Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum: Zur Bedeutung wirtschaftsnaher Infrastruktur für die Entwicklung in den neuen Bundesländern [1 ed.] 9783428481880, 9783428081882


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German Pages 250 [251] Year 1994

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Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum: Zur Bedeutung wirtschaftsnaher Infrastruktur für die Entwicklung in den neuen Bundesländern [1 ed.]
 9783428481880, 9783428081882

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DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG HEFT 151 · 1994

Stefan Bach, Martin Gornig, Frank Stille und Ulrich Voigt

Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum

DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN

D E U T S C H E S I N S T I T U T FÜR

WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

gegründet 1925 als INSTITUT FÜR KONJUNKTURFORSCHUNG von Prof. Dr. Ernst Wagemann Königin-Luise-Straße 5 · D-14195 Berlin (Dahlem)

VORSTAND Präsident Prof. Dr. Lutz Hoffmann Sir Leon Brittan · Prof. Dr. Johann Eekhoff · Dr. Norbert Meisner · Wolfgang Roth • Dr. Ludolf-Georg von Wartenberg Kollegium der Abteilungsleiter* Dr. Heiner Flassbeck · Dr. Fritz Franzmeyer · Dr. Kurt Hornschild · Prof. Dr. Wolfgang Kirner · Prof. Dr. Eckhard Kutter Dr. Rolf-Dieter Postlep · Dr. Wolfram Schrettl · Dr. Bernhard Seidel · Dr. Hans-Joachim Ziesing KURATORIUM Vorsitzender: Dr. Alexander von Tippeiskirch Stellvertretender Vorsitzender: Dr. Thomas Hertz Mitglieder Der Bundespräsident Bundesrepublik Deutschland Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Bundesministerium für Verkehr Bundesministerium für Post und Telekommunikation Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesministerium für Forschung und Technologie Land Berlin Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung Senatsverwaltung für Wirtschaft und Technologie Senatsverwaltung für Verkehr und Betriebe Senatsverwaltung für Bundes- und Europaangelegenheiten Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Wirtschaft Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie Land Baden-Württemberg, vertreten durch das Wirtschaftsministerium Deutsche Bundesbank Bahn AG Postbank Deutsche Bundespost Postdienst Deutsche Bundespost Telekom Bundesanstalt für Arbeit Wirtschaftsvereinigung Bergbau Christlich-Demokratische Union Deutschlands Sozialdemokratische Partei Deutschlands Freie Demokratische Partei Deutscher Gewerkschaftsbund Industriegewerkschaft Metall Berliner Bank Aktiengesellschaft Berlin Hyp Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank AG 1KB Deutsche Industriebank AG Berliner Kraft- und Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft Elektrowerke GmbH Holding Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Persönliche Mitglieder Dr. Günter Braun Dr. Dieter Hiss Dr. Karl-Heinz Narjes * Präsident und Abteilungsleiter sind gemeinsam für die wissenschaftliche Leitung verantwortlich.

DEUTSCHES INSTITUT

FÜR

WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

BEITRÄGE ZUR STRUKTURFORSCHUNG

HEFT 151

1994

Stefan Bach, Martin Gornig, Frank Stille und Ulrich Voigt

Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum Zur Bedeutung wirtschaftsnaher Infrastruktur für die Entwicklung in den neuen Bundesländern

DUNCKER & HUMBLOT

BERLIN

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme

Stefan Bach: Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturausstattung, strukturellem Wandel und Wirtschaftswachstum / bearb. von Stefan Bach, Martin Gornig, Frank Stille und Ulrich Voigt. Berlin : Duncker & Humblot, 1994 (Beiträge zur Strukturforschung ; H. 151) ISBN 3-428-08188-9 NE: Stefan Bach

Verzeichnis der Mitarbeiter

Wissenschaftliche Mitarbeiter Stefan Bach, Martin Gornig, Frank Stille (Projektleiter) und Ulrich Voigt In Kooperation mit: Fabian Dosch (BfLR), Ingolf Heiland (BfLR), Udo Ludwig (IWH) Wissenschaftlich-technische Mitarbeiter Gert Dreiberg, Ellen Müller-Gödtel, Ralph Hoppe'und Manfred Schmidt Textverarbeitung Meike Janssen, Andrea Jonat, Monika Neuwald und Anja Spahn

Herausgeber: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Königin-Luise-Str. 5, D-14195 Berlin Telefon (0 30) 8 97 89-0 — Telefax (0 30) 8 97 89-200 Schriftleitung: Dr. Fritz Franzmeyer Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Carl-Heinrich Becker-Weg 9, D-12165 Berlin Druck: 1994 bei ZIPPEL-Druck, Oranienburger Str. 170, D-13437 Berlin Printed in Germany ISSN 0171-1407 ISBN 3-428-08188-9

Inhaltsverzeichnis Seite Tabellenverzeichnis

6

Verzeichnis der Übersichten und Schaubilder

9

0.

Vorbemerkung

10

1.

Problemstellung und Zielsetzung

11

1.1

Problemstellung

11

1.2

Zielsetzung

12

2.

Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur

14

2.1

Abgrenzungen

15

2.2

Anlagevermögensrechnung für das frühere Bundesgebiet

17

2.2.1

Zur Methodik

17

2.2.2

Staatliches Anlagevermögen nach Aufgabenbereichen und Gebietskörperschaften

19

2.2.3

Anlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur

25

2.3

Schätzungen des Anlagevermögens in den neuen Bundesländern

29

2.3.1

Restriktionen

29

2.3.2

Quantifizierungen

31

3.

Wirtschaftsnahe Infrastruktur: Alte und neue Bundesländer im Vergleich

37

3.1

Anlagevermögen

38

3.2

Ausgewählte physische Indikatoren im Ost-West-Vergleich

41

3.2.1

Verkehrsinfrastruktur

41

3.2.2

Telekommunikation

48

3.2.3

Forschungsinfrastruktur

49

3.2.4

Gewerbeflächen

59

4.

Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern

68

4.1

Bedarfsschätzungen

68

4.2

Angleichungspfade der Infrastrukturausstattung

71

4.2.1

Angleichungshypothesen

71 3

Seite 71

4.2.2

Angleichungen beim Erwerbspersonenpotential

4.2.3

Annahmen zur Investitionsentwicklung

72

4.2.4

Infrastrukturintensität 2000 im Vergleich

76

4.2.5

Robustheit der Fortschreibung

78

4.3

Schlußfolgerungen

79

5.

Private versus öffentliche Bereitstellung von Infrastruktur

80

5.1

Infrastruktur als öffentliche Aufgabe

80

5.2

Organisationsformen öffentlicher Leistungen

81

5.3

Effizienzgewinne und Restriktionen einer privaten Bereitstellung von Infrastruktur

85

5.3.1

Die Idee der privaten Bereitstellung von Infrastruktur

85

5.3.2

Organisatorische Voraussetzungen der Regulierung

88

5.3.3

Finanzierungsaspekte

90

5.3.4

Sozialpolitische Fragen

92

5.4

Fortentwicklungvonrechtlich-institutionellenRahmenbedingungen

93

5.5

Schlußfolgerungen

100

5.5.1

Allgemeine Privatisierungsgrundsätze

100

5.5.2

Möglichkeiten der privaten Bereitstellung von Infrastruktur in Einzelbereichen

103

6.

Infrastruktur und gesamtwirtschaftliche Entwicklung

112

6.1

Die theoretischen Zusammenhänge

112

6.2

Partialanalysen

116

6.2.1

Internationale und international vergleichende Studien

119

6.2.2

Ergebnisse für das frühere Bundesgebiet

120

6.3

Deskriptive Ansätze für ausgewählte Bereiche

123

6.3.1

Langfristige Entwicklung der Investitionen in den wirtschaftsnahen Infrastrukturbereichen

6.3.2

126

Langfristige Entwicklung des wirtschaftsnahen Infrastrukturkapitals

130

6.4

Infrastrukturauslastung im Verkehrsbereich

138

6.4.1

Leistungs-Kapital-Relationen

138

6.4.2

Verkehrsbelastung im Straßennetz

143

6.4.3

Folgerungen für die Verkehrsinfrastrukturpolitik

147

4

Seite 6.5

Gesamtwirtschaftliche Ansätze

151

6.5.1

Potentialeffekte

151

6.5.2

Infrastrukturinvestitionen im Verkehrsbereich

153

7.

Infrastrukturausstattung und regionale Entwicklungsprozesse

157

7.1

Zur Bewertung des Einflusses der Infrastruktur

157

7.1.1

Unternehmens- und Expertenbefragungen

157

7.1.2

Regiònalstatistische Analysen

162

7.1.3

Ein Bewertungsversuch

167

7.2

Bedeutung sektoraler Schwerpunkte westdeutscher Regionen

168

7.2.1

Zur Vorgehensweise

168

7.2.2

Infrastrukturprofile der Industrie

175

7.2.3

Infrastrukturprofile bei den Dienstleistungen

182

7.3

Anhaltspunkte für den Infrastrukturaufbau in Ostdeutschland

188

7.3.1

Industriestruktur und Infrastrukturprofile ostdeutscher Länder

188

7.3.2

Überlegungen zu einer regionalen Konzentration

195

8.

Zusammenfassung

202

Tabellenanhang

209

Literatur

242

5

Tabellenverzeichnis Seite Tabelle 2/1

Bruttoanlageinvestitionen des Staates - nach Aufgabenbereichen -

Tabelle 2/2

21

Bruttoanlagevermögen des Staates - nach Aufgabenbereichen 23

Tabelle 2/3

Altersstruktur des staatlichen Bruttoanlagevermögens - nach Aufgabenbereichen -

Tabelle 2/4

24

Bruttoanlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.w.S. im Überblick - früheres Bundesgebiet -

Tabelle 2/5

27

Bruttoanlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. - früheres Bundesgebiet -

Tabelle 2/6

28

Modernitätsgrad der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.w.S. früheres Bundesgebiet -

Tabelle 2/7

29

Bruttoanlagevermögen der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern

Tabelle 2/8

32

Umrechnung des Bruttoanlagevermögens ausgewählter VGRBereiche - neue Bundesländer 1.7.1990 -

35

Tabelle 3/1

Infrastrukturintensität im Jahr 1991

39

Tabelle 3/2

Modernitätsgrad der Verkehrsinfrastruktur i.e.S. - West- und Ostdeutschland -

40

Tabelle 3/3

Entwicklung der Verkehrswege in den alten Bundesländern

43

Tabelle 3/4

Straßennetz 1990

46

Tabelle 3/5

Verkehrswegenetze in den alten und neuen Bundesländern im Jahre 1990

Tabelle 3/6

Entwicklungsstand des Telekommunikationssektors

47 in den

neuen und alten Bundesländern 1989 Tabelle 3/7

Indikatoren der Hoch- und Fachhochschulausbildung in Westund Ostdeutschland 1991/1992

Tabelle 3/8

57

Gewerbeflächenreserven in ausgewählten west- und ostdeutschen Stadtregionen

6

54

Standorte außeruniversitärer Forschungsinstitute in West- und Ostdeutschland

Tabelle 3/10

52

Kapazitäten und Ausbaumaßnahmen im Hoch- und Fachhochschulbereich

Tabelle 3/9

48

61

Tabelle 4/1

Bedarfsschätzungen für Infrastrukturinvestitionen in den neuen Bundesländern für den Zeitraum 1991 bis 2005

Tabelle 4/2

Bevölkerung

und Erwerbspersonenpotential

Seite 70

- West- und

Ostdeutschland -

72

Tabelle 4/3

Entwicklung des Bruttoanlagevermögens - Ostdeutschland -

75

Tabelle 4/4

Infrastrukturintensität im Jahr 2000 - West- und Ostdeutschland -

Tabelle 6/1

Βruttoanlageinvestitionen in den wirtschaftsnahen Infrastrukturbereichen im früheren Bundesgebiet zu jeweiligen Preisen

Tabelle 6/2

131

Entwicklung der Leistungs-Kapital-Relationen in den Verkehrsbereichen

Tabelle 6/5

125

Bruttoanlagevermögen in den wirtschaftsnahen Infrastrukturbereichen im früheren Bundesgebiet zu Preisen von 1985

Tabelle 6/4

124

Bruttoanlageinvestitionen in den wirtschaftsnahen Infrastrukturbereichen im früheren Bundesgebiet zu Preisen von 1985

Tabelle 6/3

77

142

Verkehrsbelastungen auf den freien Strecken der überörtlichen Straßen

Tabelle 6/6

Verkehrsstärke auf Straßenabschnitten

Tabelle 6/7

Potentialeffekte einer Erhöhung der staatlichen Investitions-

145 146

quote Tabelle 6/8

Wirkungen einer Erhöhung der staatlichen Investitionen im

152

Verkehrsbereich 154 Tabelle 7/1

Bewertungsschema zur Bedeutung der Infrastruktur als Standortfaktor

Tabelle 7/2

Bedeutungseinschätzung der Infrastruktur für die regionale Entwicklung

Tabelle 7/3

179

Infrastrukturprofile westdeutscher Regionen mit Spezialisierung auf Dienstleistungsbereiche 1992

Tabelle 7/6

176

Infrastrukturprofile westdeutscher Regionen mit Spezialisierung auf aufgewählte Industriebranchen 1992

Tabelle 7/5

163

Infrastrukturprofile westdeutscher Regionen mit Spezialisierung auf Industriebereiche 1992

Tabelle 7/4

161

184

Infrastrukturprofile westdeutscher Regionen mit Spezialisierung auf ausgewählte Dienstleistungssektoren 1992

186 7

Seite Tabelle 7/7

Industriestrukturen der ostdeutschen Bundesländer 1992

190

Tabelle 7/8

Infrastrukturprofile der ostdeutschen Bundesländer 1992

193

Tabelle 7/9

Regionale Unterschiede bei ausgewählten Infrastrukturindikatoren innerhalb West- bzw. Ostdeutschlands 1992

8

197

Verzeichnis der Schaubilder, Übersichten, Abbildungen und Karten

Seite

Schaubild 2/1 Anlagevermögen des Staates insgesamt - Abweichungen DIW in vH von StaBuA -

20

Abbildung 3/1 Neuinsanspruchnahme von Gewerbegrundstücken und Produktionszuwächse in Westdeutschland 1980 bis 1990

64

Abbildung 3/2 Gewerbebaulandpreise ausgewählter west- und ostdeutscher Stadtregionen 1991

67

Übersicht 5/1 Zusammenfassende Beurteilung der Organisationsformen für öffentliche Leistungen unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in den neuen Bundesländern

101

Schaubild 6/1 Anteile der Infrastrukturbereiche an den gesamtwirtschaftlichen Bruttoanlageinvestitionen

127

Schaubild 6/2 Anteil der Bruttoanlageinvestitionen an der Bruttowertschöpfung

128

Schaubild 6/3 Bruttoanlageinvestitionen der Infrastrukturbereiche- Anteile der Bereiche an der Infrastruktur insgesamt in vH -

129

Schaubild 6/4 Anteile der Infrastrukturbereiche am gesamtwirtschaftlichen Β ruttoan lagevermögen

13 3

Schaubild 6/5 Verhältnis der Bruttowertschöpfung zum Bruttoanlagevermögen

135

Schaubild 6/6 Bruttoanlagevermögen der Infrastrukturbereiche - Anteile der Bereiche in vH -

136

Schaubild 6/7 Bruttoanlagevermögen der Infrastrukturbereiche und Bruttowertschöpfung je Erwerbsperson

137

Abbildung 7/1 Bedeutung der Infrastruktur für die regionale Wirtschaftskraft in Westdeutsch land 1991

166

Übersicht 7/1 Infrastrukturbereiche

172

Übersicht 7/2 Regionalabgrenzung

173

Karte 7/1

200

Regionale Infrastrukturschwerpunkte in Westdeutschland 1991

9

0,

Vorbemerkung

Ende juli 1992 hat der Bundesminister für Wirtschaft dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung als Spezialthema im Rahmen der Strukturberichterstattung den Forschungsauftrag erteilt, die Wechselwirkungen

zwischen

Infrastrukturausstattung,

strukturellem

Wandel

und

wirtschaftlichem Wachstum zu untersuchen. Dabei sind jedoch mehrere Eingrenzungen vorgenommen worden. So soll ausschließlich die wirtschaftsnahe Infrastruktur einbezogen werden; zudem soll das Schwergewicht der Betrachtung der materiellen Infrastruktur gelten. Insbesondere verlangt der Auftrag, Informationen über die wirtschaftsnahe Infrastruktur in den neuen Bundesländern zu bündeln und auf dieser Grundlage sowie mit Hilfe eines Vergleichs mit den Erfahrungen in Westdeutschland zu Aussagen über ihren Stellenwert für die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern zu gelangen. Dabei soll dieser Zusammenhang von Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur und wirtschaftlicher Entwicklung in gesamtwirtschaftlicher Perspektive und besonders auch auf regionaler Ebene analysiert werden. Dieser thematischen Konkretisierung trägt der Untertitel des Gutachtens wie auch die Gliederung Rechnung. Im Rahmen des Gutachtens sind verabredungsgemäß Unteraufträge vergeben worden. Die Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung in Bonn hat zwei Kurzexpertisen erstellt: "Regionale Inzidenz der Ressourcenausstattung mit Gewerbeflächen" (Fabian Dosch) und "Analyse und Bewertung der regionalen Inzidenz der Ausstattung mit wissenschaftlichen Einrichtungen" (Ingolf Heiland). In Fragen der Ermittlung von Anlagevermögensbeständen nach Errichtung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion und in Fragen der zukünftigen Entwicklung des Infrastrukturbestandes

in den neuen

Bundesländern hat mit Herrn Ludwig vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle eine Kooperation bestanden. Im April 1993 ist dem Auftraggeber ein Zwischenbericht zu dem Forschungsauftrag übergeben worden.

10

1.

Problemstellung und Zielsetzung

1.1

Problemstellung

"Infrastruktur" ist kein einheitlich idefinierter Begriff. Jedem intuitiven Verständnis ist aber gemeinsam, daß Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung einer Volkwirtschaft von grundlegender Bedeutung ist. Der Versuch einer Festlegung erfordert also im Prinzip, die zu dem jeweiligen Entwicklungsstand notwendigen infrastrukturellen Elemente zu benennen. Im weiteren Sinne umfaßt Infrastruktur rechtliche, organisatorische, personelle und materielle Bestandteile. Eine Konzentration auf den materiellen (investiven) Aspekt von Infrastruktur bedeutet eine wesentliche Verkürzung, die allein aus pragmatischen Gründen vorgenommen wird. Gleichwohl läßt sich eine Reihe von Analysen durchführen, indem z.B: kapital- und produktionstheoretische Ansätze um den Faktor Infrastrukturkapital erweitert und empirisch mit Berechnungen des Infrastrukturkapitals unterlegt werden. Eine solchermaßen eingeschränkte Analyse kann deswegen nur ein Baustein einer umfassenderen Bewertung von Infrastruktur sein. Auch wenn mit Infrastruktur vor allem öffentliche Infrastruktur assoziiert wird, ist unter funktionalen Gesichtspunkten die Trennlinie öffentlich-privat nicht von vornherein sinnvoll. Dies gilt einmal wegen der Schwierigkeit einer für verschiedene Volkswirtschaften verbindlichen Abgrenzung des öffentlichen Sektors, zum anderen aber auch deswegen, weil eine effiziente Organisationsform von einzelnen Infrastrukturbereichen häufig eine sich im Zeitverlauf ändernde Verteilung auf staatliche, private oder gemischtwirtschaftliche Träger verlangt. Die Themenstellung legt die Analyse des funktionalen Aspekts von Infrastruktur nahe. Dabei steht im Vordergrund, daß Infrastruktur Input für den gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozeß ist. In funktionaler Sichtweise ist es unmittelbar notwendig zu unterscheiden, ob Infrastruktur zu den anderen Inputs in komplementärer oder substitutiver Beziehung steht. Da dies nicht nur für das Verhältnis von Infrastruktur zu Inputs z.B. des produzierenden Gewerbes, sondern auch für Infrastrukturbestandteile untereinander gilt, läßt sich diese Fragestellung nicht auf der höchsten Aggregationsstufe bearbeiten. Erst bei stärkerer Disaggregation und Abwägung von Einzelbestandteilen der Infrastruktur untereinander und in Beziehung zu den einzelwirtschaftlichen Produktionsprozessen, also insbesondere bei Berücksichtigung der räumlichen Verteilung von Wirtschaftsprozessen und Infrastrukturausstattung, lassen sich die Wechselwir-

11

kungen herausarbeiten und läßt sich z.B. untersuchen, inwieweit ein Mangel an ausgewogener Infrastrukturausstattung die wirtschaftliche Entwicklung behindert. 1.2

Zielsetzung

Anlaß für das erneute Interesse an der Fragestellung des Gutachtens war in erster Linie die deutsche Vereinigung. Schon vorher war deutlich geworden, daß in der DDR nicht nur die Anlagen von Industrie, Handel und Dienstleistungen, sondern auch die Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur,

Energie-

und Wasserversorgung

sowie die

Entsorgung

heruntergewirtschaftet waren. Vor diesem Hintergrund wurde unter der Vereinigungsperspektive von Anfang an das Ziel verfolgt, in den neuen Bundesländern das privatwirtschaftliche Anlagevermögen ebenso wie das öffentliche Infrastrukturkapital so rasch wie möglich zu modernisieren. Hierzu ist inzwischen viel auf den Weg gebracht worden. Gut drei Jahre nach der deutschen Vereinigung soll versucht werden, diese Zusammenhänge zu analysieren. Die Informationslage dafür ist aber immer noch nicht befriedigend. Insbesondere fehlt eine Quantifizierung des von der DDR übernommenen Infrastrukturkapitals sowie die Kenntnis der Größenordnungen von Abschreibungen und Stillegungen, die aufgrund anderer altersmäßger und qualitativer Zusammensetzung stark von den in Westdeutschland geltenden Werten abweichen. Solche Quantifizierungen sind für eine ökonomische Analyse von grundlegender Bedeutung und sollen - trotz aller noch bestehenden Unsicherheiten - in diesem Gutachten versucht werden. Dies geschieht deshalb, weil sich erst vor dem Hintergrund von Quantifizierungen des Anlagevermögens beurteilen läßt, in welcher Höhe Infrastrukturinvestitionen zu einer Veränderung des Produktionsfaktors Infrastruktur erforderlich sind. Vorstellungen über das Ausmaß von Veränderungen in den neuen Bundesländern lassen sich überdies aus einem Vergleich mit der Infrastrukturausstattung im früheren Bundesgebiet gewinnen. Solche Vorstellungen sollen auch aus Zeitreihen- und Querschnittsanalysen des Zusammenhangs von wirtschaftlicher Entwicklung und Infrastrukturausstattung sowie ihrer ι Auslastung und Nutzung im früheren Bundesgebiet abgeleitet werden. Auf dieser Grundlage soll z.B. versucht werden zu beurteilen, inwieweit die Ausstattung mit (wirtschaftsnaher) Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern notwendig ist. Die Standortdebatte auf europäischer und außereuropäischer Ebene - z.B. in den USA - geht überwiegend davon aus, daß eine gute Infrastrukturausstattung als positiver Standortfaktor anzusehen ist. Übereinstimmend werden die Regionen im früheren Bundesgebiet als vergleichsweise gut ausgestattet eingeschätzt. Im Zeitverlauf hat sich mit dem Strukturwandel der 12

Wirtschaft aber die Zusammensetzung der Infrastruktur verändert. Dies war begleitet von einer unterschiedlichen Auslastung und einer Veralterung einzelner Infrastrukturbereiche. Empirische Überprüfungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene lassen aufgrund von Multikollinearitätsproblemen und der Nichtkontrollierbarkeit anderer Einflußfaktoren erfahrungsgemäß die vermuteten Zusammenhänge nur sehr schwach hervortreten. Diese Probleme bestehen zwar auch auf regionaler Ebene; dort läßt sich aber im interregionalen Vergleich der Zusammenhang von spezifischer Infrastrukturausstattung und Branchenstruktur prägnanter herausarbeiten als auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Regional orientierte Untersuchungen stellen also eine unverzichtbare Ergänzung dar, wenn man Schlußfolgerungen für Ostdeutschland auch hinsichtlich einer möglichen Schwerpunktsetzung für begrenzte Investitionsmittel ziehen will.

13

2.

Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur

Unter Infrastruktur wird häufig vor allem die öffentliche Infrastruktur verstanden. Mithilfe des öffentlichen Anlagevermögens wie Straßen u.a. werden öffentliche Güter "produziert". Als wesentliches Kriterium öffentlicher Güter gilt, daß ihre Nutzung jedermann freisteht. Solange der Ausschluß des Gebrauchs durch jedermann nicht operationalisiert werden kann, wird sich kein Preis bilden, der es für Private rentabel machen würde, solche Güter zu produzieren. Nur bei einer eng begrenzten Anzahl handelt es sich allerdings um "reine" öffentliche Güter. I Bei meritorischen Gütern handelt es sich um Teile der Infrastruktur, die je nach Selbstverständnis einer Gesellschaft aus wirtschafts-, sozial- oder bildungspolitischen Gesichtspunkten kostenlos oder weit unterhalb der Selbstkosten vor allem vom Staat bereitgestellt werden. Damit ergeben sich für die Nutzer sog. positive externe Effekte. Wenn das Ausschlußprinzip gilt, können solche Teile der Infrastruktur jedoch privat oder gemischtwirtschaftlich angeboten werden. Aber auch bei kostendeckenden Preisen und weitgehend privatwirtschaftlicher Leistungserstellung wird man noch von Infrastruktur reden, solange der Staat regulierend in die Bereitstellung dieser Güter aufgrund ihrer spezifischen Charakteristika eingreifen muß. Zu diesen Charakteristika gehören aus ökonomischer Sicht vor allem technisch bedingte zunehmende Skalenerträge bei der Produktion dieser Güter. Die unkontrollierte Ausbeutung eines solchen "natürlichen" Monopols durch Private könnte für die Gesamtwirtschaft riskant und teuer sein (z.B. Stromversorgung). Diese Art von Infrastruktur erfordert häufig sehr hohe Investitionssummen - "klumpige" (lumpy) Investitionen. Daher haben die Investitions- bzw. Kapitalkosten im Vergleich zu den laufenden Betriebskosten eine ausschlaggebende Bedeutung. Dies bedeutet auch, daß die Grenzkosten weit unterhalb der Durchschnittskosten der Infrastrukturleistungen liegen. Diese Tatsache impliziert die bekannten Schwierigkeiten des Marktzutritts für neue Anbieter und der Preisgestaltung. Solche Investitionsprojekte sind daher auch mit Risiken verbunden, die private Investoren zurückschrecken läßt. Der Staat kann diese Barriere überwinden und zumindest den ersten Schritt tun; damit muß er aber nicht auch selbst den Betrieb der Infrastruktur übernehmen. Diese Studie soll sich ausschließlich auf die Zusammenhänge von wirtschaftsnaher Infrastruktur und wirtschaftlicher Entwicklung konzentrieren. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der 14

materiellen Infrastruktur. Damit beschränkt sich die Analyse auf Investitionen und Anlagevermögen sowie andere physische Indikatoren für die Infrastruktur. Diese Einschränkung erfolgt vor allem aus Zweckmäßigkeitsgründen und aus dem Gesichtspunkt heraus, daß Investitionen fast immer die Voraussetzung für den Aufbau von Infrastruktur sind. Bedeutsam ist aber die Gesamtheit der Infrastrukturleistungen, die neben Anlagen auch den Einsatz von Betriebsmitteln und Personal erfordern. Je nach Infrastrukturbereich ist die Zusammensetzung dieser für die Leistungserstellung notwendigen Elemente ganz unterschiedlich. Für eine effiziente Errichtung und Betrieb von Infrastruktur sind entsprechende Planungs- und Organisationskapazitäten unerläßlich. 2.1

Abgrenzungen

Traditionell unterscheidet man haushaltsorientierte und wirtschaftsnahe Infrastruktur. Als Kernbereiche wirtschaftsnaher Infrastruktur werden - auch auf internationaler Ebene - die Verund Entsorgungseinrichtungen, im angelsächsischen Sprachgebrauch "public utilities", sowie die Verkehrs- und Kommunikationseinrichtungen verstanden. Über diesen Kernbereich hinaus gehören zur wirtschaftsnahen Infrastruktur auch humankapitalorientierte Bereiche wie berufliche Bildung, Forschung und Entwicklung.

Der wirtschaftsnahe Kernbereich wird

zuweilen auch als "sachkapitalorientierte" Infrastruktur bezeichnet (vgl. Gatzweiler u.a. 1991). Zur haushaltsorientierten Infrastruktur werden vor allem Gesundheits- und soziale Einrichtungen gerechnet. Diese Unterscheidungen sind nicht trennscharf. Die Verkehrs- und Kommunikationseinrichtungen oder die Ver- und Entsorgung ebenso wie die humankapitalorientierten Infrastrukturbereiche haben haushaltsorientierte Aspekte. Mit "wirtschaftsnah" oder "haushaltsorientiert" ändert sich nur der Blickwinkel, unter dem solche Infrastrukturbereiche betrachtet werden. Auch die haushaltsorientierte Infrastruktur - z.B. die Gesundheitsinfrastruktur - ist eine unerläßliche Voraussetzung für gewerbliches Wirtschaften. In diesem Gutachten wird wirtschaftsnahe Infrastruktur pragmatisch wie folgt abgegrenzt. Der Kernbereich besteht aus -

der Energie- und Wasserversorgung sowie Abwasserbeseitigung,

-

der Nachrichtenübermittlung,

-

dem Verkehrsbereich.

15

Über diesen Kernbereich hinaus werden vor allem in den regionalorientierten Analysen auch humankapitalorientierte Bereiche berücksichtigt. Sie sind oftmals bedeutsamer als die materielle Infrastruktur und insbesondere für den Vergleich der Situation in den neuen Bundesländern mit der im früheren Bundesgebiet unverzichtbar; zusätzlich wird auftragsgemäß noch die Verfügbarkeit von gewerblich nutzbaren Flächen einbezogen. In fast allen entwickelten Volkswirtschaften ist bei einer Betrachtung von wirtschaftsnaher Infrastruktur neben staatlich erstellter auch privat und gemischtwirtschaftlich erstellte und/oder betriebene Infrastruktur zu berücksichtigen. Die Nachrichtenübermittlung

ist Teil des

Unternehmenssektors, auch wenn es sich dabei um öffentliche Unternehmen handelt. Die Energieerzeugung wird im wesentlichen von privaten Unternehmen organisiert, wenngleich auch hier die öffentlichen Hände (Länder, Gemeinden) als Eigentümer involviert sind. Die Wasserbeseitigung wird überwiegend von den Kommunen getragen. Legt man einen erweiterten Entsorgungsbegriff zugrunde, sind auch hier privat- und gemischtwirtschaftliche Einrichtungen zu berücksichtigen. Der Verkehrsbereich besteht in der Bundesrepublik einmal aus dem staatlichen Verkehrsbereich, das sind Straßen und Brücken sowie Wasserstraßen; zum nicht-staatlichen Verkehrsbereich gehören Eisenbahnen, Schiffahrt und Häfen sowie der "übrige" Verkehr. Nach den Konventionen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) des Statistischen Bundesamtes gehören zum Bereich des sog. übrigen Verkehrs der öffentliche Straßenpersonenverkehr (ÖSPV), der Güterkraftverkehr, der Flugverkehr und die Rohrfernleitungen. Der Rückgriff auf diese (Teile der) Wirtschaftszweige in Abgrenzung der VGR wird als wirtschaftsnahe Infrastruktur i.w.S. bezeichnet. Um die Vergleichbarkeit von privatem und staatlichem Verkehrsbereich zu wahren, sollen bei einer Abgrenzung der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. im privaten Verkehrsbereich wie im öffentlichen Bereich nur die Verkehrswege und deren bauliche Einrichtungen berücksichtigt werden. Das heißt, daß bei den Eisenbahnen und dem ÖSPV wie bei den Straßen nur die Verkehrswege, also die Fahrwege einschließlich zugehöriger Anlagen, einbezogen werden, aber nicht das rollende Material. Im Bereich "übriger Verkehr" dürfen dann entsprechend der private Güterkraftverkehr, die Schiffahrt und die Fluggesellschaften nicht berücksichtigt werden. Das heißt, es werden hier im wesentlichen nur die Häfen einschl. Flughäfen und die Rohrfernleitungen berücksichtigt. Dies wird im folgenden wirtschaftsnahe Infrastruktur i.e.S. genannt und kommt dem ursprünglichen Begriff der Infrastruktur sehr nahe.

16

Als Indikatoren für die Ausstattung mit materieller wirtschaftsnaher Infrastruktur kann entweder auf Berechnungen des Anlagevermögens in den Infrastrukturbereichen oder auf andere physische Indikatoren - Länge der Straßen oder Dichte der Fernsprechanschlüsse u.a. zurückgegriffen werden. In diesem Forschungsvorhaben sollen beide Indikatoren berücksichtigt werden. Dabei wird aber i.d.R. folgendes Problem ausgeklammert: In einigen Bereichen wirtschaftsnaher Infrastruktur wie Abwasserbeseitigung und - in geringerem Maße - auch in der Energieund Wasserversorgung sorgen die produzierenden Wirtschaftszweige selbst für "ihre" Infrastruktur. Dies gilt insbesondere für größere Unternehmen der Grundstoffindustrie, aber auch für andere Unternehmen, die die technischen Möglichkeiten für eine dezentrale Energieversorgung nutzen (Kraft-Wärme-Koppelung). Dieser Teil der Infrastruktur bleibt unberücksichtigt; er steht zwar nicht jedermann zur Nutzung frei, kann aber gleichwohl Quantifizierung und Analyse von wirtschaftsnaher Infrastruktur beeinflussen. 2.2

Anlagevermögensrechnung für das frühere Bundesgebiet

Während physische Indikatoren im interregionalen Vergleich, insbesondere bei der regionalen Betrachtung von Einzelbestandteilen der Infrastrukturausstattung, eine hohe Anschaulichkeit haben, ist in gesamtwirtschaftlicher Sichtweise ein monetär bewerteter Infrastrukturbestand von Vorteil, da seine Teile aggregierter sind und er deshalb in Konstrukte wie die "gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion" und darauf basierende Analysen einbezogen werden kann. Insofern stehen Berechnungen eines auf den Investitionen in den Infrastrukturbereichen beruhenden Infrastrukturbestandes im Vordergrund vor allem auch von gesamtwirtschaftlichen und international vergleichenden Analysen. 2.2.1

Zur Methodik

Neben einer kaum zu bewerkstelligenden stichtagsbezogenen Inventur der Anlagenbestände und ihrer Bewertung bietet sich eine Berechnung des Anlagevermögens auf der Grundlage der vom DIW seit langem benutzten und auch vom Statistischen Bundesamt verwendeten indirekten Methode einer kumulativen Vermögensrechnung an, bei der nach der sog. "perpetual inventory method" die Investitionen der Vergangenheit als Zugänge zum Anlagevermögen addiert und um die Abgänge vermindert werden. Die Abgänge ergeben sich dabei aus einer Abgangsfunktion, deren Parameter die mittlere Nutzungsdauer, die Steilheit und die Schiefe der Abgangsverteilung charakterisieren. Für jede Anlageart sind die Parameterkon17

stellationen unterschiedlich. Der wichtigste Unterschied besteht in den mittleren Nutzungsdauern. Je nach Nutzungsdauer der Investitionsaggregate müssen die Investitionszeitreihen weit in die Vergangenheit zurückverfolgt und die zu Anschaffungspreisen vorliegenden Investitionsreihen auf den Preisindex des gewählten Basisjahres umgestellt werden. Der Vorteil dieses kumulativen Verfahrens lieget in der im Vergleich zur direkten Methode einfacheren jährlichen Fortschreibung des Anlagenbestandes (AB): A B t + 1 - ABt + Zugänge, - Abgänget, wobei t, t+1, ... die jeweilige betrachtete Zeiteinheit - i.d.R. ein Jahr - bezeichnet. Die Zugänge sind die im Zeitraum t getätigten Anlageinvestitionen, und die Abgänge t errechnen sich aus der Abgangsfunktion. Auf die Details kann an dieser Stelle verzichtet werden, da sie gut dokumentiert sind. Die Anlagenbestände werden nach dieser Methode durch das Brutto- oder Netto-Anlagevermögen approximiert. Das Bruttoanlagevermögen

(BAV) enthält alle Teile, die bis zu dem

jeweiligen Jahr noch physisch im An lagen bestand vorhanden sind. Unter Abgängen wird hier also das endgültige physische Ausscheiden von Anlagebestandteilen aus dem Anlagenbestand verstanden. Bis zu ihrem Ausscheiden werden diese Anlagenbestandteile demzufolge annahmegemäß durch laufende Wartung in ihrer Leistungsfähigkeit erhalten. Das Bruttoanlagevermögen ist daher als Meßgröße für die momentan verfügbaren Kapazitäten geeignet. Man sieht ihm aber nicht die Unterschiedlichkeit in den Restnutzungszeiten an. Darüber gibt aber beispielsweise der Altersaufbau des Bruttoanlagevermögens nach Investitionsjahrgangsklassen Auskunft. Im Nettoanlagevermögen Ausdruck

werden anstelle der Abgänge die jährlichen Abschreibungen als

der Verminderung

des Leistungspotentials

herangezogen.

Abschreibungen

quantifizieren die ökonomische Wertminderung der Anlagen und damit diejenige in den Anlagen verkörperte Menge an Nutzungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung steht. Das Nettoanlagevermögen repräsentiert den Zeitwert des jeweils noch verfügbaren Leistungspotentials. Abschreibungen aus technischen und ökonomischen Gründen fallen für einen bestimmten Investitionsjahrgang früher und höher an als Abgänge, die sich stärker auf die Endphase der maximalen Nutzungsdauer eines Anlagegutes konzentrieren. Abgänge und Abschreibungen stehen also in einem unmittelbaren Zusammenhang. Das Verhältnis von Netto- zu BruttoAnlagevermögen wird als Modernitätsgrad bezeichnet. 18

2.2.2

Staatliches Anlagevermögen nach Aufgabenbereichen und Gebietskörperschaften

Der Forschungsauftrag umfaßt auch, das staatliche Anlagevermögen differenzierter zu berechnen, und zwar nach Aufgabenbereichen und Gebietskörperschaften. Die Unterteilung nach Aufgabenbereichen ist unter dem Aspekt einer funktionalen Analyse der wirtschaftsnahen Infrastruktur notwendig. Die staatliche Anlagevermögensrechnung ist ein Ausgangspunkt für die Quantifizierung von Teilbereichen der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. Die weitere Unterteilung nach den verschiedenen Ebenen von Gebietskörperschaften bzw. der Sozialversicherung liefert kaum Informationen über die regionale Verteilung von wirtschaftsnaher Infrastruktur; denn in dieser Hinsicht interessiert allein der Standort der Infrastruktur. In der Dimension der Zuständigkeiten ist aber die Verteilung auf die genannten institutionellen Ebenen aufschlußbereich. Sie zeigt, welche politische Ebene letztlich für bestimmte Entwicklungen verantwortlich ist. Entsprechend kann bei Forderungen nach bestimmten Infrastrukturaktivitäten der jeweilige politische Adressat benannt werden. Im folgenden soll daher kurz über die nach Aufgabenbereichen und staatlichen Ebenen differenzierten Quantifizierungen des staatlichen Bruttoanlagevermögens berichtet werden. Ausgangspunkt für solche Rechnungen sind die Investitionen des Staates in neue Anlagen nach Aufgabenbereichen sowie nach Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung (vgl. Sonderhefte des Statistischen Bundesamtes "Staat in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen"). Dabei werden die Anlageinvestitionen nach drei Anlagegütern (Hochbauten, Tiefbauten und Ausrüstungen) unterschieden. Aufgrund von errechneten Preisindizes für die drei Arten von Anlagegütern erhält man schließlich differenzierte Investitionsreihen zu konstanten Preisen. In den Tabellen im Anhang sind die Investitionen zu Preisen von 1985 ausgewiesen (vgl. Tabellen A im Anhang). Die inzwischen abgeschlossene Umstellung der VGR auf die Preisbasis 1991 konnte noch nicht flächendeckend umgesetzt werden. Auf dieser Grundlage sowie aufgrund von Informationen über die Investitionsreihen vor 1960 kann das staatliche Anlagevermögen ermittelt werden. Die Parameter der Abgangsfunktionen sind so gewählt worden, daß die Entwicklung der drei Anlagearten, wie sie vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht sind, möglichst gut getroffen werden. Für die staatlichen Tiefbauten, deren Lebensdauer in Anlehnung an das Statistische Bundesamt als unendlich unterstellt wird, ergeben sich keine Abweichungen. Für die Hochbauten sind die Abweichungen minimal. Die etwas stärkeren Abweichungen beim Ausrüstungsvermögen fallen für das staatliche Anlagevermögen insgesamt kaum ins Gewicht; die Abweichungen sind geringer als 0,3 vH (vgl. Schaubild 2/1). In den Tabellen des Anhangs sind die wichtigsten Ergebnisse für das Anlagevermögen zusammengefaßt.

19

Schaubild 2/1 Anlagevermögen des Staates insgesamt - Abweichungen DIW in vH von StaBuA vH

10-1

η

8 6-

42 X

0- ^





-2-

-4-6-

-8-

-10"Ή ? I I I I I I I I I I I 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 ι 1—I 1 1 1 r

1960

1970

1980

1990

Die Entwicklung der gesamten staatlichen Anlageinvestitionen zu konstanten Preisen zeigt, daß nach sehr starken Steigerungsraten bis Anfang der 70er Jahre in der Folgezeit die staatliche Investitionstätigkeit im Trend rückläufig gewesen ist. Dies ist vor allem auf die Einschränkungen bei Straßen und Wasserstraßen, aber auch im Unterrichtswesen zurückzuführen (vgl. Tabelle 2/1). In anderen staatlichen Aufgabenbereichen sind dagegen die Bruttoanlageinvestitionen erst später zurückgenommen (Erholung, Kultur; soziale Sicherung), oder es sind weiterhin positive - wenn auch geringfügige - Steigerungen realisiert worden (kommunale Gemeinschaftsdienste, Umweltschutz; Stadt- und Landesplanung; Gesundheitswesen, Sicherheit und Ordnung). Die Konsequenzen dieser Entwicklung lassen sich an drei Tatbeständen ablesen: -

Investitionsanteile: Während in Straßen und Wasserstraßen 1970 noch 39 vH der staatlichen Mittel investiert worden sind, waren es 1990 nur 28,4 vH. Im gleichen Zeitraum ist der Investitionsanteil der kommunalen Gemeinschaftsdienste (Abwasserbeseitigung u.a.) von 13,3 vH auf 20,3 vH gestiegen.

20

2570 2840 2910 9,7 260 260 250 2,8 1240 2540 2720 2800 13300 10100 5970 5900 3960 4440 4840 4960 1490 1320 1200 1,2 20 10 10 0,0 0,0 -6,7 1100 1750 1800 6,2 7340 9600 9780 10070 3690 3220 3310 9,4 460 430 260 280 780 510 500 7,6 21200 15470 13130 13570 370 310 300 300 1450 1190 1230 9,3

zu Preisen von 1985, in Mi». DM 1970 1980 1990 1991

1690 210 620 6470 1880 1100 0 20 420 2760 2290 320 500 9850 220 1290

1960

Insgesamt 25860 55390 54250 48100 49090 [ 7,9 -0g 1 ) Gebietsstand vor dem 3.10.1990 Quelle: Staatliche Anlagevermögensrechnung des DIW

Allg. Verwaltung 670 Verteidigung 160 Sicherheit/Ordnung Unterrichtswesen Gesundheitswesen Soziale Sicherung 980 Wohnungswesen Stadt/Landplanung 230 Gem.schaftsdienste Erholung/Kultur 930 LandForstFischerei Wasserstraßen 240 Straßen/Brücken Übr.Verkehr/Nachr. Übrige Bereiche 530

Aufgabenbereiche

02_

4,3 1,0 0,2 2,2 0,0 -0,4 7,2 7,4 0,7 0,3 7,5 -2,7 -5,1 -0,1 7,7 1,2 0,9 0,2 3,1 -1,2 -0,9 0,0 10,1 4,8 0,3 10,3 2,7 0,2 4,9 -1,4 0,3 3,7 -0,7 -4,9 0,7 4,5 -4,2 -0,2 8,0 -3,1 -1,6 0,3 5,3 -1,8 -0,3 0,0 1,2 -2,0 0,3

0,3

Durchschnittliche jährliche Veränderungsraten 1970/60 1980/70 1990/80 1991/90

Tabelle 2/1 Bruttoanlageinvestitionen des Staates 1) - nach Aufgabenbereichen -

-

Güterstruktur der Investitionen: Der Tiefbauanteil an den staatlichen Investitionen ging von 61 vH im Jahr 1970 auf 52,7 vH im Jahr 1990 zurück. Während der Hochbauanteil im selben Zeitraum nur geringfügig sank, hat der Ausrüstungsanteil um mehr als 10 Prozentpunkte auf 17,8 vH im Jahr 1990 zugenommen.

-

Anteil der Gebietskörperschaften: Er hat sich kaum geändert. Der Anteil der Gemeinden an den staatlichen Bruttoanlageinvestitionen hat sich um 1,6 Prozentpunkte auf 64,1 vH erhöht. Der Länderanteil ist mit 20,8 vH im Jahr 1990 gegenüber 21,0 vH im Jahr 1970 praktisch unverändert geblieben. Der Bund hat anteilig 1990 weniger investiert als 1970.

Auf die Entwicklung des Bruttoanlagevermögens schlagen die Veränderungen der staatlichen Investitionstätigkeit nur sehr gedämpft durch (vgl. Tabelle 2/2). Die hohen Zuwachsraten des staatlichen Kapitalbestandes in den 60er Jahren haben sich im Lauf der Zeit zwar verringert, sind aber immer noch deutlich positiv. Die Verschiebungen im Anlagevermögen nach Aufgabenbereichen fallen längst nicht so deutlich aus wie bei den Investitionen. So betrug etwa der Anteil der Straßen 32,8 vH im Jahr 1990; dies ist gegenüber 1970 ein Rückgang nur um knapp 3 Prozentpunkte gegenüber mehr als 10 Prozentpunkten bei den Investitionen. Aufgrund der sehr langen Nutzungsdauern führen auch geringe Investitionen zu einem weiteren Anstieg des Bestandes. In Infrastrukturbereichen mit einem hohen Ausrüstungs- bzw. Hochbauanteil können dagegen rückläufige Bruttoanlageinvestitionen einen Punkt erreichen, wo sie die Abgänge kaum noch ersetzen. Ein Beispiel hierfür ist das Unterrichtswesen. Viel deutlicher als in der Bestandsentwicklung des staatlichen Anlagevermögens kommen demzufolge das verringerte Niveau und die veränderte Struktur der Bruttoanlageinvestitionen in der Altersstruktur des Bruttoanlagevermögens nach Investitionsjahrgängen zum Ausdruck. In Tabelle 2/3 sind entsprechende Berechnungen zusammengefaßt.

Betrachtet man

beispielsweise die Altersklassen von bis zu zehn Jahren, also die jüngsten Anlagebestandteile, und von mehr als 51 Jahren, also die ältesten Anlagebestandteile, so zeigt sich, daß die hohen Infrastrukturinvestitionen der 60er Jahre zu einem Anstieg des Anteils der jüngsten Anlagen um fast 15 vH-Punkte auf fast 50 vH und einem Rückgang der ältesten Anlagebestandteile um mehr als 8 vH-Punkte auf knapp 12 vH im Jahr 1970 geführt haben. Schon 1980 ist der Anteil des jüngsten Anlagevermögens auf knapp 41 vH gesunken. 1990 beträgt dieser Anteil nur noch 26 vH und ist damit niedriger als im Jahr 1960. Unter Berücksichtigung der mittleren Altersklassen (von 11 bis 30 Jahren) ist das Anlagevermögen insgesamt nicht so dramatisch "veraltet", die Verschlechterung macht sich aber schon bemerkbar. Im Vergleich von 1990 zu 1980 ist z.B. der Anteil der Anlagenbestandteile, die älter als 31 Jahre sind, bereits wieder leicht gestiegen.

22

1960

1991

Insgesamt 439114 822716 1327333 1) Gebietsstand vordem 3.10.1990 Quelle: Staatliche Anlagevermögensrechnung des DIW

1726311

1767720 1 6,5 4^9

27

02_

0,5 0,3 0,3 0,2 0,3 0,2 0,2

0,3 0,1 0,3 0,2

0,3

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten 1970/60 1980/70 1990/80 1991/90

Allg. Verwaltung 17719 27801 44480 64841 66984 4,6 4,8 3,8 Verteidigung 5010 6852 8479 10580 10800 3,2 2,2 2,2 0,2 Sicherheit/Ordnung 15752 23867 39889 56173 57892 4,2 5,3 3,5 Unterrichtswesen 95356 190421 305233 354402 358597 7,2 4,8 1,5 Gesundheitswesen 41873 68388 105032 142576 146497 5,0 4,4 3,1 Soziale Sicherung 16707 25997 39683 52356 53345 4,5 4,3 2,8 Wohnungswesen 0 0 280 610 620 0,0 0,0 8,1 0,2 Stadt/Landplanung 8796 11711 17281 28704 30177 2,9 4,0 5,2 Gem.schaftsdienste 51025 104722 187934 266029 273844 7,5 6,0 3,5 Erholung/Kultur 12873 28572 57804 84213 86424 8,3 7,3 3,8 LandForstFischerei 4067 7815 11749 13765 14011 6,7 4,2 1,6 Wasserstraßen 12920 14820 24122 41677 43076 1,4 5,0 5,6 Straßen/Brücken 148771 293298 452052 565598 579542 7,0 4,4 2,3 Übr.Verkehr/Nachr. 82 2906 5831 7358 7534 42,8 7,2 2,4 Übrige Bereiche 8161 15549 27485 37429 38376 6,7 5,9 3,1 0,3

Aufgabenbereiche

zu Preisen von 1985, in Mill. DM 1970 1980 1990

Tabelle 2/2 Bruttoanlagevermögen des Staates 1) - nach Aufgabenbereichen -

24

26r3

33.4

35,0

34,2

38,9

Gesundheitswesen

Gem.schaftsdienste

Erholung/Kultur

Wasserstraßen 26?5

Straßen/Brücken

14,1

34,4

15,4

35,8

33,5

29,3

22,1

31,8

32,4

20,3

7,4

23,9

14,6

10,9

23,5

15,6

22,6

22,1

48,4

19,3

24,2

14,5

22,2

20,9

21,9

18,3

18,0

11-30 31-50 51u.älter

1970

1) in Preisen von 1985; Gebietsstand vor dem 3.10.1990 Quelle: Staatliche Anlagevermögensrechnung des DIW

30,7

40,4

Unterrichtswesen

34,9

27,3

Sicherheit/Ordnung

Insgesamt

27,4

MO

1960

Allg. Verwaltung

Jahre

Aufgabenbereiche\

22,5

52,5

31,7

55,0

47,3

41,0

51,6

36,7

17,4

23,3

34,2

19,8

19,3

20,7

23,6

23,1

8,7

42,4

8,1

15,5

14,7

12,7

13,9

41,6

39,4

39,0

28,9

52,4

42,1

38,1

40,2

10,0

43,4

18,3

33,4

34,8

35,6

43,3

29,0

10,1

11,1

10,4

7,9

9,1

11,4

6,7

12,2

12,6

26,3

6,5

18,3

6,4

14,0

14,9

9,8

13,3

13,7

21,7

32,4

35,0

32,2

32,0

19,5

39,3

38,7

38,5

9,9

57,2

11,3

51,7

46,8

43,8

57,8

12,4

10,1

38,1

6,5

7,5

9,6

12,4

9,1

9,1

1

1

1

1

1

13

31-50 51u.älter

38,0

11-30

51,4

31-50 51u.älter~10

32,1

11-30

45,6

MO

13,4

11,7 1 40,6

15,5

9,9

17,2

17,9

23,5

12,1

26,2

25,7

31-50 51u.àlter

22,5

11 >30

38,4

MO

Altersklassen in vH von insgesamt 1980 1990

Tabelle 2/3 Altersstruktur des staatlichen Bruttoanlagevermögens 1) - nach ausgewählten Aufgabenbereichen -

Ein anderer Indikator für die Veralterung der Infrastruktur ist der Anteil der Ersatz Investitionen an den Bruttoinvestitionen. Auch dieser Indikator, der hier nicht ausgewiesen ist, zeigt, daß von den Bruttoinvestitionen ein immer geringerer Anteil auf die Netto- und ein immer größerer Anteil auf die Ersatzinvestitionen entfällt. Schon 1984 haben beispielsweise die Bruttoinvestitionen im Unterrichtswesen nicht mehr ausgereicht, den Ersatzbedarf zu decken (vgl. Stille, Kirner 1985). Sofern solche Reduzierungen des infrastrukturellen Leistungspotentials auf bedarfsorientierten Zielvorstellungen beruhen, sind sie Ausdruck des notwendigen Strukturwandels auch im Infrastrukturbereich. Da dieser Prozeß - wenn auch in unterschiedlichen Ausmaß - alle Infrastrukturbereiche erfaßt hat, liegt aber die Vermutung nahe, daß bedarfs- oder zukunftsorientierte Gesichtspunkte gegenüber dem Zwang zu sparen, der sich aus der Finanzentwicklung der Gebietskörperschaften seit Mitte der 70er Jahre ergab, eine untergeordnete Rolle spielen. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre hat sich der Trend in der staatlichen Investitionstätigkeit trotz des langen Aufschwungs von 1983 bis 1991 nicht durchgreifend geändert. Kompensierende Umschichtungen in den öffentlichen Ausgaben zugunsten der Investitionen sind ebenfalls nicht erfolgt. Durch den Vereinigungsprozeß sind die staatlichen Defizite erneut in die Höhe getrieben worden. 2.2,3

Anlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur

In diesem Abschnitt soll das Bruttoanlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur im früheren Bundesgebiet quantifiziert werden. Dazu stehen im wesentlichen vier Quellen zur Verfügung: Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die DIW-Anlagevermögensrechnung für den Verkehrsbereich und die Anlagevermögensrechnung Staat des DIW. Für den Zeitraum 1950 - 1960 wurde zunehmend auch auf frühere Datensammlungen und Berechnungen des DIW zurückgegriffen (Görzig, Kirner u.a. 1977). Einmal kann man dabei das gesamte Anlagevermögen der in Frage kommenden Wirtschaftszweige bzw. der entsprechenden Untergliederungen des Staates (Straßen und Brücken; Wasserstraßen; Abwasserbeseitigung) heranziehen. Zum anderen kann man aber auch, wie einleitend skizziert, nur das Bruttoanlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. heranziehen. Diese Zusammenhänge werden im folgenden verdeutlicht. In Tabelle 2/4 sind aus den Quellen die entsprechenden Berechnungen für das Bruttoanlagevermögen der in Frage kommenden (Teile der) Wirtschaftszweige, d.h. der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.w.S. zusammengestellt. Für die Energie- und Wasserversorgung wird der 25

Bruttoanlagevermögenswert des Statistischen Bundesamtes herangezogen. Für das BAV der ι

Abwasserbeseitigung ist in erster Näherung das BAV der staatlichen Gemeinschaftsdienste gegeben. Für die Investitionstätigkeit konnten Informationen des Deutschen Instituts für Urbanistik herangezogen werden. Bei dem Wirtschaftszweig Nachrichtenübermittlung wird ebenfalls auf die Werte der VGR zurückgegriffen. Die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes für den Verkehrsbereich weichen aufgrund anderer Abgrenzungen und auch aufgrund anderer Nutzungsdauern von den in tiefer Disaggregierung vorliegenden Ergebnissen der DIW-Vermögensrechnung für den Verkehrsbereich ab. Neben Abgrenzungsunterschieden spielt hier auch die Genauigkeit der Erfassung eine Rolle. In methodischer Hinsicht am interessantesten sind unterschiedliche Annahmen über die Nutzungsdauern im Bereich Straßen und Brücken. Das Statistische Bundesamt geht beim öffentlichen Tiefbau von unendlichen Nutzungsdauern aus. Die Hypothese unendlicher Nutzungsdauern führt im Resultat zu einem höheren Anlagevermögen. Als teilweise kompensierender Faktor ist allerdings zu berücksichtigen, daß bei endlichen Nutzungsdauern die Absetzungen des Statistischen Bundesamtes für Instandhaltungsinvestitionen

nicht

vorgenommen werden. In Tabelle 2/5 wird das Bruttoanlagevermögen für die wirtschaftsnahen Infrastrukturbereiche i.e.S. ausgewiesen. Dies ist im wesentlichen nur für die Abwasserbeseitigung und den Verkehrsbereich möglich. Die Abwasserbeseitigung macht am Bruttoanlagevermögen der Gemeinschaftsdienste rd. 80 vH aus. Im Verkehrsbereich vermindern sich die Ansätze bei den Eisenbahnen und beim öffentlichen Straßenpersonenverkehr im wesentlichen um das rollende Material. Im Bereich übriger Verkehr wird weder der Güterkraftverkehr noch die Schiffahrt berücksichtigt. Die anderen Ansätze stimmen mit denen der Tabelle 2/4 überein. Das Verhältnis von Netto- zu Bruttoanlagevermögen wird als Modernitätsgrad des Anlagevermögens bezeichnet. Diese Kennziffer soll für die wirtschaftsnahe Infrastruktur i.w.S. diskutiert werden. Tabelle 2/6 zeigt, daß 1970 die wirtschaftsnahe Infrastruktur am modernsten war; d.h., daß von dem Bruttoanlagevermögen ein vergleichsweise geringer Anteil für Ersatzinvestitionen "verbraucht" wurde. Entsprechend der abnehmenden Investitionsdynamik hat sich in der Folgezeit der Modernitätsgrad fast aller Infrastrukturbereiche verringert. Ein immer höherer Anteil der Anlageinvestitionen diente der Ersatzbeschaffung. Der Verkehrsbereich hat seinen über die Jahre hinweg relativ günstigen Modernitätsgrad dem Straßenbereich zu verdanken. Hier war aber der Rückgang des Modernitätsgrades seit 1970 - neben Nachrichtenübermittlung und Schiffahrt, Häfen - am ausgeprägtesten. 26

Tabelle 2/4 Bruttoanlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.w.S. im Überblick - früheres Bundesgebiet -

Jahresanfang 1990 Mrd. DM zu Preisen von 1985 VGR1

DIW 2

Verkehr 3

Ver- und Entsoreune Energie- und Wasserversorgung Gemeinschaftsdienste, Umweltschutz

445,6 -

-

266,0

243,3

Nachrichten

-

-

-

Verkehr 207,7

-

237,3

31,0

-

66,8

Wasserstraßen

-

41/7

41,4

Straßen, Brücken

-

565,6

538,1

Eisenbahnen Schiffahrt, Häfen

134,0

-

151,9

-

-

73,7

Güterkraftverkehr

-

-

37,0

Fluggesellschaften

-

-

22,1

Flughäfen

-

-

14,4

Rohrfernleitungen

-

-

4,8

Übriger Verkehr 4

ÖSPV

nachrichtlich: Staat ohne Tiefbau Staat einschl. Tiefbau Alle Wirtschaftsbereiche

697,7

697,7

-

1 724,4

1 724,4

-

10 393,5

-

-

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. - Staatliche Anlagevermögensrechnung des DIW. - 3Anlagevermögensrechnung des DIW für den Verkehrsbereich: Bruttoanlagevermögen insgesamt. - öffentlicher Straßenpersonenverkehr (Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Stadtschnellbahn).

27

Tabelle 2/5 Bruttoanlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. - früheres Bundesgebiet 1990

1991 in Mrd. DM zu Preisen von 1985

Ver- und Entsoreune Elektrizitäts- und Fern Wärmeversorgung Gasversorgung

1

Wasserversorgung

1

1

von 1991

666,0

676,3

804,0

350,8

356,7

414,5

32,5

34,4

41,4

62,2

63,4

76,2

2

Abwasserbeseitigung

215,5

221,8

271,9

Nachrichtenübermittlung

243,3

354,4

289,φ

Verkehr

851,6

863,5

1 046.3

181,4

181,8

215,9

Binnen- und Seehäfen3

30,7

31,0

36,2

Wasserstraßen3

41,4

41,8

51,2

538,1

546,3

669,7

Öffentlicher Straßenpersonenverkehr 3

40,8

41,8

49,0

Flughäfen 3

14,4

16,0

18,7

4,8

4,8

5,6

1 755.9

1 794,2

2 139.9

Eisenbahnen, S-Bahn3,4

Straßen und Brücken3

Rohrfemleitungen 3 insgesamt

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. - 2Rd. 80 vH der Gemeinschaftsdienste (Staatliche Anlagevermögensrechnung des DIW). - 3Anlagevermögensrechnung des DIW für den Verkehrsbereich; hier: Bruttoanlagevermögen der Verkehrsinfrastruktur. - 4Einschl. Bahnhöfe.

28

Tabelle 2/6 Modernitätsgrad1 der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.w.S. - früheres Bundesgebiet -

1960

1970

1980

1990

69

70

67

64

-

70

65

59

-

71

74

73

68

67

Eisenbahnen

69

66

62

59

58

Schiffahrt, Häfen

68

65

60

54

55

Wasserstraßen

68

69

69

67

66

Straßen und Brücken

77

85

82

74

72

Übriger Verkehr

65

67

67

67

67

1993

Ver- und Entsorgung Energie- und Wasserversorgung 2 Nachrichten2 Verkehr 3

-

'Nettoanlagevermögen in vH des Bruttoanlagevermögens zu Preisen von 1985 Oahresanfangswerte). - 2(VGR) Statistisches Bundesamt. - 3Anlagevermögensrechnung des DIW für den Verkehrsbereich; Berechnungen des DIW.

2.3

Schätzungen des Anlagevermögens in den neuen Bundesländern

Für die neuen Bundesländer ist eine analoge kumulative Vermögensrechnung wie für das frühere Bundesgebiet gegenwärtig mit vielen Problemen behaftet. Insofern sind alle Quantifizierungsversuche mit großen Unsicherheiten verbunden. 2.3.1

Restriktionen

Die entscheidende Schwierigkeit besteht darin, vergleichbare Investitionsreihen für den Zeitraum vor dem 1.7.1990 als Grundlage für die Anwendung der perpetual inventory method zu erhalten. Auch die ausgewiesenen Grundmittelbestände der DDR sind nicht vergleichbar. Die mangelnde Vergleichbarkeit resultiert aus anderen Abgrenzungen, auf Unterschieden in der Erfassung und der Aufbereitung, auf mangelnder Detaillierung - z.B. nach Anlagearten - und vor allem aus der Umbewertung und der Umrechnung in D-Mark. 29

An dieser Stelle können einige dieser Schwierigkeiten nur anhand von Beispielen illustriert werden: - Abgrenzungen: Hier ergeben sich vor allem Probleme einer anderen und im Zuge des Strukturwandels gegenwärtig noch stark wechselnden Zurechnung zu den Wirtschaftszweigen. So sind Teile der staatlichen Infrastruktur in der DDR im Unternehmensbereich enthalten gewesen (Betriebskindergärten), während umgekehrt Teile der gewerblichen Wirtschaft beim Staat oder den "Massenorganisationen" einbezogen waren (Druckereien als Teil der Parteivermögen). Insbesondere bereitet also die Abgrenzung des Sektors Staat Schwierigkeiten. Hinzu kommt, daß die rechtliche Zuordnung noch bei weitem nicht abgeschlossen ist (Stichwort: Rekommunalisierung). - Unter- bzw. Nichterfassungen: Das prominenteste Beispiel ist hier der sog. X-Bereich (Massenorganisationen, Staatssicherheit u.a.). Teile der wirtschaftsnahen Infrastruktur - z.B. Telefonnetze * sind insofern untererfaßt. Aufgrund der Informationslage sind Ergänzungen schwierig. In manchen Infrastrukturbereichen spielen auch die Hinterlassenschaften der GUSStreitkräfte eine Rolle. Auch hierfür fehlen weitgehend die notwendigen Informationen. - Detaillierung: Eine Trennung der Investitionen nach Güterarten liegt z.T. nicht vor. Bei den Bauten hat man häufig keine Aufspaltung in Hoch- und Tiefbauten. Es gibt auch Schwierigkeiten bei einer Trennung von Bauten und Ausrüstungen (z.B. Fahrstühle als Teil der Bauten). Bei den Ausrüstungen fehlt eine differenzierte Güterstruktur. Teilweise sind Reparaturen und Bauleistungen als Ausrüstungsinvestitionen erfaßt. - Nutzungsdauern: Eine Berechnung der Abgangsfunktionen ist häufig schwierig, da sich zutreffende Nutzungsdauern nicht ermitteln lassen. Eine Nutzungsdauer von 5 Jahren für "Ausstattungsgesamtheiten" läßt sich kaum in die üblichen Kategorien einer kumulativen Anlagevermögensrechnung überführen. - Methodische Unterschiede: So blieben z.B. beim Staat die Verkäufe unberücksichtigt. Methodische Unterschiede bestanden auch bei den Konventionen der VGR hinsichtlich der Behandlung der Tiefbauten und der militärischen Anlagen. "In den Abschreibungen des Staates waren auch Abschreibungen für Straßen und Brücken sowie für dauerhafte Ausrüstungen für militärische Zwecke einbezogen." (WiSta 7/1993, S. 466).

30

- Preise: In der DDR ist der Preisindex für Konsumgüter weitgehend konstant gehalten worden. In die "Grundmittelbestände in effektiven Bruttowerten" sind die verschiedenen Investitionsjahrgänge ohne die Berücksichtigung von Preisveränderungen eingegangen. Mit Hilfe von Preisindizes für Investitionsgüter sind diese Grundmittelbestände mehrfach umbewertet worden. - Relation Mark der DDR zu D-Mark: Aus Vergleichbarkeitsgründen anzustreben wäre eine Bewertung der Vermögensgegenstände zu westdeutschen Anschaffungskosten. Dies Problem ist schwer zu lösen. Eine Annäherung an "realistische" Preisrelationen dürfte für die verschiedenen Wirtschaftszweige sowie die unterschiedlichen Güterarten und Vorleistungen jeweils anders ausfallen. Die Berücksichtigung von Unterschieden in den Qualitätsstandards kann nur begrenzt gelingen. Für die Anwendung einer kumulativen Vermögensrechnung sind solche Umbewertungen nicht nur für den Zeitpunkt der deutschen Vereinigung, sondern praktisch über den gesamten Zeitraum der Existenz der DDR erforderlich. - Umbewertungen: Besonders im Unternehmensbereich spielen die bilanzrechtlichen Besonderheiten der Eröffnungsbilanzen eine Rolle. (Ausgleichsforderungen gegenüber der Treuhandanstalt, Sonderabschreibungen). Für eine Anlagevermögensrechnung ergibt sich daraus vor allem die Schwierigkeit, daß solche Bewertungen auf Wiederbeschaffungspreisen beruhen. Auch wenn es gelingt, einen Bestand des Anlagevermögens zum 1.7.1990 zu ermitteln, bleiben diese Unsicherheiten und Schwierigkeiten auch in der Folgezeit bestehen. Mit Sonderabgängen ist aufgrund bestehender Differenzen bei den technischen oder umweltbezogenen Qualitätsstandards oder den Nutzungsdauern noch weiterhin zu rechnen. Hinzu kommt, daß die Versorgungsunternehmen u.U. auch aus Rentabilitätsgesichtspunkten Teile des Anlagenbestandes aussondern müssen. Dieser Prozeß ist ausführlich im Strukturbericht 1992 des DIW beschrieben worden (vgl. Stille u.a. 1992). 2.3.2

Quantifizierungen

Angesichts dieser Schwierigkeiten überrascht es nicht, daß das Statistische Bundesamt jüngst zwar die auf dem gesamtwirtschaftlichen Anlagevermögen (ohne öffentlichen Tiefbau) beruhenden Abschreibungen veröffentlicht hat, aber nicht einen Eckwert für das Anlagevermögen selbst. Das ifo-lnstitut erarbeitet momentan Kapitalstockschätzungen, die noch nicht publiziert sind. Erste Quantifizierungen, die aber für die Zwecke dieser Studie nicht detailliert genug sind, hat Görzig (1992) vorgelegt; sie haben auch in Gornig, Görzig, Schulz (1993) Eingang gefunden und werden in diesem Gutachten so weit wie möglich berücksichtigt. 31

Unmittelbar zurückgegriffen werden kann auf ein Cutachten des DIW für den Bundesminister für Verkehr, das für tiefgegliederte Verkehrsbereiche das Anlagevermögen quantifiziert (vgl. Enderlein, Kunert, Link 1993). Hierbei werden das z.T. modifizierte und auf Schätzungen beruhende Konzept der perpetual inventory method angewendet. Da für die Verkehrswegerechnungen des DIW ohnehin Investitionsreihen für das gesamte Deutsche Reich verfügbar sind, konnten für den Zeitraum vor 1945 die bisher für das Anlagevermögen im früheren Gebiet der Bundesrepublik nicht berücksichtigten Anteile den neuen Bundesländern zugerechnet werden. Für die Investitionstätigkeit bis zum 1.7.1990 sind die Informationen aus einer Vielzahl von Quellen berücksichtigt worden. Für den Zeitraum vor 1960 waren die Angaben allerdings lückenhaft, so daß für den Zeitraum von 1945 bis 1960 Schätzungen vorgenommen werden mußten. Diese Investitionszeitreihen sind methodisch und inhaltlich an die westdeutschen Berechnungen angepaßt worden. Bei den Binnen- und Seehäfen mußte allerdings die direkte Methode der mengenmäßigen Bestandsermittlung und der Bestandsbewertung mit Wiederbeschaffungspreisen verwendet werden. Tabelle 2/7 faßt die für die Einzelbereiche detaillierten Berechnungen zusammen.

Tabelle 2/7 Bruttoanlagevermögen der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundesländern 31.12.1990 Mrd. DM Preise von 1990

1.1.1991 Mrd. DM Preise von 1991

Deutsche Reichsbahn

35,4

37,8

Straßen und Brücken

64,7

69,0

2,2

2,4

10,4

11,1

4,5

4,7

1,9

2,0

0,5

0,5

2,1

2,2

117,2

125,0

Häfen Wasserstraßen

1

Übriger Verkehr Öffentlicher Straßenpersonenverkehr Flughäfen

3

Rohrfernleitungen

4

Verkehr insgesamt

2

'Flüsse und Kanäle, ohne Seen. - 2U-Bahn, Hoch- und Schwebebahn, Straßenbahn, Obus. - Einschließlich Flugsicherung. - 4Rohöl- und Mineralölproduktenleitungen über 40 km Länge. Quelle: Berechnungen des DIW; vgl. Enderlein, Kunert, Link (1993).

32

Mit diesen Berechnungen für den Verkehrsbereich dürften nach westdeutschen Erfahrungswerten rd. 50 vH der wirtschaftsnahen Infrastruktur erfaßt sein. Das Bruttoanlagevermögen der noch fehlenden Infrastrukturbereiche muß auf anderem Wege ermittelt werden. Grundlage ist der Anlagenbestand (Grundmittel), wie er den Rechenwerken der DDR entnommen werden kann. Dies erfordert einmal, daß überalterte Anlagen ausgesondert werden und der so modifizierte Anfangsbestand umbewertet wird. Erste Berechnungen nach diesem Verfahren, insbesondere für das verarbeitende Gewerbe, sind schon bald nach der Vereinigung vom DIW vorgelegt worden (vgl. Stille u.a. 1992). Im Prinzip könnte man auch versuchen, von den Eröffnungsbilanzen auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die betrieblichen Nutzungsdauern niedriger angesetzt werden, als dies in der Anlagevermögensrechnung der Fall ist. Insofern unterschätzen die Bilanzangaben das Nettoanlagevermögen erheblich. Ein weiteres Verfahren beruht auf produktionstheoretischen Überlegungen, indem auf der Grundlage sehr restriktiver Annahmen die Kapitalproduktivität ostdeutscher Unternehmen aus dem entsprechenden westdeutschen Wert abgeleitet wird (vgl. zu den verschiedenen Verfahren Görzig, Noack 1993). Im folgenden werden die Überlegungen und Berechnungen präsentiert, die in Kooperation mit dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle erarbeitet worden sind. Ausgangspunkt sind die Angaben aus der Grundmittelstatistik der DDR, auf deren Grundlage die Ausrüstungen und Bauten für die vier relevanten Infrastrukturbereiche i.w.S. - Energie- und Wasserversorgung, Verkehr, Nachrichten, Staat - ermittelt worden sind. Am problematischsten ist, wie bereits ausgeführt, der Staatsbereich. Untererfassungen sind hier nicht auszuschließen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Abwasserbeseitigung; die zugänglichen Angaben zur Wasserwirtschaft lassen keine plausible Trennung zwischen Wasserver- und entsorgung zu. Insofern waren hier grobe Schätzungen notwendig. Das angewendete Verfahren ist in Tabelle 2/8 zusammengefaßt. Die ermittelten Anlagenwerte in Mark der DDR wurden in D-Mark umbewertet; die Umrechnung bei Bauten erfolgte im Verhältnis 1:1, bei Ausrüstungen im Verhältnis 1:0,6. Dies sind die in Spalte 1 der Tabelle ausgewiesenen Ursprungswerte. Danach ergibt sich ein rechnerischer Wert von 462 Mrd. DM für Ende des ersten Halbjahres 1990. Dieser Ursprungswert ist neu aufbereitet worden; dies ist notwendig, um die Ursprungswerte an die Systematik der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes anzupassen. Im einzelnen handelt es sich dabei

33

-

im Bereich der Energie- und Wasserversorgung um die Ausgliederung von Aktivitäten des Anlagenbaus und der Abwasserbehandlung bzw. -beseitigung. Hinzu kommen Preisbereinigungen;

-

im Wirtschaftszweig Verkehr um die Ausgliederung von (geschätzten) 1 Mrd. DM Wasserstraßen und 6 Mrd. DM Aktivitäten des verarbeitenden Gewerbes (Reichsbahnausbesserungswerk, Reichsbahnbau) ι

-

im Wirtschaftszweig Nachrichtenübermittlung um die Ausgliederung von Zeitungsvertrieb und Postbank. Hinzu kommen auch hier Preisbereinigungen. In diesem Wirtschaftszweig werden auch Eingliederungen angesetzt (Übernahme der Telefonnetze der Staatssicherheit, der Kombinate und der Armee);

-

im Staatssektor um die Eingliederung von Abwasserbehandlung und Wasserstraßen sowie Eingliederungen aufgrund der Hinterlassenschaften des X-Bereichs und der GUS-Streitkräfte in Deutschland. i

Auf diese systematisierten und revidierten Ursprungswerte sind Abschläge aufgrund von Veralterung oder aufgrund von Sonderabgängen vorzunehmen; dabei wurden auch solche Abgänge erfaßt, die praktisch zum 1.7.1990 geplant, aber noch nicht vollzogen waren. Sie wurden also rechnerisch auf den Zeitpunkt der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (1.7.1990) vorgezogen. Diese Abschläge beruhen auf punktuellen Informationen und berücksichtigen im Bereich -

Energie- und Wasserversorgung: die Stillegung und den teilweisen Abriß der Kernkraftwerke, die Stillegung etwa der Hälfte der Braunkohlekraftwerkskapazitäten und die teilweise Stillegung der Gaserzeugungsanlagen;

-

Nachrichten: Aussonderungen aus dem Wagenpark der "gelben" Post, Aussonderung der DDR-Rechentechnik und der Vermittlungsstationen der Telekom;

-

Verkehr: Verkäufe von Lokomotiven, Schiffen und Flugzeugen; die teilweise Verschrottung des Güterwagenparks der Reichsbahn;

-

34

Staat: Veralterungsabschläge vor allem beim Hochbau und bei der Abwasserbeseitigung.

Tabelle 2/8 Umrechnung des Bruttoanlagevermögens ausgewählter VGR-Bereiche - neue Bundesländer 1.7.1990 Mrd. DM in Preisen von 1991 Ursprungswert

Neuaufbereitung

Abschläge

1.7.1990

- 51

75

- 7

6

Ausgliederung

Eingliederung

158

-32

0

16

-4

+ 1

Verkehr

109

- 7

0

-24

78

Staat

179

0

+ 30

-9

200

Energie- und Wasserversorgung Nachrichtenübermittlung

Indem man von den so berechneten Werten für den 1.7.1990, die nur als erste grobe Approximationen zu verstehen sind, ausgeht und die Investitionen sowie die Abgänge des zweiten Halbjahrs 1990 berücksichtigt, ergeben sich in Ergänzung der Tabelle 2/7 folgende Jahresanfangswerte 1991 (in Mrd. DM zu Preisen von 1991): -

Energie- und Wasserversorgung

-

Nachrichten

-

Abwasserbeseitigung

76,4 8,1 20,0

Im Vergleich mit den Berechnungen für den Verkehrsbereich in Tabelle 2/7 dürften diese Ergänzungsschätzungen insgesamt mit größeren Fehlermargen behaftet sein. Gleichwohl sind sie nicht unplausibel. So ist der Wert für den Wirtschaftszweig Nachrichten auch aufgrund der Bilanzen von Telekom und Postdienst für die neuen Bundesländer überprüft worden. Aus den Bilanzen läßt sich zum 1.1.1991 ein Nettoanlagevermögen von rd. 3 Mrd. DM errechnen. Eine mit der VGR verknüpften Anlagevermögensrechnung dürfte zu einem um etwa ein Drittel höheren Wert des Nettoanlagevermögens führen - also rund 4 Mrd. DM. Der Modernitätsgrad bestimmt das Verhältnis von Netto- zu Bruttoanlagevermögen. Generell gilt, daß bei hohen Abschlägen in Tabelle 2/8 schon ein erheblicher Teil der Abschreibungen vorgezogen wird und für den Restbestand die Abschreibungen entsprechend niedriger anzusetzen sind. Diese Argumentation gilt auch für die Abgangsraten; bei hohen Abschlägen werden zuerst die wirklich alten Anlagen ausgesondert, so daß sich die Altersstruktur verbessert 35

und die Abgänge verringern. Im Wirtschaftszweig Nachrichtenübermittlung dürfte aber trotz der hohen Abschläge der Modernitätsgrad des gesamten Anlagenbestandes aufgrund des zum 1.1.1991 noch hohen Anteils des Altbestandes im Durchschnitt niedriger sein als der Anlagenbestand der Nachrichtenübermittlung in Westdeutschland. Ein Modernitätsgrad von 50 vH I scheint nicht unplausibel. Damit kompatibel ist der geschätzte Wert für das Bruttoanlagevermögen in Höhe von rund 8 Mrd. DM.

36

3.

Wirtschaftsnahe Infrastruktur: Alte und neue Bundesländer im Vergleich

Bevor der Stellenwert von wirtschaftsnaher Infrastruktur für die wirtschaftliche Entwicklung genauer analysiert wird, sollen an dieser Stelle die vorhandenen Informationen über die Infrastrukturausstattung im früheren Bundesgebiet und in den neuen Bundesländern verglichen werden. Ein solcher Vergleich ist nur in den groben Kategorien des errechneten Anlagevermögens oder der physischen Indikatoren möglich. Ein erster Vergleich besteht darin zu zeigen, in welchem Verhältnis die Infrastrukturausstattung in den neuen Bundesländern zu der im früheren Bundesgebiet steht. Gleichermaßen kann man die Ausstattung in den neuen Bundesländern auf das gesamte Bundesgebiet beziehen. Beide Verhältniszahlen (in vH) beleuchten inhaltlich denselben Sachverhalt; da die erste Variante aber zu "reagibleren" Werten führt als die zweite, wird die erste bevorzugt verwendet. Mit einem solchen Vergleich absoluter Zahlen wird dem Umstand, daß es sich um zwei I ungleich große Teilregionen Deutschlands handelt, nicht Rechnung getragen. Daher wird im zweiten Vergleich die jeweilige Ausstattung mit Infrastruktur auf einen anderen Indikator für die jeweilige Teilregion bezogen. Für physische Indikatoren ist dieses Verfahren gebräuchlich; z.B. wird die Streckenlänge der Eisenbahnen auf die Fläche des zugrunde liegenden Gebiets bezogen. Bei physischen Indikatoren ergeben sich Bezugsgrößen je nach Problemstellung meistens intuitiv. Auch für gesamtwirtschaftliche Aggregate gibt es eine Vielzahl von gebräuchlichen Kenngrößen; häufig wird das Bruttosozialprodukt bzw. das Bruttoinlandsprodukt oder das Volkseinkommen herangezogen, je nachdem, ob es sich um Analysen der Entstehung, Verwendung oder Verteilung handelt. Allenfalls ist hierbei auf das Problem echter/unechter Quoten bzw. das von Strom- und/oder Bestandsgrößen zu achten. Gebräuchlich ist aber auch als Bezugsgröße die Bevölkerung (Pro-Kopf-Einkommen), das Erwerbspersonenpotential oder die Zahl der Erwerbstätigen (Produktivität). Im Fall der neuen Bundesländer ist das tatsächliche Bruttosozial- bzw. -inlandsprodukt eine problematische Bezugsgröße. Infrastrukturausstattung ist im Verhältnis zum Produktionspotential zu sehen und darf daher nicht nur aufgrund von dessen temporärer Auslastung beurteilt werden. Mit dem tatsächlichen Sozialprodukt als Bezugsgröße wird auch der Vergleich von Ost- zu Westdeutschland in dem Maße verzerrt, wie die Kapazitätsauslastung in West- und Ostdeutschland sehr unterschiedlich ist. Insofern ist diese Bezugsgröße um die jeweilige 37

Auslastung zu korrigieren.

Eine solche Korrektur ist prinzipiell zwar möglich, trifft aber -

besonders für Ostdeutschland - auf einige Probleme. Informationen über Auslastungskennziffern liegen vor allem für das verarbeitende Gewerbe aufgrund von Umfragen bei den Unternehmen vor. Hochrechnungen auf die Gesamtwirtschaft erfordern eine model theoretische Begründung und sind nicht ohne weiteres verfügbar. Besser ist die Informationsbasis bei den in Personen gemessenen Bezugsgrößen. Deshalb ist hier anstelle des Produktionspotentials die wirtschaftsnahe Infrastrukturausstattung auf das Erwerbspersonenpotential bezogen worden. Damit werden nicht nur die Erwerbstätigen, sondern - als Indikator der Unterauslastung - auch die registrierten Arbeitslosen sowie die Stille Reserve, d.h. die nicht als arbeitslos gemeldeten, aber gleichwohl Arbeit Suchenden berücksichtigt. Eine solche Bezugsgröße ist für das zu untersuchende Problem sehr aussagekräftig. Gegenüber der Bevölkerungszahl hat das Erwerbspersonenpotential den Vorteil, die wirtschaftliche Entwicklung besser widerzuspiegeln. Für diese Bezugsgröße spricht auch, daß aktuelle Werte und für die absehbare Zukunft plausible Schätzungen für West- und Ostdeutschland vorliegen (vgl. Gornig, Görzig, Schulz 1993). 3.1

Anlagevermögen

Tabelle 3/1 gibt einen Überblick über die Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur i.e.S. im früheren Bundesgebiet und in den neuen Bundesländern. Im Durchschnitt machte Anfang 1991 das Anlagevermögen der wirtschaftsnahen Infrastruktur in Ostdeutschland rd. 11 vH des Wertes in Westdeutschland aus. Die Infrastrukturkapitalausstattung je Kopf des Erwerbspersonenpotentials beträgt in den neuen Ländern rund 26 000 DM gegenüber 67 000 DM in den alten Bundesländern. Für das gesamte Bundesgebiet ergibt sich eine Infrastrukturintensität von 58 000 DM. Bezieht man die so definierte Infrastrukturintensität in den neuen Bundesländern auf die im früheren Bundesgebiet, so lag ihr Durchschnitt Anfang 1991 in Ost- bei 39 vH von Westdeutschland. Dieser Befund wird sehr stark von dem Wert für die Straßen und Brücken geprägt. Der Rückstand im Verhältnis zu Westdeutschland war Anfang 1991 in der Nachrichtenübermittlung am größten. Auch im übrigen Verkehr und bei den Häfen sind überdurchschnittlich hohe relative Defizite zu verzeichnen. Dagegen war der Rückstand bei Eisenbahnen und Wasserstraßen weniger groß. Diese Berechnungen zeigen also, daß die Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur in Ostdeutschland im jähr 1991 in Relation zum Erwerbspersonenpotential um 60 vH unter der entsprechenden Relation in Westdeutschland lag. Aufgrund des niedrigeren Modernitätsgrades

38

39

2,8 11,8

9,01

8,64 14,83

0,91 7,27 32,80 14,20

16,52 10,1 28,80

52,3

32,2

8,8

370 13,8 10,09 5,11 9,02 50,7 254 17,6 6,71 4,32 6,20 64,4 2 38 5,6 1,12 0,23 0,93 20,3 5 78 6,8 2,27 0,57 1,90 25,1 80 811 10,9 22,70 9,09 19,78 40,0 69 748 10,2 21,09 7,84 18,24 37,2 11 63 21,2 1,61 1,25 1,54 77,4 19 291 7^ M§ 2116 7J0 25,6 2378 10,6 66,77 25,91 58,00 38,8

45 38

298

608 14,3

(6) (7) WestOstdeutschland

in vH

43,3

41

27,3 24,5

(8) Gesamt- (6): (5) deutschtand deutschland

in 1 000 DM, zu Preisen von 1991

BAV/Erwerbspersonenpotentiai

Bevölkerung in Mill, !________ 153 803 1) Jahresanfangswerte. Quellen: Statistisches Bundesamt; Anlagevermögensrechnung und Erwerbspotentialrechnung des DIW; Schätzungen des IWH.

Erwerbspersonenpotential in Mill.

nachrichtlich:

325 216 36 73 731 679 52 272 2150 228

Verkehr (ohne staatl. Verkehr) Eisenbahnen Binnen-und Seehäfen Übriger Verkehr Staatlicher Verkehr Straßen und Brucken Wasserstraßen Abwasserbeseitigung Insgesamt

76 8 125 1181

290 1056

532

Nachrichtenübermittlung Verkehr insgesamt

Energie-u. Wasserversorgung

in vH

0) (2) (3) (4) (5) WestOstGesamt(2):(1) deutschland deutschland deutschland

in Mrd. DM, zu Preisen von 1991

Bruttoanlagevermögen (BAV) 1) der Infrastrukturbereiche

Tabelle 3/1 Infrastrukturintensität im Jahr 1991 - West- und Ostdeutschland -

in den neuen Bundesländern dürfte der Rückstand im Leistungspotential - z.B. gemessen am Nettoanlagevermögen - gegenüber dem früheren Bundesgebiet noch größer sein. In den meisten Bereichen der Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland ist im Zeitraum 1950 bis 1990 mit vergleichsweise niedrigen mittleren Nutzungsdauern bzw. mit kürzeren Abgangsbzw. Abschreibungsintervallen gerechnet worden. Auch Ende 1990 ist der Modernitätsgrad in den neuen Bundesländern i.d.R. deutlich niedriger als im früheren Bundesgebiet (vgl. Tabelle 3/2). Abgesehen von den Rohrfernleitungen ist der relative Abstand bei den Eisenbahnen am geringsten, gefolgt von den Häfen sowie Flughäfen. Am deutlichsten fällt der relative Abstand bei den Straßen sowie im öffentlichen Straßenpersonenverkehr aus. Dies bedeutet, daß zur Erhaltung der bestehenden Anlagen vergleichsweise höhere Beträge anzusetzen sind als für entsprechende Aggregate im früheren Bundesgebiet.

Tabelle 3/2 Modernitätsgrad der Verkehrsinfrastruktur 1 i.e.S. - West- und Ostdeutschland Bruttoan lagevermögen2 West- ;Ι Ostdeutschland Eisenbahnen Schienenwege

203,0

Umschlageinrichtungen Straßen Bundesautobahnen

Nettoanlagevermögen2

Modem itätsgrad3

West- ΙΙ Ostdeutschland

West- jΙ Ostdeutschland

35,4 29,5

122,1 97,0

17,1 14,6

60 62

48 50

47,0 615,0 118,0 97,0

5/9 84,0

25,1 454,0 95,0

53 74

42 43

72,0

2/5 36,0 6,6 9/2

81 74

59 57

Sonstige öffentliche Straßen Häfen Wasserstraßen ÖSPV Flughäfen Rohrfernleitungen

400,0

37,4

287,0

19,8

72

53

36,0 48,4 47,2 18,6 5,5

2,3 10,4

22,7

1,2 5,3

1/9 0,3

1/0 0/3

2/1

41,1 12/7 2/6

1/0

63 67 87 68 47

53 51 52 55 47

Gesamte Verkehrsinfrastruktur

973,8

117,3

687,4

61,5

71

52

Bundesstraßen

156,0

Jahresende 1990. ln Mrd. DM zu Preisen von 1990. 3 Netto- in vH des Bruttoanlagevermögens. 2

Quelle: DIW.

40

11,2 16,1

32,1

3.2

Ausgewählte physische Indikatoren im Ost-West-Vergleich

3.2.1

Verkehrsinfrastruktur

Die räumliche Erschließung der Regionen einer Volkswirtschaft ermöglicht den Arbeits- und Güteraustausch zwischen den verschiedenen Teilen eines Landes. Um diesen Austausch zu entwickeln und auf einem hohen Stand zu halten, ist ein engmaschiges Verkehrsnetz mit gutem Ausbaustandard notwendig. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur wird daher als eine Voraussetzung für die ökonomische Entwicklung einer Volkswirtschaft angesehen. Der räumliche Erschließungsgrad kann durch Dichteziffern des Verkehrsnetzes gekennzeichnet werden. Der qualitative Zustand kommt einerseits in den monetären Erfassungsgrößen (Vermögenswerte, Modernitätsgrad) zum Ausdruck, zum anderen kann er bei der Beschreibung der einzelnen Teilnetze in physischen Kategorien (Anteil der Hauptstrecken, Fahrbahnbreiten, Oberflächenbeschaffenheit, etc.) dargestellt werden. Das volkswirtschaftliche Netz der Land Verkehrswege1 setzt sich aus den Bereichen -

Eisenbahnen (einschließlich S-Bahnen),

-

Stadtschnellbahnen und Straßenbahnen (einschl. U-Bahnen),

-

Rohrfernleitungen,

-

Straßen und

-

Wasserstraßen

zusammen. In den alten Bundesländern ist durch die Investitionstätigkeit seit 1950 ein insgesamt sehr leistungsfähiges Verkehrssystem entstanden (vgl. Tabelle 3/3). So ist insbesondere das Straßennetz quantitativ und qualitativ stark erweitert worden. Die Länge des gesamten Straßennetzes nahm von rund 345 000 km im Jahre 1950 auf 500 000 km im Jahre 1990 zu. Bezogen auf die Gebietsfläche verfügen die alten Bundesländer damit über eines der am besten ausgebauten Straßennetze in Europa. Die Netzdichte betrug 1990 2010 km/1000 km2. Etwas überdurchschnittlich verlief die Investitionstätigkeit bei den Bundesfernstraßen. Hier hat sich das Netz von 26 000 km im Jahre 1950 um mehr als die Hälfte auf 40 000 km im Jahre 1990 vergrößert. Bei den Autobahnen sind drei Viertel des heutigen Netzes (9000 km) nach 1950 entstanden.

1

Einrichtungen der Flugsicherung werden in dieser Untersuchung nicht betrachtet, da sie statistisch nicht als gesonderter Bereich nachgewiesen werden. 41

Eine starke Ausdehnung hat vor allem in den 60er Jahren das Netz der Rohöl- und Mineralölproduktenleitungen erfahren. Zwischen 1960 und 1970 wurde es von 500 km auf 2100 km erweitert und verharrt seitdem auf diesem Niveau. Stagniert hat im gesamten Betrachtungszeitraum das Wasserstraßennetz. Zwar hat es hier qualitative Verbesserungen und auch einige neue Kanalstrecken gegeben. Andererseits wurden im Laufe der Zeit Abschnitte aus dem schiffbar zu haltenden Netz ausgesondert, so daß die gesamte Netzlänge seit 1950 etwa gleichgeblieben ist. Die wesentlichen Netzbestandteile sind Donau, Rhein, Main, Mosel und Weser mit ihren Nebenflüssen und große Kanäle (Mittelland-, Dortmund-Ems-, Main-Donau-Kanal). Die Netzdichte beträgt insgesamt 19 krn/1000 km2. Neben dem Neubau des Main-Donau-Kanals waren ein Schwerpunkt der Investitionstätigkeit in den letzten 20 Jahren die durch das hohe Verkehrsaufkommen aus den Seehäfen erforderlich gewordene Erneuerung der nord- und westdeutschen Binnenwasserstraßen sowie einige Netzergänzungen. Rückläufig war die Netzlänge im öffentlichen Schienenverkehr. Dabei konnte bei den Stadtschnellbahnen (U-Bahnen, U-Straßenbahnen und herkömmliche Straßenbahnen) die durch die Umstellung auf Omnibusse verursachte Stillegung vieler Straßenbahnlinien durch den Ausbau bei U-Bahnen und U-Straßenbahnen, die mittlerweile einen Anteil von knapp 30 vH haben, nicht ausgeglichen werden. Im Eisenbahnverkehr (einschl. S-Bahnen und nichtbundeseigene Eisenbahnen) reduzierte sich durch Streckenstil legungen das Netz seit 1950 von 37 000 km auf 30 000 km. Dabei umfaßt das Netz der Deutschen Bundesbahn rund 12 000 km elektrifizierte Strecken mit hohem technischen Standard. Auf diesem Kernnetz werden rund 90 vH aller Verkehrsleistungen erbracht. Dagegen sind rund 9000 km Strecken im Netz enthalten, die nur eine geringe Leistungsfähigkeit aufweisen und zum Teil für eine Stillegung vorgesehen sind. Insgesamt betrug die Netzdichte im Jahre 1990 108 km/1000 km2. Die Dichte der Wegenetze der einzelnen Verkehrssysteme in Ostdeutschland übertrifft - vom Straßenbereich abgesehen - die Ausstattungsziffern für Westdeutschland noch etwas. Allerdings waren die Verkehrswege zum Zeitpunkt der Vereinigung qualitativ durchweg in einem schlechten Zustand, da die Anlagen in der Vergangenheit unzureichend unterhalten wurden. Das Straßennetz weist in den neuen Bundesländern 1990 eine Länge von 128 000 km auf. Die entsprechende befestigte Fläche beträgt annähernd 700 km2. Die Netzdichte liegt mit 1180 km 42

Tabelle 3/3 Entwicklung der Verkehrswege in den alten Bundesländern

Einheit

1960

1970

1980

1985

1990

1991

1000 km Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

30,7 1.50 4,20 79,55

29,5 1,93 3,69 103,34

28,5 3,53 3,97 126,17

27,6 4,55 4,55 133,73

26,9 3,73 3,22 141,58

27,1 3,38 2,81 141,65

1000 km Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

3,2 0,12 0,34 9,18

2,2 0,61 1.07 14,94

1.9 1.78 1,85 29,49

1.9 1,40 1,40 36,36

1.9 1.66 1,36 41,81

1.9 1.56 1,26 42,77

Netzlänge Investitionen zu jeweiligen Preisen Investitionen zu Preisen von 1985 Bruttoanlagevermögen zu Preisen von 1985

1000 km Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

362,5 3,42 8,34 128,68

432,3 11,76 21,38 275,04

479,5 17,07 17,80 445,29

490,0 13,94 13,94 500,03

496,9 15,58 13,69 546,35

501,0 16,38 13,52 553,97

Darunter Bundesfernstraßen Netzlenge Investitionen zu jeweiligen Preisen Investitionen zu Preisen von 1985 Bruttoanlagevermögen zu Preisen von 1985

1000 km Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

27,5 1.21 2,95 41,47

36,3 4,31 7.84 96,52

39,6 5,43 5,66 158,23

39,7 4,45 4,45 177,02

39,9 5,04 4,43 193,54

39,9 5,35 4,42 196,47

1000 km Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

4,5 0,25 0,67 22,31

4,4 0,49 0,84 28,72

4,4 0,76 0,79 36,63

4,3 0,90 0,90 39,24

4,4 0,87 0,77 41,80

4,4 0,97 0,78 42,22

1000 km Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

0,5 0,03 0,09 1.01

2,1 0,05 0,10 4,02

2,1 0,08 0,09 5,07

2,2 0,12 0,12 4,98

2,2 0,20 0,16 4.78

2,2 0,25 0,21 4.77

Mrd. DM Mrd. DM Mrd. DM

6,52 16,58 282,19

19,15 34,92 522,58

28,65 30,17 800,68

25,36 25,36 891,36

26,98 23.65 969,86

27,89 23,02 981,84

Infrastrukturbereiche Eisenbahnen, S-Bahn Netzlänge invesMonen zu Jeweiligen Preisen Investitionen zu Preisen von 1085 Bruttoanlagevermögen zu Preisen von 1965

Stadtschnell- und Straßenbahnen 1) Netzlenge Investitionen zu jeweiligen Preisen Investitionen zu Preisen von 1985 Bfuttoanlagevermögen zu Preisen von 1985

Straßen und Brücken

Wasserstraßen 2) Netzlänge Investitionen zu jeweiligen Preisen Investitionen zu Preisen von 1985 Bruttoanlagevermögen zu Preisen von 1985

Rohrfernleitungen 3) Netzlänge Investitionen zu jeweiligen Preisen Investitionen zu Preieen von 1985 Bruttoanlagevermögen zu Preisen von 1985

Insgesamt Investitionen zu jeweiligen Preisen Investitionen zu Preisen von 1985 Bfuttoanlagevermögen zu Preisen von 1985

1) Fahrweg einschließlich zugehöriger Ani aceri. · 2) Bis zur Seegrenze. 3) Rohöl- und Mineralölproduktenleitungen über 40 km Lange. Quelle: "Verkehr in Zahlen", Hrsg.: Oer Bundesminister für Verkehr, verantwortlich für den Inhalt: Deutsches Institut fur Wirtschaftsforschung.

43

Streckenlänge je 1000 km2 Gebietsfläche deutlich unter dem Vergleichswert für Westdeutschland und erreicht nur etwa 60 vH des dort gegebenen Ausstattungsniveaus. Bezieht man die Netzlänge allerdings auf die jeweiligen Einwohnerzählen, ergeben sich Werte in vergleichbarer Größenordnung. Etwas geringer als im Durchschnitt aller Straßenklassen ist die Ausstattung mit Autobahnen. Hier liegt die flächenbezogene Netzdichte noch knapp unter der Hälfte des westdeutschen Wertes. Wegen der geringeren Erschließung mit Autobahnen werden die Bundesstraßen vergleichsweise stärker für den überregionalen Verkehr genutzt. Das derzeit vorhandene Netz ist zum überwiegenden Teil schon vor dem Zweiten Weltkrieg angelegt worden und befand sich wegen unzureichender Ersatzmaßnahmen in einem mangelhaften Zustand. "In der ehemaligen DDR wurde der Zustand von Straßen und Brücken in vier Kategorien bewertet, wobei die Zustandsnoten III und IV erhebliche bzw. schwere Schäden mit der Folge eingeschränkter Befahrbarkeit bzw. Tragfähigkeit ausweisen. Auf diese in den alten Bundesländern kaum anzutreffenden Straßenqualitäten entfallen in den neuen Bundesländern bei den Autobahnen ca. 46 vH der Flächen, bei den Bundesstraßen ca. 22 vH, bei den Landesstraßen ca. 41 vH und bei den kommunalen Straßen ca. 68 vH. Etwa 12 vH der Brückenfläche von Autobahnen sind in diese unzureichenden Qualitätsklassen eingestuft, desgleichen ca. 17 vH der Bundesstraßen, ca. 22 vH der Landesstraßen und 36 vH der kommunalen Straßen" (Enderlein, Kunert, Link, S. 48). Das Netz der Rohrfernleitungen

in den neuen Ländern beträgt 1323 km. Die Netzdichte (12

km/1 000 km2) ist damit etwas höher als in den alten Ländern. Die wichtigsten Leitungen sind -

die Rohölleitung Druschba: (Adamoro/Gdansk)-Schwedt-Rostock,

-

die Rohölleitung Schwedt-Leuna-Lützendorf/Zeitz,

-

die Produktenleitung Schwedt-Seefeld und

-

die Produktenleitung Leuna-(Litvinow).

Das Wassersträßennetz

der neuen Bundesländer weist mit einer Länge von 2500 km eine

höhere Dichte auf als das westdeutsche Netz. Die wichtigsten Binnenschiffahrtswege sind Elbe, Oder und das märkische Kanalnetz. Für die Verbindung mit den alten Bundesländern ist insbesondere der Mittellandkanal von Bedeutung. Die Abmessungen entsprechen überwiegend dem Vorkriegsstandard. Während in Westdeutschland 70 vH der Wasserstraßen den höherwertigen Ausbauklassen IV, V und VI angehören, genügt in den neuen Ländern lediglich ein Viertel den Anforderungen der Wasserstraßenklasse IV (Enderlein, Kunert, Link 1993, S. 54).

44

Das Streckennetz des Schienenverkehrs

im Bereich des öffentlichen

Straßenpersonenverkehrs

besteht aus dem U-Bahn-System in Berlin-Ost und Straßenbahnen in 27 Städten und Gemeinden. Hinzu kommen Obuslinien in 4 Städten. Die Netzlänge beträgt insgesamt knapp 1000 km. Im Vergleich zu den alten Bundesländern ergibt sich damit ein etwas höherer Dichtewert, jedoch auch eine abweichende Zusammensetzung des Bahnensystems. Während das Gesamtnetz in den neuen Bundesländern fast ausschließlich aus Straßenbahnstrecken gebildet wird, haben die Stadtschnellbahnen (U-Bahnen und U-Straßenbahnen) in Westdeutschland einen Anteil von 30 vH, eine Folge der bereits angesprochenen Verlagerung von Straßenbahnverkehr auf Omnibusse und des Baus von Tunnelstrecken in den Stadtzentren. Im Eisenbahnverkehr

stand der Deutschen Reichsbahn 1990 ein Netz von 14 000 km zur

Verfügung, das damit dichter als das Netz in den alten Bundesländern ist. Allerdings sind die Anteile und auch die Dichtewerte bei den bedeutenderen Strecken (Mehrgleitigkeit, Elektrifizierung) im Westen durchweg höher. Obwohl die Bahn in der DDR das wichtigste Verkehrsmittel war und etwa die Hälfte der Investitionsmittel erhielt, waren die Anlagen teilweise in mangelhaftem Zustand. Gravierende Schäden sind u.a. durch -

Geschwindigkeitsbegrenzungen auf einer gesamten Länge von 822 km,

-

verminderte Tragfähigkeit bei 46 vH aller Brücken,

-

Achslastbeschränkungen auf 30 vH aller Strecken,

-

Schäden an Spannbetonschwellen und Spannbetonmasten

belegt (Enderlein, Kunert, Link 1993, S. 40/41).

45

46 100,0

7JH

2,88

km/1000 Einwohner

697

84,2

7,2

vH

2

1

100,0

83,5

26,8

m

5,6

km/1000 Einwohner

7,95

2,76

100,0 3 115

92,0 2 600

89

vH

OBreite

Zum Vergleich: Alte Bundeständer

240 7,7

km

275 8,8

km/km

500 960

461 000

2,01

0,70

5,1

vH

Fläche

8 960 1,8

31 000 6,2

15,7

km

Lange m

Landes·« Kreis· und Gemeindestraßen. Bundesfern·, Landes· und Kreisstraßen bzw. Bezirksstraßen.

U8

0,44

100,0

587

11,6

4,2

km*

OBreite

Quellen: Der Bundesminister für Verkehr, A. Schmuck 1991, Berechnungen des DIW.

2i

11

Insgesamt

Straßen des überörtlichen Verkehrs 21

km/km

2

128 150

Insgesamt

89,8

11 300 8,8 81

115 000

Netzdicht»

fc™ vH

Flache

1 850 1,4 29

länge

Straßen11

Sonstige öffentliche

Bundesstraßen

Bundesautobahnen

- Ä Straßenart

Neue Bundeständer

Straßennetz 1990

Tabelle 3/4

H

Tabelle 3/5 Verkehrswegenetze in West- und Ostdeutschland im Jahre 1990 Streckenlänge km West Eisenbahn1' darunter Hauptstrecken mehrgleisig elektrifiziert Öffentlicher Straßenpersonenverkehr davon Stadtschnellbahn2' Straßenbahn Obus Straßen davon Β undesautobahnen Bundesstraßen sonstige klassifizierte Straßen3'

Netzdichte km/1000 km2 Gebietsfläche

Ost

West

Ost

26 949

14 040

108

130

18 200 12 373 11 693

7 537 4 226 4 025

73 50 47

69 39 37 •

1 918

987

7,7

9,1

562 1 316 40

26 948 13

2,3 5,2 0,2

0,2

500 960

128 150

2 010

1 180

8 959 31 000

1 850 11 300

36 124

17 104

461 000

115 000

1 850

1 059

0,1

Β innenwasserstraßen darunter Hauptstrecken Kanäle

4 700

2 500

19

23

4 200 1 200

1 925 330

17 5

18 3

Rohrfernleitungen

2 222

1 323

9

12

Betriebslänge. - 2 ) U-Bahnen, Hoch- und Schwebebahnen. -3 ' Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen. - 4 1 Schiffbare Länge; bis zur Seegrenze; Flüsse und Kanäle, ohne Seen. Quelle: Enderlein, Kunert, Link 1993. υ

47

3.2.2

Telekommunikation

Das Nachrichtenwesen war in den alten Bundesländern hinsichtlich der Investitionstätigkeit der mit Abstand expansivste Bereich (vgl. Abschnitt 5.1). Die jährlichen Investitionen stiegen seit 1950 von knapp 1 Mrd. DM (zu Preisen von 1985) auf knapp 20 Mrd. DM im Jahre 1991. Daran hatten die Investitionen für Fernmeldeanlagen in den letzten Jahren einen Anteil von etwa 85 vH. In der DDR lagen dagegen die jährlichen Investitionen der Deutschen Post insgesamt seit 1980 stets unter 900 Mill. Mark der DDR. Für das Fernsprech- und Fernschreibwesen wurden im gleichen Zeitraum jährlich lediglich zwischen 200 und 600 Mill. Mark der DDR investiert (Günther, Uhlig 1990a, S. 72). Diese Vernachlässigung fand ihren Ausdruck einerseits in der technischen Rückständigkeit der Anlagen und zum anderen in vergleichsweise niedrigen Anschlußdichten. Zwar hat sich im Bereich der Deutschen Post der DDR die Zahl der Telefonhauptanschlüsse, ausgehend von etwa 55 000 im Jahre 1956, ständig erhöht und betrug 1989 1 Mill. Im internationalen Vergleich lag die DDR jedoch mit einer Anschlußdichte (Hauptanschlüsse je 100 Einwohner) von 10,6 erst an 22. Stelle hinter Ländern wie Jugoslawien, Tschechoslowakei und Uruguay. In den alten Bundesländern war die Anschlußdichte mit 46,4 etwa viereinhalbmal so hoch (Schnöring 1991, S. 24 f). Tabelle 3/6 Entwicklungsstand des Telekommunikationssektors in den neuen und alten Bundesländern 1989

Ostdeutschland Telefonhauptansch I üsse - Warteliste Hauptanschlüsse je 100 Einwohner Fax-Anschlüsse Datex-P-Ansch lüsse Telex-Anschlüsse Telefonleitungen zwischen ABL und NBL Quelle: T. Schnöring (1991). 48

Westdeutschland

1,8 Mill. 1,2 Mill.

28,4 Mill. ~ 0

11

47

2 500

500 000

0

50 000

20 000

133 000 1 461

Bei der Beurteilung der Versorgungsstandards in Ostdeutschland ist weiterhin zu berücksichtigen, daß die regionale Verteilung, mit einer Konzentration in Ost-Berlin (Dichtewert 28) und einer schlechten Ausstattung in den übrigen Regionen, sehr ungleich war. Weiterhin waren andere Dienste wie Datenübertragung und Telefax aufgrund der überalterten Technik im Netz der Deutschen Post und teilweise zweidrähtiger Durchschaltung nur unbefriedigend möglich. Nicht nur die Fernmeldenetze waren in einem desolaten Zustand, auch die Übertragungs- und Vermittlungseinrichtungen waren völlig überaltert: 80 vH der Einrichtungen waren älter als 34 Jahre, 10 vH waren mehr als 60 Jahre im Einsatz (Gluch 1992, S. 192). In der Studie von Günther und Uhlig zur Telekommunikation in der DDR wird die Entwicklung der Fernsprechhauptanschlüsse nach den Benutzergruppen Staat und Wirtschaft sowie Wohnbevölkerung getrennt analysiert. Aus dem unterschiedlichen Anteil unerledigter Anträge dieser zwei Gruppen und aus der Entwicklung dieses Anteils ziehen die Autoren die Schlußfolgerung, daß der Bedarf an Anschlüssen für Staat und Wirtschaft zum großen Teil gedeckt werden konnte. Die aufgestaute Nachfrage ergab sich danach vor allem bei den Wohnungsanschlüssen, wo Wartezeiten zwischen 10 und 20 Jahren nicht unüblich waren (Günther, Uhlig 1990a, S. 90 f.). Zu berücksichtigen ist bei dieser Betrachtung darüber hinaus, daß neben dem öffentlichen Telefonnetz der Deutschen Post eine große Zahl von nichtöffentlichen Netzen bestand. Die Autoren der WIK-Studie nennen insgesamt 16 Netze mit jeweils einem eingegrenzten Nutzerkreis (Regierung, Militär, Staatssicherheit, Unternehmensbereiche u.a.) (Günther, Uhlig 1990b, S. 170). Diese Sondernetze waren allerdings für keinen Nutzer ein vollständiger Ersatz für das öffentliche Fernsprechnetz. Ziel war immer nur die Sicherung eines speziellen Fernmeldeverkehrs innerhalb eines begrenzten Nutzerkreises. Quantitative Angaben über die Gesamtkapazität der einzelnen Netze und Relationen zu Sondernetzen in den alten Bundesländern waren nicht verfügbar. 3.2.3

Forschungsinfrastruktur

Das Wohlstandsniveau

und die Entwicklungspotentiale

der Bundesrepublik

werden

entscheidend von ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit bestimmt. Die Produktivität der Produktionsprozesse und die Qualität der Produkte sind dabei neben dem generellen Kostenniveau die Schlüsseldeterminanten der internationalen Konkurrenzfähigkeit. 49

Entsprechend wichtig ist es für die deutsche Wirtschaft, über neue technologische Erkenntnisse informiert zu sein und sie sowohl für die Verbesserung des Produktionsprozesses als auch für die Entwicklung der Produktqualität zu verwenden. Eine gut ausgebaute Forschungsinfrastruktur im eigenen Land kann dabei sowohl den Informationstransfer wissenschaftlicher Erkenntnisse der Grundlagenforschung verbessern als auch die marktmäßige Umsetzung z.B. in Form von Kooperationen zwischen Forschung und Unternehmen erleichtern (Dosi 1993). Darüber hinaus spielt zunehmend die Forschungslandschaft als Qualifizierungs- und Ausbildungsinfrastruktur eine wichtige Rolle. Im Zuge des technologisch-organisatorischen Wandels der Wirtschaft haben die Qualifikationsanforderungen der Unternehmen an die Beschäftigten deutlich zugenommen. Dies gilt dabei nicht nur für die unternehmensinterne Forschung und Entwicklung im engeren Sinne, sondern bezieht sich immer mehr auf den gesamten Produktionsprozeß bzw. das gesamte Aktivitätsspektrum der Unternehmen (DIW 1993a). Träger der Forschungsinfrastruktur in Deutschland sind traditionell die Hochschulen. Die überlieferte Standortstruktur der Hochschulen aus dem 19. Jahrhundert wurde sowohl in der früheren Bundesrepublik als auch der DDR durch eine Reihe von Gründungswellen nach dem Zweiten Weltkrieg verändert bzw. ausgebaut. Der Schwerpunkt von Neugründungen in der ehemaligen DDR lag in den fünfziger Jahren. Ausschlaggebend hierfür waren wirtschaftspolitische Ziele. Der Ausbau des Hochschulnetzes wurde dort in räumlicher und fachlicher Ausrichtung auf die vorhandenen Produktionsschwerpunkte vorgenommen. In der früheren Bundesrepublik kam es vor allem im Verlauf der siebziger Jahre zu einer Vielzahl von Hochschulgründungen. Diese hatten dabei zumeist keine wirtschaftspolitische, sondern eine gesellschaftlich-bildungspolitische Zielsetzung. Die Erschließung regionaler Bildungsreserven spielte dabei eine zentrale Rolle. Entsprechend orientierten sich die Hochschulgründungen vor allem an der Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur und waren durch ein breites Fächerangebot gekennzeichnet. In Ergänzung zur klassischen Hochschule wurden im Westen darüber hinaus die Fachhochschulen als Teil der wissenschaftlichen Infrastruktur immer bedeutender. Sie zeichnen sich in der Regel durch eine stärkere Praxisorientierung der Studiengänge und eine geringe Fächerzahl aus. In der DDR gab es Fachhochschulen in dieser Form nicht. Ähnliche Funktion allerdings besaßen eine Reihe von Ingenieurhochschulen.

50

Eine weitere Ergänzung der Forschungsinfrastruktur im früheren Bundesgebiet bestand im Aufbau außeruniversitärer Forschungseinrichtungen. Die in eigener Trägerschaft operierenden, teils über Projektmittel und teils durch allgemeine öffentliche Zuschüsse finanzierten Einrichtungen sollten vor allem die anwendungsorientierte Forschung in der Bundesrepublik stärken und eine Brücke zur Forschung und Entwicklung in den Unternehmen bilden. In der DDR konzentrierte sich die anwendungsnahe Forschung auf die mittelbar finanzierten Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der großen Industriekombinate. Teilweise wurde diese Aufgabe aber auch von den örtlichen Hochschulen vorgenommen, die wie bereits erwähnt fachlich stärker auf die Anforderungen der jeweiligen Unternehmen ausgerichtet waren. Mit der Herstellung der deutschen Einheit und den wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozessen hat in Ostdeutschland die Neuorganisation der Forschungslandschaft begonnen. Sie hat bereits jetzt zu einer weitgehenden Übernahme westdeutscher Forschungsstrukturen geführt. Im folgenden soll der gegenwärtige Stand der Verteilung der Forschungskapazitäten zwischen West- und Ostdeutschland, soweit er sich statistisch belegen läßt, skizziert werden. Die wichtigsten Datenquellen hierfür sind die Grund- und Strukturdaten des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (BMBW 1993), der Bundesbericht Forschung des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (BMFT 1993), die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Entwicklung der Hochschullandschaft (Wissenschaftsrat 1991) sowie weitere Angaben aus den Rahmenplänen des Planungsausschusses Hochschulbau und der laufenden Raumbeobachtung der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es zur Zeit rund 440 Hochschul- und Fachhochschulstandorte. Davon befinden sich knapp 80 vH in Westdeutschland und rund 20 vH in Ostdeutschland einschließlich des Westteils von Berlin (vgl. Tabelle 3/7). Deutlich höher fällt der Anteil der ostdeutschen Bundesländer aus, wenn man die Zahl des hauptamtlichen Lehrpersonals betrachtet. Rund 27 vH des Lehrpersonals an Hoch- und Fachhochschulen von etwa 140 000 Personen sind in Ostdeutschland tätig. Im Vergleich zum Bildungspotential der 18- bis 25jährigen, an dem die ostdeutschen Bundesländer einen Anteil von 21 vH besitzen, scheint daher zunächst eine ausreichende Ausstattung in diesem Bereich der Forschungsinfrastruktur in Ostdeutschland gesichert.

51

Tabelle 3/7:

Indikatoren der Hoch- und Fachhochechulaueblldung in West- und Ostdeutschland 1991/1992

Westdeutschland

Ostdeutsch-

Insgesamt

land 1)

land

Anzahl bzw. in 1000 Personen

Ostdeutschland 1)

Anteile in vH

Anzahl der Hoch- und Fachhochschulen

345

94

439

78,6

21,4

Lehrpersonal an Hoch- und Fachhochschulen

104

38

142

73,0

27,0

93 11

36 3

129 13

72,1 81,3

27,9 18,7

Studenten an Hoch- und Fachhochschulen

1537

251

1788

86,0

14,0

darunter Hochschulen Fachhochschulen

1458 79

241 10

1699 89

85,8 88,8

14,2 11.2

259

51

310

83,5

16,5

6191

1658

7849

78,9

21,1

darunter Hochschulen Fachhochschulen

Studienanfänger an Hoch- und Fachhochschulen

nachrichtlich: Bevölkerung im Alter von 18 bis 25 Jahren

1) EinschlieÔlich des Westteils von Berlin. Quellen: BMBW (1903); Berechnungen der BfLR und des DIW.

52

Westdeutsch-

Betrachtet man allerdings die tatsächliche Anzahl der Studenten an Hoch- und Fachhochschulen, ist der Umfang der Ausbildungsleistung gegenwärtig in Westdeutschland noch deutlich höher als in Ostdeutschland. Von den knapp 1,8 Mill. Studenten in Deutschland werden 86 vH in Westdeutschland ausgebildet. Die Studienbeteiligung der ostdeutschen Bevölkerung in den entsprechenden Altersjahren liegt damit um etwa 40 vH niedriger als in Westdeutschland. Allerdings deutet sich bereits wieder eine zunehmende Studienbeteiligung in Ostdeutschland an. Bei den Studienanfängern erreichen die ostdeutschen Hoch- und Fachhochschulen immerhin einen um 3 vH-Punkte höheren Anteil als bei der Zahl der Studenten insgesamt in Deutschland. Über die Verteilung der Hoch- und Fachhochschulkapazitäten zwischen West- und Ostdeutschland liefern aber weder die Anzahl der Standorte und des Lehrpersonals noch die momentanen Studentenzahlen eine eindeutige Aussage. Zum einen kommt es für die Kapazitäten nicht nur auf die Anzahl, sondern auch auf die Größe der Hoch- und Fachhochschulstandorte an. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß im Zuge der Umstrukturierung der ostdeutschen Forschungslandschaft auch eine Reihe temporärer beschäftigungssichernder Maßnahmen zur Anwendung kommen. Zusätzlich wird das Bild durch die an fast allen westdeutschen Hoch- und Fachhochschulen bestehende Überbelegung der Ausbildungskapazitäten verzerrt. Grundlage für die Einschätzung des Umfangs der Forschungsinfrastrukturen in West- und Ostdeutschland können daher nur unmittelbare statistische Kennziffern zur Kapazität der Hochund Fachhochschulen sein. Der hierfür geeignete Indikator Zahl der ausgewiesenen flächenbezogenen Studienplätze pro 1 000 18- bis 25jährige Einwohner kann allerdings insbesondere für die Fachhochschulen in Ostdeutschland noch nicht berechnet werden. Im Bereich der Hochschulen weisen derzeit die Indikatoren noch ein erhebliches Defizit im Studienplatzangebot in Ostdeutschland aus (vgl. Tabelle 3/8). Pro 1 000 18- bis 25jährige werden in Ostdeutschland einschließlich des Westteils von Berlin nur knapp 80 Studienplätze angeboten. In Westdeutschland sind es dagegen 135 Studienplätze oder fast 75 vH mehr. Kompensiert werden soll dieses Defizit durch einen überproportionalen Ausbau der Fachhochschulen in Ostdeutschland. Die Ausbauplanung sieht in der unteren Variante vor, daß mittelfristig über 30 Studienplätze pro 1 000 18- bis 25jährige an ostdeutschen Fachhochschulen geschaffen werden. In Westdeutschland beträgt die gegenwärtige Studienplatzkapazität der Fachhochschulen dagegen nur knapp 25 Studienplätze oder rund 20 vH weniger. Eine 53

Kapazitäten und Auebaumaßnahmen Im Hoch- und Fachhochechulberelch

Tabelle 3/8:

Ostdeutschland Westdeutschland

Ostdeutsch-

in vH West-

land 1)

deutschland

Studienplätze je 1000 18 bis 25 Jährige an Hochschulen 1990

134

77

57,5

Studienplätze je 1000 18 bis 25 Jahrige an Fachhochschulen 1990 Variante I 2) Variante!! 3)

24 32

31 42

129,2 131,3

36915

8464

22,9

32671 4244

7209 1255

22,1 29,6

3938

5647

143,4

2856 2142

2442 1802

85,5 84,1

Investitionsvorhaben der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau 1993-1996 in Mill DM davon Hochschulen Fachhochschulen

Investitionsvorhaben der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau 1993-1996 DM je Studienplatz Hochschulen Fachhochschulen Variante! 2) Variante II 3)

1) Einschließlich des Westteils von Berlin.2) Westdeutschland: Stand 1990, Ostdeutschland: Ausbauplanung 1990.- 3) Neuere Planvorstellungen. Quellen: BMFT (1993); und des DIW.

54

22. Rahmenplan Hochschulbau;

Berechnungen der BfLR

ähnliche Relation erhält man bei einem Bezug auf neuere Planvorstellungen, die generell eine Erhöhung der Fachhochschulkapazitäten in Deutschland vorsehen. Auch hier liegen die Planwerte bezogen auf die potentielle Bildungsnachfrage in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland, Die besonderen Ausbaupläne für die Hoch- und Fachhochschulkapazitäten in Ostdeutschland finden allerdings, soweit dies mit dem verfügbaren Datenmaterial bewertet werden kann, nur bedingt ihren Niederschlag in den mittelfristigen Finanzplanungen. Innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau sind im noch nicht verabschiedeten 22. Rahmenplan für die Jahre 1993 bis 1996 standortbezogene Investitionsvorhaben in Höhe von insgesamt mehr als 45 Mrd. DM vorgesehen. Davon entfallen rund 19 vH auf die ostdeutschen Bundesländer. Der Anteil liegt damit sogar leicht unter der Quote Ostdeutschlands am Bildungspotential in Deutschland von 21 vH. Zum Ausdruck kommt allerdings auch bei der Investitionsplanung die Schwerpunktsetzung auf die Fachhochschulen. Der Anteil Ostdeutschlands beträgt hier rund 23 vH. Berücksichtigt man jedoch, daß das Fachhochschulnetz in Ostdeutschland fast völlig neu ausgebaut werden muß, wird auch diese Relation dem Nachholbedarf Ostdeutschlands kaum gerecht. Inwieweit dieses Defizit mittelfristig durch Maßnahmen wie das Hochschulsonderprogramm II sowie das Hochschulerneuerungsprogramm von Bund und Ländern, die auf die ostdeutschen Länder ausgerichtet sind, ausgeglichen werden kann, muß offen bleiben. Immerhin standen im Rahmen dieser Programme im Jahr 1992 Mittel in Höhe von rund 2,5 Mrd. DM zur Verfügung. Ein weiterer wichtiger Bereich der Forschungslandschaft in Deutschland sind die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Auch hier sind die institutionellen Veränderungen der letzten Jahre in erster Linie durch den Neuaufbau entsprechender Forschungsstrukturen in Ostdeutschland geprägt. Als Teil der Forschungsinfrastruktur können sie vor allem dann verstanden werden, wenn die Einrichtungen in gewissem Umfang durch öffentliche Mittel grundfinanziert werden (langfristige Förderung des Grundbedarfs). Nach dieser Abgrenzung zählen in der Bundesrepublik hierzu vor allem die -

Institute der Max-Planck-Gesellschaft,

-

Institute der Fraunhofer-Gesellschaft,

-

Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen und

-

Institutionen der Blauen Liste.

55

Die Max-Planck-Gesellschaft unterhält in Deutschland insgesamt gegenwärtig mehr als 60 Forschungseinrichtungen (vgl. Tabelle 3/9). Die Stammsitze dieser Einrichtungen liegen zur Zeit noch fast ausschließlich im früheren Bundesgebiet. Einschließlich des Westteils von Berlin entfallen nur 5 Stammsitze oder 8 vH auf Ostdeutschland. Daneben werden 10 Zweig- und Außenstellen betrieben, von denen knapp die Hälfte in den ostdeutschen Bundesländern gegründet wurde. Zusätzlich hat die Max-Planck-Gesellschaft an mehreren ostdeutschen Hochschulen insgesamt fast 30 Arbeitsgruppen eingerichtet. Auch bei der Fraunhofer-Gesellschaft beschränken sich die Stammsitze der Institute fast ausschließlich auf Westdeutschland. Nur 2 der insgesamt 37 Institute haben ihren Sitz in Berlin. Darüber hinaus jedoch arbeiten in den ostdeutschen Bundesländern 9 selbständige Einrichtungen und 13 Zweig- bzw. Außenstellen der westlichen Fraunhofer-Institute. Traditionell mit nur wenigen Stammsitzen arbeiten die vom Bund geförderten Großforschungseinrichtungen. Von den 16 Stammsitzen befinden sich 12 in West- und 4 in Ostdeutschland einschließlich des Westteils von Berlin. In bezug auf die Anzahl der Stammsitze ergibt sich somit bereits jetzt eine relative Gleichverteilung bezogen auf die Bevölkerungsgewichte zwischen Ost- und Westdeutschland. Bei den insgesamt 22 Zweig- und Außenstellen besitzen die ostdeutschen Bundesländer mit knapp 40 vH sogar ein deutliches Übergewicht. Bei den drei größeren Trägergesellschaften der außeruniversitären öffentlichen Forschung ist insgesamt gesehen die Einbindung Ostdeutschlands in die gesamtdeutsche Forschungslandschaft bereits weit fortgeschritten. Dieses gilt auch für die Überführung bzw. Neugründung vieler anderer kleinerer und größerer Forschungseinrichtungen unterschiedlicher Fachrichtungen, die als Blaue-Liste-Institute öffentlich gefördert werden. Entsprechend hoch ist der Anteil der ostdeutschen Bundesländer am Gesamtpersonal der vom Bund geförderten außeruniversitären Forschungsinfrastruktur insgesamt. Über 30 vH des Gesamtpersonals entfielen 1993 auf dièse Bundesländer. Je Einwohner gerechnet waren damit mehr Menschen in ostdeutschen als in westdeutschen außeruniversitären Forschungseinrichtungen beschäftigt. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß auch vordem Beitritt der DDR zum Bundesgebiet der Westteil von Berlin ein Schwerpunkt der außeruniversitären Forschungsförderung des Bundes war. So entfielen 1993 nur 13 vH des Gesamtpersonals der entsprechenden Einrichtungen auf die fünf neuen Bundesländer ohne den Ostteil von Berlin. Darüber hinaus ergibt sich zur Zeit noch eine besondere Situation in Ostdeutschland dadurch, daß sich die föderativen Strukturen erst im Aufbau befinden. Eigene Aktivitäten der ostdeutschen Länder 56

Standorte außeruniversitärer Forschungsinstitute In West- und Ostdeutschland

Tabelle 3/9:

Westdeutschland

Ostdeutsch-

Insgesamt

Frauenhofer Gesellschaft Stammsitze Zweig- und Außenstellen Weitere Einrichtungen

Ostdeutschland 1)

Anteile in vH

Anzahl der Einrichtungen Max-Planck-Gesellschaft Stammeitze Zweig- und Außenstellen Arbeitsgruppen

Westdeutschland

land 1)

56 5 0

5 4 28

61 9 28

91,8 55,6 0,0

8,2 44,4 100,0

35 0 0

2 12 9

37 12

94,6 0,0

5,4 100,0

9

0,0

100,0

12 13

4 9

16 22

75,0 59,1

25,0 40,9

56

25

81

69,1

30,9

Großforechungeelnrichtungen Stammsitze Zweig- und Außenstellen nachrichtlich Gesamtpersonal außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in 1000 Personen 2)

1) Einschließlich des WestteHs von Berlin nicht erwähnten Einrichtung der Blauen Liste.

1

2) Forschungeeinrichtungen des Bundes, einschließlich der sonst

Quellen: BMBW (1993); Berechnungen der BfLR und des DIW.

57

zur Ergänzung der außeruniversitären Forschungsinfrastruktur ohne Beteiligung des Bundes gibt es bislang noch nicht. Zusammengenommen scheinen aber sowohl im Bereich außeruniversitärer Einrichtungen als auch im Bereich der Hoch- und Fachhochschulen die Indikatoren weder für einen deutlichen Vorsprung noch für ein klares Defizit im Umfang der Forschungsinfrastruktur in Ostdeutschland gegenüber den westlichen Bundesländern zu sprechen. Im gegenwärtigen Umstrukturierungsprozeß der ostdeutschen Forschungslandschaft läßt sich allerdings auch noch nicht ein endgültiges Bild der künftigen Forschungsinfrastruktur festmachen. Dies gilt vor allem dann, wenn es darum geht, einzuschätzen, ob die entsprechenden Einrichtungen auf Dauer angelegt sind, oder ob sich nicht gerade im Beschäftigungsumfang auch temporäre beschäftigungssichernde Maßnahmen niederschlagen. Die Planungen sehen für den Gesamtumfang der Forschungsinfrastruktur in Bezug zu Bevölkerungszahlen weitgehend einen proportional zum Westen verlaufenden Ausbau vor. Wenngleich durchaus bezweifelt werden kann, ob sich diese Planungen kurzfristig realisieren lassen, dürfte dennoch nicht von einem ausgeprägten West-Ost-Gefälle im Umfang der Forschungsinfrastruktur auszugehen sein. Im Vergleich zu anderen Infrastrukturbereichen ergibt sich damit in diesem Feld ein eher günstiges Bild für Ostdeutschland. Im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Forschungsinfrastruktur schwer einzuschätzen sind allerdings die sich abzeichnenden Strukturunterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. So wird die Leistungsfähigkeit der Forschungsinfrastruktur in Ostdeutschland auch davon abhängen, inwieweit die vielen Außen- und Nebenstellen bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sich gegenüber den westlichen Stammsitzen durchsetzen und eigene Profile entwickeln können. Zudem ist zu berücksichtigen, daß nach dem Zusammenbruch der Industrieforschung in Ostdeutschland derzeit die Anknüpfungspunkte für den Wissenstransfer in die Wirtschaft bei den Betrieben fehlen. Entsprechend müßten gerade für die mittelständischen Industriebetriebe die Vorleistungen der Forschungsinfrastruktur eher noch weiter reichen als in Westdeutschland (DIW 1993b). Auch die wirtschaftliche Bewertung des primär auf die Fachhochschulen setzenden Ausbaus der wissenschaftlichen Ausbildungskapazitäten in Ostdeutschland ist nicht eindeutig. Vielfach wird gerade den Fachhochschulen als wirtschaftsnahe Infrastruktur eine besondere Bedeutung beigemessen (Heilmann 1993; Brackmann 1993). Höhere generelle Praxisorientierung und stärkere Bezüge zu den Forschungs- und Ausbildungsanforderungen der regionalen Wirtschaft zählen dabei sicherlich zu den Vorzügen. Auf der anderen Seite decken gerade auch in der Forschung häufig die Universitäten ein breiteres Spektrum ab als die Fachhochschulen. 58

3.2.4

Gewerbeflächen

Der Boden zählt zu den herausgehobenen Produktionsfaktoren der klassischen Nationalökonomie. Traditionell wird er jedoch zumeist nicht dem Infrastrukturbereich zugerechnet, da ihm eher der Charakter eines passiven Engpaßfaktors der Wirtschaftsentwicklung zugeschrieben wird. Im speziellen Fall der Gewerbeflächen allerdings ist eine entsprechende Verwertung des Bodens nur möglich, wenn die planungsrechtlichen und erschließungstechnischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Dieser Planungs- und Erschließungsaufwand fällt in der Bundesrepublik weitgehend der öffentlichen Hand zu und ist Teil der kommunalen Wirtschaftsförderung mit infrastrukturellem Charakter. Die Bedeutung der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen als Standortfaktor der Unternehmen wird dabei zumeist sehr hoch eingeschätzt (IfS 1992, Tengler 1989). Vor allem wird der Mangel an Gewerbeflächen als Faktor angesehen, der die weitere Entwicklung eines Unternehmens am alten Standort behindert. Mangelnde flächenmäßige Erweiterungsmöglichkeiten zählen mit Abstand zu den wichtigsten Gründen einer Standortverlagerung. Allerdings führen Standortverlagerungen aus diesem Grund häufig nur zur Wahl eines anderen Standortes in der gleichen Region. Bei der grundsätzlichen Standortwahl zwischen verschiedenen Ländern und Großregionen dürften andere Faktoren als die Verfügbarkeit geeigneter Gewerbeflächen eine große Rolle spielen. Nichtsdestoweniger gehört die Ausstattung mit planungsrechtlich gesicherten bzw. erschlossenen Gewerbeflächen zum Infrastrukturprofil einer Region. Angaben zum Bestand an Gewerbeflächen gibt es flächendeckend zur Zeit allerdings weder für West- noch für Ostdeutschland. Berechnungen des Statistischen Bundesamtes bzw. des Statistischen Amtes der DDR liegen nur für die Gesamtfläche bzw. die Siedlungs- und Verkehrsfläche insgesamt vor (BMBau 1993). Demnach besitzt Ostdeutschland einen Anteil von gut 30 vH an der Gesamtfläche der Bundesrepublik. Der Anteil der Siedlungs- und Verkehrsfläche an der Gesamtfläche ist in Ostdeutschland allerdings geringer als in Westdeutschland. Entsprechend niedriger ist die Ost-West-Relation bei den Siedlungs- und Verkehrsflächen. Der Anteil Ostdeutschlands beträgt hier 26 vH. In Bezug zum Bevölkerungsanteil der ostdeutschen Bundesländer von knapp 23 vH ist der Flächenanteil aber auch in diesem Bereich überproportional. Das heißt, auch innerhalb der Siedlungsflächen ist die Bevölkerungsdichte tendenziell geringer als in Westdeutschland. Inwieweit allerdings diese höheren generellen Flächenpotentiale in Ostdeutschland auch einen Vorsprung bei den Gewerbeflächenreserven gegenüber Westdeutschland implizieren, ist 59

unmittelbar nicht abzuleiten. Hierzu wäre es notwendig, konkret die Gewerbeflächenausweisungen der Gemeinden der beiden Landesteile einander gegenüberzustellen. Versuche, die Gewerbeflächenpotentiale in West- und Ostdeutschland anhand regionaler Fallstudien quantitativ einzuschätzen, sind für den Baulandbericht des Bundesministeriums

für

Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau 1993) unternommen worden. Die Sonderbzw. Regionalexpertisen beziehen sich auf Abschätzungen der Gewerbeflächenreserven durch -

den Ausweis von Gewerbegebieten auf Freiflächen,

-

die Nutzung von Konversionsflächen und

-

die Wiederverwertung von Industriebrachçn.

Die westdeutschen Kommunen sehen im Durchschnitt große Freiflächen für eine künftige gewerbliche Nutzung vor (BfLR 1992/93). Allerdings weniger als die Hälfte der Flächen sind über reine Vorschauflächen hinaus auch in die Bauleitplanung einbezogen. Dennoch dürften die planungsrechtlich erfaßten Gewerbeflächenreserven im Durchschnitt der Gemeinden rund 450 m 2 je Einwohner erreichen. Bei der Einordnung dieses Wertes ist jedoch zu berücksichtigen, daß zwischen den Regionen in Westdeutschland extreme Unterschiede in den Gewerbeflächenreserven bestehen. Große Freiflächen für gewerbliche Nutzungen bezogen auf die Einwohnerzahl werden vor allem im ländlichen Raum ausgewiesen, während in den Verdichtungsgebieten zumeist die Gewerbeflächenreserven immer geringer geworden sind. Für die Stadtregionen München und Hannover beispielsweise sind in den Flächennutzungsplänen nur Reserveflächen von 6 m 2 bzw. 14 m 2 je Einwohner ausgewiesen. In den ostdeutschen Kommunen hat der Aufbau einer Bauleitplanung zur Formulierung und Sicherung der Art der Flächennutzung erst begonnen. Einen allgemeinen Überblick zum Umfang der Freiflächen, die einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden sollen, gibt es daher derzeit noch nicht. Anhaltspunkte über den Umfang der Neuausweisung von Gewerbegebieten liegen nur für einige Verdichtungsgebiete vor (vgl. Tabelle 3/10). In den Stadtregionen Berlin, Leipzig, Dresden und Magdeburg bestehen umfangreiche Planungen zur Errichtung neuer Gewerbegebiete. Allerdings ist abzusehen, daß viele dieser Gewerbegebietsplanungen von der Landesbehörde nicht befürwortet werden. Von Region zu Region unterschiedlich, liegen nur für 20 bis 40 vH der geplanten neuen Gewerbeflächen genehmigte Bebauungspläne bzw. Vorhaben- und Erschließungspläne vor. In den drei Großstadtregionen

Berlin, Leipzig und Dresden stehen planungsrechtlich 2

gesicherte

2

Gewerbeflächenreserven zwischen 5 m und 9 m je Einwohner zur Verfügung. In der Region Magdeburg sind es sogar 26 m 2 je Einwohner. In den westdeutschen Stadtregionen München und Hannover liegt der Vergleichswert dagegen nur bei 2 m 2 bis 3 m 2 .

60

Gewerbeflachenreserven In ausgewählten west- und ostdeutschen Stadtregionen

Tabelle 3/10:

Bruttogewerbebaulandreserven 1)

Flächein ha

qm je Einwohner

Gewerbegebiete im Bebauungsplanverfahren 2)

Flächein ha

450

Weetdeutechland darunter

qm je Einwohner

in vH der Baulandreserven

220

47

Region München

1401

6

510

2

36

Region Hannover

1464

14

289

3

20

Region Berlin

5633

13

2090

5

37

Region Leipzig

3866

41

720

8

19

Region Dresden

2304

26

761

9

33

Region Magdeburg

3401

61

1459

26

43

Ostdeutschland darunter

1) Westdeutschland : Ausweisungen in den Flächennutzungsplänen, Ostdeutschland: Ausweisungen in Flächennutzungeplanentwürfen bzw. eingereichte Bebauungsplan- und Erschließungsplanentwürfe. 2) Westdeutschland: in Bebauungsplangebieten bzw. innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, Ostdeutschland: in genehmigten Bebauungs- und Erschließungsplänen. Quellen. BMBau 1993;

BfLR 1992/93;

Berechnungen des DIW.

61

Zu den Gewerbeflächenpotentialen der Kommunen in West- und Ostdeutschland zählen neben den planungsrechtlich ausgewiesenen Gewerbegebieten auf Freiflächen auch Flächenreserven im Bestand. Quantitativ bedeutend sind hierbei Konversionsflächen und Gewerbebrachen. Bis Ende 1994 werden in Deutschland insgesamt militärische Liegenschaften mit einer Fläche von mehr als 170 000 ha freigegeben. Der weit überwiegende Teil davon befindet sich in Ostdeutschland (86 vH). Ein Großteil der Fläche entfällt allerdings auf Truppenübungsplätze, die weit von den Siedlungsgebieten entfernt sind und sich daher für eine intensive gewerbliche Nutzung nicht eignen. Dennoch dürfte flächenmäßig auch im Innenbereich das Gewerbeflächennutzungspotential durch eine Umnutzung der Konversionsflächen in Ostdeutschland weit höher als in Westdeutschland sein (BMBau 1993). Eine ähnliche Einschätzung wird wohl auch auf die Gewerbeflächenpotentiale durch die Wiederverwertung von Industriebrachen zutreffen, obwohl flächendeckende statistische Angaben hier sowohl für West- als auch für Ostdeutschland fehlen. In den westdeutschen Bundesländern besitzen Industriebrachen quantitativ nur in den altindustriellen Gebieten an Saar und Ruhr eine große Bedeutung. In Ostdeutschland dagegen sind mit dem Zusammenbruch der großen Industriekomplexe der ehemaligen Kombinate in fast allen Regionen große Industriebrachen entstanden, die derzeit nur in Teilbereichen genutzt werden. Die Nutzung der Gewerbeflächenpotentiale auf Konversionsflächen und Industriebrachen setzt jedoch voraus, daß die vielfach bestehenden Altlasten dieser Flächen beseitigt werden. In Abhängigkeit vom Grad der Belastung sind hierfür erhebliche finanzielle Vorleistungen notwendig. In Westdeutschland weisen Einzelfälle Sanierungskosten zwischen 180,- DM/m2 und 1 300,- DM/m2 für ehemalige Fabrikgelände auf (Claus 1993). Die geringe Bewertung von Umweltschutzaspekten in der ehemaligen DDR spricht dafür, daß sowohl bei den Industriebrachen als auch den Konversionsflächen tendenziell mit noch höheren Sanierungskosten als in Westdeutschland zu rechnen ist. Gesamträumlich betrachtet bestehen sowohl in West- als auch in Ostdeutschland noch erhebliche Reserven im Gewerbeflächenangebot. Eine Bewertung allerdings, ob Gewerbeflächen dennoch als infrastruktureller Engpaßfaktor eine Rolle spielen, ist nur möglich, wenn man auch den Bedarf an Gewerbeflächen und die tatsächliche Verfügbarkeit und Verwertbarkeit der Gewerbeflächenreserven berücksichtigt. Zur Abschätzung des Gewerbeflächenbedarfs ist hier zunächst die Entwicklung der Neuinanspruchnahme von Grundstücksflächen durch Nichtwohngebäude in den achtziger Jahren in 62

Westdeutschland betrachtet worden (vgl. Abbildung 3/1). Die Bautätigkeitsstatistik weist dabei für die drei Nutzungsarten Fabrikgebäude, Handels- und Lagerräume sowie Büro- und andere Gebäude des Dienstleistungsbereichs durchweg hohe Inanspruchnahmen von neuen Grundstücksflächen aus. Auffällig ist hierbei vor allem, daß über den gesamten Zeitraum auch vom Industriebereich Neuflächen in Anspruch genommen werden. Besonders hoch war hier die Neuflächeninanspruchnahme Anfang der achtziger Jahre. Der Spitzenwert wurde mit mehr als 4000 ha 1980 erreicht. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre allerdings stabilisierte sich die Inanspruchnahme neuer Grundstücksflächen für Fabrikgebäude auf Werte zwischen 2000 ha bis 2500 ha jährlich. Eine deutliche Reaktion auf die starken Schwankungen in der Produktionsentwicklung des verarbeitenden Gewerbes ist damit nicht erkennbar. Selbst in den Jahren 1982 und 1988 mit Rückgängen der Industrieproduktion wurden noch neue Gewerbejflächen von 2500 ha bzw. 1800 ha zusätzlich mit Fabrikgebäuden bebaut.

Ähnlich stabil ist in den achtziger Jahren in Westdeutschland die Inanspruchnahme neuer Grundstücksflächen für Handels- und Lagerräume. Sie lag am Anfang und am Ende der Periode bei rund 2 000 ha und hatte ihren Tiefpunkt mit knapp 1 700 ha in der Mitte der achtziger Jahre. Noch geringere Ausschläge der Inanspruchnahme von Neuflächen sind bei den Büround anderen Gebäuden für Dienstleistungen erkennbar. Sowohl 1980 als auch 1990 betrug der Neuflächenbedarf rund 1 000 ha. Im Zeitraum dazwischen lag er etwas niedriger und erreichte Werte zwischen 600 ha und 800 ha. Wie bei der Industrie ist in beiden Fällen kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Veränderung der Produktion des Handels- und Dienstleistungsgewerbes erkennbar. Das Wachstumstempo der Wirtschaftsbereiche schlägt sich zusammengenommen also nur sehr wenig in deren Flächenbedarf nieder. Zwar kann durchaus mit der Aufgabe von Flächen an anderen Stellen die Flächeninanspruchnahme insgesamt sinken, aber dennoch besteht selbst in Phasen mit starken Produktionseinbrüchen ein hoher Bedarf zur Erschließung neuer Gewerbeflächen. Dies ist ein Indiz dafür, daß nicht nur das Wachstum allein, sondern auch der Strukturwandel innerhalb der Wirtschaftsbereiche einen Neuflächenbedarf auslöst. Darüber hinaus hängt der Grad der Inanspruchnahme neuer Gewerbeflächen selbstverständlich von Anteilsverschiebungen zwischen den Wirtschaftsbereichen ab. Einen besonders hohen Neuflächenverbrauch bezogen auf die Zuwächse der Produktion weist der Distributionsbereich auf. Für den Gesamtzeitraum von 1980 bis 1990 beträgt für diesen Bereich der Zuwachs der Bruttowertschöpfung je neue Gewerbefläche rund 1,2 Mill. DM/ha. Kaum geringer ist die Neuflächenverbrauch bezogen auf die Veränderung der Wertschöpfung im verarbeitenden 63

Abbildung 3/1 :

Neuinanspruchnahme von Gewerbegrundstücken und Produktionszuwächse in Westdeutschland 1) 1980 bis 1990 Neue Gewerbeflächen in Hektar

1981

1989

1968

1987

1989

Veränderung der Bruttowertschöpfung in Mrd. DM 2)

1981

1) Ohne Bayern.-

1983

1987

1989

2) in Preisen von 1985.

Quellen: Bautätigkeitsstatistik;

64

1985

VGR der Länder;

Berechnungen der BfLR und des DIW.

Gewerbe. Bei den Dienstleistungen dagegen ist der Produktionszuwachs bezogen auf die Inanspruchnahme von Neuflächen mehr als 10rnai so hoch. Die Relation beträgt hier für die achtziger Jahre rund 18 Mill. DM/ha. Bei den Zusammenhängen von Neuflächeninanspruchnahme und Strukturwandel handelt es sich allerdings nicht notwendigerweise um unverrückbare technologische Relationen. Wie sehr im Strukturwandel neue Gewerbeflächen benötigt werden, wird auch von den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen bestimmt. Hierzu zählt auch, daß häufig große Gewerbeflächen von den Unternehmen als Reserveflächen gehortet werden. Bei den gegenwärtigen Bedingungen und angesichts des permanenten Neuflächenbedarfs der Wirtschaftsbereiche verwundert es daher auch nicht, daß fast alle westdeutschen Kommunen laut einer Umfrage der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung mittelfristig ein Defizit an Gewerbeflächenreserven unabhängig von den konkreten Wachstumsperspektiven bei sich konstanteren (BfLR 1992/93). Die Einschätzung der westdeutschen Kommunen, daß auch bei geringer Veränderung des wirtschaftlichen Aktivitätsniveaus in der Region aus dem Strukturwandel der Wirtschaft heraus ein erheblicher Bedarf an neuen Gewerbeflächen resultiert, könnte ein Grund hierfür sein. Die strukturelle Komponente des Neuflächenbedarfs der Wirtschaft spielt auch für die Bedarfseinschätzung in Ostdeutschland eine herausragende Rolle. Die in Ostdeutschland neu entstandenen Unternehmen haben häufig ganz andere Flächenansprüche als die Betriebe der ehemaligen DDR. Der generelle Tertiarisierungsprozeß ist dabei genauso von Bedeutung wie spezifische Veränderungen innerhalb der Wirtschaftsbereiche. Für sich wandelnde Flächenansprüche innerhalb der Wirtschaftszweige lassen sich viele Beispiele finden. So gab es in der DDR im Vergleich zu Westdeutschland kaum großflächige Verkaufseinrichtungen. Umgekehrt dominierten im industriellen Bereich teils extrem große Flächenzuschnitte, die dem heutigen Bedarf z.B. von Handwerksbetrieben an kleinteiligen Gewerbeflächen nicht gerecht werden. Entsprechend besteht in vielen ostdeutschen Regionen trotz des massiven wirtschaftlichen Einbruchs ein erheblicher Bedarf an neuen Gewerbeflächen. Ein Grund hierfür ist sicherlich, daß selbst vorhandene Gewerbeflächen mit ausreichender Erschließung und guter Lage aufgrund von Umweltaltlasten und ungeklärten Eigentumsverhältnissen derzeit nicht für eine neue gewerbliche Nutzung zur Verfügung stehen. Aber auch die planungsrechtlich neu ausgewiesenen Gewerbegebiete stehen bislang dem Gewerbeflächenmarkt nur in Ausnahmefällen zur Verfügung, da sie infrastrukturell noch nicht erschlossen sind.

65

Die relative Knappheit an Cewerbeflächen spiegelt sich in den Gewerbebaulandpreisen vor allem der Verdichtungsräume wider (Abbildung 3/2). Zwar liegen die Preise noch deutlich unter den westdeutschen Spitzenwerten von München und Stuttgart, aber in den Stadtregionen Dresden und Leipzig liegt das Preisniveau schon höher als in Hannover. Und auch in kleineren Stadtregionen wie Rostock und Schwerin müssen höhere Gewerbebaulandpreise gezahlt werden als beispielsweise in Essen. Das Gewerbebauland ist jeweils im Bezug zu vergleichbaren westdeutschen Stadtregionen derzeit trotz des geringen wirtschaftlichen Aktivitätsniveaus und einer generell schlechteren Infrastrukturausstattung deutlich höher. Soll die Ausstattung mit tatsächlich verfügbaren Gewerbeflächen nicht zu einem Engpaßfaktor des wirtschaftlichen Erholungsprozesses werden, sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Hierbei geht es vor allem um die infrastrukturelle Erschließung der neuen Gewerbegebiete und die Sanierung von Industriebrachen. Eine über das bereits erreichte Maß hinausgehende planungsrechtliche Ausweisung von weiteren Gewerbegebieten erscheint dagegen in vielen Fällen eher schädlich als nützlich. Werden die ausgewiesenen neuen Gewerbeflächen ebenso wie die Reserven im Gewerbeflächenbestand dem tatsächlichen Gewerbeflächenangebot zugeführt, dürfte mittelfristig die Ausstattung mit Gewerbeflächen sogar zu einem nicht zu unterschätzenden Standortvorteil werden. Bestehen in Westdeutschland Gewerbeflächenreserven in größerem Umfang nur außerhalb der Verdichtungsräume, bieten gerade die Agglomerationen in Ostdeutschland noch hohe Flächenpotentiale. Die kompakte Raumstruktur ostdeutscher Verdichtungsgebiete bietet zudem für die Unternehmen viele Vorteile. Vor allem ist sie bei zunehmenden Verkehrsproblemen Voraussetzung für die Sicherung einer hohen Erreichbarkeit in den Regionen (Kutter 1993).

66

München Essen Berlin Stuttgart Hannover

BB·· •••

^p

essvnffiflfàWffih Leipzig Schwerin Dresden Magdeburg

820

Rostock

Gewerbebaulandpreise ausgewählter westund ostdeutscher Stadtregionen 1991

Quelle: BM Bau (1993)

„.

||É

1000-

pP

^^

2050

———

1500-

2000

2500-j—

Abbildung 3/2:

4.

Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern

4.1

Bedarfsschätzungen

Das politische Ziel, die Lebensbedingungen in Ost und West einander anzugleichen, erfordert zunächst, die aktuelle Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen vergleichbar zu erfassen und Schätzungen über den Nachholbedarf in Ostdeutschland zu erstellen. Dabei hat sich herausgestellt, daß die Erhebung von quantitativen Indikatoren und insbesondere deren Bewertung auf einer einheitlichen Basis mit Schwierigkeiten verbunden ist. Deshalb gilt generell, daß Schätzungen des vorhandenen Bestandes und daraus abgeleitete Folgerungen für den künftigen Bedarf, insbesondere aus der ersten Zeit nach der Vereinigung, mit großen Unsicherheiten sogar hinsichtlich der Größenordnung verbunden sein können. Für Infrastrukturbereiche liegen eine Reihe von Bedarfsschätzungen für die neuen Bundesländer vor, die von Behörden, Wirtschaftsverbänden, wissenschaftlichen Instituten etc. erstellt wurden. Hier wird der Versuch unternommen, diese Schätzungen für die Indikatoren der wirtschaftsnahen Infrastruktur konsistent zusammenzufassen. Dabei werden Quellen verwendet, die sich ihrerseits bereits auf Einzelangaben aus Sektoren und Regionen stützen und diese zu Bewertungen für Ostdeutschland insgesamt aggregiert haben. Die Schätzungen in der Baubedarfsstudie des ifo-lnstituts (Gluch 1992) und in der DIW-Studie zum Sanierungsbedarf in Umweltbereichen (Kohlhaas 1993) beziehen sich jeweils auf den Zeitraum 1991 bis 2005. Den Arbeiten des DIW zum Ersatzbedarf bei den Verkehrswegen (Enderlein, Kunert, Link 1992), die in den Bundesverkehrswegeplan 1992 eingegangen sind, sowie dem Bundesverkehrswegeplan (BMV 1992) selbst liegt ein um 5 Jahre längerer Zeitraum (1991 bis 2010) zugrunde. Für die verkehrsbezogenen Schätzungen und Planungen wurde hier davon ausgegangen, daß der Ersatzbedarf bereits bis zum Jahre 2005 realisiert sein wird; die Neu-und Ausbauplanungen wurden proportional angepaßt. Die Bedarfsprognosen für die Infrastrukturinvestitionen sind in der Tabelle 4/1 zusammengestellt. Sie ergeben ein Gesamtvolumen von 660 Mrd. DM (zu Preisen von 1990), wobei knapp die Hälfte auf den Ersatz von verbrauchten Anlagen und das Umrüsten auf Weststandard entfällt. Unter den Infrastrukturbereichen wird mit 326 Mrd. DM der bei weitem größte Anteil (etwa die Hälfte) der gesamten Investitionen für Verkehrswege und Umschlageinrichtungen veranschlagt. Damit entfällt auf den Verkehrsbereich ein Anteil an den gesamten Infrastrukturinvestitionen, wie er in der Expansionsphase in den sechziger Jahren in Westdeutschland zu verzeichnen war. Auch die Anteile der übrigen Bereiche entsprechen grob der Struktur, die sich in den alten Bundesländern in den 60er Jahren herausgebildet hatte, wobei das Nachrichtenwe68

sen und die Abwasserentsorgung bei den Bedarfsschätzungen ein etwas größeres Gewicht haben als bei den westdeutschen Vergleichswerten, während der Energiebereich auf einen geringeren Anteil kommt. Freilich darf die Belastbarkeit solcher Bedarfsanalysen nicht überschätzt werden. Gerade angesichts der statistisch zum Teil noch nicht endgültig abgesicherten Bestands- und Ausgangsgrößen und der Probleme ihrer monetären Bewertung ist es schwierig, aktuelle Versorgungsniveaus mit vergleichbarer Zuverlässigkeit für alle Bereiche zu ermitteln. Hinzu kommt die Schwierigkeit, Bedarfsnormen für alle Bereiche mit vergleichbarem Anspruchsniveau festzulegen. Diese werden in der Regel auch zwischen unterschiedlichen Studien variieren. Schließlich besteht darüber hinaus in manchen Bereichen ein deutlicher Unterschied zwischen Bedarfsgrößen und realisierten Investitionen, da finanzielle Zwänge häufig zu Einschränkungen führen. So steht z.B. der größten Einzelposition in den Bedarfsschätzungen, dem Ersatzbedarf bei den Landes- und Kommunalstraßen (80 Mrd. DM), - anders als bei den Bundesverkehrswegen - keine entsprechende Finanzplanung gegenüber. Es wird bezweifelt, daß Länder und Kommunen ohne adäquates Finanzierungsintrument diese Mittel zur Erhaltung der Verkehrswege aufbringen können. Das DIW hat in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz,

das die Beteiligung des Bundes beim Neubau

kommunaler Verkehrswege regelt, auch auf Maßnahmen zu deren Erhaltung auszudehnen (Enderlein, Kunert, Link 1992, S. 520). Dieses Beispiel zeigt aber auch, daß es notwendig ist, über Realisierungsdringlichkeiten nicht isoliert für einzelne Bereiche, sondern innerhalb einer Gesamtbetrachtung aller Maßnahmenprogramme zu entscheiden. Das Gesamtvolumen der vorgestellten Bedarfsschätzungen liegt bei mehr als zwei Dritteln der in Westdeutschland in den letzten 15 Jahren getätigten Infrastrukturinvestitionen. Angesichts der Relationen in der Investitionstätigkeit zwischen Ost- und Westdeutschland - 1992 betrugen die Anlageinvestitionen des Staates in Ostdeutschland 29 vH des westdeutschen Wertes, für das Jahr 2000 wird die Relation auf 35 vH geschätzt (Gornig, Görzig, Schulz 1993, S. 58 u. 70) - erscheint die Realisierung aller als Bedarf erachteten Investitionen bis 2005 als unwahrscheinlich. Eine Vorausschätzung der Infrastrukturinvestitionen in Ostdeutschland kann nicht allein an Bedarfsangaben orientiert werden, sie muß vielmehr zur Absicherung ihrer Größenordnung in eine Vermögensrechnung der Infrastrukturbereiche eingebettet sein, die ihrerseits plausible Größenordnungen in bezug auf die gesamtwirtschaftlichen Aggregate enthält. In einem solchen Rahmen können Möglichkeiten und Grenzen einer Anpassung an die Standards in den alten Bundesländern beurteilt werden. 69

Tabelle 4/1 Bedarfsschätzungen für Infrastrukturinvestitionen in den neuen Bundesländern für den Zeitraum 1991 bis 2005 - Mrd. DM zu Preisen von 1990 Ersatz Energieversorgung Gas Elektrizität Fernwärme Insgesamt

Neu- und Ausbau 11,2 15,0

Insgesamt

11,8 57,0 12,5 81,3

26,2

23,0 72,0 12,5 107,5

3,7 0,6 19,0 23,3

2,3 0,4 6,0 8,7

6,0 1,0 25,0 32,0

45,6

34,6

80,2

5,5 22,5

12,0 26,5

17,5 49,0

80,0 5,1 158,7

67,0 4,4 144,5

147,0 9,5 303,2

6,0

17,0

23,0

20,0

70,0

90,0

11,0 18,5 29,5

50,4 20,0 2,5 72,9

61,4 38,5 2,5 102,4

318,8

339,3

658,1

-

Quelle: Gluch (1992) Wasserversorgung Aufbereitungsanlagen Behälter Trinkwassernetz Insgesamt Quelle: Gluch (1992)' Verkehrsinfrastruktur a) Verkehrswege Eisenbahn Kommunale Schienenverkehrswege 1' Bundesfernstraßen Landes- und Kommunalstraßen Wasserstraßen Insgesamt b) Umschlageinrichtungen2' Quellen: Enderlein, Kunert, Link (1992), BMV (1992), Gluch (1992) Nachrichtenübermittlung Quelle: Gluch (1992) Abwasserbeseitigung (öffentlich) Kanalisation Abwasserbehand lung Regenwasserbehandlung Insgesamt

-

Quelle: Kohlhaas (1993) Infrastruktur insgesamt υ

Stadtschnellbahnen (U-Bahn, U-Straßenbahn), herkömmliche Straßenbahnen. Häfen, Flughäfen. 70

21

Bahnhöfe,

4.2

Angleichungspfade der Infrastrukturausstattung

4.2.1

Angleichungshypothesen

Bei den Erwägungen über eine angemessene Infrastrukturausstattung in den neuen Bundesländern geht man von den Verhältnissen im früheren Bundesgebiet aus. Diese Sichtweise ergibt sich u.a. aus dem Auftrag des Grundgesetzes an den Staat, in allen Regionen des Bundesgebietes für ausgewogene Lebensbedingungen zu sorgen. Voraussetzung hierfür ist zwar nicht, daß in allen Regionen nun die gleiche Infrastrukturausstattung vorhanden sein muß, wohl aber muß ein insgesamt vergleichbares Niveau der Infrastrukturausstattung gewährleistet sein. Ein Ansatz, der auf einer Durchschnittsbetrachtung im Vergleich der alten und neuen Bundesländer basiert, ist angesichts dieser Ausgangslage in einem ersten Schritt vernünftig. Im folgenden muß er aber durch eine stärkere regionale Disaggregierung ergänzt werden. Die einzelnen Regionen im früheren Bundesgebiet liegen z.T. erheblich über oder unter dem ausgewiesenen Durchschnittswert. Auch in den neuen Bundesländern gibt es signifikante regionale Unterschiede. Angleichungen zwischen den beiden "großen" Teilregionen - West- und Ostdeutschland können sich dadurch vollziehen, daß in Westdeutschland die bisherigen Zuwachsraten bei der Infrastrukturausstattung in etwa beibehalten werden und die neuen Bundesländer so lange höhere Zuwachsraten realisieren, bis die für das frühere Bundesgebiet zu beobachtenden Margen regionaler Differenzierung erreicht sind. Realistischer allerdings ist - und dies hat sich auch schon vor der 1992 einsetzenden wirtschaftlichen Rezession in Westdeutschland gezeigt -, daß die absehbar auch weiterhin beträchtlichen öffentlichen Transferzahlungen von West- nach Ostdeutschland die Spielräume für Kapazitätserweiterungen in den wirtschaftsnahen Infrastrukturbereichen Westdeutschlands einengen. 4.2.2

Angleichungen beim Erwerbspersonenpotential

Über diesen Aspekt hinaus ist zu berücksichtigen, daß auch bei der Bezugsgröße der Infrastrukturintensität - dem Erwerbspersonenpotential - mit Prozessen zu rechnen ist, die eine Angleichung begünstigen. In Ostdeutschland dürfte bis zum Jahr 2000 das Erwerbspersonenpotential zurückgehen. Dies ergibt sich aus der - auch aufgrund weiterer Abwanderungen rückläufigen Bevölkerungszahl und der sich aufeinander zubewegenden Erwerbsbeteiligung von Frauen in West- und Ostdeutschland. In Westdeutschland steigt dagegen die Bevölkerungszahl

71

aufgrund weiterer Zuwanderungen; das Erwerbspersonenpotential dürfte bis zum Jahr 2000 zunehmen. Die zugrunde gelegten Größenordnungen der angenommenen Entwicklung sind in Tabelle 4/2 ausgewiesen. Tabelle 4/2 Bevölkerung und Erwerbspersonenpotential - West- und Ostdeutschland 1991 West-

I °st"

2000 Gesamt-

West-

Deutschland

I °st" I Gesamt· Deutschland

Bevölkerung

64,5

15,8

80,3

69,0

15,1

84,1

Erwerbspersonenpotential

32,2

8,8

41,0

34,6

7,9

42,5

Quelle: Gornig, Görzig, Schulz (1993). Aufgrund dieser gegenläufigen Entwicklung in den beiden Teilregionen verlaufen die Angleichungsprozesse der Infrastrukturintensität etwas schneller als bei konstanten Relationen des Erwerbspersonenpotentials. 4.2.3

Annahmen zur Investitionsentwicklung

Im folgenden soll der Versuch einer Quantifizierung von Entwicklungspfaden für die Ausstattung mit wirtschaftsnaher Infrastruktur in West- und Ostdeutschland bis zum Jahr 2000 skizziert werden. Auf dieser Grundlage sollen Aussagen über die Angleichung der Infrastrukturintensitäten gewonnen werden. Eine solche Rechnung basiert'auf einer Reihe von Annahmen, die zwar so plausibel wie möglich nach dem gegenwärtigen Informationsstand getroffen werden, aber - ex post - i.d.R. nicht zutreffend sind. Mittels Sensitivitätsanalysen kann versucht werden, die Größenordnungen von Abweichungen in den Resultaten bei alternativen Annahmen einzugrenzen. Für Westdeutschland wurde ein Trend des Bruttoanlagevermögens zugrunde gelegt, der die gegenüber den 80er Jahren etwas verminderten Zuwachsraten des Bruttoanlagevermögens der wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. fortschreibt. Insgesamt ergibt sich eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von rund 1,6 vH, die im Bereich Nachrichten (2,5 vH), Abwasser72

beseitigung (2,5 vH), Flughäfen (3 vH) und ÖSPV (2 vH) überschritten, im größten Infrastrukturbereich Straßen und Brücken aber mit 1,3 vH und bei Wasserstraßen mit 1 vH deutlich unterschritten wird. Für eine Fortschreibung des Anlagevermögens der vier relevanten Wirtschaftszweige in den neuen Bundesländern wird vom perpetual inventory-Konzept ausgegangen. Jahr für Jahr werden zu den jeweiligen Anfangswerten die Zugänge, d.h. die Bruttoinvestitionen, hinzugerechnet und die Abgänge abgezogen. Für die Bruttoinvestitionen ist für 1990 bis 1993 die tatsächliche Investitionsentwicklung (zu konstanten Preisen von 1991) berücksichtigt worden; hier sind die Schätzfehler relativ gering, obwohl "amtliche" Informationen noch nicht vollständig vorliegen. Unsicherer ist, in welcher Höhe von 1994 an in die Infrastruktur investiert wird. In einigen Bereichen wie Nachrichtenübermittlung ist die bisherige Investitionsentwicklung stürmisch gewesen. Der Höhepunkt dürfte schon 1995 überschritten werden. In anderen Bereichen der wirtschaftsnahen Infrastruktur ist ebenfalls schon Vieles auf den Weg gebracht worden; dennoch ist hier aufgrund der längeren Planungsvorläufe mit einem weiteren Zuwachs der Investitionstätigkeit zu rechnen. Ähnliches gilt für die Energie- und Wasserversorgung. An dieser Stelle kann es nicht um eine detaillierte Investitionsprognose gehen. Es ist daher folgende Annahme getroffen worden: In den infrastrukturrelevanten Wirtschaftszweigen wird von 1994 bis 2000 Jahr für Jahr real so viel investiert wie 1993. Das sind beim Staat 22 Mrd. DM, in der Energie- und Wasserversorgung knapp 10 Mrd. DM, im Verkehr 11 Mrd. DM und in der Nachrichtenübermittlung 10 Mrd. DM. Für den Wirtschaftszweig Nachrichtenübermittlung werden die Investitionen allerdings ab 1995 Jahr für Jahr um 1 Mrd. DM verringert. Die Bedarfsschätzungen für Infrastrukturinvestitionen in den neuen Bundesländern (vgl. Tabelle 4/1) lassen sich in den nach den Kategorien der VGR abgegrenzten Wirtschaftszweigen nur teilweise wiederfinden. Für den Bereich der Energie- und Wasserversorgung ergibt sich dort ein kumulierter Investitionsbedarf von 140 Mrd. DM zu Preisen von 1990 iln Zeitraum 1991 bis 2005; dies bedeutet auf alle Jahre bezogen einen durchschnittlichen Investitionsaufwand von knapp 10 Mrd. DM. Dies entspricht - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisbasis etwa den Annahmen zur Fortschreibung des Kapitalbestandes dieses Wirtschaftszweiges. Im Bereich Nachrichtenübermittlung liegen die Annahmen zur Fortschreibung des Investitionspfades etwas über den erkennbaren Planungen der Telekom und auch über den Bedarfsschätzungen.

73

Die Entwicklung des Anlagenbestandes hängt neben diesem Investitionspfad auch von den Abgängen ab. Auch in diesem Bereich bestehen Unsicherheiten. Einen Anhaltspunkt liefern die für das frühere Bundesgebiet üblichen Abgangsraten, wie sie aus den Rechnungen des Statistischen Bundesamtes hervorgehen. Geht man davon aus, daß die Nutzungsdauer der Altanlagen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt noch niedriger anzusetzen ist, dann sind die Abgangsraten in den neuen Bundesländern für den Altbestand höher als die durchschnittlichen Abgangsraten im früheren Bundesgebiet. Die Abgangsraten für die Neuanlagen sind dagegen vergleichsweise sehr viel niedriger. Die zu wählende Abgangsrate ist ein gewichteter Durchschnittswert, die Gewichte hängen von der Relation von Alt- und Neubestand ab, die sich anfangs deutlich verändert. Erst wenn die Infrastrukturausstattung den Verhältnissen im früheren Bundesgebiet entspricht, kann man mit gleich hohen Abgangsraten rechnen. Aufgrund dieser Überlegungen wird bis 1995 im Prinzip von höheren und danach z.T. sogar von niedrigeren Abgangsraten als in Westdeutschland ausgegangen. Dies gilt insbesondere für die Nachrichtenübermittlung; in diesem Wirtschaftszweig nimmt die Bedeutung der Altanlagen sehr schnell ab. Unter diesen Annahmen ergeben sich die in Tabelle 4/3 ausgewiesenen Entwicklungen des Bruttoanlagevermögens in den relevanten Wirtschaftsbereichen. Auf den gesamten Zeitraum 1991 bis 2000 bezogen, errechnen sich folgende durchschnittliche jährliche Veränderungsraten:

74

Energie- und Wasserversorgung

6,1 vH

Verkehrsunternehmen

5,7 vH

Nachrichtenübermittlung

29,0 vH

Staat

5,5 vH

75

Abgänge

Investitionen

Anfangswert

199,6

8,7

15,1

9,8

M

8^

1

1,1

10

^0

22

217,3

1,0

10

19,7 22

206,0

0,9

10

5,0

26,2

5,0

1

87,9

7J

22

8

44,4

11

7J

22

M

22

7

11

22

259,4

0,8

6

53,3

4,8

11

106,0

2,7

9,8

103,9

1995

6,3 5,7

22

245,1

1,1 1,1 1,0

9

231,1

1,2

1 11

100,0

5,0 4,9 4,9

1

9,8 9,8

97,7

1994

3,3 3,2 2,9

9,8

94,0

35,4

5,0

-

3,5

9,8

91,6

1993

9,8 3,6

85,5

1) Mrd. DM zu Preisen von 1991. Quelle: Schätzungen des PIW in Kooperation mit dem IWH.

Staat

0,4

Abgänge

0,7

8,9 10,4

4,9

11

82,1

8 16,5

Investitionen

Anfangswert

9,8

1992

3,7 3,7 3,7

9

80,2

4,8

4,8

Abgänge

3,8

7,8 10,6

79,1

7,6

76,4

1991

Investitionen

Anfangswert

Nachrichtenübermittlung

Verkehr

8änge

Ab

Investitionen

Anfangswert

Energie- und Wasserversorgung

Entwicklung des Bruttoanlagevermögens1 - Ostdeutschland -

Tabelle 4/3

5,0

22

274,1

5

61,1

Π

112,0

110,3

1996

289,3

68,0

118,0

116,7

1997

305,0

73,9

124,1

123,4

1998

321,3

78,9

130,2

130,2

1999

2000

4.2.4

Infrastrukturintensität 2000 im Vergleich

Aufgrund dieser Annahmen und Quantifizierungen läßt sich die wirtschaftsnahe Infrastrukturausstattung in Ostdeutschland mit der in Westdeutschland im Jahr 2000 vergleichen. Dabei ist in Tabelle 4/4 das Anlagevermögen der Energie- und Wasserversorgung sowie der Nachrichtenübermittlung unmittelbar aus Tabelle 4/3 übernommen worden. Zur Ermittlung des Anlagevermögens in den anderen Bereichen wirtschaftsnaher Infrastruktur sind die "Startwerte" aus Tabelle 3/1 mit den Wachstumsraten für die Wirtschaftsbereiche Verkehr und Staat, wie sie sich aus Tabelle 4/3 ergeben, bis zum Jahr 2000 fortgeschrieben worden. Für die wirtschaftsnahe Infrastruktur i.e.S. in den neuen Bundesländern ergibt sich im Jahr 2000 ein Anlagevermögen von 445 Mrd. DM (zu Preisen von 1991; vgl. Tabelle 4/4). Dies bedeutet fast eine Verdoppelung gegenüber 1991 und entspricht rund 18 vH des Wertes im früheren Bundesgebiet. Damit steigt die Infrastrukturintensität in den neuen Bundesländern auf mehr als 56 000 DM an. Gegenüber der dann in Westdeutschland erreichten Infrastrukturausstattung je Kopf des Erwerbspersonenpotentials in Höhe von knapp 72 000 DM bedeutet dies eine Relation von knapp 79 vH. Unter diesen Voraussetzungen würde sich also im Durchschnitt der betrachteten wirtschaftsnahen Infrastruktur i.e.S. diese Relation aus Sicht Ostdeutschlands in knapp 10 Jahren verdoppeln. Dies bedeutet aber auch, daß im Jahr 200C) noch ein Rückstand von Ostdeutschland zu Westdeutschland besteht, wenn man auf die jeweiligen Durchschnitte abhebt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Westdeutschland im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gut mit Infrastruktur ausgestattet ist. Deshalb bedeutet ein im Jahr 2000 gut 20 Prozent betragender Rückstand Ostdeutschlands im Vergleich zu Westdeutschland auch, daß Ostdeutschland in dieser Hinsicht dann im Spektrum moderner Volkswirtschaften liegen dürfte. Insofern wird mit dem eingeschlagenen Investitionspfad, der sich an der oberen Grenze des Machbaren bewegt, ein infrastruktureller Mantel geschaffen, in den die ostdeutsche Wirtschaft hineinwachsen kann. Auch in Westdeutschland weisen die Regionen erhebliche Unterschiede in der Infrastruktur auf, so daß einige ostdeutsche Regionen im Jahr 2000 hinsichtlich der Infrastruktur mit manchen westdeutschen Regionen im Durchschnitt vergleichbar sein könnten. Bei einzelnen Infrastrukturbereichen ist das ohnehin der Fall. Von einer weit unterdurchschnittlichen relativen Infrastrukturintensität im Jahr 1991 ausgehend, könnte insbesondere die Nachrichtenübermittlung (Postdienst, Telekom) einen Wert erreichen, der im Jahr 2000 nur noch wenige Prozent geringer ist als in Westdeutschland. Dies gilt auch für die Energieversorgung und den Eisenbahnverkehr. Ob diese Aussage allerdings auch für die Wasserversorgung gilt, erscheint 76

77

Ü)

(3)

5)

(5)

1,6

Insgesamt