Was ist Elsass-Lothringen dem Reich ? [Reprint 2022 ed.] 9783112634929


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Was III

Ellafl-Lotbrlnoen dem Reich

Verlag YOU Earl J. Trütoer, Straßburg i. E. 1918

Was ift El[aÌ3-Lothringen dem Reich ? Von

Paul Wentzcke

Verlag von Karl J. Triibner, Strafiburg i. E. 1918

Druck yon M. Du Mont Schauberg, StraOburg.

„Elsaß-Lothringen ist Deutschlands and das Symbol seiner Einheit:"

Sohild

Vor wenigen Monaten erst rief der Vertreter der Reichsregierimg diese Worte dem deutschen Volke zu, und doch dünkt uns die Zeit so unendlich lang, die seitdem vorüberrauschte. Mit erschütternder Schnelle naht die Krisis, die mit dem Schicksal Elsaß-Lothringens auch das des Reiches entscheiden muß. Ethische und kulturelle Werte gelten in solchen Stunden nur wenig auf dem Markt der öffentlichen Meinung. Wuchtigere, greifbare Gründe müssen ins Gewicht fallen, wo es sich um Sein oder Nichtsein einer Nation handelt. Die Lehren der Geschichte, die Zahlen und Tatsachen der Statistik und Volkswirtschaft erhalten doppelte Bedeutung, wenn wir heute die Frage aufwerfen: W a s besitzt das Reich an Elsaß-Lothringen; was verliert es mit ihm? In hinreißender Größe hat uns der Krieg die große Lehre eingehämmert, daß militärischer Schutz die erste und wichtigste Vorbedingung nationalen Gedeihens ist. Vier Jahre hindurch haben unsere Heere ihn der Westmark des Reiches gewährt, trotzdem die Angriffsstellung Frankreichs im Dreieck zwischen Beifort, Epinal und Verdun Elsaß und Lothringen und damit Süddeutschland seit Jahrzehnten mit einem Einfall bedrohte. Aber selbst der Tapferkeit und dem zähen Ausharren von An-

„Elsaß-Lothringen ist Deutschlands and das Symbol seiner Einheit:"

Sohild

Vor wenigen Monaten erst rief der Vertreter der Reichsregierimg diese Worte dem deutschen Volke zu, und doch dünkt uns die Zeit so unendlich lang, die seitdem vorüberrauschte. Mit erschütternder Schnelle naht die Krisis, die mit dem Schicksal Elsaß-Lothringens auch das des Reiches entscheiden muß. Ethische und kulturelle Werte gelten in solchen Stunden nur wenig auf dem Markt der öffentlichen Meinung. Wuchtigere, greifbare Gründe müssen ins Gewicht fallen, wo es sich um Sein oder Nichtsein einer Nation handelt. Die Lehren der Geschichte, die Zahlen und Tatsachen der Statistik und Volkswirtschaft erhalten doppelte Bedeutung, wenn wir heute die Frage aufwerfen: W a s besitzt das Reich an Elsaß-Lothringen; was verliert es mit ihm? In hinreißender Größe hat uns der Krieg die große Lehre eingehämmert, daß militärischer Schutz die erste und wichtigste Vorbedingung nationalen Gedeihens ist. Vier Jahre hindurch haben unsere Heere ihn der Westmark des Reiches gewährt, trotzdem die Angriffsstellung Frankreichs im Dreieck zwischen Beifort, Epinal und Verdun Elsaß und Lothringen und damit Süddeutschland seit Jahrzehnten mit einem Einfall bedrohte. Aber selbst der Tapferkeit und dem zähen Ausharren von An-



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gehörigen aller deutschen Stämme gelang es nicht, die eiserne Wehr zu durchbrechen, die Natur und Kunst um die Ostflanke Frankreichs gezogen haben. Wie wäre der Ausgang gewesen, wenn diese lebendige Mauer unserer Volksgenossen nicht standgehalten hätte? W i e wäre die strategische L a g e ganz Deutschlands, wenn die Mobilmachung die französischen Heere nicht auf den Vogesen, sondern am Rhein, nicht im Vorfeld von Nanzig und Verdun, sondern angriffsbereit vor den Toren von Trier und Saarbrücken getroffen hätte? Mit scharfem Griffel hat die Kriegssgeschichte der letzten Jahrhunderte der deutschen Erinnerung die Antwort auf solche Fragen eingegraben. Einer der größten Staatsmänner aller Zeiten und Völker hat es bereits vor drei Jahrhunderten offen ausgesprochen, was Elsaß und Lothringen in französischer Hand bedeuten. In seinem politischen Testament nennt Richelieu, das unerreichte Vorbild so vieler Pariser Politiker, die erste Pflicht Frankreichs, sich Pforten zu bauen und zu öffnen, um in die Nachbarstaaten eintreten zu können. „Das muß langsam geschehen", setzt er hinzu, „mit viel Vorsicht und unter sanfter und verdeckter Haltung." Und meisterhaft verstand es der Kardinal in der Tat selbst, diesen Ratschlägen vor allem am Oberrhein Geltung zu verschaffen. Schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts hatten die französischen Könige mit List und Gewalt die Hauptstadt Deutsch-Lothringens aus dem eisernen Gürtel von Reichsstädten und reichsunmittelbaren Gebieten gelöst, der damals noch die deutsche Sprach- und Kulturnation und damit auch das



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gehörigen aller deutschen Stämme gelang es nicht, die eiserne Wehr zu durchbrechen, die Natur und Kunst um die Ostflanke Frankreichs gezogen haben. Wie wäre der Ausgang gewesen, wenn diese lebendige Mauer unserer Volksgenossen nicht standgehalten hätte? W i e wäre die strategische L a g e ganz Deutschlands, wenn die Mobilmachung die französischen Heere nicht auf den Vogesen, sondern am Rhein, nicht im Vorfeld von Nanzig und Verdun, sondern angriffsbereit vor den Toren von Trier und Saarbrücken getroffen hätte? Mit scharfem Griffel hat die Kriegssgeschichte der letzten Jahrhunderte der deutschen Erinnerung die Antwort auf solche Fragen eingegraben. Einer der größten Staatsmänner aller Zeiten und Völker hat es bereits vor drei Jahrhunderten offen ausgesprochen, was Elsaß und Lothringen in französischer Hand bedeuten. In seinem politischen Testament nennt Richelieu, das unerreichte Vorbild so vieler Pariser Politiker, die erste Pflicht Frankreichs, sich Pforten zu bauen und zu öffnen, um in die Nachbarstaaten eintreten zu können. „Das muß langsam geschehen", setzt er hinzu, „mit viel Vorsicht und unter sanfter und verdeckter Haltung." Und meisterhaft verstand es der Kardinal in der Tat selbst, diesen Ratschlägen vor allem am Oberrhein Geltung zu verschaffen. Schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts hatten die französischen Könige mit List und Gewalt die Hauptstadt Deutsch-Lothringens aus dem eisernen Gürtel von Reichsstädten und reichsunmittelbaren Gebieten gelöst, der damals noch die deutsche Sprach- und Kulturnation und damit auch das

Deutsche Reich selbst vor den Überfällen des westlichen Nachbarn bewahrte. Die Einnahme der Festung Metz erschloß 1552 den Weg in die Mosellande, in die heutige preußische Rheinprovinz. Nur inneren Wirren in Frankreich hatte es Deutschland zu verdanken, wenn erst ein Jahrhundert später der Angriff in der Richtung auf Köln wirklich einsetzte. Als bald darnach auch Saarlouis zu einer französischen Festung ausgebaut wurde, war die Vormachtstellung Frankreichs dort dauernd befestigt. Nur Koblenz mit seinem Ehrenbreitstein, der modernen Heeren nicht einmal für Stunden den Vormarsch verwehren könnte, gebot damals plötzlichen Überfällen Einhalt. Noch schärfer und lehrreicher prägt sich diese ganz ungewöhnlich wichtige strategische Stellung unserer Grenzlande im Elsaß aus. Auch sie ist vom französischen Standpunkte aus kurz und treffend durch die bereits erwähnten programmatischen Erklärungen Richelieus erläutert und begründet worden. „Zunächst", heißt es dort — im Jahre 1629 — weiter, „muß man daran denken, sich in Metz stark zu machen und womöglich bis Straßburg vorzurücken, um einen Eingang nach Deutschland zu gewinnen." Wie geschickt diese Richtlinien durchgeführt Wurden, zeigt die Lage auf diesem Jahrtausende alten Kampfboden am Oberrhein ein halbes Jahrhundert später. Im ganzen Elsaß zerstreut, waren einzelne Gebietsteile und Rechte in französischer Hand; 1681 mußte Straßburg, „die Zitadelle von ganz Deutschland", den Heeren Ludwigs XIV. die Tore öffnen. Und zugleich griff die kampfgewohnte Hand seiner Feldherrn rücksichtslos über den Rhein hinüber. Breisach, Kehl und Philippsburg, zeitweilig sogar Freiburg, wurden die



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Brückenköpfe einer bewußt und planmäßig ausgearbeiteten Ausfallstellung gegen Süddeutschland. Die Angriffspfeile, die von hier ausgesandt wurden, zielten ins Herz des Reiches. In Kanonenschußweite vor Breisach öffnen sich die Schwarzwaldtäler, die zur oberen Donau hinaufführen; Philippsburg gegenüber bietet die Kraichgausenke bequemsten Zugang in die Kernlande Schwabens. Die Straßburger Zitadelle schließt das Itheintal, die wirtschaftliche Lebensader ganz Süd- und "Westdeutschlands. Bedeutsam klingt schon am Ende des 17. Jahrhunderts das Wort Markgraf Ludwig Wilhelms von Baden, des Rastatter Türkenlouis: „Für Deutschland dienet Straßburg zu nichts anderem als einer beständigen Versicherung des Friedens; für Frankreich ist es eine immer offen stehende Kriegspforte". In zwei großen Wellen brandet seitdem in der Tat von Metz-Saarlouis und Straßburg-Breisach aus der militärische und politische Angriff Frankreichs ins Innere Deutschlands; beide wohlvorbereitet durch schwungvolle Deklamationen vom kommenden Zeitalter der Völkergemeinschaft und des ewigen Friedens. Bis weit nördlich der Eifel zieht sich die Zone der Verwüstung, wo allenthalben gebrochene Burgen und Mauerreste besser und eindringlicher noch als Aufzeichnungen und Schriften die Erinnerung an die Raubzüge Ludwigs XIV. festhalten. Und unmittelbar schließt sich vor den Toren von Landau, Philippsburg, Kehl und Hüningen das weite Gebiet zwischen Nahe und Rhein, Main, Neckar und Donau an, in dem die geschändeten Königsgräber von Speyer, die Kirchen und Rathäuser von Mannheim, Worms und Bingen, endlich das Heidelberger Schloß und unzählige Burgtrümmer bis hinauf zur Tüllinger

Höhe oberhalb Basels uns und den kommenden Geschlechtern die Taten französischer „Freiheitsapostel" vor Augen führen. Als dann die große Revolution von 1789 am ganzen Rhein entlang eine neue, starre Angriffsfront gegen Deutschland und gegen Europa schuf, überschwemmten die französischen Heere gerade vom Elsaß aus ganz Süd- und Mitteldeutschland bis hinauf nach München und Würzburg. Napoleons großer Siegeszug nach Wien und in die Ebenen Ungarns, der in der Dreikaiserschlacht von Austerlitz seine geschichtliche Weihe erhielt, nimmt vom Straßburger Metzgertor seinen Ausgang. Die Schweden-, Schwaben- und Franzosenschanzen auf den Übergängen des Schwarzwaldes, die früher wohl den kleineren Raubzügen der Welschen wehrten, konnten den Schritt der kaiserlichen Scharen nicht hindern. Drei Generationen deutscher Männer und Frauen zwischen Rhein und Donau zitterten von 1790 bis 1870 bei jeder neuen Wolkenbildung am politischen Himmel vor der Wiederkehr solcher Kriege. Nur zu beredt wußten sie zu erzählen, was es heißt, einen herrschsüchtigen und raubgierigen Feind vor den Toren von Trier und Saarbrücken, von Speyer und Mainz, von Frankfurt und Wiesbaden, im Neckartal und auf der Alb, vor Mannheim, Karlsruhe und Freiburg zu fühlen und zu fürchten. „Frankreich hat den Rhein in Ketten geschlagen", so klagt eine süddeutsche Stimme im Jahre 1848, „mit Straßburg ist uns das Knie auf die Brust gesetzt." Das alles sind längst bekannte geschichtliche Wahrheiten, die auch die Mehrzahl unserer jetzigen Gegner vor einem halben Jahrhundert noch offen und ehrlich anerkannt hat. Insbesondere die Vereinigten Staaten stellten sich damals auf den Standpunkt, daß Deutsch-



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land das selbstverständliche Recht habe, für die Aufrechterhaltung des Friedens, den Frankreich im Besitz der oberrheinischen Gebiete seit Jahrhunderten störe, reale Bürgschaften zu fordern und diese nur in der Abtretung der ihm widerrechtlich entrissenen Länder finden könne. Und die englische Presse rät immer wieder aufs dringendste, die Ausfallpforten Frankreichs zu schließen. Die öffentliche Meinung Europas hatte noch nicht vergessen, welch ungeheuren Nutzen hintereinander Königtum, Republik und Kaiserreich, kurz die ganze französische Nation, aus dieser militärischen Bereitschaftsstellung seit Jahrhunderten gezogen hatten. Parteiführer und Publizisten in Deutschland selbst waren des wärmsten Verständnisses der ganzen gesitteten Welt sicher, als sie in den oberrheinischen Ländern nicht nur altes deutsches Volksgut, sondern vor allem auch die Rückgabe der Ausfallpforten Frankreichs forderten. Nachdrücklich konnte Bismarck selbst seine Bedingungen an Frankreich Mitte September 1870 amtlich damit begründen: „Wir können unsere Forderungen für den Frieden lediglich darauf richten, für Frankreich den nächsten Angriff auf die deutsche Grenze und namentlich auf die bisher schutzlose süddeutsche Grenze dadurch zu erschweren, daß wir diese Grenze und damit den Ausgangspunkt französischer Angriffe weiter zurücklegen und die Festungen, mit denen Frankreich uns bedroht, als defensive Bollwerke in die Gewalt Deutschlands zu bringen suchen." „Solange Frankreich im Besitz von Straßburg und Metz bleibt, ist seine Offensive strategisch stärker als unsere Defensive bezüglich des ganzen Südens und des linksrheinischen Nordens von Deutschland. In deutschem Besitz gewinnen Straßburg



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und Metz dagegen einen defensiven Charakter." Die viel verspottete Glacis-Theorie

des

großen Kanzlers

hat

schließlieh in der Tat doch fast allein ganz Europa, ja der Welt ein halbes Jahrhundert hindurch Frieden und Sicherheit verbürgt, wenn auch erst die furchtbare Prüfung des Weltkrieges

die junge Generation,

die im

ruhigen Besitz all dieses mit Blut und Eisen errungenen Gutes zu leben wähnte, von der Richtigkeit der realpolitischen Erwägung Bismarcks überzeugen mußte. Zwischen den Zeilen läßt solcher Rückblick auf die Bedeutung

Elsaß

und

Lothringens

in

der

Kriegs-

geschichte auch den politischen Wert dieser Länder für Dasein und Leben ganz Deutschlands bereits deutlich erkennen.

Innere und äußere Sicherheit und Gedeihen

eines Staates, das fühlen wir in diesen Tagen eindringlicher und stärker denn je, hängen ja so eng zusammen, daß eine Scheidung beider Gebiete auch den Lebensfaden der Nation bedroht.

Aufs neue ergreift uns heute die

Wahrheit des scheinbar so abgegriffenen und überwundenen Satzes, daß das „Reichsland" in der Tat das Schicksalsland des Reiches war und ist. Vor mehr denn sechzehnhundert

Jahren

hat

sich

der

alemannische

Stamm gleichmäßig auf beiden Ufern des Oberrheins ausgebreitet.

Im Unterelsaß und an der lothringischen

Grenze trifft er auf Franken, die das ganze Mosel- und Saartal, den Mittel- und Niederrhein beherrschen.

Auf

Gedeih und Verderb ist seitdem die Geschichte unseres Volkstums, unserer Sprache und unserer Bildung wie die Entwicklung

unserer Nation an die gemeinsame

Arbeit unzähliger Geschlechter diesseits und jenseits des Rheins, am Unter- und Oberlauf der Mosel gebunden.



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Mit dem Zutritt des Herzogtums Lothringen erst rundete sieh vor gerade einem Jahrtausend das ostfränkische Reich zum deutschen Volksstaat. In wunderbarer Blüte erhob sich das Reich der Staufer, deren Hausmacht und Ansehen im gesegneten Landstrich zwischn Vogesen, Haardt und Rhein wurzelten. Humanismus, Reformation und Gegenreformation empfingen hier reichste Anregungen, die im Innern Deutschlands zu tausendfältiger Frucht reiften. Als Kaiser Karl V. das bedeutungsvolle Wort sprach, wenn Straßburg und Wien gleichzeitig bedroht seien, werde er zuerst an den Rhein eilen, hatte das Reich den Höhepunkt seiner Weltstellung erreicht. Schrittweise sank es zurück, als Elsaß und Lothringen zur Ausfallstellung Frankreichs wurden. Nie wieder vermochten sich die süd- und westdeutschen Staaten, Fürsten und Stämme, unter ihrem Druck zu engerem, nationalpolitischem Anschluß an die Volksgenossen jenseits der Mainlinie und des Thüringer Waldes aufzuraffen. Vor der eisernen Schranke, die der französische Festungsgürtel von Dünkirchen bis herauf nach Breisach und Hüningen zog, bildeten die geistlichen und weltlichen Vasallenstaaten Frankreichs ein „politisches Glacis", das auch den heutigen Vorkämpfern der „Befreiung" Elsaß-Lothringens als Zukunftsideal vorschwebt. Und je starrer und geschlossener die französische Front am ganzen Rhein entlang wurde, desto schärfer machte sich dies Übergewicht fühlbar. Im Rheinbund von 1806 schuf sieh der französische Einfluß in Deutschland den Keil, der von innen heraus das zerfallende Reich aus den Fugen hob, daß seine Trümmer ohne jeden Zusammenhalt und ohne die geringste eigene Bindekraft ein politisches Chaos bildeten.



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Der Zusammenbruch Preußens vollendete das Werk, das die französischen Könige mit der Eroberung von Metz und Straßburg begonnen hatten. Ohne Widerstand zu finden, vermochte der gewaltige Korse sein Kaiserreich an der ganzen Nordseeküste entlang bis hinüber nach Lübeck und Travemünde auszudehnen; das ganze Mittel- und Süddeutschland bis zur Oder und zum bayrisichen Wald gehorchte diensteifrig seinen Winken. Daneben legte die Kontinentalsperre auch dem deutschen Wirtschaftsleben eine ungeheure Belastung auf, der es sich erst in langsamem Zurückdrängen des englischen Wettbewerbs sieben Jahrzehnte später entziehen konnte. Zum Teil tragen Industrie und Landwirtschaft, Handel und Verkehr ganz Deutschlands noch heute die Spuren dieses entnervenden und widernatürlichen Wirtschaftskriegs. Erst im Befreiungskampf von 1813/14 hat Deutschland unter schwersten Opfern die unerträglichen Fesseln gesprengt, in die es der französische Besitz am Rhein geschlagen hatte. In der neuen preußischen Rheinprovinz vermochten die gesamten Lande zwischen Eifel, Mosel und Rhein zum ersten Male wieder ihre wirtschaftlichen Kräfte voll auszunutzen, aufs neue hineinzuwachsen ins deutsche Leben. Süddeutschland selbst jedoch war zunächst dem unmittelbaren, wohltätigen Einfluß dieser Flankenstellung Preußens entzogen, solange seine Zugangsstraßen noch unter den Kanonen von Straßburg lagen. Denn es ist nicht anders: Die Angriffsstellung Frankreichs am Oberrhein hat die politische Einigung Deutschlands noch Jahrzehnte hindurch wirksam verhindert, als



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Der Zusammenbruch Preußens vollendete das Werk, das die französischen Könige mit der Eroberung von Metz und Straßburg begonnen hatten. Ohne Widerstand zu finden, vermochte der gewaltige Korse sein Kaiserreich an der ganzen Nordseeküste entlang bis hinüber nach Lübeck und Travemünde auszudehnen; das ganze Mittel- und Süddeutschland bis zur Oder und zum bayrisichen Wald gehorchte diensteifrig seinen Winken. Daneben legte die Kontinentalsperre auch dem deutschen Wirtschaftsleben eine ungeheure Belastung auf, der es sich erst in langsamem Zurückdrängen des englischen Wettbewerbs sieben Jahrzehnte später entziehen konnte. Zum Teil tragen Industrie und Landwirtschaft, Handel und Verkehr ganz Deutschlands noch heute die Spuren dieses entnervenden und widernatürlichen Wirtschaftskriegs. Erst im Befreiungskampf von 1813/14 hat Deutschland unter schwersten Opfern die unerträglichen Fesseln gesprengt, in die es der französische Besitz am Rhein geschlagen hatte. In der neuen preußischen Rheinprovinz vermochten die gesamten Lande zwischen Eifel, Mosel und Rhein zum ersten Male wieder ihre wirtschaftlichen Kräfte voll auszunutzen, aufs neue hineinzuwachsen ins deutsche Leben. Süddeutschland selbst jedoch war zunächst dem unmittelbaren, wohltätigen Einfluß dieser Flankenstellung Preußens entzogen, solange seine Zugangsstraßen noch unter den Kanonen von Straßburg lagen. Denn es ist nicht anders: Die Angriffsstellung Frankreichs am Oberrhein hat die politische Einigung Deutschlands noch Jahrzehnte hindurch wirksam verhindert, als



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der wirtschaftliche Zusammenschluß bereits gelungen war. Offen und ehrlich bekennt diese inneren und äußeren Zusammenhänge der deutsehen Einheitsbewegung das Wort des klugen Königs Wilhelm I. von Württemberg, das dieser im Jahre 1855 dem Drängen eines preußischen Diplomaten, des jungen Otto von Bismarck, entgegenhielt: „Geben Sie uns Straßburg und wir werden einig sein f ü r alle Eventualitäten. Solange Straßburg aber ein Ausfallstor ist f ü r eine stets bewaffnete Macht, muß ich befürchten, daß mein Land überschwemmt wird von fremden Truppen, bevor mir der deutsche Bund zu Hilfe kommen kann. Der Knotenpunkt liegt in Straßburg, denn solange das nicht deutsch ist, wird es immer ein Hindernis f ü r Süddeutschland bilden, sich der deutschen Einheit, einer deutschnationalen Politik ohne Rückhalt hinzugeben". Es waren Erwägungen, die hell und klar im Herzen des norddeutschen Bundeskanzlers nachklangen, als der Krieg von 1870/71 endlich die Gelegenheit bot, diese Angriffsbasis Frankreichs zu zertrümmern. In unvergänglicher geschichtlicher Größe hat es Bismarck in seiner wundervollen Reichtagsrede vom 2. Mai 1871 ausgesprochen: „Der Keil, den die Ecke des Elsasses bei Weißenburg in Deutschland hineinschob, trennte Süddeutschland wirksamer als die politische Mainlinie von Norddeutschland." Nahezu fünf Jahrzehnte hindurch ist seitdem das Reichsland Elsaß-Lothringen der Schild Deutschlands und das Symbol seiner Einheit geworden und geblieben. Das neue Reich selbst aber wuchs schon wenige Jahre nach seiner Begründung hinaus über die Formel



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von Kaiser, Reich und Reichsland, die wohl eine Zeitlang in erster Reihe alle Volksgenossen im Kampf staatsrechtlicher Verfassungfragen zu versöhnen vermochte. Die Befreiung von dem ungeheuren äußeren Druck, den bisher der französische Besitz in Elsaß und Lothringen auf die Innenpolitik und auf das Wirtschaftsleben aller deutschen Bundesstaaten ausgeübt hatte, entfesselte neue Kräfte, die das wiedererstandene Reich fester denn je zusammenschmiedeten. Und an diesem Aufblühen und Aufwärtsdrängen eines neuen Gemeinschaftsgefühls hatten die eben erst zurückgewonnenen Provinzen am Oberrhein selbst von vornherein ihren voll gerüttelten Anteil. Innerlich und äußerlich schuf die gemeinsame wirtschaftliche Arbeit trotz aller Gegensätze der Parteien und verfassungsrechtlichen Anschauungen ein einheitlich gestaltetes Werk, aus dem kein Stein ausgebrochen werden darf, soll nicht das Ganze rettungslos verfallen und zugrunde gehen. Es war ein Verbundensein auf Leben und Tod, so schildert einer der allerbesten Kenner des elsaß-lothringischen Wirtschaftslebens, heute zugleich sein führender Staatsmann, diesen Aufstieg:

„Das Schicksal der Wirtschaft Elsaß-Lothringens ging Hand in Hand mit dem Schicksal des jungen deutschen Reiches." In guten und schlechten Zeiten nahmen beide Länder mit vollem Bewußtsein an dem gewältigen Umschwung teil, der den deutschen Agrarstaat zu einem der größten und zukunftsfrohesten Industriestaaten der Welt wandelte. Ausnahmslos stellten sich sehr schnell die landwirtschaftlichen Betriebe des Landes, Handel und Verkehr und endlich insbesondere alle Industrie- und



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von Kaiser, Reich und Reichsland, die wohl eine Zeitlang in erster Reihe alle Volksgenossen im Kampf staatsrechtlicher Verfassungfragen zu versöhnen vermochte. Die Befreiung von dem ungeheuren äußeren Druck, den bisher der französische Besitz in Elsaß und Lothringen auf die Innenpolitik und auf das Wirtschaftsleben aller deutschen Bundesstaaten ausgeübt hatte, entfesselte neue Kräfte, die das wiedererstandene Reich fester denn je zusammenschmiedeten. Und an diesem Aufblühen und Aufwärtsdrängen eines neuen Gemeinschaftsgefühls hatten die eben erst zurückgewonnenen Provinzen am Oberrhein selbst von vornherein ihren voll gerüttelten Anteil. Innerlich und äußerlich schuf die gemeinsame wirtschaftliche Arbeit trotz aller Gegensätze der Parteien und verfassungsrechtlichen Anschauungen ein einheitlich gestaltetes Werk, aus dem kein Stein ausgebrochen werden darf, soll nicht das Ganze rettungslos verfallen und zugrunde gehen. Es war ein Verbundensein auf Leben und Tod, so schildert einer der allerbesten Kenner des elsaß-lothringischen Wirtschaftslebens, heute zugleich sein führender Staatsmann, diesen Aufstieg:

„Das Schicksal der Wirtschaft Elsaß-Lothringens ging Hand in Hand mit dem Schicksal des jungen deutschen Reiches." In guten und schlechten Zeiten nahmen beide Länder mit vollem Bewußtsein an dem gewältigen Umschwung teil, der den deutschen Agrarstaat zu einem der größten und zukunftsfrohesten Industriestaaten der Welt wandelte. Ausnahmslos stellten sich sehr schnell die landwirtschaftlichen Betriebe des Landes, Handel und Verkehr und endlich insbesondere alle Industrie- und



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Gewerbezweige, die Deutschland im Frankfurter Frieden übernommen hatte, auf den rechtsrheinischen Markt ein. Und zugleich sind auch für „Alt-Deutschland" die Bodenschätze und Fabrikate Elsaß-Lothringens, seine landwirtschaftlichen und industriellen Kräfte, so unentbehrlich geworden, daß ein Ausfallen dieser Werte zur Verkrüppelung des deutschen Lebens führen muß. In wundervoller Wechselwirkung stützen und fördern sich im kunstvollen Bau unserer großen, auf dem Boden des Reichs erwachsenen Volks- und Weltwirtschaft auch hier Landwirtschaft und Industrie, Bergbau, Schiffahrt und Handel. Erst der Kampf gegen die wirtschaftliche Erdrosselung durch England und seine Trabanten hat es uns wieder zum Bewußtsein gebracht, welche Bedeutung Land- und Forstwirtschaft in all ihren Verzweigungen für Deutschlands Durchhalten im Krieg und Frieden besitzen. Als „Kornkammer und Schmalzgrube" schon des alten Reiches steht das Elsaß mit seinem hochwertigen Ackerland und seinem bodenständigen Vollbauernstand voran. Lothringen mit seinem veralteten Pachtsystem harrt noch eines sachgemäßen Aufschlusses, der aus dem zu 90 v.H. in landwirtschaftlicher Kultur stehenden Lande noch große Werte herauszuholen vermag. Die staatliche Forstverwaltung erfreut sich des besten Rufes weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Schon vor dem Weltkrieg betrug (1913) der Anteil ElsaßLothringens an der Getreideerzeugung des Reichs 650 000 Tonnen; seine Forsten lieferten (1910) über 2 Millionen Festmeter Holz. An Obstbäumen wies das Reichsland (1900) 81/, Millionen auf, an Großvieh (1912) über eine halbe Million.



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Wertvoller und ergiebiger noch ist die überlieferte Pflege von Nutz- und Handelsgewächsen. Die Weine des Elsaß, mit denen neuerdings auch die leichten Lothringer Schaumweine erfolgreich den Wettbewerb aufnehmen, sind von altersher berühmt. Mit 27908 ha Erntefläche, 369216 hl Mostertrag und nahezu 16 Millionen Mark Wert des Mostertrags nimmt Elsaß-Lothringen 1912 die erste Stelle unter den weinbautreibenden deutschen Bundesstaaten ein. Ähnlich ist das Verhältnis bei Hopfen und Tabak. Der Ertrag der Hopfenpflanzungen betrug unmittelbar vor dem Krieg fast 16 000 dz gegen 106 000 dz im Reich; die Tabakpflanzer des Reichslands erzielten gleichzeitig (1912) eine Ernte von 48779 dz gegen nur 388 559 dz in ganz Deutschland. Die wirtschaftliche Not des Krieges selbst hat dann den Anreiz zu vermehrtem Anbau von Nutzpflanzen wie Hanf, Flachs, Raps und Mohn gegeben, der in der Tat unsere Unabhängigkeit vom neutralen und feindlichen Ausland ganz wesentlich zu stärken vermag. Die Überlieferung eines alt eingesessenen, hochgebildeten Bauernstandes schafft hier auf trefflichem Boden in der Pflege hochwertiger Handelsware ein wohltätiges und dringend nötiges Gegengewicht gegen die Massenkulturen des deutschen Ostens. Neben der Landwirtschaft treten schon sehr früh einzelne bevorzugte Zweige der Mittel- und Großindustrie Elsaß-Lothringens derart in den Vordergrund, daß mit ihrem Ausfall und ihrer Erhaltung auch die gesamte deutsche Volkswirtschaft ernsthaft zu rechnen hat. Dem bekanntesten dieser Gewerbe freilich, der Baumwoll-



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Wertvoller und ergiebiger noch ist die überlieferte Pflege von Nutz- und Handelsgewächsen. Die Weine des Elsaß, mit denen neuerdings auch die leichten Lothringer Schaumweine erfolgreich den Wettbewerb aufnehmen, sind von altersher berühmt. Mit 27908 ha Erntefläche, 369216 hl Mostertrag und nahezu 16 Millionen Mark Wert des Mostertrags nimmt Elsaß-Lothringen 1912 die erste Stelle unter den weinbautreibenden deutschen Bundesstaaten ein. Ähnlich ist das Verhältnis bei Hopfen und Tabak. Der Ertrag der Hopfenpflanzungen betrug unmittelbar vor dem Krieg fast 16 000 dz gegen 106 000 dz im Reich; die Tabakpflanzer des Reichslands erzielten gleichzeitig (1912) eine Ernte von 48779 dz gegen nur 388 559 dz in ganz Deutschland. Die wirtschaftliche Not des Krieges selbst hat dann den Anreiz zu vermehrtem Anbau von Nutzpflanzen wie Hanf, Flachs, Raps und Mohn gegeben, der in der Tat unsere Unabhängigkeit vom neutralen und feindlichen Ausland ganz wesentlich zu stärken vermag. Die Überlieferung eines alt eingesessenen, hochgebildeten Bauernstandes schafft hier auf trefflichem Boden in der Pflege hochwertiger Handelsware ein wohltätiges und dringend nötiges Gegengewicht gegen die Massenkulturen des deutschen Ostens. Neben der Landwirtschaft treten schon sehr früh einzelne bevorzugte Zweige der Mittel- und Großindustrie Elsaß-Lothringens derart in den Vordergrund, daß mit ihrem Ausfall und ihrer Erhaltung auch die gesamte deutsche Volkswirtschaft ernsthaft zu rechnen hat. Dem bekanntesten dieser Gewerbe freilich, der Baumwoll-



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industrie mit all ihren Nebenbetrieben, hat der Weltkrieg solch schwere Wunden geschlagen, daß ihr Einfluß auf die Gestaltung des deutschen Textilmarktes nur noch sehr gering ist. Auch die übrigen Fabriken, die sich nur der Verarbeitung und Veredelung von Rohstoffen widmen, chemische Werke, Seifen- und Fettfabriken, auch die für das Land an sich recht bedeutsamen Vertreter der Nahrungsmittel- und Bekleidungsgewerbe und selbst die Lederfabrikation, kommen weder für die Übergangswirtschaft noch für den Aufbau des neuen Deutschlands rechts des Rheins wesentlich in Betracht. Nur die ebenfalls alteingesessene Maschinenindustrie im Oberund Unterelsaß dürfte auch in den kommenden Jahren für die Umstellung und für den Aufbau unseres ganzen Wirtschaftslebens von Bedeutung werden. Weit wichtiger sind die gemeinsamen Verkehrsstraßen und die ungeheuren Bodenschätze, die das Reichsland dem Reich zubringt und noch zubringen kann. Durch zahlreiche Kanäle und durch ein stark entwickeltes Eisenbahnnetz suchten die Franzosen vor 1870 vergebens, die Departements Ober- und Niederrhein sowie Meurthe und Mosel mit den altfranzösischen Provinzen und mit der Hauptstadt Paris in nähere Beziehungen zu bringen. Erst die Wiedereröffnunng der freien deutschen Rheinschiifahrt bis hinauf nach Basel hat den anliegenden Städten und Häfen an beiden Ufern des Rheins einen ungeahnten Aufschwung gebracht. Der Rheinschiffahrtsverkehr von Straßburg und Kehl zusammen erreichte 1912 einen Umsatz von fast drei Millionen Tonnen, der von Karlsruhe und Lauterburg einen solchen von mehr als 1V2 Millionen Tonnen. Alle diese vier Häfen mitsamt dem gewaltigen Kapital, das Deutschland hier verbaut



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hat, würden wirtschaftlich versanden, wenn der Rhein wieder den Charakter eines Grenzflusses erhielte. Die „internationale" Freiheit, die der Rheinschiffahrt schon durch den grundlegenden Vertrag von 1815 gewährt wurde, vermag keine Strombauten und Anschlußverbindungen zu schaffen, wenn nicht ein großes gemeinsames Wirtschaftsgebiet beide Ufer vereint. Wie vor der Eröffnung des Gotthardweges müßte sich der hier eingewöhnte Verkehr aufs neue kostspielige Umwege suchen, die ihm der Handelsneid Englands, Belgiens und Frankreichs bisher schon weiter westlich, jenseits der Ardennen und Vogesen, vorbereitete. Auch die rechtsrheinische Bahnverbindung zwischen Mannheim und Basel läge ja so stark unter den Kanonen der neuen französischen Brückenköpfe, daß der große Verkehr und damit auch die aufblühende Industrie Badens sehr bald zur Abwanderung gezwungen würde. Ganz Südwestdeutschland kann diese geradeste und bequemste Nord—Südverbindung zwischen den herabgefallenen Blöcken der mittelalterlichen Kaiserburg, den Niederlanden und der Schweiz, nicht mehr entbehren, ohne seinen Handel und sein Gewerbe einem Zusammenbruch auszusetzen:

Durchgangsverkehr und industrielle Blüte auch der Gebiete am rechten Ufer des Oberrheins sind auf die Freiheit eines deutschen Talweges angewiesen. Bis ins einzelne ließe sich diese Rechnung ausspinnen, die das Großherzogtum Baden zu ausschließlich landwirtschaftlicher Bedeutung zurückführen müßte. Aber gerade hier am Oberrhein harrt auch die Ausnützung der Wasserkräfte des deutschen Stromes der Erfüllung:



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hat, würden wirtschaftlich versanden, wenn der Rhein wieder den Charakter eines Grenzflusses erhielte. Die „internationale" Freiheit, die der Rheinschiffahrt schon durch den grundlegenden Vertrag von 1815 gewährt wurde, vermag keine Strombauten und Anschlußverbindungen zu schaffen, wenn nicht ein großes gemeinsames Wirtschaftsgebiet beide Ufer vereint. Wie vor der Eröffnung des Gotthardweges müßte sich der hier eingewöhnte Verkehr aufs neue kostspielige Umwege suchen, die ihm der Handelsneid Englands, Belgiens und Frankreichs bisher schon weiter westlich, jenseits der Ardennen und Vogesen, vorbereitete. Auch die rechtsrheinische Bahnverbindung zwischen Mannheim und Basel läge ja so stark unter den Kanonen der neuen französischen Brückenköpfe, daß der große Verkehr und damit auch die aufblühende Industrie Badens sehr bald zur Abwanderung gezwungen würde. Ganz Südwestdeutschland kann diese geradeste und bequemste Nord—Südverbindung zwischen den herabgefallenen Blöcken der mittelalterlichen Kaiserburg, den Niederlanden und der Schweiz, nicht mehr entbehren, ohne seinen Handel und sein Gewerbe einem Zusammenbruch auszusetzen:

Durchgangsverkehr und industrielle Blüte auch der Gebiete am rechten Ufer des Oberrheins sind auf die Freiheit eines deutschen Talweges angewiesen. Bis ins einzelne ließe sich diese Rechnung ausspinnen, die das Großherzogtum Baden zu ausschließlich landwirtschaftlicher Bedeutung zurückführen müßte. Aber gerade hier am Oberrhein harrt auch die Ausnützung der Wasserkräfte des deutschen Stromes der Erfüllung:



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Mit seinen 5 0 0 0 0 0 Pferdekräften stellt das Gefälle des Oberrheins zwischen Hüningen und Btraßburg die größte und wirtschaftlichste Wasserkraft ganz Europas dar. Ihre Erschließung kann aus wirtschaftlichen und technischen Gründen nur von beiden Uferstaaten gemeinsam durchgeführt werden. Unter Vermittlung des Reichs haben sich daher bereits Baden und Elsaß-Lothringen zu diesem Unternehmen zusammengeschlossen. Da die nutzbare elektrische Kraft die Nachfrage hier wie dort bedeutend übersteigt, so sollte sie durch gewaltige Transportstraßen dem ganzen Wirtschaftsgebiet Südwestdeutschlands von Frankfurt bis Mülhausen und von Metz bis Stuttgart zugeführt werden. Der Schiffahrtskanal, der mit den Kraftwerken zusammen geplant ist, würde teils auf der linken, teils auf der rechten Rheinseite hinführen. Seine Ufer bieten „außerordentlich wertvolle Gelände zur industriellen Ansiedelung, wie es kaum je wieder in solcher Vereinigung verschiedener Vorzüge in Europa zu finden ist: billigste Kraft, billige Rheinfracht, beliebige Wassermenge, ein leistungsfähiger Vorfluter und dichte Besiedelung in kulturell hochwertiger Gegend sind Anziehungskräfte, die ihre Wirkung auf zahlreiche Industriezweige nicht verfehlen würden." Alle diese Vorbedingungen besitzen beide Rheinufer jedoch nur gemeinsam, trotzdem gerade für das kaum erschlossene Hinterland des Breisgau und für das obere Donau- und Neckartal solche Pläne wichtiger noch sind als für den schmalen Streifen des Ober- und Unterelsaß. Nicht nur für Elsaß-Lothringen, sondern vor allem für ganz Südwestdeutschland wären die Wasserkräfte des



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Oberrheins wertlos, sobald der Rhein wieder die Grenze zwischen Frankreich und dem künftigen Deutschland bildet. Sollten zudem, wie weiter erörtert wird, für die Kriegswirtschaft wichtige Industrien wegen Fliegergefahr und drohenden Fernfeuers von der Besiedelung in der >i ähe der Landesgrenze ausgeschlossen werden, so fällt auch die Möglichkeit, mit Hilfe der Wasserkräfte des Schwarzwaldes neue Fabrikationszweige in Oberdeutschland einzuführen. Stickstoffwerke und ähnliche Monopolbetriebe der elektrochemischen Industrie werden immer weiter nach Mitteldeutschland hineingedrängt, je größer der Aktionsradius der modernen Waffen wird, und je rücksichtsloser der Feind seine überragende militärische Stellung am Oberrhein ausnutzt. Die Hoffnung, das drohende Gespenst künftiger Kohlennot durch Erschließung der weißen Kohle der Elektrizität zu bannen, muß ganz Südwest-Deutschland aufgeben, wenn Frankreich am Rhein steht Ja, es muß auf einen recht wesentlichen Teil seiner eigenen Kohlenschätze verzichten, die heute noch als ein sicheres Aktivum im Wirtschaftshaushalt des Reichs geführt werden. Bodenschätze gingen verloren, von denen die nachstehende graphische Darstellung nur einen Ausschnitt geben kann. Im Verhältnis zur Menge der im Ruhrgebiet und in Oberschlesien geförderten Steinkohlen sind die ins Reiehsland hineinragenden Flöze des Saarreviers allerdings nicht groß. Aber 3795932 Tonnen Steinkohlen fallen (1913) doch auch bei einer deutschen Gesamterzeugung von fast 40 Millionen Tonnen im Werte von annähernd 2 Milliarden Mark ins Gewicht. Und mit dem lothringischen Kohlenbergbau, das ist von besonderer Bedeutung, hängt das Saarbecken selbst geographisch'



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und wirtschaftspolitisch derart zusammen, daß der Verlust der südwestlichen Ausläufer unmittelbar den des ganzen Gebiets nach sich ziehen muß, und das in einer Zeit, da auch das oberschlesische Revier die polnische

Roheisenerzeugung 1913

14 MilLT.gesamh deutscher Erzeugung 3Mill.in Elsass-Lothringen.

Millibare Vorräte an Eisenerz1917

23 Milliarden T.im Reich 1.75 Milliarden in luthringesfr

Eisenerzförderung 1913

27 MilLT. gesamt- deutscher Erzeugung 21 MilLin Elsass-Lothringen.

Erdölförderung 1917

etwa 140 000T.im Reich etwa 50 000 T. in EUrLnHir.

Begehrlichkeit wachgerufen hat. Schon im Jahre 1916 gab der elsaß-lothringische Steinkohlenbergbau zudem 30 v. H. seiner Förderung an das übrige Süddeutschland und an die Rheinprovinz ab, ein sprechender Beweis da-



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für, wie eng er bereits heute mit dem Kohlenmarkt Altdeutschlands verbunden ist. Neben diesen Massengütern treten kleinere Vorkommen im Wirtschaftsschatz Elsaß und Lothringens, die früher wohl ähnlich den kunstfertigen Industrien des Textilgewerbes für das Land besonders bezeichnend waren, zurück. Gips- und Braunkohlengruben bieten nur geringe Ausbeute, während die Salzgewinnung aus den Salinen vornehmlich Lothringens im Jahre 1912 mit 3/ Millionen dz immerhin schon über 10 v. H. der ge4 samten deutschen Erzeugung betrug. Weit umfassender hat sich demgegenüber gerade in den letzten Jahren die Ausbeute der Bitumenvorkommen entwickelt. Schon 1912 betrug die Asphaltförderung Elsaß-Lothringens fast 7 v. H. der Erzeugung des Reichs, und gleichzeitig nahm die Gewinnung von Leuchtöl, dessen Nutzen und Bedeutung im eigenen Haushalt uns ja ebenfalls erst der Krieg gelehrt hat, von Jahr zu Jahr zu. Während die übrigen Vorkommen in Mitteldeutschland nahezu erschöpft sind, steckt die elsaß-lothringische Petroleum-Industrie noch in ihren Anfängen. Trotzdem heute sogar erst ein Schacht fertiggestellt ist, muß die Leuchtöl-Erzeugung bereits als der kriegswirtschaftlich wichtigste Betrieb des ganzen Landes angesprochen werden.

Mit annähernd 5 0 0 0 0 Tonnen im Werte von drei Millionen Mark beträgt der Anteil ElsaßLothringens an der Petroleumförderang des Reichs bereits 35 v. H. und verspricht eine der wichtigsten Rückendeckungen der deutschen Wirtschaft zu werden. Eine Sonderstellung ganz eigener Art unter den



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für, wie eng er bereits heute mit dem Kohlenmarkt Altdeutschlands verbunden ist. Neben diesen Massengütern treten kleinere Vorkommen im Wirtschaftsschatz Elsaß und Lothringens, die früher wohl ähnlich den kunstfertigen Industrien des Textilgewerbes für das Land besonders bezeichnend waren, zurück. Gips- und Braunkohlengruben bieten nur geringe Ausbeute, während die Salzgewinnung aus den Salinen vornehmlich Lothringens im Jahre 1912 mit 3/ Millionen dz immerhin schon über 10 v. H. der ge4 samten deutschen Erzeugung betrug. Weit umfassender hat sich demgegenüber gerade in den letzten Jahren die Ausbeute der Bitumenvorkommen entwickelt. Schon 1912 betrug die Asphaltförderung Elsaß-Lothringens fast 7 v. H. der Erzeugung des Reichs, und gleichzeitig nahm die Gewinnung von Leuchtöl, dessen Nutzen und Bedeutung im eigenen Haushalt uns ja ebenfalls erst der Krieg gelehrt hat, von Jahr zu Jahr zu. Während die übrigen Vorkommen in Mitteldeutschland nahezu erschöpft sind, steckt die elsaß-lothringische Petroleum-Industrie noch in ihren Anfängen. Trotzdem heute sogar erst ein Schacht fertiggestellt ist, muß die Leuchtöl-Erzeugung bereits als der kriegswirtschaftlich wichtigste Betrieb des ganzen Landes angesprochen werden.

Mit annähernd 5 0 0 0 0 Tonnen im Werte von drei Millionen Mark beträgt der Anteil ElsaßLothringens an der Petroleumförderang des Reichs bereits 35 v. H. und verspricht eine der wichtigsten Rückendeckungen der deutschen Wirtschaft zu werden. Eine Sonderstellung ganz eigener Art unter den



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deutschen Bodenschätzen insgesamt und vor allem auf dem Weltmarkt nimmt neben diesen verhältnismäßig kleinen Betrieben das elsässische Kali ein. Es ist bekannt, daß das Deutsche Reich mit diesen nährkräftigsten Salzen der Erde eine Monopolstellung schlechthin besitzt. Alle Vorkommen in Spanien, Afrika und Amerika sind überaus gering gegenüber dem Gesamtabsatz von mehr als 11 Mill. dz KaO im Werte von über 200 Mill. Mark, den das Deutsche Reich im Jahre 1913 aufzuweisen hatte. Und doch war der elsaß-lothringische Anteil an dieser Massenförderung zunächst nur gering. Erst im Jahre 1904 wurden die Kalilager bei Mülhausen entdeckt, und bei Ausbruch des Weltkrieges hatte man den großzügig vorbereiteten Abbau kaum begonnen. Wie beim Erdöl werden auch die Kalischätze des Elsaß ihren vollen Wert erst in der nächsten Zukunft erhalten. Auf einem zusammenhängenden, leicht aufzuschließenden Gebiet von 200 qkm ruhen hier Kalisalzlager von durchschnittlich 5 m Mächtigkeit mit dem außergewöhnlich hohen Durchschnittsreingehalt von 22 v. H. KaO, teilweise bis zu 40 j a 80 v.H. Der Wert dieses Vorrats, 300 Millionen Tonnen K2O, wird heute auf 75 Milliarden Mark veranschlagt. Nur im Kampf um Leben und Tod kann ihn das Reich aufgeben, denn mit dem Kalimonopol verzichtet es auf die wertvollste Waffe, die es in einem zukünftigen Wirtschaftskrieg und zur Hebung und Festigung seiner Valuta und damit seines Außenhandels besitzt. Auch die Blüte der mitteldeutschen Kaliwerke wäre vernichtet, wenn diese Schätze in fremde Hand fallen sollten. Das



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deutschen Bodenschätzen insgesamt und vor allem auf dem Weltmarkt nimmt neben diesen verhältnismäßig kleinen Betrieben das elsässische Kali ein. Es ist bekannt, daß das Deutsche Reich mit diesen nährkräftigsten Salzen der Erde eine Monopolstellung schlechthin besitzt. Alle Vorkommen in Spanien, Afrika und Amerika sind überaus gering gegenüber dem Gesamtabsatz von mehr als 11 Mill. dz KaO im Werte von über 200 Mill. Mark, den das Deutsche Reich im Jahre 1913 aufzuweisen hatte. Und doch war der elsaß-lothringische Anteil an dieser Massenförderung zunächst nur gering. Erst im Jahre 1904 wurden die Kalilager bei Mülhausen entdeckt, und bei Ausbruch des Weltkrieges hatte man den großzügig vorbereiteten Abbau kaum begonnen. Wie beim Erdöl werden auch die Kalischätze des Elsaß ihren vollen Wert erst in der nächsten Zukunft erhalten. Auf einem zusammenhängenden, leicht aufzuschließenden Gebiet von 200 qkm ruhen hier Kalisalzlager von durchschnittlich 5 m Mächtigkeit mit dem außergewöhnlich hohen Durchschnittsreingehalt von 22 v. H. KaO, teilweise bis zu 40 j a 80 v.H. Der Wert dieses Vorrats, 300 Millionen Tonnen K2O, wird heute auf 75 Milliarden Mark veranschlagt. Nur im Kampf um Leben und Tod kann ihn das Reich aufgeben, denn mit dem Kalimonopol verzichtet es auf die wertvollste Waffe, die es in einem zukünftigen Wirtschaftskrieg und zur Hebung und Festigung seiner Valuta und damit seines Außenhandels besitzt. Auch die Blüte der mitteldeutschen Kaliwerke wäre vernichtet, wenn diese Schätze in fremde Hand fallen sollten. Das



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Reich ist der rücksichtslosen Ausbeutung durch amerikanischen Geschäftsgeist ausgeliefert, falls der Sundgau seiner Zollhoheit entzogen wird. Dem Kalihunger der Landwirtschaft auf der ganzen bewohnten Welt entspricht die heilige Gier der deutschen Industrie nach Eisenerzen. Auch hier hat sich in den letzten Jahrzehnten und vor allem im Weltkriege selbst immer stärker das Bedürfnis nach abbauwürdigen Bodenschätzen herausgestellt. Was die Salzlager im Oberelsaß den kommenden Geschlechtern zu werden versprechen, haben die Minettevorkommen im nordwestlichen Lothringen bereits seit vier Jahrzehnten gehalten. Seit Einführung des Thomasverfahrens sind die dortigen phosphorhaltigen Erze zum Rückgrat der deutschen Eisenindustrie geworden. Im Jahre 1913 förderten die lothringischen Minettevorkommen mit 21135 534 Tonnen Eisenerz im Werte von fast 57 Millionen Mark nicht weniger denn 75 v. H. der deutschen Oesamtleistung. Bedeutungsvoller noch wird diese Berechnung, wenn auch Umfang und Lebensdauer der in Deutschland sonst vorhandenen Erzvorräte zum Vergleich herangezogen werden. Während im deutschen Minettegebiet im Jahre 1917 noch 1753 Millionen Tonnen mit einer Lebensdauer von 45 Jahren festgestellt wurden, zeigten die gleichen Zahlen für das Siegerland 211 Millionen Tonnen für 42 Jahre, für den Lahn- und Dillbezirk 82 Millionen Tonnen für 66 Jahre, für das Erzrevier Peine-Salzgitter 270 Millionen Tonnen für 135 Jahre. Die übrigen Vorkommen sind so gering, daß von ihnen auch im



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Reich ist der rücksichtslosen Ausbeutung durch amerikanischen Geschäftsgeist ausgeliefert, falls der Sundgau seiner Zollhoheit entzogen wird. Dem Kalihunger der Landwirtschaft auf der ganzen bewohnten Welt entspricht die heilige Gier der deutschen Industrie nach Eisenerzen. Auch hier hat sich in den letzten Jahrzehnten und vor allem im Weltkriege selbst immer stärker das Bedürfnis nach abbauwürdigen Bodenschätzen herausgestellt. Was die Salzlager im Oberelsaß den kommenden Geschlechtern zu werden versprechen, haben die Minettevorkommen im nordwestlichen Lothringen bereits seit vier Jahrzehnten gehalten. Seit Einführung des Thomasverfahrens sind die dortigen phosphorhaltigen Erze zum Rückgrat der deutschen Eisenindustrie geworden. Im Jahre 1913 förderten die lothringischen Minettevorkommen mit 21135 534 Tonnen Eisenerz im Werte von fast 57 Millionen Mark nicht weniger denn 75 v. H. der deutschen Oesamtleistung. Bedeutungsvoller noch wird diese Berechnung, wenn auch Umfang und Lebensdauer der in Deutschland sonst vorhandenen Erzvorräte zum Vergleich herangezogen werden. Während im deutschen Minettegebiet im Jahre 1917 noch 1753 Millionen Tonnen mit einer Lebensdauer von 45 Jahren festgestellt wurden, zeigten die gleichen Zahlen für das Siegerland 211 Millionen Tonnen für 42 Jahre, für den Lahn- und Dillbezirk 82 Millionen Tonnen für 66 Jahre, für das Erzrevier Peine-Salzgitter 270 Millionen Tonnen für 135 Jahre. Die übrigen Vorkommen sind so gering, daß von ihnen auch im



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günstigsten Falle eine wesentliche Zunahme nicht zu erwarten ist.

Der gewinnbare Erzvorrat Deutschlands beträgt nur 2,3 Milliarden Tonnen, zu dem ElsaßLothringen mehr als 76 v. H. beisteuert. Legt man den Eisengehalt der in Deutschland geförderten Erze mit 8,5 Millionen zugrunde, so liefert die lothringische Minette davon bereits 6,11 Millionen Tonnen, die zum deutschen Zollgebiet gehörige luxemburgische Minette weitere 2,04 Millionen Tonnen. Nur mit ihrer Hilfe kann der Erzhunger unserer deutschen Industrie, die im Jahre 1913 außerdem noch fast 12 Millionen Tonnen Eisen- und Manganerze aus dem Auslande beziehen mußte, gestillt werden. Allein unser Verbrauch an Eisen zu Granaten und anderen Kriegswerkzeugen in den ersten 50 Kriegsmonaten muß auf mindestens 75 Millionen Tonnen geschätzt werden, während die Erzeugung aller deutschen Hochöfen im Jahre 1913 nur 16,8 Millionen Tonnen Roheisen betrug. Gehen wir zur Verhüttung dieser Bodenschätze und zu ihrer Verteilung auf die Industrie der Fertigfabrikate über, so führen die nackten Zahlen über den lothringischen Erzversand irre. Noch 1912 gingen nur 37s Millionen Tonnen Erze, d. h. wenig über 13 v. H., von Lothringen und dem wirtschaftlich gleichgestellten Luxemburg nach dem Industriebezirk Niederrhein und Westfalen. Auch während des Krieges hob sich dieses Verhältnis bis 1916 trotz teilweiser Sperrung der ausländischen Zufuhren nur auf 17 v. H. Das niedrigprozentige Erz lohnt nicht die Verfrachtung auf weite Entfernungen, und in überraschender Weise kehrt sich



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günstigsten Falle eine wesentliche Zunahme nicht zu erwarten ist.

Der gewinnbare Erzvorrat Deutschlands beträgt nur 2,3 Milliarden Tonnen, zu dem ElsaßLothringen mehr als 76 v. H. beisteuert. Legt man den Eisengehalt der in Deutschland geförderten Erze mit 8,5 Millionen zugrunde, so liefert die lothringische Minette davon bereits 6,11 Millionen Tonnen, die zum deutschen Zollgebiet gehörige luxemburgische Minette weitere 2,04 Millionen Tonnen. Nur mit ihrer Hilfe kann der Erzhunger unserer deutschen Industrie, die im Jahre 1913 außerdem noch fast 12 Millionen Tonnen Eisen- und Manganerze aus dem Auslande beziehen mußte, gestillt werden. Allein unser Verbrauch an Eisen zu Granaten und anderen Kriegswerkzeugen in den ersten 50 Kriegsmonaten muß auf mindestens 75 Millionen Tonnen geschätzt werden, während die Erzeugung aller deutschen Hochöfen im Jahre 1913 nur 16,8 Millionen Tonnen Roheisen betrug. Gehen wir zur Verhüttung dieser Bodenschätze und zu ihrer Verteilung auf die Industrie der Fertigfabrikate über, so führen die nackten Zahlen über den lothringischen Erzversand irre. Noch 1912 gingen nur 37s Millionen Tonnen Erze, d. h. wenig über 13 v. H., von Lothringen und dem wirtschaftlich gleichgestellten Luxemburg nach dem Industriebezirk Niederrhein und Westfalen. Auch während des Krieges hob sich dieses Verhältnis bis 1916 trotz teilweiser Sperrung der ausländischen Zufuhren nur auf 17 v. H. Das niedrigprozentige Erz lohnt nicht die Verfrachtung auf weite Entfernungen, und in überraschender Weise kehrt sich



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daher hier der alte Satz, daß das Erz zur Kohle wandert, ins Gegenteil. Großzügig wie sonst an keiner Stelle Europas hat sich im Minettegebiet das System der gemischten Betriebe entwickelt, in denen das Erz an Ort und Stelle verhüttet und verarbeitet wird. Nach dem Ausscheiden des einzigen größeren allein altlothringischen Werkes ist dabei jetzt ausschließlich altdeutsches Kapital beteiligt. Von der Roheisenerzeugung des Reichs mit neunzehn Millionen Tonnen kamen im Jahre 1913 auf die lothringischen Hütten (mit Luxemburg) nicht weniger als 61/2 Millionen Tonnen, dazu eine Koksherstellung (1912) von über einunddreißig Millionen Tonnen. Die Flußstahlwerke Lothringens allein erzeugten 1913 mehr als Millionen (im ganzen Reich fast 19 Millionen Tonnen), die Walzwerke annähernd 2 Millionen Tonnen (im Reich 16% Millionen Tonnen). Als Nebenprodukt scheiden diese Anlagen zugleich das Phosphor aus, dessen Vorrat in der deutschen Minette auf über 20 Millionen Tonnen berechnet wird. Nach ehrenvollem Frieden darf die deutsche Landwirtschaft daher neben dem unentbehrlichen Kali aus diesen Schätzen noch die gewaltige Summe von 17 Millionen Tonnen Thomasschlacke als überaus wichtiges Düngemittel erwarten. Im Weltkriege selbst hat uns nur die Phosphorausbeute der lothringischen Erzgruben vom Ausland unabhängig gemacht und die erfolgreiche Herstellung neuer Angriffs- und Verteidigungswaffen ermöglicht. Schon diese nackten statistischen und technischen Zahlen beweisen deutlich genug die ungeheure Wichtigkeit, die das ganze Erzgebiet Deutsch-Lothringens für die



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Wohlfahrt des Reichs und für seine Kriegs- und Friedensarbeit besitzt. Noch weniger wie Luxemburg darf Deutschland das Gebiet der deutschen Minette aus seinem Zollgebiet freilassen, will es nicht seinen wichtigsten Industrien die Blutzufuhr sperren. Gerade in der Bewirtschaftung und Aufschließung dieser riesigen Erzvorräte spiegelt sich ja ganz besonders, wie sich seit Jahrzehnten die Fäden hin und her immer enger und enger spannen. Mit der technischen Verfeinerung des Bergwerks- und Hüttenbetriebs zwang Lothringen einen erheblichen Teil der deutschen Metallindustrie selbst zu sich herüber. „Die neuentstandenen Wirtschaftszusammenhänge", so betont nachdrücklich der bereits erwähnte Gesichtsschreiber der reichsländischen Volkswirtschaft, „haben aus den bisher scheinbar auseinander strebenden Teilen eine solche Einheit zusammengeschmiedet, daß man eines der Lebenszentren unmittelbar Lothringens, mittelbar aber auch des ganzen Reichslandes durchschnitte, wollte man versuchen, diesen vielgestaltigen, mit unendlicher Mühe organisierten und unübersehbar mannigfaltigen Wirtschaftskomplex zu zerreißen." Aber es sind nicht die Unternehmer allein, die ein so außerordentliches Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung dieser Verbindungen zwischen Altdeutschland und Lothringen haben müssen. Den großen Magnaten des Ruhr- und Saarkohlenbeckens, den Führern des Stahlwerkverbandes und der Schiffahrtskonzerne sind tausend und abertausend von Beamten und Facharbeitern gefolgt, die nun mit Beruf und Leben im „Reichsland" wurzeln. Teils auf französischem, teils auf deutsch-lothringischem Sprachgebiet haben sie eine neue



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Industriekolonie des Reiches geschaffen, die vorbildlich f ü r das Vorwärtsdrängen und Aufwärtsringen des deutschen Arbeiters geworden ist. Jede Gefahr, die der wirtschaftlichen Machtstellung des Reiches hier droht, bedroht zugleich das Leben der millionenköpfigen Massen unseres werktätigen Volkes, die sich eins wissen und fühlen auch mit ihren Vorposten draußen im äußersten Westen. Annähernd 20 v. H. der in der deutschen Industrie gezahlten Löhne, so hat man berechnet, werden in der engeren Eisenindustrie gezahlt. Fünf bis sechs Millionen Menschen leben in diesem Kreise und weitere zwei bis drei Millionen empfangen in den von Stahl und Eisen abhängigen Gewerbezweigen unmittelbar Lohn und Brot. Geht Deutsch-Lothringen verloren, so fällt auch dieser ganze kunstvolle Bau zusammen. Statt der bisher von ihm erzeugten 27 Millionen Tonnen Erz bleiben dem Reich nur noch 5 Millionen, während allein seine heutigen Hauptgegner, England, Frankreich, Belgien und die Vereinigten Staaten, über mehr als 50 Millionen Tonnen jährlicher Förderung verfügen und sich aus Südamerika und Asien noch Vorräte verschaffen können, deren Umfang und Lebensdauer heute unberechenbar sind. In Deutschland würden die Löhne sinken; der vierte Teil unseres Volkes wäre zu unfreiwilliger Feierschicht gezwungen, sobald ihm der Nerv seines industriellen Lebens, die Erzkammer Lothringens, entzogen oder auch nur zeitweise gesperrt wird. Was ein vierjähriger erbarmungsloser Hungerkrieg



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Industriekolonie des Reiches geschaffen, die vorbildlich f ü r das Vorwärtsdrängen und Aufwärtsringen des deutschen Arbeiters geworden ist. Jede Gefahr, die der wirtschaftlichen Machtstellung des Reiches hier droht, bedroht zugleich das Leben der millionenköpfigen Massen unseres werktätigen Volkes, die sich eins wissen und fühlen auch mit ihren Vorposten draußen im äußersten Westen. Annähernd 20 v. H. der in der deutschen Industrie gezahlten Löhne, so hat man berechnet, werden in der engeren Eisenindustrie gezahlt. Fünf bis sechs Millionen Menschen leben in diesem Kreise und weitere zwei bis drei Millionen empfangen in den von Stahl und Eisen abhängigen Gewerbezweigen unmittelbar Lohn und Brot. Geht Deutsch-Lothringen verloren, so fällt auch dieser ganze kunstvolle Bau zusammen. Statt der bisher von ihm erzeugten 27 Millionen Tonnen Erz bleiben dem Reich nur noch 5 Millionen, während allein seine heutigen Hauptgegner, England, Frankreich, Belgien und die Vereinigten Staaten, über mehr als 50 Millionen Tonnen jährlicher Förderung verfügen und sich aus Südamerika und Asien noch Vorräte verschaffen können, deren Umfang und Lebensdauer heute unberechenbar sind. In Deutschland würden die Löhne sinken; der vierte Teil unseres Volkes wäre zu unfreiwilliger Feierschicht gezwungen, sobald ihm der Nerv seines industriellen Lebens, die Erzkammer Lothringens, entzogen oder auch nur zeitweise gesperrt wird. Was ein vierjähriger erbarmungsloser Hungerkrieg



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nicht erreichen konnte, fällt dem Feinde damit kampflos zu. In der Tat betrachten ernsthafte Beobachter gerade in Frankreich bereits seit mehreren Jahren den Weltkrieg in erster Reihe als den Kampf um das Eisen. Die überlieferten Schlagworte von der natürlichen Grenze Galliens am Rhein finden keinen Anklang mehr bei den werktätigen Massen. Aber es ist nicht der Erzhunger der französischen Nation selbst, der zum Angriff treibt. Ist doch Frankreich selbst gerade eins der eisenreichsten Länder der Erde und vermochte schon vor dem Kriege auch nicht annähernd die eigenen Erzlager zu verarbeiten. Mit seinen Vorräten von 8,2 Milliarden Tonnen übertrifft es vor allem Deutschland um das Dreifache. Auch Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind im Besitz so ausreichender Erzvorkommen, um auf jeden Zuwachs verzichten zu können. Ebenso ist der Satz, daß Frankreichs Industrie von der deutschen Kohlen- und Koksversorgung abhängig sei und daß ihr Gedeihen den Besitz der Kohlenflöze des Saarreviers und der Koksöfen von Diedenhofen und Hagendingen heische, bewußt unwahr. Sogar trotz des Verlustes von Lens und Umgegend konnten ihre Betriebe auch während des Krieges aufrecht erhalten werden, während eine restlose Aufarbeitung der französischen Erzvorräte selbst mit Hilfe des ganzen Saarbeckens nicht durchzuführen wäre. Auf alle Fälle bleibt ja die französische Industrie, das geben auch die ärgsten Revanchehetzer unumwunden zu, dauernd auf die schwarzen Diamanten Englands und des Ruhrreviers sowie auf deutsche Techniker, Chemiker und Ingenieure angewiesen. Gerade vor Ausbruch des Weltkampfes hatte



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sich daher eben zwischen den Erzrevieren Frankreichs und den Kohlenlagern Deutschlands ein überaus ersprießlicher Austausch von Erz und Kohlen herausgearbeitet, der eine wirtschaftliche Verständigung unschwer auch für größeren Bedarf erwarten ließ und allein die Volkswirtschaft der alten Welt vor der Überschwemmung durch amerikanische Ware bewahren kann. Wenn Frankreich trotzdem auf seinen Ansprüchen und Forderungen beharrt, so löst ein Blick auf die geschichtliche Stellung Frankreichs in Elsaß-Lothringen dieses scheinbare Bätsei: Wie zwei Jahrhunderte hindurch die Kanonen von Straßburg und Metz drohend jedes selbständige Leben des deutschen Staates erstickten, so verurteilt der französische Besitz der deutschen Erzkammer das Wirtschaftsleben unserer Nation zu dauernder Unfreiheit. Außer dem militärischen und politischen Schicksal des ganzen Deutschen Reiches hängt auch der Wohlstand und die Zukunft eines jeden einzelnen seiner Bürger völlig vom freien Besitz unserer oberrheinischen Provinzen ab. Wie wir alle auch aus der gegenwärtigen Krisis herauskommen werden, ewig wird für uns und unsere Kinder das Wort gelten: Elsaß-Lothringen ist nicht nur Deutschlands Schild und das Symbol seiner Einheit. Ohne ElsaßLothringens Kalischätze ist auch Deutschlands Monopolstellung auf dem Weltmarkt vernichtet; sein Erzvorrat ist der Eckpfeiler unserer industriellen Blüte. Setzt sich ein fremdes Volk dauernd am Oberrhein fest, so ist Deutschlands Entwicklung um gerade ein Viertel Jahrtausend zurückgeworfen. Die weltgeschicht-



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sich daher eben zwischen den Erzrevieren Frankreichs und den Kohlenlagern Deutschlands ein überaus ersprießlicher Austausch von Erz und Kohlen herausgearbeitet, der eine wirtschaftliche Verständigung unschwer auch für größeren Bedarf erwarten ließ und allein die Volkswirtschaft der alten Welt vor der Überschwemmung durch amerikanische Ware bewahren kann. Wenn Frankreich trotzdem auf seinen Ansprüchen und Forderungen beharrt, so löst ein Blick auf die geschichtliche Stellung Frankreichs in Elsaß-Lothringen dieses scheinbare Bätsei: Wie zwei Jahrhunderte hindurch die Kanonen von Straßburg und Metz drohend jedes selbständige Leben des deutschen Staates erstickten, so verurteilt der französische Besitz der deutschen Erzkammer das Wirtschaftsleben unserer Nation zu dauernder Unfreiheit. Außer dem militärischen und politischen Schicksal des ganzen Deutschen Reiches hängt auch der Wohlstand und die Zukunft eines jeden einzelnen seiner Bürger völlig vom freien Besitz unserer oberrheinischen Provinzen ab. Wie wir alle auch aus der gegenwärtigen Krisis herauskommen werden, ewig wird für uns und unsere Kinder das Wort gelten: Elsaß-Lothringen ist nicht nur Deutschlands Schild und das Symbol seiner Einheit. Ohne ElsaßLothringens Kalischätze ist auch Deutschlands Monopolstellung auf dem Weltmarkt vernichtet; sein Erzvorrat ist der Eckpfeiler unserer industriellen Blüte. Setzt sich ein fremdes Volk dauernd am Oberrhein fest, so ist Deutschlands Entwicklung um gerade ein Viertel Jahrtausend zurückgeworfen. Die weltgeschicht-



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liehe Aufgabe kommender Geschlechter würde es dann sein, so trösten schon Philosophen und Alltagsmenschen in unseren eigenen Reihen, im Schutze des Völkerbunds und eines ewigen Friedens die sittlichen Werte zu mehren, die das Volk der deutschen Dichter und Denker der Welt vor seiner staatlichen Einigung in so überreichem Maße geschenkt hat Aber dieser Vergleich führt selbst dann irre, wenn unsere Nation in der Tat ihre Ideale wiederum nur im Reiche des Geistes suchen wollte, denn geschichtliches Werden und Wirken wiederholt und erschöpft sich nicht in gleichmäßigem Stufenbau. In der schweren Zeit nach dem dreißigjährigen und nach dem siebenjährigen Kriege war das Leben im Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts noch durchaus an der Scholle gebunden; das deutsche Siebzig-Millionenvolk des 20. Jahrhunderts dagegen braucht Ellbogenfreiheit im Kampf ums Dasein. Wird ihm die militärische, politische und wirtschaftliche Freiheit im eigenen selbständigen Staatswesen beschnitten und gekürzt, so wird der Deutsche aufs neue Weltbürger werden. Aber der Rückweg zum nationalen Staat, den unsere Vorfahren aus Philosophie und Dichtung fanden, bleibt uns verschlossen. „Es gibt kein Mittelding zwischen Sieg und Niederlage" hat Lloyd George nicht umsonst den Völkern Mitteleuropas zugerufen. Unstet und flüchtig, heimatlos und unfrei wird den Deutschen die Sorge ums tägliche Brot in die Sklaverei der Fremdvölker treiben. Im Dienste des internationalen, angelsächsischen Kapitalismus und seiner Weltindustrie muß das deutsche Volk entmannt und zerrieben werden, um in fremdem Volkstum unterzugehen, wenn die Bollwerke seiner inneren und äußeren Freiheit in feindliche Hände fallen.



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Noch wehrt sich das Reich für sich und seine Bürger, für jetzige und künftige Geschlechter gegen diese furchtbare Zukunft. Laut und vernehmlich aber mahnen die Lehren der Geschichte und Volkswirtschaft uns alle: „Elsaß-Lothringen wird das Deutschlands sein."

Schicksalsland



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Noch wehrt sich das Reich für sich und seine Bürger, für jetzige und künftige Geschlechter gegen diese furchtbare Zukunft. Laut und vernehmlich aber mahnen die Lehren der Geschichte und Volkswirtschaft uns alle: „Elsaß-Lothringen wird das Deutschlands sein."

Schicksalsland