Was Kaliforniens Sonnenkönigin erzählt!: Skizzen aus dem Goldlande Nordamerikas [Reprint 2021 ed.]
 9783112430545, 9783112430538

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was Kaliforniens Sonnenäönigin erzählt! Skizzen aus dem Goldlande Nordamerikas von

IHalwina £ampaöiu$ aus Tos Angeles in Kalifornien

Ktit Abbildungen

Verlag von Alfred Opelmann in Gießen

Druck von T. (5. Köber G. m. b. f}., Leipzig.

Frau Marie von Hrnim aus Schloß Tangerhütte

in Liebe und Verehrung gewidmet

Inhalt. Seite

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Der Sonnenhönigin Reich........................................................... 5 Cureka...........................................................................................9 Grab im Meeressand der Insel JuanRodriguez Labrillo 14 Die Pacific-Göttin....................................................................18 Pater Junipero Senas Ährenfeld......................................... 22 Die größte Speisekammer der Welt.................................... 28 Kaliforniens Goldminen-Ruhhirte......................................... 32 Eine Emigranten-Goldgräbergeschichte.................................... 35 Line Rlostergeschichte Kaliforniens von „Einst" ... 37 Cs war der Tochter Lieblingslied......................................... 39 Zarte maiengrüne Lieb'.............................................................. 42 Die Bergfahrt mit Kaliforniens Sonnenkönigin ... 45 Eine Indianermutter................................................................... 49 Königin Kaliforniens Sonnenmotor......................................... 51 Wie Kaliforniens Königin das Vadewasser ihrer Unter­ tanen heizt.............................................................................. 55 Buffalo Bill................................................................................... 57 Die große Indianerschlacht anno 1876 ................................ 59 Ls war das Kind vom Dorfe.............................................. 61 Der schönste Klostergarten der Welt.................................... 64 Die Christuskirche der Engelsstadt......................................... 67 Die Sonnenflecke der kalifornischen Königin......................... 70 yosita..............................................................................................72 Nemesis........................................................................................ 74 San Franciscos Erdbeben.........................................................78

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L 1.

^cr ^onnenkönigin Reich —.......... —-------------

Huf hohem Gipfel der Sierra Madre* Vergeswelt des Goldnen Westens Nordamerikas stand ein Indianerhäupt­ ling. 3n all ihrer majestätischen Pracht trat Kaliforniens Sonnenkönigin unter ihrem lichtblauen Thronenhimmel hinter der hohen Felsenmauer hervor. Hnbetend in Begeisterung stimmte der eingeborene Sohn des Landes die heilige Sonnen« Hymne seines Stammes an. Vie taubeperlte Natur glitzerte im vergoldenden Frührotschein des Sonnenantlitzes, und durch die feierliche Stille tönte es: wah! ta-ho —ta-ho! wah! utta ho! Na-mi-tau—a-la! Ta—hi mau — a — Io! Ma-ya na-toi La-mi teth—laux-i! Ma-ya na-wi Zu-mi tau—a-li

Steh auf! Steh auf! Steh auf! wach! ja erwach! Neues Leben grüßt dich, halte dich bereit! Mutter Sonne will dich besuchen, Vie Sonnenmutter will dich grüßen!

(Quan ta-ho! ta-ho! wah! ta-ho-ta-ho! Ma—ya zu—la, venu yan-a-la

Hile erhebt euch! Steht auf! Steht auf! Sonnenmutter Spende uns dein Licht!

So nennt der Kaliforniet den südl. Teil der Sierra Nevada.

Tan-o may - Key, Tan-o tay-ha Wan -a-lu Wan-a-lu!

Leuchtend führ uns, Steh uns bei! Sie erscheint! Sie erscheint!

Tan — u - vie — vi, Tan-u tan—da tuet? Ten - thlo - main Navi - zu - ma. Wang-ga-la! Wang-ga-lu!

Wie das herz erglüht! Wie die Seel' wird entzückt Durch die Musik Des Sonnenlichts! Sieh! wie sie hervortritt! Sieh! wie sie hervortritt!

Wah! utta ho! Ha-wt tau-a-Io! Wah! ut - ta - ho! Ta - hi mau - a Io. IHa ya na-wi Zu mi teth - laux! Maya na - wi, zu-ma tau a li Guan ta-ho! ta-ho-ta--ho

Erwacht! Erhebt euch! Es grüßt euch das Leben! Erwacht! ja erwacht! Seid ewig wachsam! Mutter des Gottes des Lebens Sie ruft dich! Mutter des Lebensgottes, sie grüßt dich, Hile erhebt euch! Steht auf!

Ta - ho! Ta-ho! schallte das Echo durch die Berg­ welt. — Der Sonnenkönigin Auge strahlte feuriger denn je! Da begrüßte auch ich die göttlich himmlische Hoheit mit denselben Gefühlen froher Dankbarkeit, sie — die Spenderin alles Lichts auf meinem Lebenspfad. Und als ich unver­ wandt zu ihr emporblickte, da plötzlich war es mir, als käme die Königin des Himmels in menschlich verkörperter Gestalt, langsam schwebend, herab zu mir. Jetzt öffnete sie ihre purpurroten Lippen und sprach: „Deine verehrende Liebe für mich soll dir belohnet werden, höre mich an! Ich habe nun bereits in diesem „Goldnen Vesten" regiert, seit jenen Tagen, da Jehova

das Festland schuf und von den Gewässern der Erde trennte und sprach: „(Es werde Licht!" Ich bin so alt, daß ich mehr erlebt habe als irgendein erschaffenes Wesen im Universum. Sollte ich alle meine Erlebnisse erzählen, so würden Aber­ tausende von Jahren nicht dazu ausreichen. Die Zahl meiner Geschichten ist unerschöpflich! Deshalb bin ich die größte Schriftstellerin der Welt! Oft sind meine Geschichten so schön, daß ich sie alle erzählen möchte! Zuweilen aber sind sie so schrecklich und traurig, daß ich glücklich gewesen wäre, wenn eine dunkle Wolke jene Lebensszenen vor meinem Antlitz verborgen hätte. (Es ist jedoch ungeheuer schwierig einen Wolkenvorhang an Kaliforniens ewig azur­ blau überzogenem Himmelszelt zu finden. Deshalb bin ich gezwungen, Böses ebenso wie Gutes zu sehen. Außer den Eingeborenen dieses Landes sind meine Untertanen Emi­ granten aus aller Herren Ländern. Ich betrachte es als meine Kegentinnenpflicht, ihnen allen soviel von meinem Licht auf ihren Lebensweg zu spenden, als einem jeglichen in seinem Vaterlande zuteil geworden wäre. Diese Aufgabe hält mich nun ununterbrochen in glühendem hitzeifer be­ schäftigt, das ganze Jahr hindurch allüberall Sonnenschein zu verbreiten! Da ich infolgedessen mein Licht unverändert erwärmend und erleuchtend scheinen lassen muß, so ist es immer licht und oft fast ein wenig zu warm in meinem kalifornischen Keich. Vie Menschen aber nennen es: „Vas Land ewigen Sonnenscheins!" Aber ich bin nicht nur die Königin des Lichts, sondern auch der Wahrheit. So­ bald meine Krone funkelt im Dämmerungsfrührotschein, erhelle ich, von meinem wahrheitslicht beleuchtet, alles, was die Dunkelheit der Königin der Nacht verbarg. Leider ist dies der Grund, daß mich manche meiner Untertanen nicht lieben. Deshalb ziehen sie nicht nur am Morgen, sondern auch während des Tages oft ihre Gardinen dichter

zusammen, ja sie schließen sogar die Läden. Sie denken jedoch nicht daran, daß mein alles durchdringendes Auge selbst durch die kleinsten Spalten und Ritzen zu sehen und in die dunkelsten Tiefen zu schauen vermag. Nur wenige verstehen des Wortes tiefe Bedeutung: „Vie Sonne bringt es an den Tag!" - Glücklicherweise lieben mich aber die meisten meiner Untertanen und wissen mein warmes herz zu schätzen. Diese begrüßen mich jubelnd am frühen Morgen wie eine liebe, alte Bekannte. Sie öffnen Fenster und Türen weit für mich, auf daß ich ihr herz und heim er­ leuchten und erwärmen kann, und rufen: „Laß doch die liebe Sonne herein!" Solchen meiner Getreuen spende ich so gern von meiner heilbringenden Lebenskraft für Seele und Leib! - Ich weiß, daß du zu ihnen gehörst, deshalb habe ich dich auserlesen, wenigstens einige meiner Geschichten der Welt niederzuschreiben, damit mein „sonniges Land ewigen Frühlings" besser bekannt werde! Vie Titel zu diesen Geschichten habe ich verewigt durch meine goldene Strahlenschrift an den Mauern uralter Ruinen, auf den efeuumrankten, moosbehaarten Körpern der tausendjährigen Waldesriesen, auf den Rücken der versteinerten Bergwelt, auf den farbigen Blättergewändern der Lenzeskinder ewigen Frühlings, auf dem Spiegelbach des wunderbaren Zauber­ palastes Neptuns - auf den Giebeln der modernen Residenzen der Dollarkönige und auf den niedrigen Dächern der des Sklaventums befreiten „Gnkel Toms Hütten". Als die Sonnenkönigin beendet, schwebte sie höher empor im lichtblauen Äther - westwärts - in der Richtung zum „Stillen Meere". -

„Ich erinnere mich gerade erst heute passiert," so erzählte ich mit ihr in dem Hafenorte Ozean" an Kaliforniens Küste

so genau, als wäre es eben mir die Sonnenkönigin, als „San Diego" am „Stillen stand, „daß es im Monat

September des Jahres 1542 war, als ich zwei Segelschiffe auf diesem Weltengewässer daher gleiten sah. Mein weit­ sehendes Auge bemerkte deutlich, daß sie die Namen „San Salvator" und „Victoria" trugen. Nur eine kleine Schar

Matrosen stand auf Deck. In ihrer Mitte befand sich, ge­ kleidet in die spanische Cdelmannstracht seiner Zeit, eine hohe, edle Gestalt. Sein Haupt bedeckte kohlschwarzes haar, seine feurigen dunklen Augen spähten suchend in die Ferne, plötzlich ertönte laut seine Stimme: Cureka! Cureka! Mit diesen Worten sank er nieder auf seine Knie und mit ihm die Mannschaft. Sein herz war ganz erfüllt von hoher Freude! Ich hörte dies aus dem Inhalt seines Dankgebets, das er empor zu meinen höhen zur Mutter Gottes sandte. Als er beendet und sich erhob, waren seine schönen, dunklen Augen tränenfeucht. Sie schimmerten gleich den Juwelen des Onyx, denn ich, die Sonnenkönigin, küßte diese Augen mit feurigen

Lippen! hinter dem Dickicht an der Meeresküste bewachten eingeborene Indianer ängstlich das herannahen der Wasser­ gefährte. Sie hielten Pfeile und Bogen zum Angriff bereit.

„vatz ihr nicht schießt - daß ihr nicht schießt!" kreischte ein altes Indianerweib. Sie wurde die „Herrin des Landes" genannt und mit Ehrfurcht behandelt, denn sie war das Medizinweib und als solches durch ihre zauberischen Heilkünste bekannt, ©ft habe ich mit angesehen, wie sie ihren medizinischen Schnaken- und Kräuterbrei braute. „was sollen wir denn tun? willst du selbst hinüber­ rudern zu den Unbekannten, um vielleicht ein ©pfer ihrer Grausamkeit zu werden?" So fragte der Häuptling. (Er war im Adamskostüm wie alle anderen seines Stammes, nur unterschied er sich von ihnen dadurch, daß sein Haupt mit einem Federschmuck geziert war. „’s ist mir einerlei! Ich fürchte mich nicht vor diesen vleichgesichtern," antwortete das Zauberweib in ihrer Stammes­ sprache, die ich natürlich verstehe, schalt die Sonnenkönigin ein. „Gut! so geh’ und erkläre den Ankömmlingen, daß wir unsre Pfeile ihnen nicht entgegensenden wollen, sondern ihnen friedlichen Gruß bieten!" Nun ruderte die Alte in einem Kanoe hinüber. Sie warfen ihr noch einige Fische zu. Die fing sie auf. (Es waren Baricuttas. „Line »Squaw« (Indianerweib) heißt uns willkommen," sagte lächelnd der Edelmann, „helft ihr auf der Leiter zur Victoria empor. Ihr Kommen bedeutet »Sieg« für uns. Victoria!" „Totlachen hätte ich mich können," so erzählte die kalifornische Königin, „als ich zusah, wie der Edelmann und die Alte sich einander bewillkommneten und bekomplimentierten. Immer lauter schrien sie sich an, wie es zwei Fremde so oft zu tun pflegen, die gegenseitig ihre Sprache nicht verstehen. Ihre Gestikulationen waren so spaßhaft! Ich ließ sie meinen Kunstfreund, den Schatten­ meister, alle an die Schiffswand malen. Einmal zählte

die Squaw elf an ihren Fingern ab, und da mit der Zahl zehn ihre Finger nicht weiter für sie zählbar waren, nahm sie eine Fischgrätenhaarnadel aus ihrem Kopfe und stellte sie neben den kleinen Finger der linken Hand aufrecht. Das schrieb der Fremde mit seiner Gänsefeder, die er erst in eine dunkle Tunke tauchte, auf ein Blatt Pergament­ papier: -wahrscheinlich elf weißhäutige Männer schon ein­ mal hier an der Küste gewesen, jedenfalls der Beschreibung nach spanische Mönche aus Mexiko/ Natürlich habe ich auch spanisch lesen gelernt während der Tausende von Jahren, daß ich die Menschen habe auf meinen Reisen in den verschie­ denen Ländern der Erde ihre Schriftzüge machen sehen. Ich kenne all ihre Schriftmalereien von den alten Hieroglyphen an bis zu den modernen Schnirkel-Schnarkeln der Jetztzeit!" so

fügte die gelehrte, weise Herrscherin lächelnd ihrer Rede hinzu. Die Rlte war übrigens völlig in ihrem Rechte. Ich selbst habe dieser Forscherexpedition durch den dunklen Ur­ wald geleuchtet. Nun bot das Weib ihre Fische zum Geschenke dar. Sie streckte aber sofort die leeren Handflächen wieder aus, um zu verstehen zu geben, daß sie ein Gegengeschenk willens sei anzunehmen. Glücklicherweise war der Empfänger ver­ ständnissinnig. Huf seinen Wink brachte ein Matrose ein Kästlein herbei. — Ergreifen und Offnen war eins bei der Riten. — Eine Minute später hingen an ihrem braunfarbenen, knochi­ gen halse glitzernde perlenschnüre. (Es war schwer zu sagen, ob diese oder das große, feurige Hugenpaar prächtiger glänzten! Sie war ganz närrisch vor Entzücken und fing an sich tanzend im Kreise herumzuwirbeln. Da eilten die Schiffsmusikanten mit ihren pfeifen und Tambourets herbei, und die anderen Matrosen tanzten spanische Tänze. Je wilder dies geschah, desto mehr kreischte die Indianerin vor Vergnügen. Drüben an der Küste hatten die Eingeborenen in-

zwischen ein Freudenfeuer angezündet. Das loderte hell auf! Einige saßen auf Baumklötzen und schlugen Takt auf ihren metallenen und hölzernen Instrumenten, die mit getrockneten Tierhäuten überzogen waren und wie Trommeln von heut­ zutage aussahen. Die Musik drang natürlich durch die wunderbar klare Luft meines kalifornischen Reiches zu ihnen deutlich hinüber. - Des Meeres Wogen trieben mit den tanzenden Indianern um die wette ihr tanzend Spiel, und selbst die Fische sprangen lustig auf und nieder. Eine Schar weißer Seemöven ließ sich oben auf den Maststangen der „Victoria" nieder und blickte ganz verwundert dem Schauspiel

zu. Ich, die Sonnenkönigin, vermag selbstverständlich auch die Sprache der Tiere zu verstehen, - ich habe Zeit genug ge­ habt, sie zu lernen. - So hörte ich, wie eine große dicke Möve zu einer ganz kleinen dünnen im Zwiegespräch sagte: „Du, das ist aber etwas ganz Neues, nie Dagewesenes, was hier passiert!" wenn Wolken erwünscht sind in diesem meinen Lande, dann kommt sicher auch nicht eine einzige angezogen, und ich muß oft von meinen Untertanen hören: „5lch, wenn sich die liebe Sonne nur wenigstens ein bißchen verziehen wollte und für ein paar Regenwolken Platz machen!" Will man aber keinen Regen haben, richtig! da kommen auch gleich Wol­ ken an und noch dazu ganz aus heiterem Himmel! So war es auch in diesem Moment, da ich gern noch etwas mehr gesehen hätte. - Cs geht ja immer so im Leben! — Unglücklicherweise, ja! da war sie plötzlich da, die dicke, schwarze trauerflorumkleidete Seglerin der Lüfte und ver­ dunkelte mir die ganze Aussicht wie dem Wanderer auf Bergeshöhen das Panorama im Tale. Diese Wolkenmutter hatte auch noch dazu eine ganze Schar von Kleinen mit sich zum Spazierengehen genommen. Die kamen ganz langsam angetroddelt einzeln, zwei und zwei und einige zu dreien, gerade wie so eine Kindergartenschule der heutigen

Welt. AIs sie nun endlich! endlich! vorbeispaziert waren, nachdem sie manchmal gerade dicht vor meinem Nntlitz stille gestanden hatten, bis sie Herr Blasewind, der auch mit im Gefolge war, wieder vorwärts getrieben hatte, winkte mir mein Gemahl, der „Mond", zu. Ich weiß schon, datz das allemal heißt: „Nimm noch dein Bad im Meere und tauche in die Fluten und begib dich dann zur Ruhe, Königin." „Laß mich nur noch einen Moment hinunter blinzeln, bat ich, den Moment des Zwielichts laß nutzen, - - - wie du weißt, dauert der ja lange in Kalifornien, denn die Menschen haben Dämmerstündchen, wie sie's in Europa haben." - -

zur Erde mich be­ gar nicht hier kein - Noch

einmal wandte ich meinen Blick schnell der vorigen Crdenszene zu und sah hinunter, zwischen dem purpurnen Vorhang des Fensters meines himmlisch schönen Rbendpalastes hindurch. Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich, wie die köstliche Purpurfarbe sich in dem Wasserspiegel des „Stillen Ozeans" schöner denn je reflektierte und das ganze Weltengewässer rings­ umher ordentlich schimmerte, als wäre es aus purem, flüssigem Golde gemacht. Es sah ganz besonders an jener Stätte so aus, wo sich jetzt am Strande die Stadt „San Diego" stolz

erhebt, hier hatte der Edelmann die spanische Flaggenstange in den Boden gestoßen, und lustig flatterte die Fahne, vom milden Zephir im Rbendwinde hin und her bewegt. „Im Namen Karls V., Königs von Spanien, nehme ich Besitz von diesem Lande und Boden," rief er aus mit weithin schallender Stimme. Bei diesen Worten ertönte die damalige spanische Nationalhymne unter Kaliforniens Rbendhimmel. Sie war das friedliche Schlummerlied für die, nach langen Stürmen gelandete, Mannschaft des „San Salvator" und der „Victoria" im Jahre H. D. 1542. Eureka! Cureka! „Ich hab's gefunden!" tonte es noch einmal von des Weltumseglers Lippen. - - -

Das Grab im Meererfan- -er 4dl EWiInfel Juan Rodriguez Labrillo?lWH t^3==3C====sE--21.

Die Sonnenflecke der kalifor- A Nischen Königin?

(Es war fast Abend, als mich Kaliforniens Sonnen­ königin noch einige Augenblicke besuchte. Ich war auf der Lick-Sternwarte auf Mount Hamilton, dem berühmten Berg­ observatorium, nicht weit von San Francisco gelegen. „Nein, was ich mir habe müssen gefallen lassen, den ganzen Tag über," sagte sie zu mir. „Ununterbrochen haben heute die berühmten Gelehrten der Astronomie ihre Tele­ skope auf mich gerichtet, und warum? habe nämlich drei oder vier schwarze Flecken auf mein weißes Sonnengewand bekommen. (Es ist wirklich erstaunlich, welche Fortschritte die Wissenschaft der Astronomie in unserm Jahrhundert ge­ macht hat! Alles und Jedes, was nicht so ganz richtig einmal ist an meiner alltäglichen Erscheinung, das bemerken auch gleich die gelehrten Herren Professoren. Da haben sie nun mit ihren wißbegierigen Studenten herumdisputiert, woher ich wohl die Flecken bekommen habe. (Es ist doch ganz natürlich, daß ich bei der ungeheuren Schar meiner Sonnen- und Sternenkinder, wenn sie mir gar zu nahe auf meinen Leib rücken, manchmal Flecke bekomme. Zuweilen liegt's ja auch an dem kalten Einfluß, den irgend so ein * Don ihrer Lick-Sternrvarte aus gesehen am 9. Februar 1905.

Staubwind oder ein Vetter auf mich hat. Jetzt haben sie mich nun mit den Flecken auf meinem Sonnenkleide abphoto­ graphiert, und morgen, paß auf! paß auf! morgen früh ist mein Bild in allen Tageblättern zu sehen, und meine Photographie liegt in allen Schaufenstern aus." Bet diesen letzten Worten blinzelte mir die Sonnenkönigin noch einen Augenblick zu und dann verschwand sie um die Ecke von der Sternwartenkuppel. — Der Direktor der Sternwarte las eben ein Telegramm. Es stammte aus der alten Welt, aus der deutschen Reichs­ hauptstadt Berlin, und war unterzeichnet Prof: H. „Merkwürdig! sehr merkwürdig! Sonnenfleckengruppe auch drüben gesehen!" sagte er. - „Am 14. August 310 Mondfinsternis in Kalifornien zu sehen, und am 30. August 4 Minuten lang währende Sonnenfinsternis in Canada, Spanien und Afrika zu beobachten. Verde mit einer Ex­ pedition nach Madrid gehen!" - —

In Chinatown, dem Chinesenviertel San Franciscos, der mächtigen Handelsmetropole Nordkaliforniens, stand ich. Die Straße vor mir war gesperrt. Zwei Polizisten trugen die Leiche eines jungen Chinesenmädchens auf einer Bahre

in einen Polizeipatrolwagen, dann legte der eine einen blutbefleckten Dolch auf ihre Brust. Der kalifornischen Sonnenkönigin Strahlen küßten das todesbleiche Antlitz. Der wagen rollte davon. Der Tumult hatte sich verlaufen. Ich war plötzlich einsam in der leeren Gasse. Da berührte mich die Sonnenkonigin leise. „Ich will dir positas trau­ rige Geschichte erzählen," sprach sie, und ein trüber Schein

verfinsterte ihr Antlitz. vorgestern, so sagte sie, fuhr ein großes Handelsschiff in den Hafen von San Francisco ein. Cs kam von China her, ich wußte es. wie ich so oft gesehen, so brachte es auch diesmal eine Anzahl jugendlicher Chinesenmädchen mit sich. „Du kannst sie haben, die posita, für 2000 Dollar! Sie ist schön, wie die Lilie des Frühlings unsres Landes, aber sie ist die dritte Tochter meiner Familie und deshalb eine Schande für das Kaiserreich." So sprach im Wispertone positas Vater zu einem graubärtigen, reichen Wüstling seines zitronenfarbigen Geschlechtes. - - - -

Hn einen Mast gelehnt lauschte t)opta. Ihre bleichen Wangen wurden noch bleicher. Ihre kleinen geschlitzten Rügen blickten starr und ein unheimlicher Schimmer blitzte plötzlich daraus hervor. Ihre Gestalt erzitterte wie Espen­ laub im Morgenwinde. Mit der schmalen, blutleeren Hand fuhr sie nach der Herzgegend. Bei dieser Bewegung schim­ merte für einen Moment eine volchspitze aus der lang herabhängenden rechten Rrmeltasche ihres Rimonagewandes. „Shikata ga ma!"* (es macht nichts aus) murmelten ihre Lippen. -----Es wurde ungewöhnlich trübe an Kaliforniens sonst so sonnenhellem Horizont. Mit tieftraurigem Tone hatte die Sonnenkönigin ge­ sprochen. „Es ist mir noch furchtbar zu Mute, datz in meinem Reiche im 20. Jahrhundert eine solche Geschichte passieren kann," sagte sie. Ich glaube sicher, sie weinte, denn ich hörte die Leute sagen: „Die Sonne zieht Wasser, die Tropfen fallen schon." -----* Eine auch unter den Chinesen gebräuchliche Redensart der Japaner.

Ich ging in dem wunderherrlichen Golden-Gate-Park San Franciscos spazieren. Kaliforniens Sonnenkönigin ver­ schonte durch ihre majestätische Gegenwart alles ringsum­ her. wie gewöhnlich hatte sie auch hier eine Geschichte zu erzählen. „Ich sah," so begann sie, „wie eine Negerin das kleine, schön geputzte Kind ihrer amerikanischen Herr­ schaft auf die Frühpromenade fuhr. Es war ein herziges Ding, diese Kleine, mit den Hellen Vergißmeinnicht-Augen und dem goldblonden haar, wenn sie lachte, hatte sie Grübchen in den rosigen Bäckchen, und vier niedliche Vorder­ zähnchen kamen zum Vorschein. Das Lätzchen war mit Goldnadeln festgesteckt, die waren mit funkelnden Dia­ manten besetzt. Km halse hing ihr ein goldnes Kettchen mit einem Herzchen, Anker und Kreuzchen daran. (Ein Goldringlein umspannte den winzig kleinen vierten Finger der linken Hand, hier, auf diese rot angestrichene Bank unter der hohen Fächerpalme setzte sich die Kinderwärterin nieder. In Gedanken vertieft, schob sie mechanisch mit dem rechten Fuße den zweirädrigen Kinderwagen, der ein Schirm­ dach aus echten Spitzen hatte, hin und her, so lange, bis die Kleine mit gesenktem Köpfchen auf die Seite gerutscht und eingeschlafen war. Dann fuhr sie den wagen vorsichtig

hinter den Baum an einen Busch, an dem große, dunkel­ rote Rosen blühten. Nun sah ich, wie sie auf den Fuß­ spitzen davonschlich. Ich folgte ihr bis zu einem verborge­ nen Laubgang. Ein schriller pfiff ertönte! Gleich darauf sah ich einen elegant gekleideten Mann daherkommen. Die üppige, jugendliche Negerschönheit eilte ihm entgegen. Er drückte sie an sich und küßte die roten frischen Lippen, und ihre großen Augen funkelten; — — er legte ihr ein Fünfdollar-Goldstück in die Hand. — — Dann verschwanden die beiden im Dickicht, wohin ich ihnen mit meinem reinen Strahlenglanze nicht folgen konnte. — Noch einmal blickte ich hernieder auf die schlummernde Knospe am Rosenbusch. - - Später auf meinem Wege nach Westen sah ich hastig ein spanisches Zigeunerweib dem Meere zueilen. Sie trug ein weißes Bündel. — - Es war um die Mittagszeit, wo die Leute zu sagen pflegen: ,Die Sonne steht still'. Da sah ich die Negerin wieder, wie unsinnig lief sie suchend hin und her. Nach allen Richtungen hin bog sie die Zweige der Gebüsche nie­ der. Die Dornen zerstachen ihr Gesicht und Hände, daß das Blut herausspritzte. Zuletzt raste sie davon. Sie hatte das leere Wägelchen an ihr Schnupftuch festgebunden und zog es mit sich fort, nicht achtend, daß es während des Laufens zur Seite fiel und gar nicht mehr auf den Rädern ging. - - Sch folgte der Unglücklichen bis sie, in Schweiß gebadet, vor der Tür einer Marmorresidenz stand. Durch das große Bogenfenster sah ich in ein Speisezimmer. Dort saß an langer Tafel, die ganz mit glitzerndem Silbergeschirr bestellt war, eine junge, bildschöne Frau. Derselbe fein­ gekleidete Herr, den ich im Wäldchen mit der Negerin ge­ sehen hatte, setzte eben seinen Thampagnerpokal an die auf­ gedunsenen Lippen. Sch sah, wie die schöne Frauenerschei-

nung plötzlich heftig zusammenschrak, zitternd wie Espenlaub, und ihre Mangen färbten sich kreideweiß, vor ihr kniete, ihre Hände flehend erhoben, die Negerin. Ich sah, wie der Mann sein Champagnerglas fallen ließ, denn seine Hand zitterte - - ich sah die Scherben auf dem Boden rollen. (Es war eine herzzerreißende Szene, die nun folgte. - - Ms ich am nächsten Morgen den Leuten beim Tageblattlesen von meinem Lichte spendete, sprachen sie alle von einer großen Annonce, die war ganz dick schwarz umrän­ dert gedruckt. Am Ende hieß es darauf: ,wer das ge­ raubte Rind lebend wiederbringt, erhält eine Belohnung von 1000 Dollars/ Am selben Tage wimmelte der ganze Golden-GatePark von Weibern, Männern und Rindern, die alle suchend umherliefen. Ein riesig großer Neufundländer lief schnüf­ felnd auf einsamem Pfade. - - Ich folgte ihm. Weiter und weiter entfernte er sich von der Volksmenge, bis auch ich ihn nicht mehr zu sehen vermochte. - Es war um die Seit, da ich pflege, mich zur Ruhe zu begeben. Die Menschen saßen alle bei ihrer Abendmahl­ zeit. Der Abendstern blitzte schon am Firmament, aber es war Dämmerlicht auf der Erde. Da sah ich den Hund wieder. Er lief ganz schnell durch die Straßen. In seinen Zähnen schleppte er ein großes, weißes Bündel. Sein Fell war naß, das konnte ich ganz deutlich sehen. Aus dem Bündel tropfte das Wasser auch. Ich senkte meinen letzten Sonnenblick an jenem Abend noch einmal hernieder zur Schreckensstätte des Morgens. Da kam der Hund eben an. vor der Türe ließ er das Bündel langsam fallen. Dann bellte er laut, nicht freudig; - - es war ein jammernd Hundegeheul! ,Laßt doch den Burschen herein/ horte ich eine Stimme rufen. Dann trat eine Abendwolke zwischen mich und den Marmorpalast des Millionärs. - - -

Rm nächsten Morgen hing eine große, weiße Rtlasschleife an dem Clfenbeinknopf der Haustüre. Das ist in meinem Lande Kalifornien ein Zeichen, daß die Leiche eines unschuldigen Kindleins in solchem Hause aufgebahrt ist. -

Drei Tage später mutzte ich mit den Strahlen meines himmelslichtes den Gerichtssaal der großen Handelsmetro­ pole meines Goldreiches erleuchten. Die Zigeunerin,* die ich gesehen mit dem Bündel im Goldnen Gate-Park, stand trotzig, mit aufgeworfenen Lippen, erhobenen Hauptes vor den Richtern und sprach: ,Rache habe ich nur geübt, da der Schurke von einem Millionär mir, der hungrig Bettelarmen, ein Rlmosen ver­ weigerte und mich, wie einen fremden Hund, mit einem Fußtritt von seiner Türe stieß/"

* Es gibt in Kalifornien viele aus Europa eingewanderte Zigeuner.

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San Franciscos Erdbeben 18. April 1906.

Es war am frühen Morgen des 19. Hpril 1906, als Kaliforniens Sonnenkönigin mit einem ganz eigentümlich glühroten Gesicht durch mein Fenster blickte. „Um Himmels willen!" rief sie mir zu, „etwas ganz furchtbares ist ge­ schehen im Norden meines Landes! Meine mächtige Welt­ handelsmetropole an der Bucht des Stillen Ozeans brennt lichterloh! Als ich gestern soeben aufgestanden war und über den Bergesgipfel steige, scheint sich plötzlich die ganze Landschaft rings um mich her zu bewegen! Tief unter mir, aus der Erde Tiefen, vernehme ich ein donnerartiges Ge­ tose, wie rollendes Donnergrollen. Es wird immer lauter und lauter! Schließlich kracht es an allen Ecken und Enden, als wären Hunderte von Geschützen auf einmal abgefeuert. Ich sehe wie der Erdboden sich klaftertief auseinander spaltet und bläuliche feuerflammen daraus hervor züngeln! Alle elektrischen Straßenlichter verlöschen mit einem Male! Es wird ganz pechrabenschwarzdunkel und der ganze Him­ mel bedeckt sich mit einer dichten Nebelwolkenmasse, durch welche mein Auge kaum hindurchzublinzeln vermag. Auf einmal fangen alle Glocken der Kirchen von selbst an zu läuten! Ich sehe, wie die Türme ins Wanken kommen, wie die Mauern der Häuser sich bewegen und o Schrecken! sie

stürzen zusammen wie Kartenhäuser! Kopfüber fällt die mächtig große Statue der Justitia vom Rathauskuppelturm, Hunderte von Metern, tief herab! Wieder ein furchtbarer Krach und bas schöne herrliche Kathausgebäude ist zum Trümmer­ haufen geworden und die Marmor- und Holzsplitter fliegen in den Lüften! Ich werfe einen Blick auf das Meer! Turm­ hoch schäumen die Wellen empor mit rotgelbem Gischt be­ deckt! Zwei große Dampfer Kämpfen mit dem wütenden Element. Noch sind die Maste sichtbar - aber nur ein Moment! und auch sie sind verschwunden und vergeblich sucht mein Sonnenauge die Wassergefährte wieder zu ent­ decken, der wirbelnde Schlund hat sie verschlungen und mit ihnen Hunderte von Menschenleben! Und noch immer währet das Beben und Schüttern in dem feurigen Gfen der Erde. Ich wende mein Huge der Stadt wieder zu! Welch furcht­ bares Schauspiel! Hus allen Teilen der Stadt lodern die Feuerflammen hoch empor! In den Straßen wogt eine dichte Menschenmasse in ihren Nachtgewändern und kaum halb gekleidet, hilfeschreiend und händeringend, ziellos hin und her. Die meisten der Unglückseligen versuchen sich vor­ wärts zu drängen dem Hafen der Bucht zu. Immer weiter verbreitet sich der Feuerbrand, dort, welch entsetzlicher Un­ blick! (Es sind Menschen, die wie brennende Feuersäulen erscheinen, die sich vor den explodierenden Gasrohren zu retten, vom hohen Stockwerk der Mietshäuser in Verzweif­ lung herabstürzen. Ihre Schädel zerschmettern auf hartem Asphaltboden und die Blutlachen färben den unter den Füßen wankenden Boden! Unter den Trümmern eines zur Seite gefallenen winzigen Häuschens zieht eine Mutter ein Knäblein hervor - sie küßt und herzt es - sie behorcht es - sie versucht ihm durch ihren Atem neues Leben ein­ zuhauchen - in ihrem Antlitz spiegelt sich der Ausdruck namenlosen Schmerzes - sie nimmt das tote Kind in ihre

Arme, sie will vorwärts schreiten, da! plötzlich ein andrer Erdstoß und die noch übrig gebliebene Mauer fällt und begräbt Mutter und Rind! Schon steht dort ein Stall in Flammen! Ein mutig Mädchen schiebt den Riegel zurück und öffnet das Stalltor weit. Wiehernd springt ein Pferd hervor. Huf ihr streng gesprochenes „halt" steht es still. Sie zieht das Cingespann aus der Remise. (Es gelingt ihr, den Schimmel noch anzuspannen. Sie springt auf den Vock. Sie treibt das gehorsame Tier an und es gelingt ihr, aus der Region des Flammenmeers hinweg zu kommen, vor­ wärts, vorwärts dem Hafen zu! Sie muß etwas Besonderes erblickt haben, denn ihre Rügen heften sich auf eine be­ stimmte Stelle. Mit der rechten Hand hält sie die Zügel straff, mit der linken winkt sie unaufhörlich! Da sehe ich wie ein junger Mann einen Greis auf seinem Rücken trägt, wankenden Schrittes erreicht er das Gefährt mit seiner Bürde. Das Mädchen springt vom Bock herab. Sie hilft den gelähmten Riten mit in den Wagen heben. Und nun schwingt sich der junge Mann auf den Bock und an der Schulter der Retterin lehnt das Haupt mit dem schnee­ weißen haar und müde Rugenlider senken sich zum Schlum­ mer. Roch habe ich mit angesehen, wie der Wagen nach stundenlangem, schwierigem Umherfahren im Goldnen Gate­ park endlich ankam. hier waren die armen, unglücklichen Flüchtlinge geborgen. Ich muß jetzt weiter ziehen," sagte die Sonnenkönigin, „morgen will ich dir mehr erzählen." Sie verschwand hinter einer Nebelwolke. -