformation of the Academy; Bernstein / Hunters (Hgg.), The Cold War and Expert Knowledge; Suri, Henry Kissinger and the American Century, 92–137. 54 Das Zitat stammt aus Conant, My Several Lives, 368. Wie Suri erwähnt, veranlasste dieses Programm auch viele andere amerikanische Universitäten im Kalten Krieg zu Lehrplanänderungen: ders, Henry Kissinger and the American Century, 103–105. Wie wichtig das Ethos patrizischen Dienens unter den damaligen nicht gewählten, aber verantwortlichen Eliten im amerikanischen diplomatischen Dienst war und wie Geschlechternormen einer stoischen Maskulinität zu seiner Herausbildung beitrugen, erörtert Dean, Imperial Brotherhood. 55 Engerman, Rethinking Cold War Universities; Szanton, The Origin, Nature and Challenges of Area Studies in the United States. 56 Friedrich bekannte sich bereits vor dem Krieg zu einem dezidierten Antikommunismus. Vgl. etwa ders., The Deification of the State. 57 Friedrich, Anti-Semitism, 12 f. Zur Entstehung der wichtigen Trope des »Judäo-Christentums« im Amerika des Zweiten Weltkrieges und ihrer Popularität nach dem Krieg vgl. Gaston, The Genesis of America’s Judeo-Christian Movement.

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58 HUA, HUGFP 17.6, Box 9, Folder International and Regional Studies, Draft Program for International and Regional Studies, Oktober 1946. 59 Ebd., Folder International and Regional Studies 1949–1950, Minutes of the Meeting of the Standing Faculty Committee on International and Regional Studies, 9. Dezember 1946. 60 Kluckhohn, Russian Research at Harvard, 266. Die übrigen Angaben beruhen auf: HUA, HUGFP 17.6, Box 9, Folder International and Regional Studies 1949–1950, Minutes of the Meeting of the Standing Faculty Committee on International and Regional Studies, 25. Oktober 1948; ebd., Folder International and Regional Studies 1949–1950, Minutes of the Meeting of the Standing Faculty Committee on International and Regional Studies, 17. November 1950. Zum Zentrum für Russlandforschung vgl. Engerman, Know Your Enemy, 43–70. 61 HUA, HUGFP 17.6, Box 14, Folder Foreign Service Officers, List of Vice Consuls Study­ ing with Professor Friedrich 1950/1951, undatiert [Ende 1951?]; ebd., Norman Burns (Direction of Foreign Service Institute, Department of State) an Carl J. Friedrich, 30. Mai 1952. 62 Ford, Human Relations Area Files, 1949–1969. 63 Friedrich (Hg.), The Soviet Zone of Germany, 9. Die umfangreiche Korrespondenz über Harvards Beteiligung am HRAF-Projekt unter Friedrich befindet sich in HUA, HUGFP 17.16, Box 8. 64 Diamond, Compromised Campus; Schrecker, No Ivory Tower. 65 Zu Brzezinskis Denken und seiner Zusammenarbeit mit Friedrich vgl. Engerman, Know Your Enemy, bes. 207–210. Die Literatur über Kissinger ist sehr umfangreich. Die beste Darstellung über ihn und die Cold War University ist Suri, Henry Kissinger and the American Century. Kissinger war einer der engsten Schüler Friedrichs. Während seiner gesamten akademischen und politischen Karriere blieben die beiden in Kontakt. Ihre Korrespondenz über die Arbeit an der DDR-Studie findet sich in HUA, HUGFP 17.12, Box 9, Folder Common Man. 66 Vgl. die in der Einleitung genannte Literatur sowie Puaca, Learning Democracy. Zur Verflechtung der westdeutschen Universitäten mit der westlich-antisowjetischen Allianz: Rausch (Hg.), Transatlantischer Kulturtransfer im »Kalten Krieg«; Puckhaber, German Student Exchange Programs in the United States, 1946–1952. 67 Zu Friedrichs Mitarbeit an Länderverfassungen: National Archives II, College Park, Md. (nachfolgend NARA), Records of the U. S. Military Occupation of Germany (nachfolgend RG 260), OMGUS, Box 93, Folder »DR CJ Friedrich Adviser to Gen Clay«, Memorandum, Carl J. Friedrich to the Chief of Staff, 4. März 1947; ebd., Memorandum on State Constitutions, Carl Friedrich to Deputy Military Governor, 28. Januar 1947. Zu seiner Mitarbeit am Entwurf des Grundgesetzes: ebd., Box 136, Folder II 44–3, Memorandum, Carl J. Friedrich to General Clay, 3. September 1948. Seine persönlichen Erinnerungen daran beschreibt Friedrich in ders., Rebuilding the German Constitution, 461–482 und 704–720. Vgl. auch Spevak, Allied Control and German Freedom, 275–280. 68 Erstmals systematisch entfaltet werden diese Gedanken in Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit. 69 NARA, RG 260, OMGUS, Box 93, Folder »DR CJ Friedrich Adviser to Gen Clay«, Memorandum, Carl Friedrich to Henry Parkman, The Significance of the Constitutional Draft Prepared by the SED in 1946, 18. März 1947. 70 Das Zitat stammt aus HUA, HUGFP 17.39.5, Box 1, Folder Correspondence (out), Brief von Friedrich an Henry Parkman, 1. April 1947. Zur Gründung der FU und Friedrichs Rolle dabei vgl. Lönnendonker, Freie Universität Berlin. Friedrich nahm auch 1949 an der Konferenz teil, die Politikwissenschaft als Studienfach an deutschen Universitäten einführte. Näher zu seinem Beitrag dazu: Hessisches Ministerium für Erziehung und

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Volksbildung (Hg.), Die politischen Wissenschaften an den deutschen Universitäten und Hochschulen. RAC, RFA, RG 1.1, Series 717, Box 7, Folder 41, Carl Schorske Trip Diary, Juni 1950. Weber / Mitscherlich, Freier Sozialismus, 6. Zu Webers Prominenz in Heidelberg nach dem Krieg vgl. Forner, The Promise of Publicness; Freytag-Loringhoven, Erziehung im Kollegienhaus, 265–326. RAC, RFA, RG 1.1, Series 717, Box 4, Folder 20, Robert Havinghurst, Interview Notes, 9. Oktober 1947; RAC, RFA, RG 1.1, Series 717, Box 4, Folder 20, Robert Havinghurst, Interview Notes, 10. Oktober 1947; ebd., Box 21, Folder 197, Memorandum, Friedrich to the Rockefeller Foundation Board, 16. November 1951. Zu Rüstows Arbeiten nach dem Krieg: Hegner, Alexander Rüstow. Zu Bergstraesser vgl. Schmitt, Politikwissenschaft und freiheitliche Demokratie. Das Zitat stammt aus einem Brief von Rüstow an Kenneth Thompson vom 16. Juli 1956: RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 199. Friedrichs wichtigste Publikationen zur Demokratietheorie sind: Demokratie als Herrschafts- und Lebensform; Föderalismus und Bundesverfassungsrecht; Die Philosophie des Rechts in historischer Perspektive; Die Staatsraison im Verfassungsstaat. Zu Friedrichs Rückkehr nach Heidelberg: UAH, FII-B-0682/1, Nr. 64, Heft 6, Schreiben des Rektors der HU an die Universitätskasse, 9. Juni 1950; RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 199, Interview Notes, Kenneth Thompson with Carl J. Friedrich, 17. März 1958; ebd., Report Carl J. Friedrich to the Rockefeller Foundation Board, 16. Oktober 1959. RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 197, Report, Götz Roth to Joseph Willits, 24. Januar 1953. Zu Sternbergers Bedeutung für die Entwicklung des Konzepts des Verfassungspatriotismus vgl. Müller, Verfassungspatriotismus, 26–36. Das Zitat stammt aus RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 199, Brief von Kenneth Thompson an Carl J. Friedrich, 24. Februar 1956. Vgl. ferner ebd., Folder 198, Report, 1. September 1953; ebd., Folder 199, Report, Dolf Sternberger to Kenneth Thompson, 13. Dezember 1957. UAH, B-0680/2, VII, 1, Nr. 80, Memorandum, Rektor der HU an das Ministerium für Kultus und Erziehung in Baden, 7. Februar 1950; ebd., Memorandum zur Förderung des internationalen Studentenaustauschs, Rektor der HU an das Ministerium für Kultus und Erziehung in Baden, 10. April 1953; UAH, FII-B-0682/1, Nr. 64, Heft 6, Rektor der HU an das Ministerium für Kultus und Erziehung in Baden, 22. Juni 1951; ebd., Bericht von Eberhard Drees für den Senat der HU, 5. Januar 1962; ebd., Rektor der HU an die Universitätskasse, 4. Juni 1956; ebd., Liste von Gastvorlesungen, 14. Mai 1952; ebd., Rektor der HU an die Universitätskasse, 4. Juni 1956. Beyme (Hg.), Theory and Politics – Theorie und Politik, V–VIII (Vorwort). Die Informationen über das deutsche Bildungswesen verdanke ich Noah Strote und seiner Arbeit über Bergstraesser. Näheres über Friedrichs Rolle in diesem Prozess findet sich in RAC, RFA, RG 1.1, Series 717S, Box 21, Folder 199, Report Carl J. Friedrich to the Rockefeller Foundation Board, 16. Oktober 1959. Zur Einführung des Faches Politik an den Gymnasien vgl. Zilien, Politische Bildung in Hessen von 1945 bis 1965. Das Zitat von Kennan stammt aus seinem berühmten »Langen Telegramm«: The Charge in the Soviet Union (Kennan) to the Secretary of State, 22. Februar 1946, (10.  Februar 2021). Zum Konsens über den Kalten Krieg vgl. etwa Wall, Inventing the »American Way«; Fordham, Building the Cold War Consensus.

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Kapitel 2 Sozialistische Reformen, Rechtsstaat und das Werben um die Arbeiterschaft: Ernst Fraenkel und das Konzept der »kollektiven Demokratie« 1 Eine ausführliche Schilderung des Godesberger Parteitags bietet Klotzbach, Der Weg zur Staatspartei, 433–453. 2 Das Wahlkalkül akzentuieren beispielsweise Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung; Walter, Die SPD; Parness, The SPD and the Challenge of Mass Politics. Den Generationenaspekt betonen Fichter, Die SPD und die Nation; Lösche / Walter, Die SPD. Zum US-amerikanischen Einfluss vgl. Angster, Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. 3 Einen eindrucksvollen Überblick über die Novemberrevolution bieten Ryder, The German Revolution of 1918, und Broué, Die deutsche Revolution (1918–1923). 4 Weitz, Creating German Communism, 1890–1990; Crew, A Social Republic?, 223–249. 5 Weitz, Creating German Communism, 1890–1990, 100 f. 6 Kautsky, Die proletarische Revolution und ihr Programm; Naphtali, Wirtschaftsdemokratie. Näher zu diesen Debatten: Buchner, Um nationale und republikanische Identität; Ritter, Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Ideen in Deutschland. Zur SPD in einem transnationalen, europäischen Kontext vgl. Berman, The Primacy of Politics. 7 Die biografischen Angaben basieren auf Ladwig-Winters, Ernst Fraenkel. 8 Zur Akademie und ihrer Gründung vgl. Antrick, Die Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt a. M. Zur Weimarer Arbeiterbildung allgemein: Wentzel (Hg.), Die Bildungsarbeit des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes 1891–1933. Ein Beispiel für den Einfluss der Akademie im Ausland bietet Anderson / Lindeman, Education through Experience. Die Angaben über Fraenkels Beteiligung an der Akademie stammen aus Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin (nachfolgend UFU), Nachlass Ernst Fraenkel (nachfolgend NL Fraenkel), Box 2, Folder 32, Programm der Arbeiterbildungsschule für November / Dezember 1932. 9 Zu Ursprung und Entwicklung des Begriffs in Preußen und später Deutschland vom 18. bis zum 20. Jahrhundert vgl. Stolleis, Das Auge des Gesetzes; Gozzi, »Rechtsstaat« and Individual Rights in German Constitutional History. 10 Weber formulierte seine Kritik am deutlichsten in ders., Der Sozialismus (1918). An anderen Stellen äußerte er sich positiver über den Sozialismus. Vgl. McCormick, Weber, Habermas, and Transformations of the European State, 70–125. Ferdinand Lassalle, Gründervater der ersten sozialdemokratischen Partei in Deutschland, unternahm bereits im 19. Jahrhundert einen Versuch zur Versöhnung von Sozialismus und Rechtsstaat, doch sein Buch hatte nur marginalen Einfluss und weckte auch unter Theoretikern kein allgemeines Interesse. Vgl. ders., Das System der erworbenen Rechte. 11 Heller, Rechtsstaat oder Diktatur? 12 Vgl. zu dieser Denkschule Blau, Sozialdemokratische Staatslehre in der Weimarer Republik. Zu Sinzheimer: Kettler, Domestic Regimes, the Rule of Law, and Democratic Social Change. Zu Heller: Dyzenhaus, Legality and Legitimacy, 161–217. 13 Fraenkel, Die Stellung des jungen Proletariers zum Recht (1925). Vgl. auch ders., Die politische Bedeutung des Arbeitsrechts (1932). 14 Ders., Zur Soziologie der Klassenjustiz (1927), 202. 15 Verfassung des deutschen Reiches vom 11. August 1919, in: Huber (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 4, 151–179.

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16 Fraenkel, Zehn Jahre Betriebsrätegesetz (1929); ders., Die politische Bedeutung des Arbeitsrechts (1932). 17 Gegen Ende der Weimarer Republik hatte Fraenkel in Berlin an einem Seminar von Schmitt teilgenommen. Vgl. NYPL, MssCol 922, Box 58, Folder 28, Fraenkel an Laurens Seeleye, 26. August 1941. In den 1920er und frühen 1930er Jahren hatte er Schmitt seine Veröffentlichungen geschickt und mit herzlichen Zueignungen versehen. Vgl. z. B. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Nachlass Carl Schmitt, RW 265–25054, Ernst Fraenkel, Die Krise des Rechtsstaats und die Justiz (1931). Mit der Beziehung zwischen beiden befasst sich Wildt, Ernst Fraenkel und Carl Schmitt. 18 Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (1923), 62. 19 Fraenkel, Die Gewerkschaften und das Arbeitsgerichtsgesetz (1927), 259 (Hervorhebung des Verfassers). Vgl. auch ders., Staat und Gewerkschaften (1928); ders., Kollektive Demokratie (1929); ders., 1919–1929 (1929); ders., Um die Verfassung (1932). 20 Ders., Kollektive Demokratie (1929); ders., Um die Verfassung (1932). 21 Ders., Kollektive Demokratie (1929), 352. 22 Ders., Abschied von Weimar (1932). Wie Strote anmerkt, erkannte Fraenkel wichtige Verbündete für die Herstellung einer solchen Ordnung in christlichen Denkern: Strote, Emigration and the Foundation of West Germany, 1933–1963, 12–52. 23 So die schroffe Attacke auf den Sowjetkommunismus in Fraenkel, Zur Soziologie der Klassenjustiz (1927), 191. 24 Vgl. zu dieser Entwicklung Harsch, German Social Democracy and the Rise of Nazism, bes. 51–85. 25 Vgl. Hitlers Aufruf der Reichsregierung vom 31. Januar 1933, publiziert in: Jacobsen / ​ Jochmann (Hgg.), Ausgewählte Dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus 1933–1945, Bd. 2 (Dokument 31. Januar 1933). 26 Goebbels, Tagebücher 1924–1945, Bd. 2, 815. Allgemein zur Verfolgung der Arbeiterparteien in Deutschland: Weitz, Creating German Communism, 1890–1990, 280–310. 27 Näher zu Fraenkels Flucht und Einwanderung in die Vereinigten Staaten: Ladwig-­ Winters, Ernst Fraenkel, 127–134. 28 Vgl. Strote, Emigration and the Foundation of West Germany, 1933–1963; Scheuerman, Social Democracy and the Rule of Law. 29 Fraenkel, Der Doppelstaat (1940/41), 183 und 181. 30 London School of Economics Archives (nachfolgend LSEA), Otto Kahn-Freund Collection (nachfolgend OKFC), Unmarked Box, Fraenkel an Kahn-Freund, 1. Oktober 1947. 31 Bundesarchiv Koblenz (nachfolgend BArch), N 1274 (Nachlass Ernst Fraenkel), Ordner 1, Fraenkel an Otto Suhr, 23. März 1946. Systematisch und ausführlich legte Fraenkel seine Ansichten über den New Deal zwar erst nach der Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1951 dar, seine Publikationen und Manuskripte aus der Zeit des Krieges zeigen jedoch, dass sich sein Urteil über die Vereinigten Staaten bereits ab den frühen 1940er Jahren allmählich änderte. 32 Fraenkel, Das richterliche Prüfungsrecht in den Vereinigten Staaten von Amerika (1953), 124. 33 BArch, N 1274/1, Fraenkel an Otto Suhr, 8. Februar 1952. 34 Die renommierteste Studie über deutsche Emigranten beim OSS ist weiterhin Söllner (Hg.), Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland, Bd. 2. Eine Auswahl der von Mitgliedern der Frankfurter Schule verfassten Berichte findet sich in Neumann / Marcuse / K irchheimer, Secret Reports on Nazi Germany. 35 Fraenkel, A Casebook on German Government and Administration (1943–1945); UFU, NL Fraenkel, Box 707, Folder Foreign Economic Administration II Extra, Memorandum,

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Fraenkel to David  M.  Leviten, 26. April 1944; ebd., Memorandum, Ernst Fraenkel to A. R. Rosenberg, 13. September 1944. 36 Wachenheim u. a., Germany in the Transition Period, 11. 37 Fraenkel, Der Neuaufbau des Rechtsstaats im nach-Hitlerischen Deutschland (1943), 80. Die detaillierteste Studie, die Fraenkel in dieser Zeit verfasste und die als Leitfaden für den Neuaufbau eines Rechtsstaats in Nachkriegsdeutschland dienen sollte, war ders., Military Occupation and the Rule of Law (1944). 38 Ders., Die künftige Organisation der deutschen Arbeiterbewegung (1943/44), 99 und 101. 39 LSEA, OKFC, Unmarked Box, Fraenkel an Kahn-Freund, 25. Dezember 1942. 40 Fraenkel, Die künftige Organisation der deutschen Arbeiterbewegung (1943/44), 100. 41 LSEA, OKFC, Unmarked Box, Fraenkel an Kahn-Freund, 25. Mai 1946 (Hervorhebung im Original). 42 Zu den letzten Stadien des Krieges in Ostasien und dem Ende der japanischen Kriegsanstrengungen vgl. Frank, Downfall; Hasegawa, Racing the Enemy; Spector, In the Ruins of Empire. 43 Vgl. Ekbladh, The Great American Mission, 125. Zur zentralen Bedeutung Japans für die amerikanische Sicherheitspolitik im Pazifik vgl. Gaddis, Strategies of Containment, 75–86. 44 Zit. nach Edelstein, Occupational Hazards, 64. Zu den Anfängen der Besatzung vgl. Brazinsky, Nation Building in South Korea; Cumings, The Origins of the Korean War, Bd. 2; Matray, The Reluctant Crusade. 45 Zit. nach Ekbladh, The Great American Mission, 131. Vgl. auch Packenham, Liberal America and the Third World. Ekbladh behauptet, die US-Besatzungsbehörden seien beim Wiederaufbau Koreas grundsätzlich anders vorgegangen als in Deutschland und Japan, da sie das Land als vormodern und sogar primitiv betrachtet hätten. Viele Maßnahmen in den drei Ländern waren jedoch bemerkenswert ähnlich. 46 Leo Baeck Institute, New York, Marta Fraenkel Papers (nachfolgend LBINY, AR 4348), Box 1, Folder 4, Fraenkel an Marta Fraenkel, 22. Januar 1946. 47 LSEA, OKFC, Unmarked Box, Fraenkel an Kahn-Freund, 1. März 1946. 48 LBINY, AR 4348, Box 1, Folder 4, Fraenkel an Marta Fraenkel, 22. Januar 1946. Zu den diplomatischen Bemühungen und Übereinkünften zu Korea vor Beginn der amerikanischen und sowjetischen Besatzung vgl. Cumings, Origins of the Korean War, Bd. 1, 101–131. Zur gemeinsamen Kommission ebd., 238–266. 49 Das Zitat stammt aus Fraenkel, Report on Sub-Commission #3 (20. April 1946). Über Fraenkels Rolle in den Verhandlungen: Oppler, Legal Reform in Occupied Japan, 70. Da Fraenkels Akten im Koreakrieg zerstört wurden, lassen sich diese Behauptungen nicht überprüfen. 50 Vgl. Fraenkels Stellungnahmen: NARA, Records of the U. S. Military Occupation of Korea (nachfolgend RG 554), UN Temporary Mission on Korea, United States Army Forces in Korea (nachfolgend USAFIK), Entry A1 1399, Box 296, Memorandum, Fraenkel an John Weckerling, 27. Februar 1948. 51 NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1399, Box 295, Folder »Chronological Lists of Papers 1«, Memorandum, Fraenkel an Brigadier General John Weckerling, 22. Januar 1948; ebd., Memorandum, Brigadier General John Weckerling an General Hodge, 9. Februar 1948; NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1399, Box 296, Folder »Correspondence and Memoranda 1948«, Memorandum, Charles Pergler an General Weckerling, 25. März 1948; ebd., [o. A.], Memorandum, Chronological Listing of Events, 1. Mai 1948; NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1399, Box 295, Folder »Chronological Lists of Papers 1«, [o. A.], Memorandum, List of Events, 25. März 1948.

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52 NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1399, Box 295, Folder »Chronological Lists of Papers 3«, Memorandum, Fraenkel an General Weckerling, 18. Februar 1948. 53 Die Zitate stammen aus Ernst Fraenkel, Opinion #306 (6.  Mai 1946); ders., Opinion #359 (20. Juni 1946). Zu Fraenkels Einwänden gegen eine staatliche Beaufsichtigung von Gewerkschaften vgl. ders., Opinion #128 (27. März 1946), 26–28. Die Sammlung enthält viele ähnliche Stellungnahmen. 54 Vgl. das Vorwort von Charles Pergler in U. S. Department of Justice (Hg.), Selected Legal Opinions of the Department of Justice Opinion, United States Army Military Government in Korea. 55 Zur Reform des Bildungswesens: McGinn u. a. (Hgg.), Education and Development in Korea. Zur Landreform: Brazinsky, Nation Building in South Korea, 18–23; Elkbadh, The Great American Mission, 129–131. Fraenkels Arbeit wird erwähnt in NARA, RG 469, MLR 271C, Records Relating to Korea, Box 2, Folder Draft Program for Economic Aid to the Republic of Korea, Memorandum, Eric H. Biddle to Paul G. Hoffman, Staffing for ECA Mission to Korea, 20. November 1948. 56 NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1399, Box 297A, Folder »Reports and Memoranda (UN Temporary Commission) 1947–1948«, Memorandum, Principal Secretary to Members of the UN Temporary Commission on Korea, 3. Juni 1948. Vgl. ebd., Entry A1 1400, Box 299, [o. A.], Memorandum, Observation of Election in South Korea, 22. Juli 1948. 57 NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1399, Box 297A, Folder »Reports and Memoranda (UN Temporary Commission) 1948 1«, Memorandum, Fraenkel to Weckerling, 11. Mai 1948. Fraenkels Rolle bei der Verankerung dieser Rechte in der südkoreanischen Verfassung wird ferner erwähnt in NARA, RG 554, USAFIK, Entry A1 1403, Box 306, Folder »Korean Election (Constitution of Republic of Korea) 1948 4«, Memorandum, Fraenkel to Headquarters of the XXIV Corps in Seoul, 30. Juni 1948; ebd., Memorandum, Fraenkel to Headquarters of the XXIV Corps in Seoul, 6. Juli 1948. Zur Verfassung vgl. die Dokumentation in Ch’oe / Lee / De Bary (Hgg.), Sources of Korean Tradition, Bd. 2, 382–384. 58 Adwin Wigfall Green, der in Korea für die Besatzungsbehörden und als Richter tätig war, schätzte, dass die Vereinigten Staaten von 1948 bis 1950 rund 300 Millionen Dollar für das Land aufbrachten. Vgl. Green, The Epic of Korea, 119. Zur ECA in Korea vgl. Cumings, Korea’s Place in the Sun, 252–255. 59 NARA, Records of the U. S. Foreign Assistance Agencies 1948–1961 (nachfolgend RG 469), MLR 271C, Records Relating to Korea, Box 1, Folder Budget–Korea, ECA Budget Estimate Assistance to the Republic of Korea, Fiscal Year 1949, 12. Dezember 1948; ebd., ECA Budget Estimate Assistance to the Republic of Korea, Fiscal Year 1950, 30. Januar 1951. Zu Fraenkels Verantwortlichkeiten vgl. NARA, RG 469, MLR 271C, Records Relating to Korea, Box 2, Folder Draft Program for Economic Aid to the Republic of Korea, Memorandum, Eric H. Biddle to Paul G. Hoffman, Staffing for ECA Mission to Korea, 20. November 1948. Einige Angaben stützen sich zudem auf Krueger, The Developmental Role of the Foreign Sector and Aid. 60 Zu Rhees autoritärer Machtkonsolidierung und Fraenkels einflussreichem Bericht, der sowohl in Seoul wie in Washington kursierte, vgl. Cumings, Korea’s Place in the Sun, 185–236, bes. 216 f. Zur amerikanischen Unterstützung von Diktatoren vgl. Schmitz, Thank God They’re on Our Side, 3–8. 61 Schumacher, Grundsatzreferat auf dem Nürnberger Parteitag der SPD: »Deutschland und Europa« (29. Juni 1947), 510. 62 Ausführlicher zur Opposition der SPD: Orlow, Ambivalence and Attraction; Markovits / ​ Gorski, Grün schlägt Rot; Cioc, Pax Atomica. 63 Vgl. etwa Angster, Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie; Orlow, Ambivalence and Attraction.

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64 Fraenkel erwähnte Suhrs Anteil an seiner Rückkehr nach Deutschland in einem Nachruf: ders., Otto Suhr zum Gedächtnis (1957). 65 Zu Fraenkels Status vgl. Buchstein, Ernst Fraenkel als Klassiker. Zu seiner Bedeutung für die Durchsetzung prodemokratischer Bildungsinhalte vgl. ders., Politikwissenschaft und Demokratie; Söllner, Deutsche Politikwissenschaftler in der Emigration. 66 Zu McCloys Fokus auf den kulturellen Austausch vgl. Schwartz, America’s Germany. Die Amerikahäuser beschreibt Schildt, Die USA als »Kulturnation«. Mit der immensen US-Propagandakampagne in den 1950er Jahren befasst sich Osgood, Total Cold War. Zu den speziell auf die deutsche Linke ausgerichteten Programmen vgl. Angster, Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie, bes. 179–270. 67 Fraenkel, Caste Structure, Caste Spirit, Ghetto Parties and the Future of German Democracy (1955). 68 Ebd. 69 Berichte über seine Vorträge in den Amerikahäusern finden sich in: BArch, N 1274, File 1, Fraenkel an U. S. HICOG, Office of Public Affairs, 2. Februar 1955; ebd., George D. Henry (Leiter des Amerikahauses Berlin) an Fraenkel, 13. Februar 1955; BArch, N 1274, File 10, Herwin Schaefer (Chief Exhibition Section, U. S. Office of Public Affairs) an Fraenkel, 14. Dezember 1953; ebd., File 26, Fraenkel an Harry Pross, 11. Mai 1958. 70 BArch, N  1274, File 1, William Dietz an Fraenkel, 6. Mai 1952; ebd., Helen  J.  Imrie (Leiterin des Amerikahauses Hamburg) an Fraenkel, 23. Oktober 1951; ebd., File 14, Bart N. Stephens (Leiter des Amerikahauses Nürnberg) an Fraenkel, 1. Februar 1956. 71 Ebd., File 1, Fraenkel an William Dietz, 13. September 1952. 72 Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien (1960), 75 f. Vgl. auch BArch, N 1274, File 71, Report on Activities, Fraenkel an John Brown Mason (HICOG), 14. September 1951; ebd., File 20, Robert T. Curran an Fraenkel, 16. Oktober 1957; ebd., File 1, Fraenkel an Theodore L. Eliot, 25. Januar 1954. Zur Popularität von Fraenkels Theorie in den 1950er Jahren vgl. Bauerkämper, Demokratie als Verheißung oder Gefahr?. 73 Barch, N  1274, File 1, Edwin  C.  Pancoast an Fraenkel, 30. März 1954; ebd., Theodore  L.  Eliot an Fraenkel, 27. September 1954; ebd., William  E.  Dietz an Fraenkel, 29. September 1954. 74 Ebd., File 20, Hendrik Brugmans an Fraenkel, 19. September 1957. Zur Herstellung dieser Elitenetzwerke vgl. Gijswijt, Beyond NATO. 75 BArch, N 1274, File 3, Melvin J. Lasky an Fraenkel, 2. Februar 1955. Die übrigen Angaben beruhen auf ebd., File 20, D. N. Chester (Nuffield College, Oxford) an Fraenkel, 26. März 1956; ebd., File 37, John Epstein an Fraenkel, 29. August 1960; ebd., File 43, Richard Jaeger an Fraenkel, 15. März 1963; ebd., File 20, Teilnehmerliste der Konferenz europäischer Politikwissenschaftler (25./26. Juni 1956). Die umfangreiche Korrespondenz zwischen Arndt und Fraenkel findet sich in ebd., File 9.  76 Ebd., File 1, Fraenkel an Theodore L. Eliot, 25. Januar 1954; ebd., File 2, Studiengemeinschaft der evangelischen Akademien [o. A.] an Fraenkel, 26. November 1953; ebd., File 17, Walter Freitag an Fraenkel, 20. Juni 1956. Zur Bedeutung solcher Foren für die Förderung einer neuen politischen Zusammenarbeit: Nicholls, Freedom with Responsibility, 380–389. 77 Fraenkel, Startgleichheit und Klassenschichtung (1956), 629. Die zahlreichen von Fraen­ kel organisierten Veranstaltungen werden erwähnt in: BArch, N 1274, File 8, Kurt Mattick an Fraenkel, 26. Februar 1952; ebd., File 1, DGB Kiel an Fraenkel, 3. März 1954; ebd., File 1, Friedrich Sitzler an Fraenkel, 8. Dezember 1954; ebd., File 5, SPD Prenzlauer Berg an Fraenkel, 14. Dezember 1951; ebd., File 1, H. Imig an Fraenkel, 4. Dezember 1954. 78 Ebd., File 17, Michael Weyl an Fraenkel, 19. März 1956; ebd., File 23, Fraenkel an Gottfried Dietz, 16. Februar 1958.

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79 UFU, NL Fraenkel, Box 44, Folder 269, Hubert Wurmbach, Mitteilungsblatt der deutschen Gesellschaft für Amerikastudien, H. 14 (Sommer 1967). Allgemein zur Geschichte der Amerikastudien in Deutschland: Lenz / Milich (Hgg.), American Studies in Germany. 80 Wehner, Plädoyer für eine gemeinsame Politik, 301. Detaillierter zu diesem Prozess äußert sich Thompson, The Political Odyssey of Herbert Wehner. 81 Die einzigen Ausnahmen waren The Dual State (1941), das allerdings damals  – und auch später häufig – fälschlicherweise als Theorie über das »Dritte Reich« und nicht als Abhandlung über Kapitalismus und Recht gelesen wurde, sowie Fraenkels im Zweiten Weltkrieg verfasste Arbeiten über die bevorstehenden Besatzungsregime (vgl. ders., Military Occupation and the Rule of Law [1944]); sie wurden von Militärstrategen rezipiert, gerieten unmittelbar nach dem Krieg aber in Vergessenheit. 82 Zur komplexen Beziehung zwischen amerikanischer Arbeiterbewegung und Regierung im Kalten Krieg vgl. etwa Storrs, The Second Red Scare and the Unmaking of the New Deal Left; Hughes, In the Interest of Democracy; Fousek, To Lead the Free World, bes. 55–62.

Kapitel 3 Konservativer Katholizismus und amerikanische Stiftungen: Waldemar Gurian, die »personalistische Demokratie« und der Antikommunismus 1 Zit. nach Chappel, Catholic Modern. Einen Überblick über die Einstellungen von Katho­ liken zu Demokratie und Autoritarismus bietet Corrin, Catholic Intellectuals and the Challenge of Democracy, bes. 188–219. 2 Zum Spannungsverhältnis zwischen den Konzepten »Abendland« und »Westen« vgl. Conze, Das Europa der Deutschen; Schildt, Zwischen Abendland und Amerika. 3 Zur Rolle von Katholiken beim Wiederaufbau Westdeutschlands und ihrer Politik im Kalten Krieg vgl. die Studie von Mitchell, The Origins of Christian Democracy; Köhler / van Melis (Hgg.), Siegerin in Trümmern. Näher zu Katholiken und dem deutschamerikanischen Bündnis: Granieri, The Ambivalent Alliance. 4 Das Zitat stammt aus Cary, The Path to Christian Democracy, 3. Ähnlich zur Akzeptanz demokratischer Normen durch Katholiken: Anderson, Lehrjahre der Demokratie, bes. 103–189. Zum deutschen Katholizismus während Krieg, Revolution und Gründung der Weimarer Republik vgl. Hürten, Deutsche Katholiken 1918–1945, 13–62. Zu ihrer ambivalenten Einstellung zur Republik: Ruppert, Im Dienst am Staat von Weimar; Elvert, The Centre Party in Germany. 5 Teipel, Wir müssen aus dem Turm heraus! Zu den von der Streitschrift ausgelösten Diskussionen: Cary, The Path to Christian Democracy, 106–109. Einen guten Überblick über die politischen Debatten im Katholizismus bietet Richter, Nationales Denken im Katholizismus der Weimarer Republik. Zu linken Katholiken: Cary, The Path to Christian Democracy, bes. 101–124; zu rechts eingestellten: Patch, Heinrich Brüning and the Dissolution of the Weimar Republic. 6 Die biografischen Angaben beruhen auf Hürten, Waldemar Gurian; Thümmler, Katholischer Publizist und amerikanischer Politikwissenschaftler. 7 Zur Rolle des Rheinlands in der deutsch-katholischen Kultur vgl. Chappel, Catholic Modern; Cary, The Path to Christian Democracy. Zu Köln und seiner Universität: Kölner Universitätsgeschichte, Bd. 2; Schwarz, Adenauer, Bd. 1, 244–246.

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8 Auch wenn ich besonders in der Frage der Demokratie teilweise andere Akzente setze, sind die folgenden Ausführungen erheblich von den Arbeiten James Chappels beeinflusst, bes. von ders., The Catholic Origins of Totalitarianism Theory in Interwar Europe. 9 Mounier, Das personalistische Manifest, 106. 10 Zu den vielfältigen Ursprüngen des Personalismus in Frankreich, die von thomistischen Philosophen über russische Emigranten bis zu jüdischen Anhängern Nietzsches reichten, vgl. Hellman, The Communitarian Third Way; ders., Emmanuel Mounier and the New Catholic Left, 1930–1950. 11 Scheler, Soziologische Neuorientierung und die Aufgaben der deutschen Katholiken nach dem Krieg, 377. 12 Näher zu Scheler: Spade, Scheler’s Ethical Personalism; Henckmann, Max Scheler. Schelers Ruf als »schwarzer Nietzsche« erwähnt Lutz, Demokratie im Zwielicht, 23. Gurian belegte laut seinem Studienbuch mindestens sieben Kurse und Seminare bei Scheler. Vgl. Library of Congress, Washington, D. C. (nachfolgend LoC), Waldemar Gurian Papers (nachfolgend WGP), Box 18, Folder 4, Study Records for Waldemar Gurian, 1920, 1921, 1922. 13 Das Zitat stammt aus Moyn, Personalism, Community and the Origins of Human Rights,  88. Schelers bekanntester prorepublikanischer Essay war ders., Der Mensch im Weltalter des Ausgleichs (1927). Zur Unterstützung von Autoritarismus und Monarchismus durch Personalisten: Chappel, Catholic Modern. 14 Gurian, Die deutsche Jugendbewegung. Zur Rezeption: Thümmler, Katholischer Publizist und amerikanischer Politikwissenschaftler, 27 f. 15 Gurian, Die Kirche und die Action française, 343. Vgl. auch ders., Der säkularisierte Katholizismus. Die meisten Schriften Gurians befassten sich mit dem Fall des französischen Nationalisten Maurras und seiner Bewegung Action française, die 1926 vom Papst als Häresie verurteilt wurde. Einige von vielen Beispielen dafür: ders., Charles Maurras; ders., Die Abendlandideologie als Maske des französischen Nationalismus; ders., Welt und Kirche. 16 Gurian hatte bereits vorher Aufsätze über die Sowjetunion publiziert und galt bei katholischen Verlagen als ausgewiesener Kenner des Themas. Vgl. z. B. ders., Die russische Revolution als Ausdruck des russischen Wesens (1924/25); ders., Die sozialistische Aufbaupolitik Sowjetrußlands (1926/27). Die Angaben zur Rezeption des Buches beruhen auf LoC, WGP, Box 11, Folder 3, Review Clipping. 17 Zur antibolschewistischen Kampagne des Vatikans vgl. Chamedes, The Vatican, NaziFascism, and the Making of Transnational Anti-Communism in the 1930s. 18 Gurian, Der Bolschewismus, 180 und 202. 19 Ebd., 180 und 195. 20 Kaas zit. nach Mommsen, Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar 1918–1933, 321. Zur katholischen Rechtswende: Krieg, Catholic Theologians in Nazi Germany, bes. 40 f. Zu Hildebrand: Hildebrand, Die Seele eines Löwen, bes. 197–258; Chappel, Catho­ lic Modern. Zu Mounier: Hellman, Emmanuel Mounier and the New Catholic Left, 1930–1950. 21 Wie ihre sehr persönliche und intensive Korrespondenz zeigt, standen sich Gurian und Schmitt von 1924 bis 1926 nahe. Vgl. LoC, WGP, Box 7, Folder 13. Im Vorwort zu seinem Buch dankt Gurian Schmitt für »[z]ahlreiche Gespräche« in diesen Jahren. Ders., Die politischen und sozialen Ideen des französischen Katholizismus 1789–1914, VII. 22 Schmitt, Die Wendung zum totalen Staat. Zu Schmitts Denken im Kontext katholischer Debatten der Zwischenkriegszeit: Dahlheimer, Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus 1888–1936. 23 Gurian, Der Bolschewismus, VII. In der englischen Übersetzung hieß es »totalitarian«

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statt »total«, eine der allerersten Verwendungen des Begriffs in der englischsprachigen Literatur. Gurian hatte die beiden Regime auch schon vor dieser kurzen Bemerkung miteinander verglichen. Vgl. ders., Faschismus und Bolschewismus (1927/28). Ders. [Gerhart], Um des Reiches Zukunft, 120 f.; Institut für Zeitgeschichte, München, Nachlass Karl Thieme, Band 28, Gurian an Karl Thieme, 15. Dezember 1931. Warum Gurian das Buch unter Pseudonym veröffentlichte, ist nicht klar. Hürten spekuliert, er könne 1932 bereits Angriffe von Nazis befürchtet haben: Hürten, Waldemar Gurian, 72. Gurian, Der Bolschewismus, 206. Einige Rezensenten sahen in dieser Position Gurians wichtigsten Beitrag zum katholischen Denken. Vgl. etwa Forst-Battaglia, Waldemar Gurian; Auhagen, Der Bolschewismus. Diese Vorstellungen weisen bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit Ernst Fraenkels Theorie der »kollektiven Demokratie« auf; für eine gegenseitige Rezeption der beiden Autoren gibt es allerdings keine Belege. Angesichts des geringen Austauschs zwischen katholischen und sozialistischen Milieus in der Weimarer Republik ist es eher unwahrscheinlich, dass sie sich jemals begegneten oder die Publikationen des anderen lasen. Gurian [Gerhart], Um des Reiches Zukunft, 207 f. Über das Verhältnis zwischen Vatikan und Nazismus liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Einen hervorragenden Überblick, der die Haltung des Vatikans im breiteren Kontext seiner Diplomatie erörtert, bietet Chamedes, A Twentieth-Century Crusade. Vgl. auch Wolf, Papst und Teufel. Zu Lortz vgl. Lukens, Joseph Lortz and a Catholic Accommodation with National Socialism. Zu Adam: Scherzberg, Kirchenreform mit Hilfe des Nationalsozialismus. Zu Eschweilers Unterstützung des Nazismus: Marschler, Karl Eschweiler (1886–1936). In den 1920er Jahren korrespondierten Gurian und Eschweiler und trafen sich häufig; sie planten mehrere gemeinsame Projekte sowie Übersetzungen französisch-katholischer Schriften. Ihr Briefwechsel befindet sich in LoC, WGP, Box 3, Folder 6. Connelly, From Enemy to Brother, 36–93; Spicer, Catholic Clergy and National Socialism; Steigmann-Gall, The Holy Reich, 51–85. LoC, WGP, Box 6, Folder 1, Korrespondenz mit der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums. Zu den nationalsozialistischen Attacken auf Gurian vgl. Wiedemann, Stimme aus der katholischen Jugend, 567. Als Beispiel für Gurians Aufsätze gegen das »Dritte Reich«: ders. [Gerhart], Bundesgenossen. Zur katholischen Presse im Nationalsozialismus und Gurians Rolle als Redakteur: Gotto, Die Wochenzeitung Junge Front / Michael. Zum Schweigen der Bischöfe vgl. Volk, Nationalsozialistischer Kirchenkampf und deutscher Episkopat. Gurian [Kirchmann], Ambrosius und die deutschen Bischöfe, 6. Sämtliche Ausgaben der Deutschen Briefe wurden neu publiziert von Hürten (Hg.), Deutsche Briefe 1934 bis 1938. Zur Presse der katholischen Emigration: Seefried, »Reich« und »Ständestaat« als Antithesen zum Nationalsozialismus. Das erste Zitat stammt aus Deutsche Briefe (nachfolgend DB) 48, 30. August 1935, in: Hürten (Hg.), Deutsche Briefe 1934 bis 1938, Bd. 1, 545 (im Original vollständig kursiv); das zweite aus DB 34, 24. April 1935, in: ebd., 379 f. (im Original vollständig kursiv). Die Termini »total« und »Totalität« tauchen zahllose Male in dem Periodikum auf. Vgl. etwa DB 32, 10. Mai 1935, in: ebd., 356 f.; DB 49, 6. September 1935, in: ebd., 552 f.; DB 164, 12. November 1937, in: ebd., Bd. 2, 954 f. Rosenberg wurde ebenfalls häufig erwähnt; vgl. etwa DB 1, 5. Oktober 1934, in: ebd., Bd. 1, 21–23; DB 7, 16. November 1934, in: ebd., 77–80. Gurian zeigte großes Interesse an Rosenberg als Repräsentanten des nationalsozialistischen Denkens und fertigte mehrere Manuskripte über ihn an, die allerdings unveröffentlicht blieben. Vgl. LoC, WGP, Box 10, Folder 9, Gurian, Alfred Rosenberg.

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36 LoC, WGP, Box 8, Folder 5, Karl Thieme an Gurian, 28. August 1935. 37 Chappel, The Catholic Origins of Totalitarianism Theory in Interwar Europe, 579. Zu den Übersetzungen des Buches: LoC, WGP, Box 12, Folder 11, Interview, undatiert, [1938?]. In der Sammlung Gurian finden sich Besprechungen in fünf unterschiedlichen Sprachen: ebd., Box 11, Folder 7. Das erste Zitat stammt aus ebd., Box 1, Folder 14, Friedrich Muckermann an Gurian, 26. Januar 1937; das zweite aus ebd., Box 6, Folder 15, Peterson an Gurian, 5. Dezember 1935. 38 Gurian, Bolschewismus als Weltgefahr, 24 und 53. Den Ursprung der Begriffe »tota­ litär« und »Totalitarismus« konnte die Forschung bislang nicht ermitteln. Gurian selbst verwendete sie vor seiner Zeit im Exil auch dort nicht, wo er vor dem »totalen Staat« warnte. In der englischen Übersetzung seines ersten Buches über den Bolschewismus von 1933 taucht der Begriff »totalitär« dagegen auf, noch bevor Gurian seine Bedeutung im folgenden Buch von 1935 ausführte. 39 Ebd., 35 f. (Hervorhebung im Original). 40 Ebd., 95 f. 41 Ebd., 100 f. 42 Ebd., 89. 43 Zur Verbreitung der Totalitarismustheorie in Deutschland vgl. Chappel, Catholic Modern. 44 Wie Chamedes zeigt, war diese doppelte Ächtung, der später eine Verurteilung der so­ zialistischen Regierung Mexikos folgte, Teil des Bemühens des Vatikans, im Kampf gegen den Kommunismus eine Führungsrolle einzunehmen. Vgl. dies., The Vatican and the Making of the Atlantic Order, 1920–1960, 184–218. 45 Diese Interpretation der zwei päpstlichen Erklärungen folgt im Wesentlichen ebd. 46 LoC, WGP, Box 4, Folder 3, Hermens an Gurian, 2. September 1935; ebd., Hermens an Gurian, 18. Juli 1935. 47 Zu Verfolgung und Exil dieser Gruppen und einzelner Intellektueller: Seefried, »Reich« und »Ständestaat« als Antithesen zum Nationalsozialismus, 425–458. 48 Burns, Being Catholic, Being American. 49 LoC, WGP, Box 8, Folder 5, Karl Thieme an Gurian, 22. Dezember 1935. 50 Ebd., Box 10, Folder 4, Gurian, The Current Crisis in Europe, Vortrag, undatiert [1938?]. Ähnliche Texte sind Gurian, The Totalitarian State; ders., On National Socialism; ders., The Fifth Annual Convention. 51 Ders., Trends in Modern Politics, 330. 52 Näher zur Entwicklung der Zeitschrift: McAdams, The Origins of »The Review of Politics«. Arendts intensive Korrespondenz mit Gurian findet sich in den Hannah Arendt Papers der Library of Congress in Washington, D. C. 53 Gurian, On Maritain’s Political Philosophy, 17. 54 Ebd., 16. 55 Hürten, Der Topos vom christlichen Abendland in Literatur und Publizistik nach den beiden Weltkriegen. 56 Das erste Zitat stammt aus Gurian, On Maritain’s Political Philosophy, das zweite aus LoC, WGP, Box 10, Folder 6, Gurian, Reflections on the European Crisis, undatiertes Manuskript [1940?]. Ähnliche Gedanken formulierte er in seinem Briefwechsel mit Yves Simon, zit. in Connelly, Catholic Witness. 57 Gurians Vorbehalte erwähnt Chappel, The Catholic Origins of Totalitarianism Theory in Interwar Europe, 588. 58 Aguirre u. a., In the Face of the World’s Crisis, 415. 59 Ebd., 415 und 417 f. 60 Das Zitat stammt aus RAC, RFA, Series 910 Social Sciences, Box 3, Folder 19, Memorandum History of the Rockefeller Foundation’s Investments in the Social Sciences through

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the War and Post-War Period (1939–1948). Zu den Versuchen der Stiftung, Einfluss auf die US-Außenpolitik zu gewinnen, vgl. Parmar, Foundations of the American Century; Ninkovich, The Diplomacy of Ideas, bes. 14 f. und 110. Die Forschung über die Arbeit der Stiftung nach 1945 bezieht sich fast ausschließlich auf die Vereinigten Staaten, Afrika, Asien und Lateinamerika; Deutschland taucht trotz seiner Bedeutung nur am Rande auf. Meine Darstellung beruht auf RAC, RFA, RG 1.2, Series 700, Box 10, Folder 89, Memorandum, Records of Allocation for the European Rehabilitation Program, 1. Januar – 15. November 1948, November 1948; ebd., Folder 87, Memorandum, Progress Report on the Program of Cultural Rehabilitation in Central Europe, 21. Mai 1948; ebd., Folder 86, Minutes of the Rockefeller Foundation’s Officers’ Conference, 15. April 1948; ebd., Box 11, Folder 95, Robert J. Havinghurst, Recommendation for Program, November 1948. Das Zitat stammt aus Neue Zeitung, zit. nach ebd., Box 10, Folder 89, Report, The Foundation’s Program to Help Europe, Oktober 1948. Welche Bedeutung Havinghurst und seine pädagogische Theorie für die Arbeit der Rockefeller Foundation in Deutschland hatten, erörtert O’Neil, Robert Havinghurst, the Rockefeller Foundation, and the Re-Education of Germany. Die wichtigste Studie über die kulturelle Diplomatie der Ford Foundation ist Berghahn, Transatlantische Kulturkriege. Militärvertreter in allen westlichen Besatzungszonen berichteten, dass sie die Konzepte der Rockefeller Foundation an andere Stiftungen weitergeleitet hätten und ihnen in ihrer eigenen Arbeit folgten: RAC, RFA, RG 1.2, Series 700, Box 10, Folder 88, Interview, Edward F. D’Arms with General Robert McClure, 29. September 1948. RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 64, Folder 773, Ernst Friesenhahn an Havinghurst, 12. März 1948. Die übrigen Angaben beruhen auf: LoC, WGP, Box 7, Folder 14, Schöningh an Gurian, 20. Januar 1934; ebd., Schöningh an Gurian, 8. Januar 1947; ebd., Box 64, Folder 773, Aloys Wenzl (Rektoratsbüro der Universität München) an Schöningh, 22. April 1948. RAC, RFA, RG 1.1, Series 200, Box 64, Folder 773, Ernst Friesenhahn an Havinghurst, 6. Oktober 1948. Einzelheiten über Gurians Betätigung finden sich in LoC, WGP, Box 16, Folder 5, Gurian, Report: My Trip to Germany, August 1948. LoC, WGP, Box 10, Folder 6, Gurian, Manuscript, Political Religions. Dass dies das Thema seiner Vorträge in Deutschland war, erwähnte Gurian in einem Brief an Hannah Arendt vom 8. September 1950: LoC, Hannah Arendt Papers. Gurian, Die Weltpolitik der USA, 5; ders., Peace Ideals and Reality, 74; ders., Defeat in Korea, 259. Ders., Peace Ideals and Reality, 74. RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 588, Folder 5034, Gurian an Philip Mosely, 28. April 1949; LoC, WGP, Box 16, Folder 5, Gurian, Report: My Trip to Germany, August 1948. Galen, Akten, Briefe und Predigten 1933–1946, 1238. Wie Mitchell bemerkt, werten Historiker und Historikerinnen eine Erklärung katholischer Bischöfe von 1948, die ein Schuldbekenntnis enthält, häufig als Beleg für eine allgemeine katholische Abwendung vom Antisemitismus, obwohl sie eine klare Ausnahme vom ohrenbetäubenden Schweigen zu diesem Thema darstellte. Vgl. dies., The Origins of Christian Democracy, 76–104. Beide Biografen Gurians behaupten, er sei nur zweimal, 1948 und kurz vor seinem Tod im Jahr 1954, zu persönlichen Besuchen nach Deutschland gereist. Wie die folgenden Absätze zeigen, trifft dies nicht zu. Vgl. Thümmler, Katholischer Publizist und amerikanischer Politikwissenschaftler, 187; Hürten, Waldemar Gurian, 170–172. Die Informationen über seine Reisen sind entnommen: RAC, RFA, Series 200, Box 588, Folder 5034, Gurian an Philip Mosely, 28. April 1949; ebd., Committee on International Relations Activity Report, 1. Juli 1950.

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71 LoC, WGP, Box 5, Folder 15, Melvin Lasky an Gurian, 28. August 1952; ebd., Melvin Lasky an Gurian, 17. September 1952; ebd., Gurian an Melvin Lasky, 15. September 1953. 72 Die Empfehlungen finden sich in LoC, WGP, Box 16, Folder 5, Gurian, Report: My Trip to Germany, August 1948. Gurian und Maassen standen ab 1934 in Korrespondenz miteinander, die Briefe sind archiviert in LoC, WGP, Box 5, Folder 15. 73 Voegelin bewunderte Gurians Arbeiten über den Bolschewismus; über Bolschewismus als Weltgefahr schrieb er, es sei »in den letzten Jahren nichts veröffentlicht worden, was an diese systematische Darstellung und Kritik des Problems Bolschewismus auch nur heranreicht«. Stanford University, Hoover Institution Archives, Standford, Calif., Eric Voegelin Papers (nachfolgend HIA, EVP), Box 15, Folder 27, Voegelin an Gurian, 10. Juli 1946. Ab 1938 korrespondierten beide Autoren regelmäßig miteinander, tauschten Aufsätze, Entwürfe und Ideen aus. Voegelin publizierte einige seiner wichtigsten Essays in Gurians Review of Politics. 1946 und 1949 erörterten sie Möglichkeiten, Voegelin für Vorträge nach Österreich und Deutschland zu holen. Vgl. etwa HIA, EVP, Box 15, Folder 27, Gurian an Voegelin, 12. Juli 1946; ebd., Voegelin an Gurian, 10. Mai 1949. Für Hilfe beim Auffinden dieses Materials danke ich Arie Dubnov. Voegelin berichtet über seine Vorträge in einem Brief an Gurian vom 20. November 1950 (ebd.). Dokumente zu seiner Zusammenarbeit mit der Stiftung in München finden sich in ebd., Box 4, Folder 19; für seine Vorträge in den Amerikahäusern in Darmstadt, Essen, Hannover, München, Nürnberg und Tübingen vgl. ebd., Box 38, Folder 9–15. 74 Wie Chappel und Chamedes zeigen, teilten viele US-Besatzungsoffiziere diese Einschätzung. Vgl. Chappel, Catholic Modern; Chamedes, A Twentieth-Century Crusade. 75 LoC, WGP, Box 3, Folder 31, Robert Havinghurst an Gurian, 11. August 1948. Gurian schrieb selbst für die genannten Zeitschriften; dort und in anderen Publikationen vermittelte er den Deutschen die Werte der US-Außenpolitik. Vgl. etwa ders., Amerika und Sowjetrussland; ders., US-Außenpolitik. Material zu diesen Publikationen findet sich in LoC, WGP, Box 18, Folder 1, solches zur Vortragsreise in ebd., Box 17, Folder 11. Zu Kogons US-Reise: RAC, RFA, RG 1.2, Series 700, Box 10, Folder 86, Memorandum, Grants Approved Under European Rehabilitation Program, 2. April 1948. 76 Undatierter Bericht von Wilhelm Ludwig in NARA, RG 260, Records of the Catholic Affairs Section, Records of the Religious Affairs Branch, Records of the Education and Cultural Relations Division, Box 202, Folder »Ludwig, Wilhelm«. Dokumente zu mehreren Hundert Reisen befinden sich in ebd., Box 201–203. 77 Mitchell, The Origins of Christian Democracy; Chappel, The Struggle for Europe’s Soul. 78 Adenauer, Ansprache auf einem Festakt anlässlich der 10. Sommertagung des Politischen Clubs an der Evangelischen Akademie in Tutzing am 19. Juli 1963. Näher zu diesem Prozess, besonders zu seinen inneren Spannungen und Widersprüchen: Granieri, The Ambivalent Alliance. Zur Rolle der Christdemokratie bei der Herstellung einer transeuropäischen Zusammenarbeit: Kaiser, Christian Democracy and the Origins of European Union. 79 Lyons, Assignment in Utopia, 611 und 621. Zur wachsenden Popularität des Totalitarismusbegriffs in der amerikanischen Kultur der 1930er Jahre: Alpers, Dictators, Democracy, and American Public Culture, bes. 67–76. Wie Alpers bemerkt, tauchte der Begriff bereits 1933 in der amerikanischen Presse auf, erst in den späten 1930er Jahren jedoch bezeichnete er Ähnlichkeiten zwischen der extremen Rechten und Linken. 80 Truman, Special Message to the Congress on Greece and Turkey, 5. Wie sich die Totalitarismustheorie zur wichtigsten Doktrin im Kalten Krieg entwickelte, beschreiben Gleason, Totalitarianism, 72–88, und Jones, The Lost Debate. Chappel weist allerdings zu Recht darauf hin, dass beide – wie die meisten historischen Darstellungen zu diesem Thema – die Bedeutung des katholischen Denkens für die Entwicklung der Totalitaris-

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mustheorie übersehen. Vgl. auch die Überlegungen dazu von Rabinbach, Moments of Totalitarianism. Brief von Harry Truman an Pius XII., 19. April 1946, zit. in Taylor (Hg.), Wartime Correspondence between President Truman and Pope Pius XII, 9 f. Zur Zusammenarbeit der Truman-Administration mit dem Vatikan vgl. Chamedes, A Twentieth-Century Crusade; Gill, The Truman Administration and Vatican Relations. Das Zitat stammt aus RAC, RFA, RG 3, Series 910 Social Sciences, Box 3, Folder 19, History of RF on SS through the War and Post-War Period (1939–1948). Zur Entwicklung der Sowjetologie vgl. Engerman, Know Your Enemy. Zur Zusammenarbeit von Sowjetologen mit britischen und amerikanischen Diplomaten im frühen Kalten Krieg: Selverstone, Constructing the Monolith. Eine detaillierte Studie über die Rockefeller Foundation und die Sowjetologie ist Müller, Krieger und Gelehrte. Wie Engerman zeigt, setzte die Förderung der Sowjetologie durch die Stiftung bereits 1942 ein, als die Sowjetunion noch ein Verbündeter der Vereinigten Staaten war, ihre Ausweitung war jedoch eng mit dem Kalten Krieg verbunden. RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 588, Folder 5034, Gurian an Philip Mosely, 28. März 1949. Das Zitat von Mosely ist entnommen: ebd., Evaluations of the Committee, 20. Juni 1949. Zur Gründung des Instituts: ebd., Grant Approval, 17. Juni 1949. Gurian und Hermens korrespondierten seit 1935 miteinander; nach Hermens Ankunft in den Vereinigten Staaten schlug ihm Gurian wiederholt eine Zusammenarbeit vor, die sich aber erst mit dem Institut in Notre Dame realisierte. LoC, WGP, Box 4, Folder 3, Hermens an Gurian, 29. März 1938. RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 588, Folder 5034, Conference Program – The Soviet Union, 7./8. Februar 1950; ebd., Committee on International Relations Activity Report, 1. Juli 1951; ebd., Box 589, Folder 5036, Conference Plan, The Fate of Central Europe. Hopes and Failures of American Foreign Policy, 11. Februar 1955. Das Zitat von Hoover stammt aus einem Zeitungsartikel vom 16. April 1950: LoC, WGP, Box 12, Folder 15. Gurian (Hg.), The Soviet Union; ders. (Hg.), Soviet Imperialism. Kohn, Die Slawen und der Westen. Kohn erwähnt die dem Buch zugrunde liegenden Vorträge in LoC, WGP, Box 4, Folder 27, Kohn an Gurian, 6. Februar 1952. Zum Verbreitungsgrad ihrer Auffassungen: RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 588, Folder 5034, Philip Mosely, Memorandum: Evaluations of the Committee for International Politics, 20. Juni 1949. Die Zitate stammen aus der Einleitung in Gurian (Hg.), Soviet Imperialism, 12 f. Vgl. auch Gurian, Bolshevism. Zu den Veranstaltungen: RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 588, Folder 5034, Committee on International Relations Activity Report, 1. Juli 1950; LoC, WGP, Box 18, Folder 1, The Ageless Witness Lecture Series, Announcement, undatiert. Beispielhaft für Publikationen: Hermens, Demokratie oder Anarchie?; Einaudi, Christian Democracy in Italy and France; Gurian / Fitzsimons (Hgg.), The Catholic Church in World Affairs. Zu den Vorträgen: RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 588, Folder 5034, Committee on International Relations Activity Report, 1. Juli 1951; ebd., Box 589, Folder 5036, Symposia Sponsored by the Committee on International Relations, 28. Februar 1955; ebd., Box 588, Folder 5034, Committee on International Relations Activity Report, 1. Juli 1950; ebd., Expenditure Summary Committee on International Relations Report, 7. September 1950; ebd., Grant Approval, 22. Mai 1952. Das erste Zitat stammt aus: ebd., Box 589, Folder 5036, Five Year Plan for the Committee on International Relations, 28. Februar 1955. Zu den Aktivitäten des Instituts: ebd., Box 588, Folder 5034, Project Proposal, A Study of International Relations Submitted to the Board of Directors of the Rockefeller Foundation, 20. Juni 1949; ebd., Box 589, Fol-

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der 5035, Committee on International Relations Report 1952–1955; LoC, WGP, Box 18, Folder 7, Report on the Foreign Service Program of the Department of Political Science of the University of Notre Dame, undatiert [1950?]. Zu Rusk: RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 589, Folder 5036, Rusk an Stephen Kertesz, 6. Dezember 1955. Zur Bewilligung der Weiterfinanzierung: ebd., Box 588, Folder 5034, Grant Approval, 25. Februar 1955. 91 Eine Beschreibung von Gurians Rolle bei der Gründung des Programms und eine Beurteilung seiner Arbeit finden sich in RAC, RFA, RG 1.2, Series 200, Box 589, Folder 5035, Interview Report, KWT with Waldemar Gurian and Hannah Arendt, 29. Juli 1954. Zu seinem Einfluss auf andere Organisationen: LoC, WGP, Box 17, Folder 11, Grant Report to the Carnegie Foundation, undatiert; ebd., Box 1, Folder 8, Pendleton Herring (Vorsitzender des ACLS) an Gurian, 3. November 1953; ebd., Box 2, Folder 25, Alexander Dallin (stellvertretender Leiter des Forschungsprogramms zur UdSSR der Ford Foundation) an Gurian, 25. März 1952. Zur Zusammenarbeit der Rockefeller Foundation mit marxistischen deutschen Intellektuellen, vor allem mit Mitgliedern der Frankfurter Schule, vgl. Müller, Krieger und Gelehrte.

Kapitel 4 Individuelle Freiheiten und die »wehrhafte Demokratie«: Karl Loewenstein und der aggressive Liberalismus 1 Adenauer geht den Weg Hitlers. Ausführlicher zum Verbotsurteil: Tyulkina, Militant Democracy, 75–78. 2 Lösche / Walter, Die FDP. 3 Vgl. etwa Hanshew, Terror and Democracy in West Germany; Lindseth, The Paradox of Parliamentary Supremacy; Müller, Compromised Republicans. 4 Zum Begriff der »wehrhaften Demokratie« ist vor allem in den Politikwissenschaften umfangreich geforscht worden. Loewenstein wird in der einschlägigen Literatur zwar übereinstimmend als Erfinder der Theorie anerkannt, deren Ursprung aber zumeist in seiner Exilerfahrung ausgemacht. Loewensteins in der Weimarer Zeit entwickelte pluralistische und demokratische Theorie wird dabei durchweg ausgeblendet und somit der Entstehungskontext des Konzepts der »wehrhaften Demokratie« übersehen. Vgl. exemplarisch die Aufsätze in Thiel (Hg.), The »Militant Democracy« Principle in Modern Democracies; Sajó (Hg.), Militant Democracy, sowie die später in diesem Kapitel zitierte Literatur. Einen hervorragenden Überblick über das Konzept und die von ihm ausgelösten Debatten seit dem Zweiten Weltkrieg bietet Müller, Militant Democracy. 5 Zum Anteil der DDP und von Preuß an der Weimarer Verfassung vgl. Lehnert, Verfassungsdemokratie als Bürgergenossenschaft. Allgemein zur Politik der DDP: Stahlmann, Einleitung; Frye, Liberal Democrats in the Weimar Republic; Albertin, Liberalismus und Demokratie am Anfang der Weimarer Republik. 6 Schumann, Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918–1933. 7 Einen Überblick zu München in dieser Zeit bietet Hillmayr, Roter und weißer Terror in Bayern nach 1918. 8 Zu Loewensteins Verhältnis zu Max Weber vgl. seinen Nachruf: ders., Persönliche Erinnerungen an Max Weber (1920). 9 Die biografischen Angaben basieren auf Loewensteins in den späten 1960er Jahren verfassten unveröffentlichten Memoiren: Amherst College Library, Archives and Special Collections, Amherst, Mass., Karl Loewenstein Papers (nachfolgend ACL, KLP), Box 3, Folder 10, Loewenstein, Des Lebens Überfluss. Erinnerungen eines ausgewanderten

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Juristen, 1–158; Lang, Karl Loewenstein, 88–171. Dokumente zu Loewensteins Zusammenarbeit mit liberalen Politikern finden sich in ACL, KLP, Box 50, Folder 80; zu seinem Studium in München ebd., Box 1, Folder 13. 10 Radbruch, Parteienstaat und Volksgemeinschaft (1929), 99. 11 Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie (1929), 100. 12 Ders., Verteidigung der Demokratie (1932), 237. Eine hervorragende Analyse der Theorie Kelsens aus der Weimarer Ära bietet Dyzenhaus, Legality and Legitimacy, 132–149. 13 Loewenstein, Volk und Parlament nach der Staatstheorie der Französischen Nationalversammlung von 1789, bes. 44–89. 14 Zu dieser Tradition im liberalen Weimarer Denken vgl. Jacobson / Schlink (Hgg.), Weimar. 15 Loewenstein, Zur Soziologie der parlamentarischen Repräsentation in England vor der ersten Reformbill, bes. 105. 16 Ders., Volk und Parlament nach der Staatstheorie der Französischen Nationalversammlung von 1789, bes. 89–224. 17 Ebd., bes. 3–38, hier 6. Da Loewenstein dieses Buch vor der faschistischen Revolution fertigstellte, behandelte er darin nur den Bolschewismus, in seinen späteren Weimarer Schriften und Seminaren zog er jedoch immer wieder Parallelen zwischen Kommunismus und Faschismus. Vgl. etwa ders., Minderheitsregierung in Großbritannien, 2. Der ausführlichste Vergleich findet sich in ACL, KLP, Box 24, Folder 3, Loewenstein, Apologie des liberalen Staatsdenkens (1932, unveröffentlichtes Manuskript). Konservative deutsche Gelehrte hatten Rousseaus Schriften schon lange Zeit als gefährlich angegriffen. In den Augen vieler Monarchisten hatte Rousseaus starke Betonung des »allgemeinen Willens« den Parlamentarismus hervorgebracht, dem sie eine Zerstörung der Einheit der Nation vorwarfen. Loewenstein behauptete dagegen, das parlamentarische System gehe nicht auf französische Radikale, sondern auf die repräsentative Demokratie zurück. Näher zu dieser Tradition in der deutschen Geisteswelt und Politik: Hewitson, National Identity and Political Thought in Germany, bes. Kap. 2 und 3. 18 Loewenstein, Volk und Parlament nach der Staatstheorie der Französischen Nationalversammlung von 1789, 46–53. 19 Ders., Erscheinungsformen der Verfassungsänderung. 20 Ebd., bes. 191–232. 21 Ders., Minderheitsregierung in Großbritannien; vgl. auch ders., Verfassungsleben in Großbritannien 1924–1932. Im Zuge seiner Bemühungen, britisches Denken zu importieren, übersetzte Loewenstein auch James Bryce’ monumentales dreibändiges Werk über die liberale Demokratie von 1921: Bryce, Moderne Demokratien. 22 Laski, The Foundations of Sovereignty (1921). Die von viel gegenseitigem Respekt und ausgiebigem Gedankenaustausch geprägte Korrespondenz zwischen Laski und Loewen­ stein erstreckte sich von 1924 bis in die 1930er Jahre. Sie ist archiviert in ACL, KLP, Box 51, Folder 8. 23 Loewenstein, Das Problem des Föderalismus in Großbritannien; ders., Zur Soziologie der parlamentarischen Repräsentation in England vor der ersten Reformbill. 24 Einen hervorragenden Überblick über die Krise des Parlamentarismus bietet Evans, Das Dritte Reich, Bd. 1, 343–390. Zum gescheiterten Versuch von Liberalen, durch neue politische Koalitionen auf diese Krise zu reagieren, vgl. Frye, Liberal Democrats in the Weimar Republic, 178–194. 25 Loewenstein, Diskussionsbeitrag, 193. Vgl. auch Papier / Durner, Streitbare Demokratie. 26 Klagges (Hg.), Volk und Führer, 187 f. 27 Zum nationalsozialistischen Kampf gegen den Liberalismus und zu den kleinen Kreisen, die während des »Dritten Reichs« das liberale Denken durch geheime Zusammenkünfte

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und Lesegruppen bewahren wollten, vgl. Kurlander, Living with Hitler; zur Nazifizierung der Münchner Universität vgl. Kraus (Hg.), Die Universität München im Dritten Reich. ACL, KLP, Box 51, Folder 8, Laski an Loewenstein, 1. Mai 1933; ACL, KLP, Box 50, Folder 85, Felix Frankfurter an Loewenstein, 22. Juni 1935. Vgl. auch Lang, Karl Loewenstein, 172–191. Der Begriff der streitbaren oder wehrhaften Demokratie (militant democracy) findet sich erstmals in einer Schrift von 1935: Loewenstein, Autocracy versus Democracy in Contemporary Europe. Ders., Militant Democracy and Fundamental Rights I (1937), 418. Ob Loewenstein den Begriff direkt von Waldemar Gurian übernahm, mit dessen Schriften er vertraut war, wie ihre Korrespondenz belegt, oder anderen Quellen entlehnte, ist kaum zu ermitteln. Ebd., 417–419. Ebd., 423 f. Vgl. auch ders., Law in the Third Reich (1936); ders., Dictatorship and the German Constitution (1937). Ders., Militant Democracy and Fundamental Rights I (1937), 423. Ab welchem Zeitpunkt Friedrich und Loewenstein ihre Arbeiten wechselseitig rezipierten und wann sie sich das erste Mal begegneten, ist unklar. Ihre früheste überlieferte Korrespondenz stammt aus dem Jahr 1935 und zeugt von einem starken gegenseitigen Interesse. Vgl. ACL, KLP, Box 50, Folder 86. Loewenstein, Militant Democracy and Fundamental Rights II (1937), 655 und 643. Vgl. auch ders., Legislative Control of Political Extremism in European Democracies. Schrecker, Many Are the Crimes, 42–117; Storrs, The Second Red Scare and the Unmak­ ing of the New Deal Left. ACL, KLP, Box 32, Folder 12, Vortragsreisen 1938, 1939 und 1940; ebd., Box 58, Folder 24, Vortrag »Civil Liberties and National Defense«, gehalten am 25. Oktober 1940 und am 28. Januar 1941. Ebd., Box 58, Folder 24, Reconstruction of Europe after the War. Loewenstein hielt diesen Vortrag im Januar und Februar 1940 sechsmal vor Regierungsvertretern. Vgl. auch Loewenstein, Militant Democracy and Fundamental Rights II (1937), 658. ACL, KLP, Box 57, Folder 4, Militant Democracy and Fundamental Rights in Europe, Vortrag an der Chicago Law School, 30. Dezember 1936; ebd., Address to the Peace Meeting, 22. April 1937. Loewenstein / Packard, America’s Eleventh Hour, 4. Ob die Politik der Nichteinmischung von Roosevelt eingeführt wurde oder auf seine republikanischen Amtsvorgänger zurückging, ist in der Historikerzunft umstritten. Einen Überblick über die Debatte bieten Pike, FDR’s Good Neighbor Policy, und Gellman, Good Neighbor Diplomacy. Zu Roosevelts wachsender Angst vor einer Infiltration Lateinamerikas durch die Achsen­ mächte vgl. Niess, A Hemisphere to Itself, 123–127. Das Zitat und die Angaben über den Plan zur Besetzung Brasiliens stammen aus Friedman, Nazis and Good Neighbors, 1. Hart, Empire of Ideas, 15–40; Niess, A Hemisphere to Itself, 117–130; Rosenberg, Financial Missionaries to the World. Zur Rolle Lateinamerikas als Testgelände für die Diplomatie und Militärinterventionen der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert: Grandin, Empire’s Workshop. NARA, Records of the Department of Justice (nachfolgend RG 60), Entry 291 (Resolutions of the CPD), Box 1, List of Tentative Projects to be Submitted by or Supported by the U. S. Delegation. Spaeth / Sanders, The Emergency Advisory Committee for Political Defense, 219. ACL, KLP, Box 43, Folder 22, Laurence A. Knapp an Loewenstein, undatiert [1942].

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47 Loewenstein / Packard, America’s Eleventh Hour, 7. 48 NARA, RG 60, Entry 291, Box 3, Folder »Resolution 5«, Memo on Totalitarian Propaganda, undatiert. Ein Verzeichnis der Mitglieder des CPD-Büros in Washington findet sich in ACL, KLP, Box 43, Folder 2, Department of Justice Office Diary, undatiert. 49 Vgl. dazu die Berichte von CPD-Mitarbeitern über ihre Reisen in verschiedene Länder 1943/44: NARA, RG 60, Entry 289 (Subject File of Miguel A. De Capriles), Box 3 und 4; ebd., Entry 286 (Reports on Sessions of Consultative Visits), Box 1, Donald Perry, Official Report of First Technical Session, 29. Juli 1943; ebd., Entry 286, Box 1, Remarks of Laurence Knapp, Liaison Officer to the U. S., 27. Juli 1943. 50 ACL, KLP, Box 43, Folder 67, Karl Loewenstein, Report, Comparison of Latin American and U. S. Legislation for Control of Subversive Activities, undatiert. 51 NARA, RG 60, Entry 289, Box 3, Folder »Country Studies«, Karl Loewenstein, Report on Chile, Mai 1943; ebd., Entry 289, Box 4, Folder »Country Studies«, Report on Brazil, Januar 1943. Weitere Berichte über Uruguay, Paraguay, Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Peru, Mexiko und Kuba befinden sich in ACL, KLP, Box 43, Folder 78–92. Während des Krieges erschienen auch viele Forschungsberichte über diese Länder. Vgl. etwa Loewenstein, Legislation against Subversive Activities in Argentina; ders., Legislation in the Defense of the State in Chile; ders., Brazil under Vargas, bes. 133–234. Dass Loewensteins Ratschläge Berücksichtigung fanden, zeigt ein Schreiben von Alberto Guani: NARA, RG 60, Entry 289, Box 1, Folder »Annual Report July 1944«, Alberto Guani, Annual Report 1944. 52 Angesichts der intensiven Forschung über die Internierung japanischstämmiger Amerikaner erstaunt es, wie wenig Beachtung die Ausweitung entsprechender Maßnahmen auf Lateinamerika gefunden hat. Die beste Arbeit über das erstgenannte Phänomen und seine lange Vorgeschichte rassistischer Diskriminierung ist Robinson, The Tragedy of Democracy. 53 NARA, RG 60, Entry 286, Box 1, Statement of Albert E. Clattenburg (State Department) on Cooperation with Other American Republics on Detention Expulsion, and Repatriation of Dangerous Aliens, 30. Juli 1943; ebd., Statement of Edward Ennis, Alien Enemy Control Unit, 30. Juli 1943. 54 Ebd., Statement of Nicholas Collear (Immigration and Naturalization Services), undatiert; ebd., Official Report of the Second Technical Meeting, 30. Juli 1943. Zur Diskriminierung von Japanern in Peru: Gardiner, Pawns in a Triangle of Hate; zur Verfolgung von deutschen, auch deutsch-jüdischen Flüchtlingen: Friedman, Nazis and Good Neighbors, bes. 102–166. 55 NARA, RG 60, Entry 289, Box 1, Folder »CPD Alien Enemy Control Unit«, Edward Ennis an James Kelley (Chief of Special Division in the State Department) und Mr. Duggan (State Department on Latin America), 4. September 1943. Zur Zusammenarbeit mit örtlichen Polizeibeamten: ebd., Entry 288 (Reports on Visits), Box 4, Folder »Cuba Follow-Up Memoranda«, Memorandum on the Political Defense Situation in Cuba, 24. April 1944. 56 Ebd., Entry 286, Box 1, Official Report of the Second Technical Meeting, 30. Juli 1943. 57 Ebd., Entry 289, Box 1, Enemy Control Unit, Folder CPD Alien, Attorney General to Secretary of State, 6. September 1943. 58 Zahlen nach: ebd., Entry 286, Box 1, Statement of Albert E. Clattenburg (State Department) on Cooperation with Other American Republics on Detention, Expulsion, and Repatriation of Dangerous Aliens, 30. Juli 1943. Zu den Lagern in den Vereinigten Staaten: ebd., Official Report of First Technical Session, 29. Juli 1943. Zum Schicksal von Japanern nach 1945 vgl. Bernstein u. a., Personal Justice Denied, 303–314; zum Schicksal der Deutschen Friedman, Nazis and Good Neighbors. 59 Ebd., Report, Karl Loewenstein to the CPD, 4. August 1943. Entwürfe dieser Empfehlung, die Loewenstein gemeinsam mit Laurence Knapp formulierte, sind in ACL, KLP,

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Box 43, Folder 59. Mehrere Beispiele für die rechtlich ungewisse Lage von Internierten bietet Friedman, Nazis and Good Neighbors. 60 Das erste Zitat stammt aus Loewenstein, South American Impressions of  a Political Scientist, 91 f., das zweite aus ACL, KLP, Box 43, Folder 10, Memorandum, Some Sugges­ tions on the Organization of the Falange Material, 14. November 1942. 61 Über die amerikanische Unterstützung von Diktatoren in Lateinamerika liegen zahlreiche Studien vor. Einen guten Überblick bietet Schmitz, Thank God They’re on Our Side. Vgl. auch ACL, KLP, Box 43, Folder 10, Memorandum, Loewenstein to Welles, Some Suggestions on the Organization of the Falange Material, 14. November 1942; ebd., Memorandum, Sumner Welles to the Secretary of State and U. S. Embassies in Latin America, 8. Februar 1943. 62 Loewenstein, Pan Americanism in Action. 63 NARA, RG 60, Entry 289, Box 1, Folder »Annual Report July 1943«, Memorandum, Loewenstein to Laurence Knapp, 16. Juni 1943. 64 ACL, KLP, Box 43, Folder 52, Memorandum, Loewenstein to Lawrence Smith and Laurence Knapp, Future Activities of the Emergency Advisory Committee for Political Defense, 15. April 1943. 65 NARA, RG 60, Entry 289, Box 1, Folder »Annual Report July 1943«, Alberto Guani, Annual Report 1943, undatiert. 66 Hess, Verfassungsarbeit; Rütten, Der deutsche Liberalismus 1945 bis 1955; Lösche / Walter, Die FDP. 67 Die Memoranden von Loewenstein für Fahy umfassten Empfehlungen zu: Denazification and Reform of Some Germans Laws, 28. September 1945; Denazification Policy, 30. November 1945; Reconstruction of German Agricultural Legislation, 15. August 1945; On the Validity of the German Marriage Act, 8. Januar 1946, und solche zu vielen weiteren Fragen. Sämtliche Dokumente finden sich in: ACL, KLP, Box 28, Folder 1 und 2. Eine umfassende Darstellung von Loewensteins Arbeit in der juristischen Abteilung bietet Kostal, The Alchemy of Occupation. Vgl. auch Lang, Karl Loewenstein, 247–262. 68 Kostal, The Alchemy of Occupation, 21. 69 Das Zitat stammt aus ACL, KLP, Box 28, Folder 17, Karl Loewenstein, Record of Written Word, 15. August [1946]. 70 Ebd., Box 45, Folder 34, Karl Loewenstein, Vortrag: Education in Germany, 19. März 1946. 71 Ebd., Box 61, Folder 13, Die Gesetzgebungsfunktion im modernen Staat, Vortrag, 10. ­August 1948. Eine Auflistung von Loewensteins Vorträgen findet sich in ebd., Box 47, Folder 52. 72 Loewenstein, Über die parlamentarische Parteidisziplin im Ausland; ders., Verfassungsrecht und Verfassungsrealität; ders., Vom Wesen der amerikanischen Verfassung; ders., Verfassungslehre. 73 Diese Wertschätzung zeigt sich etwa in zwei Briefen von Heuss an Loewenstein vom 11. September 1954 bzw. 7. Januar 1959: ACL, KLP, Box 50, Folder 114. Heuss und Loewenstein standen von 1953 bis 1961 in Briefverkehr und wurden enge Freunde. Zu Heuss’ Verständnis des demokratischen »politischen Stils« vgl. ders., Freiheit als Aufgabe (1946). 74 ACL, KLP, Box 60, Folder 27, Liste der Vorträge 1947/48, undatiert. 75 Der Vortrag in Schwäbisch Gmünd wurde dokumentiert in Schwäbische Donau-Zeitung, 13. September 1948. Zu diesem und den anderen Vorträgen: ACL, KLP, Box 47, Folder 52, [o. A.], Report by the Educational Division, 15. September 1948. 76 ACL, KLP, Box 59, Folder 15, Der Oberste Bundesgerichtshof – Supreme Court – und seine richterliche Prüfungszuständigkeit – Judicial Review, Vorträge am 20. und 27. August 1947; NARA, RG 260, Records of Civil Affairs Administration, Box 6, Folder

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»Democratization Branch«, Report, Karl Loewenstein to Civil Affairs Administration, 25. Februar 1949. 77 Jahrreiß, Demokratie, 78; Thoma, Über Wesen und Erscheinungsformen der modernen Demokratie, 40; von der Heydte, zit. nach Lameyer, Streitbare Demokratie, 22. 78 Mannheim veröffentlichte sein Buch zuerst 1943 im britischen Exil, die deutsche Übersetzung erschien 1951 auf Initiative von Rückkehrern. Einige Forscherinnen und Forscher haben die Popularität des Begriffs der »wehrhaften Demokratie« auf Mannheims Buch zurückgeführt, tatsächlich kursierten das Konzept und die dazugehörige Theorie zu diesem Zeitpunkt aber bereits seit mehreren Jahren in Deutschland. Vgl. etwa Specter, Habermas, 77. 79 Zit. nach Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 5.1, 190 f. Zu den Debatten im Parlamentarischen Rat über Wesen und Grenzen der »wehrhaften Demokratie« vgl. Hanshew, Terror and Democracy in West Germany, 18–67. 80 Wie zentral das Konzept der wehrhaften Demokratie für diese Bestimmungen ist, erörtern Becker, Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes; Kommers, The Con­ stitutional Jurisprudence of the Federal Republic of Germany, 217–240; Currie, The Constitution of the Federal Republic of Germany, 213–226. 81 Zur SRP und ihrer Rolle als Präzedenzfall: Thiel, Das Verbot verfassungswidriger Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG). 82 Kommers, The Constitutional Jurisprudence of the Federal Republic of Germany, 222. Vgl. auch Tyulkina, Militant Democracy, 11–115. 83 Kommers, The Constitutional Jurisprudence of the Federal Republic of Germany, 222–224. 84 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 5, 85) ist nachzulesen unter (10. Februar 2021). 85 Zur antikommunistischen Kampagne und ihren Grenzen vgl. Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland, bes. 117–195. Zur Zahl der verbotenen Organisationen: Müller, Militant Democracy, 1260. Wie das Bundesverfassungsgericht das Misstrauen gegenüber dem Volk und die Abwertung seiner Souveränität zum Schlüssel für den Schutz der Demokratie erklärte, erörtert ders., Das demokratische Zeitalter, 247–254. 86 Zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Sweeney, The European Court of Human Rights in the Post-Cold War Era. Über die »wehrhafte Demokratie« im Angesicht des radikalen Islamismus in Europa liegt viel Literatur vor. Einen guten Überblick bietet Müller, Militant Democracy.

Kapitel 5 Vom Völkerbund nach Vietnam: Hans J. Morgenthau und die realistische Reform der internationalen Beziehungen 1 Vietnam Dialogue. 2 Lachs, Some Reflections on the Settlement of International Disputes, 331. Zu Morgenthaus Reputation als bedeutender deutscher Emigrant und Denker der Nachkriegszeit im Allgemeinen vgl. etwa Radkau, Die deutsche Emigration in den USA. 3 Die sehr umfangreiche Literatur über Morgenthau kann hier nicht angemessen zusammengefasst werden. Als einen Denker der Machtpolitik zeichnen ihn u. a. Habermas, Der gespaltene Westen, 165–167; Molloy, The Hidden History of Realism, 75–98; Bucklin, Realism and American Foreign Policy; Griffiths, Realism, Idealism and International

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Politics, u. a. im vorliegenden Kapitel zitierte Arbeiten. Mehrere neuere Studien kritisieren diese verbreitete Rezeption, so etwa Williams, The Realist Tradition and the Limits of International Relations; Lebow, The Tragic Vision of Politics, 216–256. Mehrere Studien befassen sich mit dem Verhältnis zwischen Morgenthaus Weimarer Schriften und seinem Denken nach dem Krieg. Die wichtigste, die meine eigene Interpretation beeinflusst hat, ist Scheuerman, Hans Morgenthau. Maßgeblich ist ferner Koskenniemi, The Gentle Civilizer of Nations, 436–494. Allerdings ist Koskenniemis Interpretation etwas einseitig und konzentriert sich auf Morgenthaus Kritik des internationalen Rechts, während sie sein Eintreten für internationale Zusammenarbeit weitgehend ausblendet. Kock, To End All Wars, 164; Steiner, The Lights That Failed, 15–80; Mazower, No Enchanted Palace, 66–94. Weimarer Verfassung zit. nach Huber (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 4, 152; Preuß, Reich und Länder, 84–98. Einen exzellenten Überblick bietet Caldwell, Sovereignty, Constitutionalism, and the Myth of the State. Vgl. auch Schorkopf, Grundgesetz und Überstaatlichkeit. Delbrück zit. nach Bericht und Protokolle des achten Ausschusses über den Entwurf einer Verfassung des Deutschen Reichs, 31; Stresemann zit. nach Heilfron (Hg.), Die deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates, Bd. 3, 124. Der an den französischen Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon angelehnte Satz von Schmitt findet sich in: ders., Der Begriff des Politischen (1932), 55. Sein wichtigstes Werk aus der Weimarer Zeit über internationale Politik und Recht ist ders., Die Kernfrage des Völkerbundes. Library of Congress (nachfolgend LoC, MP), Box 115, Folder 7, Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, das Wesen ihrer Organe und die Grenzen ihrer Anwendung, insbesondere der Begriff des Politischen im Völkerrecht (1928). Obwohl Loewenstein und Morgenthau beide bei Neumeyer studierten und zur selben Zeit in München arbeiteten, ist unklar, ob sie sich je begegneten. Die überlieferte Korrespondenz zwischen ihnen stammt aus ihrer Zeit im amerikanischen Exil in den späten 1930er Jahren. Zu Morgenthaus Leben: Frei, Hans J. Morgenthau. Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, ihr Wesen und ihre Grenzen, 56 f. Schmitt, Der Begriff des Politischen (1927). Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, ihr Wesen und ihre Grenzen, 67 und 70. Schmitt und Morgenthau standen in Briefverkehr und begegneten sich auch einmal. Laut einigen Forschern hatte Morgenthaus Theorie der Politik sogar zur Folge, dass Schmitt seine eigene bei der 1932 erfolgten Neuveröffentlichung seines einschlägigen Aufsatzes von 1927 revidierte. Ihr Austausch hat in mehreren Darstellungen zu der falschen Charakterisierung Morgenthaus als eines konservativen oder gar schmittianischen Denkers geführt. Vgl. etwa Brown, »The Twilight of International Morality?«; Honig, Totalitarian­ ism and Realism. Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, ihr Wesen und ihre Grenzen, 62 (Hervorhebung im Original kursiv). Vgl. auch ebd., 84–90. Ebd., 97. LoC, MP, Box 199, Folder 9, Morgenthau, Über die Herkunft des Politischen aus dem Wesen des Menschen, undatiert [1930?], 32. Zur Rezeption von Freuds Theorie in der Weimarer Republik: Kauders, The Mind of  a Rationalist; zu Freud und Morgenthau: Schuett, Freudian Roots of Political Realism. LoC, MP, Box 199, Folder 9, Morgenthau, Über die Herkunft des Politischen aus dem Wesen des Menschen, undatiert [1930?]; Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, ihr Wesen und ihre Grenzen.

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17 LoC, MP, Box 6, Folder 1, Morgenthau, Der Selbstmord mit gutem Gewissen. Zur Kritik des Pazifismus und der neuen deutschen Kriegsphilosophie (Manuskript, 1931). Näher entwickelte Morgenthau seine Kritik an internationalen Sanktionen in seiner Genfer Habilitationsschrift: ders., La réalité des normes. 18 Zit. aus LoC, MP, Box 110, Folder 1, Morgenthau, Der Kampf der deutschen Staatslehre um die Wirklichkeit des Staates (Manuskript, 1933). Meine Zusammenfassung seiner Kritik stützt sich auf ebd., Box 112, Folder 2, Morgenthau, Kann in unserer Zeit eine objektive Moralordnung aufgestellt werden? Und wenn ja, worauf kann sie gegründet werden? (Manuskript, 1934); ebd., Box 119, Folder 3, Morgenthau, Die Entstehung der Normentheorie aus dem Zusammenbruch der Ethik, (undatiertes Manuskript, [1935?]); ebd., Box 112, Folder 2, Morgenthau, Die Krise der Metaphysischen Ethik von Kant bis Nietzsche (Manuskript, 1935). 19 Ebd., Box 110, Folder 2, Morgenthau, Genfer Antrittsvorlesung (1932). 20 Das Folgende stützt sich wesentlich auf Scheuerman, Hans Morgenthau, 12–32, sowie ders., Realism and the Left. 21 Vgl. Sinzheimer, Arbeitsrecht und Rechtssoziologie. Näher mit Sinzheimer und dem Kontext seiner Gedanken befasst sich Kap. 2. 22 Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, ihr Wesen und ihre Grenzen, 75. 23 Ebd., 150. 24 Ders., Stresemann als Schöpfer der deutschen Völkerrechtspolitik, 176. In einer im Übrigen sorgfältigen Interpretation der Weimarer Schriften Morgenthaus führt Koskenniemi diesen Text als Zeichen einer Ablehnung des Völkerbundes an, obgleich Morgenthau hier keineswegs so einseitig, sondern wesentlich komplexer argumentiert. Koskenniemi, The Gentle Civilizer of Nations, 445. 25 Die Rezensenten erkannten in Morgenthaus Arbeiten einen wichtigen eigenständigen Beitrag zur Theorie des Völkerrechts. Vgl. Guggenheim, Besprechung [zu Morgenthau]; Lauterpacht, Review of Morgenthau, »Die internationale Rechtspflege«; ders., Besprechung von Morgenthau, »La Notion du ›Politique‹ et la théorie des différends internationaux«. Generell zur Rezeption von Morgenthaus Schriften: Jütersonke, Morgenthau, Law and Realism, 51–64. 26 Vgl. hierzu das publizierte Redemanuskript Hitlers: ders., Vortrag vor westdeutschen Wirtschaftlern im Industrie-Klub zu Düsseldorf am 27. Januar 1932, 8 f. Zum »Dritten Reich« und dem Völkerbund: Mazower, Hitlers Imperium, 41–59. 27 Näher zu Morgenthaus Exil: Frei, Hans J. Morgenthau, 44–73. 28 Willkie, Unteilbare Welt, 12. Vgl. auch Zimmern, Athens and America; ders., Der amerikanische Weg zum Weltfrieden. Zur Bewegung für einen Weltstaat: Wittner, One World or None, 44 f.; Baratta, The International History of the World Federalist Movement. 29 Mit dem Beitrag amerikanischer Diplomaten und Intellektueller zur Gründung der UN befassen sich Schlesinger, Act of Creation, und Borgwardt, A New Deal for the World. Welche Rolle das britische imperiale und rassistische Denken dabei spielte, erörtert Mazower, No Enchanted Palace. 30 Morgenthau, Scientific Man vs. Power Politics, 205. 31 Ebd., 117; Jütersonke, The Image of Law in »Politics among Nations«. Näher zu Morgen­ thaus unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verfassten Schriften über internationales Recht: ders., Hans J. Morgenthau on the Limits of Justiciability in International Law. 32 Das erste Zitat stammt aus Morgenthau, Another »Great Debate«, 970, das zweite aus ders., Scientific Man vs. Power Politics, 120. Dass seine Definition von »Interessen« bestenfalls vage war und Diplomaten keine Richtschnur für ihre Bestimmung bot, räumte Morgenthau ein. In manchen Schriften hob er wirtschaftliche und militärische

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Interessen als die wichtigsten hervor, in anderen stellte er kulturelle Interessen als ebenso bedeutend dar. Vgl. ders., Commitments of  a Theory of International Politics (1959); ders., What Is the National Interest of the United States? 33 Am deutlichsten formulierte Morgenthau diese Überlegungen in ders., In Defense of the National Interest; sie finden sich allerdings auch schon in Artikeln und Vorträgen aus früheren Jahren. Vgl. etwa ders., The Primacy of the National Interest. 34 Ders., Macht und Frieden, 75. Zur Rezeption des Buches und seinem Status als Grundlagentext des Realismus vgl. das Sonderheft The Legacy of Hans Morgenthau von International Studies Notes 24 (1999), H. 1. 35 Frei, Hans J. Morgenthau, 84. 36 LoC, MP, Box 33, Folder 7, George F. Kennan an Morgenthau, 17. Mai 1948; ebd., Brief und Memorandum von Morgenthau an Kennan, 26. Juni 1949. Über Kennan und sein Verständnis der Sowjetunion liegt sehr viel Literatur vor. Besonders aufschlussreich sind Gaddis, George F. Kennan; Thompson, The Hawk and the Dove; Gaddis, Strategies of Containment, bes. 24–86; Miscamble, George F. Kennan and the Making of American Foreign Policy, 1947–1950. 37 NARA, Records of the Department of State (nachfolgend RG 59), Records of the Policy Planning Staff 1947–1953, Minutes of Meetings, Box 32, Folder »Policy Planning Staff Minutes of Meetings 1949«, Policy Meeting Staff 93 Meeting, 6. Juni 1949; ebd., Policy Meeting Staff 97 Meeting, 7. Juni 1949; ebd., PPS Meeting, 8. Juni 1949. 38 Princeton University, Princeton, N. J., Seeley  G.  Mudd Manuscript Library, George F. Kennan Papers, Box 32, Folder 3, Kennan an Morgenthau, 21. März 1951; ebd., Kennan an Morgenthau, 25. Januar 1955. Die Freundschaft und intellektuelle Zusammenarbeit von Morgenthau und Kennan währten bis in die 1960er Jahre. Kennans wichtigstes Buch über Außenpolitik ging aus Vorträgen hervor, die er 1950 auf Einladung Morgenthaus in Chicago hielt: Kennan, Amerikas Außenpolitik 1900 bis 1950 und ihre Stellung zur Sowjetmacht. 39 Hogan, The Marshall Plan, 258. Zu Kennans Beratern: Miscamble, George F. Kennan and the Making of American Foreign Policy, 1947–1950, 283–300. Wie die Truman-­ Administration auf einen Kurs der nationalen Sicherheit einschwenkte, schildern Hogan, A Cross of Iron, und Leffler, For the Soul of Mankind, 37–83. 40 Dies wird erwähnt in Morgenthau, Germany. Das Buch ging aus einer Konferenz hervor, die Morgenthau auf Bitten Achesons organisierte, um mögliche politische Maßnahmen in Mitteleuropa zu diskutieren. 41 Bundys Bericht findet sich in LoC, MP, Box 14, Folder 1, Discussion Meeting Report, 27. Oktober 1958; Herman Kahns in ebd., Discussion Meeting Report, 24. April 1959; Kissingers in ebd., Discussion Meeting Report, 19. Mai 1959. Zu Morgenthaus Beteiligung an Council on Foreign Relations: ebd., Box 13, Folder 10, Philip Mosley (Director of Research) an Morgenthau, 25. November 1957. 42 Das erste Zitat stammt aus Morgenthau, The Moral Dilemmas of Political Action (1950), 326, das zweite aus ders., Scientific Man vs. Power Politics, 203. 43 Ders., Diplomacy, 1080. 44 Ders., Scientific Man vs. Power Politics, 203. 45 Ders., Macht und Frieden, 199. 46 Vgl. etwa ders., American Diplomacy; ders., Should We Negotiate Now? (1958). 47 Vgl. zu Morgenthaus Reformvorschlägen für die UN ders., Politics among Nations; ders., The New United Nations and the Revision of the Charter. 48 Über die amerikanische Intervention in Vietnam liegt naturgemäß ungemein viel Literatur vor. Mit Blick auf die Frage, welchen Interessen und Motiven die US-Regierung folgte, betonen Forscher voneinander abweichend den Antikommunismus (­Herring, Ame­

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rica’s Longest War), wirtschaftliche Faktoren (Young, The Vietnam Wars, 1945–1990; Rotter, The Path to Vietnam), Religion und rassistisches Denken (Jacobs, America’s Miracle Man in Vietnam) oder auch Vorstellungen von Modernisierung und Entwicklung ­(Miller, Misalliance). Miller bietet zudem einen hervorragenden Überblick zum Forschungsstand (ebd., 8–18). Zur amerikanischen Präsenz in Vietnam vor 1955: Statler, Replacing France. Über Morgenthaus Engagement gegen den Vietnamkrieg liegen mittlerweile zwei Studien vor. Beide versäumen es allerdings, dieses Engagement auf die über einen langen Zeitraum erfolgte Herausbildung seiner Ideen zu beziehen, und erfassen seinen vielfältigen Einfluss auf die Antikriegsbewegung nur teilweise. Vgl. Zimmer, The Vietnam War Debate; Rafshoon, A Realist’s Moral Opposition to the War. LoC, MP, Box 21, Folder 7, Wesley Fishel an Morgenthau, 7. Oktober 1955. Korrespondenz und Reisepläne zu dem Vietnamaufenthalt sind enthalten in LoC, MP, Box 90, Folder 1. Wie Fishel und die Michigan State University die US-Politik in Vietnam mitprägten, beschreiben Ernst, Forging a Fateful Alliance, und Miller, Misalliance, 37–41, 77 f. und 148–157. Morgenthau, Building New Totalitarianism. Das erste Zitat stammt aus ders., The Political and Military Strategy of the United States, 325, das zweite aus ders., Vietnam – Another Korea?, 374. Vgl. auch ders., The 1954 Geneva Conference. Ders., Military Illusions. Ders., Asia: The American Algeria. Dasselbe Argument findet sich bereits in ders., The Revolution We Are Living Through (1955). Ders., The Unfinished Business of American Foreign Policy (1953). Das erste Zitat stammt aus ders., The Immaturity of Our Asian Policy, 22, das zweite aus ders., The Dangers of Doing Too Much, 15. Das erste Zitat stammt aus ders., The Realities of Containment, 4, das zweite aus ders., Asia: The American Algeria, 44 f. Ders., The Case against Further Involvement; ders., War with China? Logevall, Choosing War, 134–153. Professor Morgenthau Signs Petition in New York. Zur Medienberichterstattung über die Petition: Logevall, Choosing War, 167. LoC, MP, Box 12, Folder 7, Church an Morgenthau, 28. Dezember 1964; ebd., Morgenthau an Church, 31. Dezember 1964; ebd., Church an Morgenthau, 15. Januar 1965; ebd., Morgenthau an Church, 31. Januar 1965. Schmitz, Congress Must Draw the Line, 129. Die Korrespondenz zwischen Fulbright und Morgenthau, die von 1963 bis 1965 anhielt, findet sich in LoC, MP, Box 22, Folder 12. Zu Fulbrights Blick auf Morgenthaus Arbeit und seine Unterstützung einer »titoistischen« Lösung: Berman, William Fulbright and the Vietnam War, 35 f. und 42. Fulbright zit. nach Gibbons (Hg.), The U. S. Government and the Vietnam War, 210. Zu den Anhörungen vgl. Zelizer, Congress and the Politics of Troop Withdrawal; Stone, Elites for Peace. Zit. nach DeBenedetti, An American Ordeal, 105. Zur Verbreitung von Morgenthaus Schriften: Logevall, Choosing War, 140. Vietnam Dialogue, 15397 f.; Bird, The Color of Truth, 318 f. Goldstein, Lessons in Disaster, 196–198. Wenige Tage darauf revidierte Johnson seine Entscheidung zwar, Bundy gab jedoch später an, die Debatte habe einen Bruch in ihrem Verhältnis bewirkt und sein politischer Einfluss sei danach stark zurückgegangen. Vgl. etwa Morgenthau, In Defense of the National Interest, 80 f. Morgenthau war Mit-

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glied der Americans for Democratic Action, der 1947 gegründeten größten und stärksten progressiven Organisation des Landes, der auch namhafte Vertreter des liberalen Flügels der Demokratischen Partei, Gewerkschaftsführer und Intellektuelle angehörten. Morgenthau betätigte sich in der Organisation u. a. als Berater für außenpolitische Fragen. Vgl. etwa LoC, MP, Box 5, Folder 3, John Hoving an Morgenthau, 26. Februar 1952; ebd., Robert Nathan an Morgenthau, 25. März 1958; ebd., David Williams an Morgenthau, 2. Dezember 1959. 69 Morgenthau, The Purpose of American Politics, 8 und 10. 70 Ders., The Right to Dissent, 44. Vgl. auch ders., The Purpose of American Politics. Diese Auffassungen entsprachen Hans Kelsens These, dass Demokratie auf einem ethischen Pluralismus beruhe. Vgl. den Anfang von Kap. 4. 71 Morgenthau, The Purpose of American Politics, 34. 72 Ders., The New Despotism and the New Feudalism, 284. Vgl. auch ders., The Decline of the Democratic Process (1956). 73 Ders., The Present Tragedy of America, 4 f.; ders., A New Foreign Policy for the United States, 138 f. 74 Ders., We Are Deluding Ourselves in Vietnam. 75 Ders., A New Foreign Policy for the United States, 139 f. 76 Zu den Anfängen des Protests gegen den Vietnamkrieg: Miller, Democracy Is in the Streets, 229; Rorabaugh, Berkeley at War; Suri, Power and Protest, 166–172. Die Angaben zu Morgenthau basieren auf: LoC, MP, Box 95, Folder 1, Irene Murphy an Morgenthau, 4. Oktober 1965; ebd., Brief eines ehemaligen Studenten aus Michigan (o. A.) an Morgenthau, 11. März 1965. 77 LoC, MP Box 95, Folder 1, Donald I. Bender und Daniel Mirsky an Morgenthau, 16. März 1965; ebd., Folder 2, J. T. Howes an Morgenthau, 20. September 1965; ebd., Folder 1, Floyd Mulky an Morgenthau, 16. März 1965; ebd., George Liberman an Morgenthau, 25. März 1966; ebd., Folder 4, S. Dell Scott an Morgenthau, 26. Mai 1965; ebd., Folder 2, Major General Julius Klein an Morgenthau, 29. November 1965; ebd., Folder 2, George T. Tideman an Morgenthau, 18. Juli 1965; ebd., Folder 4, R. M. Cann an Morgenthau, April 1965; ebd., Folder 2, Margaret Smelser an Morgenthau, 19. November 1965. 78 Zum landesweiten Teach-in: DeBenedetti, An American Ordeal, 115 f.; Morgenthau, Political Folklore in Vietnam. 79 LoC, MP, Box 190, Folder 4, Howard Zinn, Vietnam. The Logic of Withdrawal, Manuskript, 1967. Chomskys Essays zum Thema erschienen in ders., American Power and the New Mandarins. Zur Radikalisierung des Protests: Varon, Bringing the War Home; Gitlin, The Sixties. 80 Zu Morgenthaus Unterstützung der Antikriegsbewegung: ders., Freedom, Freedom House and Vietnam, 18. Zu seiner Teilnahme an Kundgebungen in New York: Zaroulis / Sullivan, Who Spoke Up?, 44. In einer Umfrage unter Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Presse rangierte Morgenthau auf Platz zwei der prägendsten Figuren des öffentlichen Diskurses über Vietnam. Vgl. Kadushin, The American Intellectual Elite, 187.

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Schlussbemerkungen 1 Suri, Power and Protest, 164–212; Klimke, The Other Alliance; Slobodian, Foreign Front. 2 Dutschke zit. nach Müller, Das demokratische Zeitalter, 293. Zum Demokratieverständnis der Studentenbewegung ebd., 171–201. 3 Varon, Bringing the War Home. 4 Söllner, German Conservatism in America, 170. 5 Zit. nach Jäckel, Das deutsche Jahrhundert, 7.

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Abkürzungen

ACL , KLP BArch, N 1274 HIA , EVP

HUA , HUE HUA , HUGFP 17 HUA , UAV LBINY, AR 4348 LoC, MP LoC, WGP LSEA , OKFC NARA NYPL , MssCol 922 RAC , RFA UAH UFU, NL Fraenkel

Amherst College Library, Archives and Special Collections, Amherst, Mass., Karl Loewenstein Papers Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Ernst Fraenkel Stanford University, Hoover Institution Archives, Stanford, Calif., Erich Voegelin Papers Harvard University Archive, Cambridge, Mass., Harvard School for Overseas Administration Collection I Harvard University Archive, Cambridge, Mass., Carl  J.  Friedrich Papers Harvard University Archive, Cambridge, Mass., Harvard School for Overseas Administration Collection II Leo Baeck Institute, New York, Marta Fraenkel Papers Library of Congress, Hans Morgenthau Papers Library of Congress, Waldemar Gurian Papers London School of Economics Archives, Otto Kahn-Freund Collection National Archives II, College Park, Md. New York Public Library, New York, Special Collections and Manuscripts, Emergency Committee in Aid of Displaced Scholars Rockefeller Archive Center, Tarrytown, N. Y., Rockefeller Foundation Archive Universitätsarchiv der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Universitätsarchiv der Freien Universität, Berlin, Nachlass Ernst Fraenkel

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Quellen und Literatur

Ungedruckte Quellen Deutschland Bundesarchiv Koblenz

Nachlass Ernst Fraenkel (BArch, N 1274)

Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Nachlass Carl Schmitt

Institut für Zeitgeschichte, München Nachlass Karl Thieme

Kommission für Zeitgeschichte, Bonn Sammlung katholische Presse

Universitätsarchiv der Freien Universität Berlin (UFU) Nachlass Ernst Fraenkel (NL Ernst Fraenkel)

Universitätsarchiv der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (UAH)

Nachlass Carl J. Friedrich Akten des DAAD Akten des Instituts für Sozial-und Staatswissenschaften (InSoSta)

Großbritannien London School of Economics Archives

Otto Kahn-Freund Collection (LSEA, OKFC)

Vereinigte Staaten Amherst College Library, Archives and Special Collections, Amherst, Mass. Karl Loewenstein Papers (ACL, KLP)

Harvard University Archive, Cambridge, Mass.

Carl J. Friedrich Papers (HUA, HUGFP 17) Records of the Harvard School for Overseas Administration (HUA, HUE und HUA, UAV)

293

Leo Baeck Institute, New York

Marta Fraenkel Papers (LBINY, AR 4348)

Library of Congress, Washington, D. C. (LoC) Hannah Arendt Papers Waldemar Gurian Papers (WGP) Hans Morgenthau Papers (MP)

National Archives II, College Park, Md. (NARA)

Records of the Department of State (RG 59) Records of the Department of Justice (RG 60) Records of the U. S. Military Occupation of Germany (RG 260) Records of the U. S. Military Occupation of Korea (RG 554)

New York Public Library, New York, Special Collections and Manuscripts Emergency Committee in Aid of Displaced Scholars (NYPL, MssCol 922)

Princeton University, Princeton, N. J., Seeley G. Mudd Manuscript Library George F. Kennan Papers

Rockefeller Archive Center, Tarrytown, N. Y. Rockefeller Foundation Archive (RAC, RFA)

Stanford University, Hoover Institution Archives, Stanford, Calif. Eric Voegelin Papers (HIA, EVP)

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Register

Acheson, Dean ​​210, 228, 258 Action française ​146, 272 Adam, Karl ​140 Adenauer, Konrad ​21, 129 f., 159 f., 204–206 Akademie der Arbeit ​88, 96 Alfred-Weber-Institut, siehe Institut für Sozial- und Staatswissenschaften (InSoSta) Althusius, Johannes ​40–45, 48, 68, 74, 77 Altschul, Frank ​228 Ambrosius und die deutschen Bischöfe (Waldemar Gurian) ​141 American Council of Learned Societies ​ 167 Amerikahaus ​115, 117, 119–121, 250 Anschütz, Gerhard ​176, 182 Antikommunismus, antikommunistisch ​ 12–14, 21, 25–27, 29, 31 f., 67 f., 70–72, 74–78, 85, 88, 96 f., 101, 103–108, 110, 112 f., 116 f., 125, 127, 130, 134, 137, 145–148, 154, 156–160, 162, 172, 182, 185, 188, 196–198, 201, 206 f., 211, 222, 232 f., 252, 258, 263, 286 f. Antisemitismus, antisemitisch ​27, 68, 129, 137, 150, 152, 157, 206, 275 Antitotalitarismus/antitotalitär ​146, 149, 163, 165, 186 area studies (Harvard University), siehe Regionalstudien Arendt, Hannah ​12, 79, 150, 166 f. Arndt, Adolf ​120 Aron, Raymond ​254 Atlantik-Charta ​222, 225 autoritäre Demokratie (Waldemar Gurian) ​ 137 f. Ball, George ​237 Baumgarten, Otto ​39 Der Begriff des Politischen (Carl Schmitt) ​ 214 Bentley, Alvin ​164 Bergstraesser, Arnold ​39, 48–51, 77, 79

Bergsträsser, Ludwig ​203 Berlin-Blockade ​11 Beyme, Klaus von ​79 Biddle, Francis ​193  f. Bolschewismus/Bolschewistische Revolution ​23, 25, 27, 101, 133 f., 136–138, 144–146, 158, 163–165, 178, 196 f., 236, 274, 276, 279 Bolschewismus als Weltgefahr (Waldemar Gurian) ​143, 146, 276 Der Bolschewismus. Einführung in Lehre und Geschichte (Waldemar Gurian) ​133 Brandeis, Louis ​98  f. Brandt, Willy ​122 Brecht, Arnold ​63, 79 Britische Theorie des »Pluralismus« ​179 f. Broder, David ​238 Brownlow, Louis ​57 Brüning, Heinrich ​61, 63, 70, 135 Brzezinski, Zbigniew ​72, 246 Bundesrepublik Deutschland ​12, 14, 19 f., 26, 38, 44, 73 f., 79, 84, 113–115, 117, 121, 160, 171, 198, 200, 203–207, 227, 249 f., 252 Bundy, McGeorge ​209, 239 f., 287 Bundy, William ​229 Byrnes, Robert ​166 Calvinismus ​36, 39–42, 52 f., 77, 253 Carnegie Foundation ​71, 167 Carter, Jimmy ​72 Center for International Affairs (Harvard University) ​72 Chappel, James ​143, 276 f. China ​51 f., 61, 69 f., 103, 108, 110, 112, 209–211, 228 f., 231, 235–238, 240 Chomsky, Noam ​246 Christdemokratie, Christdemokraten ​122, 148, 165 Christlich-Demokratische Union (CDU) ​ 78, 159 f., 204 Church, Frank ​238 Clay, Lucius ​11, 74

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Coffman, L. D. ​57 Collaer, Nicholas ​193 Commission of Inquiry on Public Service Personnel ​57 Committee of International Politics (University of Notre Dame) ​163 Conant, James ​59, 62, 65 f., 80 Council on Foreign Relations (USA) ​228 Delbrück, Clemens von ​212 Demokratisierung ​12–15, 17–21, 26, 35, 48, 81, 83, 100 f., 111 f., 156, 212, 218, 233 Deutsche Briefe ​141, 143 Deutsche Demokratische Partei (DDP) ​ 174 f., 180, 182 Deutsche Demokratische Republik (DDR) ​ 71 f., 171 Deutsche Hochschule für Politik ​114 f., 121 Deutscher Akademischer Austauschdienst (DAAD) ​51 f., 54, 77–79, 250, 262 Dewey, John ​51, 121 Diagnose unserer Zeit (Karl Mannheim) ​ 203 Die Wandlung ​76 Dies, Martin, Jr. ​185 Direkte Demokratie ​249  f. Der Doppelstaat (Ernst Fraenkel) ​97 f. Duggan, Stephen ​51 Dutschke, Rudi ​249 Ebert, Friedrich ​86  f. Economic Cooperation Administration (ECA) ​110 Elliot, William ​119 Emergency Advisory Committee for Political Defense (CPD) ​190–197, 199 Emigrant(en) ​13–15, 17–21, 26–33, 61–63, 70, 72, 96 f., 99–101, 106 f., 112, 115, 125, 127, 148 f., 152–154, 158, 161, 163 f., 167 f., 183, 188, 209–211, 228, 246, 248, 250–254 Ennis, Edward ​193 Erster Weltkrieg ​14, 21, 23 f., 39, 48, 50 f., 87, 97, 130 f., 175, 211, 213 f., 218 f., 251 Erzberger, Matthias ​128 Eschweiler, Karl ​140, 273 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ​207 Executive Order 9066 ​192

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Fahy, Charles ​199, 282 Faulhaber, Michael von ​128 f. Fishel, Wesley ​234  f. Fitzsimons, Matthew ​164 Ford Foundation ​70, 155, 167 Ford, Clellan ​70 Fraenkel, Ernst ​13, 15, 20, 22, 25, 31, 84–88, 90–102, 104–124, 126 f., 149, 173, 183 f., 197, 200, 211, 218, 232, 248–252, 254 f., 267, 273 Frankel, Max ​238 Frankfurter, Felix ​59, 183 Französische Revolution ​40, 132, 177 f. Freiburger Schule ​77 Freie Demokratische Partei (FDP) ​198, 200, 204 Freie Universität Berlin (FU) ​12, 75, 78, 114 f., 121 Freitag, Walter ​120 Freud, Sigmund ​216, 224 Friedrich, Carl J. ​11–15, 20, 22, 25, 31, 36–48, 50–65, 67–81, 85 f., 95, 120, 123, 126 f., 149 f., 152, 167, 173, 176, 183 f., 197, 200, 211, 221, 232, 246, 248–252, 254 f., 260, 263 f., 280 Friesenhahn, Ernst ​155  f. Fulbright, William ​238  f. Galen, Clemens von ​157 Geiler, Karl ​76 Goebbels, Joseph ​96 Graduate School of Public Administration (Harvard University) ​37, 59 Große Depression ​30 f., 49, 54 f., 57 f., 64 Guani, Alberto ​190, 197 Guardini, Romano ​129 Guggenheim, Paul ​221 Gurian, Waldemar ​13, 15, 20, 22, 25, 31, 125–127, 129–169, 173, 183 f., 197, 211, 232, 248–252, 254 f., 272–277, 280 Hamburger Institut für internationale Angelegenheiten ​49 Hartshorne, Edward ​73 Harvard School for Overseas Administration (HSOA) ​12, 37, 62–64, 66, 69–71 Harvard University ​12, 54 f., 58, 65, 67, 70, 72, 119 Hatch Act (1939) ​185 Havinghurst, Robert ​154–156, 158 f.

Heller, Hermann ​89, 91, 96 Herlitz, Nils ​61 Hermens, Ferdinand A. ​149, 163 f., 277 Heuss, Theodor ​78, 198, 200 Heydte, Friedrich August Freiherr von der ​ 203 Hildebrand, Dietrich von ​131, 135, 143, 146, 149, 153, 159 Hirsch, Emanuel ​38 Hồ Chí Minh ​236, 238 Hodge, John ​103 f., 109 Hoffman, Paul ​104 Hoover, J. Edgar ​164 Human Relations Area Files (HRAF) (Harvard University) ​70  f. Humboldt-Universität ​75 Hutchins, Robert ​55 Institut/Zentrum für Nordamerikastudien (FU Berlin) ​121, 250 Institut für Sozial- und Staatswissenschaften (InSoSta) (Universität Heidelberg) ​ 47–56, 58, 60–62, 64 f., 75–81 Institute of International Education (IIE) ​ 51 Internierungslager ​173, 188, 192–194, 281 Inter-University Committee for a Public Hearing on Vietnam ​245 Jacobi, Ernst ​181 Jahrreiß, Hermann ​203 Javits, Jacob ​238 Jellinek, Georg ​181 Johnson, Lyndon B. ​236, 238–240, 287 Jouvenel, Bertrand de ​166 Jünger, Ernst ​217  f. Kaas, Ludwig ​128 f., 135 Kahn, Herman ​229 Kahn-Freund, Otto ​87 Kaiser, Jakob ​88 Kalter Krieg ​11–13, 15–17, 25–33, 37 f., 44, 49, 64–66, 68–73, 76 f., 79–81, 83–86, 95, 97, 102 f., 106 f., 112–114, 116–127, 149, 156 f., 160–162, 165–168, 172, 181, 184, 196, 198, 201, 206 f., 210 f., 221–223, 227–229, 231–234, 237–241, 245, ­248–254, 258 f., 263 Kant, Immanuel ​186 f., 217 f.

Kapitalismus, kapitalistisch ​30, 41, 54, 60, 83 f., 90–92, 98, 102, 113, 116, 122, 131, 133, 218, 260, 271 Katholische Jugendbewegung ​129 f., 132 Katholiken, Katholizismus ​20, 22, 38, 44, 63, 68, 88, 125–143, 145–161, 163, 165–169, 173, 182, 271, 275 Kautsky, Karl ​87 Kelsen, Hans ​175–177, 181 f., 288 Kennan, George ​66, 80, 162, 210, 227 f., 235, 237, 239, 286 Kennedy, John F. ​72, 121, 236, 247 Kertesz, Stephen ​164 Kieler Institut für Weltwirtschaft ​49 Kissinger, Henry ​12, 72, 229, 264 Klagges, Dietrich ​182 Knab, Michael ​141 Knab, Otto ​149, 153 Knapp, Laurence ​196  f. Kogon, Eugen ​158  f. Kohl, Helmut ​78 Kohn, Hans ​164 Kolle, Wilhelm ​52 kollektive Demokratie (Ernst Fraenkel) ​ 93 f., 97 f., 101, 107, 112, 121–123, 253, 273 kollektive Sicherheit (Wendell Willkie) ​ 223 Komitee für unamerikanische Umtriebe ​ 185 Kommunismus, kommunistisch ​12, 14 f., 25 f., 30, 32, 37 f., 64–75, 77–81, 84 f., 87, 90 f., 94–97, 101–104, 106 f., 112 f., 116 f., 120, 123 f., 126 f., 131–137, 142, 144–146, 154, 156–164, 166–169, 171–175, 179– 182, 185 f., 191, 196 f., 201 f., 206, 209, 211, 222, 228, 231–240, 248 f., 251–254, 274, 279 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ​23 f., 86 f., 106, 139, 171, 173 f., 180, 205–207 Konsenskapitalismus ​84, 123 Korea ​13, 15, 29, 69, 85, 96 f., 102–112, 114–117, 173, 197, 254, 268 f. Koreakrieg ​117, 228, 235, 268 »Langes Telegramm« (George Kennan) ​ 227 Laski, Harold ​179, 183 Lasky, Melvin ​120, 158

319

Lateinamerika ​13, 15, 52, 66 f., 173, 182, 188–197, 200 f., 253 f., 275, 281 Lauterpacht, Hersch ​221 Liebknecht, Karl ​86 Lilla, Mark ​18 Lippmann, Walter ​59 Littauer, Lucius ​58  f. Loewenstein, Karl ​13, 15, 20, 22, 25, 31, 63, 172–188, 190–204, 206 f., 211, 232, 248–252, 254 f., 278–280, 284 Lortz, Joseph ​140 Luce, Henry ​28, 229 Luxemburg, Rosa ​86 Lyons, Eugene ​161 Maassen, Johannes ​158 Magill, Rosewell ​59 Man, Hendrik de ​88 Manifest zum Krieg ​153 Mannheim, Karl ​203, 283 Mansfield, Mike ​237 Marcuse, Herbert ​79, 99 f., 167 Maritain, Jacques ​143, 146, 149 f., 153 Marshall, George ​227  f. Marshallplan ​11, 18, 110, 155 Mason, Edward ​69 Maurras, Charles ​132, 272 May, Stacy ​57 McAvoy, Thomas ​151 McCarthy, Joseph ​71 McCloy, John J. ​114 f., 121, 228 McPherson, Harry ​238 Melman, Seymour ​246 Mendelssohn-Bartholdy, Albrecht ​174, 182 Merriam, Charles ​51 Miller, William ​229 Mitchell, Maria ​157, 275 Monotheismus ​162, 242 Morgenthau, Hans ​13, 15, 20, 22, 25, 31, 164, 167, 209–211, 213–252, 254 f., 284–288 Morgenthau, Henry ​59 Morse, Wayne ​238 Mosely, Philip ​163 f., 167 Mounier, Emmanuel ​130, 135 Muckermann, Friedrich ​135, 143 Nachkriegsdeutschland ​18, 76, 115, 159 Naphtali, Fritz ​87 National Institution of Public Affairs ​57

320

National Labor Relations Act ​99 National Labor Relations Board ​185 Nationale Befreiungsfront (NLF) ​237 NATO ​20 f., 70, 84, 113, 117, 119, 122, 160, 227 f. Naumann, Friedrich ​39 Nationalsozialismus, Nazismus, Nazis ​12, 14–17, 19 f., 27, 30, 35, 37 f., 53 f., 56 f., 63, 68, 73–77, 79, 81, 85, 95–101, 118, 126 f., 136–149, 152–154, 157 f., 160, 163–165, 168, 171 f., 174 f., 181 f., 184 f., 187–191, 195–197, 199 f., 202, 205 f., 221, 227, 252–254, 260, 273 Neonazis, neonazistisch ​204  f. Neumann, Franz L. ​87 f., 97, 99 f. Neumeyer, Karl ​174, 213, 284 New Deal ​29, 54–60, 64, 98 f., 103 f., 108, 113, 115, 118, 123, 185, 199, 267 New School for Social Research ​97 Ngô Đình Diệm ​233 f. Niebuhr, Reinhold ​168, 228 Nietzsche, Friedrich ​131, 217 f. Nitze, Paul ​66, 229 Nixon, Richard ​72 Nölting, Erik ​88 Novemberrevolution (von 1918), Weimarer Revolution ​21–23, 38, 81, 86 f., 113, 128, 173 O’Hara, John F. ​149 O’Malley, Frank ​151 Oesterreicher, Johannes ​149, 153 Office of Strategic Services (OSS) ​29, 99 f., 102, 117 Oktoberrevolution, siehe Bolschewismus One World/Unteilbare Welt (Wendell Willkie) ​223 Oppler, Alfred ​61, 106 Pan-Slavism/Die Slawen und der Westen (Hans Kohn) ​164 Parkman, Henry ​59 Parsons, Talcott ​62, 69, 150 Pauly, Edwin ​103 Pergler, Charles ​108 Personalismus, Personalisten ​130–135, 137 f., 142, 146–148, 150–154, 159, 161, 163, 167 f, 253 Peterson, Erik ​159 Piloty, Robert ​174

Pius XI., Papst ​146 Pius XII., Papst ​162 Pluralismus, pluralistisch ​25, 150–152, 242, 278, 288 Politica Methodice Digesta/Systematische Analyse der Politik (Althusius) ​40 Politics among Nations. The Struggle for Power and Peace/Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik (Hans Morgenthau) ​ 225–227, 230 f. Politik der guten Nachbarschaft (Franklin D. Roosevelt) ​189 Politischer Relativismus ​175 f., 181, 202, 242 Port, Hermann ​128  f. Potsdamer Konferenz ​105 Preuß, Hugo ​173 f., 212, 215, 218 Protestanten, Protestantismus ​12 f., 20, 36, 38–46, 52 f., 63, 68, 79 f., 126–131, 159, 182, 260 The Purpose of American Politics (Hans Morgenthau) ​241 Radbruch, Gustav ​175, 177, 181 Radikale Demokratie (Karl Loewenstein) ​ 177–179 Rathenau, Walter ​174 »realistische« Theorie internationaler Beziehungen (Hans Morgenthau) ​13, 210 f., 215, 222–224, 227, 229, 231 f., 235 Rechtsstaat ​16, 73, 78, 89–91, 93–95, 97–101, 107 f., 114, 118, 123, 153, 173, 212, 219, 266, 268 Regionalstudien, area studies (Harvard University) ​29, 66, 71, 253 Reichstag ​22, 87, 92–94, 180 f. Reischauer, Edwin O. ​69 Remarque, Erich Maria ​23 Remigranten, Rückkehrer ​126, 159 f. repräsentative Demokratie (Karl Loewen­ stein) ​177, 183, 187, 279 The Review of Politics ​150 f. Rhee, Syngman ​103, 106, 109–112 Riesman, David ​12 Roberts, Charles ​238 Rockefeller Foundation ​12 f., 29, 36–38, 48 f., 51, 57–63, 70, 75–77, 127, 148, 154–158, 160–169 Rodgers, Daniel ​19

Roosevelt, Franklin D. ​55, 57–60, 98 f., 102, 185, 189 f., 192 f., 222 f., 225, 280 Röpke, Wilhelm ​120 Rosenberg, Alfred ​142 f., 273 Rostow, Walt ​246 Rousseau, Jean-Jacques ​177 f., 279 Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, siehe Universität Heidelberg Rusk, Dean ​166, 229 Russian Research Center (Harvard University) ​69 Russisches Institut (Columbia University) ​ 162 Rüstow, Alexander ​39, 50, 77 Scheidemann, Philipp ​22, 86 f. Scheler, Max ​130–132, 140, 272 Schelsky, Helmut ​120 Schlesinger, Arthur, Jr. ​55, 246 f. Schickele, René ​22 Schmidt, Petrus Johannes ​107 Schmitt, Carl ​91–93, 130, 135–138, 144, 212–219, 221, 267, 272, 284 Schöningh, Franz Josef ​155 Schumacher, Kurt ​83, 113, 118 Schumann, Robert ​119 Shanahan, William ​164 Simon, Yves ​149, 153, 164 Sinzheimer, Hugo ​87–91, 96, 213, 218–220 Smith Act ​185 Smith, Walter Bedell ​228 Smuts, Jan ​211  f. Social Science Research Council ​57 Sowjetunion, Sowjetologie ​11–13, 17, 30, 64, 66, 68–71, 74 f., 79–81, 84, 97, 101–107, 110, 112 f., 117, 122, 126 f., 133, 136 f., 140, 144 f., 148 f., 152–154, 156–158, 160–169, 178, 187, 196 f., 202, 206, 209–211, 216, 222, 225–229, 231 f., 236 f., 240, 262, 272 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ​22, 83–89, 91 f., 94–96, 100, 113–122, 203 Sozialistische Reichspartei (SRP) ​204 f. Spaeth, Carl B. ​190 f. Spengler, Oswald ​132 Stalin, Josef ​161, 165, 228 Ständiger Internationaler Gerichtshof ​212, 215, 219 Sternberger, Dolf ​76  f.

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»streitbare Demokratie« (Karl Loewenstein) ​ 171, 206 Stresemann, Gustav ​212, 220 Strout, Richard ​238 Studentenbewegung, Studentenproteste ​ 233, 245 f., 249 f. Südkorea ​85, 96 f., 109–112, 253 Suhr, Otto ​99, 114 f. Teipel, Heinrich ​129 Theodosius, Kaiser ​141 Thieme, Karl ​136, 143, 149, 158 f. Thoma, Richard ​176, 181, 203 Tillich, Paul ​63 Timasheff, N. S. ​164 Tito, Josip ​228, 238 Totale Diplomatie (Dean Acheson) ​28, 258 Totaler Staat (Carl Schmitt) ​144 Totalitarismustheorie ​13, 32, 127, 140, 143, 145, 147–149, 151, 164, 168 Troeltsch, Ernst ​39, 44, 46 Truman, Harry S. ​102 f., 161 f. Tschechoslowakei ​52, 70  f. Um des Reiches Zukunft (Waldemar Gurian) ​136  f. Universität Heidelberg ​50  f. Universität Köln ​129, 203 University of Chicago ​55, 70, 97, 154 f., 209, 221, 245 University of Notre Dame ​149, 163 Van Sickle, John V. ​48 f. Vatikan ​139 f., 143, 146 f., 152 f., 165 f., 273 f. Vcsekloy, Joseph ​61 Vereinigte Staaten, USA ​11–13, 16–18, 27 f., 31–33, 36 f., 40, 43 f., 49, 51–54, 56–58, 60 f., 65, 67–69, 71 f., 78 f., 81, 83–85, 95–99, 101–104, 110, 112–115, 118 f., 120–123, 125–127, 143, 148–153, 156–162, 164, 166, 168 f., 173, 175, 178, 181–185, 188–190, 192–196, 199, 201 f., 209–211, 213, 221–229, 231–238, 240–246, ­248–250, 253–255, 260, 267, 269, 277 Vereinte Nationen (UN) ​106 f., 112, 223 f., 226, 232 f. Verfassungslehre (Karl Loewenstein) ​200 Versailler Vertrag ​23, 129, 212, 215, 220 Vietnamkrieg ​73, 209, 232 f., 238, 241, 244, 246, 248, 250

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Voegelin, Eric ​158, 276 Völkerbund ​174, 186 f., 212–221, 223 f., 247 »Volksfront« ​97, 185 Wachenheim, Hedwig ​100 War on Terror ​207 Warschauer Pakt ​70 Weber, Alfred ​39 f., 44, 46–49, 54, 62, 75–77 Weber, Max ​39, 41, 89, 174 f., 260 Weber-Schule ​39, 45, 50, 53 f., 65, 75 Wedemeyer, Albert ​103 Wehner, Herbert ​83, 122 Weimarer Republik, Weimarer Zeit, Weimarer Ära ​12–15, 19, 21–27, 31, 36–38, 40, 42–45, 47–49, 56 f., 60, 68, 73–75, 78, 81, 84–87, 91 f., 94–98, 100 f., 105 f., 110, 113–116, 122, 125, 127 f., 130 f., 134 f., 137–140, 143 f., 147, 154 f., 158 f., 163 f., 168, 172–175, 179–181, 186, 197 f., 201, 203, 206 f., 210, 212 f., 218–220, 222, 229 f., 232 f., 247, 250–254, 267, 273, 278 Weimarer Revolution, siehe Novemberrevolution (von 1918) Weimar-Syndrom, Weimar-Komplex ​26 Welles, Sumner ​195  f. Westdeutschland ​11–13, 17, 19 f., 37 f., 71, 75, 77–79, 81, 83–86, 110, 113–115, 121, 125, 160, 167, 198, 205, 249, 251 f., 255 Wiederaufbau ​13–17, 19–21, 26, 31 f., 65, 75, 77, 83, 96, 100, 102, 110, 125, 154 f., 198, 268 Williams, William Appleman ​246 Willits, Joseph ​36 Willkie, Wendell ​223 Wilson, Woodrow ​211, 223, 230 Wingo, Otis ​57 Wintrich, Josef ​205 Wirth, Joseph ​128 Woodruff, Robert W. ​228 Zentrumspartei ​128  f., 135 Zimmermann, Gustav ​203  f. Zinn, Howard ​246 Zweiter Weltkrieg ​12 f., 15, 19, 26, 29–31, 36 f., 50, 61, 64 f., 68, 78, 81, 96, 99, 101, 125, 139 f., 148, 153–155, 168, 172 f., 182, 184, 187 f., 197, 201, 203, 209, 221–223, 225, 227 f., 248, 253, 271