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German Pages 188 [206] Year 1975
WEGE ZUR D A T I E R U N G UND C H R O N O L O G I E D E R
URGESCHICHTE
Wege zur Datierung und Chronologie der Urgeschichte Herausgegeben von FRIEDRICH SCHLETTE
MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT
HALLE-WITTENBERG HALLE (SAALE)
A K A D E M I E - V E R L A G • B E R L I N 1975
Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg 1974/4 (L 10)
R e d a k t i o n : BTTRCHARD T H A L E R
Redaktion: 401 Halle (Saale), August-Bebel-Str. 13, Deutsche Demokratische Republik, R u f : 832 541 u n d 3 8147. Herausgegeben durch die Martin-Luther-Universität H a l l e Wittenberg. F ü r unverlangt eingehende Manuskripte kann keine Haftung übernommen werden. Die Autoren veröffentlichen im Dienste der internationalen wissenschaftlichen Verständigung ohne Honorar. Die Yerlagsrechte der veröffentlichten Arbeiten liegen bei der Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg. Die Beiträge erscheinen in 18 Reihen in unregelmäßiger Folge. Die Zählung der Beiträge erfolgt jahrgangsweise, die der Reihen als Nebenzählung unabhängig vom Jahrgang.
Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1974 b y Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg Lizenznummer: 202 • 100/74/75 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 752 675 5 (2145/5) • LSV 0225 Printed in G D R EVP 2 5 , -
Vorwort In Lehrveranstaltungen — ob für die zukünftigen Fachprähistoriker oder die Studenten der Geschichte und anderer Nachbardisziplinen — muß bei der Behandlung der methodischen Grundlagen der Chronologie unseres archäologischen Quellenstoffes immer wieder eine große Zahl von Einzelpublikationen genannt werden. So reifte im Fachbereich Ur- und Frühgeschichte der Sektion Orientund Altertumswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle der Gedanke, die Wege, die zur Datierung ur- und frühgeschichtlicher Funde eingeschlagen werden müssen, einmal in zusammenfassender Form aufzuzeigen. Wir strebten eine allgemein-verständliche Form der Darstellung an. Soweit es sich um noch in der Diskussion befindliche Methoden, speziell auf naturwissenschaftlichem Gebiet, handelte, sollte nur der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis vermittelt und weniger die wissenschaftliche Diskussion durch neue Gedanken bereichert werden. Letzteres verbot sich schon dort, wo der Autor sowieso nur rezipieren konnte. Neben den Angehörigen des Fachbereiches selbst konnten wir für die Mitarbeit Kollegen des Fachbereiches Orientarchäologie unserer Sektion, des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, des Zentralinstitutes für Alte Geschichte und Archäologie der Akademie der Wissenschaften der DDR und des Institutes für klassische Archäologie der Universität Prag gewinnen. Im ersten Teil werden die Methoden zur relativen und absoluten Chronologie im einzelnen dargestellt. In einem zweiten Teil ist versucht worden, die durch die verschiedenen Methoden gewonnenen Ergebnisse zu kombinieren bzw. — da vielfach sich sogar widersprechend — gegenüberzustellen und so eine Übersicht über die Chronologie der einzelnen ur- und frühgeschichtlichen Perioden zu geben. Das Paläo- und Mesolithikum ist in diesem Falle nicht besonders behandelt, da es sich bereits im ersten Teil (2.4.) anbot, die so vielfältigen Methoden geologisch-stratigraphischer Art in ihren gegenseitigen Zusammenhängen und Bezogenheiten darzustellen; nur die Datierung der Lösse ist wegen der beispielhaften Kombination verschiedener Methoden hier gesondert behandelt. Gerade für diesen zweiten Teil sollte noch einmal unterstrichen werden, daß es uns zunächst nur auf eine noch nicht einmal lückenlose und sicherlich mit Unzulänglichkeiten behaftete Darstellung des Standes der Forschung ankam. Daß daraus keinesfalls ein abgerundetes und in allen Teilen gesichertes Chronologieschema entstehen würde, war uns von vornherein klar und dürfte jedem, der die unterschiedliche Problematik der Chronologie in den einzelnen Perioden kennt, auch verständlich sein. 5
Wir hoffen trotzdem, mit dieser Zusammenstellung nicht nur den Studierenden, sondern auch den vielen an der Ur- und Frühgeschichte Interessierten — in der Bodendenkmalpflege, den Museen und anderswo — die Möglichkeit gegeben zu haben, sich über die Wege zur Datierung und Chronologie der Urgeschichte unterrichten zu können. Fachbereich Ur- und Frühgeschichte der Sektion Orientund Altertumswissenschaften an der Martin-LutherUniversität Halle
6
Inhalt 1.
Bedeutung, Geschichte und Möglichkeiten der urgeschichtlichen Chronologie
. .
9
FRIEDRICH SCHLETTE
2.
Die Methoden
18
2.1.
Die archäologisch-stratigraphische Methode
18
FRIEDBICH SCHLETTE
2.2.
Die typologisch-chronologische Methode
25
FRIEDEICH SCHLETTE
2.3.
Die archäologisch-historische Datierungsmöglichkeit
29
FRIEDRICH SCHLETTE
2.3.1. Die historische Chronologie Altägyptens
32
G E R H A R D RÜHLMANN
2.3.2. Die historische Chronologie Altvorderasiens
34
BURCHARD B R E N T J E S
2.4.
Geologisch-stratigraphische Methoden
38
D I E T R I C H MANIA
2.5.
Botanische Methoden
2.5.1. Die Pollenanalyse
73 73
E L S R E T H LANGE
2.5.2. Die Dendrochronologie
81
MANFRED JÄHRIG
2.6.
Die astronomische Methode
89
VOLKER TOEPFER
2.7.
Chemisch-physikalische Methoden
2.7.1. Die C14-Methode
98 98
HANS QUITTA
7
2.7.2. Die Kalium-Argon-Methode
106
H A N S QUITTA
2.7.3. Der Fluortest und andere Methoden zur Datierung von Knochen
110
ALEXANDER HÄUSLER
2.7.4. Die Archäomagnetdatierung ALEXANDER
114
HÄUSLER
2.7.5. Die Thermolumineszenzdatierung
119
ALEXANDER HÄUSLER
3. 3.1.
Ergebnisse durch Kombination der Methoden
122
Zur absoluten Datierung pleistozäner Lösse
122
VOLKER TOEPFER
3.2.
Neolithikum
127
JOACHIM PREUSS
3.3.
Bronzezeit
134
J A N BOUZEK
3.4.
Hallstatt- und Latfcnezeit
141
ROSEMABIE MÜLLER
3.5.
Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit FRIEDRICH SCHLETTE
8
171
1. Bedeutung, Geschichte und Möglichkeiten der urgeschichtlichen Chronologie Die archäologischen Quellen sind zunächst stumm und anonym, wenn sie aus dem Boden gehoben oder auf andere Weise der Forschung zugänglich gemacht werden. Ohne die Beantwortung nach dem Alter und der Funktion bleiben sie fast wertlos. Nicht unwichtig, aber doch nicht von der gleichen Wertigkeit ist die Frage nach dem Ethnos, die vor allem in den früheren Forschungsperioden oft sogar als vorrangig betrachtet wurde. Die Funktion eines Fundes ist in der Mehrzahl der Fälle dem Stück unmittelbar abzulesen (Gefäß, Nadel, Schwert, Beil und viele andere Objekte). Sie kann auch durch die komperative Methode, d. h. durch Vergleich mit ethnographischem Material, durch die exakte oder mittels naturwissenschaftlicher Methoden unterstützte Beobachtimg des Fundzusammenhanges oder durch praktische Versuche mit dem Objekt in weiteren Fällen mit großer Wahrscheinlichkeit ermittelt werden, so daß die Zahl der funktionsfragwürdigen Quellenmaterialien insgesamt gering bleibt. Aber auch dann kann eine Quelle noch einen gewissen Wert für die Forschung besitzen, wenn eine Altersbestimmung möglich ist. So dürfen wir wohl mit Recht die Datierung der Funde als die erste und vorrangige Aufgabe der archäologischen Forschung betrachten. Ohne sie können wir die Quelle historisch nicht auswerten, sie bleibt für uns ein totes Material, das vielleicht gerade noch des Anschauens wert ist. Dabei wird die absolute Datierung eines Fundes nicht immer notwendig sein, sondern eine relative Einordnung in ein archäologisches Chronologiesystem genügen. Eine zeitliche Bestimmung kann auch nach sozial-ökonomischen oder politisch-ethnischen Perioden erfolgen: Zeit der Jägersippen, römische Zeit, Merowinger Zeit, frühfeudale Zeit u. ä. Das darf aber keinesfalls zu einer Gleichsetzung oder Vermischung von zwei unterschiedlichen Begriffskomplexen führen. Unter „Periodisierung" verstehen wir das Stufensystem des Ablaufes der menschlichen Geschichte. Periodisierung ist also erst das Ergebnis der Forschung der verschiedensten gesellschaftswissenschaftlichen, nicht nur der historischen, Disziplinen. Damit wird die Periodisierung entscheidend von dem geschichtsphilosophischen Standpunkt bestimmt. Sie kann schon deswegen nicht mit dem archäologischen oder einem anderen Chronologiesystem identifiziert werden, weil es zwar einen allgemeinen, universalhistorischen Ablauf der menschlichen Geschichte gibt, aber dieser sich lokalhistorisch in ganz unterschiedlichen Zeiten und Zeitlängen vollzieht, einschließlich der Möglichkeit sogar des Überspringens bestimmter sozial9
ökonomischer Perioden. Eine Voraussetzung zwar für eine Periodisierung ist die Datierung der Quellen und die Aufstellung einer Chronologie. Wir müssen also klar unterscheiden zwischen der absoluten und der relativen D a t i e r u n g eines Fundes, der Chronologie des archäologischen Quellenmaterials (bezogen entweder auf archäologische Stufen oder eine absolute Zeit) und der P e r i o d i s i e r u n g der Urgeschichte als der Zeit der Urgesellschaft. Es geht uns im Folgenden nur um Datierung und Chronologie der archäologischen Funde und nicht um die historische Periodisierung1). Die Geschichte der archäologischen Datierung und Chronologie ist Bestandteil der allgemeinen Gesellschafts- und Geistesgeschichte und wird in den letzten Jahrzehnten nunmehr auch ganz entscheidend von der Entwicklung der Naturwissenschaften bestimmt. Blicken wir in die Geschichte der Forschung und darüber hinaus bis in die „Vorgeschichte" der archäologischen Wissenschaft, als man Fundstücke nur sammelte, betrachtete und sich dabei mehr oder weniger phantastische Gedanken über die „Altertümer" machte, so ist doch immer spürbar, daß der Mensch die Frage auch nach dem Alter der Funde stellte. Im Altertum und Mittelalter war es aber nur eine Einordnung in ein Periodensystem, das man sich auf der Grundlage der damaligen historischen Kenntnisse, die in starkem Maße durch mythische und religiöse Vorstellungen verzerrt waren, konstruiert hatte. Nach der von uns gegebenen Definition war es also gar keine Datierung, sondern die Einordnung in eine Periodisierung, ob diese nun ein goldenes, bronzenes und eisernes Zeitalter oder Epochen der Götter, Heroen und Menschen unterschied. Stellvertretend sollen hier die bekannten Verse aus dem Gedicht „De rerum natura" von Lukrez (1. Jh. v. Z.) stehen: Hände, Nägel und Zähne waren die ältesten Waffen, Ebenso Steine und der Wälder gebrochene Äste, Flammenscheite und Feuer, nachdem es eben bekannt war. Später wurde die Wirkung des Eisens erkannt und der Bronze. Aber der Bronze Gebrauch ist älter als jener des Eisens, Weil es formbarer ist von Natur und häufiger zu haben. Mit der Bronze pflügten den Boden sie, mit der Bronze Peitschten die Wogen des Krieges sie auf und schlugen gewalt'ge Wunden und raubten Herden und Äcker, da leicht sich ergaben Also Bewehrten die Nackten und aller Waffen Entblößten. Danach trat dann allmählich das eiserne Schwert in Erscheinung, Und der Anblick der bronzenen Sichel wurde zur Schande. Und mit Eisen der Erde Schoß zu pflügen begann man, Ausgetragen auch wurden die Kämpfe des schwankenden Krieges. Das Unvermögen, die Vergangenheit in der wahren historischen Tiefe zu sehen, wird besonders auch noch im Mittelalter sichtbar, wenn etwa die „alten Deutschen" — gemeint sind die Germanen — in der Tracht des Bürgertums jener Zeit dargestellt werden. Bis in das 18. Jahrhundert hinein wurde höchstens eine zeit10
liehe Fixierung von Fundobjekten nach dem Material aus der seit dem Altertum überkommenen, aber erst im 19. Jahrhundert wissenschaftlich begründeten Vorstellung von der zeitlichen Abfolge Stein-Bronze-Eisen heraus vorgenommen. Häufig begnügte man sich auch nur mit Bestimmungen wie heidnisch, römisch oder altdeutsch. Bezüglich einer absoluten Datierung wagte man selten, in die Zeit vor Christi Geburt zu gehen. Hier waren auch der damaligen Vorstellung Grenzen gesetzt, da man nach den teils genealogischen, teils historischen Angaben im Alten Testament mit der Erschaffung der Erde und sechs Tage später des ersten Menschenpaares ja nur auf 3761 v. Chr. Geb. kam. Aber die methodische Erkenntnis wurde doch hier und dort gewonnen, daß Funde aus einer Schicht oder einem Fundkomplex gleichzeitig sein müßten. Dies erkannte beispielsweise J . F. E S P E R bei der Untersuchung der Gailenreuther-Höhle, die B I R K N E R (in: G. R O D E N W A L D T , Neue deutsche Ausgrabungen, 1930, S. 115) „die erste Höhlengrabung mit wissenschaftlichen Zielen in Europa" genannt hat. Damit waren schon Vorstellungen von der Bedeutung eines geschlossenen Fundes und zur stratigraphischen Methode entstanden. Im 19. Jahrhundert konnten dann die ersten methodischen Grundlagen zur Datierung archäologischer Funde geschaffen werden. Zunächst wurde um 1836 von drei verschiedenen Forschern, dem Dänen Christian Jürgen THOMSEN, dem Mecklenburger Friedrich L I S C H und dem Altmärker Johann Friedrich D A N N E I L , das Drei-Perioden-System ihren Arbeiten zugrunde gelegt, das sich im Laufe der Jahre trotz manchen harten Widerstandes durchsetzte. Die Gegner dieses Systems hatten dabei soweit recht, daß nicht jedes steinerne Objekt älter sein müßte als ein bronzenes und jedes bronzene älter als ein eisernes. Mit der Festlegung des unterschiedlichen Alters von Stein-, Bronze- und Eisenobjekten war aber ein nur sehr allgemeines Kriterium zur Datierung gegeben. Bezüglich des absoluten Alters hatte man weiterhin keinerlei gesicherte Vorstellungen, wenn man auch die Bronze- und Steinzeit im allgemeinen in die Jahrhunderte vor Beginn unserer Zeitrechnung ansetzte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte dann in zwei getrennten Gebieten und auf unterschiedlichem Wege die Schaffung von zwei wichtigen Methoden zur Datierung von Fundobjekten. Die Suche nach den Skelettresten und den Geräten des Eiszeitmenschen in Westeuropa, an der so bedeutende Persönlichkeiten wie Jacques Boucher de P E R T H E S , Charles L Y E L L und später vor allem Gabriel de M O R T I L L E T entscheidenden Anteil hatten, führte auch in die französischen Höhlen. In der von Aurignac stellte 1860 Edouard L A R T E T zwei Schichten fest: eine untere und damit ältere mit behauenen Steingeräten und eine obere, somit jüngere mit geschliffenen Steingeräten. Das war die Geburtsstunde der s t r a t i g r a p h i s c h e n Methode, mittels der in Höhlen und an Wohnhügeln (Teils, Wurten), auf Gräberfeldern und in Siedlungen, an Burgwällen und in Grabhügeln das relative Alter der Schichten und des in ihnen eingeschlossenen Fundmaterials ermittelt werden kann (S. 18). Es zeigte sich zwar bald, daß Idealschnitte wie etwa bei einem Baumkuchen oder einer Torte selten waren, sondern daß ungünstige Beobachtungsmöglichkeiten, Verlagerungen, Störungen, Ver11
mischungen usw. ein Erkennen der Abfolge der Schichten oft sehr erschwerten. Je exakter im Laufe der Jahrzehnte eine Ausgrabung durchgeführt und je größer der Erfahrungsschatz bei der Beobachtung von Grundrissen und Profilen wurde, um so mehr ergab die stratigraphische Methode sichere Ergebnisse. Auf ihrer Grundlage entwickelten sich artverwandte Datierungsmethoden wie die Pollenanalyse, die Warwenmethode und andere, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. Während in Westeuropa die archäologische Forschung mit ihrer stratigraphischen Datierungsmethode von den Naturwissenschaften (Geologie, Anthropologie, Paläontologie) beeinflußt wurde bzw. mit ihnen kooperierte, nahm die Forschung in Mitteleuropa und besonders in skandinavischen Ländern eine andere Entwicklung. Schon die Durchsetzung des Drei-Perioden-Systems, das ja von seinen Widersachern als „Skandinavismus" zu diffamieren versucht wurde, lenkte die Forscher stärker auf das Fundstück selbst. Ein nächster Schritt wurde durch den Dänen Jens Jacob Asmussen W O B S A A E getan, der neben vielen anderen bedeutenden Verdiensten auf dem Gebiet der praktischen Feldforschung und der Wissenschaftstheorie der Schöpfer der chorologisch-vergleichenden Methode wurde, d. h. er forderte das Studium der Fundstücke in den einzelnen Landschaften und den Vergleich mit denen anderer Landschaften. Auf dieser Erkenntnis aufbauend konnte dann Oscar M O N T E L I U S „Die Methode" entwickeln, wie er mit vollem Recht den 1. Band seines in deutscher Sprache erschienenen Werkes „Die älteren Kulturperioden im Orient und in Europa" (1903) nannte. Die erste Darlegung seiner Gedanken finden wir aber bereits in einer schwedischen Abhandlung von 1885 (Om tidsbestämning inom bronsäldern). Den Beginn einer auf wissenschaftlicher Methode arbeitenden Disziplin kann man nur schwer auf ein bestimmtes Jahr festlegen, da an der Ausarbeitung der Methode meist verschiedene Forscher Anteil haben und diese auf älteren, ebenfalls bedeutenden Erkenntnissen aufbauen. Aber wenn man es tun will, dann kommt dem Jahre 1885 wohl eine Vorrangstellung zu. M O N T E L I U S hat einmal die Bedeutung des geschlossenen Fundes als eine wesentliche Voraussetzung für eine Datierung dargelegt und weiterhin an zahlreichen Beispielen, vor allem aus der Bronzezeit, die unter dem Namen der t y p o l o g i s c h e n M e t h o d e bekannte Arbeitsweise ausführlich dargestellt. Diese Methode ist von manchen späteren Forschern, von ganzen Lehrschulen und in bestimmten Zeiten überschätzt worden, was zu berechtigten Kritiken Anlaß gab. Geht man zwar den kritisierten Fakten nach, so stellt man fast immer fest, daß die Epigonen von M O N T E L I U S ihren Lehrmeister eben nicht richtig und umfassend gelesen haben. M O N T E L I U S hat nämlich sehr genau die Grenzen seiner Methode gesehen und vor allem auf die Notwendigkeit der Überprüfung ihrer Ergebnisse durch andere Methoden hingewiesen. Im Kern ist sie auch heute noch eine Hilfe zur relativen Chronologie der Funde. Näheres sei bei der Behandlung dieser Methode gesagt (S. 25). M O N T E L I U S hat aber auch sowohl für Nordeuropa wie für das Mittelmeergebiet eine absolute Datierung der Metallzeiten geschaffen, die die Grundlage für alle nachfolgenden Datierungsversuche wurde und die bis heute für manche Zeit-
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abschnitte eine achtunggebietende Zuverlässigkeit behalten hat. Vor seinen grundlegenden Arbeiten tappte MONTELITJS genauso wie seine Zeitgenossen noch sehr im dunkeln. So ließ er 1872 die Bronzezeit bis kurz nach Beginn u. Z. andauern, und auch für W O R S A A E begann die Eisenzeit erst um 100 u. Z.2) Das wirkt für uns um so unverständlicher, als beispielsweise Tacitus dann auch ein mehr oder weniger bronzezeitliches Germanien in seiner „Germania" (um 98 u. Z. erschienen) beschrieben hätte, was ja zu seinen Angaben über eiserne Waffen bei den Germanen im Gegensatz gestanden hätte. Um so höher müssen wir heute die von M O N T E L H J S und von Otto T I S C H L E E aus den 80er Jahren gewonnenen Erkenntnisse bewerten, die mit einer Zeitansetzung für das Ende der nordischen Steinzeit um 1500 v. Z., der Bronzezeit um 1000 v. Z. und der Hallstattzeit um 400 v. Z. den tatsächlichen Daten sehr nahe kamen. Das war nur auf der Grundlage der vergleichend-typologischen Methode möglich, d. h. des Vergleiches mit Fundstücken aus dem Bereich der durch schriftliche Quellen zeitlich genauer fixierbaren Welt des Altertums (Mittelmeerraum, Vorderer Orient). Für ältere Zeiten (Steinzeit) gab es noch keine überzeugenden Methoden, um zu wenigstens angenäherten Daten zu gelangen. Man glaubte, auf Grund gewisser Beobachtungen das Alter von Ablagerungen (Lehmschichten, Torf) oder Verwitterungen die eiszeitlichen Schichten und damit die in ihnen lagernden Skelettreste und Gerätschaften des Menschen bestimmen zu können. Trotz dieser ja keinesfalls wissenschaftlich ausreichend begründeten Ausgangsbasis — die Zeitdauer derartiger geologischer Vorgänge ist völlig unterschiedlich — kommt beispielsweise Moritz H O E R N E S ( 1 8 9 2 ) 3 ) in Anlehnung an M O R T I L L E T ( 1 8 8 3 ) 4 ) für das Ende der Eiszeit auf ein Alter von rund 1 6 0 0 0 v. u. Z. und für die Menschheit (Chelleen) auf ein Alter von 2 3 0 — 2 4 0 0 0 0 Jahren. In diese Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts fällt nunmehr die Erarbeitung der ersten naturwissenschaftlichen Methoden zur absoluten Datierung. Mit der Warwen- oder B ä n d e r t o n a u s z ä h l u n g , entwickelt durch das schwedische Ehepaar de G E E R und seine Mitarbeiter (seit 1 8 8 4 ) , war es möglich, die Rückzugsstadien des Eises in Skandinavien theoretisch fast auf ein Jahr genau zu datieren, wogegen die Daten für die Rückzugsstadien südlich der Ostsee bereits mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind (vgl. S. 72). Diese Methode ist in gleicher Weise für das einst vom Eise bedeckte Nordamerika angewandt worden. Von der Methodik her artverwandt ist die Möglichkeit der Datierung mit Hilfe der Meerestransgressionen bzw. Landhebungen und damit des unterschiedlichen Verlaufes der Küstenlinien (vgl. S. 70). Im Gegensatz zur Warwenmethode ist aber in diesem Falle erst eine Datierung durch andere Methoden notwendig, so vor allem durch die Archäologie selbst bzw. in den jüngeren Perioden durch historische Überlieferung. Im europäischen Gebiet hat dies Verfahren vor allem an den Küsten der nördlichen Ostsee und den südlichen Küsten der Nordsee (Wurtenforschung) Anwendung gefunden. Ebenfalls einem schwedischen Forscher, dem Moorgeologen Lennart von P O S T , haben wir eine andere Datierungsmethode zu verdanken, die P o l l e n a n a l y s e (S. 73), über die er erstmalig 1916 auf einem Kongreß in Oslo berichtete. Sie kann 13
nicht direkt zur absoluten Datierung genutzt werden, sondern ermöglichte zunächst nur die Rekonstruktion der nacheiszeitlichen Waldgeschichte. Diese aber einmal in ihrem Ablauf erkannt und deren einzelne Stadien mit ihrem charakteristischen Baumbestand durch andere Methoden datiert, gestatten dann, Pollenstraten und die in ihnen eingelagerten Artefakte an anderen Stellen zeitlich einzuordnen. Die Pollenanalyse — später auf Nichtbaumpollen erweitert — ist heute keinesfalls nur eine Datierungsmethode, sondern dient vor allem zur Rekonstruktion der ur- und frühgeschichtlichen Umwelt und der Wirtschaft. Sie ist auch nur dort anwendbar, wo die Erhaltungsmöglichkeiten gegeben sind, so vor allem in den Mooren. Besonders schwierig gestalteten sich die chronologischen Probleme in Amerika. Wenn auch ein Anschluß an die schriftlich überlieferte und damit zeitlich fixierte Geschichte nicht etwa erst mit der Ankunft der Europäer vor knapp 500 Jahren möglich ist, so gestatten die bildlichen, schriftlichen oder auch mythischen Überlieferungen aus den Hochkulturen Mittel- und Südamerikas eine Anzahl von Fixpunkten doch nur bis in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung. Die Chronologie davor ist dann wohl noch problematischer als die der vor- und frühdynastischen Zeiten Ägyptens und Vorderasiens. So ist es verständlich, daß die amerikanische Archäologie um neue Datierungsmethoden besonders bemüht war. 1909 und in den folgenden Jahren entwickelte der Astronom D O U G L A S S die Dendrochronologie (S. 81), wobei ähnlich wie bei der Bändertonchronologie hier die Jahrringe der Bäume gezählt werden. Da Amerika über Bäume (Mammutbäume, Borstenkiefer) bis zu 4600 Jahren Alter verfügt, war es möglich, eine Chronologie bis in das 3. Jahrtausend v. u. Z. aufzubauen, die mittels fossiler Holzreste noch erweitert werden kann. So ist man in Amerika mit der dendrochronologischen Eichtabelle heute schon bis rund 7 500 Jahre zurückgelangt. Mit dieser Hilfe wird es auch in Mitteleuropa, das „1000jährige" Bäume höchstens als vereinzelte Naturdenkmale besitzt, möglich, eine Jahrringchronologie über den bisher nur etwa 600 Jahre umfassenden Zeitabschnitt aufzustellen. Durch die dendrochronologische Methode sind auch Fragen nach der Gleichzeitigkeit bzw. zeitlichen Differenzen von hölzernen Bauwerken (Palisaden, hölzerne Grab- und Hausbauten u. ä.) zu beantworten. Aus Amerika kam schließlich die heute wichtigste, wenn auch bis jetzt noch nicht voll ausgereifte Datierungsmethode auf der Grundlage der gesetzmäßigen Veränderung des Anteils an radioaktiven Kohlenstoffisotopen C14 in organischen Substanzen, entwickelt durch den Atomphysiker W. F. L I B B Y in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg. Über die physikalische Grundlage dieser — kurz genannt — C 1 4 -Methode, ihre Schwächen und Grenzen sowie vor allem die Berechnung der Abweichung der C 14 -Jahre von den Sonnenjahren wird zu sprechen sein (S. 98). Mit ihr wurde es möglich, Datierungen bis zu einem Alter von 50000 Jahren vorzunehmen. Auf der einen Seite war es sowohl erstaunlich wie befriedigend, daß die durch die bisherigen Methoden gewonnene relative Abfolge von archäologischen Kulturen fast immer sich bestätigt fand; das gilt für das 14
mittlere und jüngere Paläolithikum, das Meso- und Neolithikum, von jüngeren Zeiten ganz abgesehen. Auf der anderen Seite gelangte man, besonders im Neolithikum, zu erheblich höheren Zahlen, die Skepsis, jedenfalls Überraschung hervorriefen und in manchen Zügen unser Geschichtsbild fast revolutionierend verändert haben, sowohl bei uns in Europa als auch in fast allen Teilen der Erde. Eine moderne Archäologie ist ohne C14-Methode heute undenkbar. Vor der Anwendung dieses Verfahrens besaß man für den paläolithisch-pleistozänen Zeitabschnitt nur die sogenannte a s t r o n o m i s c h e M e t h o d e (S. 89). Der Belgrader Astronom M. MXLAJSTKOVITCH hatte um 1920 die kosmischen Einwirkungen auf das Klima der Erde in den einzelnen Perioden zu berechnen versucht. W. KOEPPEN griff 1924 diese Untersuchungen auf und verglich die Kurve der wechselnden Intensität der Sonneneinstrahlung mit der durch die Geographie/ Geologie ermittelten Eiszeitfolge, wobei beide Kurvenbilder auffallend übereinstimmten. Hatte man bisher nur von kürzeren oder längeren Eis- und Zwischeneiszeiten gesprochen und nur vage absolute Zeitansetzungen vorgenommen, so schien man nun exakte Angaben über Alter und Dauer der einzelnen pleistozänen Phasen und damit der paläolithischen Kulturen bis zu deren — damals erkannten — Beginn ermittelt zu haben. Auch hier war eine Revidierung notwendig, da MTLANKOVITCH das solare Klima und nicht das der Erdoberfläche zu Grunde gelegt und andere Einwirkungen nicht berücksichtigt hatte. Da die C 14 -Methode wie gesagt nur bis ca. 50000 Jahre zurückreicht, kommt der astronomischen Methode immer noch eine große Bedeutung zu. Für die Datierung von Objekten aus den ältesten Zeiten der Menschheitsgeschichte kommen noch die Methoden in Frage, die zur Zeitbestimmung erdgeschichtlicher Vorgänge herangezogen werden, so die K a l i u m - A r g o n - ( P o t a s s i u m - A r g o n ) - M e t h o d e (S. 106). Schließlich sind noch einige Arbeitsverfahren zu nennen, die uns unter bestimmten Bedingungen ebenfalls Zeitansetzungen erlauben. Mit dem F l u o r t e s t (S. 110) ist es möglich, an Knochen festzustellen, ob sie gleichzeitig, älter oder jünger sind. Sie müssen aber aus dem gleichen Bodenmilieu stammen,wogegen ein Vergleich von Knochen aus unterschiedlichen Fundplätzen eine auch nur relative Zeitbestimmung nicht möglich macht, da der Fluorgehalt, der an sich im Laufe der Zeit zunimmt, in entscheidendem Maße vom Grundwasser abhängig ist. Das klassische Beispiel für den Wert dieser Methode bildete der Piltdown-Schädel, der schließlich daraufhin in seinem ganzen Befund als eine Fälschung nachgewiesen werden konnte. I n den letzten Jahren versucht man, den wechselnden E r d m a g n e t i s m u s zur Zeitbestimmung heranzuziehen (vgl. S. 114). Vulkanische und metamorphe Gesteine sowie gebrannte Erden, die ja meist auch irgendwelche Spuren von Eisenverbindungen aufweisen (also Keramik, Lehmöfen, Thermen u. ä.) nehmen die Magnetisierung an, die zur Zeit ihrer Erkaltung herrschte. Es erfordert selbstverständlich, daß sich seitdem die Objekte in ihrer Lage und vor allem ihrer Orientierung nicht geändert haben; Keramik ist somit nur verwendbar, wenn sie so im Brennofen stehen gelassen und verlassen wurde, wie sie zur Zeit des Brennens 15
stand. Die Schwankungen sowohl der Inklination wie der Deklination lassen sich aber nur durch Eichreihen ermitteln, sofern nicht historische Meßergebnisse vorliegen; solche gibt es durchgehend nur für die letzten hundert Jahre, Einzelmessungen reichen bis 1550 zurück. Für ältere Zeiten müssen bereits datierte Objekte zunächst Richtwerte liefern, und diese gelten dann auch nur für die entsprechende geographische Breite und Höhe. Solche Objekte können Ziegeln, Mauerwerke usw. aus mittelalterlicher, römischer oder noch älteren Zeiten sein, aber auch Lavagestein aus historisch bekannten oder mit anderen Methoden datierten Vulkanausbrüchen. Eine noch sehr junge Methode bildet die T h e r m o l u m i n e s z e n z d a t i e r u n g , die 1959 von G. C. K E N N E D Y für die Archäologie angewandt wurde. Sie beruht auf der Feststellung der Leuchtintensität von Substanzen mit einer kristallinen Struktur (S. 119). Wir haben uns in den letzten Abschnitten dieses forschungsgeschichtlichen Überblickes nur mit naturwissenschaftlichen Methoden beschäftigt. Das von M O N T E L I U S und seinen Zeitgenossen entwickelte Verfahren bildet für den Archäologen aber noch immer die ureigene und klassische Methode für die jüngeren urgeschichtlichen und die frühgeschichtlichen Zeiten, die wir kurz als a r c h ä o l o g i s c h - h i s t o r i s c h e D a t i e r u n g s m e t h o d e bezeichnen. Die ersten zaghaften und unsystematischen Versuche waren ja bereits zeitig gemacht worden, festigten sich methodisch dann im Laufe des 19. Jahrhunderts, um in dessen 2. Hälfte in den Arbeiten von W O R S A A E , M O N T E L I U S , T I S C H L E R und vielen anderen sich zu einer sicheren Arbeitsmethode zu entwickeln. Zur relativen Datierung mittels formkundlicher Vergleiche wird noch bei Behandlung der typologischen Methode zu sprechen sein (S. 25). Die absolute Datierung ist vom Stand der Chronologie jener Länder und Kulturen abhängig, die auf Grund der schriftlichen Überlieferung einen mehr oder weniger gesicherten Kalender besitzen. Für die europäische Urgeschichte sind es die frühen Klassengesellschaften in Ägypten, im Vorderen Orient, in Kreta/Griechenland und in Italien sowie schließlich das gesamte Römische Reich, das über mehrere Tausend Kilometer lang gemeinsame Grenzen mit urgesellschaftlichen, „schriftlosen" Kulturen besaß. Auch bei diesen Möglichkeiten, mit Hilfe datierter „Importstücke" oder durch Schlüsse aus historischen Zusammenhängen zeitliche Fixpunkte, Zeithorizonte usw. zu ermitteln, treten immer wieder Probleme, Fragen und Unsicherheiten auf. Begriffe wie „kurze" und „lange" Chronologie sind der Ausdruck nur eines dieser Probleme. Dabei sind diese Schwierigkeiten etwa nicht nur in der archäologischen Methodik begründet, sondern auch abhängig vom Maß der Sicherheit und Genauigkeit der Chronologie in den genannten Hochkulturen (S. 32 ff.). Der Möglichkeiten zur Datierung urgeschichtlicher Objekte und zur Schaffung einer Chronologie gibt es also viele. Schon dieser Überblick zeigt aber, daß zwei oder mehr voneinander unabhängige Verfahren die Sicherheit einer Datierung erhöhen — falls sie zum gleichen Ergebnis führen, oder zur Vorsicht mahnen — falls sie unterschiedliche Ergebnisse liefern. 16
ANMERKUNGEN a
) Es sei aber auf einige wichtige Arbeiten zur urgeschichtlichen Periodisierung hingewiesen: I. SELLNOW: Grundprinzipien einer Periodisierung der Urgeschichte. Berlin 1961. Ju. S. SEMENOV: Über die Periodisierung der Urgeschichte. Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 8, 1967, 15 ff. G . GUHR, K . - H . OTTO u n d H . GRÜNERT: V o r b e m e r k u n g z u r D i s k u s s i o n „ D i e U r - u n d F r ü h -
geschichte und das Problem der historischen Periodisierung". Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 9, 1968, 31 ff. Die Diskussion ist dann in den folgenden Jahrgängen der Zeitschrift geführt worden. 2 ) nach H. GTJMMEL: Forschungsgeschichte in Deutschland. Berlin 1938, 270. 3 ) Die Urgeschichte des Menschen. Wien—Pest—Leipzig, 181 ff. 4 ) Le Préhistorique. 3. Aufl. Paris, 1900, 662ff. LITERATUR (Forschungsgeschichte, Problematik und Überblick) 1963
BICKERMAITN, E.: Chronologie. 2. Aufl., Leipzig.
1969
BROTHWELL, D . , E . HIGGS a n d G . CLARK: S c i e n c e i n A r c h a e o l o g y . 2 . A u f l . , L o n d o n .
1955 1965 1958
EGGERS, H. J . : Einführung in die Vorgeschichte. München. EHRICH, R. W. : Chronologies in Old World Archaelogy. Chicago, London. GROSS, H. : Der heutige Stand der naturwissenschaftlichen Datierungsmethodik im Dienste der Vorgeschichtsforschung. Jahresschrift f. mitteldeutsche Vorgeschichte 41/42, 7 2 - 9 5 .
1938 1928 1962 1965 1967 1952
2
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Chronologie der Urgeschichte
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2. Die Methoden 2.1. Die archäologisch-stratigraphische Methode In der französischen Höhle von Aurignac wurde 1860 die archäologisch-stratigraphische Methode erstmalig exemplifiziert (S. 11). Vielleicht hat man schon vorher einmal bei Grabungen, sofern diese nicht einfache Buddeleien waren, oder an Profilwänden die an sich naheliegende Feststellung getroffen, daß das HöherUegende jünger sein müßte als das Tieferliegende. Diese Erkenntnis ist an sich so simpel, daß man sich sträubt, dies als eine „Methode" zu bezeichnen. Und trotzdem ist sie eine der Grundlagen der archäologischen Forschung. Sie verlangt keine hohen geistigen Überlegungen, dafür aber erstens eine exakte Grabungsmethode und zweitens eine geschulte Beobachtungsgabe. Alle Methoden haben Jahre der Entwicklung und des Sammeins von Erfahrungen hinter sich und — besonders die naturwissenschaftlichen — dürfen schon jetzt oder in Kürze einen Stand erreichen, der optimale Sicherheit und Genauigkeit garantiert. Die Auswertung der stratigraphischen Methode aber wird immer wieder Anlaß für Diskussionen geben, da die natürlichen Bedingungen für das Erkennen von Schichten, Verfärbungen, Störungen und dgl. schließlich doch die gleichen bleiben mit all den Schwierigkeiten, wie sie in der Bodenstruktur, dem Feuchtigkeitsgrad, der Beleuchtung usw. begründet liegen. So wird auch bei bester Grabungstechnik und geschultem Blick immer wieder manche unsichere oder unterschiedliche Deutung erfolgen müssen. Die älteste Variante der stratigraphischen Methode ist die Höhlenstratigraphie, die die Grundlage der relativen Chronologie des Paläolithikums darstellt. Die einzelnen Sedimentschichten unterscheiden sich vielfältig, hervorgerufen einmal durch die Art ihrer Entstehung sowie die klimatischen, faunistischen und floristischen Bedingungen. Derartige Unterschiede beziehen sich auf die Zusammensetzung und Struktur des Bodens, auf die Reste der Tierwelt von den Großsäugern bis zu den Mollusken und auf die Spuren des Menschen (Skelettreste, Gerätschaften, Brand- und Feuerreste). Eine höhlenstratigraphische Analyse wird keinesfalls nur makroskopisch erfolgen, sondern erfordert pedologische, paläobotanische, paläozoologische Untersuchungen, von den archäologischen abgesehen. Über diese Art der komplexen stratigraphischen Analyse wird noch an anderer Stelle zu sprechen sein (S. 68). Die einzelnen Höhlenprofile brauchen auch nicht immer isoliert für sich betrachtet zu werden, sondern es ist möglich, die Straten verschiedener, aber benach18
barter Höhlen zu vergleichen. Die relative Abfolge von Straten bzw. Kulturschichten kann bestätigt werden, ja man kann zu einer Stratenfolge kommen, die auf verschiedenen Höhlen aufbaut, wobei es auch zu einem Fortfall der einen oder anderen Strate oder einem Wechsel benachbarter Straten kommen kann (Abb. 1). Die Höhlen von Jabrud in Syrien sind dafür ein schönes Beispiel.
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Schematische Darstellung stratigraphischer Vergleiche verschiedener Höhlenprofile
Eine andere Variante der Stratigraphie ist die allgemeine Bodenstratigraphie. Bei mehrfach besiedelten Plätzen spielt die stratigraphische Beobachtung eine entscheidende Rolle. Wenn wir von den beiden klassischen Fällen — der Wurt und dem Teil — absehen, so kann das relative Alter von Siedlungsresten entweder im eigentlichen stratigraphischen Sinne an den sich überlagernden Kulturschichten oder an Überschneidungen von Gruben, Pfostenlöchern u. ä. abgelesen werden. Der stratigraphische Befund bildet in der Archäologie des Vorderen Orients und Südosteuropas eine wichtige Grundlage für die relative Chronologie, weil immer wieder der gleiche Platz besiedelt wurde. So bildeten sich aus vielen Siedlungshorizonten ansehnliche Wohnhügel, die Teils. Der Bauschutt eingefallener, zerstörter, verbrannter oder absichtlich eingerissener Häuser führte zu beachtlichen Schichtpaketen. Zahlreiche Teils erreichten mit 5—10 Schichten eine Höhe von 5—7 m, andere mit 20 bis über 30 Hauptschichten, die sich oft noch in Bauphasen unterteilen lassen, eine Mächtigkeit von über 20 m: Tepe Gaura mit 20 Schichten und 27 m Höhe, das vordynastische Uruk mit 17 Schichten und 22 m Höhe oder Mersin mit 33 Schichten und 25 m Höhe. Diese Siedlungshorizonte schälen sich nicht etwa vergleichbar den Häuten einer Zwiebel heraus, sondern Fundamente, Gruben, Keller, Pfosten usw. sind in ältere Schichten eingelassen, und weitere vielfache Störungen erschweren das Erkennen der Stratigraphie. So bestimmt keineswegs die absolute Tiefe das Alter (Abb. 2). Einer ähnlichen, wenn auch nicht von so eindrucksvollen Ausmaßen geprägten Situation begegnen wir auf den Wurten (Warfen, Terpen) an den südlichen Küsten der Nordsee. Beginnend um 300 v. u. Z., meist aber erst mit Beginn unserer Zeitrechnung wurden die Siedlungen im Marschengebiet immer wieder erhöht, um sie 2*
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vor den zunehmenden Sturmfluten zu sichern. Gras- und Heidesoden, Abfälle und Stallmist, Marschenklei und Bauschutt abgerissener oder zerstörter Häuser dienten als Material. So entstand auch hier ein Siedlungshorizont über dem anderen. Diese Wohnhügel erreichen Höhen bis 7 m und weisen 5—10 Schichten auf
Abb. 2.
Stratigraphie
eines Teil in
Indien
Absolute Datierung der Schichten durch die Fundamentgruben und durch Siegel bzw. Münzen (letztere drei sind trotz 5 Jahrtausende Zeitunterschied in fast gleicher Tiefei) (nach WHEELER)
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(Abb. 3). Auch hier verzahnen sich die einzelnen Horizonte durch die Anlage neuer Häuser, Gruben und sonstiger Bauwerke. Sie lassen aber in für diesen Raum einmaliger Weise die Anwendung der stratigraphischen Methode zur Datierung archäologischen Quellenmaterials zu. 20
Die Burgwallforschung nimmt seit eh und je eine bevorzugte Stellung in der Archäologie ein. Die stratigraphische Methode ist hier nicht nur anwendbar zur Datierung verschiedener Kulturschichten im Siedlungsareal, sondern auch zur relativen und absoluten Zeitbestimmung der Bauperioden eines Walles. Das Erkennen der Schichten der einzelnen aufeinanderfolgenden Bauphasen und die Rekonstruktion der jeweiligen Bauwerke bildet das immer wiederkehrende Schlüsselproblem bei einer Burgwallgrabung. Treten in diesen Schichten in größerer Zahl datierbare Funde auf, so sind damit die einzelnen Bauperioden auch absolut-zeitlich bestimmt (Abb. 4). Dabei wird die Schicht nicht unmittelbar durch die darin lagernden Funde datiert, da Schicht und Funde nicht zeitgleich sind. Durch die Entnahme von Erdmassen aus der bisherigen Oberfläche wurde ja zeitlich davor liegendes Material (Scherben, Geräte) in die An- bzw. Aufschüttungsschicht hineingegeben. So ist damit ein terminus post quem und durch das Fehlen noch jüngeren Materials auch ein terminus ante quem gegeben.
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Abb. 4. Schnitt durch den Abschnittswall der slawischen Burg Teterow, mit Einzeichnung Keramikreste: |urgeschichtlich, Q mittelslawisch, • • • spätslawisch (nach SCHULDT)
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So lassen sich aus dem Wallschnitt der slawischen Burg Teterow (Abb. 4) folgende Erkenntnisse ablesen. Vor dem Bau des ersten Walles existierte noch keine slawische Besiedlung, weil sich in den Bauschichten des Wallkernes nur urgeschichtliche, aber keine slawischen Keramikreste fanden. Die Erneuerung des Walles erfolgte in der Anfangsphase der spätslawischen Zeit, weil in diesen Schichten die mittelslawische Keramik vorherrschte, dagegen nur wenige Reste der spätslawischen Zeit. Die dritte Bauperiode muß erst nach einer längeren Besiedlung in der spätslawischen Zeit erfolgt sein, weil sich in den Oberschichten nun vor allem spätslawische Keramik fand. Aber nicht nur bei Siedlungen ist die stratigraphische Methode anwendbar, sondern auch bei Gräbern. Bei zwei oder mehr sich überschneidenden Grabgruben ist das relative Alter leicht ablesbar. Schwieriger ist die Situation bei Grabhügeln, wo sich zwar mehrere Bestattungen finden, die sich aber nicht unmittelbar überschneiden und deren absolute Tiefe auch keinen Schluß auf das relative Alter gestattet. Zahlreich sind die großen Grabhügel, die leider schon vor vielen Jahrzehnten unter unzureichenden Grabungsmethoden ausgegraben wurden, wo die Ausgräber ihre Vermutungen zu dem zeitlichen Verhältnis der im Hügel befindlichen Bestattungen äußerten, spätere Forschergenerationen trotz der Schwierigkeit, auf 21
der Grundlage der alten Fundberichte oder mitunter auch einer Nachgrabung erneut zu analysieren, oft zu anderen Ergebnissen gelangten. Vor allem gilt dabei, die einzelnen Schüttungsphasen des ja keinesfalls homogenen Grabhügels zu erkennen. Mit Hilfe der Grabhügelstratigraphie können dann tatsächlich sehr wertvolle Erkenntnisse zum relativen Alter archäologischer Kulturgruppen gewonnen werden. Als Beispiel sei nur der „Derfflinger Hügel" bei Kalbsrieth, Kreis Artern, genannt (Abb. 5), in dem sich ein Hocker mit einer Feuersteinklinge (1), eine Steinkiste der Baalberger Kultur (2), eine weitere der Kugelamphorenkultur (3), drei schnurkeramische Hocker (4), ein Baumsarg der Aunjetitzer Kultur (5), vier latenezeitliche Brandgräber (6), ein Schachtgrab der Völkerwanderungszeit (7) und zahlreiche frühmittelalterliche Gräber (|—|), also aus acht verschiedenen Perioden, fanden. Im Zusammenhang mit der Gräberstratigraphie seien die methodischen Versuche genannt, die unter dem Begriff der „Horizontalstratigraphie" bekannt sind. Schon der Name ist unglücklich, weil eine Stratigraphie ja immer Straten = übereinanderliegende Schichten voraussetzt, die also senkrecht und nicht horizontal gelesen werden müssen. Hier aber handelt es sich um Belegungsstufen eines Friedhofes. Die Annahme, daß mit der Anlage der ersten Bestattungen an einer Stelle des Gräberfeldes begonnen und dann kontinuierlich in einer Richtung weitergegangen wurde, kann schließlich nur durch eine ausreichende Zahl von archäologisch datierbaren Gräbern gestützt werden. Für die urgeschichtlichen Zeiten gilt diese planmäßige Anlage von Friedhöfen nur selten, und wo dies scheinbar geschehen ist, treten immer wieder zwischen älteren Gräbern auch einwandfrei jüngere Gräber auf. Diese sog. Horizontalstratigraphie kann also keinesfalls als so exakt wie die eigentliche stratigraphische Methode angesehen werden, sondern nur eine wahrscheinliche relative Zeitbestimmung erlauben bzw. eine auf anderem Wege gewonnene Datierung bekräftigen. Auf diese Möglichkeit hat nebenbei auch schon Montelius (1903, S. 5 mit Abb. 2 und 3) hingewiesen. Sie wird heute vor allem für die eisenzeitlichen und frühgeschichtlichen Friedhöfe genutzt, wo doch schon eine gewisse Ordnung der Gräber erkennbar ist. Im untersuchten Teil des früheisenzeitlichen Friedhofes von Cammer, Kreis Beizig, mit etwa 90 Gräbern konnten vier Zeitgruppen anhand der rund 50 datierbaren Gräber ermittelt werden (Abb. 6), die Belegungsstreifen von Nordwest nach Südost fortschreitend erkennen lassen 1 ). Die 3—4 außerhalb „ihrer" Belegungsstreifen liegenden Gräber gehören immer einer zeitlich benachbarten Gruppe an, was bei der Art der ja nur von uns aufgestellten Periodeneinteilung ganz natürlich ist. Die restlichen 40 undatierbaren Gräber können also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit jeweils einer der 4 Zeitstufen zugerechnet werden (zu einem anderen Beispiel aus der jüngeren römischen Kaiserzeit vgl. S. 172). I n der stratigraphischen Methode besitzen wir eine der sichersten Datierungsmöglichkeiten, immer vorausgesetzt, daß die Schichtenfolge nur e i n e Deutung zuläßt. Aber auch dann gibt es Überraschungen, so daß schließlich das Quantitätskriterium eine Rolle spielt. Wie jene viel zitierte einzelne Schwalbe noch nicht 22
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das Eintreffen des Sommers beweist, so darf auch ein einzelnes Objekt allein nicht unbedingt für eine bestimmte und gar noch unwahrscheinliche Zeitansetzung zeugen. Hier empfiehlt sich ganz besonders die Bestätigung der Datierung durch eine andere Methode.
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Abb. 6. Anwendung der horizontalstratigraphischen Methode auf dem Gräberfeld Cammer, Kr. Beizig (nach HAGHMANN)
In diesem Zusammenhang müssen wir auf ein für Montelius entscheidendes Kriterium der Chronologie überhaupt hinweisen, den geschlossenen Fund. Seine klassische Definition lautete (1903, S. 3): „... ein ,sicherer Fund' (oder nur ,ein Fund') kann als die Summe von denjenigen Gegenständen bezeichnet werden, welche unter solchen Verhältnissen gefunden worden sind, daß sie als gleichzeitig niedergelegt betrachtet werden müssen." Schon aus der Formulierung sind der Annahme einer unfehlbaren Aussage Grenzen gesetzt. Der Möglichkeiten der Fehlentscheidungen gibt es viele. Einmal kann ein Anachronismus durch den ur- und frühgeschichtlichen Menschen selbst hervorgerufen worden sein, indem er schon zu seiner Zeit antiquierte Objekte einem Toten ins Grab legte. So gab man Alemannen und Thüringern mitunter latenezeitliche Armringe mit ins Grab, also Dinge von mehr als einem halben Jahrtausend Alter. Umgekehrt konnte es geschehen, daß man beim Anlegen eines Grabes auf eine alte Bestattung stieß und, um den Toten nicht zu erzürnen, ihm eine Opfergabe beilegte und das Grab wieder schloß. Wird diese Störung nicht erkannt, stößt man somit auf zeitlich ganz unterschiedliche Dinge. Ein derartiger Vorgang scheint sich bei einem Grab der früheisenzeitlichen Gesichtsurnenkultur in Schlesien ereignet zu haben, in das ein halbes Jahrtausend später Menschen eine Fibel ihrer Zeit ins Grab gelegt hatten2). 24
Es besteht aber auch die Möglichkeit einer natürlichen Einwirkung. Wenn sich beispielsweise in einem Skythengrab eine Patrone findet, so wird kein Ausgräber den Besitz von Gewehren bereits bei den Skythen annehmen3). Das ist eben das Werk von Wühlmäusen oder die Auswirkungen von Wurzelwerk. Dadurch ist so manche Scherbe oder manches andere kleinere Objekt unversehens in ältere Schichten transportiert worden und hat die Archäologen in arge Verlegenheit gebracht. Leichter erklärbar, ja mitunter vom Ausgräber dankbar als terminus post quem empfunden, sind ältere Funde in der Füllerde von Gruben und Gräbern jüngerer Zeiten. So hat der geschlossene Fund seine Grenzen der Erkennbarkeit und der absoluten Sicherheit, und trotzdem bildet er die Ausgangsposition für weitere chronologische Betrachtungen. Gräber mit einem oder mehreren aller Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig beigesetzten Toten oder kleine eng beieinanderliegende Depotfunde können als geschlossene Funde betrachtet werden, dagegen sind Grabkammern mit zahlreichen Bestatteten, nicht mehr in ihrer einstigen Geschlossenheit angetroffene Gräber oder Siedlungsgruben schon nur unter Vorbehalt als geschlossene Funde anzusehen. Siedlungsschichten und vor allem Opferplätze können Objekte aus mehreren Jahrhunderten bergen. ANMERKUNGEN R. HACHMANN: Die Chronologie der jüngeren vorrömischen Eisenzeit. 41. Bericht d. Röm.Germ. Kommission 1960, 1961, S. 89ff. 2 ) M. JAHN: In: Altschlesische Blätter 1940, S. 156ff. — Ähnliches gilt auch für ein anderes Grab der gleichen Kultur aus dem Weichselmündungsgebiet. 3 ) G. A. FEDOROW-DAWYDOW: Die Goldene Horde. Leipzig 1972, S. 48.
2.2. Die typologisch-chronologische
Methode
Auch hier drängt sich wie bei der stratigraphischen Methode zunächst die Scheu auf, von einer „Methode" zu sprechen, wenn auch aus anderen Gründen. Verbindet man mit dem Begriff „Methode" eine exakte Arbeitsweise mit ablesbaren, gesicherten oder jedenfalls sich in erkennbaren Fehlergrenzen haltenden Ergebnissen, dann mag man gegen den Gebrauch des Wortes Bedenken haben. Auf der anderen Seite besteht ja dieser damit verbundene wissenschaftliche Arbeitsvorgang nicht etwa in subjektiven Mutmaßungen oder willkürlichen Hypothesen, sondern erfordert eine verantwortungsbewußte Analyse und die Abstimmung mit anderen Datierungsmethoden. Man kann den Begriff der Typologie weit oder eng fassen. Zunächst braucht man unter Typologie wörtlich nur die Lehre von den Typen (Formen) zu verstehen, d. h. für unser archäologisches Material hieße dies nur die Gliederung in Typen und — das schon eine Erweiterung — der Vergleich der Typen miteinander. Auch diese vergleichende Formenkunde würde ein Hilfsmittel zur relativen Chronologie darstellen. Man kann Leitformen — wie in der Paläontologie die Leit25
Es besteht aber auch die Möglichkeit einer natürlichen Einwirkung. Wenn sich beispielsweise in einem Skythengrab eine Patrone findet, so wird kein Ausgräber den Besitz von Gewehren bereits bei den Skythen annehmen3). Das ist eben das Werk von Wühlmäusen oder die Auswirkungen von Wurzelwerk. Dadurch ist so manche Scherbe oder manches andere kleinere Objekt unversehens in ältere Schichten transportiert worden und hat die Archäologen in arge Verlegenheit gebracht. Leichter erklärbar, ja mitunter vom Ausgräber dankbar als terminus post quem empfunden, sind ältere Funde in der Füllerde von Gruben und Gräbern jüngerer Zeiten. So hat der geschlossene Fund seine Grenzen der Erkennbarkeit und der absoluten Sicherheit, und trotzdem bildet er die Ausgangsposition für weitere chronologische Betrachtungen. Gräber mit einem oder mehreren aller Wahrscheinlichkeit nach gleichzeitig beigesetzten Toten oder kleine eng beieinanderliegende Depotfunde können als geschlossene Funde betrachtet werden, dagegen sind Grabkammern mit zahlreichen Bestatteten, nicht mehr in ihrer einstigen Geschlossenheit angetroffene Gräber oder Siedlungsgruben schon nur unter Vorbehalt als geschlossene Funde anzusehen. Siedlungsschichten und vor allem Opferplätze können Objekte aus mehreren Jahrhunderten bergen. ANMERKUNGEN R. HACHMANN: Die Chronologie der jüngeren vorrömischen Eisenzeit. 41. Bericht d. Röm.Germ. Kommission 1960, 1961, S. 89ff. 2 ) M. JAHN: In: Altschlesische Blätter 1940, S. 156ff. — Ähnliches gilt auch für ein anderes Grab der gleichen Kultur aus dem Weichselmündungsgebiet. 3 ) G. A. FEDOROW-DAWYDOW: Die Goldene Horde. Leipzig 1972, S. 48.
2.2. Die typologisch-chronologische
Methode
Auch hier drängt sich wie bei der stratigraphischen Methode zunächst die Scheu auf, von einer „Methode" zu sprechen, wenn auch aus anderen Gründen. Verbindet man mit dem Begriff „Methode" eine exakte Arbeitsweise mit ablesbaren, gesicherten oder jedenfalls sich in erkennbaren Fehlergrenzen haltenden Ergebnissen, dann mag man gegen den Gebrauch des Wortes Bedenken haben. Auf der anderen Seite besteht ja dieser damit verbundene wissenschaftliche Arbeitsvorgang nicht etwa in subjektiven Mutmaßungen oder willkürlichen Hypothesen, sondern erfordert eine verantwortungsbewußte Analyse und die Abstimmung mit anderen Datierungsmethoden. Man kann den Begriff der Typologie weit oder eng fassen. Zunächst braucht man unter Typologie wörtlich nur die Lehre von den Typen (Formen) zu verstehen, d. h. für unser archäologisches Material hieße dies nur die Gliederung in Typen und — das schon eine Erweiterung — der Vergleich der Typen miteinander. Auch diese vergleichende Formenkunde würde ein Hilfsmittel zur relativen Chronologie darstellen. Man kann Leitformen — wie in der Paläontologie die Leit25
fossilien — und ganze Leithorizonte (mit mehreren Leitformen) herausarbeiten, die wertvolle Festpunkte für ein Datierungsgerüst liefern. Aber schon hier erhebt sich gleich die Frage, wie erstens die verschiedenen Leitformen untereinander zeitlich einzuordnen sind und zum zweiten, wie die „dazwischen liegenden" Formen, die nicht den Rang von Typen besitzen, im zeitlichen Verhältnis zu den Leitformen stehen. Selbstverständlich könnten wir die Stratigraphie heranziehen. Wo sie aber nicht anwendbar ist, sucht man nach anderen Wegen. Hier liegt nun unzweifelhaft das große Verdienst von Montelius, einen Weg gewiesen zu haben, der durch ihn und seit ihm als „typologische Methode" — nunmehr also den Begriff erweitert — bekannt ist. „Anstelle metaphysischen Betrachtens und willkürlichen Ordnens trat die Analyse nach den Grundsätzen der Evolution. Die Archäologie wurde zur Wissenschaft" (HERRMANN, 1965, 98). Die Methode beruht auf einer technologisch und in nicht geringem Maße auch psychologisch begründeten Tatsache, daß ein menschliches Produkt — ganz gleich ob ein Werkzeug, ein Schmuckstück, ein Haus oder etwas anderes — bewußt oder unbewußt einmal nach den vorhandenen Vorbildern und zum zweiten in dem Streben, das neuzuschaffende Produkt besser bzw. schöner zu gestalten, geformt wird. Man könnte diesen Vorgang als Parallelogramm der Kräfte sehen, wobei einmal die eine Komponente — nennen wir sie Tradition — in einem zweiten Falle die andere Komponente — nunmehr der schöpferische Fortschritt — als stärkere Kraft wirkt. Es drängen sich ja bei diesem ganzen Problem immer wieder stark evolutionistisch betonte Gedanken in den Vordergrund, was fast zu Gleichsetzungen mit naturwissenschaftlichen Vorgängen führt. Die Typologie der archäologischen Wissenschaft wäre die Übertragung des Darwinschen Entwicklungsgesetzes auf die menschlichen Erzeugnisse, das Verharren in alten Formen wäre die Auswirkung des Trägheitsgesetzes usw. MONTELITJS selbst dürfte bei der Ausarbeitung der Methode unter dem Einfluß des Evolutionismus seiner Zeit gestanden haben, und die große Arbeit von DARWIN (1859) hat ihn zweifelsohne stark angeregt, wenn er schreibt, daß „der Mensch bei seinem Schaffen von neuen Formen genöthigt (ist) demselben Gesetze der Entwicklung zu gehorchen, welches für die übrige Natur gilt" (1903, 20). Noch bewußter formulierte ÄBERG (1929, 5 0 8 ) : „Die Typologie ist die Anwendung des Darwinismus auf die Produkte der menschlichen Arbeit". Wir sollten keinesfalls die forschungsgeschichtliche Bedeutung des naturwissenschaftlichen Evolutionismus auf die Herausbildung der Archäologie als Wissenschaft unterschätzen, auf der anderen Seite uns aber völlig darüber klar sein, daß Natur und Gesellschaft trotz der gleichen allgemeinen Bewegungsgesetze, wie sie im dialektischen Materialismus begründet sind, ihre eigenen Formen der Entwicklung besitzen1). Bleiben wir noch bei dem vorher gezeichneten Bild des Parallelogramms der Kräfte, so wird bei der Analyse der beiden Komponenten sofort klar, in wie starkem Maße sie von der Persönlichkeit des Produzenten abhängig sind. Schon darin wird die Unmöglichkeit der Gleichsetzung biologischer Evolution und typologischer Entwicklung sichtbar. Bei dem einen Produkt ist menschliche Trägheit, 26
beim anderen Phantasie und Schöpferkraft spürbar. Aber kein Produzent wird sich völlig vom überkommenen Vorbild lösen können. Während bei einem Produktionsinstrument der Gebrauchszweck und das Streben nach höherer Arbeitsproduktivität die Form schafft, sind bei Schmuckstücken ästhetische Gründe entscheidend, die verständlicherweise zu viel mehr Variationen und Veränderungen führen und zusätzlich noch viel stärker durch modische Ströme von außerhalb beeinflußt werden können. Funktion und Charakter eines Produktes bestimmen darüber hinaus seine Empfindlichkeit für dessen Entwicklung. Eine paläolithische Nähnadel unterscheidet sich im Prinzip nur durch das Material von einer modernen Stahlnadel, weil sie von der Funktion her gar nicht anders aussehen kann. Die Gewandspange dagegen verändert sich von Periode zu Periode. Der Vergleich mit dem physikalischen Gesetz des Parallelogramms der Kräfte bleibt aber nicht dadurch eben nur ein Vergleich, daß die typologische Entwicklung durch das Subjekt Mensch und das Objekt Produkt bereits aus dem Bereich natürlicher Vorgänge genommen ist, sondern daß vielfältige Komponenten (Einflüsse) einwirken und daß vor allem die typologische Entwicklung eingebettet ist in die Geschichte der menschlichen Gesellschaft. So würde der größte Fehler in der Anwendung der typologischen Methode — und hier sprechen wir ganz bewußt von Methode, da diese Forderung eben ein Teil der Methode ist — jener sein, wenn wir die formenkundliche Entwicklung für sich allein betrachten würden. Vielmehr ist stets die Frage nach dem „Warum" zu stellen. Die Antwort ist bei Geräten, Werkzeugen und Waffen im allgemeinen auch zu finden, weil die Anpassung an die Umwelt, das Bemühen um verbesserte Technologie, um höhere Arbeitsproduktivität oder um bessere, wirkungsvollere Waffen die Form und Veränderung der Produkte bestimmen. Bei Keramik und erst recht bei Schmuck ist dies schon ungleich schwieriger oder auch gar nicht zu beantworten, da die Ästhetik ja nicht von rationalistischen Überlegungen, sondern emotionalen Empfindungen abhängig ist; und trotzdem machen die Produkte auch aus diesem Bereich keine „wilden Sprünge", sondern — wie jeder Blick in die Kunstgeschichte, besonders die Architektur, beweist, — zeigen bestimmte Entwicklungstendenzen. Damit sprechen wir keinesfalls das Wort einer mechanischen, immer wiederkehrenden Entwicklung, wie das in manchen Arbeiten zum Ausdruck kommt. M O N T B L I U S hat drei Beweise für die Richtigkeit einer typologischen Reihe herausgestellt: das typologische Rudiment, den geschlossenen Fund und den stratigraphiechen Befund. Letzterer Beweis ist der unzweideutigste, aber nicht immer ausreichend gegeben (S. 18). Der geschlossene Fund (S. 24) erhält in diesem Zusammenhang seine hohe Beweiskraft, wenn bestimmte Typen verschiedener typologischer Reihen immer wieder zusammengefunden werden, wobei durch den verschiedenen Grad der typologischen Empfindlichkeit auf einen Typ eines Objektes A zwei oder noch mehr Typen eines Objektes B zusammentreffen, also gleichzeitig sein können. Außerdem ist es verständlich, wenn Formen benachbarter Stufen auch einmal mit in einem Fund auftreten, in den sie nach 27
unserer Chronologie nicht hineingehören dürften. Aber die Perioden, Stufen und Phasen eines Chronologiegerüstes sind eben von uns künstlich geschaffene Abschnitte mit Grenzen, die Leitformen nicht immer respektieren. Das typologische Rudiment oder Relikt ist ein wertvolles Indiz für die Richtung einer Entwicklung, wenn eine Spirale, ein Niet, eine Umwicklung, eine Verstärkung — also etwas, was ursprünglich eine Funktion am Gerät, Werkzeug oder Schmuckstück hatte — diese Funktion verloren hat, aber doch noch geformt wird, dann zum rudimentären Rest verkümmert, vielleicht noch durch eine Linie oder einen Punkt angedeutet wird, um schließlich gänzlich zu verschwinden. Man soll aber auch hierbei nicht die Möglichkeit des umgekehrten Weges übersehen, indem ein Punkt oder eine Linie, eine Delle oder Leiste als „Reizstelle" wirkt und zur Anbringung eines den Gebrauch des Gegenstandes verbessernden funktionellen Teiles führt. Auf dem Gebiet der darstellenden Kunst kann sich ein analoger Vorgang vollziehen, wenn Figuren, Szenen und Inschriften auf Gefäßen, Münzen u. dgl. von fremden, meist „barbarischen" Produzenten auf ihre Erzeugnisse übernommen werden, aber deren Inhalt und Wesen nicht verstanden werden. So entstehen dann verzeichnete, mitunter gerade noch erkennbare, meist aber sinnlose Zeichen. Für die Anwendung der typologischen Methode gibt es kein allgemein gültiges Rezept, auf der anderen Seite darf es aber nicht dem Formengefühl des Einzelnen überlassen bleiben. Würde es von der subjektiven Einschätzung allein abhängen, wäre der wissenschaftliche Wert sehr gering. Neben den drei eben genannten Kontrollmöglichkeiten dürfen typologische Entwicklungsreihen nur mit Quellenmaterial e i n e r archäologischen Kulturprovinz erarbeitet werden, wobei es sogar in diesem Falle zu unterschiedlichen Entwicklungen im Zentrum und an der Peripherie kommen kann. Außerdem sollten wir keinesfalls nur eine formalmechanische Entwicklung konstruieren, sondern immer wieder den Zusammenhang mit der allgemein-historischen Entwicklung herstellen. Wir können das in Fragen formulieren wie: was hat den Menschen zu dieser oder jener Veränderung veranlaßt? gibt es technologische oder ökonomische Gründe? können gesellschaftliche Ursachen vorliegen? kann mit fremden Einflüssen gerechnet werden? Diese Fragen zu stellen und sie zu beantworten versuchen, gehört auch zur Methode. Unter diesen Bedingungen, Voraussetzungen und Kontrollen wird nicht nur die archäologisch vergleichende Betrachtung der Quellen (der Typologie im engeren Sinne), sondern auch die Erarbeitung typologischer Entwicklungsreihen (der Typologie im weiteren Sinne) eine Hilfe bei der Ordnimg und der relativen Zeitbestimmung des archäologischen Quellenmaterials bilden. ANMERKUNG x
) Zu diesem fundamentalen Unterschied von Natur- und Gesellscbaftsgesetzen vgl. H E K R MANN 1965, 107ff. — Vgl. auch die interessante Darstellung der Entwicklung der archäologischen Methoden im Rahmen der gesamten Geistesgeschichte durch W. P A D B E R G , 1953, 19 ff.
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2.3. Die archäologisch-historische
Datierungsmöglichkeit
Seit jenem Zeitpunkt, als in den am weitesten vorangeschrittenen Gebieten eine schriftliche Überlieferung und dadurch erste historische Daten vorliegen, wird es auch möglich, das archäologische Quellenmaterial außerhalb dieser progressiven Gebiete zu datieren. Daß die Daten auch dann nicht unmittelbar „ablesbar" sind, liegt auf der Hand. Vielmehr müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Erfindung des Kalenders ist zwar bereits in sehr früher Zeit und auch mehrmals unabhängig voneinander in verschiedenen Kulturen der Erde erfolgt, aber der Kalender hat bis heute seine Unzulänglichkeiten behalten. Das liegt vor allem daran, daß wir unterschiedliche kosmische Bezugssysteme haben: 1 Tag entspricht einer einmaligen Drehung der Erde um ihre Achse, 1 J a h r dagegen der Bewegung der Erde um die Sonne und 1 Monat gar dem Phasendurchlauf des Mondes. Alle drei Zeitmessungen lassen sich nicht mit vollen Einheiten koordinieren. 1 Jahr entspricht 365 Tagen -f- 5 Stunden -f- 48 Minuten + 46 Sekunden, 1 Monat wiederum 29 Tagen + 12 Stunden + 44 Minuten + 2,9 Sekunden. Auf die Monatseinteilung könnte man ja verzichten, und sie deckt sich ja auch schon lange nicht mehr mit den Mondphasen. Aber auch ein J a h r in eine bestimmte Zahl von Tagen einzuteilen, ist nicht möglich: 365 Tage sind zu wenig, 366 Tage wiederum zu viel.' Seit dem Kalender der alten Ägypter, über den weiter unten Näheres zu sagen sein wird, bemüht man sich um eine optimale Lösung, die darin bestehen muß, zusätzlich einzelne Tage in bestimmten Abständen einzuschalten. Während im altrömischen Kalender dies im Belieben der Priester stand, die nebenbei damit durch zeitgerechte Geldgeschäfte noch Gewinne erzielten, setzte der auf Verranlassung von Julius Caesar eingeführte „Julianische Kalender" feste Schaltjahre (alle 4 Jahre ein zusätzlicher Tag) und eine Monatsdauer von 30 bzw. 31 Tagen fest. Eine einfache Rechnung erweist, daß damit nach einiger Zeit 29
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2.3. Die archäologisch-historische
Datierungsmöglichkeit
Seit jenem Zeitpunkt, als in den am weitesten vorangeschrittenen Gebieten eine schriftliche Überlieferung und dadurch erste historische Daten vorliegen, wird es auch möglich, das archäologische Quellenmaterial außerhalb dieser progressiven Gebiete zu datieren. Daß die Daten auch dann nicht unmittelbar „ablesbar" sind, liegt auf der Hand. Vielmehr müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die Erfindung des Kalenders ist zwar bereits in sehr früher Zeit und auch mehrmals unabhängig voneinander in verschiedenen Kulturen der Erde erfolgt, aber der Kalender hat bis heute seine Unzulänglichkeiten behalten. Das liegt vor allem daran, daß wir unterschiedliche kosmische Bezugssysteme haben: 1 Tag entspricht einer einmaligen Drehung der Erde um ihre Achse, 1 J a h r dagegen der Bewegung der Erde um die Sonne und 1 Monat gar dem Phasendurchlauf des Mondes. Alle drei Zeitmessungen lassen sich nicht mit vollen Einheiten koordinieren. 1 Jahr entspricht 365 Tagen -f- 5 Stunden -f- 48 Minuten + 46 Sekunden, 1 Monat wiederum 29 Tagen + 12 Stunden + 44 Minuten + 2,9 Sekunden. Auf die Monatseinteilung könnte man ja verzichten, und sie deckt sich ja auch schon lange nicht mehr mit den Mondphasen. Aber auch ein J a h r in eine bestimmte Zahl von Tagen einzuteilen, ist nicht möglich: 365 Tage sind zu wenig, 366 Tage wiederum zu viel.' Seit dem Kalender der alten Ägypter, über den weiter unten Näheres zu sagen sein wird, bemüht man sich um eine optimale Lösung, die darin bestehen muß, zusätzlich einzelne Tage in bestimmten Abständen einzuschalten. Während im altrömischen Kalender dies im Belieben der Priester stand, die nebenbei damit durch zeitgerechte Geldgeschäfte noch Gewinne erzielten, setzte der auf Verranlassung von Julius Caesar eingeführte „Julianische Kalender" feste Schaltjahre (alle 4 Jahre ein zusätzlicher Tag) und eine Monatsdauer von 30 bzw. 31 Tagen fest. Eine einfache Rechnung erweist, daß damit nach einiger Zeit 29
zu viel Tage eingeschaltet werden. Um 1580 war der Kalender tatsächlich um 10 Tage vorausgeeilt, so daß Papst Gregor X I I I . eine Reformierung des Kalenders vornahm („Gregorianischer Kalender"). Zunächst fielen 10 Tage aus (den 4. bis 15. 10. 1582 hat es so nie gegeben), und das erste Jahr eines neuen Jahrhunderts, das an sich ein Schaltjahr war, blieb davon ausgenommen, außer wenn es durch 400 teilbar ist (also 1900 war kein Schaltjahr, während das Jahr 2000 wieder eins sein wird). Ostern wurde nicht an den Kalender gebunden, sondern blieb entsprechend der jüdischen Überlieferung am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond; bekanntlich gibt es z. Z. Bestrebungen, das Osterfest wieder auf einen festen Kalendertermin zu legen. Das sind Probleme, mit denen — hier gezeigt am Römischen Kalender, der von der katholischen Kirche übernommen und heute allgemein auf der Welt verbreitet ist — sich alle Kalender„macher" bei den verschiedensten Völkern konfrontiert sahen. Eine andere Frage war der Beginn und damit die Zählung. Heute sprechen wir in aller Welt von Jahren vor bzw. nach Beginn „unserer Zeitrechnung". Ursprünglich war diese Zeitrechnung nur in den Gebieten der römisch-katholischen Kirche verbreitet, die den Beginn mit dem angeblichen Jahr der Geburt Christi gleichzusetzen gedacht hatte. Diesen Termin hatte schon um 500 ein Abt Dionysios berechnet, die Zählung danach wurde aber erst um 1000 gebräuchlich. Da wir nur die biblische, aber keine historische Überlieferung über die Geburt Christi besitzen, ist eine exakte Jahresangabe auch gar nicht möglich. Wenn der im Neuen Testament genannte „Stern von Bethlehem" als die Konjunktur von Jupiter und Saturn gedeutet werden kann (wie es bereits K E P L E R ausgesprochen hat), so dürfte Christus bereits 7 Jahre früher geboren sein. Die vorchristlichen und ebenso die nichtchristlichen Völker hatten wiederum andere tatsächliche oder sagenhafte Ereignisse als Anfangspunkt ihrer Jahreszählung. Für die Römer war es die sagenhafte Gründung der Stadt Rom ( = 753 v. u. Z.), für den Islam der Auszug Mohammeds aus Mekka ( = 622 u. Z.), die Griechen zählten seit 776 v. u. Z. nach den Olympischen Spielen (4 Jahre = 1 Olympiade), nach dem jüdischen Kalender fiel das Jahr 1 gar mit der Erschaffung der Welt zusammen, die 3761 v. u. Z. erfolgt wäre. Im Bereich der griechischorthodoxen Kirche existierte ein dem gregorianischen Kalender verwandter Kalender, der erst mit der sozialistischen „Oktober"-Revolution, die bekanntlich im November erfolgte, sein Ende fand. Der mohammedanische Kalender wurde in der Türkei erst 1927 abgelöst. Die Erwähnung des jüdischen Kalenders und dessen festgelegter Beginn zeigt uns sehr anschaulich, in welcher Weise man auch für längst vergangene Zeiten einen Kalender aufzustellen versucht. Das Jahr 3761 — so unsinnig uns das heute anmutet — wurde nach den Angaben im Alten Testament „berechnet", indem man die dort ja oft genannten Lebensjahre der Urväter zusammenrechnete und schließlich bis zum ersten Menschenpaar und den 6 Tagen kam, in denen Gott die Erschaffung der Welt gelang. In ähnlicher Weise haben auch andere Völker bzw. erst die moderne Wissen30
schaft versucht, zu einem Chronologiesystem in die Zeiten vor Einführung eines Kalenders zu gelangen. Das kann mit überlieferten Herrscherlisten oder Nennungen von Ereignissen mit Angabe der inzwischen verflossenen Jahre erfolgen. Wie weit diese Angaben den historischen Tatsachen entsprechen oder durch die Form der Überlieferung gänzlich in das Reich von Sage und Mythe verbannt werden müssen oder jedenfalls einen nur sehr unsicheren Wert besitzen, ist Sache der quellenkritischen historischen Forschung. Mit Hilfe derartiger Chronologiesysteme oder Kalender können die materiellen Funde, Bauwerke, Fundschichten usw. datiert werden. Durch formenkundliche Vergleiche oder das Erscheinen von durch Handel, Raub oder Geschenk „exportierten" Produkten ist damit die Möglichkeit gegeben, archäologische Quellen auch in den Gebieten außerhalb dieser Hochkulturen zu datieren. Ob die dabei eintretende Verzögerung für das immerhin sehr grobe archäologische Zeitschema von Belang ist, bleibt wiederum Aufgabe der quellenkritischen Analyse. Für die europäische Urgeschichte ergibt sich erstmalig diese Möglichkeit für das ausgehende 4. Jahrtausend und vor allem für das 3. Jahrtausend, als in Ägypten und Vorderasien auf Grund der schriftlichen Quellen einigermaßen gesicherte Chronologiesysteme vorhanden sind. Über diese beiden Chronologien wird noch zu sprechen sein (S. 32). Das 2. Jahrtausend v. u. Z. stützt sich ebenfalls auf die nunmehr erheblich gesichertere Chronologie dieser Länder, dann aber auf die der kretischen (minoischen) und mykenischen (helladischen) Kultur, die beide miteinander und vor allem mit der ägyptischen Kultur und Chronologie verbunden sind. Für das letzte Jahrtausend v. u. Z. ist uns die Chronologie Griechenlands, die auf den Stilepochen, besonders der unterschiedlichen Vasenmalerei, und dann auf der schriftlichen Überlieferung aufgebaut ist, eine große Hilfe. Auf Grund der starken Kolonisationstätigkeit der Griechen und anderer Völker im Mittelmeer- und Schwarzmeergebiet mit den zahlreichen, mitunter auf das Jahr genau zu datierenden Stadtgründungen werden die Stützen der europäischen Chronologie dichter und zudem immer mehr gesichert. Seit der Mitte des letzten Jahrtausends verhilft uns dann Rom und das Römische Reich zu einem Chronologiesystem, das mitunter eine Feingliederung auf einzelne Jahrzehnte erlaubt. Wir müssen uns aber immer darüber klar sein, daß auch die zuverlässigste h i s t o r i s c h e Chronologie eine a r c h ä o l o g i s c h e Chronologie und die Datierung von Funden niemals sozusagen auf das Jahr genaue Angaben ermöglicht. Läßt sich noch die Herstellungszeit vielleicht etwas eingrenzen, so bleibt die Frage der „Umlaufzeit", bis das Produkt in ein Grab gelegt wird oder in einer Siedlungsschicht seinen letzten Platz findet, doch sehr offen. Gerade wertvolle Stücke können über Generationen hin vererbt worden sein. Münzen, deren Prägezeit ja meist genau festliegt, sind oft erst Jahrhunderte später in ein Grab gekommen. Beispielhaft dafür ist das Grab Childerichs, dessen Todesjahr 482 bekannt ist, dem Münzen von der republikanischen Zeit an bis zu Prägungen der Kaiser Leo und Zeno, Zeitgenossen Childerichs, also aus 5 Jahrhunderten, mitgegeben wurden. Man stelle sich die Gefahr einer Fehldatierung vor, wenn einem Toten des 5. Jahr31
hunderts nur eine republikanische Münze — sozusagen als Antiquität — mitgegeben worden wäre! Die Länge der Umlaufzeit wird von der Wissenschaft verschieden eingeschätzt, und so entstehen „lange" und „kurze" Chronologien. Aber trotzdem sind die chronologischen Fixpunkte nunmehr so vielfach, daß wir unter Beachtung des Quantitätskriteriums und unter Berücksichtigung gewisser allgemein-kultureller und konkret-historischer Gesichtspunkte doch zu einem ausreichend gesicherten Chronologiesystem mit einer Genauigkeit von einem Vierteljährhundert oder in Einzelfällen sogar von Jahrzehnten gekommen sind. Da die altorientalische Chronologie die erste und für etwa zwei Jahrtausende auch die einzige Stütze der europäischen Urgeschichtschronologie bildet und um exemplarisch die Schwierigkeiten aufzuzeigen, sollen der ägyptischen und vorderasiatischen Chronologie ein paar weitere Bemerkungen gewidmet werden. 2.3.1. Die historische Chronologie A l t ä g y p t e n s Die historische Chronologie des alten Ägyptens stützt sich im wesentlichen auf die Königsabfolge. Ein wissenschaftliches Herangehen an diese Fragen gelang erst im 19. Jahrhundert auf der Grundlage der Lesung altägyptischer Inschriften. Man kam zu der Erkenntnis, daß die bei Herodot und anderen antiken Autoren gemachten Angaben, die bis dahin der Geschichtsschreibung zur Grundlage dienten, nur von der Spätzeit an brauchbares chronologisches Material liefern. Eine Ausnahme macht jedoch das von jüdischen Schriftstellern und christlichen Chronographen in Auszügen überlieferte Werk des Manetho, eines ägyptischen Priesters aus Sebennytos. Unter Ptolemäus II. verfaßte er um 280 v. u. Z. seine auf altägyptischem Quellenmaterial beruhenden Aigyptiaka hypomnemata in drei Büchern. Noch heute verwenden wir seine Aufgliederung der Könige in 30 Dynastien, wobei sich Korrekturen vereinzelt in der Königsabfolge, vor allem aber hinsichtlich der angegebenen (unzuverlässigen) Daten notwendig machten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden im Niltal einige altägyptische Königslisten gefunden, die die Überprüfung und Ergänzung von Manethos Nachrichten erlaubten. Solche Listen mußten während der Pharaonenzeit geführt werden, da es eine durchgehende, von der Regierungsdauer des jeweiligen Herrschers unabhängige Jahreszählung nicht gab. Der leider stark zerstörte und daher hinsichtlich seiner ursprünglichen Anordnung nicht sicher zu rekonstruierende Turiner Königspapyrus ist gegen Ende der 19. Dynastie in Memphis geschrieben worden und befindet sich seit 1823 in Turin. Er enthält die Namen und Regierungsjahre der Könige von der 1. bis zur 19. Dynastie samt den voraufgehenden „Götterdynastien", wobei die Regierungsjähre am Ende einer jeden Dynastie summiert erscheinen ; er bestätigt auch die Dynastieneinteilung Manethos. Die Tafel von Sakkara, 1860 im Grab des Tener gefunden, enthielt ohne Jahresangaben 58 Königsnamen der 1. bis 19. Dynastie (47 davon sind erhalten). Die Königsliste von Abydos wurde 1864 im Tempel Sethos' I. entdeckt. Ohne Jahres32
hunderts nur eine republikanische Münze — sozusagen als Antiquität — mitgegeben worden wäre! Die Länge der Umlaufzeit wird von der Wissenschaft verschieden eingeschätzt, und so entstehen „lange" und „kurze" Chronologien. Aber trotzdem sind die chronologischen Fixpunkte nunmehr so vielfach, daß wir unter Beachtung des Quantitätskriteriums und unter Berücksichtigung gewisser allgemein-kultureller und konkret-historischer Gesichtspunkte doch zu einem ausreichend gesicherten Chronologiesystem mit einer Genauigkeit von einem Vierteljährhundert oder in Einzelfällen sogar von Jahrzehnten gekommen sind. Da die altorientalische Chronologie die erste und für etwa zwei Jahrtausende auch die einzige Stütze der europäischen Urgeschichtschronologie bildet und um exemplarisch die Schwierigkeiten aufzuzeigen, sollen der ägyptischen und vorderasiatischen Chronologie ein paar weitere Bemerkungen gewidmet werden. 2.3.1. Die historische Chronologie A l t ä g y p t e n s Die historische Chronologie des alten Ägyptens stützt sich im wesentlichen auf die Königsabfolge. Ein wissenschaftliches Herangehen an diese Fragen gelang erst im 19. Jahrhundert auf der Grundlage der Lesung altägyptischer Inschriften. Man kam zu der Erkenntnis, daß die bei Herodot und anderen antiken Autoren gemachten Angaben, die bis dahin der Geschichtsschreibung zur Grundlage dienten, nur von der Spätzeit an brauchbares chronologisches Material liefern. Eine Ausnahme macht jedoch das von jüdischen Schriftstellern und christlichen Chronographen in Auszügen überlieferte Werk des Manetho, eines ägyptischen Priesters aus Sebennytos. Unter Ptolemäus II. verfaßte er um 280 v. u. Z. seine auf altägyptischem Quellenmaterial beruhenden Aigyptiaka hypomnemata in drei Büchern. Noch heute verwenden wir seine Aufgliederung der Könige in 30 Dynastien, wobei sich Korrekturen vereinzelt in der Königsabfolge, vor allem aber hinsichtlich der angegebenen (unzuverlässigen) Daten notwendig machten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden im Niltal einige altägyptische Königslisten gefunden, die die Überprüfung und Ergänzung von Manethos Nachrichten erlaubten. Solche Listen mußten während der Pharaonenzeit geführt werden, da es eine durchgehende, von der Regierungsdauer des jeweiligen Herrschers unabhängige Jahreszählung nicht gab. Der leider stark zerstörte und daher hinsichtlich seiner ursprünglichen Anordnung nicht sicher zu rekonstruierende Turiner Königspapyrus ist gegen Ende der 19. Dynastie in Memphis geschrieben worden und befindet sich seit 1823 in Turin. Er enthält die Namen und Regierungsjahre der Könige von der 1. bis zur 19. Dynastie samt den voraufgehenden „Götterdynastien", wobei die Regierungsjähre am Ende einer jeden Dynastie summiert erscheinen ; er bestätigt auch die Dynastieneinteilung Manethos. Die Tafel von Sakkara, 1860 im Grab des Tener gefunden, enthielt ohne Jahresangaben 58 Königsnamen der 1. bis 19. Dynastie (47 davon sind erhalten). Die Königsliste von Abydos wurde 1864 im Tempel Sethos' I. entdeckt. Ohne Jahres32
angaben sind hier 76 Namen der 1. bis 19. Dynastie aufgeführt. Eine sehr beschädigte Kopie davon ist aus der Zeit Ramses' II. bekannt. 1825 entdeckte man die unter Thutmosis III. entstandene Tafel von Karnak. Von ihren ursprünglich 61 Namen waren noch 48 ganz oder teilweise lesbar. Sie entstammen zum großen Teil der 13. Dynastie. Ein Teil von ihnen fehlt in anderen Listen. Die Reihenfolge ist unrichtig angegeben. Der seit 1877 in der Hauptstadt Siziliens aufbewahrte Palermostein ist das Bruchstück einer Tempelstele der 5. Dynastie, auf der die Königsannalen der 1. bis 5. Dynastie und einiger „vorgeschichtlicher" Könige einschließlich ihrer Regierungszeiten aufgeführt waren. Ähnliche, kleinere Fragmente finden sich in Kairo und London. Obwohl durch diese Listen und durch andere Denkmäler die altägyptischen Könige zum allergrößten Teil bekannt sind und ihre Reihenfolge weitgehend feststeht, bereitet die Rückgewinnung der absoluten Chronologie noch immer Schwierigkeiten. Regierungsdaten liegen nicht durchgängig vor. Aber auch wo sie vorhanden sind, würde eine einfache Aufrechnung zu falschen Ergebnissen führen, denn die Listen zählen mitunter die gleichzeitigen Herrscher (Mitregentschaften, Thronstreitigkeiten) oder sogar — für Zeiten fehlender staatlicher Einheit — Dynastien (9.—11., 13.—17., 2 2 . - 2 5 ) als nacheinander regierend auf, ganz abgesehen davon, daß die Regierungsdaten verschiedener Quellen sich manchmal erheblich widersprechen. Mit Hilfe der Astronomie und auf Grund der Eigentümlichkeiten des altägyptischen Kalenders war es aber möglich, einige absolute Fixpunkte zu gewinnen. Das ägyptische Kalenderjahr wurde — vermutlich seit 2772 v. u. Z. — aus Erfahrungswerten nach der jährlich eintretenden Nilüberschwemmung auf 365 Tage berechnet. Man unterschied drei Jahreszeiten von je vier Monaten zu je dreißig Tagen: Überschwemmung, Aussaat und Ernte — dazu kamen fünf Ergänzungstage („Epagomenen"). Da das Sonnenjahr bekanntlich etwa dQÓ1^ Tage zählt (vgl. S. 29), mußte sich der Neujahrstag gegenüber dem Beginn der Nilflut, mit der er eigentlich zusammenfiel, alle vier Jahre um einen Tag verschieben. Als der Fehler deutlich sichtbar wurde, suchte man nach einem Korrektiv und fand es im ersten Frühaufgang des Sothissterns (vor der Sonne), einem Ereignis, das die Nilflut zuverlässig ankündigte. Es existierten also praktisch zwei Jahresrechnungen nebeneinander, die nur einmal im Verlauf von rund 365 • 4 = 1460 Jahren, nach einer „Sothisperiode" also, völlig übereinstimmten. Solche Koinzidenzen gab es etwa in den Jahren 139 u. Z. (nach Censorinus), 1318 v. u. Z. (kurz vor der Thronbesteigung Sethos' I.), 2776 v. u. Z., 4231 v. u. Z. usw. Aber auch dann, wenn der Tag eines beliebigen Sothisfrühaufgangs in den Quellen angegeben ist, kann eine ziemlich genaue Berechnung des Jahres erfolgen. Derartige Sothisdaten sind durch die Kahunpapyri für das 7. Jahr Sesostris' III. (etwa 1872 v. u. Z.) durch den Papyrus Ebers für das 9. Jahr Amenophis' I. (etwa 1536 v. u. Z.) und ohne Jahresangabe aus der Regierungszeit Thutmosis' III. erhalten. Unter Verwendung der Königslisten lassen sich daher für das Mittlere und Neue Reich recht genaue Zeitangaben ermitteln. Leider fehlen Sothisdaten völlig für die dem Mittleren Reich vorangehenden 3
Chronologie der Urgeschichte
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Perioden; ihre Datierung bleibt daher — auch angesichts der teilweise zweifelhaften Mitteilungen über Regierungszeiten — weiterhin unsicher. Der Versuch L. BOBCHAKDTS, mittels Rückrechnung der Sothisperioden den Beginn der 1 . Dynastie in das 5. Jahrtausend v. u. Z. hinauf zu verlegen, ist jedoch mit Recht als willkürlich abgelehnt worden. Das Menesdatum wird heute — mit Abweichungen von mehreren Jahrhunderten — um 3000 v. u. Z. angesetzt. Hierfür war auch mitbestimmend die Erkenntnis, daß die spätvordynastische Periode Ägyptens wegen des Auftretens von kulturellen Einflüssen der mesopotamischen Uruk-/ Dschemdet-Nasr-Periode nicht vor dieser angesetzt werden könne. Auch sonst lassen sich zur zeitlichen Festlegung in gewissem Maße historische Synchronismen benutzen, die sich im Verhältnis zur altvorderasiatischen Geschichte ergeben. So läßt sich ein König Neferhotep aus der 13. Dynastie über das Archiv von Mari mit der Hammurabizeit verknüpfen, deren.Datierimg aber ebenfalls noch schwankt. Das Staatsarchiv von Amarna aus der Zeit Echnatons (18. Dynastie) ergibt Synchronismen zu Assuruballit von Assyrien und Burnaburias von Babylon; Tutanchamun (18. Dynastie) und Ramses II. (19. Dynastie) waren nachgewiesenermaßen Zeitgenossen der Hethiterkönige Supiluliuma bzw. Hattuüili III. Diese hier erwähnten Verknüpfungen sind für den Aufbau der relativen Chronologie des Alten Orients von großer Bedeutung; sie gestatten jedoch bisher nirgends eine sichere Datierung. Zur Schaffung einer Chronologie der frühen Perioden Ägyptens sind aber auch die anderen Methoden der Archäologie zu nutzen. Auf der Grundlage formenkundlicher Vergleiche und Fundkombinationen beruht das von W. M. Flinders P E T R I E entwickelte System der Staffeldaten (sequence dat.es). Mit seiner Hilfe stellte er eine relative Chronologie her, die seither von verschiedenen Wissenschaftlern verbessert worden ist. Wie weit uns die C14-Methode eine Hilfe bei der ägyptischen Chronologie ist, wird später bei Betrachtung dieser Methode zu besprechen sein (S. 103 mit Abb. 26). LITERATUR 1965 1965 1906
EHRICH, R. W.: Chronologies in OLD World Archaeology. Chicago, London. GABDINER, A. H.: Geschichte des alten Ägypten (S. 46—74, 488—517). Stuttgart. GINZEL, F. K.: Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie. 1. Bd.
1904
MEYER, E.: Ägyptische Chronologie. Philos. u. histor. Abhandlungen d. kgl. preuß. Akad. d. Wiss. 1904/1, Berlin. MEYER, E.: Geschichte des Altertums. 1. Bd., 2. Hälfte, Nachdruck, Darmstadt. SCHARFF, A. und A. MOORTGAT: Ägypten und Vorderasien im Altertum. 2. Aufl. (S. 32-39), München.
(S. 1 5 0 - 2 3 7 ) , Leipzig.
1954 1959
2.3.2. D i e h i s t o r i s c h e C h r o n o l o g i e A l t v o r d e r a s i e n s Das Problem der Chronologie ist aus verschiedenen historischen und quellenkritischen Gründen hier anders als in Ägypten gelagert. Bestand am Nil in der Regel während der Epoche der frühen Klassengesellschaft nur ein Staat mit kon34
Perioden; ihre Datierung bleibt daher — auch angesichts der teilweise zweifelhaften Mitteilungen über Regierungszeiten — weiterhin unsicher. Der Versuch L. BOBCHAKDTS, mittels Rückrechnung der Sothisperioden den Beginn der 1 . Dynastie in das 5. Jahrtausend v. u. Z. hinauf zu verlegen, ist jedoch mit Recht als willkürlich abgelehnt worden. Das Menesdatum wird heute — mit Abweichungen von mehreren Jahrhunderten — um 3000 v. u. Z. angesetzt. Hierfür war auch mitbestimmend die Erkenntnis, daß die spätvordynastische Periode Ägyptens wegen des Auftretens von kulturellen Einflüssen der mesopotamischen Uruk-/ Dschemdet-Nasr-Periode nicht vor dieser angesetzt werden könne. Auch sonst lassen sich zur zeitlichen Festlegung in gewissem Maße historische Synchronismen benutzen, die sich im Verhältnis zur altvorderasiatischen Geschichte ergeben. So läßt sich ein König Neferhotep aus der 13. Dynastie über das Archiv von Mari mit der Hammurabizeit verknüpfen, deren.Datierimg aber ebenfalls noch schwankt. Das Staatsarchiv von Amarna aus der Zeit Echnatons (18. Dynastie) ergibt Synchronismen zu Assuruballit von Assyrien und Burnaburias von Babylon; Tutanchamun (18. Dynastie) und Ramses II. (19. Dynastie) waren nachgewiesenermaßen Zeitgenossen der Hethiterkönige Supiluliuma bzw. Hattuüili III. Diese hier erwähnten Verknüpfungen sind für den Aufbau der relativen Chronologie des Alten Orients von großer Bedeutung; sie gestatten jedoch bisher nirgends eine sichere Datierung. Zur Schaffung einer Chronologie der frühen Perioden Ägyptens sind aber auch die anderen Methoden der Archäologie zu nutzen. Auf der Grundlage formenkundlicher Vergleiche und Fundkombinationen beruht das von W. M. Flinders P E T R I E entwickelte System der Staffeldaten (sequence dat.es). Mit seiner Hilfe stellte er eine relative Chronologie her, die seither von verschiedenen Wissenschaftlern verbessert worden ist. Wie weit uns die C14-Methode eine Hilfe bei der ägyptischen Chronologie ist, wird später bei Betrachtung dieser Methode zu besprechen sein (S. 103 mit Abb. 26). LITERATUR 1965 1965 1906
EHRICH, R. W.: Chronologies in OLD World Archaeology. Chicago, London. GABDINER, A. H.: Geschichte des alten Ägypten (S. 46—74, 488—517). Stuttgart. GINZEL, F. K.: Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie. 1. Bd.
1904
MEYER, E.: Ägyptische Chronologie. Philos. u. histor. Abhandlungen d. kgl. preuß. Akad. d. Wiss. 1904/1, Berlin. MEYER, E.: Geschichte des Altertums. 1. Bd., 2. Hälfte, Nachdruck, Darmstadt. SCHARFF, A. und A. MOORTGAT: Ägypten und Vorderasien im Altertum. 2. Aufl. (S. 32-39), München.
(S. 1 5 0 - 2 3 7 ) , Leipzig.
1954 1959
2.3.2. D i e h i s t o r i s c h e C h r o n o l o g i e A l t v o r d e r a s i e n s Das Problem der Chronologie ist aus verschiedenen historischen und quellenkritischen Gründen hier anders als in Ägypten gelagert. Bestand am Nil in der Regel während der Epoche der frühen Klassengesellschaft nur ein Staat mit kon34
tinuierlicher Tradition, so lösten in Vorderasien immer wieder andere Staatsbildungen ihre Vorgänger ab. Zudem blieb die Klassengesellschaft nicht auf einen von den Naturbedingungen gegebenen Raum beschränkt, sondern die Zentren staatlicher Ordnung wechselten; alte verfielen, neue entstanden, und auch bisher noch urgesellschaftlich bestimmte Regionen erschlossen sich der mit dem Staat entstehenden Kultur. Die auf schriftlichen Quellen beruhende Chronologie setzt ja die Existenz der Schrift voraus, und diese ist historisch mit der Entstehung des Staates verbunden. Da nach unserem derzeitigen Wissen Mesopotamien die erste Region gewesen ist, in der Staat und Schrift entstanden, sollten wir annehmen, daß wir hier auch mit den Schriftquellen und der aus ihnen zu erschließenden sicheren historischen Daten am weitesten in die Vergangenheit zurückgreifen könnten. Leider trifft das nicht zu, da auch die Erhaltungsmöglichkeiten für Texte eine entscheidende Rolle spielen. Im Gegensatz zu Ägypten, das an den Rändern des Niltals reich mit Steinmaterial versehen ist und dementsprechend auch über viele Texte auf Steinplatten verfügt, fehlt dieses Material in Südmesopotamien. Während Ägyptens Papyri im Sand der Wüste, in den man Tote und Beigaben legte, die Jahrtausende überdauerten, blieben in Mesepotamien wegen der hohen Bodenfeuchtigkeit vergängliche Materialien kaum erhalten. Noch folgenschwerer waren jedoch historische Faktoren. Ägypten übernahmen die Ptolemäer mehr oder weniger intakt und paßten sich der Tradition an. Selbst die Römer erlebten noch die lebendige Kultur des Nillandes und vermochten ihr rationelle Elemente, wie den Kalender, zu entlehnen. In Vorderasien trafen schon die Griechen auf die in Trümmern liegenden Kulturzentren; selbst deren spärliches Erbe wurde nur mühsam unter den Seleukiden gepflegt, bis es dann im Einfall der Parther, dem Aufstand der Sasaniden und im Sturm des Islams zerbrach. Die direkten Traditionsketten sind schon früh abgerissen, und als die vorderasiatische Altertumskunde begann, hatte sie nur den sogenannten ptolemäischen Kanon, einige griechische Reiseberichte und die Traditionen der Bibel als Wegweiser. Alle seither gewonnenen Daten sind mit archäologischen Mitteln gewonnen, nämlich aus Texten, die bei Ausgrabungen zutage traten. Zumeist handelt es sich um Tontafeln, die teils als GeschichtsaufZeichnungen beabsichtigt, teils aus anderen Gründen Daten enthalten. Auf kombinatorische Weise ist so ein Datennetz gewonnen, das leider weder vollständig noch in allen Teilen befriedigend ist. Sichere Daten besitzen wir bisher nur für die Zeiten nach etwa 1500 v. u. Z. Davor liegt eine Periode, für die drei Chronologievorschläge erarbeitet wurden, deren Differenz sich aus der bisher nicht einwandfrei geklärten Abfolge der ersten Dynastie von Babylon und der Kassiten ergibt. Es entstehen dabei Unterschiede bis zu 250 Jahren. Diese Datenfolge läßt sich bis in die frühdynastische Zeit zurückverfolgen, in der die ersten historischen Königsnamen (etwa um 2600 v. u. Z.) auftauchen. Davor wieder liegen Perioden, über die in späteren Texten Legenden und Fabeln berichten, deren möglicher historischer Kern noch herauszufinden ist. ' 3*
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Das uns zur Verfügung stehende Quellenmaterial ist so vielfältig, daß es hier nur angedeutet werden kann. Der eingangs erwähnte ptolemäische Kanon ist eine griechisch geschriebene Königsliste der letzten babylonischen Dynastien, vermutlich ein Auszug aus einem babylonischen Verzeichnis ähnlich der sogenannten „Babylonischen Chronik". Sie erlaubt eine Datenfestlegung bis 747 v. u. Z. Eine der wichtigsten Quellenformen für die alfcvorderasiatische Chronologie sind die nach Dynastien geordneten Verzeichnisse der Könige mit Angabe ihrer Regierungszeiten. Das umfangreichste Dokument dieser Art ist die sogenannte „Königsliste WB 444", die von den sagenhaften Urkönigen bis zum letzten Herrscher der 1. Dynastie von Isin führt (um 1800 v. u. Z.). Eine gewisse Fortsetzung bildet die „Babylonische Königsliste A", die die Herrscher Babylons bis Kandalanu (648— 627 v. u. Z) aufführt. Leider fehlt auf ihr die erste Dynastie von Babylon, deren Verzeichnis abgebrochen ist, ein bedauerlicher Verlust, der die oben erwähnte Unsicherheit verursacht. Einen gewissen Ersatz bietet die „Babylonische Königsliste B", die die Namen der Herrscher der ersten Dynastie und die der „Meerland"-Dynastie nennt, die auch auf der A-Liste erscheinen. Man hat früher angenommen, diese Abfolge auf der Laste bedeute ein Nacheinander der Herrschaft — aber leider trifft dies nicht zu. Die „Meerland"-Herrscher regierten zeitgleich mit den Königen Babylons, so daß der Anschluß von A nach B nicht weiterhilft. In die Lücke fällt eine weitere Liste, die der Larsa-Könige. Da die A-Liste sich mit dem ptolemäischen Kanon überscheidet, ist sie an ihn anschließbar und liefert ein Datengerüst bis etwa 1500 v. u. Z. Sie wird ergänzt und in Einzelheiten durch die in Khorsabad gefundene „Assyrische Königsliste" korrigiert, die bis Aschschur-Nirari V. (753 bis 746 v. u. Z.) reicht. Mit dem Regierungsantritt seines Nachfolgers Tiglatpilesar III. (745—727 v. u. Z.) setzt die „Babylonische Chronik" ein. Den Vergleich der assyrischen und babylonischen Listen unterstützt die „Synchronistische Tabelle" aus Assur, die die gleichzeitig regierenden Könige von Assur und Babylon für die Zeit nennt, die die Liste A behandelt. Außer den Königslisten besitzen wir noch andere Möglichkeiten zur Aufstellung von Chronologie- und Datierungssystemen wie Datenlisten, Eponymen (Namensgebungen), Chroniken und Königsinschriften. Datenlisten sind Sammlungen von Jahresnamen. Die Datierung von Urkunden erfolgte vom Beginn der Akkad-Dynastie bis zum Ende der Hammurabi-Dynastie ( = 1 . Dynastie von Babylon) durch die Benennung des Jahres nach einem auffälligen Ereignis. Dies zwang bald zur Sammlung dieser Namen und führte somit zur Annalenaufzeichnung. Die Sitte von Namensgebungen kennen wir von Assur, wo man bis zum Untergang des Reiches nach bestimmten Persönlichkeiten datierte, denen dies Recht ehrenhalber verliehen wurde. Zu Regierungsbeginn war es in der Regel der König, dann folgten Gouverneure, Hofbeamte etc. Auch hier war die Anlage von Listen unvermeidlich, die uns wiederum oft wertvolle Daten liefern. 36
Ein Ansatz zur regulären Geschichtsschreibung sind die Chroniken, die im späten 3. Jahrtausend v. u. Z. einsetzten. Sie bieten zumeist die Geschichte bedeutender Könige, lassen aber dann andere unerwähnt und sind daher zumeist nur Hilfsquellen neben den Königslisten. Recht ausführlich ist die mehrfach erwähnte „Babylonische Chronik", die die Zeit 745—668 v. u. Z. behandelt. Ihr schließt sich die Nabonid-Chronik an, die den Anschluß Babyloniens an die Perser behandelt. Schon um die Mitte des 3. Jahrtausends v. u. Z. begannen Herrscher zu bestimmten Anlässen, Inschriften setzen zu lassen, die ihren und oft auch ihrer Vorfahren Ruhm künden sollten. Vor allem derartige Abstammungslisten sind von Bedeutung, aber auch Bauurkunden, in denen mitunter schon die Verfertiger historische Rechnungen aufstellten. Eine weitere Möglichkeit chronologischer Kontrollen besteht durch Synchronismen mit anderen gleichzeitigen Kulturen und deren Chronologie. Sie besteht jedoch im Grunde genommen nur mit Ägypten, da die Chronologie Altindiens auf den Berührungspunkten mit Vorderasien beruht und Beziehungen zu China in altorientalischer Zeit nicht nachweisbar sind. Zudem setzt die chinesische Chronologie auch erst im späten 2. Jahrtausend v. u. Z. mit sicheren Daten ein. Aber auch aus Vergleichen mit Ägypten ist wenig gewonnen worden. Für das 3. Jahrtausend v. u. Z., in dem ein sicherer Synchronismus mit Ägypten für Vorderasien von überaus großem Wert wäre, haben wir bisher kein verwendbares Vergleichsdatum. Bedeutungsvoll, aber noch nicht voll akzeptiert, sind die Konsequenzen eines Fundes in dem Archiv von Mari. Ein Brief aus der Zeit des Marikönigs Zimrilim, der nach dem assyrischen König Schamschi-Adad I. in Mari gebot und von Hammurabi gestürzt wurde, nennt als Herrn von Byblos Yantin-hammu. Dieser erscheint als Antin in einer Inschrift des Neferhotep, des 17. Königs der 13. Dynastie. Letztere kam im Jahre 1780 v. u. Z. zur Herrschaft, womit wir in eine Zeit kämen, die in Mesopotamien noch umstritten ist. R. HACHMAJSTN (1961, 369) kommt offenbar zu Recht zu der Schlußfolgerung: „Von Ägypten aus gesehen, müssen Neferhotep, Yantin-hammu, Samsi-Adad I . und Isme-Dagan erheblich nach 1780 regiert haben. Der Yantin-hammu-Synchronismus verlangt also eine kurze mesopotamjsche Chronologie." Neferhotep regierte 1741—1730 v . u . Z . Wenn sein Zeitgenosse Yantin-hammu an Zimrilim schrieb, der im 32. Jahr Hammurabis beseitigt wurde, war er auch Zeitgenosse dieses Babyloniers, der demnach um 1730 v. u. Z. lebte, ein Ansatz, der die „lange" Chronologie widerlegt. Es bleibt zu hoffen, daß neue Funde auch einmal eine Verknüpfung der Akkadherrscher mit dem Alten Reich Ägyptens ermöglichen. Die mesopotamische Chronologie ist somit schon nahezu zu einer Hilfswissenschaft geworden, die ein ganzes Datengebäude errichtet hat, an dem noch manches fehlt, dessen Grundzüge aber doch schon deutlich zu erkennen sind.
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LITERATUR: 1935 1965 1961
1939 1907 1967
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2.4. Geologischstratigrwphische Methoden 2.4.1. A l l g e m e i n e s z u r M e t h o d e Von großer Bedeutung für die Chronologie des archäologischen Fundstoffs ist seine Verknüpfung mit dem erdgeschichtlichen Ablauf. Dies ist vielfach deshalb gut möglich, da die archäologischen Funde zum größten Teil in Ablagerungen und Bodenbildungen der jüngsten geologischen Vergangenheit überliefert sind. Für die Einordnung dieser Funde in ein relatives Chronologieschema auf naturwissenschaftlichem Wege mit absoluten Datierungen sind dort, wo spezifische Untersuchungen sie gestatten, alle jene Methoden der Geologie und Paläontologie anwendbar, die Aufbau und Abfolge von Ablagerungen betreffen, die solche Funde enthalten oder mit ihnen in Verbindung stehen. Es sind also im wesentlichen stratigraphische Methoden. Durch naturwissenschaftliche Methoden datierte Funde stellen Zeitmarken dar für die allgemeine chronologische Einordnung jenes Fundmaterials, das auf Grund schlechter Lagerungsverhältnisse mit Hilfe dieser Methoden nicht einzuordnen bzw. datierbar ist. Hier setzen dann archäologische Methoden ein. Doch ist nur über diesen Weg eine Verknüpfung von erdgeschichtlichen und kulturgeschichtlichen Chronologiesystemen möglich. Ablagerungen oder Bodenbildungen, die archäologische Objekte enthalten, wollen wir einfach als „Fundschicht" bezeichnen. Durch stratigraphische Unter38
LITERATUR: 1935 1965 1961
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DEMEL, A.: Die altbabylonische Königsiste und ihre Bedeutung für die Chronologie. Rom. EHRICH, R. W.: Chronologies in Old World Archaeology. Chicago, London. HACHMANN, R.: Die Königsliste von Chorsabad, die assyrischen Abstandsdaten und das Problem der absoluten Chronologie der europäischen Bronzezeit. In: Bericht über den V. Internationalen Kongreß für Vor- und Frühgeschichte Hamburg 1958. Berlin, 366-373. JACOBSEN, Th.: The Sumerian King List. Chicago. KING, L. W.: Chronicles concerning early Babylonian Kings. 2 Bände. London. KITCHEN, K. A.: Byblos, Egypt and Mari in the Early Second Milleneum BC. Orientalia N S 3 6 , 3 9 - 5 4 .
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2.4. Geologischstratigrwphische Methoden 2.4.1. A l l g e m e i n e s z u r M e t h o d e Von großer Bedeutung für die Chronologie des archäologischen Fundstoffs ist seine Verknüpfung mit dem erdgeschichtlichen Ablauf. Dies ist vielfach deshalb gut möglich, da die archäologischen Funde zum größten Teil in Ablagerungen und Bodenbildungen der jüngsten geologischen Vergangenheit überliefert sind. Für die Einordnung dieser Funde in ein relatives Chronologieschema auf naturwissenschaftlichem Wege mit absoluten Datierungen sind dort, wo spezifische Untersuchungen sie gestatten, alle jene Methoden der Geologie und Paläontologie anwendbar, die Aufbau und Abfolge von Ablagerungen betreffen, die solche Funde enthalten oder mit ihnen in Verbindung stehen. Es sind also im wesentlichen stratigraphische Methoden. Durch naturwissenschaftliche Methoden datierte Funde stellen Zeitmarken dar für die allgemeine chronologische Einordnung jenes Fundmaterials, das auf Grund schlechter Lagerungsverhältnisse mit Hilfe dieser Methoden nicht einzuordnen bzw. datierbar ist. Hier setzen dann archäologische Methoden ein. Doch ist nur über diesen Weg eine Verknüpfung von erdgeschichtlichen und kulturgeschichtlichen Chronologiesystemen möglich. Ablagerungen oder Bodenbildungen, die archäologische Objekte enthalten, wollen wir einfach als „Fundschicht" bezeichnen. Durch stratigraphische Unter38
suchungen als gleichaltrig erkannte, aber durch besondere geologische Vorgänge an verschiedenen Orten entstandene Fundschichten stellen den „Fundhorizont" dar. Aber nicht nur die fundführenden Schichten und Schichtserien (Schichtverbände) werden zur chronologisch-stratigraphischen Untersuchung herangezogen, sondern auf der Basis des stratigraphischen Vergleichs alle übrigen zur Verfügung stehenden Schichtfolgen, auch wenn sie keine Funde enthalten. Das ist zur Eingliederung der Fundschichten und -horizonte bzw. der verschiedenen archäologisch definierten Fundkomplexe in den erdgeschichtlichen Ablauf notwendig. Dabei müssen folgende Beziehungen zwischen dem archäologischen Fundobjekt und der geologischen Abfolge beachtet werden: 1. Beziehung Fundobjekt — Fundschicht. Diese Beziehung hat primäre Bedeutung für die exakte Einordnung archäologischer Objekte in das erdgeschichtliche Chronologiesystem. 2. Beziehung Fundschicht — lokale geologische Abfolge. Eine eingehende stratigraphische Untersuchung des Schichtkomplexes, der die Fundschicht enthält, und sein Vergleich mit den übrigen Schichtfolgen aus dem gleichen Raum oder dessen näheren Umgebung lassen die relative Stellung der Fundschicht innerhalb einer lokalen erdgeschichtlichen Abfolge festlegen. 3. Beziehung lokale geologische Abfolge — überregionales Chronologiesystem. Erst die Kenntnis des lokalen erdgeschichtlichen Ablaufs ermöglicht die stratigraphische Einordnung des archäologisch-geologischen Befundes in ein erdgeschichtliches Chronologiesystem, das überregionalen Charakter, z. B. für Mitteleuropa, Europa oder eventuell ganz Nordeurasien und Nordamerika, hat. Diese Beziehungen haben aber nicht nur bei der relativen Einordnung von Funden und Befunden Bedeutung, sie spielen auch bei deren absoluten (chronometrischen) Datierung auf naturwissenschaftlichem Wege eine große Rolle. Eine solche Datierung kann unter Umständen unmittelbar am Fund erfolgen. Wenn das nicht möglich ist, können naturwissenschaftliche Methoden zur absoluten Datierung an der Substanz oder dem Fossilmaterial der Fundschicht angewandt werden. Ein dritter Weg kann eingeschlagen werden, wenn die Fundschicht selbst keine Möglichkeit zur absoluten Datierung bietet, aber ein anderer, durch Parallelisierungsverfahren als gleichaltrig erkannter geologischer Horizont datierbar ist. Bei diesen chronologisch-stratigraphischen Untersuchungen muß nicht nur die Kenntnis der allgemein-geologischen Verhältnisse und der stratigraphischen Methoden, sondern auch der historischen Geologie des jeweiligen Untersuchungsgebietes und weiter gefaßter Regionen vorausgesetzt werden. Daraus geht hervor, daß sie nur von einem Geologen, der die archäologische Problematik beherrscht, oder mindestens in enger Zusammenarbeit von Archäologen und Geologen durchgeführt werden können. Geologisch gesehen handelt es sich bei der zu untersuchenden Zeit um die jüngste Formation der Erdgeschichte, um das etwa 1,5 bis 2 Mio Jahre dauernde Quartär oder Eiszeitalter, zu dem auch der jüngste Abschnitt nach der letzten Eiszeit gehört, das ca. 10000 Jahre umfassende Holozän. 39
Sobald Reste menschlicher Kultur auf oder in den Boden gelangen, unterliegen sie geologischen Prozessen und deren Gesetzmäßigkeiten. Mit dem höheren Alter der Bodenfunde summieren sich diese geologischen Einflüsse und Veränderungen. Die naturwissenschaftlichen Methoden nehmen also für die älteren Abschnitte an Bedeutung zu. Daraus wird auch ersichtlich, warum die Chronologien der älteren Entwicklungsphasen der Kulturgeschichte im wesentlichen erdgeschichtliche Chronologien sind oder sich zumindest stark auf sie gründen. Im Gegensatz zu den übrigen Formationen kann auf Grund seiner geringen Dauer das Eiszeitalter kaum biostratigraphisch gegliedert werden. Dazu erforderliche Leitfossilien (bestimmte Tier- oder Pflanzenformen, die weiträumig und gleichzeitig während relativ kurzer Zeit verbreitet sind) sind nur in geringer Zahl vorhanden und erlauben höchstens eine Grobgliederung. Für die quartärgeologischen und archäologischen Belange sind wesentlich feinere Gliederungen notwendig. Hier kommt die Besonderheit des Eiszeitalters zu Hilfe. Es ist durch sehr wahrscheinlich global gleichzeitig wirksame Klimaschwankungen verschiedener Größenordnung, die zeitweise zu großen Vereisungen geführt haben, gekennzeichnet. Diese stellen das Hilfsmittel zur geochronologischen Gliederung des Eiszeitalters dar. So ist seine Gliederung eine sehr differenzierte Klimageschichte. Die wichtigsten stratigraphischen Methoden zur Gliederung des Eiszeitalters sind auf diese Klimageschichte orientiert. 2.4.2. Die U n t e r s u c h u n g Die Voraussetzung zur stratigraphischen Untersuchung ist der Aufschluß, das heißt die natürliche oder künstlich geschaffene Entblößung des anstehenden Gesteins. Der dabei entstehende Anschnitt ist das geologische Profil. Die zweite wichtige Voraussetzung ist die Verknüpfung geologischer Abfolgen mit archäologischen Fluiden. Wesentlich dabei ist die Frage, ob die Funde autochthon oder allochthon, d. h. gleichzeitig mit dem Sediment oder umgelagert und erst später in das Sediment gelangt sind. Die stratigraphische Untersuchung stützt sich auf eine ganz allgemeine Gesetzmäßigkeit in der Geologie, die besagt, daß bei ungestörten Lagerungsverhältnissen die überlagernde Schicht jeweils jünger ist als die darunter befindliche (sog. stratigraphisches Prinzip, zuerst ausgesprochen von Nikolaus S T E N O 1669). Auf dieser Relation beruht die gesamte stratigraphische Ausdeutung mit dem Ziel eines relativen Chronologiesystems. Wir wollen die notwendigen stratigraphischen Methoden im wesentlichen in geologisch-stratigraphische und paläontologisch-stratigraphische untergliedern. Beide Komplexe überschneiden sich jedoch, der eine ergänzt jeweils den anderen. Bei ihrer Anwendung handelt es sich um eine vom archäologischen Objekt völlig unabhängige Untersuchung, die das Ziel hat, beobachtete Schichten oder Schichtkomplexe in das Chronologieschema des Quartärs einzuordnen. Da dieses seinem Wesen nach die quartäre Klimageschichte darstellt, wird mit allen Methoden versucht, Anhaltspunkte für ehemalige Klimaverhältnisse zu gewinnen. Hier spielen sog. „Klimaindikatoren" eine große Rolle. Nicht nur die Entwicklung von Fauna 40
und Flora, deren Reste in den quartären Sedimentgesteinen oft erhalten geblieben sind, sondern auch die gesamte geologische Entwicklung unterlag dem zyklischen Klimawandel des Eiszeitalters. Die organische wie anorganische Welt reagierte empfindlich auf die kleinsten Klimaschwankungen mit der Ausbildung spezifischer Erscheinungsformen. Es ist daher möglich, geologische wie biologische Klimazeugen zu finden. Dabei ist der aktualistische Vergleich, also die Beziehung der fossilen Formen zu ähnlichen Erscheinungen der Gegenwart, als Methode anzuwenden. Aus diesem Verhalt geht hervor, daß je nach Befund ganz verschiedene Untersuchungsverfahren eingesetzt werden müssen. Sie können hier nicht beschrieben, sondern ihre wichtigsten lediglich angedeutet werden.
2.4.2.1. Geologisch-stratigraphische Untersuchung Als Grundlage jeder stratigraphischen Untersuchung werden zunächst die einzelnen Schichtglieder einer Serie nach ihren geologischen Merkmalen untersucht, so nach Korngröße, Kornrundung, petrographischer Zusammensetzung, Struktur, Genese und Sedimentart. Wichtig ist die Beobachtung von Verwitterungserscheinungen, da hier die bodenkundliche Untersuchung einsetzen kann. Sie bedient sich wieder spezifischer Untersuchungsmethoden, um nach Kalk-, Ton- und Humusgehalt, Tonmineralbestand, Bodenstruktur und -aufbau den Grad der Verwitterung und die Bodenart zu bestimmen. Oft sind Beobachtungen über die Lagerungsverhältnisse und ihre Beziehungen zur Morphologie der jeweiligen Landschaft für die stratigraphische Einordnung entscheidend. Hier wird die geomorphologische Untersuchung notwendig. Schon nach der Sedimentart kann entschieden werden, ob Ablagerungen einer Kalt- oder Warmzeit vorliegen. So sind Geschiebemergel, Schmelzwassersande, Bändertone, Hangschuttbildungen, grobe Flußschotter und Lösse typische Bildungen kaltzeitlicher, mehr oder weniger trockener Klimaverhältnisse und offener Landschaftstypen. Organogene Bildungen in stehenden Gewässern (See- und Sumpfablagerungen — limnische und telmatische Sedimente), z. B. Seekalke, Kalkmudden, Tonmudden, Torfe, oder unter biologischer Einwirkung in fließendem Wasser ausgefällte Kalke, wie Travertine und Kalktuffe, sind dagegen Bildungen warmzeitlicher, mehr oder weniger feuchter Klimaverhältnisse und meist geschlossener, also bewaldeter Landschaftstypen. Die Böden sind in ihrer Ausbildung besonders klimagebunden und als stratigraphische Leitmarken zu gebrauchen. So deuten z. B. Parabraunerden, Fahlerden oder tief verwitterte Braunlehme auf warmzeitliche Waldlandschaften hin, Tschernoseme aber auf trockene Wiesensteppenlandschaften der Übergangsphasen; arktische Braunerden entstanden wiederum in kaltzeitlichen Tundren. Neben den in mittleren Breiten über Europa weit verbreiteten Lößablagerungen sind für das Gebiet außerhalb der Vereisungen Nordeuropas und der Hochgebirge Froststrukturen als Klimazeugen von besonderer Bedeutung für die stratigraphische Gliederung. So entstanden unter dem Einfluß von Dauerfrost Eiskeil41
netze, Steinpolygone, Kryoturbationen und Tropfenböden. Dazu kommen durch Bodenfließen (Solifluktion) entstandene Schuttdecken. Schottertragende Flußterrassen deuten ehemalige Talböden an, auf denen die mitteleuropäischen Flüsse während der Kaltzeiten aufschotterten. Zwischen den Phasen der AufSchotterung fand jeweils eine Taleintiefung statt (Tiefenerosion). Die am höchsten liegenden Terrassen sind die ältesten, die jüngsten liegen im heutigen Talbodenniveau. Aus der Anzahl der Terrassen geht eine Mindestanzahl von Kaltzeiten hervor. Von besonderer methodischer Bedeutung sind im Gebiet des ehemaligen Bandes des nordeuropäischen Inlandeises sog. Vereisungsterrassen. Diese mit glazigenen Ablagerungen bedeckten Schotterterrassen lassen die Verzahnung gewisser Talböden mit nordeuropäischen Vereisungen erkennen und ermöglichen damit die stratigraphische Verknüpfung des ehemaligen Vereisungsgebietes (Glazialgebiet) mit dem nicht vereisten Gebiet (Periglazialgebiet). Im ehemals vereisten Gebiet kann die Zahl der Vereisungen und Eisvorstöße aus der Anzahl von glaziären Zyklen ermittelt werden. Diese Zyklen bestehen jeweils aus Vorschüttungsbildungen wie Bändertonen und Schmelzwassersanden, darüber liegenden Grundmoränen (Geschiebemergel, Blockmoränen), die an bestimmten Endmoränen als morphologischer Markierung des Eisrandes anknüpfen, und aus den Bildungen des Eisrückzuges bzw. Eiszerfalles (Schmelzwasserbildungen). Besonders aus der geomorphologisch untersuchten räumlichen Aufeinanderfolge von Endmoränenstadien und -staffeln mit den davor liegenden Urstromtälern lassen sich Angaben über die Anzahl von Vereisungen und einzelnen Eisrandoszillationen, vor allem der sog. Rückzugsschwankungen, gewinnen. An den Küsten sind als weiteres Hilfsmittel zur stratigraphischen Gliederung geologische Erscheinungen heranzuziehen, die mit den Re- und Transgressionen des Weltmeeres zusammenhängen. Eine Kaltzeit löst starke Vereisungen und damit ein Absinken des Meeresspiegels (Regression) aus, während die Wiedererwärmung mit dem Abschmelzen der Gletscher zum umgekehrten Vorgang, zum Anstieg des Meeresspiegels (Transgression) führt. Zur Zeit des Klimaoptimums einer Warmzeit ist der Meeresspiegelhöchststand erreicht. Aus derartigen klimatisch gebundenen Aufeinanderfolgen von Re- und Transgressionszyklen (eustatischen Meeresspiegelschwankungen), die mit Hilfe von alten Strandlinien und Regressionsflächen an den Küsten nachweisbar sind, kann der Verlauf der Klimaschwankungen rekonstruiert werden. Weit verbreitete Transgressionsschichten in den Küstenbereichen werden zu Leithorizonten in den erd- und kulturgeschichtlichen Chronologien. Einmalige spontane geologische Vorgänge können zu besonders wertvollen stratigraphischen Fixpunkten werden, z. B. Vulkanausbrüche mit weitflächig verteilten Förderprodukten. Für Mitteleuropa ist der Ausbruch des Vulkans in der Eifel, der den Laacher See hinterließ, ein solcher Fixpunkt. Seine vulkanischen Aschen (Tuffe) sind über das Mittelrheingebiet, mittlere Elbe—Saale-Gebiet bis nach Nordostmecklenburg verbreitet. Durch andere Methoden verläßlich in das 10. Jahrtausend v. Z. datiert, ist dieser Tuff ein Leithorizont der sog. Alleröd42
Schwankung aus dem Spätglazial der letzten Eiszeit. Für jüngere Phasen, z. B. das Mittel- und Jungholozän, sind ähnliche Vorgänge aus dem Mittelmeerraum bekannt (z. B. Vulkanausbruch auf der Insel Santorin um 3000 v. Z.). 2.4.2.2. Paläontologisch-stratigraphische Untersuchung Das Prinzip dieser Untersuchung ist bereits oben angedeutet worden. Wenn auch aus Mangel an Leitfossilien eine biostratigraphische Feingliederung kaum vorgenommen werden kann, so sind doch mit Hilfe der klimatisch bedingten floristischen und faunistischen Entwicklungsabläufe, sog. Sukzessionen, in klimatisch und geographisch einheitlichen Landschaftsräumen Lokalgliederungen erarbeitet worden. Die bekannteste Methode ist die stratigraphische Ausdeutung von paläobotanischen Befunden. Diese werden mit Hilfe der Pollenanalyse (S. 73) sowie der Analyse von pflanzlichen Makroresten (von Samen, Früchten, Blättern, Blüten, Hölzern etc. aus organischen Gesteinen oder von ihren Abdrücken aus Bach- und Seekalken) gewonnen und erlauben die Rekonstruktion der Vegetationsgeschichte der jeweiligen Klimaphase und Klimazone. Hier beginnen aber auch schon die Schwierigkeiten, indem die Sukzessionsabläufe je Klimazone zu verschiedenen Zeitpunkten einsetzen und sich verschieben, also schwer miteinander parallelisierbar sind. Folgendes schematisches Beispiel soll das zeigen. Die Klimazonen A, B und C sind im Tiefland von Süd nach Nord oder im Gebirge von unten nach oben gestaffelt. In A beginnt die klimatisch bedingte Sukzession bereits während des Zeitintervalles I mit Birkenwald, aber in der Zone B herrscht noch Tundra, in C die Frostschuttwüste vor. Während des Zeitintervalles I I wird in der Zone A der Birkenwald durch die nächste Sukzessionsstufe, den Kiefernwald, abgelöst. Nun dringt der Birkenwald in der Zone B ein, die Tundra aber wird in die Zone C abgedrängt. Während des Zeitintervalles I I I entsteht in der Zone A der wärmeliebende Eichenmischwald. Aber in Zone B entwickelt sich erst der Kiefernwald, und in der Zone C kann zum ersten Male der Birkenwald Fuß fassen. Weitere Parallelisierungsschwierigkeiten bestehen darin,, daß die Vegetation im maritim beeinflußten küstennahen Bereich anders zusammengesetzt ist als im kontinental beeinflußten Festlandsbereich. Innerhalb der Klimazonen können lokale Besonderheiten den normalen Gang der Vegetationsentwicklung überlagern und eine Einstufung erschweren. Die Vegetationssukzessionen der einzelnen Warmzeiten laufen generell gleichartig ab, so daß zu ihrer Einstufung meist noch andere geologische und geomorphologische Indizien herangezogen werden müssen. Ähnlich und auch mit ähnlichen Schwierigkeiten wie die Vegetationsabfolgen können Molluskenanalysen zur stratigraphischen Gliederung verwendet werden. Die Mollusken, vor allem die landbewohnenden Schnecken, reagieren empfindlich auf Umweltveränderungen und bilden also wichtige Umwelt- und Klimaindikatoren. Ihre durch die Klimaänderungen hervorgerufenen Sukzessionen, die aus ganzen Probenreihen und -Serien rekonstruiert werden, lassen wie die Vegetationsabfolgen den Gang der Klimaänderung und Abfolge einzelner untergeordneter Klimaschwankungen erkennen. Bei günstigen Überlieferungsbedingungen für 43
Wirbeltierfaunen können auch diese nach ihrer paläontologischen und ökologischen Untersuchung für die Stratigraphie ausgewertet werden. Das gilt eigentlich auch für alles sonstige Fossilmaterial (Reste von Muschelkrebsen, Insekten etc.). Einzelproben mit floristischen oder faunistischen Resten lassen sich gewöhnlich nur unsicher einstufen, wenn nicht gerade maximal entwickelte Warmzeit- oder Kaltzeitfaunen bzw. -floren vorliegen. Von wesentlicher Bedeutung bleibt aber der Nachweis der gesamten Sukzession oder wenigstens größerer Abschnitte. Einzelne Tiergruppen durchlaufen auch im Quartär eine schnellere Evolution, so daß Formenreihen nachweisbar sind, deren einzelne Vertreter als typisch für bestimmte Abschnitte des Eiszeitalters abgegrenzt werden können. Sie besitzen eine Art Leitfossilcharakter. Mit ihrer Hilfe ist wenigstens eine Grobgliederung des Eiszeitalters möglich. Eine andere Methode der Untergliederung bedient sich jener Tatsache, daß sog. „Tertiärrelikte", also besonders anspruchsvolle Pflanzen oder Molluskenformen, die in einem Gebiet für die Klimaverhältnisse des ausgehenden Tertiärs typisch waren, dort während der quartären Warmzeiten allmählich verschwinden. Das Prinzip ist folgendes: Während in einer älteren Warmzeit die anspruchsvollen Formen A, B, C und D vorkommen, sind in den nachfolgenden Warmzeiten B-, C-, und D, später noch C- und D-, zuletzt nur D-Formen und schließlich heute überhaupt keine mehr nachweisbar. Auch die ökologische Aussage einer Pflanzen- oder Tierart kann stratigraphischen Leitwert besitzen. Das gilt z. B. für gewisse salzwasseranzeigende marine Mollusken, die mit ihrem Vorkommen in küstennahen Sedimentfolgen Transgressionsschichten erkennen lassen. Oder es handelt sich um Landschnecken, die erst nach den landschaftsverändernden Einwirkungen menschlicher Besiedlung plötzlich auftauchen und als „Kulturfolger" bzw. typische Arten der Kulturlandschaft gelten. Sie weisen in ihrer ökologischen Ausdeutung auf warme, trokkene Steppenlandschaften hin, die innerhalb der holozänen Sukzession eine unnormale Erscheinung darstellen und auf die künstliche Veränderung der Landschaft zurückgehen. Sie werden zu Leitfossilien des Jungholozäns. LITERATUR zu 2.4.1. und 2.4.2. 1970
Autorenkollektiv: Die Entwicklungsgeschichte der Erde, Bd. 1 u. 2, Brockhaus Nachschlagewerk Geologie. Leipzig. 1964 BUTZER, K. W.: Environment and Archeology. Chicago. 1957 F L I N T , R. F.: Glacial and Pleistocene Geology. New York. 1967 FRENZEL, B.: Die Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Braunschweig. 1967 GRAHMAOTT, R. und H. Müller-Beck: Urgeschichte der Menschheit (3. Auflage). Stuttgart. 1967 K A I S E R , K.: Das Klima Europas im quartären Eiszeitalter. Fundamenta B, 2,1—27, Köln. 1971 OAKLEY, K . P . : Datierung menschlicher Fossilien. Stuttgart. 1 9 5 4 / 5 8 / 6 5 WOLDSTEDT, P . : Das Eiszeitalter, Bd. I—III. Stuttgart. 1969 —: Quartär. Handbuch der stratigraphischen Geologie, II. Stuttgart. 1952 ZETJNER, F. E.: Dating the Past (3. Aufl.). London. 1959 —: The Pleistocene Period. Its Climate, Chronology and Faunal Succession. London.
44
2.4.3. Die geochronologische Gliederung 2.4.3.1. Die Quartärgliederung Die verschiedenen stratigraphischen Methoden werden je nach vorhandener Möglichkeit komplex angewandt und ergeben in Verbindung mit theoretischen Überlegungen die geochronologische Gliederung des Quartärs. Sie beruht im wesentlichen auf der Kenntnis mehrerer Kalt- und Warmzeiten, die sich besonders aus der Untersuchung der glazialen und glaziären Zyklen der Yereisungsgebiete — der nordeuropäischen Inlandvereisung und der alpinen Gebirgsvergletscherung — ergeben hat. Für das jüngere Quartär erkannte man im zuerst genannten Bereich drei, im alpinen Gebiet aber vier große Vereisungen, die nach charakteristischen Müssen im Eisrandgebiet benannt wurden. In den Alpen konnten außerdem noch Spuren von zwei weiteren, älteren Vereisungen nachgewiesen werden. Diese Gliederung wurde bestätigt und ergänzt durch die Untersuchung des nicht vergletscherten Gebietes, insbesondere durch die Gliederung der Flußterrassensysteme und Lößserien. Tabelle 1 gibt uns einen Überblick der Gliederung des Eiszeitalters in Kalt- und Warmzeiten, wobei die durch bekannte Vereisungen gekennzeichneten Kaltzeiten auch Eiszeiten oder Glaziale genannt werden. Über die nicht so wesentliche Untergliederung in die Abschnitte Alt-, Mittelund Jungquartär ist man sich noch nicht einig. Vom Pleistozän („das am meisten Neue", früher: Diluvium) als der Zeit mit den Vereisungen wird die letzte quartäre Warmzeit, das Holozän („das ganze Neue", früher: Alluvium) abgetrennt. Das entspricht nicht den üblichen geologischen Gliederungsprinzipien, hat aber insofern Berechtigung, als das Holozän jene Zeit darstellt, die ganz besonders durch die menschliche Kulturgeschichte und die damit verbundenen, ständig stärker werdenden künstlichen Eingriffe in die natürliche Entwicklung gekennzeichnet ist. Durch eingehende stratigraphische Untersuchungen wurde das vorliegende Schema noch weitgehend untergliedert. Für die Elster/Mindelkaltzeit wurden zwei größere Eisvorstöße nachgewiesen. Zur Saaleeiszeit gehören zwei Vereisungszyklen, die wahrscheinlich durch eine Warmzeit getrennt werden (Saale/Riß-I und I I bzw. Drenthe- und Warthevereisung). Die Weichsel/Würmeiszeit ist am stärksten in kleinere Schwankungen vom Wert von Stadialen und Interstadialen oder Intervallen gegliedert. Für die Zeit zwischen Elster- und Saaleeiszeit konnte ebenfalls eine Untergliederung erkannt werden. Bis vor kurzem galt diese Zeit als eine einheitliche Warmzeit, das sog. „große Interglazial", die Holsteinwarmzeit. Eine als Fuhnekaltzeit bezeichnete Kaltzeit trennt sie indessen in zwei selbständige Warmzeiten. Aus der Tab. 1 geht das Gliederungsprinzip nach klimatischen Großzyklen und den sie untergliedernden Kleinzyklen deutlich hervor. Damit nähert sich diese Gliederung der wohl bisher vollständigsten zyklischen Gliederung des Quartärs, die an Lößserien aus Böhmen, Mähren und Niederösterreich, besonders an dem Profil der Lößserie vom Öerveny kopec (Roten Berg) bei Brno, gewonnen wurde. 45
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lagen Phasen mit arktischen Tundren lind Lößsteppen. Hier wird deutlich, daß zwar mit vegetationskundlichen Untersuchungen der Interstadial- oder Stadialcharakter der jeweiligen Ablagerung festgelegt werden kann, aber nicht ohne weiteres ihre stratigraphische Einstufung. Diese muß durch die geologischen Lagerungsverhältnisse und andere Beziehungen ermöglicht werden. Weitere Möglichkeiten zur stratigraphischen Einordnung gibt das Vorkommen exotischer Elemente. So erscheinen während der Eemwarmzeit im nördlichen Mitteleuropa Lebensbaum {Thuja), Flieder (Syringa), Silberlinde (Tilia tomentosa), Französischer Ahorn (Acer monspessulanum), Liguster und andere Arten zum letzten Male im Quartär dieses Raumes, während der Holsteinzeit tauchen letztmalig Flügelnuß (Pterocarya), Hickory (Carya) und Algenfarn (Azolla) auf. LITERATUR
1949/52 1968 1961 1962
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2.4.3.4. Die Untergliederung des Quartärs mit Hilfe der Fauna Mit faunistischen Abfolgen können kürzere Zeitabschnitte des Quartärs wie mit den Vegetationsabfolgen stratigraphisoh gegliedert werden. Von wesentlicher Bedeutung sind hier die Molluskenfaunen, die unter dem Einfluß der Klimaveränderung eine Entwicklung durchlaufen, die als „eiszeitliche Grundsukzession" bezeichnet wird (Abb. 10). Sie entspricht einem Zyklus 1. Ordnung. Ihren Höhepunkt erreicht die Sukzession während der warmzeitlichen Optimalphasen mit artenreichen, anspruchsvollen, thermophilen Waldfaunen, die exotische Elemente aus südlichen und südöstlichen Arealen enthalten. Ihr Tiefpunkt liegt in der Zeit der hochkaltzeitlichen kalttrockenen Phase mit artenarmen, anspruchslosen, widerstandsfähigen Tundren- und Lößsteppenfaunen, diesmal mit exotischen Elementen aus den nordischen Tundren, den östlichen Steppen oder des alpinen Areals. Zwischen beiden Entwicklungsabschnitten liegen Übergangsfaunen der borealen und subarktischen Wälder und Waldsteppen und der subarktischen bis arktischen Steppen. Die hochwarmzeitlichen Molluskenfaunen werden wegen einer charakteristischen Leitart in Mitteleuropa als „Helicigona-banatica-Faxma," bezeichnet (nach der südkarpatisch verbreiteten Waldart H. banatica). Die kaltzeitlichen Faunen hingegen heißen nach ihren charakteristischen Vertretern PwpiWa-Fauna (nach zahlreichen Pupüla-Arten in der Lößsteppe) oder ColumdlaFauna (nach der heute boreo-alpin verbreiteten Tundrenart Columella columella). 56
Sie haben einen relativen stratigraphischen Leitwert innerhalb von Schichtserien, die nach anderen Indizien mindestens als alt-, mittel- oder jungquartär eingestuft werden konnten. Eine Unterscheidung der einzelnen warmzeitlichen Sukzessionen ist aber auch durch den jeweiligen Anteil an exotischen Arten möglich (Abb. 11). Mrbe/ticr- VegefaH'onstypen founo mit Artender Offenen Landschaft erste ,
Nadel- ,, mischnalder
Parkfaiga tfoíd orten Tundrtnfaunau. Tundren vorwiegend Tundren- Tündrin. fauna Steppen Kaltzeitlichebäum freie steppen - u Löß steppe (Krautreiche TUndrenfaona (Mammt/t- Grassteppe). rundren Fauna ) Steppen und Steppen-u TVndren. selWaldsteppenten Gehölze faunen mit ersten ark- hfaldsteppe ¡viesentischen Artenu. steppe ftadelmischh/armzeiiHdK Woldfaunen watd Rückdes fr-B. Tb/oeo7lischbxodon -onti-woldes ouvs-FaunO mit höheremthermophite Anteil ron Laubmisch Wälder eroStepp anformen in tische Arten den Handabschnitten ¿joubmisch(Abschnitte H/o/dentHick1 unt/ 2 ) ti/rjQ NadelmtschK/a/d erste Parktoiga Waldforrnenu Tundren Tundrenfauna
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4
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6
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Abb. 10. Die eiszeitliche Grundsukzession der Molluskenfauna im wicklung der Wirbeltierfauna und Vegetation als Beispiel eines Erforschung (n. MANIA, 1973)
7
E S l
ö
^ mit der Entin der Quar-
1 echte Waldfauna, 2 Arten trockener lichter Wälder und der Gebüsche, 3 Auwaldfauna, 4 echte Steppenfauna, 5 Fauna der offenen Landschaft ohne echte Steppenarten, 6 Arten mit verschiedenen Feuchtigkeitsansprüchen und Wasserarten, 7 thermophile Elemente, 8 Elemente der kaltzeitlichen Umwelt, 9 klimaunabhängige Fauna
Wirbeltiersukzessionen sind ähnlich zu verwenden wie die Molluskenabfolgen. Allerdings sind vollständige Serien selten. Größere Bedeutung besitzen ihre morphologischen Veränderungen im Bau von Zähnen und Knochen. Sie lassen phylogenetische Abläufe erkennen, die stratigraphischen Leitwert besitzen, so die Entwicklungsreihen von Elefanten, Nashörnern, Pferden, Hirschen u. a. Formen im Quartär (Tab. 5: Beispiel der Elefantenreihe). 57
Artanzahl
100-
f
l
20'A
a
I
o ^ L
o o o o o o o o Abb. 11. Der Entwicklungsgrad der Molluskenfauna als Hilfsmittel Gliederung des Eiszeitalters (n. MANIA, 1973)
zur
stratigraphischen
1 mittelpleistozäne Warmzeiten, 2 Eemwarmzeit, 3 holozäne Warmzeit (Atlantikum), 4 rezent. — a gesamter nachgewiesener Artbestand, b absolute und durchschnittliche Artendichte am Standort, c Anteil der Waldfauna am Standort, d Anteil exotischer Arten am Oesamtbestand, e Anteil an typischen Arten der künstlich hervorgerufenen Kulturlandschaft, f Anteil exotischer Arten am Gesamtbestand der Waldfauna
LITERATUR 1961 1961
ADAM, K. D.: Die Bedeutung der pleistozänen Säugetier-Faunen Mitteleuropas für die Geschichte des Eiszeitalters. Stuttgarter Beitr. Naturk. 78, 1—34. COOPE, G . R . , F . W . SHOTTON u n d I . STRACHAN: L a t e P l e i s t o c e n e f a u n a a n d f l o r a
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Tabelle 5 Stratigraphische Reichweite der wichtigsten pleistozänen Elefantenformen als Beispiel für die biostratigraphische Gliederung des Eiszeitalters Pfeile: Evolutionsrichtung Evolution der Elefanten
Mammonteus primigenius (Mammut)
Mammonteus trogontherii (Steppenelefant)
Archidiskodon meridionalis (Südelefant)
Palaeoloxodon antiquus (Waldelefant)
Palaeoloxodon antiquus
Palaeoloxodon antiquus
Mastodon, Bunolophodon
1973
1969
1940 1957 1963
— : Paläoökologie, Faunenentwicklung und Stratigraphie des Eiszeitalters im mittleren Elbe-Saalegebiet auf Grund von Molluskengesellschaften. Geologie, Beihefte, Nr. 78/79. MTJSIL, R,. : Stratigraphische Korrelation im Pleistozän auf Grund der Vertebratenentwicklung. In: Periglazialzone, Löß und Paläolithikum der Tschechoslowakei ( J . D E M E K U. J . KTTKLA), 6 1 — 7 4 , Brno. SOERGEL, W. : Die Massenvorkommen des Höhlenbären. Zur biologischen und stratigraphischen Deutung. Jena. T O E P F E R , V. : Die Mammutfunde von Pfännerhall im Geiseltal. Veröff. d. Landesmus. f. Vorgesch. in Halle 16. — : Die Tierwelt des Eiszeitalters. Leipzig.
59
2.4.3.5. Terrassenstratigraphie Gut untersuchte und reich gegliederte Terrassensysteme befinden sich z. B. im Rhein-, Saale- und Moldau-Elbegebiet. Ihre Terrassen und Schotter sind größtenteils durch Klimaschwankungen verursacht, so daß sie zur Aufstellung von quartärstratigraphischen Abfolgen geeignet sind. Ihre Verzahnung mit den nordeuropäischen Vereisungen — am Niederrhein, im Saaletal zwischen Halle und Jena, bei Decin und für den östlichen Teil Mitteleuropas in der Mährischen Pforte (Becva-Tal) — erlaubt ein Einhängen dieser Systeme in den glazialen Ablauf. Damit ist eine Korrelation der Chronologien des vereisten und nicht vereisten Gebietes gesichert. Da diese Terrassen als Zeugen ehemaliger Talböden mit anderen Ablagerungen des mitteleuropäischen Periglazialraumes, besonders mit den Lößserien und Paläoböden, aber auch mit Hangschuttbildungen, Travertinen und limnischen Serien eng in Verbindung stehen, kann die an den Flußterrassen und Vereisungen erarbeitete Stratigraphie auch mit allen anderen Abfolgen verbunden werden. Gerade die Terrassenstratigraphie hat für den Archäologen große Bedeutung, da die Flußschotter oft paläolithische Funde enthalten (Markleeberg b. Leipzig, Wallendorf b. Halle, Salzgitter-Lebenstedt, Mauer, Steinheim, Clacton on Sea, Swanscombe, Sommetal) oder andere fundführende Komplexe wie die Travertine, die durch ihre Beziehungen zu den ehemaligen Talböden datierbar werden.
Abb. 12. Gliederung der Flußterrassen im mittleren Saaletal zmschen Kahla und {zusammengestellt nach TOEPFER, 1933) («. MANIA, 1972)
Naumburg
1 Flußsehotter, 2 Schmelzwasserablagerungen, S Geschiebemergel
In den genannten Terrassensystemen liegen die ältesten Talböden am höchsten über der Aue, die jüngsten aber im Talbodenniveau. Im Saalegebiet wird die Terrasse zwischen 40 und 50 m Auenabstand von den glazigenen Ablagerungen der Elstervereisung konkordant überlagert und so zeitlich mit dieser verknüpft, während die Terrasse zwischen 15—20 m über der Aue auf gleiche Weise mit der Saalevereisung in Verbindung steht (Abb. 12). Die jüngsten Terrassen tragen den 60
weichselzeitlichen Löß. Am Niederrhein ist die untere Mittelterrasse die saaleeiszeitliche Vereisungsterrasse. Die verschiedenen Rheinterrassen stehen mit dem quartären Eifelvulkanismus in engem Zusammenhang. Die obere Niederterrasse ist mit dem Laacher-See-Bims bedeckt, ist also älter als die Allerödschwankung Tabelle 6 Die stratigraphische Abfolge der eiszeitlichen Flußterrasaen im Rhein- und Saalegebiet sowie die stratigraphische Position einiger bedeutender mittel- und westeuropäischer paläolithischer Fundkomplexe aus Flußschottern oder von alten Talböden Terrassen des Rheins (n.
WOLDSTEDT,
1969)
Terrassen der Saale ( n . TOEPFER, RTJSKE, 1 9 6 4 , MANIA, 1973)
1933,
Paläolithische Fundstellen
Holozän Untere Niederterrasse
Weichselkaltzeit
Obere Niederterrasse
mindestens 2 Zyklen der Niederterrasse
SalzgitterLebenstedt Königsaue
Eemwarmzeit Warthekaltzeit
Krefelder Mittelterrasse
7—10 m-Terrasse
Hundisburg?
Drenthekaltzeit
Untere Mittelterrasse (Vereisungsterrasse)
12—16 m-Terrasse (zweite Vereisungsterrasse)
Markleeberg Elbtal b. Magdeburg
20—25 m-Terrasse (Wallendorfer T.)
Steinheim Wangen, Wallendorf St. Acheul Clacton Swanscombe
Saalekaltzeit
Holsteinwarmzeit
Elsterkaltzeit
Fuhnekaltzeit Mittlere Mittelterrasse
Corbicula-Schotter
Obere Mittelterrasse
40—50 m-Terrasse (erste Vereisungsterrasse)
28—30 m-Terrasse
Mauer b. Heidelberg Altpleistozän
Pliozän
Unterstufe der Hauptterrasse
mindestens 3 altpleistozäne Terrassen (bis 90 m)
Hauptterrasse mehrere Höhenterrassen
mehrere hochliegende Terrassenreste ( > 100 m)
61
und gehört in das Weichselfrühglazial. Die untere Niederterrasse enthält Bimsgerölle. Sie ist offenbar erst nach dem Alleröd in der Jüngeren Dryaszeit entstanden (vgl. Tab. 3). Auch ältere Terrassen enthalten vulkanische Minerale. Sie wurden nach der Kalium-Argon-Methode (vgl. S. 106) datiert, so daß ein chronometrisches Zeitgerüst nach K-Ar-Jahren entstand. Allerdings scheinen die Daten alle zu jung zu sein. Tab. 6 zeigt einen Überblick über die stratigraphische Eingliederung der Terrassen des Saale- und Rheingebietes. Abgesehen von der Aufschotterung als kaltklimatisch bedingten Vorgang können noch Froststrukturen oder Wirbeltierfaunen, deren Reste oft in den Schottern enthalten sind, zur relativen Einordnung der Schotter bzw. Terrassen herangezogen werden. Mitunter sind in Warmzeiten umgelagerte Schotter und Flußsande mit den kaltzeitlichen Terrassen verknüpft. Sie befinden sich zuweilen an der Basis der kaltzeitlichen Schotterkomplexe und führen im Gegensatz zu diesen Reste warmzeitlicher Faunen und Floren, so z. B. die Corbicula-Fauna, die im Elbe—Saalegebiet nicht jünger als holsteinzeitlich ist und somit zu einem stratigraphischen Leithorizont wurde. Ein ähnlicher Leithorizont für die Holsteinzeit sind die in großen Flußtälern des nördlich anschließenden Tieflandes abgelagerten Paludinenschichten (Gegend von Berlin, Mittelpolen, Ukraine). LITERATUR 1964 1965
L.: Die alt- und frühpleistozänen Schotterterrassen der Leipziger Tieflandsbucht und des angrenzenden Gebietes. Geologie, Beihefte, Nr. 46. F R E C H E N , J . und H . J . LIPPOLT: Kalium-Argon-Daten zum Alter des Laacher Vulkanismus, der Rheinterrassen und der Eiszeiten. Eiszeitalter u. Gegenwart 16,
EISSMANN,
5-30. 1965
1964 1911 1921
1924 1933 1968
J., V . SIBRAVA, J. TYRACEK und V . KNEBLOVA-VODIÖKOVA: Kvarter Ostravska u Moravske brany. Praha. R U S K E , R . : Das Pleistozän zwischen Halle, Bernburg und Dessau. Geologie 13, 570-597. SIEGERT, L. und W . W E I S S E R M E L : Das Diluvium zwischen Halle a. S . und Weißenfels. Abh. preuß. geol. Landesanst., N.F. 60. SOERGEL, W.: Die Ursachen der diluvialen Aufschotterung und Erosion. Berlin. —: Die diluvialen Terrassen der Ilm und ihre Bedeutung für die Gliederung des Eiszeitalters. Jena. TOEPFER, V . : Die glazialen und präglazialen Schotterterrassen im mittleren Saaletal und ihre Stellung in der geologischen und astronomischen Gliederung des Eiszeitalters. Ber. Naturf.-Ges. Freiburg i. B. 32. WOLDSTEDT, P.: Quartär. Handbuch der stratigraphischen Geologie Bd. II. Stuttgart. MACOUN,
2.4.3.6. Lößstratigraphie Vor allem für das jüngere Quartär sind die Lösse und die aus Lössen, Lößderivaten, Böden und anderen Bildungen aufgebauten Schichtkomplexe von großer Bedeutung für die Stratigraphie. Sie erlauben feinstratigraphisehe Untersuchungen kürzerer Zeiteinheiten wie stratigraphische Gliederungen im größeren Stil. Wichtig sind dafür jene Gebiete, wo Lösse mit großer Mächtigkeit abgelagert 62
wurden und erhalten geblieben sind. Wir kennen sie aus den Becken und Tälern Mitteleuropas, so aus dem Rheingebiet, Elbe-Saalegebiet, aus Niederösterreich, Böhmen, Mähren und der Slowakei oder aus Osteuropa. Ihre Verzahnung mit den Flußterrassen (Abb. 13) erlaubt bereits die Untergliederung in ältere und jüngere Lößserien. Sie sind zyklisch aufgebaut. Ein Zyklus entspricht etwa einer eiszeitlichen Klimaschwankimg erster Ordnimg und der eiszeitlichen Grundsukzession der Molluskenfauna, dessen wichtigste Abschnitte in vollständigen Lößzyklen enthalten sind. O
w
Abb. 13. Beziehungen von Flußterrassen, Lössen und Böden als Grundlage zur stratigraphischen Gliederung des Eiszeitalters (n. KUKLA, 1969) 1 Flußschotter, 2 Lösse, Hangbildungen und ähnliche Sedimente, 3 tief verwitterte Böden, 4 Humuszonen
Der Lößzyklus beginnt in der Regel mit einem tiefgründig verwitterten warmzeitlichen Boden (Parabraunerde, Fahlerde, Braunlehm, rote Böden). Darüber liegen geringmächtige Lösse aus dem Beginn der Kaltzeit, die von einem oder mehreren Schwarzerdeböden als Ausdruck frühglazialer Wärmeschwankungen unterbrochen werden. Darauf liegt wieder Löß, der gelegentlich dünne humose Zonen enthält. Meist sind diese Lösse als Ausdruck durchschnittlich feuchten Frühglazialklimas umgelagert (Fließ- und Schwemmlösse). Die frühglaziale Lößserie wird häufig von einer Verlehmungszone abgeschlossen, die Braunerden oder Pseudogleye darstellen kann. Darauf liegt autochthoner Fluglöß des Hochglazials. Dieser wird oberflächlich von dem neuen warmzeitlichen Boden überprägt. In den meisten Fällen ist ein solcher Zyklus viel mannigfaltiger aufgebaut (vgl. besonderen Abschnitt S. 122). Die Böden, so die warmzeitlichen Waldböden und frühglazialen Schwarzerden, werden zu Bodenkomplexen (Pedokomplexen) zusammengefaßt. Tab. 7 spiegelt die Quartärstratigraphie wider, die auf diesen Bodenkomplexen und den Lößzyklen beruht. Die Lößprofile sind wohl am häufigsten mit paläolithischen Funden und Fundschichten verknüpft. Dadurch sind sie auch zu einer wesentlichen Grundlage der Altsteinzeitchronologie geworden. 63
Tabelle 7 a Vergleichende stratigraphische Gliederung der quartären Lößzyklen und Bodenkomplexe an Beispielen aus Mitteleuropa
Holozän
Weichselkaltzeit
Elbe-SaaleGebiet (vgl.
Tschechoslowakei
MANIA, 1973)
(n. KUXLA, 1969)
Holozäner Bodenkomplex
PK 0
Holozäner Bodenkomplex
Kösener Verlehmungszone
PK I
Stillfried B
Niederösterreich
Lößzyklen vom Cerveny kopec (Brno) (KUKLA, 1969)
A
B PK II
Eemwarmzeit
Saale-Kaltzeit
Holsteinwarmzeit
Naumburger Bodenkomplex
Stillfried A PK III
C
Langenbogener Bodenkomplex
P K IV
Freyburger Bodenkomplex
PK V
D
E
PK VI Elsterkaltzeit
F
Cromerwarmzeit
mehrere altpleistozäne Kaltund Warmzeiten
Pliozän
64
mehrere ältere Bodenkomplexe
P K VII—XI
G H I J K
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G
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65
66
Eemwarmzeit
50,0
51,8
C14Jahre in 1000 B.P.
PK III
PK II
-
Schwarzerde geringmächtiger Löß Parabraunerde
lößähnliche Bildungen und Abspülsedimente
Schwarzerde intensiv entwickelte Braunerde
lößähnliche Bildungen und Abspülsedimente
polygenetische Schwarzerde, mehrfach durch äoIische Ablagerungen unterbrochen
BodenAblauf des Zyklus komplexe
Moustérien (Sedlec, Nové Mèsto)
wichtige paläolitische Fundstellen
Ib
Zyklen im AscherslebenerSee
N cd hH s1 HH
Parabraunerde
1—2 SchwarzerdeHorizonte auf geringmächtigem Löß
Ablauf des Lößzyklus
Ranis I Gera (Lindentaler Hyänenhöhle)
Königsaue A, B, C
wichtige paläolitische Fundstellen
LITERATUR 1969 1964 1932 1970
1968 1962 1965 1966
1961 1964
DEMEX, J. und J. RCTKLA (Herausg.): Periglazialzone, Löß und Paläolithikum der Tschechoslowakei. Brno. FBENZEL, B.: ZU Pollenanalysen von Lössen. Eiszeitalter u. Gegenwart 15, 5—39. GRAHMANN, R.: Der Löß in Europa. Mitt. d. Ges. f. Erdkunde 51. HAASE, G., I . LIEBEROTH, R . RUSKE: u . a . : S e d i m e n t e u n d P a l ä o b ö d e n i m L ö ß -
gebiet. In: Periglazial, Löß, Paläolithikum im Jungpleistozän der Deutschen Demokratischen Republik, 99—212, Gotha/Leipzig. KUKLA, J.: Die Lößserien der Tschechoslowakei. In: Geograficky ustav CSAV. KUKLA, J., V. LOZEK u. J. BARTA : Das Lößprofil von Nové Mesto im Waagtal. Eiszeitalter u. Gegenwart 12, 73—91. LOZEK, V.: Das Problem der Lößbildung und die Lößmollusken. Eiszeitalter u. Gegenwart 16, 61—75. ROHDEKBUBG, H . u n d B . MEYER: Zur F e i n s t r a t i g r a p h i e u n d P a l ä o p e d o l o g i e d e s
Jungpleistozäns nach Untersuchungen an südniedersächsischen und nordhessischen Lößprofilen. Mitt. dt. bodenk. Ges. 5, 1—135. RUSKE, R. und M. WÜNSCHE : Löß und fossile Böden im mittleren Saale- und unteren Unstruttal. Geologie 10, 9—29. —: Zur Gliederung des Pleistozäns im Raum der unteren Unstrut. Geologie 13, 211-222.
2.4.3.7. Travertinstratigraphie Travertine und Kalktuffe sind als warmzeitliche Bildungen vorwiegend an die Tätigkeit von Quellen gebunden, gehen aber, wie im südöstlichen Mitteleuropa, auch auf die Tätigkeit von Thermalwässern zurück. In diesem Falle sind sie nicht so eindeutig klimagebunden. Diese Karbonate entstehen in relativ kurzen Zeiträumen, mitunter aber in großen Mächtigkeiten. Aus den Abdrücken bis zu 4 m langer aufrechter Baumstämme konnte für ein etwa 10 m mächtiges Profil eine Sedimentationsdauer von ungefähr 1000—1500 Jahren ermittelt werden (Burgtonna in Thüringen). Einschlüsse und Abdrücke einer reichen Flora und Fauna erlauben in diesen Profilen eine feinstratigraphische Untersuchung, die wenigstens die wichtigsten Abschnitte der Warmzeiten umfaßt und deshalb von Bedeutung ist, da häufig im Travertin paläolithische wie auch jüngere Fundschichten eingeschlossen sind. Aus den Lagerungsbeziehungen der Travertine zu den alten Talböden und zu Decksedimenten kann ihre zeitliche Stellung im Großablauf des Quartärs fixiert werden, außerdem ermöglicht der jeweilige Entwicklungsgrad von Fauna und Flora eine relative Datierung. Die feinstratigraphischen Abfolgen sind zunächst von lokaler Bedeutung, da sie sich auf standortsgebundene Befunde stützen. Doch aus dem Vergleich mehrerer gleichzeitiger Travertinvorkommen können aus diesen Abfolgen Schlüsse für die allgemeine Untergliederung der jeweiligen Warmzeiten gezogen werden. Das ist besonders bei den holozänen Kalktuffen und Travertinen möglich, da sie noch am besten und an zahlreichen Orten erhalten sind. In ihnen sind als Ausdruck relativ trockener Klimaphasen Böden und Hangschuttbildungen eingelagert. Die markantesten Böden sind im Subboreal entstanden und enthalten mitunter Siedlungsfunde aus dem Endneolithikum und der Hallstattzeit. Sie können als ein Leithorizont an5*
67
gesehen werden, der ähnlich auch in limnischen Serien als Verlandungsfolge oder Humifizierung auf Flachmoortorfen bzw. als sog. „Rekurrenzfläche" — ebenfalls Verwitterungs- und Humifizierungsrinden — in den Hochmooren in Erscheinung tritt. Ähnliche Bildungen als Ausdruck trockener Phasen können auch in den pleistozänen Travertinen beobachtet werden (z. B. sog. „Pariser- und Pseudopariser" — Horizonte im Travertin von Ehringsdorf). Die warmzeitlichen Optima werden in den Travertinen durch die Helicigonabanatica-Fauna angezeigt. Es scheint sich hier wenigstens für die Eem-Warmzeit die Möglichkeit einer Parallelisierung über größere Strecken anzudeuten, denn auch in den eemzeitlichen Travertinen der Tschechoslowakei und Süddeutschlands ist die Helicigona-banatica-Fauna wie in den Travertinen Thüringens und des Harzvorlandes auf einen Horizont, d. h. eine relativ kurze Phase, beschränkt. Sie fällt jeweils mit der optimalen Entwicklung von Wirbeltierfauna und Flora zusammen. LITERATUR 1960 1968 1973 1955 1964 1969 1958 1910
BEHM-BLANCKE, G.: Altsteinzeitliche Rastplätze im Travertingebiet von Taubach, Weimar, Ehringsdorf. Alt-Thüringen 4. JÄGER, K. D. und V. LOZEK: Beobachtungen zur Geschichte der Karbonatdynamik in der holozänen Warmzeit. Ceskoslovensky kras 19, 7—22. MANIA, D.: Paläoökologie, Faunenentwicklung und Stratigraphie des Eiszeitalters im mittleren Elbe-Saalegebiet auf Grund von Molluskengesellschaften. Geologie, Beiheft 78/79, Berlin. VENT, W.: Über die Flora des Riß-Würm-Interglazials in Mitteldeutschland unter besonderer Berücksichtigung der Ilmtravertine von Weimar-Ehringsdorf. Wiss. Z. Univ. Jena, 4, math.-naturwiss. R., 467—485. V^RTES, L.: Tata — eine mittelpaläolithische Travertin-Siedlung in Ungarn. Archaeologia Hungarica, Ser. n. 43, Budapest. VLÖEK, E.: Neandertaler der Tschechoslowakei. Prag. VLÖEK, E. U. a.: Zusammenfassender Bericht über den Fundort Ganovce und die Reste des Neanderthalers in der Zips (CSR). Prag. WÜST, E.: Die pleistozänen Ablagerungen des Travertingebietes der Gegend von Weimar und ihre Fossilienbestände in ihrer Bedeutung für die Beurteilung der Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Z. Naturwiss. 82, 161 —252.
2.4.3.8. Höhlenstratigraphie Stratigraphisch bedeutende Sedimentfolgen aus Höhlen beschränken sich im wesentlichen auf das Jungpleistozän. Ältere Höhlenfüllungen sind meistens durch die Zurückversetzung der Höhleneingänge infolge Abtragung und Verwitterung zerstört worden. Da aber die Höhlen häufig Zufluchtsorte für den paläolithisehen Menschen waren und seine Kulturreste enthalten, sind ihre Sedimentserien und deren Gliederung von besonderem Interesse für den Archäologen. Allerdings sind gerade die Höhlenfüllungen sehr lückenhaft und schwer zu gliedern. Im Jungpleistozän beginnen sie in der Regel mit umgelagerten Bildungen der letzten Warmzeit, wie Bodensedimenten und Höhlenlehmen. Meist sind auch Überreste warmzeitlicher Faunen mit umgelagert worden. Höhlenbäche haben Schotter ein68
gelagert. Auf warmzeitliche Sedimentation gehen Kalksinterkrusten zurück. Die kaltzeitliche Sedimentation darüber ist durch Frostbruchschichten aus gröberem Gesteinsschutt gekennzeichnet. Dieser ist in ein oder mehreren Horizonten stärker verwittert und verlehmt, mitunter humos. Solche Horizonte deuten auf frühweichselzeitliche Wärmeschwankungen. Sie enthalten Fundhorizonte mit sog. „kaltem" Moustérien, mit Micoquien und anderen mittelpaläolithischen Gruppen. Sie werden nach C14-Messungen in die Zeit vor 40— 50000 datiert. Über diesem Abschnitt der Höhlenfüllungen liegt eine mächtigere Schicht aus grobem Frost ver Witterungsschutt, die offenbar in das größere frühweichselzeitliche Stadial zwischen 50000 und 40000 vor heute zu stellen ist. Ihr folgt in der Regel wieder eine Verlehmungszone als Ausdruck einer Wärmeschwankung. In dieser kommen gelegentlich Fundhorizonte mit Blattspitzen vor (etwa 35—38000 vor heute). Dem Horizont folgen Schuttschichten, die mit gelbem Höhlenlöß durchsetzt sind und wieder lehmige Lagen enthalten, in denen im südöstlichen Mitteleuropa aurignacoide Kulturen vorkommen. Stark mit Löß vermischter Schutt mit mehreren Metern Mächtigkeit darüber gehört in den hochglazialen Abschnitt der Weichseleiszeit. Er trägt Fundhorizonte mit Magdalénien und Mesolithikum. Diese sind meist durch humose Bildungen des Holozäns überprägt. Diese geschilderte Idealfolge ist natürlich nur in den seltensten Fällen vollständig erhalten geblieben oder zur Ausbildung gekommen. Meist enthalten die Höhlen nur bestimmte Abschnitte dieser Folge, die oft genug durch große Sedimentationslücken voneinander getrennt sind. Gerade deshalb ist es schwierig, mit Hilfe geologischer und paläontologischer Untersuchungen solche Ablagerungen in ein Chronologieschema einzugliedern. Mitunter wurden auch die Artefaktfunde zu ihrer Einstufung herangezogen, eine Methode, die im Interesse einer einwandfreien Stratigraphie allerdings zu vermeiden ist. LITERATUR 1933 1967
1969/71 1962
1965 1969 1955 1969
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69
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2.4.3.9. Sonstige Methoden zur Untergliederung des Quartärs Die weltweit wirksamen glazialeustatischen Meeresspiegelschwankungen lassen sich besonders dort als wichtiges Hilfsmittel zur chronologischen Untergliederung des Quartärs verwenden, wo außerdem ein allmähliches Absinken des Meerespiegels bzw. ein Aufsteigen der Küstengebiete seit dem Tertiär festzustellen ist, z. B. an den Küsten des gesamten Mittelmeergebietes. Hier sind die verschiedenen warmzeitlichen Meeresstrände mit ihren geologischen Erscheinungsformen (Strandwällen, Brandungshohlkehlen), den Transgressionssedimenten und Regressionsflächen in ähnlicher Weise morphologisch erhalten geblieben und gestaffelt, wie die Flußterrassen der Mittelgebirgslandschaften. Die hochliegenden Strände sind die ältesten, die jeweils jüngeren befinden sich an tiefer liegenden Küstenbereichen (Abb. 14). Vor allem die mittel- und jungquartären Strände (Sizil-, Milazzo-, Tyrrhen-, Monastirstrände und Nizzastrand) sind mit urgeschichtlichen Funden verbunden. Hier wird die geochronologische Abfolge der Strände zur Datierungsgrundlage dieses Fundmaterials.
Abb. 14. 1967)
Gliederung der quartären Meeresstrände im östlichen Mittelmeergebiet (n.
KAISER,
Der letzte eustatische Anstieg des Weltmeerspiegels seit dem Abschmelzen der weichseleiszeitlichen Gletscher bis zum Höhepunkt der holozänen Warmzeit im Atlantikum ging nicht kontinuierlich, sondern ebenfalls in verschiedenen, aber kurzphasigen Schwankungen vor sich; die Transgression wurde also wiederholt von Regressionen geringeren Ausmaßes unterbrochen. Die exakte Gliederung dieser Schwankungen, die z. B. an den Atlantikküsten, im Nordseebereich und von hier übergreifend auch im Ostseegebiet gelungen ist, wird zu einem Hilfsmittel der urgeschichtlichen Chronologie in diesen Gebieten. Das Ansteigen und landwärtige Vorrücken des Meeres ist an typischen Transgressionssedimenten zu erkennen, so an marinen Schlicken, Sanden und Tonen (z. B. Klei). Während des ansteigenden Meeresspiegels setzt eine starke Vermoorung in den Tälern und 70
Niederungen ein (Abb. 15). Ur- und frühgeschichtliche Siedlungen im Küstenbereich wurden bei der Transgression entweder aufgegeben und überflutet, oder es wurden sturmflutsichere Wohnhügel, sog. Wurten, aufgeworfen und ständig erhöht (S. 19). Siedlungsschichten überschneiden sich hier mit Traiisgressions-
Begirrn
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W/yy/ 1 Abb. 15. Ablauf von Transgression küste im Holozän)
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Transgression I
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und Regression an einer Flachküste
* (Beispiel der Nordsee
1 marine Schlicke, Tone und Sande, 2 Torfe, 3 Sande und Kieae im Strandwallbereich, 1 Bodenbildungen
Sedimenten. Im küstenfernen Hinterland zwangen hochstehende Grundwasserspiegel in den großen Tälern und Niederungsgebieten zur Aufgabe von wassernahen Siedlungen. Regressionsphasen (Abb. 15) sind an der Vermoorung undnachfolgenden Humifizierung der ehemals überfluteten Gebiete zu erkennen. In diesen Phasen wurden Flachsiedlungen angelegt, und der Wurtenbau stagnierte. Im Hinterland wurden die Tal- und Niederungsbereiche wieder begehbar. Der holozäne Meeresspiegelhöchststand wurde während des Atlantikums mit der atlantischen Transgression (Calais-Transgression im Kanalbereich, Flan71
drische Transgression in der Nordsee, Litorina-Transgression in der Ostsee) erreicht. Dabei entstanden in den Küstenbereichen ausgedehnte Strandwälle. Nach einer längeren Regressionsphase im Subboreal kam es zu einer erneuten Transgression im Subatlantikum (Dünkirchen-Transgression in der Nordsee, Mya-Phase der Ostsee). Wichtigster methodischer Anhaltspunkt zur Verknüpfung der MeeresspiegelSchwankungen mit der ur- und frühgeschichtlichen Chronologie sind die Einlagerungen der Siedlungshorizonte und Kulturschichten in die Abfolge der Transgressions- und Regressionssedimente im unmittelbaren Küstengebiet oder ihre ähnliche Verknüpfung mit den durch die Fernwirkung der Meeresspiegelschwankungen hervorgerufenen Sedimenten und Bodenbildungen in den Tälern und Niederungen des Hinterlandes. Den holozänen Regressionsphasen entsprechen in der Regel trockene Klimaphasen, die im Binnenland Humifizierungen in den Mooren, Bodenbüdungen in den Taltravertinen und breite Verlandungsgürtel an den Binnengewässern verursachten. So ergeben sich Möglichkeiten, die eustatischen Meeresspiegelschwankungen mit der Stratigraphie im Binnenland zu verknüpfen. Daß eine weitere Verbindung auch mit der urgeschichtlichen Chronologie möglich ist, zeigen z. B. Siedlungshorizonte auf den Böden im Travertin oder auf den Verlandungsfolgen an den Gewässern. Neben der C 14 -Methode (S. 98) gibt es noch einige weitere physikalische Methoden zur Datierung eiszeitlicher Sedimente oder ihres Fossilinhalts. Sie haben vor allem für die älteren Abschnitte des Quartärs und damit für das Altpaläolithikum Bedeutung, da sie jenseits der Reichweite der Radiocarbon-Datierung liegen. Die eine beruht auf dem radioaktiven Zerfall des Ioniums (Th230), umfaßt etwa 400000 Jahre und wird bevorzugt an Tiefseesedimenten oder Kalksteinen angewandt. Noch weiter zurück reicht die Kalium-Argon-Methode, die in der Datierung radioaktiver Zerfallsprodukte in vulkanischen Gesteinen besteht (S. 106). Mit ihr ist es möglich, z. B. die Plio-/Pleistozängrenze oder die älteren Entwicklungsphasen der Hominiden zu datieren (z. B. Olduwai-Schlucht). Eine Relativchronologie kann mit Messungen des 0 18 /0 16 -Verhältnisses, z. B. in Kalkschalen von Meerestieren, gewonnen werden. Sie gründet sich darauf, daß dieses Verhältnis unter dem Einfluß der Temperatur gesetzmäßig verändert wird. Man kann also mit derartigen Messungen ehemalige Temperaturverhältnisse, z. B. die oberflächennahen Meerestemperaturen, rekonstruieren und in größeren vertikalen Probenserien aus marinen Sedimenten die Aufeinanderfolge eiszeitlicher Temperaturschwankungen erkennen. Darauf geht die Eiszeitkurve der oberflächennahen Meerestemperaturen von E M I L I A N I zurück. Zuletzt soll noch auf die Bändertonmethode bzw. Warwenchronologie hingewiesen werden. Sie ist von lokaler Bedeutung in den Vereisungsgebieten des Quartärs. Die Bändertone in den Eisstauseen sind in zentimeterdünnen Lagen oder Warwen geschichtet. Dabei ist ein bestimmter Wechsel von dünnen, tonigen, dunklen Winterwarwen und dicken, sandigen, hellen Sommerwarwen zu unterscheiden. Das hängt mit dem durch die Jahreszeiten gesteuerten Gletscherhaushalt, wie den Abschmelzbeträgen und dem dadurch bedingten Sedimenttransport 72
im und auf dem Gletscher, zusammen. Genauso haben sich länger dauernde Klimaschwankungen auf den Gletscher ausgewirkt und in der relativen Dicke der Schichtblätter seiner Schmelzwasserablagerungen niedergeschlagen. Wie bei der Dendrochronologie lassen sich nun Bändertonabfolgen in den relativen Dicken der Jahresschichten miteinander vergleichen und verbinden. Mit solchen Vergleichen ist es de Geer und seiner Schule gelungen, nach Untersuchung zahlreicher Bändertonvorkommen, die während des Eiszerfalls im Ostseegebiet und in Südskandinavien entstanden, eine Chronologie des Weichselspätglazials zu entwickeln. Bisher war es aber in diesem Gebiet aus Gründen mangelnden Fundniederschlages leider nicht möglich, die Bändertonchronologie mit der spätpaläolithischen Chronologie zu verbinden. LITERATUR 1955 1958 1967 1940 1950 1965 1955 1967 1962 1961
EMILIAS!, C.: Pleistocene Temperaturas. Journ. of Geology 63, 538—578. —: Paleotemperature Analysis of Core 280 and Pleistocene Correlations. Journ. of Geology 66, 264-275. FRENZEL, B.: Die Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Die Wissenschaft 129, Braunschweig. GEER, G. de: Geochronologica Suecica, principies. K. Svensk. Vet. Akad. Handl. 18, Nr. 6. HAARNAGEL, W.: Das Alluvium an der deutschen Nordseeküste. Schriftenreihe d. niedersächs. Landesstelle für Marschen- u. Wurtenforschung 4. —: Die Marschen im niedersächsischen Küstengebiet der Nordsee. Method. Handbuch f. Heimatforschung in Niedersachsen 1. Hildesheim. HAHN, 0.: Neuere radioaktive Methoden zur geologischen und biologischen Altersbestimmung. Naturwiss. Rundschau 8, 331—337. KAISER, K.: Das Klima Europas im quartären Eiszeitalter. Fundamenta B, 2,1—27. Köln. MÜLLER, W.: Ablagerungen der holozänen Meerestransgression an der südlichen Nordseeküste und Folgerungen in bezug auf eine geochronologische Holozängliederung. Eiszeitalter u. Gegenwart 13, 197—226. ROSHOLT, J. N . , C. EMHJANI, J. GEISS, F . F . KOCZY und P . J. WANGERSKY: Abso-
lute Dating of Deap-sea Cores by the Pa231/Th230-Method. Journ. of Geology 69, 162 bis 185. 1950 WOLDSTEDT, P.: Norddeutschland und angrenzende Gebiete im Eiszeitalter. Stuttgart. 1954/58/65 —: Das Eiszeitalter. Grundlinien einer Geologie des Quartärs. Bd. 1—3, Stuttgart. 1969 —: Quartär. Handbuch der stratigraphischen Geologie 2. Stuttgart.
2.5. Botanische
Methoden
2.5.1. D i e P o l l e n a n a l y s e Alljährlich erzeugen die Blütenpflanzen Pollen, die vom Wind verbreitet werden, wodurch sie auch in Seen und Mooren unter Luftabschluß kommen. Unter solchen Bedingungen bleibt ihre Außenhaut nahezu unbegrenzt erhalten.
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im und auf dem Gletscher, zusammen. Genauso haben sich länger dauernde Klimaschwankungen auf den Gletscher ausgewirkt und in der relativen Dicke der Schichtblätter seiner Schmelzwasserablagerungen niedergeschlagen. Wie bei der Dendrochronologie lassen sich nun Bändertonabfolgen in den relativen Dicken der Jahresschichten miteinander vergleichen und verbinden. Mit solchen Vergleichen ist es de Geer und seiner Schule gelungen, nach Untersuchung zahlreicher Bändertonvorkommen, die während des Eiszerfalls im Ostseegebiet und in Südskandinavien entstanden, eine Chronologie des Weichselspätglazials zu entwickeln. Bisher war es aber in diesem Gebiet aus Gründen mangelnden Fundniederschlages leider nicht möglich, die Bändertonchronologie mit der spätpaläolithischen Chronologie zu verbinden. LITERATUR 1955 1958 1967 1940 1950 1965 1955 1967 1962 1961
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lute Dating of Deap-sea Cores by the Pa231/Th230-Method. Journ. of Geology 69, 162 bis 185. 1950 WOLDSTEDT, P.: Norddeutschland und angrenzende Gebiete im Eiszeitalter. Stuttgart. 1954/58/65 —: Das Eiszeitalter. Grundlinien einer Geologie des Quartärs. Bd. 1—3, Stuttgart. 1969 —: Quartär. Handbuch der stratigraphischen Geologie 2. Stuttgart.
2.5. Botanische
Methoden
2.5.1. D i e P o l l e n a n a l y s e Alljährlich erzeugen die Blütenpflanzen Pollen, die vom Wind verbreitet werden, wodurch sie auch in Seen und Mooren unter Luftabschluß kommen. Unter solchen Bedingungen bleibt ihre Außenhaut nahezu unbegrenzt erhalten.
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Aus Moor- und Seeablagerungen können nun Profile ergraben oder erbohrt und in Einzelproben zerlegt werden. Nach der Größe und Form der Pollen sowie der Struktur ihrer Außenhaut lassen sich die Pollen den verschiedenen Pflanzenarten, -gattungen bzw. -familien zuordnen (Abb. 16). Ihr mengenmäßiges Verhältnis zueinander ergibt das Pollenspektrum. Die aufeinanderfolgenden Spektren der Einzelproben bilden das Pollendiagramm.
Abb. 16. Pollen verschiedener Bäume, Sträucher und Kräuter sowie Sporen von Farn und Bärlapp. Etwa 300fache Vergrößerung
Auf Grund der zahlreichen Pollendiagramme ist für die meisten mitteleuropäischen Gebiete der Ablauf der Vegetationsentwicklung recht gut bekannt und deren einzelne Abschnitte (Pollenzonen) auch zeitlich zu fassen. Damit gewinnt die Pollenanalyse auch für die Archäologie Bedeutung. Datierungen ur- und frühgeschichtlicher Funde durch die Pollenanalyse sind in der Regel ohne besondere Schwierigkeiten für das Paläo- und Mesolithikum sowie den Beginn der neolithischen Besiedlung durchführbar. Schwierigkeiten können sich indes schon vom Mittelneolithikum an ergeben, wenn das Pollendiagramm nicht einen längeren Zeitraum — bei entsprechender Sedimentmächtigkeit — umfaßt und keine geeigneten Vergleichsdiagramme aus der Umgebung der Fundstelle vorliegen. Allgemein gesehen nimmt mit abnehmendem Alter der 74
Kulturen auch, die Sicherheit in der Datierung durch die Pollenanalyse ab. Entscheidend für die Frage, ob sich der Versuch einer pollenanalytischen Datierung von Einzelfunden lohnt, hängt von der Dauer des anthropogenen Einflusses auf die Vegetation, mit der im Fundgebiet zu rechnen ist, ab. So kann es sich in einem vom Neolithikum an mehr oder weniger durchgehend besiedeltem Gebiet, wie z. B. dem Thüringer Becken, unter Umständen als unmöglich erweisen, nach Einzelspektren noch zwischen Latene- und Völkerwanderungszeit zu trennen, während in den höheren Lagen der Mittelgebirge meist noch die Mitte des 16. J h . im Pollendiagramm gut festlegbar ist. Eine pollenanalytische „Datierung" stellt zunächst lediglich eine Einordnung der Funde in den Ablauf der Vegetationsentwicklung dar. Die zeitliche Fassung der einzelnen Abschnitte der Vegetationsentwicklung hat die Pollenanalyse erst durch die Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftszweigen erhalten. Dadurch ist die Pollenanalyse ihrerseits heute in der Lage, auch „absolute" Datierungen geben zu können, deren Genauigkeit jedoch vom Grad der pollenanalytischen Durcharbeitung des betreffenden Gebietes abhängt, aus dem der pollenanalytisch zu datierende Fund stammt. Um Verständnis für diesen Zusammenhang und damit für die mögliche Nutzung der Pollenanalyse zur Datierung archäologischer Funde zu wecken, ist es notwendig, auf die Entwicklung der Datierungsgrundlagen der Pollenanalyse einzugehen. Die Pollenanalyse hat als eine der wichtigsten Methoden zur Rekonstruktion der Vegetationsverhältnisse vergangener Zeiten eine mehr als 50jährige Geschichte. In dieser Zeit wurde nicht nur eine heute kaum noch zu überblickende Zahl von Pollendiagrammen erarbeitet, sondern gleichzeitig auch die methodische Basis stark erweitert. Pollenmorphologische Untersuchungen schufen die Voraussetzung, auch in der Pollenanalyse die Nichtbaumpollen bis zur Art, zur Gattung oder Familie bestimmen zu können. Dadurch ist die Anwendungsbreite pollenanalytischer Untersuchungen zur Beantwortung siedlungsgeschichtlicher Fragen wesentlich gewachsen. Die chemisch-physikalischen Aufbereitungsmöglichkeiten, die zur Anreicherung der Pollen führen, wurden verfeinert, so daß heute auch Sedimente pollenanalytisch bearbeitet werden können, die in früheren Jahren infolge ihres zu geringen Pollengehaltes pro Sedimentsmenge kaum auswertbar waren. Und schließlich ist auch die wichtigste Frage für die Interpretation der Pollendiagramme, inwieweit die Pollenspektren die tatsächlichen Vegetationsverhältnisse widerspiegeln können, weitgehend beantwortet worden. Es liegen Untersuchungen zur Pollenproduktion der einzelnen Sippen vor, ferner zum Pollengehalt der Luft und den damit verbundenen Fragen des Nah-, Fern- und Weittransportes der Pollen. Die pollenanalytische Untersuchung von Oberflächenproben (Moospoister bzw. des Pollengehaltes aus für diese Untersuchungen entwickelten Pollenfanggläsern) gestattete einen direkten Vergleich der Pollenspektren mit der heutigen Vegetation. Die aus solchen Spezialuntersuchungen resultierenden Ergebnisse müssen durch den Pollenanalytiker bei der Interpretation der Diagramme beachtet werden. Ein Vergleich mehrerer Pollendiagramme eines Landschaftsgebietes oder auch 75
verschiedener mitteleuropäischer Landschaftsgebiete läßt die Pollendiagramme in ihren Hauptzügen zur Deckung bringen. Diese Gemeinsamkeiten sind (vgl. Abb. 17): — das Vorherrschen der Pollen von Kiefer und Birke im ältesten Teil der Pollendiagramme, — die sich anschließende Massenausbreitung der Hasel, — Pollenhöchstwerte der Bäume des Eichenmischwaldes (Ulmen, Linden, Eichen, Ahorn und Esche), in Niederungsgebieten auch der Erle, — Anstieg der Pollenkurve der Buche, — im jüngsten Abschnitt Vorherrschen der Pollen der Nadelbäume (Kiefer oder Fichte), bedingt durch die Forstwirtschaft.
Abb. 17. Pollendurchschnittsdiagramm des nordwestdeutschen Flachlandes (nach BEHRE)
In dieser Abfolge schaltet sich die Fichte, die Tanne und auch die Hainbuche in den verschiedenen Landschaftsgebieten an unterschiedlichen Stellen ein. Diese Grundzüge der Vegetationsentwicklung wurden 1930 von K . RUDOLPH bei der zusammenfassenden Auswertung der ersten Pollendiagramme der hercynischen Mittelgebirge erkannt und als „historische Grundsukzession" bezeichnet. Eine wesentlich größere Zahl von Pollendiagrammen aus Mitteleuropa wertete F. FIRBAS (1949) aus, in denen die oben genannte Abfolge ebenfalls Ausdruck findet. Firbas nannte diese Abfolge „Mitteleuropäische Grundfolge der Waldentwicklung". Der Terminus Grundsukzession bzw. Grundfolge sagt bereits, daß sich in dieser Abfolge das Allgemeine widerspiegelt. Das Einzelne, die Vegetations76
entwicklung eines bestimmten mitteleuropäischen Landschaftsgebietes, ist im allgemeinen nur annähernd erfaßbar. Die mitteleuropäische Grundfolge der Vegetationsentwicklung bringt die Zusammenhänge von mitteleuropäischer Florengenese und dem Ablauf der großklimatischen Entwicklung zum Ausdruck. Variierend wirken in den einzelnen Landschaftsgebieten auf die Vegetationsentwicklung: das Relief (Höhenlage und Exposition), das geologische Ausgangsmaterial der Böden, der Klimacharakter (ozeanisch bis kontinental), der die Niederschlagssumme und -Verteilung beeinflussende Luv-Lee-Effekt sowie die unterschiedliche Konkurrenzkraft der Waldbäume, die mit diesen Faktoren in engem Zusammenhang steht. Variierend wirken ebenfalls zonale Unterschiede, d. h. die Abhängigkeit des Vegetationscharakters von der Entfernung zur Eisrandlage. Diese wird im spätweichselzeitlichen Abschnitt der Pollendiagramme besonders augenfällig. Auch im holozänen Abschnitt der Pollendiagramme bleibt — obwohl stark gemindert — eine Widerspiegelung der Zonierung in den Pollendiagrammen bestehen. Die einzelnen Pollendiagramme eines Landschaftsgebietes zeigen daher, trotz ihrer Übereinstimmung in den Grundzügen, oft beachtliche Unterschiede. In den 20er und 30er Jahren entstanden in Europa unabhängig voneinander Schulen pollenanalytischer Forschung. So arbeiteten z. B. im zentralen Mitteleuropa F. F T E B A S , im nordwestlichen Küstengebiet F . O V E R B E C K und im südlichen Skandinavien K. J E S S E N sowie T . N I L S S O N und deren Schüler. Jede dieser Schulen gliederte und kennzeichnete ihre Pollendiagramme entsprechend den im Arbeitsgebiet vorherrschenden, die Vegetationsentwicklung beeinflussenden Bedingungen1). Mit zunehmender Dichte der Untersuchungspunkte zeigten sich immer mehr Abweichungen von den zuerst erarbeiteten Kriterien für die Abgrenzung der einzelnen Abschnitte der Vegetationsentwicklung. Daraus resultieren vielfältige, oft unterschiedlich vorgenommene Unterteilungen bisher einheitlich gefaßter Abschnitte und Veränderungen in der Grenzziehung zwischen den Abschnitten (Pollenzonen). Das Wesen der Pollenzonen besteht darin, Abschnitte eines bestimmten, relativ einheitlichen Vegetationscharakters gegen Abschnitte eines ebenfalls einheitlichen, aber anderen Vegetationscharakters abzugrenzen. Diese Pollenzonen wurden anfangs mit den von Blytt-Sernander eingeführten Begriffen (Praeoboreal, Boreal, Atlantikum, Subboreal, Subatlantikum), bald jedoch stärker durch römische Ziffern gekennzeichnet. Durch die Pollenzonen wird die zeitliche Aufeinanderfolge bestimmter Vegetationstypen erfaßt. Für eine Datierung der Pollenzonen standen der Pollenanalyse anfangs die Warwenchronologie und die Zusammenarbeit mit der Archäologie zur Verfügung. Die Datierung der älteren Pollenzonen (bis zum Praeboreal/Boreal) erfolgte durch pollenanalytische Paralleluntersuchungen warwenchronologisch datierter BänderSo wird der Zeitraum von der älteren Dryaszeit bis zur Neuzeit von Firbas durch die Ziffern bis X , von OVERBECK durch die Ziffern I bis X I I und von-Jessen durch die Ziffern I bis I X gekennzeichnet. NILSSON verwendet für den Zeitraum vom beginnenden Alleröd bis zur Neuzeit die Ziffern X I bis I. I
77
tone. Funde archäologischer Objekte in Torfmooren boten die Möglichkeit, durch pollenanalytische Untersuchung eines vollständigen Torfprofils aus der Fundstelle allmählich auch die jüngeren Pollenzonen genauer zu datieren. Seit der Einbeziehung der Nichtbaumpollen in die Analysen sind in Auswertung der Siedlungsgeschichte aus dem Auftreten der Pollen des Getreides in den Diagrammen ebenfalls Datierungen ableitbar. In beiden Fällen ist die Datierung jedoch durch die Archäologie vorgegeben! Die steigende Zahl der auf diese Weise (Warwenheute m > Nachwürmezeif
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Abb. 18. Übersicht über die Datierung von Pollenzonengrenzen mit Hilfe der CuMethode Punktierte Flächen: Bereich aller Datierungen in radiokarbongeeichten Pollendiagrammen; schwarze Flächen: Häufung von Daten (nach STRAKA, 1970)
Chronologie und Archäologie) datierten Pollendiagramme schuf die Möglichkeit, auch Moorfunde unbekannten Alters mit Hilfe der Pollenanalyse annähernd zu datieren. Mit der Entwicklung der Radiokarbonmethode eröffnete sich der Pollenanalyse die absolute Datierung der Pollenzonen in hohem Maße. Die rasch zunehmende Zahl radiokarbondatierter Diagramme gestattete bald auch durch zonale und regionale Vergleiche der Pollendiagramme sichere Aussagen zur zeitlichen Zuordnung der Pollenzonen in den einzelnen mitteleuropäischen Landschaften (Abb. 19). So sind heute auch die Pollenzonen solcher Diagramme, denen C14Daten fehlen, durch Paralellisierung mit datierten Diagrammen zeitlich relativ gut zu fassen. Zu berücksichtigen bleiben in allen Fällen, gleich ob die Pollendiagramme selbst Radiokarbondaten tragen oder die Datierung durch Vergleich mit benachbarten, radiodarbondatierten Diagrammen gewonnen wurde, die in der Radiokarbonmethode liegenden Fehlerquellen und Fehlergrenzen (vgl. Abschnitt 2.7.1.), die durch die Beschaffenheit des pollenhaltigen Materials (CaC0 3 -Gehalt, nicht immer auszuschließende jüngere Durchwurzelung älterer Horizonte) noch varriiert sein können. Bei der überwiegenden Zahl der Pollendiagramme sind auf der Ordinate die Tiefenlagen der einzelnen Probenentnahmen und die Zuordnung der Diagrammabschnitte zu den Pollenzonen ablesbar. Aus der Abzisse gehen die Pollenwerte der einzelnen Sippen hervor. Wenn auf der Ordinate nicht auch eine Zeitskala eingezeichnet ist, dann zwingt die unterschiedliche Fassung und Kennzeichnung der Pollenzonen dazu, sich vor Übernahme der Ergebnisse stets Klarheit zu verschaffen, welche Fassung vom Autor genutzt wurde (vgl. Abb. 19). Für die Pollenzonen nach O V E R B E C K gibt die Abb. 18 die Ergebnisse der Radiokarbondatierung der Zonengrenzen wieder. Zu beachten bleibt ferner die sich in den letzten Jahren stärker durchsetzende terminologische Abgrenzung der Begriffspaare „Pleistozän und Holozän" sowie „Spätglazial und Postglazial". Letzteres Begriffspaar wird für die Kennzeichnung des lokalen Vegetationscharakters genutzt, während für das Begriffspaar „Pleistozän und Holozän" eine weltweite Gültigkeit, d. h. eine chronostratigraphische Trennung, angestrebt wird, für die eine verbindliche Festlegung jedoch noch aussteht. Auf Grund der Tatsache, daß die Pollenanalyse zwar eine zeitliche Aufeinanderfolge bestimmter Vegetationstypen erfaßt, diese aber nicht datieren kann, sondern die Datierungsgrundlage durch Nachbardisziplinen, z. T. durch die Archäologie selbst, erhält, erscheint ihre Anwendung für reine Datierungsfragen in der Regel wenig sinnvoll. Die Gefahr der Zirkelschlüsse ist sehr groß 2 ). Der wirkliche 2) Dazu nur eines von vielen Beispielen: Aus dem Eichsfeld liegt ein Pollendiagramm vor, in dem der jüngste — sehr deutliche — Anstieg der Getreidekurven auf Grund siedlungshistörischer Überlegungen mit der Entstehung der -hausen-Orte parallelisiert wird. Ein solches Verfahren ist möglich und oft notwendig. Der Zirkelschluß ist jedoch vollzogen, wenn — wie es JANSSON tut — das Pollendiagramm dann zur Datierung der -hausen-Orte genutzt wird.
79-
Nutzen einer engen Zusammenarbeit von Pollenanalyse und Archäologie liegt auf anderem Gebiet. Die Pollenanalyse hilft, das Bild einer Landschaft zu rekonstruieren, in der sich eine Besiedlung vollzog. Sie kann ferner Fragen der Siedlungskontinuität bzw. Diskontinuität und wirtschaftsgeschichtlicher Natur,
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Abb. 19. Vergleich der Pollenzonensysteme einiger Autoren und deren wahrscheinliche Konnektierung und wahrscheinliches absolutes Alter Gerissene und punktierte Linien bedeuten größere Unsicherheit des Alters, der Abgrenzung oder der Konnektierung. Die dickeren vertikalen Balken beziehen sich auf die Schwankungsbreite der absoluten Altersangaben für die Zonengrenzen (nach WALTER, STRAKA, 1 9 7 0 )
wie z. B. die Relationen von Ackerbau und Viehhaltung, die Ausdehnung landwirtschaftlicher Nutzflächen u. ä. beantworten. Andererseits erhält die historische Geobotanik durch eine solche Zusammenarbeit Hinweise auf den Wirkungsgrad ur- und frühgeschichtlicher Besiedlung auf die weitere Vegetationsentwicklung. 80
Der Archäologe sollte diese sich ihm bietenden Möglichkeiten einer Zusammenarbeit beider Disziplinen nutzen, wenn die Naturbedingungen eines Grabungsplatzes 3 ) eine Mitarbeit des Pollenanalytikers sinnvoll erscheinen lassen. LITERATUR Einen leichtverständlichen Überblick über die Grundlagen und Anwendungsbereiche der Pollenanalyse gewährt das Heft 202 der Neuen Brehmbücherei: Straka, H.: Pollenanalyse und Vegetationsgeschichte. Ed. 2. Lutherstadt Witten1970 berg. Die nachstehend genannten Bücher enthalten eine Vielzahl von Pollendiagrammen und umfassende Literaturverzeichnisse: 1949/52 Perbas, F.: Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen (2 Bände). Jena. 1965 Godwin, H.: The History of the British Flora. Cambridge. 1957 Nettstadt, M. I.: Waldgeschichte und Paläogeographie der UdSSR im Holozän (russisch). Moskau. 1950 Overbeck, F.: Die Moore. Ed. 2. Bremen. 1970 Waltek, H. und H. Stbaka: Floristisch-historische Geobotanik (Arealkunde). Einführung in die Phytologie III/2. Ed. 2. Stuttgart. Ausführliche Bibliographien aller pollenanalytischen Arbeiten (alphabetisch; über Schlüsselnummern sowohl nach Kontinenten, Subkontinenten und Ländern als auch nach der Zeit erfaßbar) werden in nachstehenden Zeitschriften publiziert: Pollen et Spores. Paris. Review of Palaeobotany and Palynology. Amsterdam. Eine „Bibliographie pollenanalytischer Beiträge zur Spätglazial- und Holozänforschung in der DDR 1948—1968" befindet sich in: 1970 Probleme der weichsei-spätglazialen Vegetationsentwicklung in Mittel- und Nordeuropa (Hrg. Quartärkomitee der DDR bei der DAW). Frankfurt/Oder.
2.5.2. D i e D e n d r o c h r o n o l o g i e Gegenstand der Untersuchungen bilden die Jahrringe der Bäume, die bei allen Holzgewächsen in den Gebieten mit winterlicher Vegetationsruhe, also durch JahreszeitenWechsel, angelegt werden und deren wechselnde Breiten vor allem klimatischen Einflüssen unterliegen. Der Wachstumsrhythmus führt zu klaren Grenzen der Jahreszuwächse (Abb. 20). So werden im Frühjahr weitlumige Gefäße (Frühholz) und beim Abklingen des Wachstums englumige Gefäße (Spätholz) gebildet, deren Breite im Durchlicht oder Auflicht schon bei schwachen Mikroskopvergrößerungen auf einige Prozent Genauigkeit gemessen werden kann. Die Ringbreite nimmt nach einem kurzen Jugendanstieg mit zunehmenden Alter ab, und zwar lange, ehe der Holzzuwachs als Ganzes schwächer wird, da sich der Zuwachs auf steigende Umfänge (Flächenzuwachs) und Schaftlängen (Volumenzuwachs) verteilt, was selbstverständlich auf Kosten des Durchmesserzuwachses, also der Ringbreiten, geschieht. Gegenstand der Dendrochronologie ist nicht 3
) Das ist dann der Fall, wenn in unmittelbarer Nähe des Grabungsplatzes Moor- oder Seeablagerungen vorhanden sind. Sedimente der Burggräben und Brunnen sind in den meisten Fällen ebenfalls pollenanalytisch auswertbar.
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Chronologie der Urgeschichte
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Der Archäologe sollte diese sich ihm bietenden Möglichkeiten einer Zusammenarbeit beider Disziplinen nutzen, wenn die Naturbedingungen eines Grabungsplatzes 3 ) eine Mitarbeit des Pollenanalytikers sinnvoll erscheinen lassen. LITERATUR Einen leichtverständlichen Überblick über die Grundlagen und Anwendungsbereiche der Pollenanalyse gewährt das Heft 202 der Neuen Brehmbücherei: Straka, H.: Pollenanalyse und Vegetationsgeschichte. Ed. 2. Lutherstadt Witten1970 berg. Die nachstehend genannten Bücher enthalten eine Vielzahl von Pollendiagrammen und umfassende Literaturverzeichnisse: 1949/52 Perbas, F.: Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen (2 Bände). Jena. 1965 Godwin, H.: The History of the British Flora. Cambridge. 1957 Nettstadt, M. I.: Waldgeschichte und Paläogeographie der UdSSR im Holozän (russisch). Moskau. 1950 Overbeck, F.: Die Moore. Ed. 2. Bremen. 1970 Waltek, H. und H. Stbaka: Floristisch-historische Geobotanik (Arealkunde). Einführung in die Phytologie III/2. Ed. 2. Stuttgart. Ausführliche Bibliographien aller pollenanalytischen Arbeiten (alphabetisch; über Schlüsselnummern sowohl nach Kontinenten, Subkontinenten und Ländern als auch nach der Zeit erfaßbar) werden in nachstehenden Zeitschriften publiziert: Pollen et Spores. Paris. Review of Palaeobotany and Palynology. Amsterdam. Eine „Bibliographie pollenanalytischer Beiträge zur Spätglazial- und Holozänforschung in der DDR 1948—1968" befindet sich in: 1970 Probleme der weichsei-spätglazialen Vegetationsentwicklung in Mittel- und Nordeuropa (Hrg. Quartärkomitee der DDR bei der DAW). Frankfurt/Oder.
2.5.2. D i e D e n d r o c h r o n o l o g i e Gegenstand der Untersuchungen bilden die Jahrringe der Bäume, die bei allen Holzgewächsen in den Gebieten mit winterlicher Vegetationsruhe, also durch JahreszeitenWechsel, angelegt werden und deren wechselnde Breiten vor allem klimatischen Einflüssen unterliegen. Der Wachstumsrhythmus führt zu klaren Grenzen der Jahreszuwächse (Abb. 20). So werden im Frühjahr weitlumige Gefäße (Frühholz) und beim Abklingen des Wachstums englumige Gefäße (Spätholz) gebildet, deren Breite im Durchlicht oder Auflicht schon bei schwachen Mikroskopvergrößerungen auf einige Prozent Genauigkeit gemessen werden kann. Die Ringbreite nimmt nach einem kurzen Jugendanstieg mit zunehmenden Alter ab, und zwar lange, ehe der Holzzuwachs als Ganzes schwächer wird, da sich der Zuwachs auf steigende Umfänge (Flächenzuwachs) und Schaftlängen (Volumenzuwachs) verteilt, was selbstverständlich auf Kosten des Durchmesserzuwachses, also der Ringbreiten, geschieht. Gegenstand der Dendrochronologie ist nicht 3
) Das ist dann der Fall, wenn in unmittelbarer Nähe des Grabungsplatzes Moor- oder Seeablagerungen vorhanden sind. Sedimente der Burggräben und Brunnen sind in den meisten Fällen ebenfalls pollenanalytisch auswertbar.
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Chronologie der Urgeschichte
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dieser sog. Alters-„Trend", sondern die vorwiegend klimatisch bedingten Schwankungen von J a h r zu Jahr. Eine Datierung nach Jahrringen bezeichnen wir als Jahrringchronologie oder als Dendrochronologie. Sie ist ein junger Zweig der angewandten Botanik, der in Amerika von DOUGLASS (1909) begründet und von H U B E B (1938) für den mitteleuropäischen Raum übernommen wurde.
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Abb. 20. Gleichsetzung der Jahrringe zwei Stämmen (nach REINERTH)
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DOUGLASS, ursprünglich Astronom, wollte anhand der Jahrringfolgen der über 3000jährigen Mammutbäume (Sequoia gigantea) die Sonnenfleckenperiodik verfolgen und hoffte, daß die wesentlichen Schwankungen der Jahrringbreiten im Laufe der Jahrhunderte periodisch wiederkehren. Er fand dabei das Gegenteil bestätigt, daß in den Schwankungen der Jahrringbreite „das historisch Einmalige das periodisch Wiederkehrende überwiegt" bei Proben mit mehr als 50 Jahrringen. Er schloß daraus, daß eine Datierung von Holzproben unbekannten Alters möglich sein müßte, wenn für entsprechende Holzarten und Gegenden Standardchronologien geschaffen werden. Beweisen konnte er seine Theorie mit der durch Überbrückung zusammengefügten Chronologie der Gelb-Kiefer (Pinns ponderosa) für die letzten 2000 Jahre des Pueblo-Gebietes in Arizona, das das wichtigste Bauholz früher Indianersiedlungen darstellt. SCHULMANN, der Entdecker der bis 4600 Jahre alten Borstenkiefer (Pinns aristata) in den White Mountains Kaliforniens, konnte später für die Douglasie eine bis in vorchristliche Jahrhunderte lückenlose Chronologie aufstellen. Derartige Jahrhunderte bis Jahrtausende umfassende Proben sind für die Aufstellung einer gesicherten Standardchronologie sehr wertvoll. Leider verfügen wir in Mitteleuropa über derartige Proben nicht, wo nur etwa 300— 600jährige Spessarteichen den Beginn der Datierungsarbeiten ermöglichen.
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Somit wurde die Jahrringforschung zu einem guten Hilfsmittel einer aufs J a h r genauen Chronologie. Nach H U B E R gelingt eine Datierung auf Grund der Jahrringbreitenschwankungen auf das Jahr genau oder überhaupt nicht unter der Voraussetzung, daß genügend Parallelproben der gleichen Holzart vorhanden sind. Damit ist die Dendrochronologie berufen, feinste baugeschichtliche Einzelheiten zu entschlüsseln. Wir sprechen von Dendrochronologie, wenn es sich um die Datierung von Holzproben unbekannten Alters auf Grund ihrer Jahrringbreitenschwankungen handelt, deren Ursachen in veränderlichen Umweltfaktoren liegen, die auf den Holzzuwachs entscheidenden Einfluß haben, im Gegensatz zur Dendroklimatologie, wo wir gesetzmäßige Zusammenhänge zwischen Klimafaktoren und Jahrringbreiten erkennen wollen. Auf diese Weise ist die Jahrringanalyse zu einer wichtigen Hilfswissenschaft der Geschichte und vor allem der Ur- und Frühgeschichte geworden. Die Bedeutung auf diesen Gebieten wächst zusehends in dem Maße, als die für eine Datierung erforderlichen Vergleichsunterlagen geschaffen werden. Denn eine Holzprobe kann erst und nur dann datiert werden, wenn für dieselbe Holzart datiertes Vergleichsmaterial aus der betreffenden Gegend und der betreffenden Zeit vorliegt. Damit dient die Dendrochronologie als Grundlage für die Dendroklimatologie, da wir erst über eine Reihe sicher datierten Materials verfügen müssen, ehe an eine klimatische Deutung der Jahrringbreitenschwankungen gedacht werden kann. Zu Beginn dendrochrDnologischer Untersuchungen sollte man an die Einheit von Holzart, Standort und Zeit strengste Anforderungen stellen, da ein Kurvenvergleich um so leichter ist, je ähnlicher die Kurven sind. Von gleichartigen Hölzern eines einheitlichen Gebietes kann man die größte Ähnlichkeit erwarten, so daß man sogar bei größeren Materialanhäufungen den Zeitfaktor vernachlässigen kann und häufig sogar mit der Aufstellung einer relativen Chronologie beginnt, d. h. einer zeitlichen Ordnung der Funde untereinander. Zunächst wurde intensiv mit der Schaffung einer langjährigen Eichenchrono.logie begonnen, da die Eiche wegen ihrer guten Bearbeitbarkeit und ihrer hohen Dauerhaftigkeit als Baumaterial ur- und frühgeschichtlicher sowie historischer Bauten sehr geschätzt war. Weiterhin lassen der synchrone Zuwachsgang (Grobporigkeit des Frühholzes und Porenarmut des Spätholzes), die klimatologische Deutbarkeit der Jahrringfolge und das hohe Lebensalter die Eiche für derartige Untersuchungen als sehr geeignet erscheinen. Als Hilfsmittel für die Aufstellung einer langjährigen absoluten Chronologie dient das Überbrückungsverfahren, zuerst von Douglass angewandt (crossdating-Verfahren), wobei die ältesten Ringe eines rezenten Baumes mit den äußersten eines historischen Gebälks synchronisiert werden bis zurück in frühgeschichtliche Zeiten (Abb. 21). Allgemein gesprochen werden ältere Kurvenabschnitte jüngerer Proben und bekannten Fällungsdatums mit jüngeren älterer Proben verzahnt. Auf diese Weise konnten Bauhölzer frühgeschichtlicher Indianersiedlungen nach und nach datiert werden. Eine absolute Datierung ist also nur dann möglich, wenn ein Anschluß an rezente Holzproben erreicht wird. 6*
83
Mit der Länge der Chronologie wächst die Möglichkeit, daß ab und zu ein Ring ausfällt und dadurch frühe Daten um ein oder mehrere Jahre zu hoch sind. Ebenfalls besteht eine größere Gefahr des Ringausfalls bei Proben mit sehr engen Ringen. Daher sollen grundsätzlich möglichst breitringige Exemplare ausgewertet
Baum mit bekanntem [( [( Schnittdatui
((C
Alter Baumstumpf
Historischer Balken
Balken
Balken
Prähistorisch. Balken
Abb. 21. Schematische Darstellung des Überbrückungsverfahrens (nach ZEUNER)
werden. Ringbreiten unter 1 mm sollen nur ganz vereinzelt in extremen Minimumjahren auftreten; die kritische Grenze für Ringausfälle liegt bei 0,5 mm Jahrringbreite. Bei Furniereichen beruht die Holzqualität auf der Engringigkeit, so daß sich hier eine Forderung nach breiten Ringen kaum erfüllen läßt. Der engste Ring ist am meisten von Ausfall bedroht, weswegen Standardreihen zunächst an den wüchsigsten Exemplaren aufgestellt werden sollten. Für eine sichere Datierung benötigen wir eine lange Ringfolge, für baugeschichtliche Auswertungen jedoch das Fällungsjahr der Proben. Soll dieses jahrringanalytisch bestimmt werden, so muß die „Waldkante", d. h. der letzte unter der Rinde begonnene oder vollendete Jahrring noch vorhanden sein. Ist der letzte Jahrring unter der Rinde nicht erhalten, kann sich eine Datierung des wahrscheinlichen Fällungsjahres nur auf die beobachtete Kern/Splint-Grenze gründen. Da das Splintholz sehr unterschiedlich erhalten ist, rechnen wir mit „korrigierten Fällungsjahren", indem wir dem genau feststellbaren Jahr der Kern/Splint-Grenze 84
etwa 25 Splintjahre zuschlagen („Splintzuschlag"). Der Splint umfaßt erfahrungsgemäß bei Eiche die letzten 20—25, selten mehr als 30 Jahre. Mit genaueren statistischen Splintberechnungen haben sich in letzter Zeit SCHULZ (1959), GÜESTT und BERNHABT (1964) und HOLNSTEIN (1965) beschäftigt. Die erzielten Durchschnittswerte bilden eine gute Grundlage, um den fehlenden Splint zu extrapolieren. Wir rechnen im Mittel mit rund 20 Splintjahren (arithmetisches Mittel, ganzzahlig gerundet, beträgt 20 ± 6 Splintjahre), vor allem bei der Gruppe der 100- bis 200jährigen Stämme, die für dendrochronologische Untersuchungen vor allem wichtig sind (vgl. Abb. 22).
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Abb. 22. Jahrringfolgen von fünf Bohlen aus dem Wikinger-Handelsplatz gerechter Deelewngslage (nach ECKSTEIN, LIESE)
Haithabu
in zeit-
Eine Datierung von Einzelproben ist besonders unsicher, da hier der Verdacht besteht, daß es sich um ein zufälliges Reparaturholz oder ein Holz in Wiederverwendung handelt, dessen ermitteltes Fällungsjahr nichts mit der eigentlichen Erbauungszeit des Objektes zu tun hat. Des weiteren muß auch gesagt werden, daß die gesägte Scheibe auf jeden Fall Bohrspänen vorzuziehen ist, da der für die Datierung des Fällungsjahres unentbehrliche Splint meist verlorengeht. Die Waldkante bleibt jedoch nicht immer erhalten. Oft wird das Splintholz vom Zimmermann abgebeilt. Einen weiteren Beitrag zur Zerstörung leisten Insekten, Pilze und Bakterien, während das Kernholz (besonders unter Wasser) Jahrtausende überdauern kann. Bei Bergungsarbeiten und nachfolgender Trocknung gehen auch Splintreste verloren. Bei einer Probe ohne jeden Splintrest muß es aber völlig offen bleiben, ob sie nicht aus dem innersten Kernholz eines vielhundertjährigen Baumes stammt. Aus diesem Grunde sind Proben mit vollständiger Waldkante oder wenigstens mit der Kern/Splint-Grenze besonders aussagekräftig. Für die Baugeschichte wichtiger ist die Erfahrung, daß die Hölzer zusammengehöriger Konstruktionen in der Regel aus dem gleichen Fällungsjahr (vgl. Abb. 22) stammen. Daher wurden sie zumeist auch gleich nach ihrer Fällung verbaut und nicht jahrzehntelang gestapelt. Im allgemeinen bedeutet das Fällungsjahr den Beginn der Zimmermannsarbeiten (Baujahr), besonders bei Wasserbauten. Das ist durch zahlreiche Bauinschriften (mit Vorsicht zu beachten, weil zwischen Fällung und Eingravierung, evtl. Abschluß des Baues doch Jahre vergehen können), Forstordnungen und andere Urkunden belegt. Für eine sofortige Verarbeitung sprechen das Fehlen von Trockenrissen, die sich bei längerer Zeit 85
der Stapelung gebildet hätten (besonders bei Wasserbauhölzern), und bei Hochbauten die rhombische Verzerrung von Balkenquerschnitten, da die Balken noch im feuchten Zustand verarbeitet wurden und nachträglich trockneten. Somit gilt bei rißfreien Grabungshölzern mit Sicherheit: Fällungsjahr gleich Baujahr. Mit der Verfeinerung des Schreinerhandwerks erst entwickelt sich die Gepflogenheit, Werkholz zu stapeln. Daher sollten Schreinerarbeiten wie Möbel, Vertäfelungen, Fenster, Türen und Holzbildhauerarbeiten jahrringchronologisch nicht datiert werden. Voraussetzung für eine gesicherte Datierung ist die Auswertung von viel Material (Parallelproben). Wir können kaum erwarten, daß sich eine Einzelprobe datieren läßt. Von einer Ausgrabung oder einem Gebäude werden so viele Parallelproben benötigt, daß wir etwa ein Drittel bis die Hälfte ausscheiden und den Rest zu gesicherten Mittelkurven zusammenfassen können. „Die Sicherheit des Urteils wächst mit der Anzahl von Parallelproben des gleichen Objektes". Die Proben sollen nach Möglichkeit 100 Ringe und mehr umfassen. Erst später ist zu prüfen, ob sich der zusätzliche Arbeitsaufwand für Proben unter 50 oder gar unter 30 Ringen lohnt. Einzelproben, die weniger als 100 Ringe enthalten, womöglich noch aus Gebieten, die dendrochronologisch noch nicht bearbeitet sind, lassen sich nicht in jedem Falle sicher datieren. Hingewiesen werden soll noch, daß die Datierungsarbeit in der Übergangszone zwischen Stamm und Wurzel durch eine Verzerrung der Jahrringe erschwert wird, weshalb die Proben aus etwa 1,3 m Stammhöhe entnommen werden sollten. Für welche regionalen Bereiche hat die dendrochronologische Methode Gültigkeit? M Ü L L E R - S T O L L (1951) konnte zeigen, daß die Ähnlichkeit von Jahrringfolgen mit der Entfernung gesetzmäßig abnimmt. So besteht zwischen Nadelholzkurven aus Mitteleuropa und Skandinavien oder gar aus Europa und Nordamerika keinerlei Ähnlichkeit, sondern nur noch Zufallsverteilung (50% Gegenläufigkeit). Über die Grenze einer Klimaprovinz hinaus kann man kaum mehr mit einer synchronen Zuwachsreaktion rechnen. Wir müssen für jede Gegend und Holzart unsere eigenen Standardkurven aufstellen, ehe überregionale Zusammenfassungen erarbeitet werden können. Eine Jahrringfolge unbekannten Alters, aber bekannter Herkunft läßt sich nur an Hand einer Chronologie der gleichen Gegend datieren. Hohe Gegenläufigkeitsprozente können auch ihre Ursache in besonderen Standorteinflüssen (Boden) haben. „Z. B. kann eine allgemeine Dürreperiode für einen Baum, der auf tiefgründigem, frischen Boden stockt, optimale Lebensbedingungen schaffen, da zu der immer reichlich vorhandenen Feuchtigkeit nun die Wärme noch hinzutritt, während sie für einen Baum, der auf flachgründigem, trockenen Boden wächst, eine gefährliche Durstperiode darstellt. Im einen Fall werden breite, im anderen Fall schmale Jahrringe angelegt". So konnte ABTMANN (1949) auch nachweisen, daß die Jahrringausbildung der Zirbe (Pinus cembra) durch die engeren Standorteinflüsse bestimmt wird, aber Großeinflüsse nur selten im Jahrringbild verzeichnet werden. Ähnlich verhalten sich auch unsere beiden Eichenarten. Hier reagiert die im Grundwasserbereich der Flüsse (Überschwemmungsgebiete), an Seen und son86
stigen feuchten Niederungen (warme Tieflagen), auf schweren Lehm- und Schlickböden wachsende Aueeiche (meist Stieleiche = Sommereiche, Quercus robur) mit breiteren und ungleichmäßigen Jahrringen grundsätzlich anders als die auf warmtrockenen, wenig wasserhaltenden Hängen der Mittelgebirge, auf mitteltiefbis tiefgründigen Lößlehm-, Geschiebemergel-, Sand- und Sandverwitterungsböden vorkommende Hügeleiche (meist Traubeneiche = Wintereiche, Quercus petraea) mit engeren und gleichmäßigeren Jahrringen. Während bei letzterer die Jahrringbreite in warmtrockenen Jahren sinkt, da sie mehr den Niederschlägen folgt, weist erstere vielfach sogar ein Maximum auf (weitgehend der Wärme folgend). Hinzu kommt noch die Schwierigkeit, das Holz von Stiel- und Traubeneiche zu unterscheiden, so daß eine Datierung von Eichenholz unbekannter Herkunft schwieriger ist als die anderer Hölzer. I m allgemeinen liegt die durchschnittliche Jahrringbreite bei Aueneichen über 2 mm und bei Hügeleichen unter 2 mm, somit kann man auf Grund der durchschnittlichen Jahrringbreite bereits mit einiger Sicherheit auf die Herkunft der betreffenden Individuen aus Auen- bzw. Hügelstandorten nach W E L L E N H O F E R ( 1 9 4 8 ) schließen. Leider hat die mitteleuropäische Dendrochronologie mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen (SACHSSE, 1965), so 1. mit dem Zusammenwirken verschiedener Klimafaktoren innerhalb eines weitgehend ausgeglichenen Klimageschehens, 2. mit dem Einfluß von unterschiedlichen Boden- und Standortverhältnissen in räumlich eng begrenzten Gebieten und 3. mit der unterschiedlichen Reaktionsempfindlichkeit verschiedener Holzarten in bezug auf Witterungsschwankungen. Lassen sich Jahrringkurven nicht in eine Chronologie einordnen, so kann es verschiedene Ursachen haben: 1. Für eine eindeutige Synchronisierung können sie zu kurz sein, 2. längere Kurven können für die Datierung Schwierigkeiten aufweisen, wenn ihre Ringbreite längere Zeit unter der 1 mm-Grenze liegt und damit die Gefahr von Ringausfällen besteht (besonders bei Wurzelholz), 3. standörtliche und klimatische Faktoren können unter Umständen gerade entgegengesetzte Jahrringcharakteristika hervorrufen (Traubeneiche — Stieleiche). Aus allen diesen Gründen muß nochmals die Forderung nach reichlichem Untersuchungsmaterial gestellt werden. LITERATUR 1949 1909 1969
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SACHSSE,
2.6. Die astronomische Methode Seit langem sind im Mechanismus der Erdbahn Schwankungen mit ihren veränderlichen Werten bekannt. Sie wurden frühzeitig zur Deutung des Glazialphänomens herangezogen. In dem bekannten Buch von M. SCHWARZBACH (1950) „Das Klima der Vorzeit" wurde darauf hingewiesen, daß der französische Mathematiker J . F. A D H E M A R 1842 erstmals die „Eiszeit" mit dem Umlauf des Perihels (Präzession der Tag- und Nachtgleiche) erklärte. J . C R O L L berücksichtigte dann zusätzlich die Unterschiede in der Exzentrizität der Erdbahn. Schließlich hat man den Schwankungen in der Schiefe der Ekliptik Einfluß auf den Vereisungsvorgang im Eiszeitalter eingeräumt. Von gleicher Bedeutung wie die Erklärung der wiederholten Vereisungen durch die Erdbahnelemente war zugleich der Lösungsversuch des jugoslawischen Mathematikers M. M I L A N K O VITCH, darauf die absolute Chronologie des Quartärs aufzubauen. Diese beruht auf der Überlegung, daß die Sonneneinstrahlung, die auf
Rotationsachse \
\
Äquatorebene
\
c
Ebene der Erdbahn Abb. 23.
Die veränderlichen Größen der Erdbahn (schematisch, alle Maße stark übertrieben)
a Pulsation der Ellipsenbahn der Erde um die Sonne, b Drehung der Erdbahnellipse in ihrer Bahnebene, c Schwankungen des Winkels zwischen Äquator- und Erdbahnebene (nach FRANKE, 1969)
die Erde einwirkt, infolge der erwähnten Eigenbewegungen nicht konstant ist, aber doch mathematisch exakt erfaßt werden kann. Die Energiemenge, die in jeder Minute die Erde erreicht, beträgt 2,552 X10 1 6 (2,552 Millionen Milliarden) Kilokalorien (FRANKE, 1969). Unter einer Kilokalorie wird die Wärmemenge verstanden, die zur Erwärmung eines Kilogramms Wasser von 14,5° auf 15,5° Celsius notwendig ist. Die Strahlungsintensität auf eine bestimmte Stelle der Erde ist abhängig von ihrer Entfernung zur Sonne und dem Winkel, mit dem die Strahlen auf die Erde einfallen. Die Ellipsenbahn der Erde um die Sonne bedingt in den 365 Tagen unterschiedliche Wärmemengen. Die Ellipsenbahn der Erde, die nur geringfügig von der Kreisform abweicht, pulsiert in Perioden von 91800 Jahren (Abb. 23a). Die Erdbahnellipse dreht sich in ihrer Bahnebene im Laufe von 21000 Jahren einmal rundherum (Abb. 23b). Als dritter himmelsmechanischer 89
Faktor beeinflußt der Neigungswinkel der Erdbahnebene und der Äquatorebene die jahreszeitlichen Unterschiede. Aber diese Schiefe der Ekliptik unterliegt Schwankungen in Abständen von 40400 Jahren (Abb. 23c). Die Ekliptikschiefe, die heute 23° 27' beträgt, schwankt zwischen 24° 36' und 21° 58'. Zeiten mit flacher Achsneigung können zu Eiszeiten führen, wenn jeweils die beiden anderen Schwankungen der genannten Erdbahnelemente den zusätzlich gleichen Effekt verursachen. Auf Grund dieser wechselnden Werte hat M. MILANKOVITCH zunächst für die zurückliegenden 650000 Jahre für die Sommerhalbjahre in 55°, 60° und 65° nördlicher Breite in langjährigen Rechenarbeiten an Stelle der jeweiligen Strahlungsmenge die dieser entsprechende Breitenänderung kurvenmäßig dargestellt (Abb. 24, A). Später wurden die Kurven auf Hebung und Senkung der Schneegrenzenbewegung, auf Meter bezogen, umgerechnet (Abb. 24b). Die Sonnenstrahlungskurve von M. MILANKOVITCH, die schon z. T . in anderer Methodik errechnete Vorläufer hatte, z. B. R. SPITÄLER (1921), wurde zuerst durch ihre Aufnahme in das Buch von W . K Ö P F E N und A. W E G E N E B „Die Klimate der geologischen Vorzeit", das 1924 erschienen ist, bekannt. M . MILANKOVITCH hatte die sommerliche Strahlung berechnet, da nicht die kalten Winter, sondern feuchte Sommer für die Eiszeiten entscheidend sein sollten. Ist doch' auch heute die Tatsache zu registrieren, daß bei milden Wintern, aber kühlen Sommern Grönland von einem Eispanzer bedeckt ist, dagegen in Sibirien extrem niedrige Wintertemperaturen bei wenig Niederschlägen keine Eisbedeckung hervorrufen können. Die theoretischen Überlegungen und die mathematischen Ableitungen, die zu seiner 1924 veröffentlichten Strahlungskurve geführt haben, wurden von M. MILANKOVITCH in einer Reihe von Arbeiten (1930, 1938), zuletzt am ausführlichsten im Jahre 1941 im „Kanon der Erdbestrahlung" behandelt. Für die Strahlungskurve von M. MELANKOVITCH ist kennzeichnend, daß in ihrem älteren Abschnitt dreimal jeweils zwei, im jüngeren drei Amplituden, die geringe Strahlung bzw. Absinken der Schneegrenze markieren, gekoppelt nebeneinander liegen. W. K O P P E N hatte die letzten vier Zackengruppen mit den vier alpinen Vereisungen korreliert (Abb. 24, A). Da nicht alle Ausschläge der Kurve mit einem verschiedenalten Geschiebemergel verknüpft werden konnten, rechnete W. K O P P E N damit, daß jeweils erst die zweite Zacke der Strahlungsminima (bei Günz, Mindel, Riß) die größte Eisausdehnung oder die am weitesten reichende Endmoräne verursacht hätte. Die zur Zeit der ersten Strahlungsminderung zum Absatz gekommenen jeweiligen Moränen seien durch die weiterreichende jüngere Eisentfaltung überfahren worden, so daß der Eindruck einer einheitlichen Eiszeit entstehen konnte. Zu einer vollkommenen Deckung der Strahlungsminima führten erst die Ergebnisse der terrassengeologischen Untersuchungen W. SOEBGELS (1924) im Ilmtal in Thüringen. Aus der Zahl der unter kaltariden Klimaverhältnissen abgelagerten Schotterterrassen, ihren Lagerungsbeziehungen zu den nordischen Bändertonen und Moränen sowie den altersverschiedenen Lößsedimentationen erkannte er 11 Eis- oder Kaltzeiten im Pleistozän. Diese Vollgliederung des Eiszeitalters hat W. SOEBGEL ohne Kenntnis der astronomischen Gliederung auf90
/V
60«-
70°80°-
-Günz
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- Riss
(Eiste •)
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Würm — (Iwejchsef)
Sommer-Bestrahlung 65°N nach Milankovitch
vy^-
•800-• Schnee-0 grenie
-100 "Günz
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B Sommer-Bestrahlung
— Riss (Saal
u.l9 0 östl. Länge nach Soergel
D 60°
?o° 80°
t E
Eisbilanzkurve nach Wundt
a.
i
Günz
Wiirm
chsei)
Sommer-Bestrahlung 65° N nach van Woerkom
Abb. 24. Strahlungskurven, Vereisungskurve und Eisbilanzkurve (Umzeichnung nach WUNDT, 1951; 1959)
91
gestellt. Das polyglaziale System wurde durch die Vergleiche der Schotterterrassen anderer nordeuropäischer Flußsysteme und durch die Spezialuntersuchungen vieler schichtenreicher Pleistozänprofile in einer Reihe von Arbeiten W. SOERGELS ( 1 9 2 5 , 1 9 3 7 , 1 9 3 9 ) begründet und mit der Strahlungskurve von M . MTLANKOVITCH parallelisiert. Auch im alpinen Vereisungsraum auf der Iller/Lechplatte hatte B. E B E R L 1 9 3 0 eine Gliederung aufgestellt, die mehr pleistozäne Klimaschwankungen als das PENCK-BitücKNERsche Gliederungsschema aufwies, vor allem auch Kaltphasen ergab, die vor der Günzeiszeit ( E B E R L S Donau-Eiszeit) lagen. B. E B E R L hat die Vollgliederung im alpinen Vereisungsgebiet durch seine feldgeologischen Untersuchungen ohne Kenntnis der Strahlungskurve ermittelt und erst dann mit dieser verglichen. Die erstaunliche Übereinstimmung der Gliederung des Quartärs, die sich auf Grund zweier ganz verschiedener Forschungsmethoden der Geologie und der Astronomie ergab, trug dazu bei, daß diese weitgehende Anerkennung fand. Insbesondere die Pleistozänarchäologie war durch die absolute Chronologie in den Stand gesetzt, das Alter stratigraphisch datierbarer paläolithischer Kulturen und palanthropologischer Überreste in absoluten Zahlen anzugeben, wodurch Vergleichszahlen für das Entwicklungstempo der biologischen und der kulturellen Erscheinungen im Eiszeitalter gewonnen wurden. Von den vielen Beispielen einer Parallelisierung der astronomischen Gliederung und der geologischen Stratigraphie soll nur noch ein ungarisches Beispiel erwähnt werden. Es handelt sich um ein schichtenreiches bodenkundlich bearbeitetes Profil von Paks, wobei P. K K I V A N (1955) eine Korrelation der Schichten mit einer mathematisch noch verfeinerten Strahlungskurve des Ungarn G. BACSAK (1944, 1955) vornahm. „Die saubere Berechnung der Periodenlänge und Zeitstellung eines 85fachen Wechsels seiner 4 solaren Klimatypen in den 600000 Jahren des Quartärs durch G. B A C S A K , ausführlich graphisch dargestellt mit Berücksichtigung der Bodenbildung von P. K R I V Ä N ist das Nonplusultra der astronomischen Methode" (Groß, 1958, 93). Die Strahlungskurve MELANKOVITCHS in ihrer ersten Form war allein aus den drei himmelsmechanischen Faktoren errechnet. Die Umrechnung der Strahlungsschwankungen auf das entsprechende Verhalten der Schneegrenzen zeigte jedoch, daß die alpine Schneegrenze beträchtlich stärker abgesenkt war, als es die Strahlungskurve angab. Das führte W. W U N D T 1933 zu der Überlegung, daß noch sekundäre Faktoren mitgewirkt haben. Das trifft besonders für das Maß des Reflexionsvermögens von reflektierenden Oberflächen (Albedo) zu. Schnee- und Eisflächen oder ± helle Flächen der Erdoberfläche reflektieren einen bis 80% erreichenden Betrag der Einstrahlung. Dadurch verstärkt sich die Strahlungsminderung und führt zu höheren Werten bei der Schneegrenzensenkung. So war auch in den Vereisungsperioden die Albedowirkung, die heute für die Erde um 42% veranschlagt wird, höher. In seinen später berechneten Kurven hat M. MTLANKOVITCH die jeweils vergrößerte Albedo einbezogen (Abb. 2 4 , B). Der sekundäre Faktor der Albedo verursachte neben den nach der Strahlungskurve primär ausgelösten kühlen Sommern auch strengkalte Winter, was immer größere Inlandeisbildung hervorgerufen hat. Mit der Zunahme der Strahlung, dem 92
Umschlagen der Amplitude nach dem Zyklus der Erdbahnelemente wurde das Eis wieder abgebaut, und warmzeitliche Verhältnisse kamen zur Ausbildung. Allerdings erfolgten die ehemaligen Klimaumschläge nicht gleichzeitig mit den Amplitudengipfeln der Strahlungskurve. Ähnlich wie im Jahresablauf sowohl die extremste Winterkälte als auch die größte Sommerhitze nicht mit dem kürzesten und längsten Tag zusammenfallen, sondern verspätet wirksam werden, war auch ein solches Nachhinken bei dem Vorgang der Temperaturminderung und - S t e i gerung im Zusammenwirken mit den Vorgängen der Ver- und Enteisungen der Erde anzunehmen. Der Höchststand des Inlandeises konnte zur Ausbildung kommen, als die Strahlungszunahme der Warmzeitspitze zustrebte. War die Zeitdauer des astronomisch bedingten Klimawechsels nur kurz, dann konnte der Rückzug des Eises nicht den nach der Strahlungsintensität zu erwartenden Abbau erfahren. Anstelle einer voll ausgebildeten Warmzeit (Interglazial) kam praktisch nur ein Interstadial zustande, wie andererseits schwächere Strahlungsanstiege in kurzer Aufeinanderfolge sich als Interglazial auswirken konnten. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren hat W. SOEBGEL (1937) eine entsprechend modifizierte Strahlungskurve entworfen, die er als Vereisungskurve (Abb. 24, C) bezeichnet hat. Sie beruht nicht auf rechnerischer Erfassung der angeführten Sekundärwirkungen, sondern auf einer Einbeziehung entsprechender geologischer Auswirkungen im norddeutschen Vereisungsgebiet. W. W U N D T hat sich darum bemüht, den Faktor der Verspätungserscheinungen auch rechnerisch zu erfassen. Das Resultat war die 1951 veröffentlichte Eisbilanzkurve (Abb. 24, D). I n der Begründung gibt W. W U N D T jedoch zu, daß auch die Eisbilanzkurve kein reines Rechenergebnis darstellt. Bei ihrem Vergleich mit der Sonnenstrahlungskurve von MILANKOVITCH (unter Berücksichtigung der Albedo) ergibt sich z. B. in der Zeit des Mindel-Riß-Interglazials zwischen 400000 und 250000 Jahren die Häufung einer Folge kurzer Strahlungsanstiege zu einer Summation, so daß das sog. große Interglazial, von einer Kältezacke unterbrochen, zustande gekommen ist. Die starken Anstiege der Strahlung innerhalb der Rißund Würmphasen schrumpfen wieder zu Interstadialen zusammen, während das Fehlen einer stärkeren Senkung um 150000 eine Summierung zu einem RißWürm-Interglazial gestattet ( W U N D T , 1951, 3). W. W U N D T räumt bei der Einschätzung der von ihm weiterentwickelten Strahlungskurve ein, daß neben der Strahlung und den jetzt berücksichtigten sekundären Einflüssen auch noch andere Faktoren für die Erklärung des quartären Klimaablaufes eine Rolle spielen werden. „Die Versuche einer Vollgliederung der Eiszeit auf Grund der Strahlungskurve haben allerdings noch zu keinem endgültigen Ergebnis geführt" (WUNDT, 1951, 3). Unstimmigkeiten zwischen der Strahlungskurve und Resultaten, die mit anderen Untersuchungsmethoden zur Gliederung und Datierung von Ablagerungen des Eiszeitalters, z. B. der Geologie, Paläontologie, Pedologie u. a., sowie mit der C 14 -Datierung gewonnen wurden, haben dazu geführt, die astronomische Gliederung des Eiszeitalters vielfach abzulehnen oder in ihrer derzeitigen Form in Zweifel zu ziehen. Die kritischen Argumente wurden besonders von M. SCHWABZ93
BACH ( 1 9 5 0 ) , P . WOLDSTEDT (1954) u n d H . GROSS (1958) b e h a n d e l t . S i e k ö n n e n
hier nicht alle aufgeführt oder gar diskutiert werden. Nur einige der Gegenargumente sollen Erwähnung finden. So wird vorgebracht, daß die himmelsmechanischen Erscheinungen auch über das Quartär hinaus in anderen Formationen, z. B. im Tertiär und zur Kreidezeit, funktioniert haben, ohne daß eine Vereisung ausgelöst wurde; oder die Annahme, daß die kühlen Sommer und milden Winter das Inlandeis zum Wachsen brachten, sei nicht mit einigen rezent-klimatologischen Beobachtungen in Einklang zu bringen; oder die astronomischen Änderungen wurden nur auf einer Halbkugel wirksam, oder die Vereisungen könnten auf der Nord- und Südhalbkugel nicht gleichzeitig sein, was doch von der Geologie angenommen wird. Der schwerwiegendste Einwand kommt aber nach H. GROSS (1958, 94f.) von der Radiokarbon-Methode. „Für das Aurignacien wurde auf Grund der Sonnenstrahlungskurve eine Zeitstellung von etwa 100000 bis 50000 Jahre, für das Magdalénien etwa 50000 bis 10000 Jahre vor heute angegeben (ZEUNER, 1952, 292). Die C14-Methode ergab aber für das Périgordien IV in Frankreich ein Alter von etwa 24000 Jahren, für ,Aurignacien' in Mitteleuropa 24000 bis 25000 Jahre". Diese absoluten Datierungen für jungpaläolithische Kulturen, die nach zahlreichen C u -Daten an jungpaläolithischen Fundstätten Europas stimmen werden, entstehen dann, wenn die drei letzten Kältezacken der Strahlungskurve mit Würm I = 115000, Würm II - 72000, Würm III = 25000 Jahren gleichgesetzt werden, wie es ursprünglich auch durch W. SOERGEL, F. ZETJNER u. a. vermutet worden ist. Die kritischen Argumente, die der Strahlungskurve entgegengebracht worden sind, lassen die Frage aufkommen, ob überhaupt noch Bemühungen um eine Gliederung des Eiszeitalters berechtigt sind, die sich auf Erdbahnelemente gründet. Bereits W. KOPPEN hatte in den astronomischen Klimaschwankungen nicht die auslösende Ursache der Vereisungen gesehen. Aber die rhythmischen Klimaschwankungen des Pleistozäns werden durch die Strahlungskurve von MXLAJSTKOVITCH am besten erklärt. Schwierig ist und bleibt vorerst die Parallelisierung der Kurven-Amplituden mit den verschiedenen Kaltzeiten des Eiszeitalters. Daß die Schwankungen der Erdbahnelemente auch im ältesten Abschnitt des Quartärs (Villafranchien), also vor den vier klassischen Eiszeiten Günz — Würm, und auch in der Tertiärzeit wirksam waren, ist nicht zu bezweifeln. Allerdings waren da die Erdmorphologie, die Verteilung von Wasser und Land, die Strömungen in der Luft und in den Ozeanen noch anders, so daß erst auch bei entsprechender „Bereitschaft" aller Faktoren die Schwellenwerte hinsichtlich der Strahlungsschwankungen überschritten werden mußten, um durch die Klimadepressionen nicht nur Kaltzeiten hervorzurufen, sondern auch die großen Inlandeisbildungen. Entscheidend war besonders die jeweils geringe Steillage der Erdachse. Es war dann W. WUNDT, der, durch seine langjährige Beschäftigung mit der Problematik der astronomischen Chronologie des Eiszeitalters vertraut, 1965 nochmals die „Neuentwicklungen zur Strahlungskurve von MTLANKOVITCH" erörtert hat. Er setzte sich mit einer Reihe weiterer Gegenargumente auseinander, klärte den Gang der Bestrahlung in den Tropen und machte mit einer Neube94
rechnung einer Strahlungskurve (Abb. 24, E) bekannt, die von A. J . J . VAN W O E R K O M ( 1 9 5 3 ) auf Grund neuerer Werte für die Planetenmassen konstruiert wurde. Es sind vor allem Bedenken, die P. W O L D S T E D T in einigen Arbeiten (1954,1962) gegen die Gültigkeit der Strahlungskurve vorbrachte (z. B. ungleichzeitige Vereisungen auf den beiden Halbkugeln, da die letzte Eiszeit nach der Strahlungskurve auf der Südhalbkugel vor 30000, auf der Nordhalbkugel vor 10000 Jahren enden sollte, angeblich stärkere Erwärmung der tropischen Zone bei steiler Lage der Erdachse und damit gleichzeitig geringe Bestrahlung polnaher Breiten beider Hemisphären), die W . W U N D T (1964/65, 40 f.) zerstreuen konnte. Die Eisvorstöße haben auf beiden Halbkugeln mindestens zu gleichen oder doch nahezu gleichen Zeiten stattgefunden. „Zur Angleichung der Verhältnisse auf den beiden Hemisphären trägt auch die allgemeine Zirkulation in der Atmosphäre und in den Ozeanen bei, die überall klimatische Verspätungen und Kompensationen mit sich bringt" (WUNDT, 1964/65, 43). Die auf Grund der C14-Daten zweifellos zu hoch angesetzte absolute Altersstellung mittels Strahlungskurve findet ihre Erklärung, wenn man die von W. K O P P E N , W. S O E R G E L , F . Z E U N E R u. a. angenommene Parallelisierung der 3 letzten Klimadepressionen der Strahlungskurve mit der Parallelisierung der dreigliedrigen Würmeiszeit im Sinne SOERGELS (W I — W III) aufgibt. Nachdem schon R. GRAHMANN ( 1 9 2 8 ) und K . R I C H T E R ( 1 9 3 7 ) den Vorschlag unterbreitet hatten, daß die letzte Zacke dem „Hauptwürm", dem Höhepunkt der Würm(Weichsel-)Eiszeit, entspricht, lassen sich die jungpaläolithischen Kulturen praktisch nach den C14-Werten auch in der Strahlungskurve widerspruchslos einfügen. Die vorletzte Zacke ( = Würm II) entspricht dann dem Altwürm, und die ehemalige Würm I-Zacke, die W. S O E R G E L schon mit den Warthe-Moränen parallelisiert hat (wenn auch in der Annahme, diese Moränen seien noch zum Würm-(Weichsel-)Komplex zu rechnen), gehört dann schon dem Riß-(Saale-)Komplex an. Diese Neuordnung hat W. W U N D T dann auch nach dem Bekanntwerden der VAN W O E R KOM-Kurve nach 1958 propagiert. Diese neue Strahlungskurve (Abb. 24, E), für das Breitenpaar 6 5 ° N und 6 5 ° S berechnet, unterscheidet sich von der M I L A N K0VITCH-Kurve dadurch, daß die zeitliche Lage der Kälte- und Wärmezacken nahezu übereinstimmt, die Amplituden jedoch andere Größenordnungen aufweisen, die W. W U N D T ZU einer neuen Zuweisung der Eiszeiten mit den Zackenpaaren veranlaßt haben. Der Vergleich der Kurven und die Korrelation der klassischen Eiszeiten mit der VAN W O E R K O M - K u r v e im Sinne von W. W U N D T zeigt, daß dieses klassische „Pencksche Eiszeitalter" nun in den letzten 3 5 0 0 0 0 Jahren „abgelaufen" sein soll. W. W U N D T war der Meinung, „nun ist die Zeit gekommen, bei der Zuordnung auf die neue Kurve umzudenken — aber nicht etwa wegen dieser Abänderung die Strahlungskurve über Bord werfen zu wollen" ( W U N D T , 1 9 6 4 / 6 5 , 3 3 ) . Eine Stütze für die VAN W O E R K O M - K u r v e glaubte W. W U N D T auch in den Untersuchungen K . BRUNNACKERS ZU erkennen, der (in einem Vortrag der Paläoklimatagung der Geologischen Vereinigung in Köln 1964) auf Grund pedologischer Einschätzungen den Zeitraum der klassischen Eiszeiten P E N C K S 95
m i t 3 8 0 0 0 0 J a h r e n a n g a b (WTJNDT, 1964/65, 31). D i e „ k u r z e " a b s o l u t e D a t i e r u n g
würde jedoch das Alter altpaläolithischer Kulturen oder auch palanthropologischer Funde stark zurücksetzen. Rechnen wir damit, daß der Heidelberger Mensch in den warmzeitlichen Abschnitt Mindel I — Mindel II (Corton-Warmzeit) gehört (IVANOVA, 1972), dann ergäbe sich nach der MILANKOVITCH-Kurve ein A l t e r v o n 4 5 0 0 0 0 J a h r e n , n a c h v . WOERKOM-WUNDT v o n e t w a 2 0 0 0 0 0 J a h r e n .
Aus diesem Beispiel ergeben sich doch Bedenken gegenüber der „kurzen" Datierung, da der entsprechende Pithecanthropus von Olduvai nicht wesentlich jünger als 490000 Jahre ist. Diese Zahl ergibt sich nach der Kalium-Argon-Methode (IVANOVA 1972, 548) (vgl. S. 106). Gegen die kurze Datierung spricht m. E. auch das Vakuum, das sich auftut, wenn man das Alter der ältesten Geröllartefakte von Koobi Tora vom Ostufer des Rudolf-Sees in Ostafrika damit vergleicht, d ; e mittels der Isotopenmethode auf 2,6 ± 0,28 Millionen Jahre datiert sind (LEAKEY, 1970). Die Kalium-Argon-Datierungen der letzten Jahre in Afrika und der UdSSR lassen vermuten, daß die Grenze zwischen Pliozän und Pleistozän noch weiter zurückliegen dürfte als nur 2 Millionen Jahre, wie man bisher angenommen hatte. Für einen Zeitraum von zwei Millionen Jahren wird das Fehlen archäologischer Funde wohl nicht als Fundlücke zu erklären sein; es würde sich daraus wohl auch die Schlußfolgerung ergeben, daß in diesem Zeitabschnitt keine technologischen Veränderungen zwischen den Geröllartefakten und denen der Heidelberger Zeit und Herstellungsweise festgestellt werden konnten. So erscheint mir „der heillose Wirrwarr und schließlich die Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit der Strahlungskurve überhaupt" noch nicht überwunden z u sein, w a s W . WUNDT (1964/65, 39) d u r c h d e n Ü b e r g a n g zur VAN WOERKOM-
Kurve gehofft hatte. Andererseits sind die Strahlungsschwankungen mit ihren festgelegten Perioden zweifellos von maßgebendem Einfluß auf die zyklischen Klimaveränderungen im Pleistozän gewesen. So können m. E. wohl die klassischen Eiszeiten des Pleistozäns mit Hilfe der „langen" absoluten Datierung der Strahlungskurve von MILANKOVITCH-KÖPPEN den Zeitraum zwischen den Daten der Kalium-Argon-Daten für das älteste Quartär (S. 109) und den C14-Daten ab Würm-Weichsel-Kaltzeit besser überbrücken als die VAN WOERKOM-Kurve. Für eine Feingliederung der Klimaschwankung, wie sie sich durch Feldbeobachtungen für die letzte Eiszeit hat gewinnen lassen (MANIA/TOEPEER, 1973) reichen die Reaktionen der Strahlungskurve nicht aus. Kleinere, kurzfristige Stadiale oder Interstadiale, nur tausend Jahre (z. B. Alleröd) dauernd, sind unter tellurischen Faktoren zustande gekommen. Wenn heute offenbar die definitive Form einer absoluten Chronologie des Eiszeitalters noch nicht vorliegt, so sollte die astronomische Theorie der Klimaschwankungen doch weiter verfolgt werden. Trotz seiner kritischen Äußerungenverrt itt auch der Altmeister der Erforschung des Eiszeitalters P. WOLDSTEDT (1954, .342) folgende Auffassung. „Eine Klärung der Bedeutung der Strahlungskurve kann nur durch weitere Forschung erbracht werden, besonders durch möglichst zahlreiche exakte Altersbestimmungen und durch genaueste Gliederung der eiszeitlichen Ablagerungen in allen Teilen der Welt". 96
LITERATUR 1944 1955
1930 1969 1928 1958 1972
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Chronologie d e r U r g e s c h i c h t e
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1959
ZETTKER, F. E.: The Pleistocene Period. 2. Aufl. London.
2.7. Chemisch-physikalische 2.7.1.
Methoden
Die C14-Datierungsmethode
Als Serge K O R F F kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges das natürliche Kohlenstoffisotop mit der Masse 14 entdeckte, war noch nicht abzusehen, welche Bedeutung das C14 für die Altersbestimmung haben sollte. Leztere zeichnete sich erst zehn Jahre später mit der Entdeckung der Radiocarbonmethode durch W. F. LTBBY ab, die 1 9 6 0 mit der Verleihung des Nobel-Preises gewürdigt wurde. L I B B Y und seine Mitarbeiter an der Universität Chicago hatten bereits 1949 erkannt, daß der als Folge der kosmischen Strahlung durch Einwirkung sekundärer Neutronen auf Stickstoffatome in der oberen Atmosphäre erzeugte Radiokohlenstoff auf dem Wege der Kohlensäure-Assimilation der Pflanzen in sämtliche organische Substanzen eingelagert wird. Ebenso konnte durch Messungen der Nachweis erbracht werden, daß die natürliche Verbreitung von radioaktivem Kohlenstoff überall gleich ist und alles Leben auf der Erde infolge der Mischungsvorgänge in Biosphäre und Hydrosphäre eine zwar geringe, so doch gleichbleibende Menge an C14 (etwa ein Billionstel des Gesamtkohlenstoffs) enthält. Dieser Gleichgewichtszustand, bei dem die im lebenden Organismus zerfallenden radioaktiven Kohlenstoffatome durch die Nahrungsaufnahme wieder ersetzt werden, hört erst mit dem Tode des betreffenden Lebewesens auf. Durch die Unterbrechung des Stoffwechsels wird der radioaktive Zerfall nicht mehr ausgeglichen, und der Kohlenstoff, der zu Lebzeiten in Pflanze, Tier oder Mensch enthalten war, besitzt entsprechend der Halbwertzeit des C14 nach rund 5 6 0 0 Jahren nur noch die Hälfte, nach 1 1 2 0 0 Jahren ein Viertel und nach 3 5 0 0 0 Jahren 1 Prozent seiner ursprünglichen Radioaktivität. Damit war erstmalig eine kernphysikalische Datierungsmethode mit der dazu notwendigen apparativen Ausrüstung entwickelt worden, deren Empfindlichkeit und universelle Anwendung in einem Zeitraum bis zu 5 0 0 0 0 Jahren der Archäologie neue Perspektiven eröffnete. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß diese Methode an gewisse Voraussetzungen gebunden ist, von denen wir heute wissen, daß sie nicht in dem Umfange wie ursprünglich von L I B B Y angenommen wurde, zutreffen. Bevor wir jedoch darauf eingehen, sei noch einmal ausführlicher auf den spezifischen Charakter der C14-Daten und einige der ihre Zuverlässigkeit beeinflussenden Faktoren hingewiesen, die zugleich die Möglichkeit und Grenzen des Radiocarbonverfahrens verdeutlichen. Um Mißverständnisse von vornherein auszuschließen, ist es notwendig zu betonen, daß jede Messung einen statistischen Mittelwert darstellt, dessen Genauigkeit sich weder durch Verbesserung der Meßtechnik noch durch 98
1960
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Methoden
Die C14-Datierungsmethode
Als Serge K O R F F kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges das natürliche Kohlenstoffisotop mit der Masse 14 entdeckte, war noch nicht abzusehen, welche Bedeutung das C14 für die Altersbestimmung haben sollte. Leztere zeichnete sich erst zehn Jahre später mit der Entdeckung der Radiocarbonmethode durch W. F. LTBBY ab, die 1 9 6 0 mit der Verleihung des Nobel-Preises gewürdigt wurde. L I B B Y und seine Mitarbeiter an der Universität Chicago hatten bereits 1949 erkannt, daß der als Folge der kosmischen Strahlung durch Einwirkung sekundärer Neutronen auf Stickstoffatome in der oberen Atmosphäre erzeugte Radiokohlenstoff auf dem Wege der Kohlensäure-Assimilation der Pflanzen in sämtliche organische Substanzen eingelagert wird. Ebenso konnte durch Messungen der Nachweis erbracht werden, daß die natürliche Verbreitung von radioaktivem Kohlenstoff überall gleich ist und alles Leben auf der Erde infolge der Mischungsvorgänge in Biosphäre und Hydrosphäre eine zwar geringe, so doch gleichbleibende Menge an C14 (etwa ein Billionstel des Gesamtkohlenstoffs) enthält. Dieser Gleichgewichtszustand, bei dem die im lebenden Organismus zerfallenden radioaktiven Kohlenstoffatome durch die Nahrungsaufnahme wieder ersetzt werden, hört erst mit dem Tode des betreffenden Lebewesens auf. Durch die Unterbrechung des Stoffwechsels wird der radioaktive Zerfall nicht mehr ausgeglichen, und der Kohlenstoff, der zu Lebzeiten in Pflanze, Tier oder Mensch enthalten war, besitzt entsprechend der Halbwertzeit des C14 nach rund 5 6 0 0 Jahren nur noch die Hälfte, nach 1 1 2 0 0 Jahren ein Viertel und nach 3 5 0 0 0 Jahren 1 Prozent seiner ursprünglichen Radioaktivität. Damit war erstmalig eine kernphysikalische Datierungsmethode mit der dazu notwendigen apparativen Ausrüstung entwickelt worden, deren Empfindlichkeit und universelle Anwendung in einem Zeitraum bis zu 5 0 0 0 0 Jahren der Archäologie neue Perspektiven eröffnete. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß diese Methode an gewisse Voraussetzungen gebunden ist, von denen wir heute wissen, daß sie nicht in dem Umfange wie ursprünglich von L I B B Y angenommen wurde, zutreffen. Bevor wir jedoch darauf eingehen, sei noch einmal ausführlicher auf den spezifischen Charakter der C14-Daten und einige der ihre Zuverlässigkeit beeinflussenden Faktoren hingewiesen, die zugleich die Möglichkeit und Grenzen des Radiocarbonverfahrens verdeutlichen. Um Mißverständnisse von vornherein auszuschließen, ist es notwendig zu betonen, daß jede Messung einen statistischen Mittelwert darstellt, dessen Genauigkeit sich weder durch Verbesserung der Meßtechnik noch durch 98
die Verlängerung der Meßzeit wesentlich erhöhen läßt. Die uns geläufige Form des C14-Datums ist der mathematische Ausdruck für eine der statistischen Gesetzmäßigkeit unterliegende physikalische Größe. Die Chance, daß weitere Messungen der gleichen Probe innerhalb der durch die ±-Werte gekennzeichneten Schwankungsbreite der Datierung liegen, trifft für zwei Drittel aller Fälle zu: erst bei Verdoppelung des statistischen Fehlers ist eine 95prozentige Wahrscheinlichkeit gegeben. Da aber alle Zeitangaben zwischen den beiden Extremen dieser Toleranz dieselbe Berechtigung haben wie das Zentraldatum, wird ersichtlich, daß die Radiocarbonmethode stets nur Annäherungswerte liefern kann und ihre Anwendung zur Altersbestimmung von Proben aus frühgeschichtlichen Zeitperioden sich nur in Ausnahmefällen als sinnvoll erweisen dürfte. Neben dieser statistischen Unsicherheit der Messung, in die Fehler der Halbwertszeit, des Nulleffektes und des Rezentstandards einbezogen sind, gibt es eine Anzahl von Fehlerquellen, die mit dem Probenmaterial unmittelbar in Zusammenhang stehen. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß gerade sie zu einer erheblichen Verfälschung des Radiocarbonalters führen können, wobei die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit der Datierung ohne genauere Kenntnis der näheren Fundumstände, der Materialbeschaffenheit sowie der späteren Labor' behandlung der Proben nur schwer einkalkulierbar sind. Oft wird übersehen, daß Holzproben, soweit sie nicht den äußersten Baumringschichten entnommen wurden, stets ein älteres Datum als der zu datierende Fundkomplex ergeben. Da im Boden zumeist nur der innere Kern des verbrannten Pfostens erhalten bleibt, kann die Differenz bei stärkeren Eichenstämmen gut 150 Jahre und im Falle einer sekundären Wiederbenutzung auch noch mehr Jahre betragen. Um diesen Wachstumsfaktor möglichst klein zu halten, erweist es sich als vorteilhaft, kurzlebiges Untersuchungsmaterial wie Getreide, Samen, Früchte, Laub, Schilf oder Gras zu verwenden und bei verbrannten Holzresten zwischen Rückständen aus Herdstellen und dem Stammholz von konstruktiven Bauelementen zu unterscheiden. Eine andere Fehlerquelle, die in der Datierungspraxis eine größere Rolle als meist angenommen spielt, entsteht durch die Verunreinigung der C14-Proben mit altersfremdem Material. Am häufigsten zu beobachten ist die nachträgliche Durchwurzelung von oberflächennah entnommenen Proben mit makroskopisch kaum erkennbaren feinsten Haarwurzeln, die beispielsweise bei einem Fremdanteil von 3% rezentem Kohlenstoff in einer 5000 Jahre alten Probe zu einer Verjüngung des Radiocarbonalters um 200 Jahre führt. Vergleichbare Effekte, die mit zunehmendem Alter der Probe um ein Mehrfaches ansteigen, können durch Infiltration von Humussäuren bzw. durch das mit organischen Stoffen angereicherte Sickerwasser verursacht werden. Umgekehrt ist natürlich auch die Möglichkeit für eine Vermischung mit älterem Kohlenstoff bei gestörten Bodenprofilen und durch Einwirkung kalkhaltigen Grundwassers nicht auszuschließen, wenngleich dies aber weit seltener der Fall sein dürfte. Die dadurch bedingten Abweichungen sind unabhängig vom Probenalter gleichbleibend konstant und wirken sich infolge der relativ hohen Alterszunahme von 80 Jahren bei 1% Anteil 7*
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alten Kohlenstoffs vor allem auf die Datierung jüngerer Proben aus. Nicht beeinflußt wird dagegen das C14-Alter durch Bakterien oder Schimmelpilze, da diese Lebewesen sich vom Probenmaterial selbst ernähren. Entscheidend für die gesamte mit der Kontamination zusammenhängende Problematik ist, in welchem Maße es durch eine angemessene chemische Vorbehandlung der Proben im Labor gelingt, die das Radiocarbonalter verfälschenden Fremdsubstanzen zu entfernen. Hierzu dienen spezielle Aufbereitungsverfahren und zur Korrektur einer evtl. Verschiebung im Isotopengehalt massenspektrographische Messungen des C13/C12Verhältnisses, so daß im allgemeinen der durch die Verunreinigung und biochemische Prozesse hervorgerufene Datierungsfehler unter 1%, d. h. bei einer 5600 Jahre alten Probe unter zc. 80 Jahre gehalten werden kann. Nicht zu eliminieren durch die besten Aufbereitungsmethoden sind dagegen all die altersfremden Beimischungen im Probenmaterial, die eine mit der zu datierenden Substanz identische chemische Zusammensetzung besitzen. Da sie als Fremdbestandteile unerkannt bleiben, sind sie es auch, die in der Regel die größten Schwierigkeiten bereiten. Wenn größere Diskrepanzen zwischen der C14-Messung und der angenommenen archäologischen Zeitstellung entstehen, so läßt sich sehr häufig feststellen, daß die betreffende Probe von Fundplätzen stammt, die mehrmals besiedelt waren. Hier ist eine sekundäre Kontaminierung mit organischen Resten aus einer älteren oder jüngeren Besiedlungsphase ebenso wenig auszuschließen wie die Möglichkeit, daß die Gleichsetzung der Probe mit dem zu datierenden Objekt überhaupt ein Irrtum war. Dafür könnten auf Grund der in allen Laboratorien gemachten Erfahrungen zahlreiche Beispiele angeführt werden, die zeigen, wie schwierig es selbst bei gewissenhaftester Geländearbeit für den Ausgräber ist, in bestimmten Situationen einen Grubeninhalt als geschlossenen Fundkomplex zu bezeichnen oder die in einem Megalithgrab angetroffenen Holzkohlenreste nur dem einen Belegungshorizont zuzuordnen. Gewöhnlich ist es erst das „falsche" Datierungsergebnis, das darauf aufmerksam macht, daß auch viele archäologische Befunde einen unterschiedlichen Grad der Wahrscheinlichkeit haben, wobei Erosionsvorgänge, tierische Bodenaktivität, aber auch nicht erkannte Schichtendiskordanz die Ursache für Fehlinterpretationen sein können (vgl. S. 25). Damit ist bereits ein weiteres wichtiges Problem angesprochen, das die historische Auswertung der C14-Messung durch den Archäologen betrifft. Aus dem Vorhergesagten wird deutlich, daß jedes einzelne Radiocarbondatum eine von sehr verschiedenen Faktoren abhängige Information ist, die ohne Kenntnis der statistischen Gesetze und anderer mit der Probenbehandlung zusammenhängender Fragen nicht richtig interpretiert werden kann. Da sich aber das C 14 -Labor in der Feststellung wesentlicher Details, wie z. B. der fachgerechten Bergung und sicheren archäologischen Zuordnung des Probenmaterials ganz auf den Ausgräber verlassen muß, trägt der Archäologe indirekt auch für die Zuverlässigkeit der Datierung eine große Verantwortung. Ebenso klar ist, daß bei einer einzelnen Probe die Gefahr eines nicht erkannten Fehlers größer ist als bei einer Vielzahl von Messungen, die sich sowohl in der Art des Untersuchungsmaterials als auch in der 100
chemischen Aufbereitung voneinander unterscheiden. Besonders günstige Bedingungen für solche Seriendatierungen in ständiger Kontrolle mit der Stratigraphie bieten Meßreihen an gesicherten Schichtenfolgen. Die vom Archäologen verständlicherweise gern gesehene Bestätigung des C14-Ergebnisses durch weitere Messungen in anderen Laboratorien ist nur dann sinnvoll, wenn es sich um Proben aus verschiedenen Fundkomplexen gleicher Zeitstellung handelt; dadurch wird verhindert, daß ein zwar mehrfach gemessenes, aber im Kohlenstoffgehalt verunreinigtes Ausgangsmaterial zu falschen Schlüssen führt. Keine Garantie für eine genauere Altersbestimmung ist dagegen die weitverbreitete Praxis, aus einer Meßgruppe (Datierungen an Proben aus einer einheitlichen Schicht) unter Negierung der herausfallenden jüngsten und ältesten Daten einen Mittelwert zu berechnen. Letzteres wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn der Grad der Zuverlässigkeit sowohl vom archäologischen wie vom physikalisch-chemischen Standpunkt aus bei allen Proben der gleiche wäre, was aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Die zwanzigjährige Geschichte der C14-Datierung hat eine neue Etappe in der Zusammenarbeit von Archäologie und Naturwissenschaften eingeleitet, die jedoch in keiner Phase konfliktlos verlaufen ist. Als sich zeigte, daß die in den Radiocarbon-Laboratorien gewonnenen Daten nicht mit den traditionellen Vorstellungen über das. archäologische Alter einzelner Kulturen übereinstimmten, und als einige der ersten Daten infolge der noch nicht ausgereiften Verfahrenstechnologien offensichtlich falsch waren, zweifelten viele Forscher an der Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit der C14-Bestimmung. Über diese Frage hat es in der Vergangenheit zahlreiche Diskussionen gegeben. Heute kann man feststellen, daß der oft mit großer Heftigkeit geführte Meinungsstreit sich sehr positiv auf die Weiterentwicklung der Methode ausgewirkt hat. Die ersten Anzeichen dafür, daß eine der fundamentalen Voraussetzungen der Radiocarbonmethode — die zeitliche Konstanz des C14-Gehaltes im Kohlendioxyd der Atmosphäre — nicht in dem Maße, wie anfangs von L I B B Y vermutet wurde, zutrifft, deuteten sich bereits Mitte der 50er Jahre an. H. SXJESS wies zuerst nach, daß durch die Verbrennung radiocarbonfreier Kohle und später zunehmend von Erdöl die C14-Konzentration seit 1850 um etwa 3% abgenommen habe. Aus diesem Grunde mußte man bei der Festlegung des Nullpunktes der Messung (Rezentstandard) auf Vergleichsproben aus der 1. Hälfte des 19. J h . bzw. auf einen entsprechend genormten Oxalsäurestandard zurückgreifen und bisherige auf die Rezentaktivität modernen Holzes bezogene Datierungen um durchschnittlich 240 Jahre erhöhen. Für den Archäologen, der die Ergebnisse der Radiokohlenstoff-Datierung aufmerksam verfolgte, waren die in neuester Zeit durch fossiles C0 2 der Industrie und später um ein Vielfaches verstärkt durch die Kernwaffenversuche verursachten Störungen im C14-Spiegel der Erdatmosphäre zunächst nur von geringem Interesse. Dies änderte sich sofort, als eine Fluktuation in der Produktionsrate des Radiocarbon auch für die Zeitperioden festgestellt wurde, in denen der Entwicklungsstand der Technik den Menschen noch nicht zu größeren Eingriffen in den 101
Naturhaushalt befähigt hatte. Auf dem Internationalen Kongreß für Vor- und Frühgeschichte in Hamburg 1958 ist von Hl. D E V B I E S eine größere Anzahl von C14-Messungen archäologisch gut datierter Hölzer und Getreidefunde bekanntgegeben worden, die wahrscheinlich machten, daß die Radiocarbonkonzentration in den letzten zwei Jahrtausenden zeitlichen Schwankungen bis ± 2 % (entspricht ± 160 Jahre) unterworfen war. Die Richtigkeit dieser Feststellung wurde 1960 durch eine Gemeinschaftsarbeit der Laboratorien Cambridge, Heidelberg und Kopenhagen anhand der Jahresringe von Sequcria gigantea (Mammutbaum) nochmals nachgeprüft und im wesentlichen bestätigt. Damit war erwiesen, daß die jetzt als konventionelle Radiocarbonjahre bezeichneten Altersangaben nicht ohne weiteres mit den Kalenderjahren der astronomischen Zeitrechnung gleichgesetzt werden dürfen und daß die grundsätzliche Frage nach der historischen Genauigkeit der C 14 -Altersbestimmung nicht allein durch die statistische Unsicherheit der Messung und der im Probenmaterial bedingten Fehlerquellen, sondern vor allem durch die Kenntnis der sich in der Vergangenheit vollzogenen Veränderungen im C 14 -Gehalt der Biosphäre zu beantworten ist. Nachdem die Meßtechnik durch die Umsetzung der festen Kohlenstoffprobe in empfindlichere Zählgase weiter verfeinert war, richteten sich die Anstrengungen in
DENDR0CHR0N010GISCHES ALTER
Abb. 25. Eichkurve des ungefähren Verhältnisses zwischen konventionellem Radiokarbonalter und dendrochronologisch bestimmtem historischem Alter (umgezeichnet nach 8UE88, 1970)
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den 60er Jahren in erster Linie auf die empirische Untersuchung des zeitlichen Verlaufs und der Größe dieser Schwankungen. Das Ziel war, mit Hilfe von Proben bekannten Alters eine universell gültige Eichkurve bzw. Korrekturtabelle aufzustellen, die es dem Historiker gestattet, die konventionellen Radiocarbondaten in absolute Altersangaben umzurechnen. Zur Eichung der Radiocarbonuhr gibt es zwei Möglichkeiten: das Holz von Bäumen, deren genaues Alter an den Jahresringen ermittelt werden kann, und Vergleichsmessungen an historisch datiertem Probenmaterial. Da beides für die weiter zurückliegende Vergangenheit nur in sehr beschränktem Umfang zur Verfügung steht, war es eine besondere Gunst der Umstände, daß in Kalifornien eine Kiefernart (Pirnis aristata) entdeckt wurde, die ein Baumalter von mehr als 4000 Jahren erreicht. Da außerdem das Holz dieser Borstenkiefer erstaunlich widerstandsfähig ist, war es möglich, unter Einbeziehung fossiler Baumreste eine Jahresringfolge auszuarbeiten, die 1970 bis in das Jahr 5450 v. u. Z. ausgedehnt werden konnte (vgl. S. 81). Die von drei Radiocarbonstationen (Arizona, La Jolla, Pennsylvania) in engster Zusammenarbeit mit C. W . FERGUSON vom Laboratorium für Dendrochronologie der Universität Arizona durchgeführten Präzisionsmessungen an Baumringproben bilden die Grundlage für die heute gewöhnlich als „Calibration" bezeichnete Korrektin: der C14-Daten. Wie aus der von H. SUESS auf Grund von 315 P . amiaia-Messungen in La, Jolla erstellten Eichkurve (vgl.
Abb. 26. Vergleich zwischen den konventionellen Badioharbondaten Chronologie Ägyptens
und
der historischen
103
Abb. 25) zu ersehen ist, entspricht das Radiocarbonalter der zwischen 1200 nach und 600 v. u. Z. entnommenen Proben weitgehend dem historischen Alter. Im Mittel können für das 1. Jahrtausend u. Z. um etwa 100 Jahre zu hohe Cl4-Daten erwartet werden. Im Zeitraum davor ist jedoch ein allmähliches Ansteigen des Radiocarbonspiegels bis auf 10% festzustellen, so daß die Datierungen mit zunehmendem Probenalter im 3. Jt. v. u. Z. bereits ein um 500 Jahre und im 4./5. Jt. um 800, in vereinzelten Fällen auch bis zu 1000 Jahre zu niedriges Radiocarbonalter ergeben. Die bisher nur in Amerika und für jüngere Zeitabschnitte neuerdings auch in Australien nachgewiesene Diskrepanz zwischen Baumringalter und Radiocarbondatierung ließ es in Anbetracht der grundsätzlichen Bedeutung als wünschenswert erscheinen, Vergleichsmessungen an Proben durchzuführen, deren Alter nicht dendrochronologisch ermittelt wurde. Da die historische Überlieferung in Ägypten weiter als irgendwo in der Welt zurückreicht, war es naheliegend, das in zahlreichen Grabanlagen aufgefundene organische Material für diesen Zweck zu benutzen. Hinzu kommt, daß der ägyptische Kalender mit Hilfe der astronomisch bestimmbaren Sothiszyklen bis in das Jahr 1872 v. u. Z. (Sesostris I I I . der 12. Dynastie) verifiziert werden kann und auch die Fehlergrenzen in den Zeitansätzen der davorliegenden älteren Dynastien überschaubar sind (vgl. S. 32). Einzelne Proben aus Gräbern des Mittleren und Alten Reiches wurden bereits von L I B B Y und später in anderen Laboratorien gemessen. Sie ergaben in der Regel ein mehrere Jahre zu niedriges Radiocarbonalter. Versucht man, die bisherigen hinsichtlich ihrer Qualität ohne Zweifel sehr unterschiedlich zu bewertenden 120 altägyptischen Radiocarbondaten in Relation zur historischen Chronologie der betreffenden Dynastien graphisch darzustellen (vgl. Abb. 26), so werden die mit dem zunehmenden Alter größer werdenden Abweichungen deutlich erkennbar. Darüber hinaus zeigt ein Vergleich beider Diagramme eine weitgehende Übereinstimmung der sich aus historischen Befunden und dendrochronologischen Kontrollmessungen ergebenden Veränderungen im C14-Spiegel, so daß an der prinzipiellen Richtigkeit der Calibration nicht zu zweifeln ist. Das für den Archäologen wichtigste Resultat der Calibration ist die Feststellung, daß alle konventionellen Radiocarbondaten der Bronze- und Jungsteinzeit als Folge der bereits im 1. Jt. v. u. Z. einsetzenden erhöhten C14-Produktion sich als zu jung erweisen. Um sie in Kalenderjahre zu übertragen, bedarf es je nach Alter der Probe unterschiedlicher Korrekturen, deren Größenordnung sich aber z. Z. nur ungefähr bestimmen läßt. Wichtig ist weiterhin, daß die Genauigkeit der mittels Calibration erreichten Annäherung an das historische Alter für verschiedene Zeiträume verschieden groß ist. Aus dem stellenweise sehr unregelmäßigen Verlauf der Eichkurve ist zu ersehen, daß in manchen Zeitbereichen (dort, wo die Eichkurve fast waagerecht verläuft) der Radiocarbongehalt der Probe nicht einem bestimmten Alter gleichgesetzt werden kann. Sollten die durch auffallend scharfe Spitzen gekennzeichneten Anomalien im C14-Spiegel durch weitere Mes104
sungen bestätigt werden, ist es nicht auszuschließen, daß zwei kurzfristig aufeinanderfolgende Zeitstufen das gleiche und in Ausnahmefällen sogar ein dem historischen Ablauf und der Stratigraphie widersprechendes Radiocarbonalter ergeben. Wie sich der Radiocarbonspiegel in der Zeit vor 7000 Jahren verhalten hat, ist heute noch nicht zu beantworten. Die Überlegungen gehen z. Z. dahin, daß der global nachweisbare Trend in der langfristigen Zunahme der C14-Produktion auf eine Abschwächung des Erdmagnetfeldes zurückzuführen ist, während die kurzfristigen, meist nur 1—2 Jahrhunderte dauernden Schwankungen als Folgen einer solaren Modulation der Höhenstrahlungsintensität angesehen werden. Das Magnetfeld der Erde lenkt etwa die Hälfte der kosmischen Strahlung ab, so daß eine Verringerung des magnetischen Moments tatsächlich derartige Auswirkungen gehabt haben kann. Aus dem Vergleich mit paläomagnetischen Messungen läßt sich ein sinusförmiger Kurvenverlauf in der Hauptabweichung des C14-Gehaltes der Atmosphäre wahrscheinlich machen, dessen größte Amplitude mit etwa 10% im 5./6. Jt. v. u. Z. liegt. Damit würde sich vielleicht auch erklären lassen, warum die Radiocarbondaten im 8. und 9. Jt. v. u. Z. sich wieder den Zeitansätzen der durch die skandinavische Warvenchronologie datierten Klimazonen nähern. Abweichende Meßergebnisse an Warven aus dem Cloudsee in Minnesota mahnen jedoch auch hier zur Vorsicht. Eine definitive Lösung dieser für Naturwissenschaftler und Historiker gleich wichtigen Problematik ist erst dann zu erwarten, wenn es gelingt, die durch weitere Messungen vervollständigte Eichkurve der kalifornischen Borstenkiefer bis in den Beginn des Postglazials zurückzuverfolgen, wofür nach den Berichten von Ferguson berechtigte Hoffnung besteht. Auf jeden Fall wäre eine Fortführung der Eichung der Radiocarbon-Zeitskala bis in die letzten Eiszeitstadien sehr wünschenswert, weil der C14-Spiegel einen äußerst aufschlußreichen geophysikalischen Parameter darstellt, von dem man letzten Endes die Klärung von Fragen nach den Ursachen der Eiszeiten und anderer weltweiter Klimaschwankungen erwarten kann. (Vorstehender Abschnitt ist die gekürzte Wiedergabe eines Aufsatzes des Verf. in „Ausgrabungen und Funde" 17, 1972, S. 99ff.) LITERATUR 1963 1972 1971 1961 1961
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Einen zusammenfassenden Überblick über den derzeitigen Forschungsstand bietet der Sammelband (Hrsg. I. U. OLSSON) „Radiocarbon Variations and Absolute Chronology". Proceedings of the Twelfth Nobel Symposium, Uppsala, Sweden, August 11—15, 1969. Stockholm 1970.
2.7.2. Die Kalium-Argon-Methode Die Kalium-Argon-Methode (engl. Potassium-Argon-Methode) war im Laufe der 50er Jahre in mehreren Ländern gleichzeitig für die Zwecke der geologischen Altersbestimmung entwickelt worden. Daß sie heute neben der RadiocarbonMethode für die Urgeschichtswissenschaft und besonders für die paläanthropologische Forschung eine recht erhebliche Bedeutung besitzt, hat seinen besonderen Grund. Die K-Ar-Methode ist das einzige erprobte Meßverfahren mit einer
Abb. 27. Zerfallsschema des Kalium 40
Reichweite von vielen Millionen Jahren, das eine Zeitbestimmung von Proben aus den älteren Abschnitten des Pleistozäns erlaubt. Die ebenfalls auf dem Zerfall von Radionukliden beruhenden Uran-Thorium-, Blei- und Rubidium-StrontiumMethoden sind für Schichten, die jünger als das obere Tertiär sind, nicht mehr anwendbar. Die physikalische Grundlage der K-Ar-Methode bildet der Zerfall des radioaktiven Isotops K40, dessen Anteil im natürlich vorkommenden Kalium 0,012% beträgt. Im Unterschied zu anderen Isotopen existieren für das Kalium 40 zwei Zerfallsmöglichkeiten (vgl. Abb. 27). Ein Teil der K40-Atome (ca. 11%) zerfällt 106
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Einen zusammenfassenden Überblick über den derzeitigen Forschungsstand bietet der Sammelband (Hrsg. I. U. OLSSON) „Radiocarbon Variations and Absolute Chronology". Proceedings of the Twelfth Nobel Symposium, Uppsala, Sweden, August 11—15, 1969. Stockholm 1970.
2.7.2. Die Kalium-Argon-Methode Die Kalium-Argon-Methode (engl. Potassium-Argon-Methode) war im Laufe der 50er Jahre in mehreren Ländern gleichzeitig für die Zwecke der geologischen Altersbestimmung entwickelt worden. Daß sie heute neben der RadiocarbonMethode für die Urgeschichtswissenschaft und besonders für die paläanthropologische Forschung eine recht erhebliche Bedeutung besitzt, hat seinen besonderen Grund. Die K-Ar-Methode ist das einzige erprobte Meßverfahren mit einer
Abb. 27. Zerfallsschema des Kalium 40
Reichweite von vielen Millionen Jahren, das eine Zeitbestimmung von Proben aus den älteren Abschnitten des Pleistozäns erlaubt. Die ebenfalls auf dem Zerfall von Radionukliden beruhenden Uran-Thorium-, Blei- und Rubidium-StrontiumMethoden sind für Schichten, die jünger als das obere Tertiär sind, nicht mehr anwendbar. Die physikalische Grundlage der K-Ar-Methode bildet der Zerfall des radioaktiven Isotops K40, dessen Anteil im natürlich vorkommenden Kalium 0,012% beträgt. Im Unterschied zu anderen Isotopen existieren für das Kalium 40 zwei Zerfallsmöglichkeiten (vgl. Abb. 27). Ein Teil der K40-Atome (ca. 11%) zerfällt 106
durch Einfang eines Elektrons der K-Schale des Atomkerns in Argon 40 (Ar40), der restliche Teil unter Emission von /S-Strahlen in Kalzium 40 (Ca40). Die Energie der emittierten Teilchen beträgt im ersten Fall 1,46 ± 0,01 MeV und bei der /¿-Strahlung 1,30 ± 0,07 MeV. Da jedoch das stabile Isotop Ca40 bereits zu 97% im gewöhnlichen Kalzium enthalten ist und dessen Quantität durch den Kaliumzerfall kaum meßbar erhöht wird, erweist sich von den beiden Möglichkeiten nur die Kalium-Argon-Uhr als ein praktikables Datierungsverfahren. Kalium ist fast überall in der Natur vorhanden und ist das siebenthäufigste Element (2,6%) in der Zusammensetzung der Erdkruste. Mit den heutigen Methoden moderner Meßtechnik läßt es sich als Bestandteil oder Spurenelement in fast allen Gesteinen nachweisen. Verfehlt wäre es jedoch, daraus zu folgern, daß die K-Ar-Methode universell anwendbar ist. Um eine Datierung vornehmen zu können, müssen eine Reihe quantitativer und qualitativer Kriterien erfüllt sein. Zunächst ist erforderlich, daß das Probenmaterial mindestens 1% und für jüngere Proben einen möglichst höheren Prozentsatz an Kalium enthält. Weiterhin muß das Mineral zum Zeitpunkt seiner Entstehung, d. h. bei der Kristallisation der Schmelze, vollständig entgast sein, da das der Probe inhärente Argon nicht vom radiogenen Argon zu unterscheiden ist. Diese Voraussetzung ist mit Sicherheit nur bei jüngeren Eruptivgesteinen (Oberflächenbasalte, vulkanische Lava und Tuffe) gegeben, bei deren Bildung infolge der hohen Temperaturen das bis dahin erzeugte Argon als Gas entweicht. Ein brauchbares Probenmaterial ist auch Glimmer, während Feldspat und die meisten Glaukonite zu geringe Alterswerte liefern. Entscheidend für die Zuverlässigkeit der K-Ar-Datierung ist außerdem der Umstand, daß das durch den Zerfallsprozeß im Mineral entstehende Argon vollständig gespeichert wird. Ein zu niedriges Alter würde z. B. ein Basaltstein vortäuschen, der in der Vergangenheit der Hitze eines Herdfeuers ausgesetzt war und dadurch einen Teil des radiogenen Argon verloren hat. Um spätere Gasverluste auszuschließen, ist deshalb bei der Auswahl von Proben zu beachten, daß diese aus frischen Schichtaufschlüssen in situ entnommen werden und eine Mindestkorngröße von 70 (x.m aufweisen. Schließlich ist notwendig, daß der KaliumGehalt in diesem geschlossenen System eine unverändert gleichbleibende Größe ist. Der Substanzverlust, der durch den Zerfall des K 40 entsteht, ist verschwindend klein und kann deshalb bei der Datierung zu archäologischen Zwecken vernachlässigt werden. Die an das Probenmaterial gestellten Forderungen, von deren Erfüllung Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit der K-Ar-Methode maßgeblich abhängt, sind weniger physikab'scher als geologisch-mineralogischer Natur. Einschließlich der sorgfältigen Probenauswahl trifft letzteres auch für die Beurteilung der Alterswerte zu, die sich in erster Linie auf die Kenntnis der geologischen Zusammenhänge stützen muß. In der Archäologie ist die Anwendung der Kalium-Argon-Methode an eine weitere Voraussetzung gebunden. In der Praxis ist sie nur dort anwendbar, wo durch vulkanische Tätigkeit entstandene geologische Schichten mit den Kultur107
hinterlassenschaften bzw. mit den fossilen Menschenfunden in eine durch archäologische oder andere Methoden hergestellte Beziehung zu setzen sind. Gemessen wird das Alter dieser Schichten, d. h. der Zeitpunkt, seit dem ein Lavastrom (Basalte) oder die vulkanische Asche erkaltet sind. In der Regel wird also die KAr-Messung nicht das historische Ereignis selbst, sondern davor oder weiter zurückliegende Zeitabschnitte datieren, die dann allerdings nur relative Aussagen gestatten. Eine andere Schwierigkeit ergibt sich aus dem langsamen Zerfall des K 4 0 , dessen Halbwertzeit 1,31 Milliarden Jahre beträgt. Bei Altersbestimmungen von weniger als 500000 Jahren ist deshalb die Genauigkeit der Datierung infolge zu geringen Anteils an radiogenem Argon erheblich eingeschränkt. In der letzten Zeit ist es jedoch gelungen, die Methode durch neue Techniken zu verfeinern und gewisse Fehler zu korrigieren. Unter anderen betrifft dies Probleme, die dadurch entstehen, daß von bestimmten Mineralien an der Kristalloberfläche atmosphärisches Argon absorbiert wird, wenn die Gesteinsproben der Luft ausgesetzt sind. Auch werden heute besondere Anstrengungen unternommen, den Datierungsspielraum nach oben zu erweitern, um auch Proben, die jünger als 100000 Jahre alt sind, zu messen und damit vielleicht eines Tages die noch bestehende Datierungslücke zur Radiocarbonmethode zu schließen. Bei der Altersbestimmung wird die Zeit ermittelt, seitdem der Zerfallsprozeß des Kalium 40 unbeeinflußt von äußeren Faktoren im Gange ist. Das nur in Speziallaboratorien durchführbare Meßverfahren beinhaltet durch möglichst genaue quantitative Analysen das IsotopenVerhältnis zwischen dem Mutternuklid und seinen Tochterelementen zu ermitteln. Kennt man die Zerfallskonstanten und den im Mineral enthaltenen Gehalt an Kalium und radiogenen Argon, so kann das Alter der Probe errechnet werden. Wie weit jedoch die K-Ar-Daten das tatsächliche Alter der geologischen Vorgänge wiedergeben, hängt vor allem davon ab, daß beide Elemente zur Zeit t = 0 vollständig getrennt waren, was in unserem Falle eine 100%ige Entgasung des zur Datierung verwendeten Ausgangsmaterials voraussetzt. Der Kaliumgehalt der untersuchten Proben ist relativ einfach und mit ausreichender Genauigkeit ( ± 1 % Abweichung) flammenphotometrisch oder spektralphotometrisch zu bestimmen. Nur in Fällen mit sehr geringer Kaliumkonzentration wird das Neutronenaktivierungsverfahren angewendet. Schwieriger und vor allem aufwendiger ist die Argonbestimmung. Um das radiogene Argon aus dem Gestein zu extrahieren wird das zuvor homogenisierte Probenmaterial in einem Vakuumsystem auf 1400— 1500°C erhitzt. Bei diesem Aufbereitungsprozeß entstehen mehrere Liter Gas; die anschließend auf chemischem Wege mittels Aktivkohle, heißen Kupferoxyden oder anderen Katalysatoren gründlich gereinigt werden. Das zurückbleibende Argon wird in einen Massenspektrometer eingeführt, wo man zuerst die isotopische Häufigkeit feststellt und dann die Ar40-Menge mißt. Das häufig in die Meßapparatur eingeschleppte atmosphärische Argon läßt sich infolge des konstanten Isotopenverhältnisses Ar 40 :Ar 38 ¡Ar 38 = 296:0,19:1 leicht bestimmen. 108
Auf der Basis der durch die massenspektrometrische Isotopenverdünnungsanalyse gewonnenen Werte wird das Alter der Probe nach folgender Gleichung errechnet: t =
A r « » - 296 Ar* IC
x43ß x
1Q14 J a h r e
Der Zahlenfaktor 1.436 ist abgeleitet aus den Zerfallskonstanten und der Häufigkeit des K 40 -Isotops im natürlichen Kalium. Alle quantitativen Angaben beziehen sich auf Grammoleküle (Mol). Diese abgekürzte Gleichung hat aber nur Gültigkeit für Proben, die jünger als 20 Millionen Jahre sind, da sie den mit der Entstehung des Minerals einsetzenden Kaliumzerfall nicht berücksichtigt. Auf einige durch das Probenmaterial bedingte Fehlerquellen wurde bereits hingewiesen. Die infolge Diffusion oder metamorpher Prozesse möglichen Veränderungen im Kalium- und Argongehalt lassen sich im Labor auch nach eingehender mikroskopischer Untersuchung der Kristallstruktur der Minerale nur sehr schwer feststellen. Demgegenüber ist die aus dem statistischen Fehler und dem Meßvorgang resultierende Standardabweichung von ± 2 % verhältnismäßig gering und bei Berücksichtigung des enormen Meßbereiches der K-Ar-Methode nur von untergeordneter Bedeutung. Das Historiker und Archäologen besonders interessierende Anwendungsfeld der Methode hegt auf der absoluten Datierung der endtertiären und pleistozänen Hominidenentwicklung. Innerhalb der letzten Jahre sind zahlreiche K-ArDaten aus verschiedenen Erdteilen bekanntgeworden, die nahelegen, daß das Eiszeitalter nicht wie bisher angenommen vor 0,6—l,0Mill. Jahren, sondern vor 2, wahrscheinlich aber sogar vor über 3 Mill. Jahren begonnen hat. Ähnlich wie bei der C14-Datierung ist um die Glaubwürdigkeit der K-Ar-Messungen eine heftige Kontroverse entbrannt, zumal es auch einige Daten gibt, die dieses unerwartet hohe Alter nicht zu bestätigen scheinen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht das Alter der Australopithecinenfunde in Ostafrika, die an mehreren Lokalitäten in Verbindung mit vulkanischen Ablagerungen angetroffen wurden. Für die Geröllgeräte aus dem basalen Schichtpaket der Olduvai-Schlucht haben K-Ar-Test und Fissions-Track-Methode (Datierung mit Hilfe der im Gestein optisch nachweisbaren Uran-Spaltspuren) Werte um 2 Mill. Jahre ergeben. Die ältesten Werkzeugfunde vom Ostufer des RudolfSees in Kenia, die auf Grund der fossilen Fauna unzweifelhaft aus Schichten des unteren Pleistozän stammen, sind zwischen 2—2,5 Mill. Jahre datiert. Ein etwa gleichhohes, teilweise aber bis 3,5 Mill. Jahre zurückreichendes K-Ar-Alter weisen Australopithecinenfunde (und Werkzeuge?) auf, die in Formationen an der Grenze Pliozän/Pleistozän im Omo-Tal Äthiopiens erst vor kurzem entdeckt wurden. Sollten sich diese Zeitangaben durch weitere Untersuchungen in anderen Gebieten bestätigen, wofür schon jetzt eine Reihe von Datierungen der mit dem Villafranchium gleichzeitigen Blancan-Faunen in Amerika sprechen, so würde dies bedeuten, daß sich die absolute Dauer des Eiszeitalters gegenüber den früheren 109
Schätzungen verdreifacht bzw. verfünffacht hat. Eine derartige Ausdehnung des Pleistozän ist natürlich nicht ohne Konsequenzen auf die historische Interpretation der Menschwerdung. In erster Linie betrifft dies unsere bisherigen Vorstellungen über das Tempo des Hominisationsprozesses, der auf Grund der neuen Kalium-Argon-Bestimmung über eine mehrere Millionen Jahre reichende Frühphase sehr statisch und langsam verlaufen ist. Eine wesentliche Beschleunigung erfährt die Evolution der Hominiden erst vor 750000/500000 Jahren, als in der Auseinandersetzung mit der Natur die Arbeit zur entscheidenden Triebkraft der Menschwerdung geworden war. Abschließend sei noch einmal festgestellt, daß die K-Ar-Methode ebenso wie die übrigen radiometrischen Datierungsverfahren sicher nicht frei von Fehlerquellen sind und wir deshalb ihre Ergebnisse stets an den feldgeologischen und stratigraphischen Verhältnissen zu überprüfen haben. Eine gewisse Vorsicht bei der Benutzung der Daten mag sicher am Platze sein, eine übertriebene Skepsis gegenüber der Methode fußt letztlich auf der Tatsache, daß liebgewordene Vorstellungen in Bewegung geraten und eine Reihe verschiedene Wissenschaftsdisziplinen betreffender Fragen konzeptionell neu zu durchdenken sind. Die Zahl der mit Hilfe von K/Ar datierten Objekte nimmt von Jahr zu Jahr zu, und es besteht heute kein Zweifel darüber, daß von dieser Methode Archäologen und Anthropologen weitere Aufklärung über den zeitlichen Ablauf der frühesten Menschheitsgeschichte erwarten. LITERATUR 1969 1971 1969 1968
1970 1966
1960
and M . A. LANPHERE : Potassium-Argon-Dating. San Francisco. Potassium-Argon Dating. In: Dating Techniques for the Archaeologist, ed. by H . N . MICHAEL and E . R A L P H . Cambridge. 1 5 7 — 1 6 5 . GENTHER, W . and H . J . LIPPOLT: The Potassium-Argon Dating of Upper Tertiary and Pleistocene Deposits. In: Science in Archaeology, 2. ed. London. 88—100. LIPPOLT, H . J . : Radiometrische Datierungen im Quartär. In: G. K U R T H (Hrsg.): Evolution und Hominisation, 2 . Aufl. Stuttgart 1 1 9 — 1 3 8 . METHLKTG, D.: Altersbestimmung durch Radionuclide. Wissenschaft und Fortschritt 20. 392-397. SCHAEFFER, O . H. and J . ZÄHRINGER (Hrsg.): Potassium Argon Dating. Heidelberg— Berlin. ZÄHRINGER, J.: Altersbestimmung nach der K- Ar-Methode. Geologische Rundschau 49. DALRYMPLE, G . FATJL, H . :
2.7.3. D e r F l u o r t e s t u n d a n d e r e M e t h o d e n zur D a t i e r u n g von Knochen Die Fluordatierung ist eine von zahlreichen Methoden, die zur Zeitbestimmung fossilen Knochenmaterials angewendet werden können. Bevor auf den Fluortest selbst eingegangen wird, sollen andere verwandte Verfahren wenigstens kurz genannt werden. Die Voraussetzung für eine Datierung ist stets die Tatsache, daß die Knochenreste von Mensch und Tier bei ihrer Lagerung in der Erde sich in 110
Schätzungen verdreifacht bzw. verfünffacht hat. Eine derartige Ausdehnung des Pleistozän ist natürlich nicht ohne Konsequenzen auf die historische Interpretation der Menschwerdung. In erster Linie betrifft dies unsere bisherigen Vorstellungen über das Tempo des Hominisationsprozesses, der auf Grund der neuen Kalium-Argon-Bestimmung über eine mehrere Millionen Jahre reichende Frühphase sehr statisch und langsam verlaufen ist. Eine wesentliche Beschleunigung erfährt die Evolution der Hominiden erst vor 750000/500000 Jahren, als in der Auseinandersetzung mit der Natur die Arbeit zur entscheidenden Triebkraft der Menschwerdung geworden war. Abschließend sei noch einmal festgestellt, daß die K-Ar-Methode ebenso wie die übrigen radiometrischen Datierungsverfahren sicher nicht frei von Fehlerquellen sind und wir deshalb ihre Ergebnisse stets an den feldgeologischen und stratigraphischen Verhältnissen zu überprüfen haben. Eine gewisse Vorsicht bei der Benutzung der Daten mag sicher am Platze sein, eine übertriebene Skepsis gegenüber der Methode fußt letztlich auf der Tatsache, daß liebgewordene Vorstellungen in Bewegung geraten und eine Reihe verschiedene Wissenschaftsdisziplinen betreffender Fragen konzeptionell neu zu durchdenken sind. Die Zahl der mit Hilfe von K/Ar datierten Objekte nimmt von Jahr zu Jahr zu, und es besteht heute kein Zweifel darüber, daß von dieser Methode Archäologen und Anthropologen weitere Aufklärung über den zeitlichen Ablauf der frühesten Menschheitsgeschichte erwarten. LITERATUR 1969 1971 1969 1968
1970 1966
1960
and M . A. LANPHERE : Potassium-Argon-Dating. San Francisco. Potassium-Argon Dating. In: Dating Techniques for the Archaeologist, ed. by H . N . MICHAEL and E . R A L P H . Cambridge. 1 5 7 — 1 6 5 . GENTHER, W . and H . J . LIPPOLT: The Potassium-Argon Dating of Upper Tertiary and Pleistocene Deposits. In: Science in Archaeology, 2. ed. London. 88—100. LIPPOLT, H . J . : Radiometrische Datierungen im Quartär. In: G. K U R T H (Hrsg.): Evolution und Hominisation, 2 . Aufl. Stuttgart 1 1 9 — 1 3 8 . METHLKTG, D.: Altersbestimmung durch Radionuclide. Wissenschaft und Fortschritt 20. 392-397. SCHAEFFER, O . H. and J . ZÄHRINGER (Hrsg.): Potassium Argon Dating. Heidelberg— Berlin. ZÄHRINGER, J.: Altersbestimmung nach der K- Ar-Methode. Geologische Rundschau 49. DALRYMPLE, G . FATJL, H . :
2.7.3. D e r F l u o r t e s t u n d a n d e r e M e t h o d e n zur D a t i e r u n g von Knochen Die Fluordatierung ist eine von zahlreichen Methoden, die zur Zeitbestimmung fossilen Knochenmaterials angewendet werden können. Bevor auf den Fluortest selbst eingegangen wird, sollen andere verwandte Verfahren wenigstens kurz genannt werden. Die Voraussetzung für eine Datierung ist stets die Tatsache, daß die Knochenreste von Mensch und Tier bei ihrer Lagerung in der Erde sich in 110
ihrer Zusammensetzung verändern. Die organischen Bestandteile des Knochens werden allmählich zerstört; gleichzeitig beginnen verschiedene Salze aus den umgebenden Schichten in den Knochen einzudringen. Dadurch verändert sich seine chemische Zusammensetzung, und es tritt ein Wandel im Verhältnis der mineralischen und nichtmineralischen Komponenten der Knochensubstanz ein. Alle diese Prozesse verlaufen sehr langsam und erstrecken sich über Jahrtausende. Dadurch wird es möglich, die Zusammensetzung der Knochen einzelner Fundstellen miteinander zu vergleichen, um daraus Schlüsse auf die Zeitstellung zu ziehen. Es wird u. a. die Kollagen-Methode verwendet, wobei das Verhältnis der mineralischen und nichtmineralischen Bestandteile der Knochen bestimmt wird. Je älter ein Knochen, umso geringer ist der Anteil der organischen Bestandteile, also des Kollagens (Proteins) in ihm. Unter besonders günstigen Bedingungen (Dauerfrostboden, Luftabschluß) kann das Kollagen aber auch Jahrzehntausende überdauern. Diese Methode ist relativ einfach und kann leicht statistisch ausgewertet werden. Dabei wird die Quantität der Mineralien eines Knochens nach der Veraschung mit den organischen Bestandteilen — Stickstoff, Kohlenstoff und chemisch gebundenes Wasser — verglichen. Es ist am zweckdienlichsten, die organischen Bestandteile durch die Bestimmung des Stickstoffgehaltes vermittels der chemischen Analyse zu bestimmen. Die Kollagenmethode ermöglicht allerdings nur die relative, nicht die chronometrische (absolute) Datierung von Fossilien einer Fundstelle im Vergleich zu anderen Fundstellen. Eine neuerdings entwickelte Methode geht davon aus, daß die Schnelligkeit der Schallausbreitung in einem Knochen seiner Zeitstellung proportional ist. So beträgt die Schallgeschwindigkeit in einem 500 Jahre alten Knochen nur noch die Hälfte der Schallgeschwindigkeit in einem rezenten Knochen. Daneben bestehen zahlreiche radiologische und optische Methoden. Sie sind recht vielfältig, und ihr Wert ist unterschiedlich zu veranschlagen. Bei Anwendimg der optischen Methode wird u. a. der Index der Lichtbrechung gemessen. Dabei geht man davon aus, daß er bei fossilen Knochen stets größer ist als bei rezenten Proben. So werden Anhaltspunkte für die relative Datierung gewonnen. Bei den radiologischen Methoden werden die Absorption der Röntgenstrahlen. (Radiographie und Mikroradiographie), der Brechung der Röntgenstrahlen (spektrographische Analyse) und die radioaktive Strahlung (u. a. C w -Analyse) gemessen. Mit Hilfe der Brechung der Röntgenstrahlung läßt sich der Gehalt an Mineralien im Knochen, u. a. auch des Fluorapatits bestimmen (falls sein Anteil nicht chemisch ermittelt wird). Die Messung der radioaktiven Strahlung geht u. a. davon aus, daß während der Lagerung des Knochens im Boden und der Fossilisierung aus dem Grundwasser verschiedene radioaktive Substanzen in den Knochen eindringen können, so daß sich aus ihrer Messung nützliche Anhaltspunkte für das relative Alter der Fossilien ergeben können. Das betrifft insbesondere den Urangehalt der Knochen.. Es wurde bereits 1908 erkannt, daß Phosphatmineralien, u. a. Knochen, Uran enthalten. Die medizinischen Untersuchungen ergaben, daß das im Blut zirku111
lierende Uran in den mineralischen Bestandteilen der Knochen abgelagert wird, anscheinend, weil die Kalziumionen im Hydroxylapatit ersetzt werden. Das gleiche trifft auch für Knochen zu, die im Grundwasser liegen, aus dem die Uranspuren aufgenommen werden. Aus der Bestimmung des Anteils an radioaktivem Uran im Knochen geht hervor, wie lange das betreffende Fundstück im Grundwasser gelegen hat. Doch hängt der Urangehalt auch von der Art des umgebenden Gesteins (Sand, Kies oder Kalkstein) ab. Diese Methode ist hauptsächlich zu relativen Altersbestimmungen geeignet. Bei dem Fluorgehalt der Knochen verhält es sich ähnlich wie beim Uran. Wird also durch das Grundwasser Fluor an die mineralische Knochensubstanz herangebracht, so kommt es zu einem Ionenaustausch und das Hydroxylapatit des Knochens wird zunehmend zu Fluorapatit umgewandelt. Das Fluorapatit hat eine geringere Wasserlöslichkeit als das Hydroxylapatit, so daß es im Knochen verbleibt. Je länger ein Knochen im Grundwasser lag, desto höher müßte auch— unter gleichbleibenden Umständen — sein Prozentsatz an Fluorapatit sein. Die Anfänge dieser Methode gehen auf das Jahr 1806 zurück. Zur Altersbestimmung wurde sie 1895 von Th. W I L S O N in Nordamerika benutzt. Dabei sollte nachgewiesen werden, daß der Mensch ein Zeitgenosse des ausgestorbenen Mylodon war. Die Methode geriet dann in Vergessenheit, rückte aber in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit, als K. P. 0AKLEY mit ihrer Hilfe eindeutig nachweisen konnte, daß der sog. Piltdown-Schädel eine Fälschung ist (wobei sich Unterkiefer und ein isolierter Molar als absolut rezent erwiesen). Die Geschwindigkeit, mit der das Hydroxyl durch Fluor ersetzt wird, ist anfangs relativ schnell und wird allmählich langsamer. Sie hängt u. a. vom Fluorgehalt des Grundwassers ab, das den Knochen umgibt. Dabei ist nur Knochenmaterial verwendbar, das ständig unter Grundwasser, und zwar möglichst in Kiesen oder Sanden gelegen hat. Die Methode kann nur für das Quartär, nicht mehr für das Tertiär angewandt werden, da die Fluoranreicherung dann schon so weit fortgeschritten ist, daß röntgenographisch bereits reiner Fluorapatit im Knochen vorliegt. Der Gehalt an Fluorapatit im Knochen kann auch chemisch bestimmt werden. Erst wenn von mehreren Fundstücken einer Fundstelle ein Durchschnittswert des Fluorgehalts ermittelt wurde, ist eine Alterszuordnimg mit Hilfe des Fluortests möglich. Es ist auch zu beachten, ob die Vorkommen in einer chemisch, besonders an Fluorgehalt gleichartigen Grundwasserprovinz liegen, was nicht immer der Fall ist. Der Fluorgehalt des Wassers verschiedener Gebiete kann ganz erheblich schwanken (bis zu 15 mg F/kg Wasser). Der Fluortest ist nicht anwendbar in Gebieten, wo Fluor besonders reich vorkommt oder in Gebieten tropischer Verwitterung, wo die Mineralisierung sehr schnell vonstatten geht. Bei der Untersuchung sind Knochen, Zähne und Geweih getrennt zu behandeln. Sie scheinen einen unterschiedlichen Fluorgehalt aufzuweisen. Bei Zähnen ist es oft schwierig, Schmelz und Dentin getrennt zu analysieren; ferner ist hier die Substanz dichter, womit die Umwandlung von Hydroxylapatit zu Fluorapatit langsamer verlaufen dürfte. Besonders variabel fallen die Bestimmungen bei Geweihstücken aus. 112
Richter und Eckhardt stellen für die Anwendung der Methode folgende Bedingungen auf: 1. Das Untersuchungsmaterial muß seit seiner Fossilierung ununterbrochen im Grundwasser gelegen haben. 2. Es dürfen nur Funde aus einem gleichartigem bzw. hinsichtlich der Möglichkeit von Grundwasserzirkulation ähnlichem Einbettungshorizont miteinander verglichen werden. 3. Nur Funde aus einer hinsichtlich des Fluorgehalts gleichen Grundwasserprovinz dürfen untereinander verglichen werden. 4. Knochen, Zähne und Geweih sind getrennt zu vergleichen. 5. Bei Geweihen, wahrscheinlich aber auch bei Knochen ist zu beachten, ob die pulverisierte Probe aus dichtem oder grobzelligem Material bzw. von äußeren oder inneren Teilen vom Knochen gewonnen wurde. 6. Eine sichere Datierung ist nur möglich, wenn von einer Fundstelle aus mehreren Fundstücken ein Durchschnittswert ermittelt werden konnte. In einer Kombination geophysikalischer Datierungsmethoden mit der Fluormethode sieht Richter einen gangbaren Weg, zu einer absoluten Chronologie des Pleistozäns zu gelangen. Die Schwäche dieses Vorhabens liegt aber darin, daß die Fluoranalyse nur relative, keine absoluten Zeitangaben liefern kann und daß die „Fluorkurve" beiderseits an absolute Jahreszahlen angehängt werden muß. Ein besonders günstiger Umstand besteht in der geringen Löslichkeit des im Knochen oder Dentin angereicherten Fluors. Wird also ein Knochen aus seinem alten Fundverband in jüngere Schichten umgelagert, so ist das an seinem höheren Fluorgehalt im Vergleich zu Proben aus seiner neuen Einbettung leicht erkennbar. Der Vorteil der Methode besteht ferner darin, daß nur 1—2 mg an Untersuchungssubstanz erforderlich sind. Der Fluortest wird hauptsächlich angewendet, um die Altersrelation zwischen bestimmten Knochen und ihrem tatsächlichen (oder vermeintlichen) Fundkomplex festzustellen, liefert also keine absolute Datierung. Wenn es also beispielsweise heißt, der Fluortest habe ein Alter des Swanscombe-Schädels von 100000 Jahren ergeben, so bedeutet es also nur, daß der Test Gleichzeitigkeit mit einer geologischen Schicht ergeben hat, deren Alter von Geologen gegenwärtig auf 100000Jahre geschätzt wird. Besonders geeignet ist der Fluortest, wenn es gilt, das relative Alter einer Anzahl von Knochenresten zu ermitteln, die unter vergleichbaren Umständen in einer oder in benachbarten Fundstellen angetroffen wurden. Die Methode ist auch erfolgreich, wenn man die wahrscheinliche Datierung von Fundstücken ermitteln will, bei denen verschiedene Herkunftsorte angenommen werden können (z. B. im Falle des Piltdown-Fundes). Der Fluortest wird jetzt gewöhnlich kombiniert mit den anderen Bestimmungsmethoden für Knochen, vor allem der Feststellung des Stickstoffgehaltes und der radioaktiven Strahlung, angewendet. Die Übereinstimmung der Ergebnisse dieser Methoden gibt oft erst die letzte Sicherheit. Das hat sich zuletzt auch bei der Untersuchung der Zähne des Giganto8
Chronologie der Urgeschichte
113
pithecus durch K . P . O A K L E Y ergeben, deren Zusammengehörigkeit mit den chinesischen Fossilien des Mittelpleistozäns nachgewiesen werden konnte. Mit Hilfe der Fluordatierung war es bereits möglich, zu manchen sensationellen Erfolgen zu kommen, doch ist sie keine Routinemethode, die überall anwendbar ist und zu schnellen Ergebnissen führt. LITERATUR 1960
1960
BAUD, C. A.: Dating of Prehistoric Bones by Radiological and Optical Methods. In: R. F. HEIZEB, Sh. F. COOK (Ed.), The Application of Quantitative Methods in Archaeology, Chicago, 246—264. COOK, S. F.: Dating Prehistoric Bones by Chemical Analysis. In: R. F. HEIZEB, Sh. F. COOK (Ed.), The Application of Quantitative Methods in Archaeology, Chicago, 223—245.
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OAKLEY, K. P.: The Fluorine-Dating Method. Yearbook phys. Anthropol. 5, N e w York, 4 4 - 5 2 .
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—: Analytical Methods of Dating Bones. In: Don Brothwell, E. HIGOS (Ed.), Science in Archaeology, 2. Aufl. Bristol, 35—45. RICHTER, K. und F.-J. EOKHABDT: Datierungsversuche im Quartär Westdeutschlands mit Hilfe des Fluortests. Eiszeitalter und Gegenwart 7, Öhringen, 21—28. RICHTER, K.: Fluorteste quartärer Knochen in ihrer Bedeutung für die absolute Chronologie des Pleistozäns. Eiszeitalter und Gegenwart 9, Öhringen, 18—27. ZEUNER, F. E.: Advances in Chronological Research. In: R. F. HEIZER, Sh. F. COOK (Ed.), The Application of Quantitative Methods in Archaeology, Chicago, 325-358.
2.7.4. Die A r c h ä o m a g n e t d a t i e r u n g Die Archäomagnetdatierung gehört zu den erst in den letzten zwei Jahrzehnten stärker entwickelten Datierungsmethoden. Sie ermöglicht die relative und absolute Datierung von Erzeugnissen aus gebranntem Ton. Die Methode beruht auf der Tatsache, daß sich das Magnetfeld der Erde kontinuierlich sowohl seiner Richtung als auch seiner Intensität nach ändert und daß diese Änderungen gewissermaßen „Abdrücke" hinterlassen, die der Erforschung zugänglich sind. Diese Änderungen des Magnetfeldes ruhen letzten Endes im Erdinneren und haben noch keine endgültige Deutung erfahren. Zahlreiche Gesteine enthalten magnetische Eisenoxide. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, die als Curie-Punkt (Magnetpunkt) bezeichnet wird, büßen diese Partikel den in ihnen eingeschlossenen Magnetismus ein und nehmen bei langsamer Abkühlung die Eigenschaften des jeweiligen umgebenden Magnetfeldes an. Sie verändern normalerweise die Parameter dieser neuen „thermoremanenten" Magnetisierung nicht, auch wenn sich das Magnetfeld der Erde in den Jahrhunderten oder Jahrtausenden seit dem Tag des Brenn Vorganges wieder und wieder wandelt. Die einzelnen magnetischen Oxide besitzten unterschiedliche Curie-Punkte. Er beträgt für Hämatit (a-Fe203) den höchsten Wert, 670 °C, bei Magnetit (Fe304) liegt er bei 580 °C. Wird also z. B. Ton bei einer Temperatur über 670 °C gebrannt und langsam abgekühlt, später aber noch einmal auf 580 °C 114
pithecus durch K . P . O A K L E Y ergeben, deren Zusammengehörigkeit mit den chinesischen Fossilien des Mittelpleistozäns nachgewiesen werden konnte. Mit Hilfe der Fluordatierung war es bereits möglich, zu manchen sensationellen Erfolgen zu kommen, doch ist sie keine Routinemethode, die überall anwendbar ist und zu schnellen Ergebnissen führt. LITERATUR 1960
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2.7.4. Die A r c h ä o m a g n e t d a t i e r u n g Die Archäomagnetdatierung gehört zu den erst in den letzten zwei Jahrzehnten stärker entwickelten Datierungsmethoden. Sie ermöglicht die relative und absolute Datierung von Erzeugnissen aus gebranntem Ton. Die Methode beruht auf der Tatsache, daß sich das Magnetfeld der Erde kontinuierlich sowohl seiner Richtung als auch seiner Intensität nach ändert und daß diese Änderungen gewissermaßen „Abdrücke" hinterlassen, die der Erforschung zugänglich sind. Diese Änderungen des Magnetfeldes ruhen letzten Endes im Erdinneren und haben noch keine endgültige Deutung erfahren. Zahlreiche Gesteine enthalten magnetische Eisenoxide. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, die als Curie-Punkt (Magnetpunkt) bezeichnet wird, büßen diese Partikel den in ihnen eingeschlossenen Magnetismus ein und nehmen bei langsamer Abkühlung die Eigenschaften des jeweiligen umgebenden Magnetfeldes an. Sie verändern normalerweise die Parameter dieser neuen „thermoremanenten" Magnetisierung nicht, auch wenn sich das Magnetfeld der Erde in den Jahrhunderten oder Jahrtausenden seit dem Tag des Brenn Vorganges wieder und wieder wandelt. Die einzelnen magnetischen Oxide besitzten unterschiedliche Curie-Punkte. Er beträgt für Hämatit (a-Fe203) den höchsten Wert, 670 °C, bei Magnetit (Fe304) liegt er bei 580 °C. Wird also z. B. Ton bei einer Temperatur über 670 °C gebrannt und langsam abgekühlt, später aber noch einmal auf 580 °C 114
erhitzt, so bleibt der remanente Magnetismus des Hämatits erhalten, während der Magnetit bei der sekundären Erhitzung erneut magnetisiert wird. Erfolgt die sekundäre Erhitzung eventuell Jahrhunderte später, unter den Bedingungen eines veränderten Magnetfeldes der Erde, so kann dasselbe Tonobjekt also sowohl die magnetischen Eigenschaften der Hämatitkristalle als auch die abweichenden magnetischen Parameter der Magnetitkristalle enthalten. Durch langsame Erhitzung der Probe unter Laborbedingungen bis zu den einzelnen Curie-Punkten können die einzelnen Magnetphasen wieder getrennt und erfaßt werden, da die remanente Magnetisierung bei der Erhitzung im Labor wieder frei wird und exakt gemessen werden kann. In dem geschilderten Fall würde eine Erhitzung auf 580 °C die später hinzugekommene Magnetisierung eliminieren, und die ursprüngliche Magnetisierung würde unverändert zu messen sein. Dieser von T h e l l i e b . in die Praxis eingeführte Vorgang wird als thermomagnetische Reinigung bezeichnet. Der remanente Magnetismus bleibt normalerweise unverändert, wenn auch einige störende Faktoren zu berücksichtigen sind. Zunächst sind einige Gesteine infolge ihrer Kristallstruktur magnetisch unstabil. Diese Instabilität ist im gebrannten Ton sehr gering, aber bei manchen vulkanischen Gesteinen erheblicher (das ist dann wichtig, wenn der remanente Magnetismus von Lavaschichten bestimmt werden soll, die menschliche Ansiedlungen verschüttet haben). Nachdem ein Gestein eine remanente Magnetisierung angenommen hat, können chemische Veränderungen eintreten, die ein magnetisches Oxid in ein unmagnetisches oder gar in ein anderes magnetisches Oxid verwandeln können. Diese neuen Oxide werden bei ihrer Entstehung die Eigenschaften des umgebenden Magnetfeldes annehmen. Das trifft aber nicht für gut gebrannte Tone zu, während lange Lagerung im Wasser zu Störungen führen kann. Es ist ferner möglich, daß die einzelnen Partikel eines Tones auch bei geringerer Temperatur ihren remanenten Magnetismus verändern, wenn sie (das ist bei jedem Oxid anders) sekundär einem starken Magnetfeld ausgesetzt werden. Dieser Störungsfaktor kann aber durch geeignete Maßnahmen bei der Messung im Labor beseitigt werden. Das Magnetfeld der Erde setzt sich aus mehreren Komponenten (Richtung und Intensität) zusammen, die sich im Laufe der Zeit irregulär verändern. Die ersten Beobachtungen der Richtung des Magnetfeldes wurden 1540 in Rom und 1586 in London vorgenommen. Die ersten Messungen der Intensität wurden 1830 durchgeführt. Den Geophysikern steht bisher ein gewisses, wenn auch unvollständiges Material zur rezenten Geschichte des Erdmagnetismus zur Verfügung. Datiertes archäologisches Material läßt sie noch weiter nach rückwärts verfolgen. F o l g h e r a i t e k hat bereits Ende des 19. Jh. die Magnetisierung etruskischer Vasen untersucht, um daraus die Inklination zur Zeit der Etrusker zu erschließen. Schon damals wurde der Gedanke laut, aus den „Abdrücken" der Magnetisierung die Geschichte des Magnetfeldes der Erde zu ermitteln. Die frühen Stadien des Magnetfeldes lassen sich auch dadurch bestimmen, daß einige vulkanische und metamorphe Gesteine eine remanente Magnetisierung annehmen. Ist erst einmal der Verlauf des Magnetismus über einen längeren Zeitraum in den Einzelheiten bekannt, so lassen sich auch Fundobjekte unbekannten Alters chronologisch ein8*
115
ordnen, nachdem man ihren remanenten Magnetismus ermittelt hat. Auch diese Möglichkeit war bereits Ende des 19. Jh. erkannt worden. Doch fehlten damals noch die praktischen technischen Voraussetzungen. Die Richtimg des erdmagnetischen Feldes ist durch die Deklination und die Inklination bestimmt. Die Deklination (D) wird mit dem Kompaß gemessen und ist der Winkel zwischen dem geographischen und magnetischen Norden. Die Inklination (I) wird durch den Winkel bestimmt, um den die Magnetnadel von der Horizontalen abweicht. Die Winkel der Deklination und I n k l i n a t i o n sind auf den verschiedenen Teilen der Erdoberfläche verschieden, wobei sie sich auch im Laufe der Zeit ändern. In Paris ist z. B. die Deklination von etwa 10° Ost am Ende des 16. Jh. auf 0° gegen 1600 abgewichen und hat um 1815 einen Wert von etwa 22° West angenommen. Seit dieser Zeit geht sie wieder gegen Osten zurück, und gegenwärtig beträgt die Abweichung etwa 7° West. Diese Änderungen werden in moderner Zeit durch Dauerbeobachtungen an etwa 100 magnetischen Observatorien genau verfolgt. Es ergibt sich, daß die in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Deklination jeweils Gebiete von etwa 500 Kilometer im Durchmesser erfaßt. Aber diese Änderung ist nicht nur regional, sondern sie trägt auch säkularen Charakter, sie ist zyklisch, wobei die Länge des Deklinationszyklus mit rund 450 Jahren und die des Inklinationszyklus mit rund 1000 Jahren angegeben wird. Bei der Altersbestimmung nach der Messung von Deklination und Inklination liegt die Schwierigkeit also darin, daß es erst notwendig ist, für jedes Einzelgebiet der Erde genaue Kurven des Verlaufs aufzustellen, und daß infolge des zyklischen Charakters gleiche Werte der Deklination und Inklination für verschiedene Zeitabschnitte vorliegen können. Für die Datierung bedarf es daher oft anderer, z. B. historischer oder archäologischer Hinweise. Soll die Richtung des Magnetfeldes eines archäologischen Objektes bekannten oder unbekannten Alters bestimmt werden, so ist ein fester Bezugspunkt erforderlich. Das bedeutet bei Objekten aus gebranntem Ton, daß sich das Objekt in situ befinden muß und seit dem Brennen nicht mehr bewegt sein darf. Bewegliche Objekte sind für diese Messungen wertlos, sofern nicht zwei Bedingungen für die Inklination erfüllt sind. Die erste ist, daß der Ort des Brennens mit einer Genauigkeit von einigen hundert Kilometern bekannt ist, da geographische Länge und Breite ja schon teilweise die lokale Richtung des magnetischen Feldes bestimmen. Die zweite Bedingung ist, daß die Position des Objektes beim Brennen gegeben ist. So werden Ziegel beim Brennen gewöhnlich hochkant gestellt, desgleichen verschiedene Gefäße, so daß bei den Ziegeln eine Breitseite und bei den Gefäßen der Boden beim Brennen horizontal gelegen haben. Die Objekte sollen gut gebrannt, nicht zu lange dem Wasser ausgesetzt und nicht zu fragmentarisch sein. Am besten sind Töpferöfen, Backöfen, Schmelzöfen geeignet, die zumeist einer Temperatur über 800 °C, dem höchsten Curie-Punkt, ausgesetzt waren. Herd- und Verbrennungstellen sind weniger verwendbar, da sie oft schwächer gebrannt sind. Gebrannte Wände und Fußböden, z. B. die Ploscadken der TripoljeKultur, versprechen dagegen gute Ergebnisse. An Baumaterial eignet sich Ton, der vor der Zeit der Konstruktion ungebrannt war, am besten, während bei Ziegel116
steinen die sekundäre Verwendung nicht immer auszuschließen ist. Bei Gefäßen und anderen transportablen Objekten besteht die Gefahr, daß sie durch sekundäre Wärmeeinstrahlung beim Kochen oder als Beigaben in einem Brandgrab remagnetisiert wurden. Das ist manchmal an einer anderen Färbung oder an den Fundumständen zu erkennen, die der Archäologe dem Physiker mitteilen sollte. Die Probenentnahme sollte am besten gleich durch den Physiker erfolgen. Zur Festlegung der genauen Orientierung im Gelände wird das Objekt vor der Entnahme aus dem Boden in Gips gebettet, diesem eine horizontale Oberfläche gegeben und auf dieser die Richtung des bekannten Azimuts bestimmt. Von jedem Objekt sollten acht oder mehr Proben, möglichst von seinen verschiedenen Teilen und in symmetrischer Anordnung entnommen werden. Für die Untersuchungen werden würfelförmige Proben von 2—2,5 cm Seitenlänge bevorzugt. Die bei der Messung erhaltenen Richtungen werden mit der ursprünglichen Orientierung der Probe in Relation gebracht, wobei das Mittel aus mehreren Proben errechnet wird. Auf Grund solcher Messungen an datiertem Material konnten für einige Regionen der Welt bereits säkuläre Kurven der Richtungsänderungen des Magnetfeldes aufgestellt werden (COOK, 1963, Abb. 11; BUCHA, 1965, Abb. 3, 4 ; BURLACKAJA,
NEÖAEVA, 1965, Abb. 2—4). Ihr Wert und ihre Genauigkeit sind unterschiedlich anzusetzen. Das ergibt sich aus der Anzahl der vorliegenden Untersuchungen und aus der Sicherheit der historischen oder archäologischen Datierung der verwendeten Proben (mittelalterliche Klosterziegel aus Bauwerken mit bekanntem Baujahr, punische Töpferöfen, frühes chinesisches Porzellan usw.). Ist eine Kurve der säkulären Änderungen des Magnetfeldes für ein bestimmtes Gebiet bekannt, lassen sich daraus Objekte unbekannter oder fraglicher Zeitstellung einordnen. Dabei beträgt die Sicherheit der Datierung auf Grund der regional und zeitlich unterschiedlichen Schnelligkeit der säkulären Änderungen (vgl. BURLACKAJA, NEÖAEVA, 1965, Abb. 6, 7) zwischen 50 und 25 J a h r e n .
Es folgen einige Beispiele der Anwendungsmöglichkeit. Wenn z. B. bei einem römerzeitlichen Töpferofen in London die Werte von 57° für die Deklination und 1° Ost für die Inklination gefunden werden, so ist auf Grund des spezifischen säkulären Ablaufs der Magnetisierung für Großbritannien als wahrscheinliche Datierung 200 u. Ztr. anzusetzen. Man kann aber auch relative Datierungen vornehmen. Bei gut gebrannten Tonobjekten (Vasen, Skulpturen) müssen die Linien der Magnetfelder in gleicher Richtung verlaufen. Aus Drehscheibenspuren u. a. ist oft ihre ursprüngliche horizontale oder vertikale Lage ersichtlich. Damit kann entschieden , werden, ob zwei Fragmente zum gleichen Stück gehören (u. a. Entlarvung von Fälschungen) (COOK 1963, Abb. 12). An einem anderen geographischen Ort oder zu einem anderen Zeitpunkt hergestellte Erzeugnisse sind auch daran zu erkennen, daß sie ein anderes Magnetfeld aufweisen als die datierten Objekte eines bekannten Fundortes oder Herstellungszentrums. Die Intensität (F) des Magnetfeldes ist ebenso wie Deklination und Inklination Veränderungen und geographischen Störungen unterworfen. Diese Intensität ist gegenwärtig an der Erdoberfläche je nach der Entfernung von den geographischen Polen recht unterschiedlich. Im Gegensatz zu den säkulären Zyklen 117
von Deklination und Inklination liegt hier aber ein längerer Turnus vor, der etwa 8 0 0 0 Jahre beträgt (BUCHA, 1965, Abb. 13; BUCHA, N E U S T U P N Y , 1967a, Abb. 1; BURLACKAJA, NEÖAEVA, 1965, Abb. 5). Dieser Zyklus scheint unabhängig von den zwei anderen Zyklen zu erfolgen, so daß sich hier Möglichkeiten für eine gegenseitige Ergänzung der Anhaltspunkte aus den einzelnen Messungen ergeben. Die Proben dazu sollen gut gebrannt und gut oxidiert sein. Da bei den Messungen der Intensität der Magnetisierung die Richtung des Magnetfeldes keine Rolle spielt, ist die Orientierung z. Zt. der Magnetisierung unwesentlich, und es können auch bewegliche Tonobjekte, z. B. Tonscherben oder Ziegelfragmente benutzt werden. Es muß nur der geographische Ort des Brennvorganges bekannt sein (der Fundort braucht mit diesem nicht immer übereinzustimmen). Bei der Messung der Intensität wird die zu untersuchende Probe in einem nichtmagnetischen Ofen (BUCHA, 1969, Abb. 1) zweifach auf Temperaturintervalle zwischen 100 und 700 °C erhitzt und nach jedem Erhitzen (mindestens 30 Minuten) die Orientierung der Probe im Verhältnis zum Magnetfeld des Labors um 180° verändert. Man erhält dabei zahlreiche Werte für den mit zunehmender Erwärmung geringer werdenden Restmagnetismus und Angaben über die neue Magnetisierung, die die Probe bei der jeweiligen Erkaltung im Magnetfeld des Labors annimmt. Das Ergebnis folgt aus dem Vergleich der Magnetisierungs- und Demagnetisierungskurve. Hierbei wird der Koeffizient K errechnet, der das Verhältnis zwischen dem einstigen und dem heutigen erdmagnetischen Feld angibt. Es sind bereits einige Kurven der langfristigen Änderungen der Intensität des Magnetfeldes für einzelne Teile der Erde verfügbar, deren Wert und Genauigkeit von der Zahl der untersuchten Proben und der Genauigkeit ihrer Datierung abhängt. Die Genauigkeit der Intensitätskurven ist erheblich geringer als bei den Richtungskurven (etwa 1 / 8 oder 1/10). Sie können aber dazu beitragen, zwei oder drei mögliche Daten einer Probe richtig einzuordnen, die wegen des kürzeren zyklischen Verlaufs der Deklinations- und Inklinationskurven die gleichen Richtungswerte aufweisen. Mit Hilfe der Intensitätskurven ist es BUCHA und N E U STUPNY (1967a, b) gelungen, wesentliche Korrekturen der bisherigen absoluten C14-Daten zu begründen, da das Magnetfeld der Erde die zeitlichen Schwankungen des Gehalts an radioaktiven C14 in der Atmosphäre beeinflußte. Eine Anwendungsmöglichkeit besteht in der relativen Datierung. Man kann mit Hilfe der Intensitätskurven des Magnetfeldes auch Fälschungen von Gefäßen, Skulpturen usw. erkennen, da die Intensität des Feldes in verschiedenen Zeiträumen und an verschiedenen geographischen Orten unterschiedlich ist. Die theoretischen und praktischen Voraussetzungen der relativen und absoluten Datierung anhand des Erdmagnetismus sind bereits in großen Zügen bekannt. Es bedarf aber noch intensiver Arbeit, um das Netz der Messungen in Raum und Zeit zu erweitern. Erst beim Vorliegen genügend exakter und detaillierter Kurven der einzelnen Parameter des alten Erdmagnetismus wird es möglich werden, undatierte gebrannte Tonobjekte zeitlich zu bestimmen, für manche Zeitabschnitte sogar mit einer Genauigkeit von 25—50 Jahren. Die ersten Erfolge liegen bereits vor. 118
LITERATUR 1965 1967 a 1967 b 1969 1965
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archaeology, London, 76—87. THELLIER, E.: Erdmagnetismus und Archäologie. Germania 30, 297 —300.
2.7.5. D i e T h e r m o l u m i n e s z e n z d a t i e r u n g Keramische Objekte gehören zu den Materialien, die dem Archäologen am reichsten zur Verfügung stehen. Sie werden zumeist stratigraphisch, typologisch oder z. T. statistisch ausgewertet. Man kann mit Hilfe dieses Materials aber auch absolute Datierungen vornehmen; dabei ist sogar eine Altersbestimmung isoliert gefundener Scherben, Ziegel und dgl. möglich. Gegenüber der Archäomagnetmethode wird die Kenntnis der Orientierung des Fundstücks nicht gefordert. Die für die Archäologie relativ junge Methode beruht auf zahlreichen naturwissenschaftlichen Vorarbeiten und wurde erstmalig von G. C. K E N N E D Y im Jahre 1959 für diese Wissenschaft angewendet. Inzwischen liegt bereits eine zahlreiche Literatur über den Gegenstand vor. Die Methode berechtigt zwar zu großen Hoffnungen, ist aber nicht einfach durchzuführen und trotz emsig betriebener Forschung keine Routinemethode; sie birgt mancherlei Fehlerquellen in sich. Die Thermolumineszenzmethode beruht auf dem Leuchten von Substanzen mit einer kristallinen Struktur. Die Intensität der Thermolumineszenz hängt von der Belichtungsdosis ab, die das Untersuchungsobjekt im Augenblick der letzten Kristallisierung vor der Auffindung erfuhr. Unter der letzten Kristallisation versteht man dabei das Brennen der Keramik oder eine andere Art hoher Temperatureinwirkung. Bei einer jeden Belichtung von Mineralien kommt es in ihrer Kristallstruktur zu Deformationen und Spannungen. Unter natürlichen Bedingungen, wenn ein keramisches Erzeugnis in der Kulturschicht liegt, treten solche Beschädigungen infolge der Belichtung durch langfristige Bestrahlung der Minerale durch «-Teilchen vor, die vom Thorium und Uran abgesondert werden. Diese kommen in fast allen Gesteinsarten in sehr geringen Mengen vor, darunter auch in den Tonen. Das Erhitzen des Minerals, etwa im Töpferofen oder beim Brennen eines Ziegels, führt zur Entlastung der mechanischen Spannung, die durch die Strahlung hervorgerufen wurde. Aus diesem Grunde setzt nach dem Brennen eine erneute Konzentration der Strahlungsbeschädigungen ein, deren 119
LITERATUR 1965 1967 a 1967 b 1969 1965
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2.7.5. D i e T h e r m o l u m i n e s z e n z d a t i e r u n g Keramische Objekte gehören zu den Materialien, die dem Archäologen am reichsten zur Verfügung stehen. Sie werden zumeist stratigraphisch, typologisch oder z. T. statistisch ausgewertet. Man kann mit Hilfe dieses Materials aber auch absolute Datierungen vornehmen; dabei ist sogar eine Altersbestimmung isoliert gefundener Scherben, Ziegel und dgl. möglich. Gegenüber der Archäomagnetmethode wird die Kenntnis der Orientierung des Fundstücks nicht gefordert. Die für die Archäologie relativ junge Methode beruht auf zahlreichen naturwissenschaftlichen Vorarbeiten und wurde erstmalig von G. C. K E N N E D Y im Jahre 1959 für diese Wissenschaft angewendet. Inzwischen liegt bereits eine zahlreiche Literatur über den Gegenstand vor. Die Methode berechtigt zwar zu großen Hoffnungen, ist aber nicht einfach durchzuführen und trotz emsig betriebener Forschung keine Routinemethode; sie birgt mancherlei Fehlerquellen in sich. Die Thermolumineszenzmethode beruht auf dem Leuchten von Substanzen mit einer kristallinen Struktur. Die Intensität der Thermolumineszenz hängt von der Belichtungsdosis ab, die das Untersuchungsobjekt im Augenblick der letzten Kristallisierung vor der Auffindung erfuhr. Unter der letzten Kristallisation versteht man dabei das Brennen der Keramik oder eine andere Art hoher Temperatureinwirkung. Bei einer jeden Belichtung von Mineralien kommt es in ihrer Kristallstruktur zu Deformationen und Spannungen. Unter natürlichen Bedingungen, wenn ein keramisches Erzeugnis in der Kulturschicht liegt, treten solche Beschädigungen infolge der Belichtung durch langfristige Bestrahlung der Minerale durch «-Teilchen vor, die vom Thorium und Uran abgesondert werden. Diese kommen in fast allen Gesteinsarten in sehr geringen Mengen vor, darunter auch in den Tonen. Das Erhitzen des Minerals, etwa im Töpferofen oder beim Brennen eines Ziegels, führt zur Entlastung der mechanischen Spannung, die durch die Strahlung hervorgerufen wurde. Aus diesem Grunde setzt nach dem Brennen eine erneute Konzentration der Strahlungsbeschädigungen ein, deren 119
Dosis eine Bestimmung der Zeit erlaubt, die vom Moment der letzten Erhitzung verlaufen ist. Die Belichtungsdosis wird nach dem kurzem Aufleuchten von sichtbarem Licht gemessen, das bei einer Erhöhung der Temperatur auf 300—400 °C ausgestrahlt wird. Das Licht wird ausgesandt, weil die Elektronen nun das ursprüngliche Niveau im Kristall einnehmen, nachdem die mechanische Spannung in ihm durch Erhitzen aufgehoben wurde. Als Meßgerät dient ein Fotovervielfacher. Durch Messung der natürlichen Radioaktivität der Probe und durch ihren Vergleich mit der Größe der Strahlungsdosis, die das Prüfungsobjekt aussendet, läßt sich das natürliche Alter vom Augenblick der letzten Kristallisierung errechnen. Als einer der störenden Faktoren bei diesen Bestimmungen hat sich die Tribolumineszenz erwiesen (das Leuchten beim Zermörsern einer Kristallprobe), die eine der Arten der Lumineszenz neben der Fotolumineszenz, Radiolumineszenz, Elektrolumineszenz, Elektrofotolumineszenz, Chemielumineszenz und Kristalllumineszenz ist. Die Störungsquelle der Tribolumineszenz liegt darin, daß viele Mineralien unter hohem Druck oder beim Zermörsern Leuchtmaxima aufweisen. Man erklärt das durch Elektronenanregung infolge der hohen Spannung beim Zerstören der Kristalle in Haftstellen der Elektronen und durch eine haftstellenlose, kontinuierliche Elektronenanregung durch die Energie, die beim Ausheizen eines Kristalles bei höherer Temperatur frei wird. Als Störungsquellen bei den Messungen kommen noch die Undurchsichtigkeit der Scherben, die die zumeist sehr schwache Lichtintensität noch stärker verringert, eine eventuelle Inhomogenität der Probe u. a. in Frage. Nach GÖRLER (1965, 114) verläuft der Versuch der Altersbestimmung einer Keramikscherbe durch ihre Thermolumineszenz folgendermaßen: „man mißt das natürliche Leuchten der Scherben und ihre ß- und y-Strahlung; dann ermittelt man durch eine gleichartig zusammengestellte Strahlung diejenige Dosis, die zu einer gleich hohen Thermolumineszenz führt, wobei man das Abklingen der Lumineszenz, besonders in den flachen Haftstellen, und eventuell das Abklingen der natürlichen Radioaktivität der Scherbe in Rechnung setzen muß. Es läßt sich dann daraus der Zeitpunkt berechnen, an dem der Keramikgegenstand gebrannt worden ist. Voraussetzung ist, 1. daß die Scherbe überhaupt Thermolumineszenz zeigt, was aber anscheinend immer der Fall ist, wenn auch mit großen Intensitätsunterschieden; 2. daß der Gegenstand hart gebrannt worden ist, also sicher eine Temperatur über 500 °C erreicht hat, damit man voraussetzen kann, daß zum Brenn-Zeitpunkt die Lumineszenz mit 0 begann; 3. daß die meist unbekannte Radioaktivität des Fundortes keine störende Rolle spielt; diese Voraussetzung ist sehr unsicher; 4. daß die Scherbe in der Zwischenzeit nicht wesentlich erhitzt wurde; im andern Fall mißt man den Zeitpunkt des letzten ,Ausheizens'; 5. daß man keine Verunreinigungen mitmißt, die sich im Laufe der langen Lagerzeit im Innern der Scherbe abgesetzt haben oder an ihrer Oberfläche 120
anhaften, und daß die Oberfläche nicht durch die UV-Strahlen angeregt wurde, die manchmal viel größere Wirkung haben als die sehr schwache Radioaktivität." Da der Fehler stark von der Methode des Mörserns und dem Grad der Zerkleinerung abhängt, dürfte darin die größte Fehlerquelle hegen. Sie verringert sich, wenn man einen Teil der Scherbe als Ganzes ausheizt, bestrahlt und dann maschinell auf die gleiche Weise zerkleinert wie den nicht ausgeheizten Teil, der die natürliche Leuchtkurve ergeben soll. Dann wird noch der Tribolumineszenzanteil bestimmt und von den Kurven subtrahiert, bevor man den Quotienten der relativen Intensität berechnet. Trotz aller Störungsfaktoren nimmt die Strahlungsintensität mit dem Alter der Scherbe zu. Die Aussage ist umso zuverlässiger, je größer die natürliche Lumineszenz ist, d. h. je älter oder strahlungsempfindlicher die Scherbe ist. Bei einer weiteren Verbesserung der Methode soll im Idealfall eine völlig unabhängige Altersbestimmung der Scherben ermöglicht werden. Vorläufig ist man aber erst dabei, den richtigen Lösungsweg zu suchen. Die Zeitschrift „Archaeometry" (Bulletin of the research laboratory for archaeology and the history of art, Oxford University) veröffentlicht darüber laufend Beiträge. LITERATUR 1965 1969 1965 1967
GÖRLER, J . : Die Thermolumineszenz und ihre Anwendung zur Altersbestimmung von Keramikscherben. In: Archaeo-Physika. Technische und Naturwissenschaftliche Beiträge zur Feldarchäologie, Köln, Graz, 101 — 122. HALL, E. T.: Dating Pottery by Thermoluminescence. In: Don BROTHWELL, E. HIGGS (Ed.), Science in archaeology, 2. Aufl., London, 1 0 6 — 1 0 8 . KOL6IN, B. A.: Archäologie und Naturwissenschaften (russ.). In: Archeologija i estestvennye nauki. Moskva, 7—26. ZIMMERMANN, D. W.: Thermoluminescence from fine grains from ancient pottery. Archaeometry 10, S. 26—28.
121
3. Ergebnisse durch Kombination der Methoden 3.1. Zur absoluten Datierung pleistozäner Lösse Nachdem als erster der Geologe A. SATTER im Jahre 1889 die Entstehungszeit des Lösses in Europa mit einem glazialen Abschnitt des Eiszeitalters in Verbindung gebracht hatte, wurden von W. SOERGEL in seinem klassischen Buch des Jahres 1929 „Lösse, Eiszeiten und paläolithische Kulturen" endgültig überzeugend alle Argumente für ihr glaziales Alter zusammengestellt. Er wies in diesem Werk auch besonders auf die schon von E. SCHUMACHER 1890 erkannte stratigraphische Bedeutung der Lösse hin, da bei mehrschichtigen Lößprofilen die kalkführenden kaltzeitlichen Lösse von Schichten verlehmter Lößpartien unterbrochen werden, die ihren Kalkgehalt durch die humide Verwitterung während der Warmzeiten verloren hatten. So wechselten in den Aufschlüssen Horizonte hellgelber Lößfärbung mit den braunen Farbtönen der Lehme ab. In jeder glazialen Zeit wurde ein Löß gebildet, so daß aus der Zahl der Lösse auf die Zahl der Kaltzeiten geschlossen werden kann. Allerdings sind die stratigraphisch älteren Lösse, da es sich bei dem Löß um ein leicht erodierbares Gestein handelt, weitgehend der Zerstörung anheim gefallen, so daß nur an wenigen Stellen Europas vielgliedrige ± vollständige Lößprofile vorhanden sind. W o in Profilen nur ein Lößlehm oder wenige Böden im Wechsel mit Lössen auftreten, ist nur ein unvollständiger Klimarhythmus des Pleistozäns zwischen trocken-kalten Lößbildungsphasen und feuchten Warmzeiten abzuleiten, in denen die Lößlehme oder die für diese Phasen kennzeichnenden Bodenbildungen entstanden sind. Da die unvollständigen Profile nur Ausschnitte der gesamten pleistozänen Schichtenfolge widerspiegeln, ist ihre stratigraphische Eingliederung nur möglich, wenn das Alter der Lösse durch eingelagerte Fossilien bestimmt werden kann oder wenn die Lösse im konkordanten Lagerungsverband mit datierbaren Flußterrassen oder anderen stratigraphisch datierbaren pleistozänen Sedimenten angetroffen werden. Vollständiger erhalten geblieben sind Lösse und ihre Böden nur in alten aufgegebenen Fluß- oder Bachtälern oder Depressionen. Das ist besonders in der Tschechoslowakei der Fall, so daß auch dort bedeutsame Fortschritte in der Lößstratigraphie entwickelt werden konnten. In der ÖSSR wurde vornehmlich in Depressionen jeweils eine gesetzmäßig entwickelte Schichtenfolge entdeckt, die sich aus 6 Sedimentationsphasen zusammensetzt, die petrographische Unterschiede in folgenden Phasen wiederholen. „In der ersten entstehen überwiegend nichthumose Spülsedimente, dann folgt die Bildung des entkalkten Waldbodens, dann die des meist humosen Steppenbodens, darauf
122
erfolgt die Ablagerung der scharf begrenzten Lage feinen Lösses (Marker), dann die Ablagerung der Lehmbröckelsande und schließlich folgt die Hauptphase der eigentlichen Lößablagerung" (KUKLA, 1969, 75). Der Marker und die Lehmbröckelsande sind charakteristische Ablagerungen in Lößprofilen auf dem Gebiet der Tschechoslowakei. Der Marker (in der 4. Sedimentationsphase) ist ein ca. 25 cm mächtiger, feiner Löß, der sich markant vom autochthonen liegenden Humusboden abhebt. J. K U K L A (1961) deutet den Marker als Resultat weitreichender Staubstürme. Bei den Lehmbröckelsanden (5. Phase) handelt es sich dagegen um Abspülsedimente, die aus kleinen Partikeln von Lehmböden bestehen, die durch heftige, wolkenbruchartige Regen nicht aufgelöst, sondern hangabwärts transportiert und wieder abgelagert wurden. Die zyklische Entwicklung der Löß-Serien ergibt ihre Eignung für eine Stratigraphie des Pleistozäns. J. K U K L A unterscheidet bei seiner neu entwickelten Lößstratigraphie den Glazialzyklus oder Zyklus des 1. Ranges und den Stadialzyklus oder Zyklus des 2. Ranges. In einem vollständig zur Entwicklung gelangten Glazialzyklus sind 3 Stadialzyklen (Abb. 28) vorhanden, „von denen jeder mit dem entkalkten auf den Spülsedimenten entwickelten Boden der Entwicklungsreihe des Lessive-Typs beginnt und mit äolischem L ö ß endet" (KUKLA 1969, 75).
Der älteste Stadialzyklus (1) ist meistens in großer Mächtigkeit zur Ausbildung gekommen. Es handelt sich um die oben gekennzeichneten Sedimentationsphasen 1 + 2, also Bildungen des feuchtwarmen Klimas. Der mittlere Zyklus (2) umfaßt die Phasen 3, 4, 5, die sich aus den autochthonen humosen Steppenböden, dem Marker und den Lehmbröckelsanden zusammensetzen. Sind die Schwarzerden Indikatoren für ein rauhes, sommerwarmes Klima bei nahezu geschlossener Vegetation mit eingestreuten lockeren Waldbeständen, so deuten der Marker und die Lehmbröckelsande auf eine Klimaverschlechterung und vorwiegend kontinentale Steppenlandschaften hin. Der jüngste Stadialzyklus (3) umfaßt die äolischen Lösse des kaltariden Klimas mit untergeordneten dünnen Zwischenhorizonten von Frostglanz- und arktischen Braunerde-Böden (Phase 6). Ein vollständig ausgebildeter Glazialzyklus umfaßt die 3 Stadialzyklen bzw. die 6 Sedimentationsphasen. Infolge ungleichmäßiger Ausbildung der 3 Stadialzyklen werden in den Profilen aber auch nur zweigliedrige Glazialzyklen angetroffen. Die untere Serie setzt sich dann aus dunkel gefärbten Böden und Bodenablagerungen zusammen, während die obere Serie helle Farbe aufweist, da sie besonders aus Lössen aufgebaut ist. Eine Tabelle nach J . K U K L A ( 1 9 6 9 , 7 6 ) soll die Gliederung des Glazialzyklus in drei oder zwei Abschnitten veranschaulichen : Dreigliedrige Teilung
Zweigliedrige Teilung
Äquivalente
Stadialzyklus 3
Obere Serie / besonders Lösse
„Spätglazial" „Hochglazial"
Untere Serie / besonders Böden u. Bodensedimente
„Frühglazial" „Interglazial"
Stadialzyklus 2 Stadialzyklus 1
123
Die zweigliedrige Ausbildung des Glazialzyklus wird besonders für die Zeit Eem + Weichsel beobachtet> in der vollständige, typische Profile aus dem „Interglazial" und dem Frühglazial (also aus den Stadialzyklen 1 u. 2) fehlten bzw. oft nicht zur Ausbildung gelangten. Auf den Ebenen und an den Rändern der Depression sind meistens nur zweigeteilte Glazialzyklen beobachtet worden. Die 3 Stadialzyklen sind typisch in den Depressionen ausgebildet.
Glazialzyklus B in der Ziegeleigrube von S E D L E C CCSSR) > N
Lö|h mit Pseudogleyinitialstadium
-o o £ K)
U)
N N
a
(D
V)
3
m
2,02
Entkalkter Boden
m
Il ij.
Löß VÄTÄ» »TAT »ATA» TATA» TATAT »ATA» »ATA» »ATA» »ATA»
IM
"O O in
6,65
a
7,10
S o
?, 65
•M
CO
\ \ f
v
8,65 v y V - a - * '
Humusartige Lehmbröckel sande-Bodensedimente Marker In diesem Niveau Löß in rnrnimV&stonice Gefleckter Tschernosem Unvollständig entwickelter Boden des Lessive-Typs
v
11 LIVINI'WI VA>UV IW
Solifluktionshorizont
•ATA» TATAT TATAT TATAT •ATA»
Löß Dunkle Lehmbröckelsande - Bodensedimente Tschernosem Boden des Lessive-Typs
Abb. 28. Beispiel eines Glazialzyklus. Lithologischer Aufbau des Glazialzyklus B im vom Sedlec
Profil
A Schichtenfolge (Ausschnitt); B A r t der Sedimentation: Punkte = äolischer L ö ß , Dreiecke = Lehmbröckelsande, Wellenlinie = Solifluktion; C Bodenbildungen. Vertikale Schraffur = humose Böden, Schrägschraffur = B r a u n erde, gekreuzte Schr&gschraffur = Parabraunerde (umgezeichnet nach J. KUEXA, 1969)
124
Die Glazialzyklen werden mit großen lateinischen Buchstaben bezeichnet. Auf Grund des z. Z. vollständigsten Profils in Mitteleuropa in der Ziegelei von Cerveny Kopec (Roter Berg) bei Brno sind bisher die Zyklen A—I beschrieben worden. Infolge der zyklischen Wiederholung der Ablagerungs- und Bodenbildungsvorgänge während des Quartärs haben gleichartig aussehende Profilabfolgen docht oft ein verschiedenes Alter. Dadurch ist die synchrone Verbindung oder die stratigraphische Korrelation der verschiedenen Profilaufschlüsse, besonders über größere Entfernungen hinweg, oft sehr schwierig. Leichter ist die zeitliche Bestimmung der Horizonte des jeweiligen Glazialzyklus dann, wenn diese in Verbindung mit glazigenen Sedimenten, gliederungsfähigen Flußterrassen oder eingelagerten datierbaren Fossilien auftreten. Gleichartigkeit der Glazialzyklen eröffnet aber auch die Möglichkeit, das notwendige Alter für die Ausbildung ihrer Horizonte zu gewinnen. Gelingt es, darüber hinaus die Anzahl der quartären Klimazyklen festzustellen, dann ist auch ein methodischer Weg für die absolute Chronologie des Pleistozäns gegeben. Mit Hilfe der Lößserien oder der Glazialzyklen ist von J . K U K L A (1969, 75ff.) ein neuer Weg zu einer absoluten Chronologie des Pleistozäns beschritten worden. Um die Dauer des Zeitabschnittes für einen Glazialzyklus zu ermitteln, hat J . K U K L A folgende Fakten herangezogen: 1. Die Radiokarbon-Daten für Lösse im Profil von Dolni Véstonice (Unterwisternitz), die die letzten 3 0 0 0 0 Jahre erfassen ( K L I M A U. a. 1 9 6 2 ) . 2. Die Radiokarbon-Daten für die humosen Böden des Profils von Dolni Véstonice, die das minimale Alter von 52—55000 Jahre v. d. Z. angeben. 3. Isotopendaten von Korallen und der Meeresstrandterrasse tropischer Meere, welche das Alter der zwei letzten pleistozänen Wasserhochstände mit 80000 und 120000 v. d. Z. bestimmten (C. E. STEARNS U. D. O. T H U R B E R 1965). Die nachgewiesene Gleichzeitigkeit der Waldböden auf den Lössen mit den holozänen Meereshochständen ermöglicht eine Applikation dieser Daten auf die paläontologisch bestätigten Interglazialböden. 4. Die Feststellung der paläomagnetischen Inversion bzw. der Grenzscheide der paläomagnetischen Epoche und der Matuyama Epoche am Cerveny Kopec (KUKLA 1 9 6 9 , 77). r
Nach einer kritischen Auswertung und begründeten Korrektur der angeführten Fakten gelangte J . K U K L A ZU der Feststellung, daß das klimatische Optimum des Eem-Interglazials mit 120000 Jahren v. d. G. datiert ist. Da die holozäne Parabraunerde durch C14-Daten erwiesenermaßen 5— 6000 v. d. G. stattfand, beträgt die Länge des letzten Glazialzyklus in den Lößprofilen etwa 115000 Jahre. Bei der naheliegenden Annahme, daß die älteren Glazialzyklen jeweils die gleiche Zeitdauer hatten, wäre der Boden H la des 7. Glazialzyklus H von Cerveny Kopec 5 + (7 x 115) = 800000 v. d. G. alt. Die im Löß durchgeführten paläomagnetischen Messungen haben im Liegenden dieses Bodens und im Hangenden des älteren Interglazialbodens I la am Cerveny Kopec die Grenze zwischen den Brunhes- und Matuyama-Epochen bewiesen, die zwischen 700000 und 1000000 v. d. G. 125
(Mc Jan DOTTGALL U. F . H . CHAMOLAUN 1 9 6 6 ) datiert ist. Das bedeutet, daß die Voraussetzung einer ungefähr gleichen Dauer der Glazialzyklen aller Wahrscheinlichkeit nach richtig ist, ebenso wie die Zeitspanne von ungefähr 1 1 5 0 0 0 Jahren für einen Glazialzyklus" ( K U K L A 1 9 6 9 , 8 1 ) . Die hauptsächlichen Schlußfolgerungen, die sich nach der mitteleuropäischen Lößstratigraphie von J . K U K L A (1969, 136) ergeben, sind folgende: 1. In der letzten Million Jahre fand der charakteristische Wechsel von Glazialen und Interglazialen, und zwar in regelmäßigen Zeitabschnitten von ungefähr 120000 Jahren statt. 2. Die Abfolge der Klimaschwankungen war im Altpleistozän ebenso differenziert, wie sie aus dem Jungpleistozän bekanntgeworden sind. 3 . Die klassische Gliederung des Quartärs, wie sie P E N C K - B R Ü C K N E R und S O E R G E L Z E U N E R aufgestellt haben, ist heute nicht mehr ausreichend, da sie mindestens zwei warme Oszillationen von Interglazialcharakter nicht enthält. 4. Die Anfänge der Interglaziale, entsprechend dem Beginn des Holozäns = Zyklus A um 10500 v. d. G., können wie folgt datiert werden: Das letzte Interglazial des Zyklus B (Eem) 128000 v. d. G. Das vorletzte Interglazial d. Zyklus C 242000 v. d. G. Das Interglazial des Zyklus D 370000 v. d. G. Das Interglazial des Zyklus E 486000 v. d. G. Das Interglazial des Zyklus F 602000 v. d. G. 5. Die 4 Interglaziale G—I aus dem älteren Abschnitt des Pleistozäns sind am öerveny Kopec mit Sedimenten von über 1 Million Jahre dokumentiert. Die Korrelierung der Interglaziale mit der Gliederung des Quartärs im Sinne der klassischen Chronologie von P E N C K - B R Ü C K N E R bzw. S O E R G E L - Z E U N E R , dem klassischen Abschnitt des europäischen Pleistozäns mit seinen ca. 660000 Jahren, ist noch schwierig bzw. verfrüht, weil es 6 Vereisungen gab, jede von der Art der letzten Glazialzeit. So ist es z. B. nicht eindeutig zu entscheiden, ob das HolsteinInterglazial mit dem Interglazial des Glazialzyklus C oder D, die Cromer Warmzeit mit dem Zyklus E oder F zu parallelisieren ist. Die absolute Datierung der Lösse („Lößkurve") oder der Glazialzyklen von J . K U K L A hat, wenn sich ihre Richtigkeit erweisen wird, nicht nur große Bedeutung für die Stratigraphie des Quartärs und naturwissenschaftliche Disziplinen (wie z. B. Paläontologie, Paläopedologie). Willkommenen Gebrauch von der absoluten Datierung des Pleistozäns würde auch die Paläolithforschung machen, besonders in solchen Fällen, wo die Fundschichten ein höheres, nicht mehr durch C14-Datierung erfaßbares Alter besitzen. Da das Eem-Interglazial von 128000—116000 v. d. G. gedauert hat, ist nach dem klimatischen Zyklus der Lösse damit zu rechnen, daß das als Interglazial aufzufassende Holozän ungefähr in den Jahren 2500—3000 unserer Zeitrechnung enden dürfte. Es sollte aber dann die Realisierung der Ansicht von J . K U K L A (1969, 138) zu Recht bestehen, daß durch Einsatz der Atomkräfte zum Wohle 126
der Menschheit, nämlich zur Erhaltung oder Verbesserung der Klimagestaltung Europas bzw. der Erde eingesetzt werden können, um die Ausbildung und Ausbreitung neuer Inlandeismassen auf der Erde zu verhindern. LITERATUR 1966
DOUGALL, MC. J. und H. F. CHAMALANN. : Geomagnetic polarity scale of time.
1962
Nature 212, 1 4 1 5 - 1 4 1 8 . KLIMA, B . , KUKLA, J . , LOZEK, V . und H . d e VRIES: S t r a t i g r a p h i e d e s P l e i s t o z ä n s
1961 1969
1889 1890 1919 1965
und Alter des paläolithischen Rastplatzes in der Ziegelei von Dolni Vëstonice (Unterwisternitz). Anthropozoikum 11, 93—145. KUKLA, J.: Lithologische Leithorizonte der tschechoslowakischen Lößprofile. Vestnik Ustredniho ustavu geologického 36, 359—372. KUKLA, J. : Lagerungsverhältnisse und Stratigraphie der Lösse. In: Periglazialzone, Lösse und Paläolithikum der Tschechoslowakei. Red. J. Demek u. J. Kukla, Brno 5—18. —, Die zyklische Entwicklung und die absolute Datierung der LößSerien. In: ebda, 75—95. —, Stratigraphische Schlußfolgerungen. In: ebda., 133 bis 138. SATTER, A.: Über die äolische Entstehung des Löß am Rande der norddeutschen Tiefebene. In: Z. f. Naturw. 62. SCHUMACHER, E.: Die Bildung und der Aufbau des oberrheinischen Tieflandes. In: Mitt. Komm. Geol. Landesunters. Elsaß-Lothringen. SOERGEL, W. : Lösse, Eiszeiten und paläolithische Kulturen. Jena. STEARNS, C. E. und D. O. THURBER: The 230/234 dates of late Pleistocene marine fossils from the Mediterranean and Maroccain littorals. Quaternaria 7, 29—42.
3.2. Neolithikum Die zeitliche Ordnung des archäologischen Quellenmaterials ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Erkennen historischer Zusammenhänge. Da die Klärung chronologischer Fragen besonders auch in der neolithischen Periode auf große Schwierigkeiten stößt, ist es verständlich, wenn die Forschung hierfür viel Mühe verwendet. Im Vordergrund stehen dabei Untersuchungen zur relativen Chronologie in den Einzellandschaften, da lokalgeschichtliche Zusammenhänge aus regionalen relativen Chronologiesystemen abzulesen sind. Die Erforschung eines weltweiten historischen Prozesses, wie die Herausbildung und Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise, erfordert dagegen ein umfassendes absolutchronologisches System, mit dessen Hilfe ein Vergleich auch weit entfernter Gebiete möglich ist. Während für die älteren urgeschichtlichen Perioden der Aufbau einer absoluten Chronologie nur mit naturwissenschaftlichen Methoden möglich ist, stehen uns vom Neolithikum an auch schriftlich fixierte historische Daten zur Verfügung. Die Anfänge der Schrift reichen in Mesopotamien bis in die Übergangszeit von der Urgesellschaft zur Klassengesellschaft am Ende des 4. Jt. v. u. Z. zurück (S. 35). In der Schicht IV a (um 3000 v. u. Z.) von Uruk fanden sich Tontafeln mit typisch sumerischer Hieroglyphenschrift, aus der sich nach einigen Jahrhunderten die Keilschrift entwickelt hat. Von diesem Zeitpunkt an ist es möglich, 127
der Menschheit, nämlich zur Erhaltung oder Verbesserung der Klimagestaltung Europas bzw. der Erde eingesetzt werden können, um die Ausbildung und Ausbreitung neuer Inlandeismassen auf der Erde zu verhindern. LITERATUR 1966
DOUGALL, MC. J. und H. F. CHAMALANN. : Geomagnetic polarity scale of time.
1962
Nature 212, 1 4 1 5 - 1 4 1 8 . KLIMA, B . , KUKLA, J . , LOZEK, V . und H . d e VRIES: S t r a t i g r a p h i e d e s P l e i s t o z ä n s
1961 1969
1889 1890 1919 1965
und Alter des paläolithischen Rastplatzes in der Ziegelei von Dolni Vëstonice (Unterwisternitz). Anthropozoikum 11, 93—145. KUKLA, J.: Lithologische Leithorizonte der tschechoslowakischen Lößprofile. Vestnik Ustredniho ustavu geologického 36, 359—372. KUKLA, J. : Lagerungsverhältnisse und Stratigraphie der Lösse. In: Periglazialzone, Lösse und Paläolithikum der Tschechoslowakei. Red. J. Demek u. J. Kukla, Brno 5—18. —, Die zyklische Entwicklung und die absolute Datierung der LößSerien. In: ebda, 75—95. —, Stratigraphische Schlußfolgerungen. In: ebda., 133 bis 138. SATTER, A.: Über die äolische Entstehung des Löß am Rande der norddeutschen Tiefebene. In: Z. f. Naturw. 62. SCHUMACHER, E.: Die Bildung und der Aufbau des oberrheinischen Tieflandes. In: Mitt. Komm. Geol. Landesunters. Elsaß-Lothringen. SOERGEL, W. : Lösse, Eiszeiten und paläolithische Kulturen. Jena. STEARNS, C. E. und D. O. THURBER: The 230/234 dates of late Pleistocene marine fossils from the Mediterranean and Maroccain littorals. Quaternaria 7, 29—42.
3.2. Neolithikum Die zeitliche Ordnung des archäologischen Quellenmaterials ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Erkennen historischer Zusammenhänge. Da die Klärung chronologischer Fragen besonders auch in der neolithischen Periode auf große Schwierigkeiten stößt, ist es verständlich, wenn die Forschung hierfür viel Mühe verwendet. Im Vordergrund stehen dabei Untersuchungen zur relativen Chronologie in den Einzellandschaften, da lokalgeschichtliche Zusammenhänge aus regionalen relativen Chronologiesystemen abzulesen sind. Die Erforschung eines weltweiten historischen Prozesses, wie die Herausbildung und Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise, erfordert dagegen ein umfassendes absolutchronologisches System, mit dessen Hilfe ein Vergleich auch weit entfernter Gebiete möglich ist. Während für die älteren urgeschichtlichen Perioden der Aufbau einer absoluten Chronologie nur mit naturwissenschaftlichen Methoden möglich ist, stehen uns vom Neolithikum an auch schriftlich fixierte historische Daten zur Verfügung. Die Anfänge der Schrift reichen in Mesopotamien bis in die Übergangszeit von der Urgesellschaft zur Klassengesellschaft am Ende des 4. Jt. v. u. Z. zurück (S. 35). In der Schicht IV a (um 3000 v. u. Z.) von Uruk fanden sich Tontafeln mit typisch sumerischer Hieroglyphenschrift, aus der sich nach einigen Jahrhunderten die Keilschrift entwickelt hat. Von diesem Zeitpunkt an ist es möglich, 127
auf der Grundlage der zunächst spärlich, später jedoch reichlicher vorhandenen schriftlichen Quellen sowohl für Mesopotamien (S. 34) als auch für Ägypten (S. 32) absolute Chronologiesysteme aufzustellen. Daß dies ein langwieriger und nicht widerspruchsfreier Prozeß war, wurde an anderer Stelle (S. 33) bereits näher ausgeführt. Die Meinungsunterschiede über die zeitliche Festlegung der ersten Dynastie Ägyptens, die ihren Niederschlag in der sogenannten kurzen oder langen Chronologie fanden, sind im wesentlichen zugunsten der kurzen Zeitansätze beigelegt worden. Wenn heute dennoch von einem kurzen und einem langen Chronologiesystem im Neolithikum gesprochen wird, so liegt das hauptsächlich an der voneinander abweichenden relativchronologischen Einordnung balkanischer Kulturen im Verhältnis zur vorderasiatischen Entwicklung. Dazu kommt, daß für das Neolithikum unterschiedlich lange Zeiträume, vor allem für den Abschnitt vor 3000 v. u. Z., angenommen werden. Die Anhänger der kurzen Chronologie gründen ihr System ausschließlich auf Ergebnisse, die mit archäologischen Methoden erzielt wurden, während die Verfechter der langen Chronologie auch die C 14 -Daten berücksichtigen. Die Übertragung historischer Daten vom Vorderen Orient in Gebiete, die noch nicht über schriftliche Quellen und somit über keine eigene absolute Chronologie verfügen, wird durch Vergleiche archäologischer Funde ermöglicht. Dabei festgestellte Übereinstimmungen werden als Hinweis auf gleiche Zeitstellung angesehen. Am besten eignen sich hierfür Importfunde, denn bei ihnen kann eine zufällige nicht zeitbedingte Ähnlichkeit ausgeschlossen werden. Da Importfunde relativ selten sind und nicht überall zur Verfügung stehen, werden auch Imitationen, stilistische Kriterien und besondere Techniken bei der Keramikherstellung u. a. als ausreichend für den Nachweis einer Gleichzeitigkeit von archäologischen Kulturen in Anspruch genommen. Dabei sollte es sich möglichst um einen Komplex von Funden handeln, da isolierte Befunde leicht zu Fehlinterpretationen führen können. Bedingung ist in jedem Falle, daß die typologische und chronologische Stellung der entsprechenden Funde sowohl in der ausstrahlenden Kultur als auch in der beeinflußten Kultur eindeutig ist. Ferner muß vorausgesetzt werden, daß Herstellungs- und Niederlegungszeit der Gegenstände im wesentlichen übereinstimmen. Die Synchronisation archäologischer Gruppen durch Typenhorizonte ist nur dann erfolgreich, wenn das zeitliche Auftreten entsprechender Typen und die Dauer der Kulturphase, mit der ein Typenhorizont parallelisiert werden soll, zusammengehen. Da ein direkter Vergleich mitteleuropäischer neolithischer Kulturen mit den Kulturerscheinungen des Vorderen Orients nicht möglich ist, bedarf es einer Reihe von Zwischenstationen, um die komparativen Untersuchungen anstellen zu können. Von entscheidender Bedeutung für die Zuverlässigkeit der mit Hilfe der vergleichenden archäologischen Methode vom Vorderen Orient nach Mitteleuropa übertragenen historischen Daten ist die richtige Synchronisation der Zwischenglieder. Voraussetzung hierfür wiederum ist eine detaillierte Kenntnis der relativchronologischen Verhältnisse in allen Gebieten, über die der Weg zum Vorderen Orient führt. 128
Zur Erarbeitung relativer Chronologien werden in erster Linie die Ergebnisse typologi scher und stilkritischer Untersuchungen sowie stratigraphische Befunde herangezogen. Dabei muß man sich bemühen, die quantitativ und qualitativ unterschiedliche Quellenlage in den Einzellandschaften auszugleichen. Häufig sind die trotz sorgfältiger Quellenkritik zur Verfügung stehenden Angaben nicht eindeutig, so daß es mitunter zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten schon bei der Beurteilung des lokalen Kulturablaufs kommen kann. Das trifft in noch stärkerem Maße zu, wenn es darum geht, die vielen einzelnen relativen Chronologien zu synchronisieren. Die Schwierigkeiten vergrößern sich weiter, wenn in den zu berücksichtigenden Gebieten im Neolithikum unterschiedliche Kultureinflüsse wirksam waren und nur wenige Verbindungen bestanden. Diese allgemeinen Ausführungen zeigen, wo die Fehlerquellen beim Übertragen historischer Daten vom Vorderen Orient nach Mitteleuropa mit Hilfe der vergleichenden archäologischen Methode und der komparativen Stratigraphie liegen können. Die Ausbreitung der neolithischen Wirtschaftsweise über den europäischen Kontinent erfolgte allmählich. Vom Entstehungszentrum in Südwestasien ausgehend griff der Neolithisierungsvorgang zunächst auf die Vorderasien benachbarten Teile Europas über. Mit zunehmender Entfernung vom neolithischen Ursprungsraum läßt einmal die Intensität des vorderasiatischen Einflusses nach, zum anderen verlief die neolithische Entwicklung in den weiter entfernt liegenden Gebieten wesentlich langsamer. So besteht beispielsweise eine mehrere Jahrtausende umfassende Zeitdifferenz zwischen den ältesten neolithischen Kulturen Griechenlands, die in vielen Einzelheiten mit ihren kleinasiatischen Vorbildern übereinstimmen, und der Herausbildung der ersten neolithischen Kultur in Nordeuropa. Während des langen Zeitraums, der für die Entwicklung des europäischen Neolithikums anzunehmen ist, waren in den verschiedenen geographischen Gebieten mannigfaltige kulturelle Einflüsse, Beziehungen und ethnische Faktoren wirksam, die ihren Niederschlag in einer Vielzahl von archäologischen Kulturen und Gruppen gefunden haben. Die richtige Einordnung dieser Vorgänge in die gesamthistorische Entwicklung hängt ganz entscheidend von unseren absolutchronologischen Vorstellungen ab. Das Frühneolithikum Mitteleuropas wird von der Bandkeramik geprägt, mit deren Ausbreitung das Neolithikum in diesem Gebiet beginnt. Der ältere Abschnitt dieser Kultur wird als Linienbandkeramik, der jüngere als Stichbandkeramik bezeichnet. Am Übergang zum Mittelneolithikum stehen die Rössener Kultur und mehrere lokale Gruppen der Lengyelkultur. Zu einem wesentlichen Teil jedoch wird das Mittelneolithikum von der Trichterbecherkultur eingenommen, die sowohl in Mittel- als auch in Nordeuropa verbreitet ist. Da sie in dem zuletzt genannten Gebiet die älteste neolithische Kultur darstellt, gilt sie dort in ihren Anfängen als frühneolithisch, in Mitteleuropa dagegen als mittelneolithisch. Das Spätneolithikum wird von den schnurkeramischen Kulturen, der Kugelamphorenkultur und der Glockenbecherkultur ausgefüllt. Neben diesen wichtigsten neolithischen Kulturen gibt es eine Reihe weiterer, z. T. nur auf kleinere Gebiete 9
Chronologie der Urgeschichte
129
beschränkte Gruppen. Die relativchronologische Abfolge der mitteleuropäischen neolithischen Kulturen kann im wesentlichen als hinreichend geklärt angesehen werden. Auch die richtige Verzahnung mit den im Südosten sich anschließenden Kulturen bis zum Karpatenbecken ist gewährleistet, so daß von Mitteleuropa aus gesehen die Verbindung zum Vorderen Orient hergestellt ist. Einen wesentlichen Beitrag zur Chronologie des Neolithikums hat V . MILOJÖIC mit seiner Publikation „Chronologie der jüngeren Steinzeit Mittel- und Südosteuropas" aus dem Jahre 1949 geleistet. Bahnbrechend war diese Arbeit nicht nur wegen der darin erzielten Ergebnisse, die die Priorität Südosteuropas gegenüber Mitteleuropa in dieser Periode überzeugend belegten, sondern auch durch die dabei angewandten methodischen Grundsätze. Das von MELOJÖIC unter Zugrundelegung niedriger Zeitansätze erarbeitete chronologische Gerüst schien so fest begründet zu sein, daß die ersten C14-Daten zur Linienbandkeramik, die 1000 bis 1500 Jahre über den von MILOJÖIC für diese Kultur gegebenen Zeitmarken lagen, eine Sensation darstellten. Zunächst wurde das in sich geschlossene kurze Chronologiesystem dadurch nicht erschüttert. Dies änderte sich jedoch in dem Maße, wie die C14-Daten zunahmen und nun auch für Südosteuropa neue Gesichtspunkte erbrachten. Da die C14-Messungen grundsätzlich mit der relativen Abfolge der neolithischen Kulturen, wie sie mit archäologischen Methoden erkannt wurde, übereinstimmten, war an der Brauchbarkeit der C14-Methode nicht zu zweifeln. So entstand eine Situation, die alle Beteiligten zwang, ihren Standpunkt und die methodischen Grundlagen zu überprüfen. Das Ergebnis ist, daß wiederum zwei Chronologiesysteme — diesmal mit erheblicheren Zeitdifferenzen bis zu 2000 Jahren — sich gegenüberstehen. Einen Eckpfeiler im System der kurzen Chronologie stellt nach wie vor die Stratigraphie von Vinca dar. Die Parallelisierung der Vinca-Kultur mit Larissa, Rachmani, der frühen balkanischen Bronzezeit und mit Troja I—IV bedeutet, daß fast das gesamte mitteleuropäische Neolithikum der frühen vorderasiatischen Klassengesellschaft zeitlich entspricht. Von einer mittleren Phase der Linienbandkeramik bis zum Erscheinen der Schnurkeramik wird lediglich ein Zeitraum von 700 Jahren angenommen. Die Linienbandkeramik, die durch gesicherte Querverbindungen mit der späten Starcevo-Kultur, die der Vinca-Kultur vorausgeht, verknüpft werden kann, wäre danach mit der mesopotamischen Uruk-Zeit, die Stichbandkeramik mit der Dschemdet-Nasr-Zeit gleichzusetzen. Der Beginn der Badener Kultur, deren Einflüsse in unserem Arbeitsgebiet in einem mittleren Abschnitt der Trichterbecherkultur spürbar sind, soll dem Übergang von Troja IV zu Troja V entsprechen, der mit 2000 v. u. Z. angenommen wird. Absolutchronologisch bedeutet dies, daß für die Entwicklung des zentraleuropäischen Früh- und Mittelneolithikums ein Zeitraum von etwa 1200 Jahren (von Uruk mit 3200 v. u. Z. bis Übergang Troja IV zu Troja V mit 2000 v. u. Z.) zur Verfügung steht. Die relativchronologische Einordnung des! mitteleuropäischen Neolithikums in die balkanische Entwicklung wird sowohl von den Vertretern der kurzen Chronologie als auch von den Anhängern der langen Chronologie im wesentlichen über130
einstimmend vorgenommen. Da andererseits auch im ägäischen Raum die relative Chronologie in sich genügend bekannt ist und allgemein akzeptiert wird, kann der Fehler nur in dem Bereich liegen, wo die balkanischen neolithischen Kulturen mit dem Kulturablauf des ägäischen Raumes synchronisiert werden. Doch darauf wird später nochmals zurückzukommen sein. Die Synchronisation der Vinca-Kultur mit der frühen ägäischen Bronzezeit wird mit Funden in der Yinca-Kultur begründet, denen Importcharakter zugeschrieben wird, obwohl es sich eigentlich nur um angenommene stilistische Übereinstimmungen handelt (M. GaraSanin, 1954). Eine endgültige Entscheidung in dem Streit um die Datierung des Beginns der Vinca-Kultur zugunsten einer Chronologie, die allein mit archäologischen Methoden unter Zugrundelegung niedriger Zeitansätze erzielt wurde, wird den Tärtäria-Tafeln zuerkannt (V. Mxlojöic, 1965). Sie wurden in einer Opfergrube zusammen mit Funden der Phase Vinca-Tordos ( = Vinca A und B x ) angetroffen. Die auf den drei Tontafeln von Tartaria angebrachten Schriftzeichen haben ihre nächsten Parallelen unter den Texten der Schicht Uruk I I I b, die einer späten Phase der Dschemdet-Nasr-Periode entspricht, für die durch Verbindungen zum frühdynastischen Ägypten eine zeitliche Fixierung um 2850/2750 v. u. Z. angenommen wird (V. M i l o j ö i c , 1965; S. F . H o o d , 1967).
Während die eine Gruppe von Archäologen die Tärtäria-Tafeln als willkommene Bestätigung der kurzen Chronologie in Anspruch nimmt, sehen die Prähistoriker, deren Chronologiesystem auf den Ergebnissen der C14-Methode aufbaut, in ihnen einen äußerst zweifelhaften archäologischen Befund (E. Neustupny, 1968a; H. Quitta, 1967). Die Verhältnisse auf der Fundstelle Tartaria lassen ihrer Meinung nach an der Glaubwürdigkeit des Befundes berechtigte Zweifel aufkommen. Im folgenden sollen nun die Ansichten über die relativ- und absolutchronologische Einordnung der mittel- und südosteuropäischen neolithischen Kulturen dargestellt werden, wie sie sich aus der langen Chronologie ergibt. Da auf Einzelheiten der Beweisführung hier verzichtet werden muß, sei auf die Arbeiten von E. Nettstttpny (1968a, b), J. M e l l a a r t (1971) und H . Q u i t t a (1967, 1971, 1972)
verwiesen. Die Ausbreitung der frühesten Bandkeramik in Mitteleuropa erfolgte etwa um 5400—5300 v. u. Z. Auf dem Balkan entspricht dies einer Periode der späten Starcevo-Kultur, die durch Proto-Vinca-Elemente gekennzeichnet ist, und dem Ende der Karanovo-Kultur Bulgariens. Da in Thessalien prä- und frühkeramische Kulturen bis in das 7. Jt. v. u. Z. zurückreichen, bleibt das höhere Alter des südosteuropäischen Neolithikums gegenüber Mitteleuropa unbestritten. Zahlreiche Radiocarbondaten weisen dem weiteren Verlauf der zentraleuropäischen Linienbandkeramik einen Zeitraum von annähernd 600 Jahren zu (5300—4700 v. u. Z.). Die mit Hilfe archäologischer Methoden herausgearbeiteten Phasen dieser Entwicklung werden dadurch bestätigt. Dieser Abschnitt der Linienbandkeramik geht mit der frühen Vinca-Kultur (Vinca-Tordos) und der Veselinovo-Kultur (Karanovo I I I ) Bulgariens parallel. 9*
131
Der Übergang zur Stichbandkeramik, der sich um die Mitte des 5. Jt. v. u. Z. vollzogen haben dürfte, kann mit Vinca-Plocnik bzw. mit den Kulturen Karanövo V (Marica) und Karanovo VI (Gumelnita) synchronisiert werden. Grob genommen läuft die Linienbandkeramik der Teil Halaf-Stufe und die Stichbandkeramik der Obeid-Stufe Mesopotamiens parallel. Das Ende der stichbandkeramischen Kultur und der Beginn der Rössener Kultur wird durch Radiocarbondaten in das letzte Drittel des 5. Jt. v. u. Z. datiert. Mit dem Anfang des 4. Jt. v. u. Z. setzte die Herausbildung der Trichterbecherkultur ein, die für nahezu ein Jahrtausend bis zum Aufkommen der Schnurkeramik die Entwicklung des Neolithikums in weiten Teilen Mittel- und Nordeuropas bestimmte. In einer entwickelten Phase der Trichterbecherkultur sind Einflüsse der Badener Kultur spürbar, die über das Karpatenbecken auch in Jugoslawien wirksam wurden. Über diese Badener Elemente in der frühen balkanischen Bronzezeit ist es möglich, den mitteleuropäischen Badener Horizont mit Troja I/II (etwa 3200-2900 v. u. Z.) zu verknüpfen. Von ausschlaggebender Bedeutung für den Aufbau der beiden Chronologiesysteme ist die unterschiedliche relativchronologische Verknüpfimg der nordbalkanischen Vinca-Kultur mit den Kulturen des ägäischen Gebietes, wobei die Stratigraphie von Troja nach wie vor äußerst wichtig ist (Abb. 29). Während nach der kurzen Chronologie die Vinca-Kultur mit Troja und der frühhelladischen Bronzezeit gleichgesetzt wird, parallelisiert die lange Chronologie Vinca im wesentlichen mit den neolithischen Kulturen Sesklo und Dimini. Die absoluten Daten weisen aus, daß eine Zeitdifferenz von 2000 Jahren zwischen beiden Systemen besteht. So gravierend wie dies auf den ersten Blick zu sein scheint, ist diese Tatsache schon deshalb nicht, weil die Ausgangspositionen für die Ermittlung historischer Daten in den beiden Chronologien unterschiedlich sind. Bis um 3000 v. u. Z. stimmen die historisch festgelegten Zeitansätze mit den calibrierten Radiocarbondaten überein. Wenn das für die davor liegenden Jahrtausende nicht zutrifft, so deshalb, weil die von der kurzen Chronologie verwendeten Datierungen auf Schätzungen beruhen. Nicht die hohen oder niedrigen absoluten Daten stehen im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern beider Chronologiesysteme, sondern die davon abzuleitenden historischen Schlußfolgerungen. Die Beantwortung vieler Fragen in unserem Arbeitsgebiet hängt davon ab, ob wir für die neolithische Entwicklung in Mitteleuropa 1200 Jahre oder den doppelten Zeitraum anzunehmen haben. Im Prinzip ist es z. B. unwesentlich, ob man für die Errichtung der Großsteingräber z. Z. der Trichterbecherkultur den Zeitraum um 2500 oder 3500 v. u. Z. ansetzt. Von entscheidender Bedeutung ist dagegen, ob diese Megalithgräber und die älteste neolithische Kultur Nordeuropas vor oder nach den ersten ägyptischen Pyramiden einzuordnen sind. Die Ergebnisse der C14-Methode haben die Ansichten der Prähistoriker über die relativchronologische Abfolge der neolithischen Kulturen, die ausschließlich mit archäologischen Methoden erarbeitet wurde, generell bestätigt. Da es inzwischen auch möglich ist, die konventionellen C14-Daten durch Calibration in Kalender 132
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Schon 1911 hat G. SCHWANTES der relativen Abfolge eine absolute Chronologie zur Seite gestellt, die seitdem den Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen bildete. Die methodischen Forschungen E. SPROCKHOFS (1952, 90 ff.) mit dem Nachweis eines rein latenezeitlichen Alters der Jastorfkultur, zogen Konsequenzen bezüglich ihrer Anfangsdatierung nach sich, wenn auch die Jastorfentwicklung auf Hallstattradition basiert12). Vorerst lassen sich die einzelnen Abschnitte der Jastorfkultur nur über die Latenestufen zeitlich fixieren, mit denen sie parallelisiert werden13). Dabei blieb ein jüngerer Versuch (LEYDEN, 1957, 265ff.), den Beginn der Jastorf-Kultur innerhalb der Latenechronologie zu fixieren, ohne 163
nachhaltige Wirkung, da er von einer falschen Voraussetzung ausging (vgl. dazu Janktthn,
1970, 5 9 f.) ( A b b .
36).
Verf.in ist sich bewußt, daß vorstehender Beitrag weder Vollständigkeit hinsichtlich der Klärung strittiger chronologischer Probleme, erreicht, noch weiter•500
Süddeutschland
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Vergleichende Übersicht zur Chronologie der Latènezeit
führende eigene Stellungnahmen vermittelt. Ebenso wurde der kulturelle Veränderungsablauf nicht aller Gebiete berücksichtigt, und auf zahlreiche Gliederungsversuche konnte überhaupt nicht eingegangen werden. Dennoch ist versucht worden, eine chronologische Übersicht zu geben, die sich auf den neuesten Forschungsstand stützt. Deshalb wurde auf neuere Arbeiten zu dieser Fragestellung näher eingegangen als auf den Werdegang der „klassischen" Stufen164
gliederungen. So sollte vorstehender Artikel lediglich die methodischen Wege aufzeigen, mit Hilfe derer eine relative sowie absolute Chronologie ermittelt werden kann, und nur in diesem Sinne auch verstanden werden. ANMERKUNGEN Die Forschung hat nach dem Vorgang P . R E I N E C K E S sowohl die bronzezeitlichen Stufen (Ha A und H a B) als auch die eisenzeitlichen (Ha C und H a D) mit dem Namen Hallstattzeit benannt. Eine Trennung dieses Begriffs in die Bezeichnungen Hallstattzeit f ü r die jüngere Bronzezeit und Hallstattkultur f ü r die Eisenzeit hat sich nicht im größeren Rahmen durchgesetzt. Daher erscheint eine genaue Begriffserläuterung in jedem Falle angebracht. Unter Hallstattzeit und -kultur wird hier nur die Eisenzeit verstanden. 2 ) Zur Chronologie der Hallstattzeit in der Südschweiz vgl. PBIMAS, 1970. 3 ) Zu diesem Armschmuck auch GESSNER, 1 9 4 7 , 129£f.; R I E T H , 1 9 5 0 , l f f . 4 ) Zu erwarten sind hier Aussagen aus der horizontalen Stratigraphie des Gräberfeldes Les Jogasses im Marnegebiet, vgl. SANGMEISTER, 1960, 82, Anm. 16. 5 ) Zur Hallstattzeit in Rumänien vgl. zusammenfassende Darstellung von BERCIU, 1966, 48ff. 6 ) Vgl. auch Verbindung Glasinac-Italien bei FREY, 1963, 22, der Perlrandbecken in reichen Gräbern des Glasinac aus Etrurien bzw. dem Picenum herleitet. 7 ) Weitere Belege für die Gleichzeitigkeit bei KOSSACK 1 9 5 9 , 4 5 f f . 8 ) Zum archäologischen Nachweis der kurzen Laufzeit vgl. D E H N / F R E Y 1 9 6 2 , 2 0 2 . ®) Neuerdings als Handels- und Umschlagplatz gedeutet von H . SCHWAB, Die Kunde N F 23, 1972, 250 ff. 10 ) Für die Überlassung eines im Druck befindlichen Manuskriptes aus dem Nachlaß Prof. Dr. G. NETTMANNS möchte ich Herrn Dr. K. PESCHEL, Jena, herzlich danken. 11 ) Für die Stufe LD1 ist aus Bayern nur das Grab mit Waffenbeigabe und Bronzekanne aus Kelheim bekannt, vgl. WERNER, 1954, 43 ff. 12 ) Vgl. dazu NTOUSCH/SCHRÖTER 1968, 46ff., die f ü r bestimmte Jastorfgräberfelder des Mittelelbegebietes einen endhallstattzeitlichen Beginn nachweisen konnten. 13 ) Vgl. dazu Ausführungen von H . HINGST, 1959, 119. LITERATUR Hallstattzeit 1930 1931 1957 1966 1958 1913 1967 1971 1962
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3.5. Römische Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit Mit der Ausdehnung des Römischen Reiches über weite Teile des südlichen und westlichen Europas gelangten umfangreiche Gebiete mit einer noch urgesellschaftlichen, also weiterhin überwiegend durch die archäologischen Quellen faßbaren Bevölkerung in das unmittelbare Vorfeld der im Lichte der schriftlichen Quellen stehenden römischen Kultur. So ist es verständlich, daß auch das chronologische Gerüst in Mittel-, Nord- und Osteuropa gesicherter wird. Der starke kulturelle Einfluß aus der römischen Welt auf die „barbarischen" Völkerschaften ließ es berechtigt erscheinen, im Gegensatz zur vorrömischen Eisenzeit ( = Hallstatt- und Latenezeit) jetzt von der „römischen Eisenzeit" zu sprechen. Da der Beginn dieser Periode in die Zeit des ersten römischen Kaisers Augustus fällt, hat sich — vor allem im deutschen Sprachgebrauch — meist der Periodenbegriff „römische Kaiserzeit" eingebürgert. Historisch richtiger wäre die Bezeichnung „Periode des römischen Einflusses", wie ihn beispielsweise die polnische Archäologie verwendet. MONTELIUS (1895) sprach in Fortsetzung seiner vorrömischen Periodeneinteilung von den Perioden IV und V, die von der skandinavischen Forschung bis heute im allgemeinen angewandt wird. Die mitteleuropäische Forschung dagegen benutzt vorwiegend die Einteilung von TISCHLEB (1888) in die Stufen B und C, die seitdem mehrfach untergegliedert wurden, wie das auch für die Gliederung von MONTELIUS gilt. Andere Einteilungen haben sich auf die Dauer nicht durchgesetzt. Diese Zweiteilung der römischen Kaiserzeit in eine ältere und eine jüngere Stufe hatte vor MONTELIUS und TISCHLEB bereits S. MÜLLEB ( 1 8 7 4 ) vorgenommen und ist seitdem zum unangefochtenen Bestandteil jedes Chronologieschemas, geworden, was sich immer wieder für alle Bereiche der materiellen Hinterlassenschaft und für alle Landschaften bestätigt hat. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf O . ALMGBEN ( 1 8 9 7 ) hingewiesen, der diese Erkenntnis durch die eingehende Bearbeitung der Fibeln untermauerte, oder an M . J A H N ( 1 9 1 6 ) , der das Gleiche anhand der Bewaffnung tun konnte. Die Keramik weist bedeutende Veränderungen zwischen der älteren und jüngeren Stufe auf (grundlegend v. USLAB, 1 9 3 8 ) , im Kunstgewerbe bestimmt der pontische Einfluß ganz entscheidend den Stil der jüngeren Stufe u. v. a. Es gibt wohl kaum ein Objekt im archäologischen Quellenmaterial, das diese Zeitgrenze wesentlich verwischen würde. Die weitere Untergliederung weist zwischen den einzelnen Forschern und den einzelnen Landschaften dagegen schon gewisse Unterschiede auf. Im allgemeinen hat sich eine Zweiteilung der älteren römischen Zeit (in IV 1 und 2 bzw. B 1 und 2) und eine Dreiteilung der jüngeren römischen Zeit (in Cl, 2, 3, wobei zwar die Grenze zur nachfolgenden Völkerwanderungszeit unterschiedlich gesehen wird) durchgesetzt (Abb. 37). Diese relative Chronologie ist auf formenvergleichendem und stratigraphischem Wege sowie unter Verwendung absoluter Daten, worauf wir später noch zu sprechen kommen, gewonnen worden. Es ist verständlich, daß dies in den einzelnen kulturellen Landschaften auch ganz zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergeb13 Chronologie der Urgeschichte
171
nissen führen muß, da das Quellenmaterial qualitativ und quantitativ differenziert ist und auch durch unterschiedliche Entwicklungsrhythmen und -geschwindigkeiten charakterisiert wird. Davon hängt ab, ob eine Stufe überhaupt oder in
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Montelius Blume Nerman Matthes 1912 1923,1955 1931 1896 B alt. 1 ¡B ß ¡miti
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