Warum Weimar?: Wie Deutschlands erste Republik zu ihrem Geburtsort kam [1 ed.] 9783412509910, 9783412509064


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German Pages [219] Year 2017

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Warum Weimar?: Wie Deutschlands erste Republik zu ihrem Geburtsort kam [1 ed.]
 9783412509910, 9783412509064

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Heiko Holste

Warum Weimar? Wie Deutschlands erste Republik zu ihrem Geburtsort kam

2018 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch den Deutschen Bundestag.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: 21. August 1919. Ansprache des Reichspräsidenten Ebert auf dem Balkon des Nationaltheaters in Weimar nach seiner Vereidigung. Deutsches Historisches Museum, Berlin, BA 90/5753. © 2018 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Lindenstraße 14, D-50674 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Cover Konzept und Design: Guido Klütsch, Köln Korrektorat: Rainer Landvogt, Hanau Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co GmbH & Co. KG, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50906-4

Inhalt

1. Warum Weimar? Ein Telegramm aus Berlin und eine offene Frage . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Gespreizte Kerle in Berlin und ­Leberknödel-Egoismus in Bayern Ein Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte . . . . . . . . 15 3. Wilson, Wilhelm und der Regimewechsel Preußen und Berlin werden zum Hindernis für den Frieden . . . 25 4. Es begann in Wilhelmshaven Die Provinz revolutioniert die Hauptstadt und eine Nationalversammlung wird angekündigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5. „Erfüllt von der Überlieferung des Jahres 1848 …“ Frankfurt lädt die Nationalversammlung in die Paulskirche ein .41 6. Waldspaziergang und Weltenbrand Berlin nach dem 9. November und die Hauptstadt-Hetze in der Provinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 7. Los von Berlin! – Die rheinisch-reaktionäre Variante Konrad Adenauer zwischen Patriotismus und Verrat . . . . . . . . . . 55 8. Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante Kurt Eisner träumt vom Frieden und Bayerns Separatisten von Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 9. Zusammenhalt durch Teilhabe Friedrich Ebert und die Nationalversammlung als Garanten der Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Inhalt 5

10. „Es muss reiner Tisch gemacht werden – in Berlin oder mit Berlin“ Wo soll die Nationalversammlung tagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 11. Kasseler Republik? Ein Arbeiter- und Soldatenrat will Ebert helfen . . . . . . . . . . . . . 83 12. Erfurter Republik? Vom großen Traum eines Lokalpatrioten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 13. Eisenacher Republik? „Keine würdigere Stätte für die Nationalversammlung als die Wartburg …“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 14. Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst Im Dezember 1918 wächst auf Berlins Straßen die politische Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 15. Bundesstaat oder Einheitsrepublik? Hugo Preuß und die neue Angst vorm Berliner Zentralismus .109 16. Würzburger Republik? Die süddeutsche Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 17. Bamberger Republik? Reaktionäre Hybris in der Provinz und Nürnberger Trittbrettfahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 18. Kampagne und Courage Wie die Städte um die Nationalversammlung werben, aber dabei manche der Mut verlässt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 19. Ein roter Bohemien entdeckt Weimar Wie Kurt Baake den „Geist von Weimar“ in die Reichskanzlei trug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 20. Zwei Geheimräte auf Reisen … … und der „Spartakusaufstand“ in Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6  Inhalt

21. Ebert setzt sich durch Die Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk . . . . . . 147 22. „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“ Die Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar . . . . . . . . . . 157 23. „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“ Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins . . . . . . . . . . . . . . 167 24. Weimars Wirkung oder: War Weimar die falsche Wahl? Die Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhalt 7

1.  Warum Weimar?

Ein Telegramm aus Berlin und eine offene Frage

D

er 20. Januar 1919 war ein Montag, und er war der Tag danach. Am Sonntag waren in ganz Deutschland Millionen Männer und zum ersten Mal auch Frauen an die Wahlurnen geströmt, um eine Nationalversammlung zu wählen. Nach der Revolution, nach dem Sturz der Monarchie und dem Ende des Ersten Weltkrieges sollte das neue Parlament die Weichen für Deutschlands Zukunft stellen. An jenem Montag danach erhielt der Oberbürgermeister von Weimar eine eilige Depesche aus Berlin. Die Nachricht sollte seiner Stadt zum zweiten Mal einen Platz in den Geschichtsbüchern bescheren: „Reichsregierung hat beschlossen, die verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung am 6. Februar 1919 in Weimar zusammentreten zu lassen.“1 Unterzeichnet hatte das Telegramm Hugo Preuß, der neue Staatssekretär des Reichsamtes des Innern. Bis dahin hatte die Reichsregierung nur selten Telegramme nach Weimar geschickt. Die Residenz der bisherigen Großherzöge von SachsenWeimar-Eisenach war nicht gerade ein politischer Hotspot. Auch kulturell lagen Weimars goldene Zeiten lange zurück. Der Versuch liberaler Geister, der Stadt als Hochburg der europäischen Moderne neue Geltung zu verschaffen, war schon vor Beginn des Krieges gescheitert. Seither dominierten dort deutschtümelnde Innerlichkeit und provinzielle Heimatkunst.2 Statt von Dichtern und Denkern wurde die Stadt von Hofbeamten, Pensionären und bildungsbeflissenen Touristen bevölkert, die andächtig auf den ausgetretenen Pfaden der Weimarer Dioskuren wandelten. Dem Reporter Egon Erwin Kisch erschien Weimar wie ein „Naturschutzpark der Geistigkeit“, ein riesiges Freilichtmuseum.3 Im Januar 1919 änderte sich all dies schlagartig. Für ein Dreivierteljahr wurde Weimar das Zentrum der deutschen Politik. Von Februar bis August 1919 tagte im Nationaltheater die Nationalversammlung und beschloss dort die Verfassung der jungen Republik. Mit dieser Tagung Ein Telegramm aus Berlin und eine offene Frage 9

Abb. 1: Die Reichsregierung teilt Weimars Oberbürgermeister am 20. Januar 1919 die Einberufung der Nationalversammlung nach Weimar mit.

ging die einstige Geisteshauptstadt auch als politischer Erinnerungsort in das kollektive Gedächtnis der Deutschen ein. Schon bald war von der „Weimarer Verfassung“ und der „Weimarer Republik“ die Rede, rasch wurde die Stadt zu einem Synonym für die erste deutsche Demokratie und die Epoche zwischen Kaiserreich und Hitlerdiktatur. Wie stark die Prägekraft des Städtenamens bis heute ist, zeigt sich in jeder Buchhandlung. Ein Großteil der Bücher, die Weimar im Titel tragen, behandelt weder die Stadt noch Goethe oder die Klassik. Wenn von Weimar die Rede ist, geht es vor allem um das Deutschland der Jahre 1918 bis 1933. Kein Wunder, dass diese Ära im englischsprachigen Ausland nur „Weimar Germany“ genannt wird. Die Namensgebung der ersten Republik hat Schule gemacht. Die westdeutsche Nachkriegsdemokratie gilt heute als „Bonner Republik“, 10  Warum Weimar?

und seit dem Umzug von Parlament und Regierung an die Spree ist das Wort von der „Berliner Republik“ so populär, dass in der Hauptstadt sogar Bierkneipen und politische Zeitschriften so heißen. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen Weimar und seinen Nachfolgern. Der Weg, der nach Bonn und später zurück nach Berlin geführt hat, ist heute allseits bekannt.4 1949 war es vor allem Konrad Adenauer, der das politische Zentrum der jungen Bundesrepublik im katholischen Rheinland platzierte, und 50 Jahre später gingen dem Bonn-Berlin-Umzug eine breite öffentliche Debatte und eine spannende Abstimmung im Deutschen Bundestag voraus. Völlig anders verhält es sich dagegen mit Weimar. Der Weg, der die Politik einst in die Goethestadt führte, liegt noch immer im Dunkeln. Trotz der Prägekraft des Namens ist eine wichtige Frage bislang ohne Antwort, ja kaum je gestellt worden: Warum Weimar? Warum wurde die erste deutsche Republik ausgerechnet in einer Kleinstadt in Thüringen gegründet? Wie kam es zu dieser Ortswahl? Wer traf sie? Die meisten Autoren begnügen sich mit dem lapidaren Hinweis, das Parlament sei damals wegen der revolutionären Unruhe aus Berlin fortgegangen.5 Selbst wenn das stimmen würde, wäre es noch lange keine Erklärung dafür, warum an Stelle von Berlin ausgerechnet Weimar zur Ersatz-Hauptstadt wurde. Das Desinteresse an Weimar hat auch damit zu tun, dass die Stadt ein entwurzelter Erinnerungsort ist. Wer heute Weimar sagt, denkt an Berlin, denn von wenigen Monaten abgesehen war Berlin das politische und kulturelle Zentrum Deutschlands in den zwanziger und dreißiger Jahren.6 Dass der Ort der Nationalversammlung und der Verfassungsgebung weitge­hend vergessen ist und die Wege, die dorthin geführt haben, niemals umfassend untersucht worden sind, hat aber auch politische Gründe. In der jungen Bundesrepublik war die Kritik am Werk der Weimarer Nationalversammlung Teil einer bequemen Entlastungsstrategie für Millionen. Für den Aufstieg Hitlers waren demnach weder die Menschen verantwortlich, die ihn gewählt, noch die konservativen Politiker, die ihm zur Macht verholfen hatten. Schuld sollte vor allem die in Weimar beschlossene Verfassung sein, deren angebliche Konstruktionsmängel den Aufstieg der Nazis und die Zerstörung der Demokratie nicht verhindert hatten. So wurde die erste deutsche Demokratie auf ein Negativ-Vorbild für die Bundesrepublik reduziert. „Bonn ist nicht Weimar“, hieß es halb beschwörend, halb selbstbewusst.7 Da man sich nicht Ein Telegramm aus Berlin und eine offene Frage 11

in einer positiven Tradition zur ersten Republik sah, bestand wenig Anlass, sich mit Weimar und dem Weg dorthin näher zu befassen. Dass der Eiserne Vorhang dem Zugang zu Weimar auch faktische Grenzen setzte, kam hinzu. Ganz ähnlich, wenn auch unter anderen Vorzeichen, lag die Sache im Osten. Auch in der DDR interessierte sich niemand dafür, warum die Republik nach Weimar gekommen war. Für die marxistischen Historiker war die bürgerliche Demokratie bloß eine Etappe auf dem Weg zum Faschismus gewesen. „Die neuen Machthaber, die sich auf die Bajonette der Konterrevolution stützten, fürchteten die Nähe der Arbeitermassen. Deshalb mieden sie Berlin oder andere Industriestädte und flüchteten in das stille Weimar“, so lautete die parteioffizielle Deutung der Ge­ schichte.8 Die Tagung in Weimar war demnach nur eine Flucht aus Berlin und ein weiterer Beleg für den angeblichen Verrat der SPD-Führer an der Revolution. Eine These, die im Westen auch Sebastian Haffner mit seinen viel gelesenen Büchern populär machte.9 Inzwischen, mit größerem zeitlichem Abstand und nach dem Ende des Kalten Krieges, werden die Revolution 1918/19, die Weimarer Republik und deren Verfassung gerechter beurteilt. Heute braucht niemand mehr eine überzogene Kritik an Weimar als Ausrede für den Aufstieg der Nazis oder als Rechtfertigung für die SED-Diktatur. Stattdessen ist längst anerkannt, wie wichtig Weimar und die dort getroffenen Weichenstellungen für die Demokratie in Deutschland waren. Die Nationalversammlung war das erste Parlament, das von Männern und Frauen frei gewählt wurde. Zum ersten Mal bestimmten nicht Monarchen, sondern das Volk über sein politisches Schicksal. Die neue Verfassung etablierte nicht nur die Demokratie, sondern ebnete den Weg zu einem sozialen Rechtsstaat, einem Staat, der nicht nur auf die Einhaltung von Recht und Gesetz achtete, sondern sich auch um die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit kümmerte. So galt das Werk von Weimar seinen Zeitgenossen als demokratisches Musterbeispiel einer modernen Verfassung und wurde im Ausland zum oft kopierten Vorbild.10 Heute ist klar, dass der Aufstieg Hitlers nicht einer vermeintlich schlechten Verfassung geschuldet war, sondern der schwierigen Situation, in der sie galt, und der Art und Weise, in der sie angewandt wurde. Die Verfassung, die in Weimar geschaffen wurde, war zwar glücklos, aber eben nicht missglückt.11 Über all dies besteht inzwischen ein weiter 12  Warum Weimar?

Konsens, aber bevor Weimar seinen verdienten Platz unter den Erinnerungsorten der Demokratie in Deutschland einnehmen kann, muss eine Frage endlich beantwortet werden: Warum Weimar? Um dem Wie und Warum der Tagung in Weimar auf die Spur zu kommen, muss man sich mit dreierlei befassen. Erstens mit der Konstruktion des Kaiserreiches, die im Verlauf des Krieges die sozialen, politischen und regionalen Spannungen im Land immer weiter verschärfte. Zweitens mit den Motiven und dem Verlauf der revolutionären Ereignisse, die im November zum Sturz der Monarchie und der Ausrufung der Republik führten. Und schließlich drittens mit den turbulenten Wochen nach dem 9. November 1918, in denen um Erfolg und Scheitern der Revolution gerungen wurde, Deutschland an den Rand des Zerfalls geriet und die Entscheidung für Weimar fiel. Bei alledem geht es nicht nur um die Ereignisse in Berlin, sondern auch um das Geschehen in der Provinz, wo die Revolution begann, der Protest gegen die Hauptstadt wuchs und sich viele Städte Hoffnungen machten, zum Gastgeber der Nationalversammlung zu werden. Hoffnungen machte sich auch Martin Donndorf, der Oberbürgermeister von Weimar. Er erkannte die Chance, die sich seiner Stadt im Januar 1919 bot, und nutzte sie entschlossen. Auf das Telegramm aus Berlin depeschierte er zurück: „Der Reichsregierung, die Weimars alten Ruhm durch Einberufung der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung in Weimars Mauern ehrt, huldigen freudig bewegt, doch in voller Erkenntniß der ihnen auferlegten Verantwortung. Die Gemeindebehörden von Weimar.“12 Seit neun Wochen war Deutschland jetzt eine Republik, aber die verschwurbelte Sprache der Monarchie hatte sich Weimars Oberbürgermeister noch nicht ganz abgewöhnt.

Ein Telegramm aus Berlin und eine offene Frage 13

2.  Gespreizte Kerle in Berlin und ­ Leberknödel-Egoismus in Bayern

Ein Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte

D

er Krieg ist nicht der Vater aller Dinge, aber ohne ihn wäre Weimar nicht ein zweites Mal in die Geschichtsbücher eingegangen. Als am 1. August 1914 der Erste Weltkrieg begann, zog Deutschland nicht mit einer, sondern mit vier Armeen in den Krieg: einer königlich-preußischen, einer königlich-bayerischen, einer königlich-sächsischen und einer königlich-württembergischen Armee. Im Zeitalter des Weltkrieges war dies ein grotesker Anachronismus, aber dieses Überbleibsel der deutschen Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts war Ausdruck jenes eigenartigen Bauprinzips, mit dem Bismarck einst das Kaiserreich erschaffen hatte und das bald alte Konflikte neu beleben und dazu beitragen sollte, dass Deutschlands erste Republik nicht in der Hauptstadt Berlin entstand. Seit 1871 war Deutschland zwar vereinigt, aber das Deutsche Reich bestand aus 25 Gliedstaaten.13 Die Mehrzahl waren Duodezstaaten, von denen das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach mit seinen 400.000 Einwohnern noch eines der größeren war. Diese Länder existierten nur deshalb noch, weil Preußen sie aus politischem Kalkül nicht annektiert hatte: Es brauchte dieses „kleine Gemüse“, wie Bismarck sie einst genannt hatte, um die eigene Dominanz im Reich besser zu verschleiern, denn neben den Kleinstaaten bestanden die traditionsreichen Mittelstaaten Bayern, Sachsen und Württemberg. Mit Rücksicht auf das Prestigebedürfnis ihrer Könige und das Sonderbewusstsein der Bevölkerung hatte Preußen diesen Ländern bei der Reichsgründung manche Privilegien belassen – von Briefmarken mit dem Konterfei ihrer Monarchen bis zur eigenen Armee. Beherrscht wurde all dies von Preußen, das mit 40 Millionen Einwohnern allein drei Fünftel der deutschen Bevölkerung ausmachte. Preußens Größe und Dominanz beruhten darauf, dass es 1866 im Krieg um die Vorherrschaft in Deutschland ÖsterEin Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte 15

reich geschlagen und dessen Verbündete Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt annektiert hatte. Außerdem hatte Preußen seine Hegemonie in der neuen Verfassung durch wichtige Personalunionen abgesichert: Der preußische König wurde zugleich Deutscher Kaiser, der preußische Ministerpräsident war regelmäßig auch Reichskanzler. Dieser Föderalismus sorgte dafür, dass der deutsche Nationalstaat weiterhin stark von seinen Gliedern geprägt wurde: „Die Gefühle, die gewöhnlich mit dem Wort ,Patriotismus‘ verbunden werden, konzentrierten sich vornehmlich auf den Kleinstaat. Die eingezogenen hessischen Soldaten sprachen nie davon, dass sie ,zum Heer‘ mussten, sondern sie gingen ,zu den Preußen‘ und sehr selten wurde etwas als ,deutsch‘ bezeichnet – es war entweder hessisch oder bayerisch oder sächsisch“, erinnerte sich Albrecht von Fritsch, damals in einem Kadettenkorps.14 Natürlich dachten so vor allem jene Schichten, die eng auf die Dynastien bezogen waren, also Militär, Adel und Beamtenschaft. In der Arbeiterbewegung dagegen galt der dynastische Föderalismus als verzopfte Rückständigkeit, und für viele bürgerliche Nationalisten war er ein Überbleibsel jener Ära, in der die deutsche Kleinstaaterei zu nationaler Machtlosigkeit geführt hatte. Länder wie Bayern, die in jener Zeit an Einfluss gewonnen hatten, standen daher stets unter PartikularismusVerdacht und in dem Ruf, die eigenen Belange wichtiger zu nehmen als das nationale Ganze. Trotzdem: Vor allem in Süddeutschland und in Teilen Preußens gab es in der Bevölkerung ein ausgeprägtes Landesbewusstsein, und auch viele Arbeiter fühlten sich in erster Linie als Bayern, Sachsen oder Württemberger. Erst dies machte es möglich, dass die föderalen Spannungen – politisch aufgeladen – Deutschland in den Revolutionstagen auf eine Zerreißprobe stellten. Drei Tage nach Kriegsbeginn, am 4. August 1914, kam es in Berlin zu einer bemerkenswerten Versammlung.15 Die Mitglieder des Reichstages waren vom Kaiser in sein Berliner Stadtschloss befohlen worden. Im Weißen Saal hatten sie Aufstellung genommen, dann betrat Wilhelm II. den Saal, ließ sich auf seinem Thron nieder und verkündete, warum er den Krieg begonnen hatte. Die Volksvertreter durften stehend die Worte ihres Monarchen anhören. Anlass, Ort und Prozedere dieser Veranstaltung sagten eine Menge darüber aus, wie die Macht zwischen Kaiser und Reichstag verteilt war. Um sie war es Otto von Bismarck gegangen, als er 1871 den merkwürdigen Föderalismus des Reiches 16  Gespreizte Kerle in Berlin und L­ eberknödel-Egoismus in Bayern

geschaffen hatte: Ein übermächtiges Preußen, wenige Mittelstaaten und eineinhalb Dutzend Zwergstaaten – mit diesen ungleichen Gliedern war ein echter Föderalismus zwar unmöglich, aber Bismarck hatte auch anderes im Sinn: Er benutzte den Föderalismus, um ihn gegen die Demokratie auszuspielen. Der Reichstag, so Bismarcks Befürchtung, würde versuchen, politischen Einfluss zu gewinnen, und dem Kaiser das Recht zur Berufung der Regierung streitig machen – für einen eingefleischten Monarchisten wie Bismarck eine Schreckensvision. Um ihr Wirklichwerden zu verhindern, schuf er die Fiktion vom Reich als Fürstenbund, der von den verbündeten Fürsten gemeinschaftlich durch den Bundesrat regiert wurde, also durch die Vertretung der Länder, die von Preußen dominiert wurde und deren Vorsitzender der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident war. Obwohl im Laufe der Zeit die Reichsverwaltung immer mehr an Bedeutung gewann, gab es bis 1918 offiziell keine „Reichsregierung“. Statt Ministerien existierten lediglich Reichsämter, an deren Spitze Staatssekretäre standen. Der Reichstag blieb so von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen, und die Reichskanzler lebten nicht vom Vertrauen der Volksvertretung, sondern allein von der Gunst des Kaisers. Auch wenn der Reichstag über das Budgetrecht und die Gesetzgebung schrittweise an Bedeutung gewann, hatte die Volksvertretung auf die deutsche Kriegspolitik kaum Einfluss. Die militärische Kommandogewalt des Kaisers war un­beschränkt, seine Erlasse bedurften nicht einmal der Gegenzeichnung des Reichskanzlers. Spätestens ab 1916 war es deshalb nicht mehr die zivile Regierung, die Deutschlands innere und äußere Politik bestimmte, sondern die Oberste Heeresleitung unter den Generälen Hindenburg und Ludendorff. Als die Reichstagsabgeordneten am 4. August 1914 ins Berliner Stadtschloss bestellt wurden, folgten nicht alle Volksvertreter der kaiserlichen Order. Die Mitglieder der größten Fraktion, die Sozialdemokraten, blieben der Veranstaltung geschlossen fern. Diese Verweigerung war die Replik auf die jahrzehntelange Ausgrenzung der Sozialdemokraten im Kaiserreich. Staat und Gesellschaft wurden von Adel, Militär und Bürgertum dominiert, die Arbeiter und ihre Führer dagegen wurden als „vaterlandslose Gesellen“ geschmäht, von der Polizei bespitzelt und gesellschaftlich geächtet. Nun allerdings wiederholte der Kaiser in seiner Rede im Weißen Saal einen Satz, den er bereits am Vortag gesagt Ein Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte 17

hatte: „Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche“. Das klang wie ein Versprechen, die alten Klassengegensätze endlich niederzureißen und die scharfen Trennlinien zwischen oben und unten durchlässiger zu machen. Aus diesem Grund und weil in der Öffentlichkeit der Eindruck vorherrschte, Deutschland sei nicht Angreifer, sondern stehe in einem Verteidigungskrieg, unterstützten Gewerkschaften und Sozialdemokraten erstmals die Politik des Kaisers. „Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich“, erklärte die SPD im Reichstag.16 Für diesen Burgfrieden mit den Machthabern nahm die Sozialdemokratie die Spaltung ihrer Partei in Kauf: 1916 gründeten die Kriegsgegner Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht die Spartakus­gruppe, 1917 schufen weitere Kritiker der Kriegspolitik die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD). Ein scheinbar starker Föderalismus, ein schwaches Parlament und die gesellschaftliche Ausgrenzung der Arbeiterschaft – diese Konstruktionsprinzipien des Kaiserreiches erwiesen sich im Verlauf des Krieges als explosives Gemisch. Die sozialen und politischen Gegensätze wurden nämlich nicht geringer, sondern verschärften sich. Außerdem brachen Konflikte auf, die als längst überwunden galten: die Gegensätze zwischen Preußen und Nicht-Preußen, zwischen Nord und Süd. Der Weltkrieg sorgte bei der Mehrheit der Bevölkerung für Not und Elend, wie sie bis dahin selbst in der Klassengesellschaft des Kaiserreiches niemand gekannt hatte.17 Bis 1918 wurde die Hälfte aller Männer zwischen 15 und 60 Jahren zum Militär eingezogen. Über zwei Millionen starben auf den Schlachtfeldern und fast fünf Millionen wurden verwundet. Zum Schrecken an der Front kam das Elend in der Heimat. Frauen mussten die kämpfenden Männer in der Rüstungsindustrie ersetzen und hatten doch unter Hunger und mangelnder Versorgung zu leiden. Seit Juni 1915 gab es Brot nur noch auf Lebensmittelkarten. Löhne verfielen und Preise stiegen, der Lebensstandard sank vor allem in den Städten drastisch, bald grassierte Unterernährung. Bis 1918 verloren Erwachsene durchschnittlich rund 20 % ihres Körpergewichts. Mangelernährung und Entkräftung forderten enorme Opfer. In den vier Kriegsjahren stieg die Kindersterblichkeit um 300 %. Die ungeheuren Opfer und Lasten des Krieges waren aber nicht gleichmäßig verteilt. Während vor allem die Arbeiterschaft, aber auch Mittelschichten wie Beamte und Angestellte immer tiefer ins Elend glitten, konnten sich diejenigen, die 18  Gespreizte Kerle in Berlin und L­ eberknödel-Egoismus in Bayern

über das nötige Geld verfügten, auch im Krieg ein angenehmes Auskommen verschaffen: „Ein Glück, daß wir viel Grundbesitz haben … die anderen Leute hungern, während wir genug zu essen haben, ich glaube, Hanna hätte die Schwindsucht bekommen, wenn sie hätte leben müssen wie die Leute in Hannover“, schrieb etwa der Vater des Schriftstellers Ernst Jünger im Sommer 1917 seinem Sohn an die Front.18 Der Grundbesitzer kam nicht nur in den Genuss einer besseren Versorgung, sondern profitierte auch materiell von den Auswirkungen des Krieges: „Unsere Mobilien und Grundbesitz sind so im Wert gestiegen, dass ich eine neue Nachversicherung in Höhe von 30 % auf Mobilien und 40 % auf Bauten abgeschlossen habe“, freute sich Jünger senior. Auch in Industrie und Handel profitierten viele vom Krieg, das Phänomen des „Kriegsgewinnlers“ entstand. Die Rüstungsschmiede Rheinmetall etwa  konnte zwischen 1913 und 1918 ihre Gewinne von 1,4 auf 15,3 Millionen Mark erhöhen. Aber während die Arbeitskräfte mit immer schärferen Gesetzen zu höheren Arbeitsleistungen gezwungen wurden, lehnten die bürgerlichen Parteien es strikt ab, die horrenden Kriegsgewinne der Industrie zu besteuern. „Die Dividenden steigen, die Proletarier fallen“, ätzte Rosa Luxemburg treffend.19 An der Front machte vor allem der Unterschied zwischen Offizieren und Mannschaften die soziale Spaltung spürbar. Die Masse der Soldaten war strengster Disziplin unterworfen, litt unter schlechter Verpflegung und bekam nur selten Heimaturlaub. Offiziere dagegen verfügten über einen „Burschen“ zu ihrer persönlichen Bedienung, bekamen besseres Essen, erholten sich in besonderen Lazaretten und hatten auch beim Urlaub zahlreiche Privilegien. Die grotesken Klassengegensätze mitten im Krieg beschreibt ein Soldat in seinem Tagebuch. Um ihn herum sterben Soldaten an Kälte und Cholera im Schmutz, dann tritt ein adliger Offizier auf: „Die Tür zum hinteren Raum wird geöffnet, und einer der Adjutanten, Fürst Schönau-Gratzfeld, tritt herein, frisch rasiert, in Pyjamas, und bläst Rauch aus einem länglichen türkischen Chibouk in die verbrauchte säuerliche Luft. … Zwei Soldaten schleppen eine Reise­ badewanne aus Gummi hinter ihm her, die mit einem Adelswappen ­g e­schmückt und mit warmem Wasser gefüllt ist.“ 20 Tatsächlich ­be­schränkten die meisten deutschen Fürsten ihren Beitrag zur Krieg­ führung darauf, sich gegenseitig Orden und Ehrenkommandos zu verleihen.21 Das Kämpfen und Sterben überließen sie anderen. Kaisersohn Ein Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte 19

Prinz Joachim sorgte trotzdem für Aufsehen: Er feierte in einer Villa fern der Front rauschende Feste  – inklusive einer skandalumwitterten „Damenkapelle“. Die ungerechte Lastenverteilung des Kriegs war möglich, weil die Mehrheit der Bevölkerung keinen Einfluss auf die Politik des Kaiserreiches hatte. Das lag nicht nur am Reichstag, sondern vor allem an den Verhältnissen in Preußen. Zum Symbol für die politische Entrechtung der Bevölkerung wurde das preußische Dreiklassenwahlrecht.22 Im Reichstag, der nach einem gleichen Wahlrecht gewählt wurde, konnte die Sozialdemokratie die Anliegen der Arbeiter durch ihre Abge­ ordneten zumindest zur Sprache bringen. In Preußen jedoch hing das Stimmgewicht eines Wählers von der Höhe der Steuern ab, die er zahlte. Die Folge: Millionen Arbeiter waren im Parlament überhaupt nicht vertreten, statt dessen wurde der preußische Landtag von einer kleinen Schicht aus Besitzbürgern und reaktionären Landjunkern dominiert, die in der Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts lebten und ihre privilegierte Machtstellung vehement verteidigten. Während in den Landtagen Süddeutschlands die Sozialdemokratie schon lange vertreten war, blieb Deutschlands stärkste politische Partei ausgerechnet in Preußen von jeder politischen Mitarbeit ausgeschlossen. Die preußische Politik war für den Alltag der Menschen aber nicht nur deshalb so wichtig, weil Preußen das größte deutsche Land war, sondern weil dessen Politik wegen der hegemonialen Stellung Preußens mit der Reichspolitik eng verflochten war. Die Hoffnung jedoch, dass sich an der Klassenpolitik und Entrechtung der Mehrheit durch den Krieg rasch etwas ändern würde, wurde enttäuscht. Immer wieder verschob die Regierung die notwendige Reform des preußischen Wahlrechts, denn sie wusste, dass bei Großbürgertum und Landadel keinerlei Bereitschaft bestand, die Macht mit dem Volk zu teilen. Die alten preußischen Eliten wollten auch in Zukunft allein „Herr im Haus“ bleiben, und sie hofften darauf, durch eine reiche Kriegsbeute politische Reformen verhindern zu können. Je schwieriger die Kriegslage wurde und je mehr die Menschen den Frieden herbeisehnten, desto radikaler gebärdeten sich die Reaktionäre. 1917 gründeten fanatische Nationalisten die Deutsche Vaterlandspartei, die unter Führung des einstigen Admirals Adolf von Tirpitz Kritiker der Kriegspolitik als Verräter und Schlappmacher schmähte und zugleich eine hemmungslose Eroberungspolitik propagierte: Die Annexion Bel20  Gespreizte Kerle in Berlin und L­ eberknödel-Egoismus in Bayern

giens und Nordfrankreichs, Vasallenstaaten im Osten und deutsche Fürstentümer im Baltikum – das waren die Kriegsziele der Rechtsradikalen. In der politischen Wahrnehmung wurde diese enthemmte Debatte über die deutschen Kriegsziele vor allem mit Preußen verbunden, mit seinem Militarismus, seiner Eroberungslust, der Reformfeindschaft seiner Eliten und den ökonomischen Interessen seiner Industrie. Kaiser Wilhelm II. hatte sich schon lange vor dem Krieg durch seine politische Sprunghaftigkeit und rhetorische Großmannssucht um viel Ansehen gebracht, nach Kriegsausbruch sank der vermeintliche Reichsmonarch immer mehr zu einem Kaiser herab, der im Schatten seiner Generäle stand. Seine Vorgänger auf dem Thron hatten stets die nationale Sendung Preußens und der Hohenzollerndynastie für sich geltend machen können, nun, da die Nation im Krieg stand, fiel Wilhelm II. als nationale Integrationsfigur weitgehend aus. So wuchs mit zunehmender Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung auch die Kritik an Preußen und Kaiser, und zwar vor allem dort, wo die Vorbehalte traditionell am größten waren: in Süddeutschland, im katholischen Rheinland und in den Regionen in der Mitte Deutschlands, die erst 1866 preußisch geworden waren. Als es im Juni 1916 auf dem Münchner Marienplatz zu einem Hungerkrawall kam und die Polizei mit gezogenem Säbel einschritt, beschimpften die Demonstranten die bayerischen Ordnungshüter als „Preußenknechte“.23 Angesichts der schlechten Versorgungslage breitete sich in allen Schichten der bayerischen Bevölkerung die antipreußische Stimmung weiter aus. Bei der selbstbewussten Beamtenschaft machte sich Ärger breit, weil im Laufe des Krieges die Verwaltung immer stärker zentralisiert wurde und die preußisch dominierten Reichsbehörden in bayerische Angelegenheiten hineinregierten. Bayerns Wirtschaft fühlte sich dagegen bei lukrativen Aufträgen des Militärs benachteiligt: „Der Milliardensegen der deutschen Kriegslieferungen ist bis jetzt wenigstens sehr ungleich auf die deutschen Landesteile niedergegangen“, schimpfte 1916 ein bayerischer Abgeordneter im Reichstag.24 Die einfache Bevölkerung schließlich wähnte sich bei der Lebensmittelverteilung benachteiligt, denn das Agrarland Bayern lieferte trotz Defiziten bei der Versorgung der eigenen Bevölkerung Lebensmittel nach Norddeutschland.25 In München machten sogar Gerüchte von der Befehlsver­ weigerung bayerischer Truppen und Schießereien mit preußischen EinEin Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte 21

heiten die Runde.26 Selbst innerhalb der bayerischen Königsfamilie, die sich eifersüchtig darum sorgte, bei einer Verteilung der Kriegsbeute gegenüber Preußen nicht zu kurz zu kommen,27 kamen Zweifel am Kaiser auf: „Durch seine vielen Missgriffe und seine Untätigkeit ist der Kaiser um alles Ansehen gekommen und die Verstimmung geht soweit, daß ernsthaft denkende Leute bezweifeln, ob die Dynastie der Hohenzollern den Krieg überdauern wird“, erklärte Kronprinz Rupprecht 1917.28 Der Schriftsteller Erich Mühsam, aufgewachsen in Lübeck, aber in München lebend, fürchtete angesichts dieser Stimmung sogar einen Zerfall des Reiches: „Für mich hat nämlich die Herrlichkeit der deutschen Reichseinheit durchaus noch nicht die Sicherheit eines ewigen Bestandes – und das umso weniger, je deutlicher ich die bayerische Volksseele mit ihrem hereditären Preußenhaß beobachte“. Mühsam beantragte deshalb 1917 vorsorglich die bayerische Staatsbürgerschaft: „Fliegt nun eines Tages das glorreiche Gebilde vom 18. Januar 1871 auf, dann bin ich Lübecker in Bayern Ausländer, und zwar zweifellos ein äußerst lästiger. Dann bin ich jenseits der blauweißen Grenzpfähle, ehe ich mich umgesehen habe, – und dem möchte ich vorbeugen“, notierte er in sein Tagebuch.29 Der Unmut wuchs aber nicht nur in Bayern, sondern in vielen Regionen Deutschlands, und er richtete sich stets gegen Preußen. Bei der Überwachung der Feldpost von Frontsoldaten zeigte sich etwa, dass eine Verunglimpfung der „Preußen“ unter rheinischen, hannoverschen, hessischen und schlesischen Truppeneinheiten weitverbreitet war. Ein bayerischer Polizeispitzel fasste die Haltung der bayerischen Soldaten auf Fronturlaub folgendermaßen zusammen: „Nach dem Krieg werden wir halt französisch werden, lieber aber schon noch als preußisch, das haben wir jetzt satt …“30 Auch in Württemberg wuchs die Kritik an Preußen, als dort im September 1918 Gerüchte kursierten, dass es gerade unter den württembergischen Truppen besonders hohe Kriegsverluste gebe.31 Umgekehrt war sich der preußische Stoßtruppführer Ernst Jünger sicher, dass seine Landsleute die zähesten Kämpfer seien, und er ärgerte sich über Soldaten anderer Landsmannschaften: „Die Disziplin im Regiment wurde erst von dem Tage an lockerer, an dem wir Angehörige anderer Stämme als Ersatz einstellen mussten.“32 Zu den wachsenden Spannungen zwischen den Landsmannschaften und der antipreußischen Stimmung kam vor allem hinzu, dass Berlin 22  Gespreizte Kerle in Berlin und L­ eberknödel-Egoismus in Bayern

Zielscheibe der Kritik wurde.33 Die Hauptstadt und deren Bewohner standen stets im Ruf, besser behandelt zu werden als der Rest des Landes. Berlin sei ein „Kriegslieblingskind“, schimpfte 1916 ein bayerischer Reichstagsabgeordneter.34 Aber auch aus anderen Regionen kam Kritik. Erich Koch-Weser, liberaler Oberbürgermeister von Kassel, beklagte etwa die dauernde Gängelung der lokalen Verwaltung durch die Berliner Reichsbehörden. Er habe eine „Wut auf die gespreizten Kerle, die in Berlin in den hohen Ämtern herumsitzen und uns so lange Jahre über die Maßen mit Verordnungen regiert haben, ohne daß es nötig gewesen wäre, und jetzt plötzlich versagen“, schrieb er in sein Tagebuch.35 Tatsächlich wurde im Verlauf des Krieges nicht nur die Kommunalverwaltung, sondern vor allem das Wirtschaftsleben immer stärker staatlicher Planung und Lenkung unterworfen. Die Konsequenz waren immer mehr Bürokratie in Berlin und immer weniger Entscheidungsfreiheit vor Ort. Ab 1916 entstanden im Jahresrhythmus neue Reichsämter, faktisch also Reichsministerien – für Ernährung, für Wirtschaft und für Arbeit. Weil dies nicht nur den Einfluss des Reiches gegenüber Ländern und Kommunen steigerte, sondern dadurch auch die Bedeutung Berlins weiter wuchs, regte sich schon bald Kritik: „Warum muss denn alles hierher konzentriert werden?“, hieß es schon kurz nach Kriegsausbruch von bayerischen Abgeordneten im Reichstag.36 Später wurde die Kritik deutlicher: Die Zentralisierung aller kriegswirtschaftlicher Organisationen in Berlin widerspreche dem föderativen Charakter des Deutschen Reiches, erklärte im Frühjahr 1918 ein hannoverscher Abgeordneter, und der Kölner Zentrumsführer Karl Trimborn präsentierte gleich eine Liste, welche Reichsbehörden er von Berlin in die Provinz verlagern wollte.37 Die wachsende Berlin-Kritik kam also nicht nur aus Bayern, sondern aus vielen Teilen des Reiches. Dass die Reichsregierung sie durchaus ernst nahm und sich um den Zusammenhalt im Land, um die „Reichsfreudigkeit“, wie man damals sagte, sorgte, zeigen die Gedankenspiele, die seit dem Frühjahr 1918 in Regierungskreisen kursierten. Zwar dachte niemand daran, kriegswichtige Institutionen in die Provinz zu verlagern, aber es wurde ernsthaft erwogen, ob nicht als symbolische Geste etwa das Reichspatentamt von Berlin nach München umziehen könne.38 Andere Kritik an Berlin stieß dagegen auf deutlich weniger Verständnis. Immer wieder wurde etwa in bayerischen Zeitungen geklagt, die Berliner Bevölkerung habe unter dem Krieg weniger zu Ein Krieg voller Enttäuschungen belebt alte Konflikte 23

leiden und werde besser mit Lebensmitteln versorgt als die Landbevölkerung. Solche Berichte sorgten für beträchtlichen Ärger und forderten ihrerseits die Hauptstadtpresse heraus, schließlich galt den Städtern gerade die Landbevölkerung als besonders privilegiert, was die Versorgung mit Lebensmitteln anging. „Bayern gegen Berlin“, titelte etwa das in Berlin erscheinende SPD-Organ Vorwärts39 und schrieb im August 1918 den süddeutschen Landsleuten ins Stammbuch: „Es wäre gut, wenn das Königreich Bayern seinem nationalen Leberknödel-Egoismus einige Schranken auferlegte.“40 Während daheim die Spannungen zwischen Bayern und Preußen, zwischen Hauptstadt und Provinz gärten, ging an der Westfront der Krieg für Deutschland verloren. Anfang August 1918 scheiterte eine letzte deutsche Offensive. In den folgenden Wochen verlor Deutschland seine wichtigsten Verbündeten: zuerst Österreich-Ungarn, dann Bulgarien. Ende September 1918 stand das deutsche Heer vor dem Zu­sammenbruch. Für die deutsche Öffentlichkeit, die jahrelang Siegesparolen gehört hatte, war die Nachricht von der kommenden Niederlage ein gewaltiger Schock. Aber es bestand auch die Hoffnung, dass nach vier Jahren nun Krieg und Sterben, Not und Elend vorüber sein würden. Doch noch war der Frieden nicht erreicht, und bis dahin sollten Preußen und Berlin noch viel Hass und Kritik auf sich ziehen. Deutschland geriet dadurch an den Rand des Zerfalls, und erst dies machte es möglich, dass eine andere Stadt als Berlin für einige Zeit zum Zentrum der deutschen Politik werden konnte. Wie stark die föderalen Gegensätze nun wieder aufbrachen, zeigte sich, als General Ludendorff am 29. September 1918 dem Kaiser die drohende Niederlage verkündete: Wilhelm  II. reagierte mit einer Schimpfkanonade gegen die nichtpreußischen Landesteile. „Namentlich bayerische, aber auch sächsische Divisionen haben doch gleich nachgegeben“, empörte sich der Kaiser.41 Im Angesicht des militärischen Untergangs schrumpfte Wilhelm II. vom Reichsmonarchen wieder zum preußischen König – und suchte die Verantwortung für die Niederlage außerhalb Preußens.

24  Gespreizte Kerle in Berlin und L­ eberknödel-Egoismus in Bayern

3.  Wilson, Wilhelm und der Regimewechsel

Preußen und Berlin werden zum Hindernis für den Frieden

J

ahrelang hatte die Oberste Heeresleitung um Hindenburg und Ludendorff fast unbeschränkte Macht besessen. Die Generäle hatten nicht nur Krieg geführt, sondern auch die deutsche Innenpolitik bestimmt. Sie hatten Reichskanzler installiert und wieder fallen gelassen, sie hatten Gesetze diktiert und mit Billigung des Kaisers Deutschland beherrscht und dabei schrittweise ins Elend geführt. Jetzt aber, im Moment ihrer militärischen Niederlage, stahlen sich Kaiser und Generäle aus der Verantwortung. Am 29. September 1918 hatte Ludendorff dem Kaiser und den zivilen Spitzen der Regierung eröffnet, dass Deutschland den Krieg verloren habe. Jeden Augenblick könne die Front zusammenbrechen. Um die militärische Katastrophe abzuwenden, müsse Deutschland sofort um einen Waffenstillstand bitten. Dies allerdings wollten die Militärs nicht selbst tun, sondern zu diesem Zweck, so Ludendorff, solle eine neue Reichsregierung gebildet werden, und zwar erstmals aus den Mehrheitsparteien des Reichstages. Jahrelang hatten Kaiser, Militärs und preußische Reaktionäre das Parlament mit Verachtung gestraft und als „Quasselbude“ verhöhnt. Sie hatten darauf gepocht, dass allein der Kaiser, nicht aber das Volk herrschen solle. Nun aber, im Augenblick ihres Scheiterns, war dies vergessen. Jetzt erklärte Ludendorff insgeheim: „Ich habe Seine Majestät gebeten, jetzt auch diejenigen Kreise an die Regierung zu bringen, denen wir es in der Hauptsache zu danken haben, dass wir so weit gekommen sind. … Die sollen nun den Frieden schließen, der jetzt geschlossen werden muss. Sie sollen die Suppe jetzt essen, die sie uns eingebrockt haben.“42 Damit bereitete er jene Dolchstoß-Lüge vor, die zur schwersten Hypothek für die Weimarer Republik werden sollte. Die Legende, wonach das Heer zwar militärisch unbesiegt geblieben, aber die Politik in der Heimat ihm in den Rücken gefallen sei, war ein Preußen und Berlin werden zum Hindernis für den Frieden  25

letzter diabolischer Schachzug des ancien régime. In den Augen vieler Deutscher waren die Demokratie und die Republik für die Niederlage und deren Folgen verantwortlich. Einstweilen allerdings verschärfte dieses Manöver den Druck auf den Kaiser und die Kritik an Preußen. Am 3. Oktober ernannte der Kaiser den badischen Prinzen Max zum neuen Reichskanzler. Seiner Ernennung waren auch Gespräche mit den Mehrheitsparteien im Reichstag vorausgegangen. Die SPD, das katholische Zentrum und die linksliberale Fortschrittspartei hatten bereits seit 1917 im Reichstag eng zusammengearbeitet und sich für einen raschen und fairen Friedensschluss stark gemacht. In die neue Regierung entsandten alle drei Parteien einige Vertreter, wichtige Schlüsselpositionen blieben aber weiterhin in der Hand konservativer Beamter und Militärs. Noch in der Nacht seines Amtsantrittes schickte der neue Reichskanzler eine erste Friedensnote an den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Deutschland bat darin um einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Wilson hatte sein Land erst nach langem Zögern 1917 in den Ersten Weltkrieg geführt. Der einstige Professor für Geschichte war überzeugt, eine historische Mission für die Menschheit zu erfüllen und einen Krieg zur Beendigung aller künftigen Kriege zu führen. Dazu hatte Wilson bereits Anfang 1918 ein 14-Punkte-Programm vorgestellt, das auf die Selbstbestimmung der Völker, ein Ende der aggressiven Geheimdiplomatie und den freien Welthandel abzielte. Im Moment der Niederlage richteten sich in Deutschland alle Hoffnungen auf Wilson, er werde die vermeintlich rachsüchtigen Franzosen im Zaum halten und für einen halbwegs erträglichen Friedensvertrag sorgen. Als im Oktober 1918 die deutschen Noten Washington erreichten, ließ sich Wilson über die Verhältnisse in Deutschland aber nicht täuschen. Er wusste, wer die Verantwortung für den Krieg trug und noch immer die Macht im Staat besaß, deshalb ließ er sich nicht auf einen raschen Friedensschluss mit den alten Mächten ein. Wilson wollte mehr, er wollte den Regimewechsel. Deshalb stellte er klar, dass er mit „den militärischen Beherrschern und monarchischen Autokraten Deutschlands“ nicht verhandeln werde, und verlangte eine „wahrhaftige Vertretung des deutschen Volkes“.43 Tatsächlich wurden Ende Oktober 1918 wichtige Verfassungsreformen in Deutschland auf den Weg gebracht.44 Endlich wurde das parlamentarische Regierungssystem eingeführt: Der Reichskanzler 26  Wilson, Wilhelm und der Regimewechsel

brauchte nun das Vertrauen des Reichstages zur Amtsführung, und Abgeordnete konnten Regierungsmitglieder werden, ohne dass sie deswegen ihr Reichstagsmandat niederlegen mussten. Der neue Reichskanzler gab sich alle Mühe, gegenüber den USA den Wandel der politischen Verhältnisse herauszustellen. Mit der Realität stimmte das aber nur teilweise überein. Die Reform des preußischen Wahlrechts stand weiter aus, und die militärische Kommandogewalt des Kaisers blieb unangetastet; in wichtigen militärischen Fragen sollte auch künftig nicht der Kanzler, sondern der Kaiser das Sagen haben. Tatsächlich waren für die reaktionären preußischen Eliten selbst diese wenigen Reformen nur ein widerwillig hingenommener taktischer Winkelzug. Voller Erstaunen berichtet ein süddeutscher Verbindungsoffizier über die Haltung preußischer Militärs in der Obersten Heeresleitung: „Sie sehen fast alle in der Demokratisierung das größte Unglück, das uns überhaupt hätte treffen können. Ein demokratisches Preußen ist für sie überhaupt kein Preußen mehr. Manche scheinen zu hoffen, dass sich doch noch einmal die Möglichkeit bieten könne, den bisherigen Zustand durch einen Gewaltakt wiederherzustellen.“45 Präsident Wilson zeigte sich von den politischen Veränderungen in Deutschland wenig beeindruckt. Schon dass an der Spitze der neuen Regierung ausgerechnet ein Prinz stand, war kein sehr überzeugender Beleg für die Demokratisierung der Verhältnisse. Auch im Innern tat die Regierung wenig, um den politischen Wandel für die Menschen spürbar zu machen. Ganz im Gegenteil, während die Menschen sehnsüchtig auf den Frieden warteten, ordnete die neue Regierung die Einberufung neuer Soldaten an. Alle wehrfähigen Jugendlichen des Jahrgangs 1900 und Männer bis zum 41. Lebensjahr wurden noch in die Kasernen bestellt.46 Die Haltung Wilsons und die Friedenssehnsucht der Deutschen rückten daher immer stärker einen Mann in den Mittelpunkt, der wie kein anderer den preußischen Militarismus verkörperte: Kaiser Wilhelm II. Er wurde in den Augen vieler Deutscher zum eigentlichen Hindernis für einen raschen Frieden. Schon Mitte September 1918 berichteten Militärspitzel, dass die Stimmung in der Bevölkerung sich zusehends gegen die preußische Monarchie wende.47 Gegen Ende des Monats notierte der Historiker Gustav Mayer in sein Tagebuch: „Die kleinen Leute von Berlin atmen alle bei dem Gedanken auf, dass der Preußen und Berlin werden zum Hindernis für den Frieden  27

Frieden nun näher kommt. Wie traurig dieser ausfallen wird, ist ihnen curia posterior. Die Abwendung von der Dynastie macht reißende Fortschritte. Allgemein herrscht der Wunsch, durch ihre Opferung sich von dem übermächtigen Feind loszukaufen.“48 Während bis dahin nur hinter vorgehaltener Hand über eine Abdankung des Kaisers gesprochen worden war, begann am 10. Oktober 1918 die öffentliche Debatte darüber.49 Die sozialdemokratische Fränkische Tagespost aus Nürnberg schrieb an jenem Tag: „Der Kaiser hat stets die größten patriotischen Opfer von seinen ‚Untertanen‘ verlangt. Nun, wo diese Untertanen zu Staatsbürgern werden, soll er selbst seine Opferbereitschaft zeigen, soll er selbst zurücktreten und so ein glänzendes Beispiel geben für das Verständnis der Zeit, wie auch dem Deutschen Reiche und Volke bessere Bedingungen des Friedens ermöglichen.“50 Dass die öffentliche Abdankungsdebatte gerade in Süddeutschland ihren Anfang nahm, war kein Zufall. Im Angesicht der Niederlage wurde dort besonders verbittert auf Preußen und Kaiser reagiert. Dessen Militarismus und Großmannssucht wurden nun als Ursache für das deutsche Elend ausgemacht. So berichtete der badische Reichstagsabgeordnete Oscar Geck aus seiner Heimat von einer „ungeheure[n] Erbitterung gegen Preußen, nicht gegen das preußische Volk, sondern gegen die Junker und die Militärkaste. Es herrscht bei uns die Stimmung: Preußen muss kaputt gehen, und wenn Preußen nicht kaputt geht, geht Deutschland an Preußen kaputt.“51 Als wenig später der Reichstag zusammentrat, sprach der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert vielen Menschen aus der Seele, als er die Gründe für die Lage Deutschlands in sehr preußischen Eigenschaften erkannte und erklärte: „Engstirniger Polizeigeist, frivoles Säbelrasseln und provozierender Junkerübermut haben Haß und Verderben über uns gebracht.“52 Dies war inzwischen nicht nur die Meinung der Arbeiterschaft, auch im Bürgertum rückten die Menschen immer deutlicher vom Kaiser ab. Thomas Mann notierte am 15. Oktober 1918 in München in sein Tagebuch: „Die Entfernung der Hohenzollern scheint Friedensbedingung und eine historisch beschlossene Tatsache zu sein“,53 und Reichskanzler Prinz Max brachte die Sache auf den Punkt, als er am 31. Oktober eine Ministerbesprechung mit den Worten eröffnete: „Die Frage der Abdankung Seiner Majestät bewegt jetzt jedes deutsche Herz.“54 Aber obwohl der Reichskanzler die Zeichen der Zeit klar erkannte, handelte 28  Wilson, Wilhelm und der Regimewechsel

er nicht. Max hätte eine offene Aussprache mit seinem kaiserlichen Vetter suchen und ihm zur Abdankung raten müssen, doch dazu fehlte ihm der Mut. Stattdessen suchte er immer wieder nach Mittelsmännern, die dem Kaiser schonend und diplomatisch beibringen sollten, welchen letzten Dienst er seinem Land erweisen könnte. Doch niemand sprach mit dem Kaiser ehrlich und offen. So wenig wie Prinz Max waren auch andere Fürsten und Beamte willens oder fähig, dem Kaiser deutlich zu machen, dass seine Tage auf dem Thron gezählt waren. Diese Tatenlosigkeit Berlins schürte die Gefahr, dass andere handelten – allen voran die bayerische Regierung. Gustav Mayer sah dieses Risiko deutlich und war sich darüber mit seinem berühmten Historikerkollegen Friedrich Meinecke einig: „Mit Meinecke fürchte ich den harten Partikularismus Bayerns. Von dort her droht dem Fortbestand des Reiches eine Gefahr“, schrieb er schon am 5. Oktober.55 Die Frustration über die militärische Niederlage, für die man vor allem Preußen verantwortlich machte, die klammheimliche Freude darüber, die Hohenzollern, von denen die Wittelsbacher manche Demütigung hatten einstecken müssen, nun wanken zu sehen, und die Ambition, die Lage vielleicht zum Vorteil für die eigene Dynastie nutzen zu können – all dies führte dazu, dass die Wittelsbacher in ihren letzten Tagen auf dem Thron am Rande des Landesverrats agierten. Als der bayerische Königssohn Prinz Franz am 4. November 1918 zum Heimatbesuch in München war, vertraute seine Schwester ihrem Tagebuch an: „Franz hat eine Wut eine düstere auf die ‚Sau-Preußen‘, ‚das populärste wäre jetzt ein Krieg gegen die Preußen‘ – natürlich das darf man nicht, fügte er bei.“56 Tatsächlich sahen sich die Wittelsbacher in einen Schlamassel hineingezogen, den allein Preußen zu verantworten hatte. „Wir müssen unschuldig mitbüßen für Fehler, die in Preußen gemacht wurden“, brachte die Prinzessin Therese, Schwester des letzten Königs, die Stimmung der Wittelsbacher wenig später auf den Punkt.57 Angesichts dieser Stimmung war es nicht verwunderlich, dass die bayerische Regierung die erste war, die sich nach den Antwortnoten des US-Präsidenten für eine Abdankung des Kaisers aussprach. Dabei hatte man in München nicht nur einen raschen Friedensschluss im Sinn, sondern man witterte auch die Chance, die preußische Hegemonie und die Verbindung der preußischen Königskrone mit der Kaiserkrone loszuPreußen und Berlin werden zum Hindernis für den Frieden  29

werden. „Für den Fall der Abdankung würde Verbindung der Regentschaft in Preußen mit der Reichsverweserschaft hier als nicht annehmbar betrachtet“, hatte der bayerische Ministerpräsident Ende Oktober nach Berlin depeschiert und klargestellt, dass man nun einen Regenten brauche, der dem ganzen deutschen Volk, also auch den Menschen außerhalb Preußens, sympathisch sei.58 Während man in München versuchte, im Moment der Niederlage die Hohenzollern auszubooten, befürchtete man in Berlin, die Wittelsbacher könnten sich vom Reich lossagen und mit der Entente über einen Separatfrieden verhandeln. Zwar hatte der bayerische Ministerpräsident am 16. Oktober im Münchner Landtag jeden Gedanken an eine Trennung Bayerns vom Reich weit von sich gewiesen,59 aber viel Glauben schenkte man in Berlin diesen Bekenntnissen nicht. Am 4. November berichtete das Auswärtige Amt unter Berufung auf seinen Gesandten in der Schweiz, Bayern habe der Entente zu verstehen gegeben, dass man sich unter Umständen von der Reichspolitik lossagen würde.60 Nicht nur bei den Berliner Diplomaten, auch in der preußischen Sozialdemokratie war das Vertrauen in die Reichstreue der Wittelsbacher nicht sehr groß: „Die Dynastie kriecht nach Paris, wenn man ihr Tirol oder einen anderen Landesfetzen gibt“, mutmaßte Otto Braun vom SPD-Parteivorstand am 6. November.61 Grundlos waren diese Sorgen nicht. Kronprinz Rupprecht hatte schon im Sommer über eine Trennung Bayerns vom Rest Deutschlands nachgedacht: „Bayerns Zukunft liegt in der Wiedervereinigung Bayerns mit seinen österreichischen Stammesgenossen zu einem gemeinsamen Staatswesen und in der Regermanisation des von slawischen Elementen stark durchsetzten Deutsch-Österreichs. Dies ist seine historische Aufgabe.“62 Tatsächlich hatten am 5. November bayerische Truppen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kurzzeitig die österreichische Grenze überschritten und waren zum „Grenzschutz“ nach Tirol eingerückt.63 Außerhalb Bayerns stieß dieses groteske Gebaren der Wittelsbacher auf schärfsten Protest.64 Der Soziologe Max Weber wandte sich am 4. November in einer Rede in München vehement gegen jeden Separatismus: „Wo soll Bayern seine Kohle, sein Eisen hernehmen, wohin will es seinen Absatz richten? Der Ruf: Los von Preußen! ist darum schlimmer als ein Verbrechen, ist eine Dummheit.“65 Auch die Frankfurter Zeitung machte mit drohenden Worten deutlich, was sie 30  Wilson, Wilhelm und der Regimewechsel

davon hielt, dass einzelne Dynastien jetzt versuchten, sich auf Kosten der Hohenzollern über Wasser zu halten: „Wenn wirklich … neue dynastisch-partikularistische Sonderinteressen sich geltend zu machen versuchten, wenn wirklich noch einmal die Dynastien die Einheit des Reiches bedrohen sollten, wie sie es in früheren Zeiten des deutschen Jammers getan haben, dann würden recht unbeabsichtigte Folgen ohne jedes Zögern zu spüren sein. … Dann würde sich schnell erweisen, was fester steht: das Reich oder gewisse einzelstaatliche Throne!“66 Die Druckerschwärze dieser Warnung war kaum trocken, da waren die Wittelsbacher schon gestürzt und Bayern ein Freistaat. Im Moment der militärischen Niederlage wurde in weiten Teilen Deutschlands der preußische Militarismus als Schuldiger für das Elend ausgemacht und der Kaiser als ein Hindernis für ein rasches Kriegsende angesehen. Dass die Reichsregierung in dieser Situation unfähig war, Wilhelm II. zur Abdankung zu bewegen, brachte die Stimmung weiter gegen Berlin auf. Je weniger die Politik in der Hauptstadt daranging, endlich die Voraussetzungen für den ersehnten Frieden zu schaffen, desto größer wurde die Bereitschaft im Land, die Sache notfalls auch selbst in die Hand zu nehmen. Kein Wunder, dass die Revolution wenig später nicht in Berlin, sondern in der Provinz ausbrach.

Preußen und Berlin werden zum Hindernis für den Frieden  31

4.  Es begann in Wilhelmshaven

Die Provinz revolutioniert die Hauptstadt und eine Nationalversammlung wird angekündigt

S

eit der Jahrhundertwende war die Kriegsmarine ein militärisches Steckenpferd des Kaisers gewesen und die Flottenrüstung eine Sache des nationalen Prestiges. Eine deutsche Seestreitmacht sollte den Briten die Vorherrschaft auf den Weltmeeren streitig machen und zusammen mit den Kolonien auch Deutschland einen „Platz an der Sonne“ bescheren. Für dieses Ziel wurden enorme Anstrengungen finanzieller und propagandistischer Art unternommen: 1902 führte das Reich eine neue Schaumweinsteuer ein, deren Aufkommen in die Flottenrüstung floss. Zur gleichen Zeit entstanden überall im Land Flottenvereine, die vor allem im Bürgertum die patriotische Be­g eis­ terung für die Marine wecken sollten und die bis zum Kriegsausbruch rund eine Million Mitglieder zählten. Die Marinebegeisterung jener Tage schlug bis in die Kindermode durch: Der Matrosenanzug wurde zum bevorzugten Kleidungsstück des bürgerlichen Nachwuchses. Doch als 1914 der Krieg begann, erlebten Bevölkerung und Militärs eine gewaltige Enttäuschung. Die hochgerüstete Marine entpuppte sich militärisch als weitgehend nutzlos. Durch eine britische Seeblockade in der Nordsee eingeschlossen, kam sie lediglich einmal, 1916 im Skagerrak, zu einer Seeschlacht. Der größte Erfolg der deutschen Flotte war dabei, dass sie von den Briten nicht völlig vernichtet wurde, sondern sich, nachdem sie dem Gegner einige Verluste hatte zufügen können, nach Hause in die deutschen Häfen retten konnte. Seither konnte sie nicht mehr nennenswert ins Kriegsgeschehen eingreifen, und im Oktober 1918 rief die neue Reichsregierung selbst die letzten Aktivposten der Marine, die Unterseeboote, zurück und beendete den U-Boot-Krieg. All dies frustrierte viele Seeoffiziere. Dass sie zur Tatenlosigkeit bestimmt waren, dass der Krieg zu Ende gehen sollte, ohne dass sie noch Die Provinz revolutioniert die Hauptstadt 33

einmal Gelegenheit bekommen würden zu kämpfen, kratzte an ihrem militärischen Ehrgefühl. Sie sorgten sich um ihr militärisches Renommee und das der Marine nach Kriegsende. Anfang Oktober 1918 schrieb daher Adolf von Trotha, der Chef des Kaiserlichen Marinekabinetts, in einem geheimen Papier: „Aus einem ehrenvollen Kampf der Flotte, auch wenn es ein Todeskampf wird in diesem Kriege, wird – wenn unser Volk nicht überhaupt national versagt – eine neue deutsche Zukunftsflotte hervor wachsen; einer durch einen schandvollen Frieden gefesselten Flotte ist die Zukunft gebrochen.“67 Obwohl sich das Kriegsende bereits abzeichnete, plante die Admiralität daher eine letzte große Schlacht mit der britischen Flotte.68 Das war nicht nur militärisch ohne Sinn und Verstand, sondern geschah auch hinter dem Rücken der neuen Reichsregierung, die ja auf einen raschen Waffenstillstand hinarbeitete. Trotzdem versammelte die Oberste Seekriegsleitung die gesamte Flotte auf der Schillig-Reede vor Wilhelmshaven und gab am 28. Oktober den Befehl zum Auslaufen in die Nordsee. Diese Admiralsverschwörung zeigte, dass die reaktionären Militärs nicht gewillt waren, die politischen Veränderungen der Zeit zu akzeptieren. Stattdessen wollten sie für ihren Standesdünkel und ihr verquastes Ehrverständnis die Flotte auf eine letzte Todesfahrt schicken und das Leben Tausender Matrosen opfern. Doch viele von diesen waren nun nicht länger bereit, sich den Offizieren zu unterwerfen und in einem Krieg zu sterben, der bereits verloren war. Die Lebensbedingungen bei der Marine waren für die einfachen Soldaten besonders hart gewesen. Auf den Schiffen in drückender Enge zusammengepfercht und jederzeit dem Drill der Offiziere ausgesetzt, war vielen Matrosen das Leben nach vier Kriegsjahren unerträglich geworden. Schon 1917 war es in Wilhelmshaven zu Aufruhr gekommen, der damals blutig unterdrückt worden war. Dieses Risiko bestand auch diesmal, aber die Matrosen hatten die Überzeugung, dass jetzt nicht sie, sondern ihre Offiziere die Meuterer waren. Schließlich wollte die neue Reichsregierung schnellstens Frieden schließen, und damit vertrug sich der Schlachtplan der Admirale kaum. Längst nicht auf allen Schiffen erkannten die Matrosen diese Situation und fassten den Mut, sich der Offiziersrebellion und der drohenden Todesfahrt zu widersetzen, aber es waren doch so viele, dass die Seekriegsleitung ihre Pläne abbrechen musste. Mit einer unzuverlässigen Truppe konnte sie nicht in die Schlacht ziehen. Am 1. Novem34  Es begann in Wilhelmshaven

ber wurden die Verbände wieder getrennt, und das Geschwader, in dem der Widerstand begonnen hatte, fuhr zurück nach Kiel. An Bord der Schiffe nach Kiel waren auch etwa 50 Matrosen, die die Offiziere als Rädelsführer des Widerstandes verhaftet hatten. In Kiel wurden sie in ein Militärgefängnis gesteckt, wo ihnen Kriegsgericht und Erschießung drohten. Aber der neu erwachte Mut und das Selbstbewusstsein vieler Matrosen ließ diese nun handeln. Sie nutzten ihren Landgang, um Kontakt mit Gewerkschaften und Sozialdemokraten vor Ort aufzunehmen, und schon am 3. November kam es in Kiel zu einer Demonstration von 5000 Matrosen und Arbeitern, die unter anderem die Freilassung ihrer Kameraden forderten. Ein junger Leutnant verlor in den Straßen von Kiel die Nerven und ließ auf die friedlichen Demonstranten schießen: Acht Tote und 29 Verletzte waren die blutige Bilanz. Diese Schüsse waren der Anstoß zum Aufstand und der Beginn der deutschen Revolution, denn die Empörung über die Schüsse auf die Demonstranten war gewaltig. Noch in der gleichen Nacht wurden auf vielen Schiffen die Offiziere entwaffnet und rote Fahnen gehisst, am nächsten Tag wurden die Kasernen an Land gestürmt. Am 5. November legte ein Generalstreik die Werften lahm, und ein rasch gebildeter Arbeiter- und Soldatenrat übernahm nun die Macht in Kiel. Dies war der Auftakt einer bemerkenswerten Revolution, denn dieser Umsturz richtete sich keineswegs gegen die Regierung in Berlin. Stattdessen ging es den Matrosen und Arbeitern darum, die neue Regierung und deren Politik für Frieden und Demokratie zu unterstützen, und zwar gegen die alten Gewalten in Militär, Verwaltung und Industrie, die sich mit den politischen Veränderungen nicht abfinden wollten. Nichts zeigte besser, wie regierungstreu diese Revolution war, als die begeisterte Begrüßung des SPD-Reichstagsabgeordneten Gustav Noske und des liberalen Staatssekretärs Conrad Haußmann. Von der Reichsregierung nach Kiel entsandt, um die Situation zu beruhigen, wurde Noske sofort zum Vorsitzenden des Soldatenrates und Gouverneur von Kiel gewählt. Was in Wilhelmshaven und Kiel begonnen hatte, breitete sich nun in Windeseile über ganz Deutschland aus. Per Zug fuhren Matrosenverbände in die größeren Städte Nord- und Mitteldeutschlands und nahmen zusammen mit Arbeitern in die Hand, was die Reichsregierung bisher nicht vermocht hatte: nämlich jene alten Machthaber Die Provinz revolutioniert die Hauptstadt 35

auszuschalten, die dem ersehnten Frieden und der Demokratie im Weg standen. Überall wurden Kasernen gestürmt und Offiziere entwaffnet, Gefangene befreit und rote Fahnen gehisst. Zusam­men mit örtlichen Gewerkschaften und Sozialdemokraten wurden Arbeiter- und Soldatenräte gewählt, die die Kontrolle über die lokalen Behörden und das Militär übernahmen. Auf nennenswerten Widerstand der alten Autoritäten stießen sie dabei nirgends, überall brach das preußische Militärregime wie morsches Holz. Am 6. November hatten die Revolutionäre bereits in Lübeck, Brunsbüttel, Hamburg und Cuxhaven die Macht übernommen. Bis zum 8. November waren auch Hannover, Braunschweig, Hildesheim, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Krefeld, Bielefeld, Magdeburg, Halle, Dresden, Leipzig, Frankfurt und viele andere Städte in der Hand der Revolution. Zeitgleich, aber unabhängig von den Ereignissen in Norddeutschland vollzog sich die Revolution in München. Nach einer Massendemonstration von SPD und unabhängigen Sozialdemokraten bildete sich in der Nacht vom 7. auf den 8. November ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat, der den König für abgesetzt und Bayern zur Republik erklärte. Die Wittelsbacher waren damit die erste deutsche Dynastie, die aus der Geschichte fiel. Harry Graf Kessler, liberaler Mäzen und Weltbürger, notierte damals in sein Tagebuch: „Die Physiognomie der Revolution beginnt sich abzuzeichnen. Allmähliche Inbesitznahme, Ölfleck, durch die meuternden Matrosen von der Küste aus. Sie isolieren Berlin, das bald nur noch eine Insel sein wird. Umgekehrt wie in Frankreich revolutioniert die Provinz die Hauptstadt.“69 Diese dezentrale Revolution hatte ihre Ursache in der anhaltenden Hilf- und Tatenlosigkeit der neuen Berliner Regierung. Die Aktivitäten vor Ort waren deshalb eine Unterstützung für deren Friedenspolitik. Sebastian Haffner hat dies treffend auf den Punkt gebracht, als er schrieb: „Die Revolutionäre in München wie zehn Tage früher die Meuterer auf der Schillig-Reede standen nicht gegen die Regierung, im Gegenteil, sie wollten dasselbe wie diese, sie glaubten ihr helfen und nachhelfen zu müssen. Der Friede sollte nicht nur das Werk der ,Herren da oben‘ sein, die Massen selbst wollten das nachvollziehen und zum Durchbruch bringen, was nach ihrer Meinung die neue Regierung eingeleitet hatte und womit sie nicht recht weiterzukommen schien.“70 36  Es begann in Wilhelmshaven

Der Eindruck, die Regierung in Berlin komme nicht recht weiter, verfestigte sich in den folgenden Tagen. Während im Reich eine Dynastie nach der anderen vom Thron stürzte, tauschte die Reichsregierung mit dem Kaiser, der sich seit Ende Oktober bei der Obersten Heeresleitung im belgischen Spa aufhielt, Telegramme aus über das Ob, Wann und Wie einer möglichen Abdankung. Noch immer wollte sich der Kaiser der Realität nicht stellen. Dass Wilhelm II. in letzter Minute noch überlegte, nur als Deutscher Kaiser, nicht jedoch als König von Preußen abzudanken, zeigte nicht nur Weltfremdheit, sondern auch, wie tief selbst nach 47 Jahren Nationalstaat das partikularistisch-dynastische Denken im Kopf des Monarchen noch verwurzelt war. Doch für solche Winkelzüge war es inzwischen längst zu spät. Die SPD, die die Führung der Arbeiterschaft nicht an radikalere Kräfte um die USPD verlieren wollte, hatte sich inzwischen an die Spitze der Revolution gestellt und am 7. November ultimativ die Abdankung des Kaisers verlangt. Doch Wilhelm wand sich noch immer, er zögerte und verzögerte.

Abb. 2: Am 9. November 1918 erreicht die Revolution Berlin – Revolutionäre S­ oldaten vor dem Brandenburger Tor.

Die Provinz revolutioniert die Hauptstadt 37

Am Morgen des 9. November waren auch in Berlin Arbeiter und Soldaten auf den Straßen, und es war klar, dass sich die Lage nicht eher beruhigen würde, bis auch die Hohenzollern vom Thron gestürzt und mit ihnen das mutmaßliche Friedenshindernis beseitigt war. Als am späten Vormittag aus Spa die grundsätzliche Bereitschaft des Kaisers zur Abdankung übermittelt wurde, wollte Prinz Max nicht länger warten. Jedes weitere Zögern hätte zum Ausbruch von Gewalt und zum Sturm der Massen auf die Regierungsgebäude führen können. Wenn die militante Revolution noch verhindert und ein friedlicher Machtwechsel vollzogen werden sollte, dann musste der Reichskanzler jetzt handeln. Gegen Mittag des 9. November ließ Prinz Max verkünden, worauf die Menschen warteten und was sie andernfalls in den nächsten Stunden mit Gewalt erzwungen hätten: die Abdankung des Kaisers. In Extrablättern verbreiteten die Berliner Zeitungen die Neuigkeiten: „Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzichte des Kronprinzen des deutschen Reichs und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfs wegen der Ausschreibung allgemeiner Wahlen für eine verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen …“71 Aber diese Nachrichten kamen zu spät, um die Menschen noch zu beeindrucken. Für die Massen auf den Straßen war die Abdankung eine längst überfällige Selbstverständlichkeit. Harry Graf Kessler notierte in sein Tagebuch: „An der Ecke Königgrätzer und Schöneberger Straße wurden Extrablätter verkauft: ‚Abdankung des Kaisers‘. Mir griff es doch an die Gurgel, dieses Ende des Hohenzollernhauses; so kläglich, so nebensächlich, nicht einmal Mittelpunkt der Ereignisse.“72 An diesem Tag ging die Weltgeschichte mit raschen Schritten über die Monarchie hinweg. Der SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert übernahm angesichts der Massendemonstrationen und der drohenden Gewalt kurzerhand den Posten des Reichskanzlers von Prinz Max und am frühen Nachmittag rief Philipp Scheidemann, Ko-Vorsitzender der SPD, vom Reichstagsgebäude die Republik aus; wenige Stunden später proklamierte Karl Liebknecht die „sozialistische Republik“. Niemand sprach mehr von einer Regentschaft. 38  Es begann in Wilhelmshaven

Abb. 3: Gegen Mittag des 9. November 1918 versammelt sich eine riesige Menschenmenge vor dem Reichstagsgebäude, von dem Philipp Scheidemann die Republik ­ausruft.

Die Monarchie in Deutschland war damit endgültig Geschichte und der Weg zum Frieden frei. In seinem ersten Aufruf versprach der neue Reichskanzler Ebert, „dem deutschen Volke den Frieden schnellstens zu bringen“.73 Ein Versprechen, das er rasch erfüllte. Schon zwei Tage später, am 11. November, unterzeichneten deutsche Unterhändler im französischen Compiègne einen Waffenstillstand. Ex-Kaiser Wilhelm II. hatte sich am Vortag aus der Weltgeschichte verabschiedet und in die neutralen Niederlande abgesetzt. Beim Abschied ließ er noch einmal sein partikularistisches Denken durchblicken und erklärte dem erstaunten Wilhelm Groener, Nachfolger von Ludendorff als Erster Generalquartiermeister: „Sie sind württembergischer General, nachdem ich nicht mehr Kaiser bin, habe ich nichts mehr mit Ihnen zu tun.“74 Der Erste Weltkrieg war beendet und Deutschland eine Republik. Über das weitere politische Schicksal des Landes sollte nun eine Nationalversammlung entscheiden. Ein Parlament, das vom ganzen Volk nach einem fairen Wahlrecht frei gewählt war – dies entsprach Die Provinz revolutioniert die Hauptstadt 39

ganz dem demokratischen Ideal von Friedrich Ebert und seinen Sozialdemokraten. Vergleichbares hatte es in der deutschen Geschichte zuvor erst ein einziges Mal gegeben. Nach der Märzrevolution 1848 war in der Paulskirche in Frankfurt am Main die erste verfassungsgebende deutsche Nationalversammlung zusammengetreten. Die Revolution im November 1918 weckte Erinnerungen daran – vor allem bei den Stadtvätern von Frankfurt.

40  Es begann in Wilhelmshaven

5.  „Erfüllt von der Überlieferung des Jahres 1848 …“

Frankfurt lädt die Nationalversammlung in die Paulskirche ein

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eschwindigkeit ist relativ. Im Jahr 1918 verbreiteten sich Nachrichten relativ langsam. Statt Internet und Informationen in Echtzeit gab es Telegraphen und Extrablätter der Zeitungen. Entsprechend gemächlich war auch das Tempo der Politik. Die Geschwindigkeit allerdings, mit der die Stadtväter von Frankfurt im November 1918 ihre Bewerbung als Tagungsort der kommenden Nationalversammlung einreichten, ist auch aus heutiger Sicht beeindruckend. Am 10. November um 12 Uhr mittags brachte die Fortschrittliche Volkspartei in der Stadtverordnetenversammlung einen dringenden Antrag ein, der Magistrat stimmte ihm schon am nächsten Tag zu, und keine 48 Stunden, nachdem in Berlin erstmals von einer Nationalversammlung die Rede war, ging aus dem Frankfurter Römer folgende Depesche ab: „Die Stadt Frankfurt, noch erfüllt von den großen Überlieferungen des Jahres 1848, bittet die Reichsregierung, die verfassungsgebende Nationalversammlung nach Frankfurt in die Paulskirche zu entbieten, deren Pforten sich vor allem für die Abgeordneten Deutsch-Österreichs öffnen würden.“75 Formuliert hatte diesen Antrag Ludwig Heilbrunn, Rechtsanwalt und Fraktionschef der Linksliberalen im Stadtparlament. Heilbrunn und der Zweite Bürgermeister der Stadt, Hermann Luppe, sollten die treibenden Kräfte hinter Frankfurts Bewerbung werden. Die Liberalen waren die dominierende politische Kraft in der Stadt, wobei ihnen das undemokratische Zensuswahlrecht Frankfurts zugutekam. Wahlberechtigt war nämlich nur, wer das städtische Bürgerrecht besaß, zwei Angestellte beschäftigte oder ein hohes Jahreseinkommen vorweisen konnte. Lange Zeit sorgte dieses System dafür, dass das Besitzbürgertum im Stadtparlament weit überrepräsentiert war; die zahlenmäßig weit Frankfurt lädt die Nationalversammlung in die Paulskirche ein  41

stärkere Arbeiterschaft konnte dagegen nur wenige Vertreter ins Parlament schicken. Auch bei den Wahlen im Jahr 1912 hatten sich die Fortschrittspartei und die Nationalliberalen eine Mehrheit gegenüber der SPD gesichert, die lediglich ein Drittel aller Stadtverordneten stellte.76 An diesen politischen Machtverhältnissen änderte sich durch die Revolution zunächst wenig. Zwar waren am Abend des 7. November mit dem Zug aus Hannover die ersten Matrosen nach Frankfurt gekommen, doch diese „Sturmvögel der Abb. 4: Die Frankfurter Paulskirche war Revolution“ waren zunächst schon 1848/49 Tagungsort für die verfassungsgebende Nationalversammlung. damit beschäftigt, mit den örtlichen Soldaten und den beiden sozialdemokratischen Parteien einen Arbeiter- und Soldatenrat zu gründen. Als das Gremium schließlich installiert war, nahm es auf die Arbeit der Stadtverwaltung nur wenig Einfluss.77 Frankfurts Liberale konnten daher in den nächsten Wochen ihre Idee, die Nationalversammlung in die Paulskirche zu lotsen, ungehindert vorantreiben. Frankfurt hatte für seinen Vorstoß eine starke historische Legitimation, denn es hatte jahrhundertelang in der politischen Geschichte Deutschlands eine herausragende Rolle gespielt. 1147 war erstmals ein deutsch-römischer Kaiser in Frankfurt gewählt worden – zu einem Zeitpunkt, als Berlin noch nicht einmal gegründet war. Als freie Reichsstadt, die nicht zu einem der großen Fürstentümer gehörte, sondern unmittelbar dem Reich unterstand, war Frankfurt ein idealer Ort für die Kaiserwahl, und seit 1562 hatten hier auch die meisten Krönungen stattgefunden. Goethe hat deren prächtigen Ablauf, den er 1764 miterlebt hatte, in Dichtung und Wahrheit eindrucksvoll beschrieben. Frankfurt war aber nicht nur einer der Hauptorte des alten Reiches gewesen, es hatte seine politische Bedeutung auch nach dessen Untergang bewahrt. 42  „Erfüllt von der Überlieferung des Jahres 1848 …“

Als 1815 der Deutsche Bund gegründet wurde, nahm der neue Bundestag seinen Sitz in Frankfurt, und 1848 war die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammengetreten, um die deutschen Einzelstaaten friedlich und gleichberechtigt in einem Nationalstaat zu vereinen. Als freie Reichsstadt, die weder preußisch noch habsburgisch war, symbolisierte die Stadt im 19. Jahrhundert nicht nur die ersehnte deutsche Einheit, sondern auch die großdeutsche Idee, wonach Deutschland auch Österreich umfasste. Großdeutsch und liberal, parlamentarisch und föderalistisch – die Bürgerstadt Frankfurt war der völlige Gegensatz zum junkerlichen Preußen, das den kleindeutschen Nationalstaat ab 1866 durch seine Kriegspolitik erzwungen und ihn als Hegemon dominiert hatte. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Bismarck nach Preußens Sieg über Österreich angeordnete hatte, die Stadt nicht zu schonen. Wenig später annektiere er sie für Preußen und degradierte damit das einstige Symbol der deutschen Einheit zu einer preußischen Provinzstadt. Weil Erfolg bekanntlich anziehend ist, hatten sich viele Liberale, die einst Anhänger des Paulskirchenparlaments gewesen waren, nach der Reichsgründung mit der reaktionären Machtpolitik Preußens arrangiert. Ihnen imponierte, dass Bismarck und dem preußischen Militär mit Gewalt gelungen war, was die Frankfurter Nationalversammlung mit ihren Beschlüssen nicht geschafft hatte, nämlich einen deutschen Nationalstaat zu errichten. Die Ereignisse des Jahres 1848 und die Paulskirche erschienen vielen Liberalen nur noch als eine peinliche historische Verirrung.78 In Frankfurt allerdings war das immer anders ge­blieben. Nirgendwo sonst wurde an das 50. Jubiläum der Revolution im Jahr 1898 so ausgiebig erinnert wie in Frankfurt.79 Damit grenzte sich die Stadt vom wilhelminischen Mainstream deutlich ab und zeigte, dass in Frankfurt – anders als in Berlin – nicht Adel, Militär und Beamte dominierten, sondern ein liberales Bürgertum. Im Kulturbetrieb der Stadt herrschte ungewöhnliche Weltoffenheit, die Frankfurter Zeitung war das renommierteste liberale Blatt im ganzen Land, und Juden wie Ludwig Heilbrunn brauchten in Frankfurt anders als in Berlin kaum gesellschaftliche Diskriminierung zu fürchten. Die Stadt war mit alledem so etwas wie „ein alternatives Zentrum des Reiches“80, und im November 1918 schien ihre Stunde erneut zu schlagen. Nichts war in jenen Tagen mehr gefragt als eine politische Alternative zum unterFrankfurt lädt die Nationalversammlung in die Paulskirche ein  43

gehenden Preußen-Deutschland, und so schien für Frankfurt der historische Moment gekommen zu sein, endlich wieder aus dem politischen Schatten Berlins herauszutreten. Als Frankfurts Oberbürgermeister Georg Voigt im Dezember 1918 eine ausführliche Bewerbung nach Berlin sandte, machte er für Frankfurt als Ort der Nationalversammlung vor allem drei gute Gründe geltend: die nationale Integrationskraft der Stadt, ihre demokratische Tradition und die Paulskirche als historisch vorbestimmten Tagungsort für eine neue Nationalversammlung. Besondere Bedeutung legten die Stadtväter auf die Eignung Frankfurts, das auseinanderstrebende Reich zusammenzuhalten.81 So wie die Stadt selbst die Mainlinie überwinde, sei sie auch eine „charakteristische Vereinigung nord- und süddeutscher Wesenheit“, schrieben sie in ihrer Bewerbung. In Frankfurt kämen „die gemütswarmen Kräfte des lebens- und farbenfrohen Südens“ und „die nüchtern erwägende, bedachtsam aufbauende norddeutsche Art“ zusammen. Was so blumig formuliert war, zog sich durch das gesamte sieben Seiten umfassende Plädoyer: Es ging vor allem um die integrative Funktion der Stadt, den Norden und den Süden, Preußen und nichtpreußisches Deutschland zu verbinden. Den Umstand, dass man in der Stadt zwar preußisch war, aber eben bloß „Beute-Preußen“, sah der Magistrat nun als besonderen Vorteil: Frankfurt sei außerhalb Preußens die beliebteste preußische Stadt. „Die nichtpreußischen Bundesstaaten würden Frankfurt als Sitz der Nationalversammlung zweifellos von allen Städten Preußens am liebsten begrüßen.“ Das zweite Argument für Frankfurt war seine Historie mit der demokratischen Tradition des Jahres 1848: „Keine andere Stadt hat mehr inneren Anspruch darauf, Sitz der Nationalversammlung zu sein, als die Stadt, die im Jahre 1848 den Versuch der Schaffung eines einigen Deutschlands auf der Grundlage eines freien Volkstums hat ins Leben treten sehen“, schrieb der Oberbürgermeister an die Reichsregierung. Es gelte jetzt, den freien Geist der Paulskirche zu neuen Ehren zu bringen. Dass Frankfurt dafür der richtige Ort sei, begründete man auch mit der politischen Stimmung in der Stadt. Einerseits habe die „von alters her freiheitliche … Bevölkerung“ für die neuen Verhältnisse „volles Verständnis“, andererseits sei aber während des Krieges „niemals irgendeine Unruhe entstanden“ und auch während der aktuellen Umwälzung habe sich „die Bevölkerung musterhaft verhalten“. Damit war wohl gemeint, 44  „Erfüllt von der Überlieferung des Jahres 1848 …“

dass es in Frankfurt nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen war, und vor dem Hintergrund der Zeitungsberichte über die angeblichen Zustände in Berlin musste dies als weiterer Vorzug Frankfurts gelten. Frankfurt warb aber nicht nur als Stadt für sich, sondern es brachte zugleich eine konkrete Tagungsstätte ins Spiel, denn die künftige Volksvertretung könne ja nicht in irgendeinem beliebigen Gebäude zusammentreten: „Die Nationalversammlung muss natürlich in einem ihrer Würde, ihrer Bedeutung und dem Umfang ihrer Geschäfte entsprechenden Gebäude untergebracht werden.“ Hier sahen sich die Frankfurter im Besitz eines echten Alleinstellungsmerkmals. „[Wir] stellen … etwas zur Verfügung, was keine andere Stadt bieten kann: die Paulskirche.“ Aber sie boten nicht nur die als Plenarsaal erprobte Kirche an, sondern offerierten auch gleich ihr Rathaus, den Römer, für Büro- und Sitzungsräume, und die Stadtväter hatten auch schon einige Umbauten im Sinn: „Zur größeren Bequemlichkeit der Nationalversammlung wird es zweckmäßig und möglich sein, beide Baulichkeiten durch einen Zwischenbau miteinander zu verbinden.“ Eine Skizze für die möglichen Umbauten schickte der Oberbürgermeister gleich mit nach Berlin, um zu zeigen, wie ernst den Frankfurtern die Sache war. Der Magistrat hatte aber nicht nur viele gute Argumente auf seiner Seite. Die Stadt sollte in den folgenden Wochen auch eine besonders engagierte Kampagne für ihre Bewerbung starten. Zunächst allerdings stieß sie mit ihrem Vorschlag in Berlin auf wenig Gehör. In der Hauptstadt hatten die neuen Machthaber um Friedrich Ebert ganz andere Sorgen, als sich über den Tagungsort der künftigen Nationalversammlung Gedanken zu machen. Die Revolution war noch in vollem Gange und ihr Ausgang offen. Ob sich die Sozialdemokraten gegen radikalere Kräfte würden behaupten können, war längst noch nicht entschieden. Die neue Reichsregierung hatte nicht nur Mühe, ihre Macht in Berlin zu sichern, ihr drohte auch die Kontrolle über weite Teile des Reiches zu entgleiten. Der Krieg war am 11. November 1918 zwar zu Ende, aber nun stand Deutschland am Rand des Zerfalls.

Frankfurt lädt die Nationalversammlung in die Paulskirche ein  45

6.  Waldspaziergang und Weltenbrand

Berlin nach dem 9. November und die Hauptstadt-Hetze in der Provinz

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evolution  – das klingt nach Barrikadenkämpfen und er­ stürmten Palästen, nach Guillotinen und rollenden Köpfen. Doch in Berlin gab es um den 9. November 1918 herum nichts von alledem. Der Tag eins nach der Revolution war ein Sonntag, und die Berliner genossen trotz des Endes der Monarchie ihre Wochenendfreuden mit großer Selbstverständlichkeit. Vom Spaziergang aus dem Grunewald berichtet der Kulturphilosoph und liberale Politiker Ernst Troeltsch: „Keine eleganten Toiletten, lauter Bürger, manche wohl absichtlich einfach angezogen. Alles etwas gedämpft wie Leute, deren Schicksal irgendwo weit in der Ferne entschieden wird, aber doch beruhigt und behaglich, dass es so gut abgegangen war. Trambahnen und Untergrundbahnen gingen wie sonst, das Unterpfand dafür, dass für den unmittelbaren Lebensbedarf alles in Ordnung war. Auf allen Gesichtern stand: Die Gehälter werden weiterbezahlt.“82 All dies war ganz im Sinne Friedrich Eberts, der sich weniger als Revolutionär, sondern mehr als Konkursverwalter des alten Regimes verstand. Das Gebot der Stunde sah er darin, das Heer nach Deutschland zurückzuführen und die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Beides konnte nur gelingen, wenn die Staatsmaschinerie weiter in Gang blieb. „Wie halten wir das Reich aufrecht und die Wirtschaft in Ordnung?“, waren für ihn die drängendsten Fragen.83 Alles Weitere sollte die künftige Nationalversammlung entscheiden. Nachdem Ebert am 9. November von Prinz Max die Regierungsgeschäfte als Reichskanzler übernommen hatte, ließ er sich einen Tag später auch von der Revolution im Amt bestätigen. Eine spontan einberufene Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte wählte einen sechsköpfigen Rat der Volksbeauftragten, der paritätisch von SPD und USPD besetzt war und an dessen Spitze Ebert und Hugo Haase, der Berlin nach dem 9. November 47

Vorsitzende der USPD, standen. Ein spannungsreicher Dualismus aus Räten einerseits und Reichsregierung andererseits war so von Beginn an vermieden, denn Ebert behielt im neuen Rat die Zügel fest in der Hand und versicherte sich auch der Unterstützung von Wilhelm Groener, dem Nachfolger Ludendorffs an der Spitze der Obersten Heeresleitung. Ebert glaubte, ohne die aktive Mithilfe der alten Militärführung und der bisherigen Bürokratie den Umbruch nicht bewältigen zu können, dabei befand sich deren Macht im November 1918 im Zustand tiefster Erschütterung. Die Revolution, der Schock der militärischen Niederlage und nicht zuletzt die klägliche Flucht des Kaisers in die Niederlande ließen bei den alten Eliten keinen Gedanken an Widerstand aufkommen. Noch Jahrzehnte später klagten selbst kritische Adelige bitter, „daß der Kaiser durch seine Desertion den Eckpfeiler dessen zerstört hatte, was die Grundfesten unserer öffentlichen Sitten gewesen waren.“84 In Berlin war es daher lediglich am Marstall und an der Universität zu kurzen Scharmützeln zwischen einigen Offizieren und revolutionären Soldaten gekommen. Davon abgesehen verlief der Umsturz aber friedlich und ohne Widerstand. Fast überall beugten sich Beamte und Militärs dem Druck der Verhältnisse und stellten sich in Windeseile der neuen Regierung und den Arbeiter- und Soldatenräten zur Verfügung. Theodor Wolff, Chefredakteur des Berliner Tageblatts, war tief beeindruckt: „Die größte aller Revolutionen hat wie ein plötzlich losbrechender Sturmwind das kaiserliche Regime mit allem, was oben und unten dazu gehörte, gestürzt. Man kann sie die größte aller Revolutionen nennen, weil niemals eine so fest gebaute, mit soliden Mauern umgebene Bastille so in einem Anlauf genommen wurde … Gestern früh war, in Berlin wenigstens, das alles noch da. Gestern Nachmittag existierte nichts mehr davon.“85 Wolff verschätzte sich hier zwar hinsichtlich der inneren Erosion der Monarchie und der Intensität des Umsturzes, aber sein Diktum zeigt, wie reibungslos sich die Revolution in Berlin zunächst vollzog. Zum geordneten Umsturz der Verhältnisse gehörte es auch, dass die Industrieverbände nun schleunigst den Kontakt mit den Gewerkschaften suchten. Durch deren Anerkennung als Verhandlungspartner und einige sozialpolitische Zugeständnisse wollte die Industrie eine befürchtete Sozialisierung abwenden. Wie im Wirtschaftsleben, so sorgte die Revolution auch auf Berlins Straßen nur für geringe Erschütterung. Trotz der vermeintlich „größten aller Revolutionen“ 48  Waldspaziergang und Weltenbrand

konnte Harry Graf Kessler nach einem Spaziergang durch die Berliner Innenstadt am 17. November in sein Tagebuch schreiben: „Erster Sonntag nach der Revolution. Am späten Nachmittag bewegten sich große Massen von Spaziergängern über die Linden bis zum Marstall, um die Spuren der Gefechte an den Gebäuden zu sehen. Alles sehr friedlich in spießbürgerlicher Neugier.“86 In einem krassen Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen in Berlin stand allerdings das Bild, das außerhalb der Hauptstadt von den Zuständen dort gezeichnet wurde. Presse und Politiker der bürgerlichen Parteien erweckten den Eindruck, Berlin versinke in Gewalt und Chaos, Anarchie und Bolschewismus. In West- und Süddeutschland ging dies einher mit einer nie dagewesenen politischen Hetzkampagne gegen die Hauptstadt.87 Schon am 15. November sah die Reichstagsfraktion des katholischen Zentrums die Apokalypse nahen; in einem landesweit verbreiteten Aufruf fabulierte sie davon, dass sich „in Berlin der Himmel … rötet im Weltenbrand“. Glaubte man der Kölnischen Volkszeitung, dem größten katholischen Organ des Westens, so war im November 1918 der Spartakusführer Karl Liebknecht „der wahre Herr von Berlin“. In der Hauptstadt regierte angeblich der „heimatlose, großstädtische Pöbel“, was zu Hungersnot, Bürgerkrieg und Deutschlands völligem Untergang führen müsse. Selbst sozialdemokratische Blätter des Südens zeichneten ähnliche Schreckensbilder: „In Berlin, in einigen Hafenstädten, vielleicht noch in einigen engeren Gebieten hat der Bolschewismus Erfolge erzielt. In Berlin scheint er wie in Russland alle anderen sozialistischen Richtungen erfolgreich terrorisiert zu haben. Ebert und Scheidemann wie Haase und Ledebour scheinen diesem Terrorismus keinen Widerstand entgegensetzen zu können“, hieß es etwa in einem Artikel der Fränkischen Tagespost, den andere SPD-Blätter Süddeutschlands nachdruckten.88 Mit der Realität hatte das zwar wenig zu tun, aber es führte dazu, dass die Kritik an der Hauptstadt immer hysterischer wurde: „Nieder mit Berlin! Feuer und Schwefel möchte man vom Himmel auf das Berliner Babel niederwerfen. Nieder mit dem kalten, herzlosen, machtlüsternen, gewalttätigen und kulturfeindlichen Berliner Geist. Ein ungeheuerliches, mit Blut geschriebenes Schuldkonto steht im Buch der Geschichte unter dem Namen Berlin“, so geiferte das in Stuttgart erscheinende katholische Deutsche Volksblatt in einem Beitrag, der von der Kölnischen Volkszeitung mit Begeisterung nachgedruckt wurde. Zur Berlin nach dem 9. November 49

gleichen Zeit verbreitete die in Wiesbaden erscheinende Rheinische Volkszeitung mit Blick auf Berlin die düstere Prophezeiung: „Immer wieder werden aus diesem halbdeutschen Großstadthexenkessel die gleichen giftigen Dämpfe aufsteigen und Deutschlands Kultur und Freiheit mit Tod und Verderben bedrohen.“89 Nicht nur die Presse, sondern auch bürgerliche Politiker schürten diese Anti-Berlin-Stimmung im Land, etwa Gustav Stresemann. Mitte Dezember beklagte er in Osnabrück, er gehöre „zu den nicht beneidenswerten Leuten, die in der Reichshauptstadt wohnen“, und er verkündete: „Glauben Sie, dass es nicht ein außerordentlich niederdrückendes Gefühl ist, diese Zuchtlosigkeit mit ansehen zu müssen, die jetzt die Hauptstadt unseres Vaterlandes beherrscht?“90 Der Grund für diese Zerrbilder von den tatsächlichen Verhältnissen und die mitunter geifernde Hetze gegen Berlin war eine geradezu panische Furcht der alten Eliten und des Bürgertums vor dem Bolschewismus und „russischen Verhältnissen“, die man aus Berlin auf ganz Deutschland zukommen sah. In Russland hatten Lenins Bolschewisten das gewählte Parlament gesprengt und die sozialdemokratische Regierung gestürzt. Sie hatten begonnen, Adel und Bürgertum zu enteignen, und mit der Ermordung der Zarenfamilie gezeigt, dass auch Gewalt und Terror die Mittel ihrer Revolution waren. In Deutschland war all dies nicht zu befürchten. Während Lenin eine Massenpartei führte, die in den ersten freien Wahlen in Russland fast eine Mehrheit errungen hatte, lagen die Verhältnisse in Deutschland ganz anders.91 Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Führer des dämonisierten Spartakusbundes, waren erst im Zuge der Revolution aus dem Gefängnis befreit worden. Die wenigen Kommunisten stellten eine winzige Splittergruppe dar, heillos zerstritten, ohne Organisation und ohne jede Massenbasis. Stattdessen saßen in den Arbeiter- und Soldatenräten, den Trägern der Revolution, in ganz großer Mehrheit Sozialdemokraten, die wie Friedrich Ebert auf freie Wahlen und eine Verwirklichung des Sozialismus mit dem Stimmzettel setzten. Dass vor allem der politische Katholizismus trotzdem gegen Berlin hetzte, lag auch daran, dass man dort einen neuen Kulturkampf fürchtete. Es hatte lange gedauert, bis die Katholiken und die Zentrumspartei, die Bismarck noch zu „Reichsfeinden“ erklärt hatte, im preußisch-protestantischen Kaiserreich politisch und gesellschaftlich voll integriert 50  Waldspaziergang und Weltenbrand

waren. In den Jahren vor dem Krieg rückte das Zentrum sogar in eine Schlüsselstellung im Reichstag auf, und 1917 war mit dem Grafen Hertling erstmals ein Politiker aus seinen Reihen Reichskanzler geworden. Bei einer religionsfeindlichen Politik aus Berlin, wie sie von einer ultralinken Regierung zu erwarten war, sah das Zentrum nun seine mühsam errungene politische Macht in Gefahr. Es konnte dabei umso leichter gegen die Hauptstadt polemisieren, als die protestantischen Berliner für das Zentrum politisch bedeutungslos waren; seine Wählerhochburgen lagen in West- und Süddeutschland. Bei der Berlin-Kritik schwang deshalb auch stets ein antipreußisches Ressentiment mit, das im Rheinland und in Bayern auf besonders fruchtbaren Boden fiel und dort selbst Sozialdemokraten erreichen konnte. Andererseits konnte die Agitation gegen Berlin selbst innerhalb Preußens dort wirken, wo sie als Kritik an der modernen Großstadt daherkam. Nachdem die Hauptstadt ihre Rolle als glanzvolles Symbol des kaiserlichen Machtstaates eingebüßt hatte, war Berlin für viele Konservative wieder der verhasste „Moloch Großstadt“ geworden.92 Die schnell wachsenden Großstädte und deren Modernisierungsdynamik hatten schon im Kaiserreich den Widerwillen der Konservativen hervorgerufen, schließlich sorgten die Städte für einen rasanten Wandel der bisherigen Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur. Industrie und Arbeiterschaft, Kaufhäuser und Konsumgenossenschaften, Liberalität und Emanzipation bedrohten die soziale und politische Macht des preußischen Landjunkers genauso wie die des bayerischen Priesters und des kleinstädtischen Handwerkers. Für sie alle stand eine Weltstadt wie Berlin vor allem für Sittenverfall, demokratische Vermassung und einen in seiner nationalen Haltung unzuverlässigen Kosmopolitismus. Kein Wunder, dass Berlin eine politische Hochburg von Sozialdemokraten und Linksliberalen war, also den ärgsten Gegnern von Konservativen und Klerikalen. Aber selbst im Bildungsbürgertum schätzte mancher die Großstadt nicht und blickte voll Abscheu und Kulturpessimismus auf den angeblichen Materialismus und die Oberflächlichkeit, die in Gewinnstreben und Klassenkampf sowie der aufkommenden Massen- und Unterhaltungskultur ausgemacht wurde. Selbst ein fortschrittlicher Liberaler wie Erich Koch-Weser, damals Oberbürgermeister von Kassel und später Vorsitzender der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), notierte im Frühjahr 1915 mit Blick auf die Cafés und Vergnügungslokale der Berlin nach dem 9. November 51

Hauptstadt in sein Tagebuch: „In Berlin war ich vor 14 Tagen und habe mich sehr geärgert, wie für diese Stadt Krieg schon wieder nichts geworden ist als Geschäft und Sensation.“93

Abb. 5: Das SPD-Blatt Vorwärts ist am 23. November 1918 wegen der „Los-von-­Berlin“– Stimmung um die Reichseinheit besorgt.

Aus dieser Gemengelage heraus setzte schon in den ersten Tagen nach der Revolution eine vehemente Hetze gegen Berlin ein. Sie verunsicherte Bevölkerung und Behörden in vielen Teilen des Reiches, weil unklar war, ob man an die Weisungen aus der Hauptstadt überhaupt noch gebunden war. Die Volksbeauftragten um Friedrich Ebert waren deshalb zunehmend genervt von all den Schauergeschichten, die über das angebliche Hauptstadt-Chaos verbreitet wurden und die ihre Autorität untergruben. Die Reichseinheit, warnten sie das rheinische Zentrum, werde „gefährdet durch die völlig grund- und beweislosen Behauptungen, es bestehe die völlige Unmöglichkeit in Berlin eine geordnete Regierung zu schaffen“.94 Doch in den Tagen nach der Revolution war eben nicht mehr allen an der nationalen Einheit im gleichen Maß gelegen. Nicht von Spartakisten oder Räten, Konterrevolutionären oder Freikorps gingen in den ersten Wochen nach dem 9. November die 52  Waldspaziergang und Weltenbrand

größten Gefahren für den Übergang zur Demokratie aus, sondern von den zentrifugalen Tendenzen im Reich. Die Hauptstadt-Hetze war der propagandistische Auftakt für eine politische Absetzbewegung – nicht nur von Berlin, sondern auch von Preußen und dem Reich insgesamt. Das SPD -Organ Vorwärts war kein Revolverblatt, das zu Übertreibungen neigte; seit der Revolution war es sogar so etwas wie die Regierungszeitung geworden, die vor allem die Ansichten von Ebert und den Volksbeauftragten der Mehrheitssozialdemokratie wiedergab. Am Morgen des 23. November 1918 machte der Vorwärts mit einer alarmierenden Schlagzeile auf: „Drohender Reichszerfall. Loslösungsbestrebungen in Süd und West“.95 Am Rhein und in Bayern galt nun die Parole „Los von Berlin!“, und sie prägte auch die Debatte um den Tagungsort der künftigen Nationalversammlung.

Berlin nach dem 9. November 53

7.  Los von Berlin! – Die rheinisch-reaktionäre Variante

Konrad Adenauer zwischen Patriotismus und Verrat

W

er geglaubt hatte, die ärgsten Widersacher Preußens seien in Bayern zu finden, sah sich im November 1918 getäuscht. Die ersten und lautesten Kritiker Berlins erhoben im Westen ihre Stimmen, und die größte Gefahr für die Reichseinheit ging in jenen Tagen vom Umfeld der rheinischen Zentrumspartei aus. Die Abdankung des Kaisers war noch nicht verkündet, da dachte die Kölnische Volkszeitung bereits über „eine Auflösung der bisherigen bundesstaatlichen Gliederung“ nach96, und wenig später machte das Bocholter Volksblatt mit der Parole „Los von Preußen!“ auf.97 Das war am 14. November und damit noch einen Tag, bevor in München der Bayerische Kurier „Los von Berlin!“ forderte.98 Mit dem Zusammenbruch der preußischen Monarchie rückte der katholische Westen demonstrativ von Preußen und Berlin ab und kehrte einen bis dahin ungekannten aggressiven Separatismus hervor. In Bocholt hieß es nun: „Der preußische Beamte ist uns in Rheinland und Westfalen immer ein Dorn im Fleische, ein Fremdkörper geblieben und die preußische Herrschaft eine Fremdherrschaft … Rheinland und Westfalen ist dem preußischen Staat seinerzeit verhandelt und verschachert worden wie eine alte Hose … Köln, Düsseldorf, Essen, Münster, ganz Rheinland und Westfalen muss sich seiner nationalen Eigenart bewusst werden. Es kann auf eigenen Füßen stehen und ohne die Berliner Krücken auskommen.“99 Außerhalb des preußischen Kernlandes hatte es immer schon Klagen über angeblich historisches Unrecht durch Preußen, Mentalitätsunterschiede gegenüber den Berlinern und Kritik an der Bevormundung durch preußische Zentralbehörden gegeben, nicht zuletzt in jenen Gebieten, die erst 1866 preußisch geworden waren. Die Kölnische Volkszeitung und viele andere Zentrumsblätter gingen nach dem 9. November aber deutlich über die übliche Preußenkritik hinaus. Sie zeichneten nicht nur ein Konrad Adenauer zwischen Patriotismus und Verrat 55

völlig übertriebenes Schreckensszenario von den Zuständen in der Hauptstadt, sondern entfachten auch ein agitatorisches Trommelfeuer gegen Berlin und die Revolution. Diese antirevolutionäre Agitation wurde in der Hauptstadt durch das politische Ungeschick des neuen preußischen Kultusministers und bekennenden Atheisten Adolph Hoffmann (USPD) befördert. Hoffmann hatte per Erlass kurzerhand die Reste der geistlichen Schulaufsicht beseitigt und den Religionsunterricht geschleift. Das entsprach durchaus den sozialdemokratischen Vorstellungen einer Trennung von Staat und Kirche, im katholischen Westen aber sorgte dies für gewaltige Empörung, vor allem bei den Kirchen und der Zentrumspartei; aber auch manche Sozialdemokraten ärgerten sich über Hoffmanns ungestüme Politik. Die kirchenkritische Politik Hoffmanns war zwar nicht der Auslöser der Anti-Berlin-Hetze, sie gab ihr aber zusätzliche Nahrung, denn Hoffmanns Erlass galt nun als handfester Beleg für den sittlichen Verfall und die Gottlosigkeit, die aus der Hauptstadt drohten. Katholische Kreise proklamierten nun einen grundsätzlichen kulturellen Gegensatz zwischen West und Ost, zwischen Rheinland und Preußen. Die Rheinische Volkszeitung aus Wiesbaden schrieb, die Kritik an Berlin behalte ihre Kraft, „auch wenn die augenblickliche Übergangsregierung mit ihren unheilvollen innenpolitischen Plänen wieder von der Bildfläche verschwunden sein wird“.100 Nun ging es um viel mehr als nur die Kritik an der Tagespolitik, jetzt wurde, unter umgekehrten Vorzeichen, ein neuer Kulturkampf erklärt. Während man in Wiesbaden von der Hauptstadt als dem „halbdeutschen Großstadthexenkessel“ schwadronierte, nahm sich in Dortmund die Tremonia, ebenfalls zentrumsnah, die Berliner Bevölkerung vor und wußte: „Die Mehrheit der [westfälischen] Bürgerschaft ist anders geartet als die rabiate Masse Berlins und auch anders als die Fanatiker des Ostens, die uns vornehmlich in dieses Unglück gestürzt haben.“101 Halbdeutsch? Osten? Da schimmerte auch die völkisch-antisemitische Kriegspropaganda gegen Russland durch, die nun manchen veranlasste, die Revolution für eine Verschwörung zu halten, die von Osten über Deutschland hereingebrochen war. Dies war eine Weltsicht, die selbst vergleichsweise moderate Köpfe wie etwa General Groener teilten, denn auch ihm schien die Revolution nur das Werk „einer Handvoll Matrosen, denen das russische Gift … eingespritzt war. Doch wer sind die Drahtzieher? 56  Los von Berlin! – Die rheinisch-reaktionäre Variante

Juden hier wie dort.“102 So wurde Berlin wahlweise als „Metropole des slawischen Ostens“103 oder als Ort der „Herrschaft des nordischen, seelenlosen Militarismus“ geschmäht.104 Auf alle Fälle stellte man ihm die kulturelle „Weltmission“ des rheinischen Volkes gegenüber. So wusste denn auch die Tremonia: „Die Arbeiter des Westens sind geistig hochstehender, besonnener, politisch reifer als die des Ostens, namentlich Berlins.“105 Einen Beleg dafür blieb man schuldig, vermutlich legte man die unterschiedlichen Wahlerfolge des Zentrums zugrunde. Auch finanziell fühlte man sich im Westen nun von der Hauptstadt betrogen. Da war von der „Berliner Schmarotzerpflanze“ und der „Ausbeutungswirtschaft“ die Rede, für die die „rheinisch-westfälische Arbeiterschaft … ihre sauer verdienten Groschen dazu hergeben [soll].“106 Angesichts dieser angeblich tiefen Gegensätze zwischen den Regionen, die hier ausgemacht wurden, lag es nahe, dass die Presse in Wiesbaden erklärte, „an ein Zusammenwachsen … mit den so grundanders gearteten Norddeutschen [sei] nicht mehr zu denken“.107 Und in Westfalen fragte man: „Sollen wir mit kräftigem Schnitt den [Berliner] Schmarotzer abschneiden und uns frei und stark entfalten?“108 All diese Agitation hatte nur eine logische Konsequenz und auf die hatten manche Akteure aus dem rheinischen und westfälischen Zentrum auch systematisch hingearbeitet: die Gründung einer Westdeutschen Republik. In den Krisentagen nach der Revolution hätte ein solches Projekt zum Zerfall Deutschlands führen können, aber wer beim Protest gegen Berlin noch von nationalen Skrupeln geplagt war, dem halfen beim Verdrängen der Bedenken etwa die bürgerlichen Zeitungen in Osnabrück. Sie versicherten ihren Lesern: „Nicht eure Schuld ist es, wenn Deutschland nunmehr zerfällt, Liebknecht und Adolph Hoffmann sind seine Totengräber!“109 Nachdem die Kölnische Volkszeitung ihre Leser wochenlang mit Propaganda gegen Berlin bearbeitet hatte, wollten ihre Protagonisten am 4. Dezember zur Tat schreiten. Eine große Bürgerversammlung, zu der das Zentrum in Köln eingeladen hatte, sollte die Kulisse bilden für die Proklamation des neuen Staates  – und dessen Kopf sollte Konrad ­Adenauer werden.110 Adenauer war seit 1917 Oberbürgermeister von Köln und damit einer der wichtigsten Zentrumspolitiker im Rheinland. Mit ihm standen die Vordenker des Separatismus von der Kölnischen Volkszeitung seit der Revolution in engem Kontakt. Sie hatten Adenauer Konrad Adenauer zwischen Patriotismus und Verrat 57

erfolgreich eingeredet, dass nur die Proklamation einer eigenen Republik das Rheinland vor der drohenden Annexion durch Frankreich retten könne. Wäre es nach dem Willen der Separatisten gegangen, hätte ­Adenauer am 4. Dezember die Republik ausgerufen und sich selbst an deren Spitze gestellt. Doch zur Überraschung der Aktivisten tauchte ­Adenauer bei der Zentrumsversammlung gar nicht auf. Später hat ­Adenauer behauptet, er habe sich nach Rücksprache mit der Reichregierung in Berlin von der Versammlung ferngehalten; andere Stimmen vermuten, es sei eher ein taktischer Rückzug gewesen, weil der Erfolg des ganzen Unternehmens für ihn nicht absehbar war. Tatsache bleibt, dass die Versammlung zwar nicht mit der Proklamation, aber mit der Forderung nach einer „Rheinisch-westfälischen Republik“ zu Ende ging und Adenauer am nächsten Tag den Vorsitz eines „Rheinischen Ausschusses für die Errichtung einer Westdeutschen Republik“ übernahm. Während die Separatisten dabei an die Gründung eines unabhängigen Staates dachten, strebten andere nur eine Trennung von Preußen an. Sezession vom Reich oder mehr Autonomie innerhalb der deutschen Grenzen – viele Zentrumsführer bewegten sich in jenen Tagen auf einem schmalen Grat zwischen rheinischem Regionalpatriotismus und Hochverrat. Dass all diese Manöver am Vorabend des militärischen Einmarsches der Alliierten ins Rheinland stattfanden, musste die Sorgen in Berlin noch vergrößern. Hier versuchte offenbar ein Landesteil, sich durch Distanz zu Berlin aus der gemeinsamen Verantwortung zu stehlen. Auch Adenauer saß der rheinische Rock offenbar näher als das deutsche Hemd, und so hoffte auch er, mit der Sezession von Preußen leichtere Friedensbedingungen für das Rheinland zu erreichen. Tatsächlich hätte die Gründung einer Westdeutschen Republik ganz auf der Linie der französischen Deutschlandpolitik gelegen.111 Frankreich hatte keineswegs ein Interesse daran, sich deutsche Gebiete einzuverleiben und die Probleme zu wiederholen, die Deutschland mit ElsassLothringen gehabt hatte; dort war es zu ständigen Querelen zwischen der mehrheitlich französischen Bevölkerung und den deutschen Behörden gekommen. Frankreich hatte vor allem ein Interesse daran, Deutschland zu schwächen. Dies lies sich – ganz in der Tradition von Napoleons Rheinbund-Politik – am wirkungsvollsten durch eine Teilung Deutschlands in mehrere, im besten Fall von Frankreich abhängige Territorien erreichen. „Die Gebiete auf dem linken Rheinufer, die nicht dem 58  Los von Berlin! – Die rheinisch-reaktionäre Variante

französischen Territorium eingegliedert werden, sollen einen selbständigen und neutralisierten Staat bilden“, hieß es bereits 1917 in einem Papier der französischen Regierung.112 Wie sehr die Franzosen auf die Methode divide et impera setzten, zeigte sich Ende November 1918, als US-Präsident Wilson versuchte, die Autorität der Berliner Regierung im Reich zu stärken. Er schlug vor, die Alliierten sollten verkünden, sie würden sich erst dann auf Friedensverhandlungen einlassen, wenn es in Deutschland eine Nationalversammlung und endgültige Klarheit über die Regierungsverhältnisse gäbe. Tatsächlich hätte eine solche Erklärung den Rat der Volksbeauftragten kräftig gestärkt gegenüber den auseinanderstrebenden Landesteilen und all jenen, die die Wahl einer Nationalversammlung verzögern wollten. Doch die Franzosen wiesen Wilson ab. Der US-Präsident hatte sich stets für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eingesetzt, jetzt erklärten ihm die Franzosen süffisant, dass der von ihm gewünschte Vorstoß doch eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands sei. Außer­dem – und dies war natürlich das wahre Motiv der französischen Regierung – drohe bei einer solchen Erklärung die föderale Bewegung in Deutschland ins Stocken zu geraten, und es liege doch nur im Interesse des Friedens, wenn die zentralistischen Tendenzen Preußens scheiterten.113 Das war eine Ansicht, die auch der englische Außenminister Balfour teilte. Er depeschierte an die Amerikaner: „Wenn Deutschland sich etwa in einen norddeutschen und einen süddeutschen Staat aufspalten möchte, oder wenn Bayern sich von Preußen abspalten und vielleicht mit Deutsch-Österreich vereinen möchte, dann ist es nicht im Interesse der Welt, dass die Alliierten dem Hindernisse in den Weg legen.“114 Franzosen und auch Engländer verfolgten den drohenden Zerfall Deutschlands also mit unverhohlener Sympathie. Ob sie ihn zu diesem Zeitpunkt auch mit Taten beförderten, ist nach wie vor unklar. Der Verdacht, dass bei der Hetze der Kölnischen Volkszeitung gegen Berlin und bei ihrer Agitation für eine Westdeutsche Republik auch Korruption und bezahlter Hochverrat im Spiel waren, steht bis heute im Raum.115 Um den Reichsverband zu lockern, setzte Frankreich aber nicht nur auf die Furcht im Rheinland vor einer Annexion, sondern auch auf die Angst des deutschen Bürgertums vor dem Bolschewismus. „Man kann vorhersehen“, schrieb das französische Außenministerium im Dezember 1918, „dass die Gewissheit, der sozialen Revolution zu entgehen, die verKonrad Adenauer zwischen Patriotismus und Verrat 59

schiedenen Gruppierungen in Deutschland sehr viel mehr interessieren wird, als die Vorstellung eines einigen und zentralisierten Deutschlands. Das wird dazu führen, die Hilfe der Alliierten anzurufen.“116 Hier überschätzten die Franzosen zwar die Gefahr der sozialen Revolution und des Bolschewismus, aber ihnen ging es damit genauso wie dem deutschen Bürgertum, und deshalb waren dort Motive, wie sie die Franzosen unterstellten, durchaus vorhanden. „Mit dem Bolschewismus als Preis ist das Deutsche Reich zu teuer bezahlt“, hieß es etwa im katholischen Münsterischen Anzeiger Ende November 1918.117 Die rheinische Sozialdemokratie, die alle Abspaltungsversuche vehement ablehnte, mutmaßte dagegen, Bourgeoisie und Schwerindustrie wollten sich aus Furcht vor drohenden Steuererhöhungen und Verstaatlichungen an Frankreich anschließen: „Gestern alldeutsch – heute franzosenfreundlich. Der ,Patriotismus‘ des Geldschranks“, spottete die sozialdemokratische Rheinische Zeitung.118 Die Motive für eine Westdeutsche Republik waren vielfältig. Die alten Vorbehalte gegen Preußen und neue antirevolutionäre Gesinnung; Korruption und Verrat einerseits, Regionalpatriotismus und die Hoffnung auf mildere Friedensbedingungen andererseits. Ganz gleich, welche Ziele die Akteure verfolgten, ob es ihnen nur um eine Abspaltung von Preußen oder die Sezession vom Reich ging, all diese Vorhaben mussten den geordneten Übergang zur Demokratie, die Rückkehr zum Frieden und die Versorgung der Bevölkerung weiter erschweren. Doch zum Schrecken der Berliner Volksbeauftragten war der Westen in jenen Tagen nicht der einzige Unruheherd, auch aus Bayern drohte der deutschen Einheit Gefahr.

60  Los von Berlin! – Die rheinisch-reaktionäre Variante

8.  Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante

Kurt Eisner träumt vom Frieden und Bayerns Separatisten von Österreich

K

ein deutscher Landespolitiker zeigte im November 1918 ein so großes nationales Sendungsbewusstsein wie Kurt Eisner. Der bayerische Ministerpräsident, den die Revolution ins Amt getragen hatte, wollte von München aus die Geschicke Deutschlands in die Hand nehmen und nationale Außenpolitik machen. Schon in der Nacht zum 8. November 1918 verkündete er: „Bayern will Deutschland für den Völkerbund rüsten. Die demokratische und soziale Republik Bayern allein hat die moralische Kraft, für Deutschland einen Frieden zu erwirken, der es vor dem Schlimmsten bewahrt.“119 Diese revolutionären Ambitionen Eisners vermischten sich mit dem traditionellen Selbstbewusstsein Bayerns, das unter der preußischen Hegemonie im Kaiserreich zwar gelitten hatte, das in dieser Zeit aber auch gepflegt worden war. Beim Zusammenbruch der Monarchie versuchten daher Revolutionäre und Reaktionäre gleichermaßen, die Gunst der Stunde für eine Neubestimmung der Rolle Bayerns zu nutzen. Auf den ersten Blick war es erstaunlich, dass gerade Kurt Eisner zum Protagonisten des bayerischen Selbstbewusstseins wurde. Eisner war kein Bayer, sondern war in Berlin als Sohn eines königlich-preußischen Hoflieferanten geboren worden.120 Phänotypisch war er das völlige Gegenteil eines bayerischen „Mannsbildes“. Mit dem Kneifer auf der Nase und einem langen Zauselbart machte es Eisner seinen Kritikern leicht, ihn als Schwabinger Caféhaus-Revolutionär zu karikieren. In Berlin war Eisner Journalist gewesen, hatte sich der Sozialdemokratie angeschlossen und es bis zum Chefredakteur des Vorwärts gebracht. Doch seit 1905 war sein Stern gesunken. Im Richtungsstreit der Sozialdemokratie darüber, ob der Sozialismus durch eine Revolution oder durch schrittweise Reformen zu erreichen sei, war er zwischen alle Kurt Eisner träumt vom Frieden 61

Stühle geraten und beim Vorwärts entlassen worden. Zur gleichen Zeit zerbrach auch seine Ehe. In Berlin beruflich und privat gescheitert, zog Eisner 1907 nach Bayern, wo er 1917 die Trennung der Unabhängigen von der Mehrheitssozialdemokratie mitmachte und zum intellektuellen Führer der Münchner USPD wurde. Seine preußische Herkunft hielt Eisner für die anstehenden Auseinandersetzungen mit Berlin sogar für eine ganz besondere Qualifikation: „Ich bin selbst ein Preuße, nicht zu ändern, aber weil ich ein Preuße bin und weil ich ein Historiker des Preußentums bin und weil ich ein alter Hasser dieses alten Systems des Preußentums bin, führe ich diesen Kampf. Ich kenne die Berliner Politik besser als das allzu gutmütige Süddeutschland“, erklärte er im ­November 1918.121 Die Legitimation für seine Politik zog Eisner aber nicht nur aus seiner Herkunft, sondern vor allem aus seinem bisherigen Engagement für den Frieden und dem frühen Erfolg der Revolution in München. Im Januar 1918 hatte Eisner beim großen Streik der Münchner Munitionsarbeiter eine führende Rolle gespielt und war für sein Friedensengagement im Gefängnis gelandet. Erst Mitte Oktober war er aus der Haft entlassen worden, und dass bereits in der Nacht zum 7. November 1918 die Wittelsbacher als erste Dynastie in Deutschland vom Thron gestürzt wurden, war vor allem sein Werk. Tausende Münchner waren an jenem Tag zu einer Kundgebung der beiden sozialdemokratischen Parteien auf die Theresienwiese gekommen und hatten für einen schnellen Friedensschluss demonstriert. Wäre es nach der SPD gegangen, wäre es beim symbolischen Protest geblieben. Doch Kurt Eisner hatte genug von den zögerlichen Reformen, den politischen Halbheiten jener Tage in München und Berlin und von der Verschleppung des Waffenstillstandes. Eisner drängte zur Tat. Er zog mit seinen Anhängern zu den Kasernen, gewann die Unterstützung der Münchner Soldaten und proklamierte am Abend im Landtag den Freistaat Bayern. Noch in der gleichen Nacht floh König Ludwig III. aus München. Beflügelt von diesem Erfolg und erfüllt von seiner politischen Mission sandte Eisner am 11. November 1918 über den Schweizerischen Bundesrat eine Friedensbotschaft an die Westmächte. Dabei verwies er vor allem auf den frühen Erfolg der bayerischen Revolution: „Das bayerische Volk hat zuerst in Deutschland, unter Führung von Männern, die seit Beginn des Krieges den leidenschaftlichen Kampf gegen die frevel62  Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante

hafte Politik der deutschen Regierungen und Fürsten geführt haben, in einer stürmischen und vom endgültigen Erfolg gekrönten revolutio­ nären Erhebung Alle und Alles beseitigt, was schuldig und mitschuldig an dem Weltkrieg war.“122 Zum Beweis für den Bruch seiner Regierung mit den bisherigen Verhältnissen veröffentlichte Eisner wenig später eine Auswahl von Dokumenten, die belegen sollten, dass die alte kaiserliche Reichsregierung schuld am Ausbruch des Krieges gewesen war.123 In Berlin, im Auswärtigen Amt, löste Eisners Vorgehen helle Empörung aus, weil man dadurch die eigene Politik gegenüber den Alliierten durchkreuzt sah. Tatsächlich war Eisners Verhalten ein krasser Widerspruch zur bisherigen Verteilung der Zuständigkeiten im Reich, denn danach war die Außenpolitik allein Sache des Reiches, nicht aber einzelner Landesregierungen. Aber Eisner dachte gar nicht daran, sich an die alten Regeln zu halten. Sie hatten für ihn keine Gültigkeit mehr und bestanden nur deshalb noch, weil – so sein Eindruck – in Berlin die Revolution viel zu langsam vorankam. Eisner war empört darüber, dass das Auswärtige Amt in Berlin noch immer unter der Leitung eines Staatssekretärs stand, der noch vom Kaiser ernannt worden war. Dass die Delegation für die Waffenstillstandsverhandlungen ausgerechnet vom Zentrumspolitiker Matthias Erzberger geführt wurde, der sich zuvor als rabiater Annexionspolitiker hervorgetan hatte, erschien Eisner grotesk. Er zog daraus den Schluss, dass sich in der Reichshauptstadt hinter den Kulissen wenig geändert hatte. „In Berlin regiert die Konter-Revolution“, klagte er und konstatierte für die Reichshauptstadt: „Keine Revolutionsstimmung, Zerfahrenheit, Ratlosigkeit, Katzenjammer.“124 Mit den alten Köpfen, so Eisners Besorgnis, sei weder ein erträglicher Frieden noch die notwendige Versöhnung mit den einstigen Kriegsgegnern zu erreichen. Deshalb schritt er selbst zur Tat und schlug vor, neue revolutionäre Institutionen zu schaffen, die mit neuem Personal die Geschicke Deutschlands in die Hand nehmen sollten. Reich und Ländern empfahl Eisner, für die Leitung der deutschen Politik ein „Reichspräsidium“ aus fünf bis sieben politisch unbelasteten Personen einzurichten.125 Damit stieß er weder in Berlin noch bei den anderen Ländern auf Zustimmung, aber Eisner hatte schon zuvor deutlich gemacht, dass Bayern künftig auf jeden Fall mehr politische Eigenständigkeit beanspruchte. Symbolisch lockerte Eisner die Verbindungen zum Reich und ließ sein Kriegsministerium am 11. November 1918 verkünden: „Bis zur Regelung der Stellung der RegieKurt Eisner träumt vom Frieden 63

rung des Volksstaates Bayern zu den übrigen Teilen des deutschen Volkes haben wir uns entschlossen, auf das Tragen der deutschen Kokarde zu verzichten …“126 Alle Soldaten der vier deutschen Armeen hatten neben einer Kokarde mit ihren Landesfarben auch die Reichskokarde an den Uniformmützen getragen und deutlich gemacht, dass die Armeen nur einzelne Kontingente des deutschen Heeres waren. Jetzt ließ Eisner die Reichsfarben von den bayerischen Uniformen entfernen – das war nicht nur eine Geste für die Selbstständigkeit Bayerns, sondern stellte auch die staatliche Einheit Deutschlands in Frage. Die Revolutionsregierung in Bayern war nicht die Einzige, die die politischen Geschicke in die Hand nahm, ohne sich viel um die bisherigen Zuständigkeiten oder Grenzziehungen zu kümmern. In Sachsen etwa erklärten die Revolutionäre, ihr Ziel sei „die Liquidierung des sächsischen Staates“,127 in Wilhelmshaven wollten die Revolutionäre kurzerhand eine Republik Oldenburg-Ostfriesland gründen,128 und in Braunschweig planten die Unabhängigen, zusammen mit anderen Territorien eine rätedemokratische „Nordwestdeutsche Republik“ ins Leben zu rufen.129 In Hamburg nahm der Arbeiter- und Soldatenrat über Mittelsmänner in den Niederlanden Kontakt zur britischen Regierung auf. Ob es dabei um die Gründung einer Hanseatischen Republik und deren Anerkennung durch Großbritannien ging, wie der britische Gesandte in Den Haag an das Foreign Office in London kabelte, oder nur um die Sicherung der Lebensmittelversorgung in Hamburg, wie die Akteure in Hamburg später behaupteten, bleibt einerlei – Tatsache war, dass auch in Hamburg Außenpolitik auf eigene Faust und an der Reichsregierung in Berlin vorbei betrieben wurde.130 Wegen ihres zeitlichen Vorsprungs gegenüber den Ereignissen in Berlin, wegen des Zusammenbruchs der alten Institutionen und weil die Hauptstadt in den Augen weiter Bevölkerungskreise politisch diskreditiert war, nahmen lokale Machthaber viele Entscheidungen in eigener Regie vor. Dem neuen Rat der Volksbeauftragten in Berlin drohte, die Macht durch die Finger zu rinnen. Philipp Scheidemann beklagte später bitter, dass die Revolutionäre die Arbeit der Berliner Regierung erschwert hätten und vor allem bei der Lebensmittelversorgung, im Verkehrswesen und in der Außenpolitik „auf eigene Faust dilettierten“.131 Hilflos sandte die Reichsregierung Briefe nach München und in andere 64  Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante

Städte und mahnte eindringlich, sich „streng an die bisherige Abgrenzung der Befugnisse zwischen dem Reich und den Einzelstaaten zu halten.“132 Allein die künftige Nationalversammlung – so die Überzeugung der Volksbeauftragten – könne und dürfe Zuständigkeiten und territoriale Grenzen ändern. Die Situation in Bayern war für den Bestand des Reiches besonders gefährlich, weil dort neben den Revolutionären um Eisner reaktionäre Kreise ganz offen eine Abspaltung vom Reich propagierten. Am 12. November 1918 hatte sich in Regensburg die Bayerische Volkspartei (BVP) gegründet. Bis dahin war der politische Katholizismus in Bayern ein Teil der Zentrumspartei gewesen, jetzt hatte man sich organisatorisch aus dem Reichsverband gelöst und mit einer eigenen Landespartei selbstständig gemacht. Auch programmatisch stand nun die Eigenständigkeit Bayerns im Vordergrund. Georg Heim, Führer der konservativen, katholischen Bauernbewegung, hatte bei der Parteigründung mit markigen Worten gegen eine weitere Dominanz Preußens in Deutschland Stellung bezogen: „Wir haben es satt, für die Zukunft von Berlin aus bis ins kleinste regiert zu werden. Berlin darf nicht Deutschland werden und Deutschland nicht Berlin. … In diesem Sinne fordern wir: Bayern den Bayern!“133 Drei Tage später sekundierte der Bayerische Kurier, späteres Parteiblatt der BVP, mit der Parole: „Los von Berlin!“134 Dieser Partikularismus speiste sich aus dem altbayerischen Sonderbewusstsein, das auch den Abgang von Monarchie und Dynastie überlebt hatte, sowie den latenten antipreußischen Stimmungen, die während des Krieges und durch die militärische Niederlage weiteren Auftrieb bekommen hatten. Außerdem fielen jetzt die Räuberpistolen über die angeblich chaotischen Zustände in Berlin in ländlichen Gegenden auf fruchtbaren Boden und bestätigten dort die Vorbehalte gegen die Großstadt: „Lieber unter den Junkern leben, als unter dem Berliner Asphalt“, verkündete Bauernführer Heim.135 Strategisches Ziel dieser Politik war eine Abtrennung Bayerns von Berlin und Nordostdeutschland sowie der Anschluss von Teilen Österreichs. Für Heim war Ende November 1918 Norddeutschland an „Marxisten und Juden“ verloren: „Es ist notwendig, dass wir uns abschnüren von dem Eiterherd und Süd- und Westdeutschland abkapseln. Wir wollen die ohnmächtigen Versuche, den Marxismus, das theoretische Produkt jüdisch zersetzenden Geistes, in die Praxis zu übersetzen, den Norden machen lassen“, schrieb er Ende Kurt Eisner träumt vom Frieden 65

November 1918.136 „Bayern muss sich schon aus diesem Grunde mit der Hoffnung späterer Wiedervereinigung unbedingt abtrennen und von dem wirtschaftlichen Zerstörungsprozess durch die eigenen Volksgenossen so viel wie möglich freihalten.“ Stattdessen plädierte Heim für den Zusammenschluss mit Teilen Österreichs. Dies liege besonders im bayerischen Interesse. „Es ist die Rettung und die Zukunft Bayerns, die einzige Möglichkeit für ein Wiederaufblühen des Wirtschaftslebens Bayerns, die einzige Rettung vor einer Verarmung Bayerns.“ Auch für die Verbindung mit dem nichtpreußischen Rest Deutschlands hatte Heim eine Vision, nämlich einen erweiterten Rheinbund mit Hannover und Westdeutschland, der bis zur Elbe reichen sollte. Einen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich insgesamt, vermutete Heim zutreffend, würde die Entente ablehnen, dagegen – so seine Hoffnung – dürfte eine Verbindung mit Bayern im Interesse all derer liegen, die Deutschland durch eine Spaltung schwächen wollten. Heim war sich daher sicher: „Bei einer derartigen Neugruppierung Deutschlands wird die Entente einer Angliederung der Deutschen Österreichs keine Schwierigkeiten entgegensetzen.“ Mit diesen Vorstellungen lag Heim ganz auf der Linie des einstigen bayerischen Kronprinzen Rupprecht, der ja schon in den letzten Kriegstagen über einen Abfall Bayerns vom Reich und einen Anschluss an Deutsch-Österreich nachgedacht hatte.137 Um eigener Vorteile willen hatten die Wittelsbacher keine Skrupel, sich aus der deutschen Nation zu stehlen. Das wäre ein Rückfall in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts gewesen und weckte dunkle Erinnerungen an eine Zeit, als die bayerische Dynastie ihre Hauspolitik ohne Rücksicht auf nationale Belange betrieb. Schließlich hatten die Wittelsbacher 1806 ihre Königskrone von Napoleon als Vorleistung für ihren Austritt aus dem Heiligen Römischen Reich und den Anschluss an den Rheinbund bekommen, also an jenes „dritte Deutschland“, mit dem Napoleon ein Gegengewicht zu Preußen und Österreich schaffen wollte. Schon während des Weltkrieges war in Bayern immer wieder Propagandamaterial aufgetaucht, das Stimmung gegen Preußen gemacht hatte,138 und der Gedanke lag nicht fern, dass die Urheber dieser Agitation in Frankreich saßen. Jetzt stellten sich die Führer von Bayerns stärkster politischer Kraft ganz offen in die Tradition jener Rheinbundpolitik, der regionale Partikularinteressen wichtiger waren als die Belange ganz Deutschlands. 66  Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante

Eigentlich standen sich die politischen Lager in Bayern Ende 1918 völlig entgegengesetzt gegenüber: auf der einen Seite Eisner, der wegen der erfolgreichen Revolution in Bayern eine nationale Führungsrolle beanspruchte und wegen zu wenig revolutionären Elans in Berlin auf die politische Eigenständigkeit Bayerns setzte; auf der anderen Seite die katholisch-monarchistischen Kreise, die gerade wegen der Revolution in Berlin die Abspaltung Bayerns vom Reich propagierten. Tatsächlich verband beide Lager wenig, denn die Reaktionäre hassten den marxistischen Pazifisten Eisner ebenso sehr wie die Berliner Revolution; sie überzogen ihn mit einer antisemitischen Schmutzkampagne und wurden die geistigen Anstifter für seine Ermordung im Februar 1919 durch einen adligen Offizier. Aber beide Lager waren zumindest in ihrer Ablehnung gegenüber Berlin einig, und das führte zu bemerkenswerten Allianzen. So hatten etwa konservative bayerische Juristen, die den Wittelsbachern nahestanden, einst die Lehrmeinung verfochten, das Deutsche Reich sei nur ein Staatenbund und das Königreich Bayern weiterhin ein souveräner Staat. Jetzt begründete Eisner die Eigenständigkeit seiner bayerischen Politik mit diesen Theorien und propagierte einen losen Staatenbund für das künftige Deutschland.139 Als Eisner bei einer Konferenz in Berlin mit einer Entourage aus ehemals königlich-bayerischen Gesandten und Geheimräten auflief, spotteten Beobachter, die bayerische Delegation repräsentierte „mehr ancien régime als Revolution“.140 Wer bei alledem wen instrumentalisierte, darüber gingen die Ansichten auseinander: „Der norddeutsche Jude Eisner hat die bayrischen Sonderinstinkte geschickt für sich eingefangen und arbeitet auf ein bayrisches Süddeutschland mit Österreich oder auf Vereinigte Staaten unter bayerischer Führung hin“, meinte etwa der Oberst Ernst van den Bergh vom preußischen Kriegsministerium.141 Allerdings verfocht Eisner weder die Anschluss- und Abspaltungsideen der reaktionären Kreise, noch erkannte er, dass eine solche Politik im Interesse Frankreichs lag. „Es ist erlogen, dass Frankreich Deutschland trennen will“, war sich Eisner sicher142 – und täuschte sich damit in der französischen Politik. Eisners Hoffnung auf einen fairen Frieden, seine tiefverwurzelte Ablehnung des alten Preußens und seine Enttäuschung über den fehlenden revolutionären Elan in Berlin verleiteten ihn zu einer Politik gegen die Regierung der Volksbeauftragten. Tatsächlich besteht heute Einigkeit darüber, dass die regierenden Sozialdemokraten Kurt Eisner träumt vom Frieden 67

in Berlin hätten mehr verändern und weniger bewahren müssen. Sie hätten das Führungspersonal entschlossener erneuern und sich eine loyale militärische Truppe schaffen müssen. Eisner lag daher mit seinen Forderungen nicht falsch, aber unter den gegebenen Umständen arbeitete er mit seiner Hauptstadt-Kritik jenen Reaktionären in die Hände, denen es in Berlin schon viel zu viel Revolution gegeben hatte und die glaubten, „das Reich müsse jetzt von Süddeutschland her wieder neu geschaffen werden, gewissermaßen eine Eroberung Preußens“.143 Die klügeren Köpfe erkannten, wie riskant dieses Spiel für die Einheit Deutschlands war. Der Heidelberger Mediävist Karl Hampe war keineswegs ein Freund der Revolution, aber am 29. November 1918 notierte er sorgenvoll in sein Tagebuch: „Die Art, wie der Separatismus in Deutschland jetzt gegen den Berliner Radikalismus ausgebeutet wird, ist vielleicht nötig, aber gefährlich.“144 Ein Mann, der diese Gefahren besonders deutlich sah, war Friedrich Ebert. Er tat in den folgenden Wochen alles, um das auseinanderstrebende Reich zusammenzuhalten, und dazu gehörte vor allem sein Einsatz für die rasche Wahl der Nationalversammlung und die kluge Auswahl ihres Tagungsortes.

68  Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante

9.  Zusammenhalt durch Teilhabe

Friedrich Ebert und die Nationalversammlung als Garanten der Einheit

A

ls Friedrich Ebert im Frühjahr 1925 starb, fand man in seinem Nachlass eine kurze Autobiographie. Ebert hatte sie irgendwann in seinen letzten Lebensjahren geschrieben. Distanziert in der dritten Person verfasst, beginnt der Text mit einem Satz, der zwar nur aus drei Worten besteht, aber besonders aufschlussreich ist: „Ebert ist Süddeutscher.“145 Das war eine bemerkenswerte Selbstdarstellung, denn Ebert war zwar in Heidelberg geboren worden, aber er hatte Baden bereits als 17-Jähriger verlassen und war als Handwerksgeselle auf Wanderschaft in Richtung Norden gegangen. Ab 1891 hatte Ebert in Bremen gearbeitet und war dort unter anderem Vorsitzender der SPDBürgerschaftsfraktion gewesen; 1905 zog er nach Berlin, und mit dem Wahlkreis Elberfeld-Barmen hatte er seit 1912 das Bergische Land im Reichstag vertreten. Dass sich Ebert dennoch als Süddeutscher präsentierte, scheint daher vor allem eine politische Geste gewesen zu sein, schließlich war 1923 der Zusammenhalt des Reiches erneut gefährdet, als schwere Spannungen zwischen der Reichsregierung und einer rechtslastigen bayerischen Staatsführung auftraten und sogar ein militärisches Eingreifen in Bayern im Raum stand. Eberts persönliches Bekenntnis zum Süden zeigt, wie sehr ihm an der Überwindung der innerdeutschen Spannungen gelegen war und wie sehr er sich persönlich dafür einsetzte, die brüchige Nation zusammenzuhalten. Dieser Einsatz war in den Tagen nach der Revolution ganz besonders gefragt. Die Kritik an Berlin und die Loslösungstendenzen im Westen und Süden gingen im November 1918 nicht nur von katholischen Reaktionären oder Revolutionären wie Kurt Eisner aus. Auch viele Sozialdemokraten und Liberale verfolgten die Vorgänge in der Hauptstadt mit wachsender Skepsis, und ihre sorgenvollen Blicke richteten sich vor allem auf die neuen Institutionen der Revolution. Am Friedrich Ebert und die Nationalversammlung 69

Abb. 6: Friedrich Ebert (Zweiter von rechts) – hier im Rat der Volksbeauftragten – drängt auf eine rasche Wahl der Nationalversammlung.

10. November 1918 hatte die Versammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte nicht nur den Rat der Volksbeauftragten gebildet, sondern auch einen Vollzugsrat gewählt, der für sich das Recht beanspruchte, die Arbeit der Volksbeauftragten zu kontrollieren. Obwohl SPD und USPD auch dieses Gremium paritätisch besetzten, kam es zu manchen Reibungsverlusten mit den Volksbeauftragten. Während die Regierung fast durchweg aus erfahrenen Politikern bestand, saßen im Vollzugsrat auch Aktivisten, die der Augenblick der Revolution ins Amt getragen hatte und die im revolutionären Überschwang agierten. Während Ebert an der Bewältigung der politischen Tagesaufgaben arbeitete, wollten manche Akteure im Vollzugsrat lieber den revolutionären Umbau der Gesellschaft vorantreiben. Außerhalb der Hauptstadt ärgerte man sich vor allem darüber, dass nur einige Hundert Berliner Arbeiter und Soldaten den Vollzugsrat gewählt hatten. Im Rat der Volksbeauftragten saßen die politischen Führer der SPD und der Unabhängigen; sie waren landesweit bekannt und konnten sich auf das Vertrauen ihrer Anhänger im ganzen Reich stützen. Die Mitglieder des Vollzugsrates kannte dagegen niemand außerhalb der Betriebe und Kasernen der Hauptstadt. 70  Zusammenhalt durch Teilhabe

Im Augenblick der Revolution mochte das Berliner Gremium ein notwendiges Provisorium gewesen sein, doch nun sorgte sein Anspruch, dauerhaft die Geschicke ganz Deutschlands lenken zu wollen, nicht nur bei Kritikern der Revolution für beträchtlichen Ärger. Natürlich spielten dabei auch wieder die tiefsitzenden Ängste vor der Diktatur einer radikalen Minderheit eine Rolle, schließlich waren in Russland die Räte das Instrument der Bolschewiki gewesen, um die demokratisch gewählten Volksvertreter auszuschalten. So unbegründet solche Befürchtungen angesichts der Verhältnisse in Berlin im Großen und Ganzen auch waren, sie wurden beträchtlich geschürt, als der Vorsitzende des Vollzugsrates, Richard Müller, Mitte November erklärte: „Die Nationalversammlung ist der Weg zur Herrschaft der Bourgeoisie; … der Weg zur Nationalversammlung geht über meine Leiche.“146 Müller gehörte zu den revolutionären Obleuten, den Arbeitervertretern aus den Berliner Fabriken. Sein Ausspruch trug ihm nicht nur den Spottnamen „Leichenmüller“ ein, sondern schürte die Sorge, dass einige Revolutionäre gar nicht daran dachten, ihre neu gewonnene Macht bei einer demokratischen Wahl aufs Spiel zu setzen. Von solche Vorgängen erschreckt, erklärte die badische Revolutionsregierung: Für den Fall, dass sich in Berlin die Radikalen um Liebknecht durchsetzten, wolle man mit Württemberg, Bayern und Hessen eine süddeutsche Republik gründen.147 Auch bayerische Sozialdemokraten wurden zunehmend ungehalten und erkannten in Berlin „die gleiche Überhebung des alten Borussentums über Deutschland, die wir endlich erledigt zu haben glaubten“.148 Rhetorisch fragte etwa die Fränkische Tagespost: „Haben die Berliner so wenig vom deutschen Volkstum gelernt, dass sie meinen, die Proletarier Süddeutschlands und DeutschÖsterreichs, Mitteldeutschlands, Hannovers, Schlesiens und Pommerns lassen sich einfach durch Berliner Beschlüsse, an denen sie nicht teilhaben, binden?“ In Bayern war man nicht bereit, sich der Hauptstadt blind unterzuordnen, und erklärte mit Blick auf den Vollzugsrat: „Wir haben an dem einen Wilhelm II. genug gehabt. Wir wollen nicht sechs Dutzend Wilhelm II. in Berlin über Deutschland bestimmen lassen.“ Ganz ähnlich war die Stimmung unter führenden Sozialdemokraten in Württemberg, etwa bei Wilhelm Keil: Ende November sprach er in Versammlungsreden offen davon, lieber eine Sezession Süddeutschlands in Kauf zu nehmen als eine Nachahmung „russischer bolschewistischer Friedrich Ebert und die Nationalversammlung 71

Methoden“, die ihm vom Berliner Arbeiter- und Soldatenrat zu drohen schien.149 Dass dieser Unmut über Berlin den Separatismus beförderte, sahen auch die Sozialdemokraten im Westen. „Wir werden mit der Abtrennung [des Rheinlands] als einer unvermeidlichen Tatsache zu rechnen haben, sofern in Berlin nicht eine sofortige Konsolidierung gelingt und die Wahlen zur Konstituante mit größter Beschleunigung ausgeschrieben werden“, schrieb am 23. November die Rheinische Zeitung, das SPD-Organ aus Köln.150

Abb. 7: Das Werbeplakat der Regierung für die Nationalversammlung appelliert an die Deutschen „aller Stämme“.

Friedrich Ebert erkannte, dass ein Abdriften vieler Landesteile nur zu verhindern war, wenn er deren Vertreter stärker in die Berliner Politik einband. Dazu setzte er zunächst auf den Bundesrat, die alte Vertretung der 25 Einzelstaaten beim Reich. Eigentlich waren mit der Revolution die Organe der alten Reichsverfassung erledigt: Das Kaisertum war mit der Ausrufung der Republik beseitigt; der Reichskanzler war durch die Volksbeauftragten ersetzt worden, und als der bisherige Präsident des Reichstages, der Zentrumspolitiker Konstantin Fehrenbach, im November versuchte, das alte Parlament einzuberufen, 72  Zusammenhalt durch Teilhabe

beschieden ihn die Volksbeauftragten kühl, das Parlament habe sich mit der Revolution erledigt.151 Der Bundesrat dagegen wurde als einzige Institution mit einem Teil seiner bisherigen Befugnisse ausdrücklich erhalten.152 Dadurch behielten die Landesregierungen auch nach der Revolution einen Informationskanal nach Berlin und waren an wichtigen Verwaltungsentscheidungen des Reiches weiterhin beteiligt. Ein weiterer Schritt zur Einbindung der Einzelstaaten war eine Reichskonferenz, zu der Ebert alle Landesregierungen am 25. November nach Berlin in die Reichskanzlei einlud.153 Eine bunte Truppe von 125 Personen kam zusammen: Staatssekretäre, die noch der Kaiser ernannt hatte, saßen mit Revolutionären am Tisch, die gerade erst aus dem Gefängnis befreit worden waren, liberale Demokraten trafen auf Verfechter der Räterepublik, und die neuen Ministerpräsidenten der großen Staaten waren ebenso präsent wie der Vorsitzende des Arbeiterund Soldatenrates des Duodezstaates Schaumburg-Lippe. Friedrich Ebert eröffnete die Konferenz mit mahnenden Worten zur deutschen Einheit, ließ seine Staatssekretäre kurz berichten und gab den Ländervertretern dann fast achteinhalb Stunden Zeit, sich auszusprechen. Rasch zeigte sich, dass man sich bei der Analyse, warum die Landesteile nun auseinanderstrebten, alles andere als einig war. Für Kurt Eisner aus Bayern bestanden das Misstrauen gegen Berlin und der Separatismus, weil die Hauptstadt „als das Zentrum des Weltkrieges gelte“ und es in der Reichsregierung an neuen und unbelasteten Männern fehle. Dagegen verortete Badens liberaler Innenminister Ludwig Hass die Ursachen für den drohenden Reichszerfall ganz woanders: „Was man in Baden befürchte, sei, dass wenige Berliner Stellen eine Diktatur ausüben könnten, dass eine neue preußische Diktatur drohe“, erklärte er mit Blick auf den Berliner Vollzugsrat. Von dem hielt allerdings auch Kurt Eisner wenig, schließlich hatte sich der bayerische Arbeiter- und Soldatenrat kurz zuvor entschieden gegen Verfügungen des Berliner Gremiums verwahrt, „soweit sie die Stellung der außerpreußischen Republiken betreffen“. Auch die Vorschläge, was nun zu tun sei, um das Misstrauen gegen Berlin zu überwinden und den Zusammenhalt der Landesteile zu stärken, waren sehr verschieden. Die Vertreter des Vollzugsrates  – von fast allen Seiten unter Druck  – beeilten sich klarzustellen, dass sie keine Diktatur über Deutschland wollten, sich nur als Provisorium verstünden und umgehend eine Friedrich Ebert und die Nationalversammlung 73

Reichskonferenz mit Delegierten aller deutschen Arbeiter- und Soldatenräte einberufen wollten. Kurt Eisner hingegen wollte eine ganz neue Regierung auf föderaler Grundlage schaffen und schlug vor, ein Reichspräsidium aus Vertretern der Länder zu bilden. Sämtliche Vertreter aus Hessen, Baden und Württemberg – und zwar von den Liberalen bis zur USPD – drängten dagegen auf eine Nationalversammlung. Nur durch die rasche Wahl einer Volksvertretung mit Repräsentanten aller Teile Deutschlands könnten die separatistischen Tendenzen im Süden eingedämmt werden. Reichsrätekongress, Reichspräsidium oder Nationalversammlung – es war nicht nur strittig, welche Institutionen nun geschaffen werden sollten, sondern bei den Anhängern einer Nationalversammlung gab es auch unterschiedliche Vorstellungen über den Zeitpunkt der Wahl: Während die süddeutschen Staaten – außer Bayern – auf eine rasche Wahl drängten, wollten andere den Zeitpunkt etwas hinausschieben, um vor dem Urnengang den Machtwechsel weiter zu festigen. Ebert gelang es durch seine geschickte Verhandlungsführung, eine förmliche Ab­stimmung in dieser Sache zu vermeiden. Stattdessen zog er lediglich ein Resümee, das nicht nur ein Bekenntnis zur Reichseinheit und die Absage an separatistische Bestrebungen enthielt, sondern auch die Botschaft, dass die Nationalversammlung „möglichst bald“ einberufen werden sollte. Auch ohne förmlichen Beschluss wurde dieses Resümee von den Zeitungen als Ergebnis der Konferenz verbreitet. Das war für Ebert ein voller Erfolg und genau die Nachricht, die er aussenden wollte, um die separatistischen Gemüter im Süden und Westen zu beruhigen. Wenn der Zerfall Deutschlands verhindert werden sollte, dann mussten die Vorbehalte gegen Berlin eingedämmt werden, und das würde am besten gelingen, wenn in allen Landesteilen die Menschen Gelegenheit bekämen, bei der Wahl der Nationalversammlung ihre politische Meinung zu äußern. Schon am 16. November hatte daher die Bremer Bürger-­ Zeitung, das SPD-Organ in der Hansestadt, gemahnt: „Wir brauchen die konstituierende Versammlung so rasch wie möglich auch aus dem Grunde, damit das hohe Gut der neu errungenen deutschen Einheit nicht gefährdet wird.“154 Die Wünsche nach einer neuen Gliederung der Länder und nach mehr Autonomie, der Ärger über zu viel Berliner Zentralismus und eine mangelnde Beteiligung der Länder, Kritik an zu 74  Zusammenhalt durch Teilhabe

viel oder zu wenig revolutionärem Eifer der Volksbeauftragten, also alle Triebkräfte für Abspaltungsversuche ließen sich mit der Aussicht auf die baldige Wahl einer Nationalversammlung eindämmen. Deshalb hatten die Volksbeauftragten auch den Befürwortern einer Westdeutschen Republik klargemacht, dass über die künftige Gliederung Deutschlands nicht eine Massenversammlung der Zentrumspartei in Köln entscheiden könne. Eine Neuregelung des Staatsgebietes, so verkündeten sie in einem Aufruf, sei allein Sache jener Volksvertreter, „die auch in RheinlandWestfalen unter dem freiesten Wahlrecht der Welt zur Nationalversammlung entsendet werden.“155 Die Forderung nach einer schnellen Wahl der Nationalversammlung wurde auch von allen nichtsozialistischen Parteien erhoben, denn diese waren durch die Revolution von der Macht fast vollständig abge­ schnitten. In den Arbeiter- und Soldatenräten saßen fast nur Vertreter der beiden Arbeiterparteien, und diese dominierten auch die meisten Landesregierungen, nur ganz vereinzelt wurden auch bürgerliche Minister aufgenommen. Es war verständlich, dass sich alle bürgerlichen Parteien nun gegen eine „Klassenherrschaft“ aussprachen und jene staatsbürgerliche Gleichheit forderten, die sie der Arbeiterschaft etwa mit dem preußischen Klassenwahlrecht so lange verweigert hatten. Selbst Fürsten wie der einstige bayerische Kronprinz Rupprecht entpuppten sich – nach ihrer Entthronung – scheinbar als Demokraten, wenn sie nun forderten, dass „über die Staatsform durch eine verfassungsgebende Nationalversammlung entschieden wird, die aus freien und allgemeinen Wahlen hervorgeht“.156 Alle Offiziere, die in jenen Tagen noch an die Front fuhren, hatten die Weisung, innerhalb der Truppe für eine Nationalversammlung und die politische Gleichberechtigung aller Staatsbürger einzutreten.157 Das strategische Kalkül der antirevolutionären Kräfte war offenkundig und wurde von der Sozialdemokratie genüsslich aufgespießt: „Junker und bürgerliche Kapitalisten, die vor vierzehn Tagen noch im Rat der blindwütigsten Imperialisten saßen, entdecken plötzlich, dass sie Demokraten sind“, spottete das Hamburger Echo.158 Doch all dies konnte das demokratische Ethos von Ebert und der Sozialdemokratie nicht erschüttern.159 Das Prinzip der Volkssouveränität war für sie unantastbar, schließlich hatte man seit Jahrzehnten für ein faires Wahlrecht gekämpft. „Ohne die Gewinnung der Mehrheit der Köpfe geht’s einmal nicht, das muss immer unser Streben Friedrich Ebert und die Nationalversammlung 75

sein. Damit sagen wir freilich keine neue Wahrheit, sondern wiederholen nur, was seit einem halbem Jahrhundert unsere besten Köpfe uns immer wieder erklärt haben“, schrieb etwa Karl Kautsky in der Freiheit, dem Zentralorgan der USPD.160 Einzig auf der äußersten Linken, bei der Spartakusgruppe um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, lehnte man freie Wahlen und eine Nationalversammlung rundheraus ab: „Mit Wächtern des kapitalistischen Kassenschrankes diskutieren wir weder in der Nationalversammlung noch über die Nationalversammlung“, schrieb Luxemburg am 20. November und propagierte eine Gewaltpolitik: „Der ,Bürgerkrieg‘, den man aus der Revolution mit ängstlicher Sorge zu verbannen sucht, läßt sich nicht verbannen. Denn Bürgerkrieg ist nur ein anderer Name für Klassenkampf, und der Gedanke, den Sozialismus ohne Klassenkampf, durch parlamentarischen Mehrheitsbeschluss einführen zu können, ist eine lächerliche, kleinbürgerliche Illusion.“ Für alle Demokraten, die auf Stimmzettel statt auf Gewehrläufe setzten, hatte Rosa Luxemburg nur höhnische Verachtung übrig: „Das Geschlecht der … kleinbürgerlichen Illusionisten und Schwätzer von Anno 1848 ist nicht ausgestorben.“161 Angesichts solcher Texte war es nicht verwunderlich, dass viele Menschen einen Putsch der Linksradikalen und einen blutigen Verlauf der Revolution nach russischem Vorbild fürchteten. Wie sehr jedoch die Sozialdemokraten auf die Macht des Stimmzettels setzten und wie wenig ihnen an einer „Diktatur des Proletariats“ lag, hatten sie gezeigt, als die Volksbeauftragten ausgerechnet Hugo Preuß zum Staatssekretär und Chef des Reichsamtes des Innern berufen hatten. Preuß war Professor für Staatsrecht und gehörte der Fortschrittspartei an. Er bekam nun den Auftrag, eine demokratische Verfassung für die Republik zu entwerfen. Deutlicher als mit seiner Berufung konnten die Volksbeauftragten nicht ausdrücken, dass sie in Deutschland die liberale Demokratie errichten wollten, aber keine Klassenherrschaft. Preuß ging seine Sache mit Verve an und schon am Tag nach der Reichskonferenz mit den Ländervertretern präsentierte er ein Wahlgesetz für die Nationalversammlung. Mit der Einführung des Frauenwahlrechts, der Absenkung des Wahlalters von 25 auf 20 Jahre und der Verhältniswahl entsprach sein Vorschlag ganz den demokratischen Idealen der Sozialdemokratie und wurde von den Volksbeauftragten zum Gesetz erklärt.162 Nur eine wichtige Frage war offengeblieben: Wann sollte die Nationalver76  Zusammenhalt durch Teilhabe

sammlung gewählt werden? Die Entscheidung über den Wahltermin sollte im Dezember der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte treffen. Doch bevor der Wahltermin feststand, entbrannte die Debatte über eine andere Frage: Wo sollte die Nationalversammlung eigentlich zusammentreten?

Friedrich Ebert und die Nationalversammlung 77

10. „Es muss reiner Tisch gemacht werden – in Berlin oder mit Berlin“

Wo soll die Nationalversammlung tagen?

E

in Parlament tagt in der Hauptstadt eines Landes. Das ist in den meisten Staaten der Welt so, und diese Regel galt auch in Deutschland bis zum November 1918. Mit der Reichsgründung war die preußische Hauptstadt Berlin auch zur Hauptstadt des Reiches geworden, und dort hatte sich auch der Reichstag versammelt.163 Im Zuge der Revolution wurde aber nicht nur die Führungsrolle Preußens, sondern auch die Hauptstadtfunktion Berlins in Frage gestellt, und es begann die Suche nach einem alternativen Tagungsort für die Nationalversammlung. „Berlin hat sich in den Novembertagen selbst entthront  … die ererbten Vorrechte sind abgeschafft“, tönte etwa die Kölnische Volkszeitung am 17. November 1918.164 Antipreußisches Ressentiment und die Ablehnung der Revolution gingen Hand in Hand, wenn die Rheinische Volkszeitung aus Wiesbaden empfahl, man möge die Abkehr von den „Berliner Spartakussen und den anderen östlichen Kulturaposteln“ dadurch dokumentieren, dass man die Hauptstadt in eine mittelwestdeutsche Stadt verlege.165 Während man in Köln noch etwas nebulös vorschlug, den Schwerpunkt des Reiches „wieder in die Mitte des alten, eigentlichen Deutschlands“ zu verlegen, und diese auf einer Linie zwischen Köln und Nassau verortete, wurde man in Wiesbaden konkreter und schlug Frankfurt am Main als Reichshauptstadt vor. Es waren aber nicht nur katholische Revolutionskritiker im Westen, die gegen Berlin Stellung bezogen. Erneut versuchte auch Kurt Eisner von München aus, die Stadt Berlin um ihre politische Führungsrolle zu bringen. Mal forderte Eisner ein Reichspräsidium mit Sitz in München, mal brachte auch er Frankfurt als Hauptstadt ins Gespräch, mal drängte er auf eine zweite Reichskonferenz, die in Jena tagen sollte.166 Eisner konnte bei all diesen Attacken gegen Berlin auch auf die Unterstützung Wo soll die Nationalversammlung tagen? 79

der konservativen Kräfte in Bayern rechnen. So verlangten die Münchner Neuesten Nachrichten am 20. November: „Es muss reiner Tisch gemacht werden in Berlin oder mit Berlin.“ Wenn es nicht gelinge, in Berlin zu einer föderativen Demokratie und einer Nationalversammlung zu kommen, „dann muss sich das übrige Reich entschlossen von der bisherigen Reichshauptstadt lösen und sich an irgendeinem Platz, der der Willkür einer terroristisch gesinnten Minderheit entzogen ist, eine neue unabhängige Zentralgewalt schaffen.“167 Für Bayern spielte also nicht nur die Furcht vor dem Bolschewismus und die Sicherung der Demokratie eine Rolle, sondern es ging auch um eine „föderale“ Demokratie, also ein Reich mit starken Einzelstaaten. Für viele Sozialdemokraten, die den Föderalismus eher für ein Synonym für fürstliche Kleinstaaterei hielten, war dies kein Thema. Die Sorge um die rasche Wahl und eine sichere Tagung der Nationalversammlung bewegte aber auch sie, zum Beispiel Carl Ulrich, den neuen hessischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden des Arbeiter-, Bauern- und Soldatenrates des Landes. Er telegraphierte am 23. November an die Volksbeauftragten und warnte Ebert und seine Kollegen vor dem Scheitern einer Nationalversammlung und dem Aufkommen einer Diktatur in Berlin. Für den Fall, so Ulrich, wollten die süddeutschen und die gleichgesinnten norddeutschen Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte gemeinsam mit den Regierungen die Einberufung der Nationalversammlung in einer süddeutschen Hauptstadt veranlassen.168 Schon ab Mitte November wurde also Berlins bisherige Rolle als Hauptstadt und Tagungsort des Parlaments in Frage gestellt. Eine handfeste Debatte um die Nationalversammlung wurde daraus allerdings erst im Anschluss an die Reichskonferenz am 25. November. Wilhelm Solf hatte als deutscher Kolonialbeamter in Ostafrika gearbeitet, später war er Gouverneur der Pazifikinsel Samoa gewesen, bevor ihn Wilhelm II. 1911 zum Staatssekretär und Chef des Reichskolonialamtes ernannt hatte. Im Oktober 1918 übernahm Solf zusätzlich die Leitung des Auswärtigen Amtes, und auch nach der Revolution beließen ihn die Volksbeauftragten in seiner Stellung als Chefdiplomat. Bei der Reichskonferenz war es deshalb Solf, der aus Sicht der Reichsregierung über die außenpolitische Lage nach dem Waffenstillstand referierte, und er nutzte diese Gelegenheit, sich auch zur Innenpolitik zu äußern. Im Interesse der deutschen Einheit, so Solf, sei nicht nur die 80  „Es muss reiner Tisch gemacht werden“

rasche Wahl der Nationalversammlung nötig, sondern er verlangte auch, dass das Parlament „nicht in Berlin, sondern an einem zentral gelegenen Ort zu tagen habe“.169 Bei den Vertretern der Revolutionsregierungen aus den Ländern kam beträchtliche Unruhe auf, als sich der kaiserliche Beamte, den man nur wegen seiner außenpolitischen Expertise im Amt belassen hatte, in die innere Politik einmischte. Doch Ebert als Vorsitzender der Versammlung ließ Solf gewähren, und dieser nutzte seine Chance, sich in die Beratung über Deutschlands politische Zukunft einzubringen. Mit seiner Bemerkung bei der Reichskonferenz gab Solf den Anstoß zur Suche nach einem Tagungsort für die Nationalversammlung außerhalb von Berlin. Die Idee, ein Parlament nicht in der Hauptstadt zu versammeln, war allerdings nicht neu in der deutschen Geschichte. Dieser Vorschlag weckte zwiespältige Erinnerungen an das Jahr 1848. Damals hatte die demokratische Revolution den Fürsten die Wahl von Volksvertretungen abgerungen, woraufhin wenig später in der Frankfurter Paulskirche die Deutsche Nationalversammlung zusammengetreten war, und auch in Berlin und Wien hatten sich Parlamente für Preußen und Österreich versammelt. Doch als die Dynamik der Revolution abflaute und die Monarchen ihre Macht wieder gefestigt hatten, war die Verlegung der Parlamente der erste Schritt der Fürsten, sich der Volksvertretungen wieder zu entledigen. Im Oktober 1848 wurde die österreichische Nationalversammlung von Wien ins mährische Kremsier verlegt, und in Preußen berief der König das preußische Parlament nach Brandenburg an der Havel. Durch das Abdrängen der Parlamente aus der Hauptstadt in die Provinz wurden die Versammlungen von ihren größten Anhängern, dem liberalen Bürgertum der Großstädte, getrennt. Dieser Schachzug der Monarchen hatte damals Erfolg: Keine vier Wochen nach der Verlegung aus Berlin löste König Friedrich Wilhelm IV. die preußische Nationalversammlung kurzerhand auf, ohne dass es den Parlamentariern gelang, dagegen noch wirksamen Widerstand zu organisieren. Eine Episode, an die sich Bismarck 1881 erinnerte, als er aus Ärger über die liberale Berliner Stadtverwaltung mit einer Verlegung der gesamten Hauptstadt in die Provinz drohte.170 Der Vorschlag einer Tagung außerhalb Berlins musste daher all jenen gefallen, die der Berliner Arbeiterschaft politisch misstrauten und das künftige Parlament deren unmittelbarem Einfluss entziehen wollten. Wo soll die Nationalversammlung tagen? 81

Das katholische Zentrum griff Solfs Vorstoß daher sofort auf. Die Germania, ein reichsweit gelesenes katholisches Blatt aus Berlin, eröffnete schon einen Tag nach der Reichskonferenz die Debatte um den künftigen Sitz der Nationalversammlung. Zwar stimmte das Hauptstadtblatt nicht in die Berlin-Hetze ein, wie sie im Westen und Süden in jenen Tagen üblich war, trotzdem ging es mit der Sicherheitslage in Berlin hart ins Gericht: „So bitter es ist, es auszusprechen, dass unsere demokratisch regierte Hauptstadt keine Sicherheit bietet für die geordnete Tagung des Nationalparlaments, es hat keinen Zweck, das zu verschweigen oder zu beschönigen.“171 Wie stets in jenen Tagen im Bürgertum war auch die Germania von der Angst vor dem Bolschewismus nach russischem Vorbild beherrscht, auch wenn der in Deutschland allenfalls in der kleinen Spartakusgruppe Anhänger hatte. In ihr erblickte das Blatt daher die größte Gefahr für die neue Volksvertretung. „Die Spartakusgruppe und das, was um sie herumhängt, wird vor dem Versuch nicht zurückschrecken, gegen ein Parlament, welches ihrem Willen nicht gefügig ist, alle Mittel des Terrors anzuwenden, und hier beherrscht in der Tat Liebknecht die Situation.“ Die einzige Lösung war für das katholische Blatt eine Tagung außerhalb Berlins. Die Suche nach dem richtigen Ort war für die Germania daher die politische Herausforderung der Stunde: „Die Frage, die es deshalb zu lösen gilt, ist die, welche deutsche Stadt ist in der Lage, die Voraussetzungen für eine ungehinderte Tagung der Nationalversammlung zu schaffen. Die Presse sollte sich mit dieser Frage beschäftigen und alle, denen an baldiger Herbeiführung geordneter und sicherer Zustände in Deutschland gelegen ist, sollten helfen, die Voraussetzungen zu schaffen.“ Tatsächlich griffen viele Zeitungen im Reich den Anstoß der Germania auf. Die Aufforderung, einen Tagungsort zu finden, wurde rasch nachgedruckt, und schon nach wenigen Tagen meldeten sich die ersten Städte und brachten sich als Sitz der künftigen Nationalversammlung ins Gespräch.

82  „Es muss reiner Tisch gemacht werden“

11.  Kasseler Republik?

Ein Arbeiter- und Soldatenrat will Ebert helfen

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as Nachtleben von Kassel172 sorgt heute nur selten für Schlagzeilen. Vor 100 Jahren war das anders, da führte ein konservativer Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus bittere Klage: Bislang hätten in Kassel „deutsche Zucht und gute Sitte“ geherrscht, doch jetzt sei dies alles in Gefahr. Es gebe in der Stadt mittlerweile drei „Nachtbars“, und die seien die reinsten Animierbetriebe; Brutstätten des Lasters, in denen brave Bürger an Leib und Seele ruiniert würden. Die besonders verrufene Maxim-Bar werde obendrein von einem „Neger“ geführt. In Kassel, so der Abgeordnete, machten sich die verderblichsten Schattenseiten einer Großstadt bemerkbar.173 Diese Empörung des Spießbürgers belegt deutlich, welchen Strukturwandel Kassel vor 100 Jahren erlebte. Aus der einstigen Residenz der hessischen Kurfürsten war eine moderne Industriestadt geworden. Es waren auch diese Veränderungen, die es möglich machten, dass Kassel 1918 beim Städtewettbewerb um die Nationalversammlung mit dabei war. Seit der Gründerzeit war die Zahl der Einwohner Kassels rasant gestiegen, schon zur Jahrhundertwende war die 100.000-EinwohnerSchwelle überschritten und Kassel zur Großstadt geworden. Die Indus­ trie gewann immer mehr an Bedeutung, die Henschel-Maschinenfabrik wurde zum wichtigsten Arbeitgeber der Region, und kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges wurden nirgendwo in Europa mehr Eisenbahnlokomotiven produziert als in Kassel. Aufschwung und Wohlstand schlugen sich auch im Stadtbild nieder: 1905 entstand ein stattliches Rathaus, 1909 wurde ein repräsentatives Hoftheater eröffnet und 1914 die imposante Stadthalle. Dass Industrie und Arbeiterschaft in Kassel immer größere Be­ deutung gewannen, hatte auch der Deutsche Metallarbeiter-Verband erkannte und deshalb 1907 Albert Grzesinski nach Kassel geschickt. Ein Arbeiter- und Soldatenrat will Ebert helfen 83

Der damals 28-Jährige galt als dynamischer Organisator und sollte vor Ort die Gewerkschaftsarbeit ankurbeln. Im November 1918 wurde Albert Grzesinski der wichtigste Kopf der Revolution in Kassel und spielte bei der Bewerbung der Stadt um die Nationalversammlung die entscheidende Rolle.174 Trotz der wachsenden Bedeutung der Industrie blieb Kassel für den gebürtigen Berliner Grzesinski aber immer die typische Residenzstadt, bei deren Bevölkerung er jeden „frischen und modernen Zug“ vermisste.175 Aber vielleicht war es gerade diese Mischung aus Residenz und Industrie, aus Bürgertum und Arbeiterschaft, die dafür sorgte, dass die Revolution in Kassel besonders reibungslos ablief. Auch in Kassel war der Umsturz nicht von der örtlichen SPD ausgegangen, sondern von durchreisenden Soldaten. Sie gaben den Kasseler Truppen den Anstoß, einen Soldatenrat zu bilden und ihren Kommandeuren deutlich zu machen, dass sie nicht auf das eigene Volk schießen würden. Schon einen Tag später, am 9. November, stellten sich die Führer der Kasseler Sozialdemokratie an die Spitze der Revolution. Sie gründeten einen Arbeiter- und Soldatenrat, den SPD und USPD paritätisch beschickten und an dessen Spitze Albert Grzesinski trat. Seit seiner Ankunft in Kassel war Grzesinski einer der führenden Funktionäre der Arbeiterbewegung in der Stadt geworden: Er war Vorsitzender des örtlichen Gewerkschaftskartells, kandidierte 1912 für die SPD in Nordhessen zum Reichstag und arbeitete während des Krieges als Vertreter der Arbeiterschaft mit dem Militär und den örtlichen Verwaltungsbehörden eng zusammen. Diese Positionen und Erfahrungen machten Grzesinski nicht nur zur dominierenden Figur im Arbeiter- und Soldatenrat, sondern auch zu einem pragmatischen Krisenmanager: Schon am 10. November schlug er sein Hauptquartier im Kasseler Rathaus auf und brachte nicht nur die Stadtverwaltung, sondern sämtliche Behörden und Truppenteile der Region unter die Kontrolle des Arbeiter- und Soldatenrates. Was nun zu tun sei und welche Rolle die Räte künftig spielen sollten, sahen Grzesinski und seine Genossen in Kassel ganz ähnlich wie Friedrich Ebert in Berlin. Am wichtigsten war ihnen die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die Abwicklung der Rüstungsindustrie und die Schaffung von Arbeitsplätzen für die heimkehrenden Soldaten. All dies konnte nicht ohne die bisherigen Behörden erreicht werden. 84  Kasseler Republik?

Grzesinski tat deshalb alles, um die bestehende Verwaltung am Laufen zu halten. Der Arbeiter- und Soldatenrat kontrollierte zwar die Behörden, verstand sich aber bloß als ein Provisorium bis zur Nationalversammlung. Nur demokratische Wahlen seien der richtige Weg zum glücklichen Ende, schrieb das Volksblatt, die örtliche SPD-Zeitung,176 und wenn es nach den Kasselanern gegangen wäre, hätte man schon am allerersten Sonntag des Jahres 1919 das neue Parlament gewählt. Das forderte jedenfalls der Arbeiter- und Soldatenrat in einem Brief, den er bezeichnenderweise an den „Reichskanzler“ richtete.177 Zu ernsthaften Konflikten über diese Politik kam es in Kassel kaum. Die örtliche USPD unterstützte die Kollegen von der Mutterpartei und wäre für eine wirksame Opposition auch zu schwach gewesen: Bei den Wahlen zur Nationalversammlung kam die SPD in Kassel auf fast 55 %, im Umland sogar auf 72 % der Stimmen, während sich die linken Dissidenten mit 1 % begnügen mussten. Kassel lag daher ganz auf dem Kurs von Friedrich Ebert und der Berliner SPD-Spitze, und ganz sicher war auch dies ein Grund dafür, dass die Oberste Heeresleitung ihr Hauptquartier vom belgischen Spa nach Kassel verlegte und Hindenburg mit seinem Stab am 14. November in das Schloss Wilhelmshöhe zog. Zwei Tage nach der Reichskonferenz, bei der die Idee, die Nationalversammlung außerhalb Berlins tagen zu lassen, erstmals verbreitet worden war, hatte dieser Gedanke Kassel erreicht, und zwar gleich doppelt: durch einen Artikel in der Casseler Allgemeinen Zeitung und eine Resolution des Arbeiter- und Soldatenrates. Am Morgen des 27. November erschien in Kassels bürgerlicher Tageszeitung ein kurzer Artikel unter der Überschrift „Cassel als Sitz der Nationalversammlung“.178 Nicht als Beitrag der Redaktion, sondern mit dem Zusatz „Man schreibt uns“ eingeleitet, wurde darin Kassel als Tagungsort ins Gespräch gebracht. Da die Nationalversammlung wegen des immer lauter werdenden Widerwillens der verschiedenen deutschen Stämme gegen Berlin nicht in der Hauptstadt tagen könne, aber auch das oft genannte Frankfurt wegen der Nähe zu den feindlichen Besatzungstruppen nicht in Betracht komme, sei Kassel eine gute Alternative, hieß es in dem kleinen Artikel. Am Abend des gleichen Tages fand zum zweiten Mal seit der Revolution eine Vollversammlung des Kasseler Arbeiter- und Soldatenrates statt.179 Rund 1200 Vertrauensleute aus den Betrieben und Kasernen kamen zusammen und fungierten als eine Art Revolutions-Stadtrat. Vorsit­ Ein Arbeiter- und Soldatenrat will Ebert helfen 85

zender war auch hier Albert Grzesinski. An dieser Versammlung nahm auch der SPD-Reichstagsabgeordnete Karl Giebel teil, der seit einigen Tagen in Kassel war, um im Auftrag von Ebert die Verbindung zur Obersten Heeresleitung zu halten. Giebel hielt in der Versammlung einen leidenschaftlichen Vortrag und stellte unter dem Motto „Demokratie oder Diktatur“ klar, dass die SPD nicht jahrzehntelang für ein demokratisches Wahlrecht gekämpft habe, um nun eine Diktatur zu errichten. „Man kann die Wünsche des Volkes nicht anders ergründen als mit dem Stimmzettel“, erklärte Giebel. Die Verwirklichung des Sozialismus war für ihn erst nach dem Votum des Volkes möglich: „Hat sich die Mehrheit desselben fest hinter das soziale Programm der Partei gestellt, dann erst kann man dieses durchführen.“ Giebel erntete für sein Plädoyer laut Volksblatt stürmischen Beifall, und die Resolution, die die Versammlung schließlich verabschiedete, lag ganz auf der Linie seines Vortrages und von Albert Grzesinski. Die Resolution unterstützte den Berliner Rat der Volksbeauftragten, forderte die rasche Wahl der Nationalversammlung und sprach eine Einladung aus: „Die Vollversammlung des Arbeiter- und Soldatenrates Cassel ladet die Volks-

Abb. 8: Kassel schlägt als Tagungsort der Nationalversammlung seine 1914 eröffnete Stadthalle vor.

86  Kasseler Republik?

regierung ein, die verfassungsgebende Nationalversammlung nach Cassel einzuberufen, das sich wegen seiner zentralen Lage vorzüglich zum Tagungsort eignet und in seiner neuen prächtigen Stadthalle ein Tagungslokal besitzt, wie es kaum eine andere Stadt Deutschlands aufzuweisen hat.“180 Was waren die Motive dieser Bewerbung? Ausschlaggebend waren sicher weder die Zeitungsmeldung vom Morgen noch der Berliner Abgesandte Giebel. Das bürgerliche Lager hatte in jenen Tagen kein politisches Gewicht, dafür sorgte schon Grzesinski, der keineswegs gewillt war, die Macht des Arbeiter- und Soldatenrates mit bürgerlichen Kräften zu teilen. Und die Berliner Volksbeauftragten setzten für die Nationalversammlung – das sollte die nahe Zukunft zeigen – auf ganz andere Städte als Kassel. Entscheidend für Kassels Bewerbung dürfte daher Grzesinski als Kopf der Revolution und Leiter der Vollversammlung gewesen sein. Die Resolution war eine eindeutige Unterstützung der Politik von Friedrich Ebert, und dies war wohl auch das entscheidende Motiv, warum der Arbeiter- und Soldatenrat Kassel ins Gespräch brachte. Hier ging es nicht um Kritik an Berlin und Preußen. Die Hetze gegen die Hauptstadt, die die Stimmung im Westen und Süden prägte, spielte in Kassel keine Rolle. Stattdessen stand die Sicherung der Demokratie im Vordergrund. Die Sozialdemokraten um ­Grzesinski lehnten eine Diktatur des Proletariats entschieden ab, deshalb wollten sie eine rasche Wahl der Nationalversammlung. Nachdem die Zweifel an einem Zusammentritt des Parlaments in Berlin bis nach Nordhessen gedrungen waren, bot der Arbeiter- und Soldatenrat deshalb Kassel als alternativen Tagungsort an. Im sozialdemokratischen Volksblatt wurde die Bewerbung am folgenden Tag „freudig begrüßt“. Man hoffte darauf, dass sich in Kassel der „Neubau eines schöneren, glücklicheren Deutschlands vollenden könne“.181 Auch im bürgerlichen Lager stieß der Gedanke einer Nationalversammlung in den Stadtmauern offenbar auf gewisse Sympathie, denn andernfalls hätte die ­Casseler Allgemeine Zeitung am Vortag kaum den Artikel zu einer möglichen Tagung in Kassel veröffentlicht. Eine historisch-politische Legitimation für ihre Stadt als Tagungsort konnten die Kasselaner nicht vorbringen. 700 Jahre war Kassel nicht mehr als eine mittlere Residenzstadt gewesen, in der zunächst die Landgrafen von Hessen-Kassel, dann die Kurfürsten und zwischenzeitlich Ein Arbeiter- und Soldatenrat will Ebert helfen 87

Napoleons Bruder Jérôme als „König von Westfalen“ residiert hatten. Seit 1866 war es selbst damit vorbei, denn Preußen hatte Kurhessen annektiert und Kassel zu einer preußischen Provinzhauptstadt degradiert. Ein politischer Zentralort war Kassel also niemals gewesen. Nur einmal war Kassel als Hauptstadt ins Gespräch geraten: 1881, als Bismarck mit dem liberalen Berlin über Kreuz lag, hatten konservative Politiker neben Potsdam auch Kassel als Sitz von Reichstag und Regierung ins Gespräch gebracht.182 Aber das war wenig mehr als eine politische Provokation gewesen. Die Casseler Allgemeine Zeitung argumentierte deshalb eher pragmatisch für Kassel. Die guten Verkehrsverbindungen in alle Teile Deutschlands, die vorhandenen Räumlichkeiten in der Stadthalle und im Schloss Wilhelmshöhe, die zahlreichen Gasthöfe für die Unterbringung und die gute Heizungs- und Ernährungslage wurden als Pluspunkte für Kassel vorgebracht. Tatsächlich lag die Stadt geographisch in der Mitte der deutschen Nord-Süd-Achse und damit auch auf der Fernverbindungslinie der Eisenbahn. Im Schloss war zwar bereits die Oberste Heeresleitung eingerückt, aber die Stadthalle hätte durchaus als Parlamentsgebäude getaugt: Der Monumentalbau mit seinem riesigen Portikus konnte sich mühelos mit dem Berliner Reichstagsgebäude messen und bot 3500 Personen in rund 20 Sälen verschiedener Größe Platz. Für die Plenarsitzungen komme der große Festsaal mit seinen 1072 Quadratmetern in Betracht, schrieb die Frankfurter Zeitung, die offenbar von dem Vorschlag einer Tagung in Kassel angetan war.183 Trotzdem waren solche technischen Argumente kaum entscheidend. Dass es bei allen Überlegungen vor allem um die Sicherheit der Nationalversammlung ging, machte das Volksblatt sehr deutlich. Nicht in der Stadthalle und der Lage erblickte es den größten Vorzug der Stadt, sondern in „einer Bevölkerung, deren Rechtlichkeitssinn und Besonnenheit die Gewähr gibt, dass in ihrer Mitte die Sendboten des deutschen Volkes sicher wie in Abrahams Schoß“ seien.184 Der ruhige Verlauf der Revolution in Kassel mit der entschlossenen Machtübernahme durch den Arbeiter- und Soldatenrat, aber ohne Konflikte zwischen den beiden sozialdemokratischen Parteien wurde zum wichtigsten Argument. Kassels Sozialdemokratie wollte die Demokratie, für die sie so lange gestritten hatte und deren Verwirklichung jetzt mit der Wahl der Nationalversammlung bevorstand, nicht durch politische Extremisten aufs Spiel setzen. Aus diesem Grund bot sich Kassel als Sitz der Nationalversammlung an. 88  Kasseler Republik?

Für Albert Grzesinski wurde der Schutz der Demokratie schon bald zu einer Lebensaufgabe. Als Polizeipräsident von Berlin und als preußischer Innenminister machte er Preußens Polizei zum Freund und Helfer der Republik und ihrer Bürger. Dass es trotz aller Anstrengungen nicht gelang, Deutschlands erste Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen, hat Grzesinski, der 1947 im New Yorker Exil starb, auch als Scheitern seiner eigenen Partei empfunden. Dabei hatte er mit dem Schutz der jungen Demokratie schon im November 1918 begonnen. Wenige Tage später reichten auch andere Städte ihre Bewerbung um die Nationalversammlung ein, aber sie verfolgten damit ganz andere Ziele als Albert Grzesinski und die Kasseler Sozialdemokraten.

Ein Arbeiter- und Soldatenrat will Ebert helfen 89

12.  Erfurter Republik?

Vom großen Traum eines Lokalpatrioten

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tto Rollert kannte in seiner Heimatstadt Erfurt buchstäblich Hinz und Kunz. Als er 1959 starb, hinterließ er ein monumentales Verzeichnis der Erfurter Einwohner, Häuser und Gärten. Es reichte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert und zählte 13 dickleibige Bände. Das opus magnum steht heute im Erfurter Stadtarchiv und ist noch immer ein wichtiges Hilfsmittel für die lokalen Historiker. Der Hobbyforscher Rollert wurde 1918 die treibende Kraft hinter der Bewerbung Erfurts um die Nationalversammlung, und das hatte auch damit zu tun, dass die Stadt bereits 1848 eine besondere Rolle gespielt hatte. Die Nationalversammlung, die im Zuge der 48er Revolution gewählt worden war, hatte zwar in Frankfurt getagt, aber als künftige Hauptstadt des neuen Deutschen Reiches war damals auch Erfurt im Gespräch gewesen.185 Wichtige Städte wie Berlin, Wien und München waren von vornherein nicht in Betracht gekommen, denn sie waren bereits die Hauptstädte der größten deutschen Einzelstaaten. Nach dem Willen der Nationalversammlung sollte das Reich aber das demokratische Werk der ganzen Nation sein und nicht bloß ein Zusammenschluss der deutschen Gliedstaaten. Aus diesem Grund suchte man nach einer neuen Hauptstadt, die nicht zugleich von den Interessen eines einzelnen Landes dominiert wurde. Als freie Reichsstadt wäre Frankfurt eigentlich die erste Wahl gewesen, doch zwei Gründe sprachen gegen sie: die Nähe zum feindlichen Frankreich und der politische Radikalismus in der Stadt, der sich im September 1848 in einem blutigen Aufstand entladen hatte. Gegen Ende des Jahres 1848 hatte sich auch immer deutlicher abgezeichnet, dass Österreich nicht gewillt war, in ein Deutsches Reich einzutreten; nur eine kleindeutsche Lösung schien realisierbar. Ob sie gelingen würde, hing vor allem vom preußischen König ab, und für ihn war Erfurt vertrautes Terrain, denn seit 1802 war die Stadt preußisch. Vom großen Traum eines Lokalpatrioten 91

Erfurt hatte allerdings eine Geschichte, die sie auch in anderen Teilen Deutschlands als Hauptstadt akzeptabel gemacht hätte: Fast 1000 Jahre hatte Erfurt unter der Herrschaft der Kurfürsten von Mainz gestanden, und die waren als Reichserzkanzler für das gesamte Heilige Römische Reich von größter Bedeutung gewesen. Im Mittelalter fanden deshalb wichtige Reichstage in Erfurt statt, und selbst während der französischen Herrschaft hatte die Stadt eine Sonderrolle behalten: Napoleon machte Erfurt als kaiserliche Domäne zu seinem Privatbesitz und versammelte dort 1808 die Monarchen Europas zu einem glanzvollen Fürstenkongress. 1848 waren die Erfurter Stadtväter von der Aussicht, deutsche Hauptstadt zu werden, schwer begeistert – der Magistrat beantragte schon im Dezember die sofortige Verlegung der Nationalversammlung nach Erfurt.186 In Frankfurt allerdings konnten sich die Abgeordneten nicht über die künftige deutsche Hauptstadt einigen. Dabei spielte auch die Rücksicht auf den preußischen König eine Rolle, den man nicht verärgern wollte – ein Votum für Erfurt wäre nämlich zugleich ein Votum gegen eine Hauptstadt Berlin gewesen. Als die Reichsverfassung beschlossen wurde, ließ man deshalb die Hauptstadtfrage kurzerhand offen; sie sollte später geklärt werden. Genützt hat dieses Manöver aber nichts, denn der preußische König lehnte Verfassung und Kaiserkrone rundweg ab. Der Versuch einer demokratischen Reichsgründung war gescheitert und Erfurts Traum, deutsche Hauptstadt zu werden, geplatzt. Wenig später stand die Stadt zwar doch noch einmal für kurze Zeit im Mittelpunkt der deutschen Politik, als der preußische König in eigener Regie versuchte, Deutschland zu vereinigen, und ein neues gesamtdeutsches Parlament nach Erfurt einberief.187 Im Frühjahr 1850 tagten die Abgeordneten fünf Wochen lang in der Erfurter Augustinerkirche. Dieses Projekt einer „Deutschen Union“ scheiterte aber schnell am Widerstand der anderen deutschen Staaten, und so blieb das Erfurter Unionsparlament nur eine Fußnote in der deutschen Geschichte. Als Kenner der Erfurter Stadtgeschichte wusste Otto Rollert über all dies bestens Bescheid, und als im November 1918 Deutschland zum zweiten Mal vor einer Nationalversammlung stand, zögerte der Lokalpatriot nicht lange. Am 29. November 1918 brachte er einen dringenden Antrag in der Stadtverordnetenversammlung ein: „Der Magistrat wird ersucht, bei der Reichsleitung Schritte zu tun, die Nationalversammlung nach Erfurt einzuberufen.“188 92  Erfurter Republik?

Rollert war in Erfurt ein einflussreicher Mann. Er war Direktor der Thuringia-Versicherung, die ihren Hauptsitz in der Stadt hatte, und gehörte für die liberale Fortschrittliche Volkspartei dem Stadtparlament an. Dort wurde sein Antrag einstimmig beschlossen, und schon wenige Tage später schrieb Erfurts Oberbürgermeister an Friedrich Ebert und bot ihm die Erfurter Predigerkirche samt benachbartem Kloster und dem Hotel „Europäischer Hof “ als Tagungsstätte für die Nationalversammlung an.189 Ganz frei von politischen Erwägungen war dieser Schritt natürlich nicht, und das machte der Oberbürgermeister intern auch durchaus deutlich: Es gehe auch darum, dass das neue Parlament „von terroristischer Beeinflussung durch revolutionäre und extreme Elemente frei“ arbeiten könne.190 In der Lokalpresse wurde der Vorstoß mit Begeisterung aufgenommen: „Erfurt als Tagungsort für die konstituierende Nationalversammlung der sozialistischen Republik Deutschland! Das wäre ein neues unvergängliches Ereignis in der Geschichte unserer Vaterstadt, die ja für bedeutsame geschichtliche Tagungen gewissermaßen historischer Boden ist“, jubelte die Tribüne, das lokale Organ der Sozialdemokratie, und verwies auf den Fürstenkongress und das Unionsparlament.191 Dass beide keine demokratischen Versammlungen gewesen waren, sondern dass die eine den französischen Imperialismus und die andere die monarchistische Reaktion verkörpert hatte, schien das Blatt nicht zu irritieren. Eine aktuelle, politische Begründung lieferte die Tribüne für ihre Begeisterung jedenfalls nicht. Bemerkenswert war auch, dass fast drei Wochen nach der Revolution noch die bisherige Stadtverordnetenversammlung die Geschicke der Stadt bestimmte. In Berlin hatten die Volksbeauftragten den alten Reichstag aufgelöst, obwohl dort die SPD schon vor dem Krieg stärkste Fraktion gewesen war. In Erfurt dagegen amtierte weiterhin ein großbürgerliches Stadtparlament, in dem kein einziger Sozialdemokrat saß. Was war los in Erfurt? Keine Frage, eine Revolution hatte es auch in Erfurt gegeben.192 Die Sehnsucht nach einem Ende des Krieges und der Kaiserherrschaft, die dem Frieden im Wege stand, hatte auch dort die Massen auf die Straße getrieben. Am Nachmittag des 8. November streikten in den Metallund Gewehrfabriken der Stadt die Arbeiter und zogen zum Erfurter Tivoli, dem Sitz von Gewerkschaft und Sozialdemokraten. Die Spitzen von SPD und USPD, die auch in Erfurt von der Revolution überrascht Vom großen Traum eines Lokalpatrioten 93

wurden, stellten sich schnell an die Spitze des Aufstandes, und der rasch gebildete Arbeiterrat, dem sich die Soldaten der Erfurter Garnison anschlossen, lud für den nächsten Vormittag zu einer Kundgebung auf den Domplatz. Mehr als 10.000 Menschen kamen am 9. November zusammen und hörten von der Machtübernahme des Arbeiter- und Soldatenrates. Der bekannte sich zu einer Sozialistischen Republik, verkündete die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie die Abschaffung der Pressezensur und beanspruchte für sich die Kontrolle über die Stadtverwaltung. Aber auch in Erfurt sah man die Lebensmittelversorgung und die wirtschaftliche Demobilisierung als höchste Priorität an, die keine „Verwirrung“ in Wirtschaft und Verwaltung dulde. Gegenüber dem Bürgertum trat der Arbeiter- und Soldatenrat erstaunlich zurückhaltend auf. Schon in seinem ersten Aufruf wandte sich der Rat ausdrücklich an „Arbeiter und Bürger Erfurts“ und versicherte, er werde für strengste Ordnung eintreten und sich für die Sicherheit des Eigentums verbürgen. Auch alle Beamten, so verkündete er, blieben „natürlich“ in ihren Stellungen.193 Der konservative Erfurter Allgemeine Anzeiger frohlockte am 12. November: „Die Revolution hat sich in erstaunlicher Ruhe und imponierender Ordnung vollzogen … Die Ordnung im deutschen Umsturz hat kein Beispiel in der Geschichte“ – und mahnte zugleich: „So muss es bleiben!“194 Tatsächlich hat der Arbeiter- und Soldatenrat seine Kontrolle über die Verwaltungsbehörden wohl alles andere als intensiv gehandhabt. Dies mag auch daran gelegen haben, dass Erfurts Sozialdemokraten im Unterschied zu ihren Genossen in vielen anderen Städten kaum Erfahrung in der Kommunalpolitik hatten.195 In Erfurt hatte das Großbürgertum bis zur Revolution seine politische Dominanz besonders aggressiv verteidigt und die Arbeiterbewegung von jeder Teilhabe an der Macht im Rathaus beharrlich ausgeschlossen. Das preußische Erfurt war damit nicht nur anders als sein thüringisches Umland, sondern auch im Vergleich mit anderen preußischen Großstädten besonders strukturkonservativ. Erfurt hatte zwar in der Industrialisierung ein enormes Wachstum erlebt und 1906 die Schwelle von 100.000 Einwohnern überschritten. Aber die Stadt war nicht nur Industrie- und Arbeiterstadt. Preußische Regierungsbehörden sowie die Post- und Eisenbahnverwaltung boten viele Arbeitsplätze für ein bürgerliches Milieu, das zusammen mit der alten Elite der Fabrikbesitzer, Bankiers und Kauf94  Erfurter Republik?

leute seine politische Macht gegen die wachsende Arbeiterschaft zäh verteidigte. Für die Stadtverordnetenversammlung galt nicht nur das ungerechte Dreiklassenwahlrecht, bei dem das Stimmgewicht von der Steuerleistung abhing, viele Arbeiter besaßen überhaupt kein Wahlrecht, weil dies an das Erfurter Bürgerrecht gekoppelt war. Bürger konnte aber nur werden, wer über Hausbesitz oder ein hohes Jahres­ einkommen verfügte. Die Folge davon war, dass die SPD, die 1912 bei der letzten Reichstagswahl vor dem Krieg über 52 % der Stimmen in Erfurt erhalten hatte, bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung keinen einzigen Sitz erringen konnte.196 Mehr als Hälfte der Erfurter Bevölkerung war im Stadtparlament also nicht repräsentiert, die „Volksvertreter“ Erfurts waren bis 1918 ausschließlich bürgerliche Honoratioren wie Otto Rollert. Mancherorts hatten die gesellschaftliche Ausgrenzung der Arbeiterbewegung und deren mangelnde Integration in die städtischen Institutionen zu einer politischen Radikalisierung geführt, nicht aber in Erfurt. Die Sozialdemokratie hatte sich einst wegen der Unterstützung der kaiserlichen Kriegspolitik durch die Parteimehrheit gespalten, doch vor Ort im Arbeiter- und Soldatenrat arbeiteten SPD und USPD wieder eng zusammen. Während sich in Berlin die Parteien schon wieder entzweit hatten, riefen sie in Erfurt noch am 12. Januar 1919 gemeinsam zu einer Kundgebung „für die Nationalversammlung, gegen jede Gewaltherrschaft“ auf. Weil ihr gemeinsames Ziel die schnelle Wahl einer Nationalversammlung war, unterstützten die Revolutionäre auch die Idee der Stadtverordneten, das Parlament nach Erfurt einzuberufen. Eine Woche nach deren Beschluss schrieb der Arbeiter- und Soldatenrat an die Reichsregierung, man unterstütze vollkommen die Anregung der Stadtverwaltung.197 Immerhin verwies man zur Begründung nun auch auf ein sozialdemokratisches Ereignis, mit dem sich die Stadt als Tagungsort der Nationalversammlung empfahl: 1891 hatte in Erfurt der Parteitag der SPD getagt, der das bis 1918 geltende Erfurter Programm beschlossen hatte. Die Revolution hatte die bisherigen Institutionen in Erfurt weitgehend unangetastet gelassen, deshalb konnte die politische Initiative für die Bewerbung von den alten Herren der Stadt ausgehen. Der Vorstoß für eine Tagung der Nationalversammlung in Erfurt war vor allem lokalpatriotisch motiviert, man sah die Chance, die Stadt ins politische Vom großen Traum eines Lokalpatrioten 95

Rampenlicht zu rücken. Anti-Berlin-Affekte spielten dagegen kaum eine Rolle. Deshalb konnte auch der Erfurter Arbeiter- und Soldatenrat die Bewerbung unterstützen, aber er beschränkte sich darauf zu billigen, was andere zuvor beschlossen hatten. Bei dieser Rollenverteilung sollte es auch in den kommenden Wochen bleiben, und so gingen die größten Bemühungen, die Nationalversammlung nach Erfurt zu lotsen, nicht von den Revolutionären aus, sondern von den alten Eliten in der Stadtverwaltung.

96  Erfurter Republik?

13.  Eisenacher Republik?

„Keine würdigere Stätte für die Nationalversammlung als die Wartburg …“

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um Jahresende 1918 war Eisenachs Oberbürgermeister Hans Schmieder vermutlich ziemlich verärgert. Die Reichsregierung in Berlin hatte an die Presse durchsickern lassen, welche Städte sich um die Nationalversammlung beworben hatten, und viele große Tageszeitungen hatten darüber berichtet.198 Von Frankfurt, Kassel, Erfurt und manch anderen Städten war die Rede gewesen, nur Eisenach wurde in keinem einzigen Artikel erwähnt. Der Grund dafür war wohl, dass die Berliner Beamten die Stadt in ihrer Aufzählung der Bewerber schlicht vergessen hatten, aber das machte die Sache für Schmieder natürlich nicht besser. Anfang Januar 1919 schrieb daher die Eisenacher Zeitung mit leicht mokantem Unterton, ihr sei mitgeteilt worden, „dass vor mehreren Wochen auch unser Oberbürgermeister“ eine Bewerbung um die Nationalversammlung nach Berlin gesandt habe.199 Man darf vermuten, dass diese Information aus dem Eisenacher Rathaus stammte, und so erfuhren Eisenachs Einwohner am 6. Januar 1919 erstmals von den hochfliegenden Plänen, die ihr Stadtoberhaupt hatte. An großen Plänen hatte in Eisenach noch nie Mangel geherrscht, und tatsächlich hatte die Stadt in den Jahren vor dem Kriegsausbruch einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. 1896 war die Fahrzeugfabrik Eisenach gegründet worden und hatte mit dem Wartburg-Motorwagen eines der ersten Automobile auf den Markt gebracht. Trotzdem war Eisenach alles andere als eine Industriestadt. Nach Weimar war man die zweite Hauptstadt des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, und Oberbürgermeister Schmieder arbeitete mit großem Engagement daran, Eisenach zu einem Kur- und Erholungsort für gutsituierte Sommerfrischler zu machen. 1905 hatte die Stadtverwaltung eine alte Saline gekauft und eine Kurgesellschaft gegründet; schon ein Jahr später schlenderten die ersten Kurgäste durch eine neue Trink- und Wandel„Keine würdigere Stätte für die Nationalversammlung als die Wartburg …“ 97

halle und schlürften das salzhaltige Wasser der Karolinenquelle, das laut Eigenwerbung „gegen Gicht, Rheumatismus, Zuckererkrankungen und Fettleibigkeit“ helfen sollte. Nicht nur immer mehr Kurgäste kamen nun in die Stadt, auch die Zahl der wohlhabenden Pensionäre, die sich in Eisenach niederließen, wuchs. Neue Villenviertel und Parks entstanden, Hotels, Pensionen und Sanatorien wurden gebaut, ein Spielkasino eingeweiht und 1913 sogar ein Tierpark eröffnet. Die Einwohnerzahl stieg auf rund 40.000, und Eisenach war auf dem besten Wege, den mondänen Kurorten jener Zeit wie Wiesbaden, Bad Ems oder Karlsbad Konkurrenz zu machen. Doch Eisenachs Traum vom Weltkurbad platzte mit Beginn des Weltkrieges. Die Not des Krieges war bald auch in Eisenach zu spüren, ab Februar 1915 war selbst Brot rationiert und nur noch auf Lebensmittelkarten erhältlich. Gegen die ungerechte Lastenverteilung des Krieges wandte sich vor allem die Sozialdemokratie, die in Eisenach in Gestalt der USPD präsent war. In Gotha, keine 20 Kilometer von Eisenach entfernt, hatten sich zu Ostern 1917 die Kritiker der Kriegspolitik der SPD-Führung versammelt und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei gegründet. Die Dissidenten der USPD dominierten in Eisenach die Arbeiterbewegung, und als dort im November 1918 ein Arbeiter- und Soldatenrat die Machtübernahme proklamierte, waren Funktionäre der USPD die führenden Köpfe.200 Von ihrer strikten Opposition gegen den Krieg abgesehen hatten viele Anhänger der Unabhängigen aber die gleichen Ideale wie die Mehrheits-SPD, wenn es um die Demokratie ging. Der Arbeiter- und Soldatenrat in Eisenach suchte daher die Zusammenarbeit mit der bisherigen Stadtverwaltung um Oberbürgermeister Schmieder, er warb für die rasche Wahl einer Nationalversammlung, und er bot den bürgerlichen Kräften in der Stadt sogar eine Mitarbeit an. Das lag auch deshalb nahe, weil die Arbeiterbewegung in Eisenach strukturell keine Mehrheit in der Bevölkerung hatte, wie sich bei der Wahl der Nationalversammlung im Januar 1919 zeigen sollte: Die liberale DDP wurde nicht nur stärkste Partei, die bürgerlichen Kräfte erhielten insgesamt auch mehr Stimmen als die beiden sozialdemokratischen Parteien zusammen. Bei diesen politischen Rahmenbedingungen war es keine Überraschung, dass auch in Eisenach der bisherige Oberbürgermeister die Geschicke der Stadt nach der Revolution weiter lenken konnte und die 98  Eisenacher Republik?

Initiative für die Bewerbung um die Nationalversammlung von ihm ausging. Am 5. Dezember 1918 schrieb Schmieder an den Rat der Volksbeauftragten und brachte Eisenach ganz offiziell für den Fall ins Spiel, dass die Nationalversammlung nicht in Berlin tagen sollte.201 Drei Gründe führte der Oberbürgermeister für seine Stadt an: die zentrale Lage in der Mitte Deutschlands, die Qualität der örtlichen Hotellerie („als mustergültig weltbekannte Hotels und Fremdenheime“) und schließlich eine ganz besondere Tagungsstätte für die künftige Volksvertretung: die Wartburg. Die Festung, die oberhalb der Stadt lag und seit Jahrhunderten das Wahrzeichen der Stadt war, wurde zum stärksten Argument des Oberbürgermeisters. Von ihr sei schon wiederholt „das Licht einer neuen Zeit ausgegangen“, schrieb er mit Blick auf Martin Luther und das Wartburgfest. Der Reformator hatte sich im Jahr 1521 auf der Wartburg vor den Häschern des Kaisers versteckt und an seiner Bibelübersetzung gearbeitet. Knapp drei Jahrhunderte später, 1817, hatten rund 500 Studenten bei einem Fest auf der Burg gegen Fürstendiktatur und deutsche Kleinstaaterei demonstriert. „Wohl keine andere deutsche Stadt hat im Kampf um die Freiheit stets so im Vordergrund gestanden wie Eisenach mit seiner Wartburg“, meinte Oberbürgermeister Schmieder. Das Stadtoberhaupt hätte für Eisenach noch den Deutschen Natio­ nalverein anführen können: 1859 hatten Liberale in Eisenach zum ersten Mal nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 wieder den Versuch unternommen, die nationale Einigung durch die Gründung einer demokratischen Partei voranzubringen. Auch August Bebel und Wilhelm Liebknecht hätten im Augenblick der Revolution Kronzeugen für Eisenach sein können, denn sie hatten dort 1869 die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, einen Vorläufer der SPD, gegründet. Doch das Geschichtsbild des Oberbürgermeisters war offenkundig gefangen in den engen Grenzen des konservativ-preußischen Mainstreams jener Tage, und so erwähnte er weder Nationalverein noch Sozialdemokratie. Überhaupt setzte er statt politischer Argumente eher auf die besonderen Annehmlichkeiten des Kurortes, so schlug Schmieder etwa die Einrichtung einer elektrischen Bahnanlage vor, „um die Wartburg noch bequemer zugänglich zu machen“, und brachte den großen Saal im Hotel Fürstenhof („vornehm und geschmackvoll“) als Raum für die Arbeitssitzungen der Nationalversammlung ins Spiel. An der Eignung „Keine würdigere Stätte für die Nationalversammlung als die Wartburg …“ 99

seiner Stadt für das künftige Parlament hatte der Oberbürgermeister nicht den geringsten Zweifel: „Auch der verwöhnteste Großstädter würde hier nichts als den Lärm und das nervenzerrüttende Treiben der Großstadt vermissen“, schrieb Schmieder und ließ damit auch den konservativen Kulturpessimismus und die Metropolenkritik jener Zeit deutlich durchblicken. Ganz falsch lag er damit allerdings nicht, denn der Dezember 1918 sollte in Berlin tatsächlich so turbulent verlaufen, dass Friedrich Ebert dem Nervenzusammenbruch nahe war.

100  Eisenacher Republik?

14.  Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst

Im Dezember 1918 wächst auf Berlins Straßen die politische Gewalt

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nde November 1918 hatte die Suche nach einem Tagungsort für die Nationalversammlung begonnen, und seither hatten sich immer mehr Lokalpolitiker beim Rat der Volksbeauftragten gemeldet und ihre Städte angeboten. Die Männer um Friedrich Ebert hatten in jenen Tagen allerdings ganz andere Sorgen. Statt Pläne für die Zukunft zu schmieden, kämpften sie jetzt fast täglich um ihre politische Existenz. Im November waren Chaos und Anarchie nur Propagandaphrasen der „Los-von-Berlin“-Fraktion gewesen, im Dezember wurden sie Realität. „Tag für Tag liefen bei uns in der Reichskanzlei Anzeigen über angeblich geplante oder im Gange befindliche gegenrevolutionäre oder bolschewistische Putsche ein“, erinnerte sich ein Zeitzeuge.202 Den Gefahren von rechts schenkte Friedrich Ebert wenig Beachtung, allzu kläglich und kraftlos war die Monarchie zusammengebrochen. Deshalb scheute er sich auch nicht, mit den alten Eliten in Bürokratie, Militär und Wirtschaft zusammenzuarbeiten, um – wie er es ausdrückte – „die Reichsmaschinerie am Laufen zu halten“. Aber seine allzu sorglose Kooperation mit dem ancien régime sorgte für Spannungen mit dem Koalitionspartner USPD. Zwar hatten die Volksbeauftragten wichtige Anliegen der Sozialdemokratie wie den Acht-Stunden-Arbeitstag, das Frauenwahlrecht und die Abschaffung der Gesindeordnung sofort verwirklicht, aber im Übrigen wollte die SPD den künftigen Entscheidungen der Nationalversammlung nicht vorgreifen. Diejenigen allerdings, die als Soldaten oder Arbeiter der Revolution zum Erfolg verholfen hatten, erwarteten eine rasche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Dabei dachte kaum jemand daran, über Nacht etwa die gesamte Großindustrie zu verstaatlichen, aber ein deutliches Bekenntnis der Volksbeauftragten zu gerechten Eigentumsverhältnissen verlangten sie Im Dezember 1918 101

schon. Auch die Soldaten, die doch Triebkräfte der Revolution gewesen waren, hatten nur bescheidene Forderungen. Mit der Auflösung der Offizierskasinos und der Abschaffung des Grußzwanges außerhalb des Dienstes wollten sie die ärgsten Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen beseitigen. Doch Friedrich Ebert lehnte selbst diese minimalen Reformen ab, um das alte Offizierskorps, auf dessen Unterstützung er sich angewiesen sah, nicht zu verärgern. Damit provozierte er nicht nur viele Enttäuschungen, sondern schürte zu einem Gutteil erst jene „bolschewistische Gefahr“, die der liebste Popanz von Bürgertum und Heeresleitung war, und der nicht nur in der Debatte um die Nationalversammlung eine wichtige Rolle spielte. Trotz mancher Frustrationen auf Seiten der Revolutionäre kam der erste gewaltsame Angriff auf die neue Regierung der Volksbeauftragten nicht etwa von links. Stattdessen ereignete sich am 6. Dezember in Berlin ein eigenartiger Rechtsputsch. Truppen der Berliner Garnison versuchten, den Vollzugsrat des Berliner Arbeiter- und Soldatenrates zu verhaften. Bei Schießereien kamen 16 Anhänger des Rates ums Leben. Zugleich erschien ein Trupp aus regulären Soldaten, Matrosen und Angehörigen einer Studentenwehr vor der Reichskanzlei in der Wilhelmstraße. Ein Feldwebel, der die bunte Truppe anführte, ließ Ebert herausrufen und ernannte ihn kurzerhand zum Präsidenten der Republik. Ebert versuchte die Soldaten zu beruhigen und erklärte, über die Annahme eines so wichtigen Amtes könne er nicht allein entscheiden. Durch gutes Zureden konnte er das Projekt schließlich vereiteln. Am nächsten Tag tat der Vorwärts den ganzen Vorfall als „Köpenickiade“ ab, aber dass ein Feldwebel mit einer Handvoll Soldaten ein solches Unternehmen starten konnte, machte schlagartig deutlich, wie ungefestigt die Macht der Regierung und wie instabil die Lage in ­Berlin war. Nur wenige Tage später zeigte sich, dass diese Situation durchaus zum Risiko für die künftige Nationalversammlung werden konnte. Vom 16.  bis 21. Dezember tagte der Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin. Er war die Antwort auf den Unmut im Land über den Berliner Vollzugsrat, denn der kontrollierte zwar die Volksbeauftragten und damit die Reichspolitik, war selbst aber ausschließlich in der Hauptstadt gewählt worden. Nun versammelten sich zum ersten Mal Arbeiter- und Soldatenräte aus ganz Deutschland, und die Berliner 102  Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst

mussten sich harter Kritik stellen: „Was berechtigt denn den Berliner Vollzugsrat, sich als Kontrolle der Reichsorgane aufzuspielen?“, fragte schimpfend Ernst Niekisch aus Augsburg, später führender Kopf des deutschen Nationalbolschewismus, aber damals noch Sozialdemokrat. Niekisch warnte davor, dass eine radikale Minderheit „die Revolution verpfuschen“ und den Separatismus fördern könnte.203 Ganz ähnlich meldete sich auch der Vorsitzende der SPD aus dem bayerischen Rosenheim, Karl Göpfert, zu Wort: „Unsere Bürger und Bauern blicken oft mit Sorge nach Berlin, weil sie befürchten, es könnte so, wie in Rußland, zu einem Durcheinander kommen“. Auch er warnte: „Wenn nicht Ruhe und Ordnung ins Land kommen, wird dieser Lostrennungsgedanke zweifellos weitergeführt …“ Zusammensetzung und Beschlüsse des Kongresses zeigten allerdings, dass die Situation in Deutschland ganz anders als in Russland war und keine Diktatur des Proletariats drohte. Die Wortführer des Spartakusbundes, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, hatten kein Mandat für den Reichsrätekongress erhalten. Auch der Antrag, sie als Gäste zuzulassen, wurde mit großer Mehrheit abgewiesen. Das war keine Überraschung, denn die äußerste Linke, die von einer dauerhaften Räteherrschaft träumte, stellte kaum 2 % aller Delegierten, dagegen gehörten fast 60 % der SPD an. Trotzdem verlief der Kongress turbulent. Den Anhängern Liebknechts gelang es immer wieder, Massende­mons­ trationen in der Leipziger Straße auf die Beine zu stellen, deren Teilnehmerzahl weit über den harten Kern der Spartakusanhänger hinausreichte. Weil es an Ordnungskräften fehlte, konnten die Demonstranten mehrere Male in das Preußische Herrenhaus, den heutigen Bundesrat, eindringen und die Sitzungen stören. Sie erzwangen das Wort für ihre Abgesandten und drohten mit der Sprengung des Kongresses. Aber Ernst Niekisch lag richtig, als er den Störern ins Stammbuch schrieb: „Berlin ist nicht Deutschland und die Spartakusse und die ihnen nahe Stehenden haben draußen im Reiche recht wenig Stütze.“ Wie richtig er damit lag, zeigte am nächsten Tag die Abstimmung über den Wahltermin für die Nationalversammlung. Noch einmal versuchten die Kritiker Eberts, den Termin hinauszuschieben, um vor einer Wahl zunächst die Revolution voranzutreiben. Aber sie hatten im Rätekongress keine Chance. Mit großer Mehrheit – kaum 50 der knapp 500 Delegierten stimmten dagegen – beschloss die Versammlung, dass die Wahl zur verIm Dezember 1918 103

fassungsgebenden Nationalversammlung am 19. Januar 1919 stattfinden sollte. Damit waren zwar die Weichen in Richtung auf eine freiheitliche Demokratie gestellt, aber der turbulente Verlauf des Kongresses hatte gezeigt, wie riskant eine Tagung der Nationalversammlung in Berlin werden konnte.

Abb. 9: Kurz vor Weihnachten 1918 kommt es am Berliner Stadtschloss zu Gefechten.

Einen Höhepunkt ihrer eigenen Machtlosigkeit erlebte die Reichsregierung an Weihnachten. Schon einige Wochen hatte ein Konflikt zwischen den Volksbeauftragten und der „Volksmarinedivision“, einer Einheit revolutionärer Matrosen, geschwelt. Die Soldaten verlangten die Auszahlung ihrer Löhne, die Regierung forderte im Gegenzug die Freigabe des Stadtschlosses, das die Matrosen besetzt hatten, und wollte die Truppe am liebsten auflösen. Am 23. Dezember eskalierte der Streit. Die Volksmarinedivision besetzte kurzerhand die Reichskanzlei und setzte die Volksbeauftragten in ihren eigenen vier Wänden fest. Nur durch zähe Verhandlungen und unter demütigenden Kompromissen gelang es Ebert, die Matrosen zum Abzug aus der Reichskanzlei zu bewegen. Das Aufatmen bei den Volksbeauftragten dauerte aber nicht lange, denn es stellte sich heraus, dass die Matrosen nun den neuen Stadtkomman­ 104  Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst

danten von Berlin, den Sozialdemokraten Otto Wels, gefangen ge­nommen hatten. In dieser Situation sah Ebert keinen anderen Ausweg, als die Oberste Heeresleitung um militärische Hilfe zu bitten. Am nächsten Morgen gingen Truppen eines preußischen Generals mit schweren Waffen gegen die Matrosen vor. Sie konnten zwar zunächst das Schloss erobern, doch bald kamen den Matrosen Anhänger der USPD und eine bewaffnete Arbeiterwehr zu Hilfe, so dass Ebert die Einstellung der Kämpfe anordnete. Um ein noch größeres Blutbad zu verhindern, musste Ebert der Volksmarinedivision ihren Erhalt zusichern und Wels seinen Rücktritt als Stadtkommandant erklären. Diese „Blutweihnacht“ sollte zu einem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte werden. Das Lager der Revolutionäre fiel endgültig auseinander. Für die radikale Linke waren die Sozialdemokraten um Ebert nur noch „Matrosenmörder“, und deren offenkundige Machtlosigkeit verschaffte den alten Militärs neuen Einfluss. All diese Vorgänge ließen eine Frage immer drängender werden: Ließ sich in der Hauptstadt überhaupt noch sinnvoll regieren? Genervt vom Chaos in der Hauptstadt hatte Ebert schon vor dem Konflikt mit der Volksmarinedivision verkündet: „So geht es nicht mehr. Das halten ja die stärksten Nerven nicht aus. Wir können hier in Berlin keine Stunde mehr regieren.“204 Am 24. Dezember drängten er und sein Kollege Landsberg erneut darauf, die Hauptstadt zu verlassen und mit der Regierung in die Provinz auszuweichen, wo man ungestörter arbeiten könne. Die drei Volksbeauftragten von der USPD wollten davon aber nichts wissen und verlangten, zu solchen Plänen erst den Zentralrat anzuhören, das neue oberste Räteorgan, das der Reichsrätekongress gewählt hatte.205 So vertagten sich die Volksbeauftragten einstweilen, und Friedrich Ebert verließ am Heiligen Abend resigniert den Regierungssitz: Wenn die Spartakusleute über die Weihnachtsfeiertage die Reichskanzlei besetzten, fänden sie eben ein leeres Haus und die Regierung könne sich anderswo einrichten, soll er General Groener am Telefon erklärt haben.206 Die Reichskanzlei wurde zwar in den folgenden Tagen nicht gestürmt, aber als am 28. Dezember die Volksbeauftragten zu einer Sitzung mit dem Zentralrat zusammenkamen, hatten Spartakisten gerade das Druckhaus des Vorwärts besetzt, und der neue Berliner Polizeipräsident, ein Politiker der USPD, gab Waffen an Zivilisten zum Kampf gegen die Regierung aus. In Berlin herrschten „RäuberIm Dezember 1918 105

banden“, klagte Philipp Scheidemann verzweifelt, und Ebert erinnerte: „Seit Wochen werden wir mit allen möglichen Gewaltmitteln bedroht, und können nichts dagegen machen.“207 Alle drei SPD-Vertreter drängten nun rasch auf eine Verlegung der Regierung: „Es ist ganz gleichgültig welcher Ort es ist. Es muss ein Ort sein, an dem wir auch wirklich arbeiten und regieren können.“ Wieder blockten die Unabhängigen den Vorstoß ab, aber auch beim SPD-dominierten Zentralrat gab es Zweifel, ob ein Fortgang aus Berlin wirklich klug sei. Schließlich ging es nicht nur um die persönliche Sicherheit der Regierungsmitglieder, auch die Ämter und Dienststellen, etwa die Notenpresse der Reichsbank, mussten verteidigt werden. Die ganze Debatte über einen möglichen Regierungsumzug wurde aber überlagert vom Bruch der Koalition aus SPD und USPD. Die Unabhängigen fühlten sich bei Eberts Entscheidung, das alte Militär gewaltsam gegen die revolutionären Matrosen vorgehen zu lassen, übergangen und lehnten sie empört ab. Am Ende des 28. Dezember war zwar keine Entscheidung über einen Regierungsumzug gefallen, aber die Koalition war endgültig gesprengt. Die Volksbeauftragten der USPD traten zurück und verließen unter scharfem Protest die Regierung. Angesichts dieser Ereignisse hatte die Frage, wo die künftige Nationalversammlung zusammentreten sollte, keine Priorität. Die Reichsregierung fertigte daher alle Bewerberstädte mit gleichlautenden kurzen Schreiben ab: Die Volksbeauftragten würden erst später über den Ort der Nationalversammlung entscheiden, und für den Fall, dass man nicht in Berlin tagen werde, würde auch die Stadt XY in den Kreis der Erwägungen gezogen.208 Wichtiger war nach dem Rücktritt der USPDVertreter die Neubesetzung des Rates der Volksbeauftragten, und dies war eine Chance zu zeigen, dass in Berlin die süddeutschen Interessen nicht zu kurz kamen. Nach fachlichen Kriterien wurden der Militärexperte Gustav Noske und der Wirtschaftsfachmann Rudolf Wissell für den Rat der Volksbeauftragten ausgewählt, die dritte Position aber wollte Ebert mit einem Süddeutschen besetzen. „Das erste, was ich noch in der Nacht tat, nachdem die Unabhängigen ihren Austritt erklärt hatten, war, dass ich an verschiedene Parteifreunde in Süddeutschland telegraphierte, um ihre etwaige Bereitschaft zum Eintritt in die Regierung festzustellen“, erinnerte sich Ebert.209 Doch sowohl der Bayer Erhard Auer als auch der Württemberger Wilhelm Keil gaben ihm einen 106  Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst

Korb.210 Beide wollten ihre Führungsrollen in ihren Ländern nicht zu Gunsten der Arbeit in Berlin aufgeben. Dabei wäre eine eigene Stimme Süddeutschlands in der Reichsregierung gerade in jenen Tagen wichtig gewesen, denn zur Jahreswende 1918/19 gab es erneut heftige Kritik aus den Ländern an Berlin. Der Grund: die Pläne der Reichsregierung für Deutschlands künftige Verfassung.

Im Dezember 1918 107

15.  Bundesstaat oder Einheitsrepublik?

Hugo Preuß und die neue Angst vorm Berliner Zentralismus

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it der Revolution und dem Sturz der Monarchie hatte es für einen kurzen Moment so ausgesehen, als sei auch das Ende für die bisherigen 25 deutschen Einzelstaaten gekommen. Aber genau diese Aussicht war es, die zur Jahreswende 1918/19 in vielen Landeshauptstädten die Stimmung gegen Berlin und das Reich weiter anheizte.211 Der Bundesstaat des Kaiserreiches stand für alles, was den neuen Machthabern von der Sozialdemokratie verhasst war: undemokratische politische Rückständigkeit, die Hegemonie Preußens und eine verzopfte Kleinstaaterei. Während der Reichstag nach einem weitgehend gleichen Wahlrecht gewählt wurde, war die Verfassungsautonomie der Einzelstaaten ein Vorwand, um auf Länderebene dem Großteil der Bevölkerung politische Teilhaberechte zu verwehren. So konnte in Preußen das undemokratische Dreiklassenwahlrecht fortbestehen, und so gab es im ständisch regierten Mecklenburg überhaupt keine Volksvertretung. Auf Reichsebene hingegen war der Bundesstaat mit seiner Chimäre der kollektiven Reichsregierung durch die im Bundesrat vereinten Fürsten ein Ins­trument, um den Einfluss des Reichstags zu schmälern und eine Parlamentarisierung der Reichsregierung zu verhindern. Angesichts der grotesken Größenunterschiede zwischen den Einzelstaaten war zudem ein gleichberechtigter Föderalismus undenkbar. „Der Löwe und die Maus können sich nicht konföderieren“,212 hatten Kritiker Bismarck einst vorgehalten, als er so ungleiche Staaten wie Preußen und Schaumburg-Lippe zu Bündnis­partnern erklärte. Die bundesstaatliche Struktur hatte daher nicht zuletzt den Zweck gehabt, die preußische Hegemonie gegenüber den Monarchen Bayerns, Württembergs und Badens weniger fühlbar zu machen und ihnen 1871 den Eintritt in das Deutsche Reich zu erleichtern. Im Ergebnis besaß das Reich eine wenig effiziente GliedeHugo Preuß und die neue Angst vorm Berliner Zentralismus  109

rung. Im Thüringischen etwa war die Landkarte so buntscheckig wie zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches, dort tummelten sich allein neun ­Duodezfürstentümer. Au­ßer­ dem gab es in ganz Deutschland Hunderte von En- und Exklaven, die im Zuge von Erbfolgen und Länderschacher entstanden waren. Weil etwa der Großherzog von Oldenburg einst das Fürstentum Birkenfeld im Hunsrück geerbt hatte und ihm im Zuge der Säkularisierung das Hochstift Lübeck zuge­schlagen worden Abb. 10: Hugo Preuß bekommt im Novemwar, bestand sein Land aus drei ber 1918 den Auftrag, eine Verfassung für Gebietsteilen an Ostsee, Norddie deutsche Republik zu entwerfen. see und im Südwesten, die nichts miteinander verband außer ihrer recht willkürlichen Zugehörigkeit zum Land Oldenburg. Überall in Deutschland gab es solche Zersplitterungen, die für eine besonders kostspielige Bürokratie sorgten und jede sinnvolle Regionalentwicklung behinderten: So umfasste der oldenburgische Landesteil Lübeck nicht etwa die Stadt gleichen Namens, sondern lediglich deren Umland; die Freie Hansestadt Lübeck dagegen war selbstständig. Mit diesem Föderalismus hatten die neuen Machthaber von der Sozialdemokratie wenig im Sinn. Die Zeit schien reif, Deutschlands Landkarte neu zu zeichnen und dem Reich eine rationale Gliederung zu geben, die besser zur Demokratie passte. Das sozialdemokratische Ideal für den künftigen Aufbau Deutschlands war nicht ein Bundesstaat mit Ländern, sondern eine einheitliche Republik. Um dieses Projekt zu verwirklichen, engagierten die Volksbeauftragten genau den richtigen Mann: Hugo Preuß, den neuen Staatssekretär und Chef des Reichsamtes des Innern. Obwohl Liberaler, galt Hugo Preuß damals als der am weitesten links stehende Staatsrechtslehrer.213 Das lag aber nicht an der 110  Bundesstaat oder Einheitsrepublik?

Radikalität seiner Positionen, sondern daran, dass im Kaiserreich niemand Professor werden konnte, der sich zur Sozialdemokratie bekannte. Ähnliche Diskriminierungen kannte auch Hugo Preuß, denn als Jude, der es abgelehnt hatte, sich der Karriere wegen taufen zu lassen, war auch ihm in Preußen eine Universitätsprofessur verwehrt geblieben. In der liberalen Großstadt Berlin konnte er aber Professor an der privaten Handelshochschule werden. Preuß war in Berlin aber nicht nur akademisch tätig, sondern hatte sich für seine Heimatstadt auch in der Kommunalpolitik engagiert, ab 1895 als Stadtverordneter und ab 1910 als ehrenamtliches Mitglied des Magistrats, der Berliner Stadtregierung. Jüdisch und intellektuell, demokratisch und fortschrittlich – Hugo Preuß stand damit für all das, was den Reaktionären innerhalb und außerhalb Preußens an der Hauptstadt Berlin so verhasst war. Die Berufung von Preuß war aber nicht nur ein Bekenntnis der Volksbeauftragten gegen eine Diktatur des Proletariats, sie war auch ein Zeichen für den künftigen Staatsaufbau, denn Preuß war einer der schärfsten Kritiker des monarchischen Bundesstaates gewesen. Während die führenden Juristen des Kaiserreiches mit großem Aufwand belegt hatten, dass auch nach der Reichsgründung die deutschen Länder eigenständige Staaten geblieben waren, die lediglich ihre Souveränität gemeinsam ausübten, hatte Preuß das alles für juristische Spiegelfechtereien und für Begrifflichkeiten des Obrigkeitsstaates gehalten. Er setzte stattdessen auf eine demokratische Selbstverwaltung, bei der die Zuständigkeiten auf die einzelnen Ebenen sorgsam verteilt waren; ob man die höchste Ebene unterhalb des Reiches dann Staat oder Provinz nannte, hielt er für reine Wortklauberei. Preuß, für den die bisherigen Länder nur „Zufallsbildungen rein dynastischer Hauspolitik“214 waren, ging sofort nach seiner Ernennung daran, eine neue Struktur für Deutschland zu entwerfen. Preußen und die meisten Kleinstaaten wollte er auflösen und stattdessen 14 Gebiete annähernd gleicher Größe schaffen, deren Zuschnitt den heutigen Bundesländern geähnelt hätte. Damit sollte einerseits die Hegemonie Preußens, andererseits die kleinstaatliche Zersplitterung überwunden werden. Auch Berlin sollte dabei selbstständig werden. Ein Vorschlag, mit dem Preuß auch dessen Hauptstadtfunktion sichern wollte. Preuß sah die Vorbehalte gegen Berlin und hoffte auf eine größere Akzeptanz für seine Stadt, „wenn Berlin nicht mehr Hauptstadt eines preußischen Großstaats und damit der Sitz seiHugo Preuß und die neue Angst vorm Berliner Zentralismus  111

ner unvermeidlichen Hegemoniebestrebungen ist“.215 Auch Bayern sollte bei der Neugliederung nicht unangetastet bleiben, denn die Pfalz – bayerisch seit 1816 – sollte Teil eines neuen Rheinlandes werden. Diese neuen Gebiete sollten nicht nur deutlich weniger Befugnisse als die alten Länder bekommen, sondern in der künftigen Ländervertretung sollten sie durch gewählte Abgeordnete statt durch ihre Regierungen vertreten werden. Preuß wollte aus dem alten Bundesstaat einen dezentralisierten Einheitsstaat machen, denn in der Stärkung des Reiches sah er die beste Gewähr dafür, dessen drohenden Zerfall zu verhindern. Eigentlich entsprachen Preuß’ Pläne völlig dem republikanischen Ideal der neuen Machthaber. In Dresden etwa hatte der Arbeiter- und Soldatenrat kurz nach der Revolution erklärt: „Die Republikanische Regierung Sachsens hat die besondere Aufgabe, die Liquidierung des sächsischen Staates herbeizuführen und die einheitliche sozialistische Republik zur Tatsache zu machen.“216 Doch bald zeigte sich, dass auch viele Sozialdemokraten an der alten Gliederung festhalten wollten und kein Interesse daran hatten, die Macht der Zentralregierung in Berlin zu stärken. In den süddeutschen Ländern, wo die politische Ausgrenzung der Arbeiterbewegung nie so scharf wie in Preußen gewesen war, hatten Sozialdemokraten schon vor der Revolution in den Landtagen kons­ truktiv mitarbeiten können  – und mussten sich von ihren norddeutschen Genossen dafür als „königlich bayerische Sozialdemokraten“ verspotten lassen. Sie und ein Großteil der Arbeiter verstanden sich durchaus als Bayern, Württemberger oder Badener und identifizierten sich mit den Staaten alten Zuschnitts, denn die boten eben auch eine Projektionsfläche für die Ablehnung des reaktionären Preußentums. Aber auch diejenigen Politiker, die wie etwa Kurt Eisner mit den alten Staaten nichts im Sinn hatten, lehnten eine Einheitsrepublik vehement ab. Die Länder und ihre Regierungen boten schließlich die Möglichkeit, je nach Präferenz, die Revolution vor Ort voranzutreiben oder abzubremsen und zugleich die weitere Entwicklung in ganz Deutschland mitzubestimmen. Die Begeisterung für die Einheitsrepublik und die Selbstabschaffung fehlte nicht nur bei der alten Beamtenschaft der Einzelstaaten, sondern auch bei den sozialdemokratischen Ministern und Regierungschefs, die die Revolution in ihre Ämter getragen hatte. Hinzu kam, dass mit der Revolution die alte Verbindung zwischen 112  Bundesstaat oder Einheitsrepublik?

Reich und Preußen aufgelöst worden war. Der Reichskanzler war zuvor fast immer auch preußischer Ministerpräsident gewesen, aber die Volksbeauftragten waren nur für die Reichsebene zuständig. Die parallel entstandene neue preußische Landesregierung aber wollte von der Aufteilung ihres Landes, wie sie Hugo Preuß vorschwebte, nichts wissen. Angesichts der Abspaltungstendenzen im Westen wäre die Auflösung Preußens tatsächlich ein riskantes Signal gewesen, das den Zerfall ganz Deutschlands hätte einläuten können. Die Verfassungspläne von Hugo Preuß stießen daher bei Unitaristen und Föderalisten auf Kritik. Die süddeutschen Regierungen forderten zwar ein Ende der preußischen Hegemonie, aber sie fürchteten zugleich die Zerschlagung Preußens. Wenn das Reich erst einmal begann, die Länder nach eigenem Gutdünken unabhängig von historisch gewachsenen Identitäten zurechtzuschneiden, dann war das der Beginn des Einheitsstaates. Umgekehrt wandten sich auch Kritiker des Föderalismus gegen die Auflösung Preußens. Die Aufteilung Preußens in acht Länder neuen Typs erschien als Rückschritt auf dem Weg zum Einheitsstaat. So standen am Ende Föderalisten und Unitaristen gegen die Pläne von Hugo Preuß. Berlin und die Volksbeauftragten um Ebert gerieten durch die aufkommende Verfassungsdebatte erneut unter Druck. Zur Kontroverse „Nationalversammlung oder Räteherrschaft“ – wie überspitzt diese Gegenüberstellung auch gewesen sein mag – kam der Konflikt „Bundesstaat oder dezentralisierter Einheitsstaat“ hinzu. Stand die Hauptstadt schon bislang im Verdacht, nicht fähig oder willens zu sein, durch eine rasche Wahl einer Nationalversammlung die Beteiligung des Südens an der politischen Neuordnung zu sichern, so geriet Berlin nun auch noch in den Ruch, mit der künftigen Verfassung einen neuen Zentralismus anzustreben. In dieser Situation trafen sich am 30. Dezember 1918 die Regierungschefs von Baden, Bayern, Hessen und Württemberg zu einer Konferenz in Stuttgart. Gemeinsam schickten sie zwei klare Forderungen nach Berlin: Erstens verlangten sie die rasche Schaffung einer aktionsfähigen Nationalversammlung, und zweitens forderten sie, dass Deutschland weiterhin als Bundesstaat organisiert bleibe.217 In der Hauptstadt wurde diese Botschaft durchaus verstanden. Der Berliner Vorwärts, in jenen Tagen so etwas wie das Regierungsorgan, stellte am 2. Januar 1919 ernüchtert fest, „wenn auch in der deutschen Arbeiterschaft die Neigung zum Einheitsstaat vielleicht vorherrscht, so sind doch Hugo Preuß und die neue Angst vorm Berliner Zentralismus  113

andererseits auch in ihr, besonders in West- und Süddeutschland, die Bestrebungen nach Wahrung der landschaftlichen Sonderart so lebhaft, dass eine rein zentralistisch-unitarische Gestaltung der Deutschen Republik, etwa nach französischem Muster, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen würde.“218 Die Schlussfolgerung des SPD-Blattes: Auch das neue Deutschland müsse bundesstaatlich organisiert sein. Im Rat der Volksbeauftragten war es dann wiederum Friedrich Ebert, der sich für die Belange Süddeutschlands ganz besonders sensibel zeigte. Seinen Kollegen Otto Landsberg, der vehement für den Einheitsstaat eintrat, mahnte er: „Mit Ihren Gedanken werden Sie in Bayern schön auflaufen“ und bekannte: „Wenn ich theoretisch auch [der Forderung nach dem Einheitsstaat] zustimme, so glaube ich doch, dass die Reichseinheit nur möglich ist auf föderativer Grundlage.“219 Tatsächlich strichen die Volksbeauftragten Preuß’ Vorschlag für eine Neugliederung des Reiches aus dem Entwurf und zeigten in den kommenden Wochen gegenüber den Ländern viel Entgegenkommen. Statt eines großen Wurfs und einer Totalreform sollte nun in kleinen Schritten versucht werden, die Macht des Reiches gegenüber den Ländern auszubauen. Die Kontroverse „Bundesstaat oder dezentralisierter Einheitsstaat“ hatte auch Auswirkungen auf die Frage, wo die Nationalversammlung tagen und die neue Verfassung ausarbeiten sollte. Eine Tagung in der Hauptstadt konnte als Stärkung der unitarischen Tendenz, ein Zu­sammentritt in der Provinz als Unterstützung der föderalen Kräfte gedeutet werden. Schon in der ersten Januarwoche 1919 meldeten sich die vier süddeutschen Regierungen daher erneut zu Wort und legten einen eigenen Vorschlag für den Tagungsort der Nationalversammlung vor: Das künftige Parlament sollte in einer bayerischen Stadt tagen, die sich erst kurz zuvor beworben hatte: in Würzburg.220

114  Bundesstaat oder Einheitsrepublik?

16.  Würzburger Republik?

Die süddeutsche Alternative

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ürzburg galt im Jahr 1918 nicht gerade als dynamische Stadt. Ein Ort der Lebensfreude, der Geruhsamkeit und der Altersheime, so nannte ein Zeitgenosse sie spöttisch.221 Würzburg am Ende des Ersten Weltkrieges – das war eine Stadt von 90.000 Einwohnern, eher von Handel und Dienstleistung als von Industrie geprägt, eine Universitätsstadt, die als frühere Residenz mächtiger Fürstbischöfe voll altem Glanz war. Die Revolution war in Würzburg unspektakulär verlaufen. Am 9. November 1918 hatte ein Arbeiterund Soldatenrat unter Führung der örtlichen Sozialdemokratie die Machtübernahme verkündet, aber die bisherigen Behörden weiterarbeiten lassen. Die SPD war in die Stadtpolitik fest integriert und seit 1912 auch im Magistrat – der Stadtregierung – vertreten. Anfang 1918 hatte sie sogar bei der Wahl des neuen Bürgermeisters ein entscheidendes Wort mitgesprochen und dafür gesorgt, dass das katholische Zentrum mit An­ dreas Grieser einen ausgewiesenen Sozialpolitiker als Kandidaten präsentierte, der dann auch einstimmig in den Gemeindegremien gewählt worden ist.222 Die Unabhängigen Sozialdemokraten spielten dagegen in Würzburg kaum eine Rolle, bei den ersten Wahlen Anfang Januar 1919 brachten sie es nur auf 0,6 % der Stimmen. Stärkste politische Kraft wurde das Zentrum, und aus dessen Reihen kam ja auch Bürgermeister Grieser, der Würzburg im Dezember 1918 als Tagungsort für die Nationalversammlung ins Gespräch brachte. Erst Anfang 1918, im Alter von 50 Jahren, war er Bürgermeister geworden.223 Was für manch anderen der Ausklang einer beachtlichen Laufbahn in Justiz und Kommunalverwaltung hätte werden können, war für den unermüdlichen Grieser nur eine Zwischenstation. Obwohl 1919 mit 99 % der Stimmen wiedergewählt, wechselte er ein Jahr später nach Berlin ins Reichsarbeitsministerium, erarbeitete sich dort den Ruf Die süddeutsche Alternative 115

eines „Nestors der deutschen Sozialversicherung“ und stieg auf bis zum Staatssekretär. Eine Position, die er ab 1947 – trotz seines inzwischen hohen Alters – noch einmal im Bayerischen Sozialministerium übernehmen sollte. Es war der umtriebige Grieser, der am 23. Dezember 1918 mit zwei Telegrammen den Stein ins Rollen brachte. Eine Depesche sandte er an Ebert nach Berlin, die zweite ging nach München an Bayerns Ministerpräsidenten Eisner. Beide Telegramme hatten den gleichen Wortlaut: „Stadt Würzburg stellt sich dem Reiche als Tagungsort der Nationalversammlung zur Verfügung. Unmittelbare Eisenbahnverbindung nach Nord, Süd, Ost und West. Geräumige Verhandlungssäle in der Residenz. Gesicherte Verpflegung und Unterkunft in Gasthöfen. Fränkische Hauptstadt zur Vermittlung zwischen Nord und Süd besonders geeignet. Bitte um Unterstützung unserer Einladung.“224 Mit diesen wenigen Zeilen hatte Grieser die Vorzüge Würzburgs hinsichtlich Lage, Räumlichkeiten und Versorgung auf den Punkt gebracht. Diese praktischen Argumente hatten für ihn Vorrang vor politischen Erwägungen. Die Tatsache, dass die Lage in Würzburg ruhig und die Revolution unblutiger als in Berlin verlaufen war, spielte offenkundig keine Rolle. Als einzigen politischen Aspekt nannte Grieser Würzburgs Vermittlungsfunktion, was erneut zeigt, dass die föderalen Spannungen zwischen dem Süden und der Hauptstadt ein entscheidendes Motiv der Verle­ gungsdebatte waren. Eine Stadt wie Würzburg, die zwar zu Bayern gehörte, aber eben nicht bayerisch, sondern fränkisch war, konnte in dieser Situation damit werben, der richtige Ort zu sein, um die landsmann­ Abb. 11: Würzburgs Oberbürgermeister bringt schaftlichen Spannungen im die Würzburger Residenz als Tagungsstätte für die Nationalversammlung ins Gespräch. Reich zu überwinden. 116  Würzburger Republik?

Griesers Telegramm war eine einsame Entscheidung gewesen. Er hatte vorher weder den Magistrat noch die Gemeindebevollmächtigten informiert, vom Arbeiter- und Soldatenrat ganz zu schweigen. Erst acht Tage später gab er seinen Kollegen in der Stadtregierung die Bewerbung „zur Kenntnis“.225 Am 4. Januar schickte der Magistrat dann eine förmliche Bewerbung an die Volksbeauftragten, bei der wieder die praktischen Aspekte im Vordergrund standen.226 Pläne und Fotos der Residenz, des barocken Prachtschlosses der einstigen Fürstbischöfe, waren beigelegt, und Grieser bemühte sich, manchen Einwand schon im Vorfeld auszuräumen. Der große Kaiser-Barbarossa-Saal der Residenz, den er für das Parlamentsplenum im Blick hatte, umfasste nur 350 Quadratmeter. Das war nicht viel im Vergleich zum Plenarsaal des Reichstages, der fast doppelt so groß war, doch Grieser zeigte sich als profunder Kenner der internationalen Parlamentsarchitektur und bemerkte: „Das englische House of Commons umfasst nur 280 qm für 428 Abgeordnete.“ Anders als in Frankfurt, Kassel oder Erfurt war die Bewerbung um die Nationalversammlung in der Würzburger Presse kein Thema. Der Magistrat übertrieb daher etwas, als er gegenüber den Volksbeauftragten erklärte: „Die Bürgerschaft überbringt hiermit der Nationalversammlung die Einladung, in Würzburg zu tagen.“ Die meisten Bürger Würzburgs hatten bis dahin von dem Projekt vermutlich noch nie etwas gehört. Ob die in der Bewerbung erwähnte Versammlung der Gasthofbesitzer und Wirte, die erklärt hatte, Würzburg könne ohne Mühe 1000 Gäste aufnehmen und verpflegen, wirklich stattgefunden hat, kann man durchaus bezweifeln. Es ist kaum denkbar, dass ein solches Treffen von der örtlichen Presse nicht beachtet worden wäre. Offen war zum Zeitpunkt der Bewerbung auch, ob die Würzburger Residenz für eine Tagung der Nationalversammlung überhaupt verfügbar war. Das Gebäude gehörte nämlich nicht der Stadt, sondern war als früheres Krongut jetzt Eigentum des Freistaats Bayern. Aber Grieser setzte ganz offenkundig darauf, dass sich solche Detailprobleme schon würden lösen lassen, wenn erst einmal der politische Wille für eine Tagung in Würzburg da war. Deshalb richtete er seine Bemühungen viel stärker auf die Volksbeauftragten und Kurt Eisner, als sich vor Ort in Einzelheiten zu verlieren. Wie richtig Andreas Grieser mit seiner Strategie lag, zeigte die Reaktion von Kurt Eisner. Der nahm die Initiative Würzburgs sofort Die süddeutsche Alternative 117

dankbar auf und warb bei den Regierungen von Württemberg, Baden und Hessen erfolgreich für die Stadt.227 Wenige Tage nach deren Bewerbung war Würzburg der gemeinsame Vorschlag der vier süddeutschen Länder für den Tagungsort der Nationalversammlung. Grieser und Würzburg waren damit deutlich erfolgreicher als eine andere fränkische Stadt, die mit viel mehr Aufwand viel weniger erreichte – nämlich Bamberg.

118  Würzburger Republik?

17.  Bamberger Republik?

Reaktionäre Hybris in der Provinz und Nürnberger Trittbrettfahrer

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er eine gute Idee hat und eine kluge Erfindung macht, kann seinen Einfall schützen lassen. Das Patentrecht stellt sicher, dass allein dem Urheber die Früchte seiner Erfindung zufallen und kein anderer daraus Kapital schlägt. In der Politik aber gibt es keine Patente auf gute Ideen, dort ist niemand davor gefeit, dass Konkurrenten sich mit fremden Gedanken in Szene setzen. Dies mussten 1918 auch die Stadtväter von Bamberg erfahren. Schon Ende November hatte sich herumgesprochen, dass man sich in der alten Bischofsstadt schwer den Kopf darüber zerbrach, wie man die künftige Nationalversammlung nach Franken locken könnte. Auch im Rathaus von Nürnberg hatte man davon gehört, und dort zögerte man nicht lange. Am 6. Dezember 1918, am Ende einer langen Sitzung des Magistrats – es war der letzte von 114 Tagesordnungspunkten –, gab die Stadtregierung grünes Licht für eine Bewerbung Nürnbergs.228 Noch am gleichen Tag telegraphierte Oberbürgermeister Otto Geßler an die Volksbeauftragten und bot ihnen das Nürnberger Stadttheater als Tagungsstätte für das künftige Parlament an.229 Sonderlich viele Gedanken hatte man sich in Nürnberg über diesen Schritt zuvor nicht gemacht. Mögliche Schwierigkeiten für Nürnberg werde man schon bewältigen, hatte Geßler optimistisch verkündet, und er hatte auch durchblicken lassen, was das eigentliche Motiv der Bewerbung war: „Damit die Stadt Nürnberg nicht zurücksteht und neben Bamberg auch eine große bayerische Stadt sich einer solchen Einladung anschließt.“230 Politische Gründe spielten bei dem Vorstoß der Nürnberger offenbar keine nennenswerte Rolle. Was in Nürnberg mit leichter Hand beschlossen wurde, ging man in Bamberg mit akribischer Planung und akademischer Gründlichkeit an. Keine andere Bewerbung war zudem von so reaktionären politischen Reaktionäre Hybris in der Provinz 119

Motiven und einer geradezu grotesken Selbstüberschätzung getragen wie der Vorstoß der Bamberger Stadtväter. Sie wollten nicht nur die künftige Nationalversammlung beherbergen, sondern fühlten sich zu weit mehr berufen: Bamberg sollte die neue Reichshauptstadt werden. Auch in Bamberg hatte der bisherige Oberbürgermeister, Adolf Wächter, trotz der Revolution das Heft des politischen Handelns fest in der Hand behalten.231 In der 50.000-Einwohner-Stadt, in der es nur wenig Industriearbeiter und keinen USPD-Ortsverein gab, war am 9. November bezeichnenderweise ein „Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat“ gebildet worden, dem auch Fabrikanten, Zentrumspolitiker und christliche Gewerkschafter angehörten. Dieses Gremium nahm aber wie die meisten Räte dieser Art auf die Verwaltungsgeschäfte wenig Einfluss. Wie es um die politischen Kräfteverhältnisse in Bamberg bestellt war, zeigte sich im Januar 1919 bei den ersten freien Wahlen in der Republik: Nicht die Sozialdemokratie, sondern die katholische Bayerische Volkspartei wurde mit deutlichem Vorsprung stärkste Partei. Ihr stand auch Oberbürgermeister Wächter nahe. Als der sich im Dezember 1918 um die Verlegung eines bayerischen Regiments nach Bamberg bemühte, erklärte er zur Stimmungslage in seiner Stadt, dass „Bamberg für die Wahrung des militärischen Geistes mehr Gewähr und Sicherheit als die

Abb. 12: In der Domstadt Bamberg träumen die Stadtväter sogar davon, Berlin dauerhaft als Hauptstadt abzulösen.

120  Bamberger Republik?

Großstädte mit ihren vielfachen Zersetzungsmomenten bietet“.232 Keine Frage, Bamberg war eine konservative Stadt, und sein Oberbürgermeister war entschlossen, sich gegen unliebsame Veränderungen zu wehren. Im Frühjahr 1919 rief er etwa zur Bildung einer Bamberger Bürgerwehr auf, um „dem Münchner Wahnsinn, dem Bolschewistischen Schreckensregiment ein Ende zu bereiten“. Dabei dachte er offenkundig an eine Truppe, die den vorrevolutionären Militarismus wiederbeleben sollte: „Eiserne Disziplin, scharfe Selbstzucht, pünktliche Pflichterfüllung, strenge Unterordnung unter die ernannten Führer muss die neue Bürgerwehr beseelen“, schrieb der Bürgermeister, der der Gedankenwelt des versinkenden Obrigkeitsstaates offenbar näher stand als der jungen Demokratie.233 Für Bambergs Stadtväter war es im Dezember 1918 eine ausgemachte Sache, dass Berlin als Sitz der Nationalversammlung nicht in Frage kam. Die Stadt sei zu sehr „mit der Erinnerung an die Zeit des ungesunden Übergewichts Preußens“ verbunden, schrieben sie in ihrer Bewerbung an die Volksbeauftragten.234 Außerdem passe die Zentralisierung des politischen und kulturellen Lebens nach französischem Muster für Deutschland nicht. Eine andere Großstadt sollte aber nach ihrem Willen nicht an die Stelle Berlins treten, denn in solchen Städten sei die Bevölkerung erfahrungsgemäß „mit unruhigen Elementen stark durchsetzt“, während hingegen aus mittleren Städten „unserem Volkstum die gesündesten Kräfte zuströmen und sie müssen darum gegen das neuzeitliche Bestreben allem die gleiche Schablone aufzudrücken, geschützt werden.“ Aus diesem Grund, so waren sich die Bamberger sicher, hätten etwa die Niederländer das kleine Den Haag an Stelle des großen Amsterdam zur Hauptstadt gemacht und die Amerikaner Washington den Vorzug gegeben vor den „nervenzerstörenden Brennpunkten des Verkehrs am Ozean“. Bamberg folgte hier nicht nur der föderalistisch motivierten Berlin-Kritik, sondern bediente sich argumentativ auch kräftig im Arsenal der reaktionären Großstadtkritik. Allgemeiner Kulturpessimismus und konservatives politisches Kalkül vereinten sich zur Verachtung für die Metropolen, in denen das Neue und Moderne schneller gedieh, wo sich der Fortschritt auch in der Politik rascher niederschlug und mehr Liberalität und Freiheit erlaubt waren als in der Enge der Provinz. Wie stark die Bamberger Stadtspitzen die reaktionären Stimmungen jener Tage wiedergaben, zeigt auch ihr Hinweis darauf, dass „in der Presse Reaktionäre Hybris in der Provinz 121

übereinstimmend mit Recht betont wurde, Deutschlands Schwerpunkt in Zukunft auf einer Linie zu finden, die sich von Köln nach Passau hinzieht“. Diese Ansicht vertraten im Wesentlichen die katholischen AntiBerlin-Postillen aus dem Rheinland, vor allem die Kölnische Volkszeitung, aber genau dieses Blatt wurde auch im Bamberger Rathaus gelesen und prägte ganz offenkundig das Weltbild des Oberbürgermeisters. Daher begründete Adolf Wächter sein Plädoyer für Bamberg auch mit der Vereinigung des Reiches mit Deutsch-Österreich, die für eine Verlagerung der Hauptstadt nach Süden spreche. Bayerische Partikularisten und katholische Kräfte des Westens träumten von einer solchen Vereinigung, weil sie hofften, dadurch die politischen Kräfteverhältnisse zu Gunsten des Südens und des politischen Katholizismus zu verschieben. Allerdings war dies reines Wunschdenken, denn eine solche Vereinigung hätte niemals die Billigung der Siegermächte gefunden, weshalb der Anschluss Deutsch-Österreichs in Berliner Regierungskreisen, wo man einen schärferen Blick für die außenpolitischen Realitäten hatte, entsprechend verhalten verfolgt wurde. Warum ausgerechnet Bamberg Deutschlands neue Hauptstadt werden sollte, ließen die Stadtväter profund begründen. Sie beauftragten einen Gymnasialprofessor namens Richard Klaiber mit einer gründlichen Untersuchung, die belegen sollte, dass für die künftige Nationalversammlung keine andere deutsche Stadt besser geeignet sei als Bamberg. Der Schulmeister, der am Alten Gymnasium in Bamberg lehrte und sich in seinen bisherigen Veröffentlichungen mit so entlegenen Themen wie dem Rednerwettstreit zwischen Tacitus und Cicero befasst hatte, sollte nun darlegen, warum Deutschlands neue politische Hauptstadt einzig und allein Bamberg heißen konnte. Klaiber stellte detaillierte Berechnungen an, die belegen sollten, dass die Stadt der geographische Mittelpunkt Deutschlands, ja Europas sei. Nicht nur, dass es von Bamberg genauso weit nach Berlin wie nach Aachen, Bremen und Tirol sei, „auch der Weg nach Genua [ist] derselbe wie der nach Lyon, Paris, Kopenhagen und Budapest“, hieß es in Bambergs Bewerbung. Die Frage, wer sich in den Hauptstädten von Frankreich, Dänemark oder Ungarn für eine Stadt wie Bamberg interessieren sollte, blieb allerdings offen. Doch Selbstzweifel kannten die Provinzler nicht, sondern erklärten keck, dass ihre Stadt „sowohl für den innerdeutschen als den internationalen Verkehr geradezu ideal ist“. Neben seiner Lage sollte 122  Bamberger Republik?

auch die kulturelle und politische Vergangenheit Bambergs neuen Hauptstadtanspruch stützen. Die Schwäche des Gymnasialprofessors für die ältere Geschichte schlug voll durch, als er selbst die „blühende Elfenbeinschnitzschule und byzantinische Schmelzkunst“ des Mittelalters zu Gunsten Bambergs anführte und auf die „rege Geistesarbeit“ der einstigen Universität verwies – einer Hochschule, die allerdings schon seit mehr als 100 Jahren geschlossen war. In politischer Hinsicht wusste der Schulmeister nicht mehr anzuführen, als dass 900 Jahre zuvor ein Reichstag des Heiligen Römischen Reiches in Bamberg getagt hatte und in der Ära der Reaktion nach 1848 die Diplomaten deutscher Kleinstaaten einmal in der Stadt zu einer Konferenz zusammengekommen waren. Bambergs Blütezeit lag ohne Frage schon einige Jahrhunderte zurück, und so war die Bewerbungsschrift denn geprägt vom verletzten Stolz einer Stadt, die sich in jüngerer Zeit zu kurz gekommen sah. „Von dieser Höhe ist unser Bamberg in der napoleonischen Epoche schuldlos herabgesunken“, hieß es larmoyant. Deshalb beanspruchte man die künftige Hauptstadtrolle auch als „ausgleichenden Ersatz für verloren gegangene Werte“. Neben viel Selbstbeweihräucherung wollten Bambergs Stadtväter den Entscheidern in Berlin aber zumindest auch etwas ganz Handfestes bieten. Neben der Neuen Residenz und dem Dominikanerkloster für die Nationalversammlung boten sie für den Bau eines neuen Parlaments- und Regierungsviertels auch ein rund 50.000 Quadratmeter großes baureifes Ge­lände an, und zwar kostenlos, wie sie hervorhoben.235 Im so­genannten Hainviertel, einem klassischen Villenviertel an der Regnitz, würden sich die künftigen „monumentalen Bauten“ harmonisch anfügen. Auch architektonisch träumte man groß. Bambergs Bewerbungsschrift war geprägt von reaktionärem Provinzlertum und naivem Lokalpatriotismus. Bayerisch-katholische Anti-Berlin-Stimmung, Gegnerschaft zur Revolution, allgemeiner Kulturpessimismus und Modernitätsverweigerung waren die Motive der Bewerbung. Ende 1918 träumten sich Bambergs Stadtväter in jene längst vergangenen Jahrhunderte zurück, in denen der Fürstbischof und dessen Residenz der Stadt Glanz und Bedeutung verschafft hatten. Dass sie ihrer Bewerbung eine kleine Schrift mit dem Titel Bamberg – der Nabel des alten deutschen Reiches beilegten, war bezeichnend für Hybris und Gestrigkeit. Diese Bewerbung war das Gegenteil von einem ZukunftsReaktionäre Hybris in der Provinz 123

entwurf. Warum der demokratische Neuaufbau Deutschlands gerade von Bamberg aus hätte erfolgen sollen, dafür brachten die Bamberger kein einziges Argument vor. Dabei hätte sich zumindest ein An­knüpfungspunkt in der Geschichte der Stadt finden lassen: Im Jahr 1848 war Bamberg eine Hochburg der Demokratiebewegung in Bayern gewesen. Lokale Revolutionäre hatten mit ihren „Bamberger Artikeln“ ein politisches Programm formuliert, das weit über die rein liberalen Postulate jener Zeit hinausging.236 Mit der Forderung nach einer progressiven Einkommenssteuer, dem gleichen Zugang zur Bildung für alle und der „Ausgleichung des Missverhältnisses zwischen Arbeit und Kapital“ wiesen sie schon im März 1848 den Weg vom rein formalen zum sozialen Rechtsstaat. Dies hätte ein gutes Argument für eine herausgehobene Rolle Bambergs in der neuen Republik sein können, doch die Bamberger Stadtväter kannten diesen Teil ihrer Geschichte nicht oder wollten ihn nicht kennen. Sie waren gefangen in der Geisteswelt des monarchischen Obrigkeitsstaates, blickten auf das Mittelalter und argumentierten mit Schnitzschulen und Schmelzkunst. Nach langem Hin und Her und zahlreichen Überarbeitungen der Bewerbungsschrift gaben die Gemeindebevollmächtigten am 14. Januar 1919 grünes Licht. Endlich konnte Oberbürgermeister Wächter die Bewerbung nach Berlin telegraphieren.237 Aber als Bamberg seinen Hut in den Ring warf, fiel in Berlin bereits die Entscheidung über den Sitz der Nationalversammlung. Bamberg spielte dabei keine Rolle, die Stadt hatte viel zu lange gewartet. Aber weil im Fränkischen nicht bekannt war, dass in Berlin die Würfel längst gefallen waren, stürzte man sich in den folgenden Tagen mit voller Energie in eine Werbekampagne für eine Nationalversammlung in Bamberg.

124  Bamberger Republik?

18.  Kampagne und Courage

Wie die Städte um die Nationalversammlung werben, aber dabei manche der Mut verlässt

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rankfurt und Kassel, Erfurt und Eisenach, Würzburg, Nürnberg und Bamberg – bis Anfang 1919 hatten sich sieben Städte darum beworben, Tagungsort der künftigen Nationalversammlung zu werden. Die Bürgermeister und Lokalpolitiker dieser Städte betrieben je nach Ehrgeiz und Ambition ihre Bewerbung. Nürnberg und Kassel waren die einzigen Städte, die keine besonderen Aktivitäten entfalteten: Die einen hatten ihren Hut nur in den Ring geworfen, damit nicht die fränkischen Nachbarn in Bamberg und Würzburg den Zuschlag erhielten, und die anderen verfolgten kein Eigeninteresse, sondern wollten mit ihrem Angebot vor allem Friedrich Ebert und dem Rat der Volksbeauftragten helfen. Andernorts dagegen hatte man ein sehr viel größeres Sendungsbewusstsein und startete intensive Kampagnen, zum Beispiel in Frankfurt. Das beste Argument für die Stadt war ihre Geschichte und die erste Nationalversammlung in der Paulskirche. Die Erinnerung daran war aber im Kaiserreich eher unterdrückt als gepflegt worden, schließlich war die Reichsgründung 1871 der politische Gegenentwurf ge­wesen zu der demokratischen Na­tionalstaatsgründung, die man in der Paulskirche versucht hatte. Der Frankfurter Magistrat wollte daher der kollektiven Erinnerung ein wenig nachhelfen. Anfang Dezember 1918 beschloss er, eine „Propagandaschrift“ über Frankfurt als Sitz der Nationalversammlung 1848 herzustellen und Fotopostkarten zur Paulskirchengeschichte „in großer Auflage“ zu verbreiten.238 Auf die öffentliche Meinung allein verließen sich die Frankfurter aber nicht. Sie suchten auch den direkten Kontakt mit den politischen Entscheidungsträgern. Immer wieder drängten die Liberalen Hermann Luppe und Ludwig Heilbrunn ihren Oberbürgermeister, aktiv zu werden.239 Mitte Dezember 1918 war das Stadtoberhaupt zum ersten Mal wegen der Nationalversammlung in Wie die Städte um die Nationalversammlung werben 125

Berlin und traf dort Kurt Baake, den neuen Chef der Reichskanzlei und engen Berater Eberts. Nach dem Gespräch mit Baake meldete Voigt nach Frankfurt, dass eine Bewerbung nicht aussichtslos sei und der Kanzleichef die Sache mit Ebert und Scheidemann besprechen wolle.240 Nach Berlin war Kassel das nächste Reiseziel des Oberbürgermeisters. Im Stadtteil Wilhelmshöhe, dem neuen Sitz der Obersten Heeresleitung, traf Voigt zu Jahresbeginn 1919 den Militärchef Wilhelm ­Groener – und stieß bei ihm mit seiner Idee auf Granit. „Groener“, so notierte der Oberbürgermeister, „schien der Meinung zu sein, dass doch mit allen Mitteln versucht werden müsse, die Nationalversammlung in Berlin abzuhalten“.241 Neben den logistischen Schwierigkeiten bei einer räumlichen Trennung von Parlament und Regierung befürchtete der General, dass die Abwesenheit der politischen Führung von Berlin den radikalen Kräften in die Hände spielen könnte. Es bestünde die Gefahr, so Groener laut Voigt, dass „von der Spartakusgruppe in Berlin eine Nebenregierung eingerichtet würde“, und zudem wäre es für das Militär äußerst schwierig, neben Berlin noch eine andere Stadt militärisch zu schützen. Das war eine deutliche Abfuhr durch Groener, und zwar nicht allein für Frankfurt, sondern für die ganze Idee, die Nationalversammlung aus Berlin zu verlegen. Groener sollte nicht der einzige General mit dieser Meinung bleiben, und seine ablehnende Haltung im Gespräch mit dem Frankfurter Oberbürgermeister zeigt sehr deutlich, dass es nicht vorrangig militärische Erwägungen waren, die Nationalversammlung aus Berlin zu verlegen. Eine solche Pleite, wie sie der Frankfurter Oberbürgermeister in Kassel erlebte, blieb auch manch anderen Städten nicht erspart. In Bamberg etwa versuchte der Oberbürgermeister, die Kontakte der örtlichen Parteien und des Arbeiterrates nach Berlin zu nutzen, und bat, das Bewerbungs-Exposé an die zentralen Instanzen der Parteien und Räte weiterzuleiten.242 Außerdem wandte er sich persönlich an die Spitzen der Zentrumspartei – und stieß dort auf wenig Begeisterung für seinen Vorschlag. Matthias Erzberger, einer der führenden Köpfe des Zentrums im Reichstag, antwortete erst, als die Entscheidung schon für Weimar gefallen war,243 und noch trostloser war die Reaktion von Maximilian Pfeiffer, dem bisherigen Reichstagsabgeordneten von Oberfranken, der inzwischen zum Generalsekretär des Zentrums aufgestiegen war. Pfeiffer bezweifelte, dass Bamberg überhaupt in der Lage sei, die Nationalver126  Kampagne und Courage

sammlung und ihren Tross aufzunehmen, und hielt die ganze Idee für „untunlich“. Im Übrigen, teilte Pfeiffer mit, sei er inzwischen Reichstagskandidat für den Wahlkreis Berlin und daher verpflichtet, die Interessen der Hauptstadt wahrzunehmen.244 Sehr viel mehr Erfolg bei der Suche nach politischer Unterstützung hatte dagegen Würzburg. Bayerns Ministerpräsident Eisner und die anderen süddeutschen Länder unterstützten Würzburgs Bewerbung, und die bayerische Gesandtschaft in Berlin bekam die Weisung, in der Hauptstadt die Werbetrommel für Würzburg zu rühren. Ein Auftrag, der auch prompt ausgeführt wurde: „Den Wunsch der Stadt Würzburg, die Nationalversammlung dortselbst abzuhalten, habe ich dem Volksbeauftragten Ebert warm ans Herz gelegt“, meldete der bayerische Gesandte am 13. Januar 1919 ans Außenministerium in München.245 Auf einem ganz anderen Wege versuchte Erfurt, zum Erfolg zu kommen. Statt auf politische Einflussnahme setzte man dort auf die Macht der Fakten und fing schon mal an, für die Zukunft zu planen: Die Polizei registrierte sämtliche Betten in Hotels und Gastwirtschaften, die Stadtverwaltung holte zahlreiche Angebote für Öfen und Teppiche ein, um die Predigerkirche für den Parlamentsbetrieb auszustatten, und sie entwarf Klapppulte, die für die Abgeordneten an die Kirchenbänke geschraubt werden sollten.246 Mehrfach schickte Erfurts Oberbürgermeister Fotos, Pläne und Skizzen an die Reichsregierung und wollte so die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung und die Eignung Erfurts unter Beweis stellen. In Erfurt hatte man allerdings bald mit einem Phänomen zu kämpfen, das auch in anderen Bewerberstädten auftauchte: Die Begeisterung für eine Nationalversammlung in den Mauern der eigenen Stadt ließ sehr rasch nach. Als im Dezember 1918 in Berlin Krawall und Schießereien zunahmen, wuchs in der Provinz die Sorge, dass man mit der großen Politik auch den Bürgerkrieg importierte. In Erfurt etwa hatte der Gemeindekirchenrat der Predigerkirche „mancherlei Bedenken“ gegen die geplante Nutzung seines Gotteshauses und stellte schon mal klar, dass man über eine Bürgschaft für den unversehrten Zustand des Gebäudes und den Ersatz für etwaige Schäden durch die Nationalversammlung noch sprechen müsse.247 Auch in Würzburg hatte der umtriebige Oberbürgermeister Grieser die Rechnung ohne die örtlichen Bedenkenträger gemacht: Im Januar 1919 warnten Denkmalschützer Wie die Städte um die Nationalversammlung werben 127

und Museumsfachleute in einer Denkschrift davor, die Nationalversammlung in der Würzburger Residenz tagen zu lassen. Der Barockbau sei für den Parlamentsbetrieb gar nicht geeignet, und ein Umbau würde die enormen Kunstwerte schwer gefährden. Auch hier schwang die Sorge mit, dass die Versammlung womöglich auch politische Tumulte in die Stadt ziehen und wertvolle Gebäude Schaden nehmen könnten.248 Auch im Frankfurter Bürgertum wuchs die Skepsis, ob die Bewerbung wirklich eine so kluge Idee war. Es sei an der Zeit, so eine Stimme, „sich vor der fragwürdigen Ehre, Sitz der Nationalversammlung zu sein, zu drücken“.249 Während sich der Frankfurter Magistrat nicht beirren ließ und die Bewerbung Anfang Januar 1919 ausdrücklich bekräftigte,250 machte der Oberbürgermeister von Eisenach einen halben Rückzieher: Nach den Vorgängen der letzten Wochen in Berlin, schrieb er Mitte Januar 1919, bestehe in Eisenach vielfach die Befürchtung, dass von Spartakisten versucht werden könnte, die Tagung der Nationalversammlung mit Gewalt zu stören. Er bat die Volksbeauftragten daher, „die Nationalversammlung nur dann nach Eisenach einzuberufen, wenn volle Gewähr für die Ernährung und Sicherheit der Bevölkerung geleistet wird“.251 In vielen Städten lagen Euphorie und Ernüchterung, die Hoffnung auf politische Bedeutung und die Furcht vor politischer Gewalt also dicht beieinander. Die Lokalpolitiker zerbrachen sich den Kopf über das Für und Wider der Nationalversammlung und wogen Chancen und Risiken ab. Aber die Stadt, die später den Zuschlag bekommen sollte, hatte bis dahin noch nicht einmal eine Bewerbung abgegeben. Wie also kam Weimar aufs Tapet?

128  Kampagne und Courage

19.  Ein roter Bohemien entdeckt Weimar

Wie Kurt Baake den „Geist von Weimar“ in die Reichskanzlei trug

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enn man Kurt Baake252 nicht gerade beim Journalistenstammtisch im Café Josty am Potsdamer Platz traf, dann gab es eigentlich nur zwei Orte in Berlin, wo man den sozialdemokratischen Schöngeist finden konnte: auf der Pressetribüne des Reichstages oder im Zuschauerraum eines Theaters. Seit dem 12. November 1918 hatte Baake allerdings einen neuen, ganz anderen Wirkungsort: Er saß in der Reichskanzlei in der Wilhelmstraße und lenkte die Geschicke der Regierungszentrale. Friedrich Ebert hatte ihn zum Unterstaats­sekretär und Chef der Reichskanzlei ernannt, und in dieser Funktion spielte Baake eine entscheidende Rolle bei der Suche nach einem Geburtsort für die junge Republik. Für Baake war der Einzug in die Reichskanzlei ein gewaltiger Rollen­wechsel. Viele Jahre hatte er als Kulturredakteur beim Vorwärts gearbeitet und für ein Theater gestritten, das die Lebenswirklichkeit der kleinen Leute reflektiert. Mit seinen Kritiken hatte er dem aufkommenden Naturalismus und dessen gesellschaftskritischen Stücken den Weg bereitet. 1890 zählte Baake zu den MitAbb. 13: Von Kurt Baake (1864–1938) begründern der Berliner Volksstammt die Idee, die Nationalversammlung nach Weimar zu berufen. bühne, die auch Arbeitern ZuWie Kurt Baake den „Geist von Weimar“ in die Reichskanzlei trug  129

gang zur Kultur verschaffte; alle Theaterkarten kosteten 50 Pfennig, die Plätze wurden per Los verteilt. Als die Volksbühne ihr Programm mit Henrik Ibsens Stützen der Gesellschaft eröffnet hatte, einem Stück über die Doppelmoral und Heuchelei der bürgerlichen Gesellschaft, führte das zu einem kleinen Theaterskandal in Berlin. Baake war mit Gerhart Hauptmann und Käthe Kollwitz befreundet, übersetzte Werke von Émile Zola und stand bis 1933 an der Spitze des deutschen Volksbühnenverbandes. Adolf Grimme nannte Baake später einmal „die leibhaftige Volksbühnentradition“.253 Doch Kurt Baake war mehr als nur der sozialdemokratische Mann für die schönen Künste. Schon vor der Jahrhundertwende hatte er die Politisch-Parlamentarischen Nachrichten aufgebaut, einen Pressedienst, der vor allem Provinzzeitungen mit Berichten über Reichstagssitzungen versorgte und der weit über die sozialdemokratische Presse hinaus Verbreitung gewann.254 Baake wurde einer der führenden politischen Korrespon­denten der Hauptstadt, und der Verein der Berliner Parlamentsjournalisten wählte ihn zu seinem Vorsitzenden. Für den SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert war Baake schon während des Krieges zu einem engen Berater und persönlichen Freund geworden.255 Dass er Baake zum Chef der Reichskanzlei machte, lag vor allem daran, dass es kaum Sozialdemokraten mit Erfahrung in der Staatsverwaltung gab. Baake besaß aber neben Eberts Vertrauen viel Managementtalent und Lebensklugheit. Im November 1918 war Baake bereits 54 Jahre alt und sah mit seinem grauen Kinnbart phänotypisch so aus, wie später Emil Jannings in der Rolle des Professors Rath in Der blaue Engel. Baake gelang es, das Personal der kaiserlichen Reichskanzlei auch für die Volksbeauftragten in die Pflicht zu nehmen und den Regierungsapparat in den Wochen des Umbruchs am Laufen zu halten. Auch in turbulenten Situationen ließ sich Baake nie aus der Ruhe bringen. Als seine Mitarbeiter wieder einmal von Putschgerüchten aufgeschreckt zu ihm kamen, beruhigte Baake die besorgten Beamten: „Nun setzen Sie sich erst einmal hin und trinken Sie ein Gläschen von diesem Napoleon-Kognak.“ 256 Baake empfing für seinen Chef Abordnungen und Delegationen, er koordinierte die Arbeit der Volksbeauftragten und führte bei deren ersten Sitzungen persönlich das Protokoll, kurzum: Kurt Baake war in der Reichskanzlei die rechte Hand von Friedrich Ebert. 130  Ein roter Bohemien entdeckt Weimar

An den meisten Sitzungen des Rates der Volksbeauftragten nahm Baake teil, manchmal erstattete er einen kurzen Bericht, aber nur ein einziges Mal beteiligte er sich aktiv an der Debatte.257 Er mischte sich ein, als über den Tagungsort der Nationalversammlung beraten wurde. Für diese Ausnahme gab es einen guten Grund: Kurt Baake war – so notierte es Arnold Brecht in seinen Erinnerungen – „der Vater des Vorschlags, Weimar zum Tagungsort der Nationalversammlung zu machen.“ 258 Ganz ähnlich berichtet Walter Oehme, Baakes damaliger Sekretär: „Der Unterstaatssekretär Baake war der eifrigste Förderer der Weimaridee, denn sie stammte von ihm selbst.“259 Baake ist nicht der einzige Akteur, dem die Urheberschaft für die Weimar-Idee zugeschrieben wird – oder der sie sich selbst zuschrieb. August Baudert, Chef der Landesregierung in Weimar, behauptete, die Idee für Weimar stamme von Arnold Paulssen, dem Gesandten seines Landes in Berlin.260 Das ist allerdings wenig glaubhaft, denn in Paulssens privatem Tagebuch findet sich keine Stütze für diese These. Der Diplomat erwähnt zwar, dass er bei vertraulichen Beratungen und Besichtigungen im Vorfeld der Entscheidung beteiligt war. Er gibt aber keinen Hinweis darauf, dass die Idee von ihm selbst stammte. Als Mitte Dezember Weimars Name erstmals erwähnt wurde, ist Paulssen auch gar nicht in Berlin. Sein Tagebuch verzeichnet für diese Zeit eher gesellschaftliche als politische Aktivitäten: Er hält sich zur Treibjagd in Thüringen auf.261 Ein anderer Diplomat, Rudolf Nadolny, später der Büroleiter von Reichspräsident Ebert, reklamiert ebenfalls die Urheberschaft der Weimar-Idee für sich: Mit einem Bekannten habe er Hugo Preuß die Anregung für eine Tagung in Weimar gegeben: „Herr Preuß griff den Gedanken mit Sympathie auf und brachte ihn zur Durchführung“, schrieb er in seinen Memoiren.262 Nadolny ist jedoch ein wenig glaubwürdiger Zeuge, sein Erinnerungsbuch ist voller historischer Fehler und Ungenauigkeiten und ganz erkennbar geleitet von dem Motiv, seine eigene historische Bedeutung stark zu überhöhen. Nadolnys Behauptung ist auch deshalb völlig unglaubhaft, weil es – wie sich zeigen wird – niemanden gab, der eine Tagung in Weimar so vehement ablehnte und bekämpfte wie Hugo Preuß. Die beiden Zeugen für Baakes Urheberschaft der Weimar-Idee sind dagegen schon wegen ihrer Nähe zu den handelnden Personen besonders glaubwürdig. Bemerkenswert ist zudem, dass ihre Herkunft nicht unterschiedlicher sein könnte: Brecht war ein Jurist und kaiserWie Kurt Baake den „Geist von Weimar“ in die Reichskanzlei trug  131

licher Geheimrat, den bereits Max von Baden in die Reichskanzlei geholt hatte und der sich auch der sozialdemokratischen Regierung zur Verfügung stellte. Oehme dagegen war ein junger Journalist aus dem sozialdemokratischen Milieu, den die Revolution für kurze Zeit in die Regierungszentrale gespült hatte. Zum Jahresende 1918 waren beide ganz dicht dran am politischen Geschehen, dann entfernten sich ihre Lebenswege wieder voneinander. Brecht wurde einer der wenigen Spitzenbeamten, die loyal zur Weimarer Demokratie standen. 1933 ging er in die USA und wurde Professor für Politikwissenschaft in New York.263 Oehme dagegen kehrte in den Journalismus zurück und engagierte sich nach 1945 in der DDR. Dort veröffentlichte er mehrere Erinnerungsbücher über die Novemberrevolution, in denen er – ganz im Duktus des Kalten Krieges – Ebert und der Sozialdemokratie Verrat an der Arbeiterklasse vorwarf. So unterschiedlich Brecht und Oehme in ihren Ansichten waren, in einem Punkt stimmen ihre Erinnerungen überein: Die Einberufung der Nationalversammlung nach Weimar war die Idee von Kurt Baake. Dies ist vor dem Hintergrund seiner Biographie und seines politischen Einflusses nicht nur glaubhaft, sondern wird durch sein überliefertes Agieren im Rat der Volksbeauftragten auch überzeugend belegt. Der Mann, dessen Leidenschaft Politik und Kultur, Parlament und Theater galt, gab den Anstoß dazu, dass Deutschlands erste Republik nicht im Reichstag in Berlin, sondern im Theatersaal von Weimar gegründet wurde. Weimar und Berlin, schärfer noch: Weimar und Potsdam, waren bis Kriegsende ein vertrautes Begriffspaar. Diese Städte symbolisierten Geist und Macht, Goethe und Bismarck, Humanismus und Militarismus. Meistens wurden sie als Gegensatz verstanden: Dem Musenhain an der Ilm stand dann der Kasernenhof im märkischen Sand gegenüber, dem intelligenten Parlieren der preußische Schnauzton, dem klugen Weltbürgertum der dumpfe Hurrapatriotismus. Zwar hatte es im Kaiserreich nie an Versuchen gefehlt, diesen Gegensatz aufzulösen und die Klassiker für das Borussentum zu vereinnahmen,264 doch bei Kriegsausbrauch war es die Propaganda der Entente, die erneut den Gegensatz betonte zwischen der deutschen Kultur, die auch das Ausland schätze, und der deutschen Großmachtpolitik, die man bekämpfen müsse. Auf deutscher Seite provozierte dies allerlei Gegenreaktionen: „Es ist nicht wahr, daß der Kampf gegen unseren sogenannten Militarismus kein 132  Ein roter Bohemien entdeckt Weimar

Kampf gegen unsere Kultur ist, wie unsere Feinde heuchlerisch vorgeben. Ohne den deutschen Militarismus wäre die deutsche Kultur längst vom Erdboden getilgt“, hieß es 1914 in einem „Aufruf an die Kulturwelt“, den 93 Intellektuelle unterzeichneten.265 Ein Jahr später schwadronierte der Nationalökonom Werner Sombart: „Militarismus ist der zum kriegerischen Geist hinaufgesteigerte heldische Geist. Er ist Potsdam und Weimar in höchster Vereinigung. Er ist ‚Faust‘ und ‚Zarathustra‘ und Beethoven-Partitur in den Schützengräben“.266 Wenig später stellte der Rektor der Technischen Hochschule zu Berlin seine Festrede zum Kaisergeburtstag unter den programmatischen Titel „Potsdam und Weimar, die Wurzeln deutscher Kraft“.267 Mit Potsdam und allem, was es symbolisierte, war es vorbei, als die preußisch-deutsche Militärmonarchie am 9. November 1918 zusammenbrach. Von diesem Zeitpunkt an sollte sich Deutschland intellektuell wieder stärker an Weimar orientieren und statt seiner militärischen Bedeutung sein kulturelles Gewicht betonen. Weil aber Berlin nicht nur symbolisch, sondern in vielen Teilen des Reiches auch als Stadt in der Kritik stand, gewann die Debatte über Deutschlands intellektuelle Neuorientierung schnell eine geographische Dimension. Am 12. Dezember 1918 etwa verlangte der junge Hans Natonek im Feuilleton der Deutschen Allgemeinen Zeitung eine „Besinnung auf Weimar“.268 Man müsse den Glauben an den Geist wiedergewinnen, weil dieser die Völker versöhne und „aus einem Schützengrabengewirr eine menschenwürdige Welt“ mache, schrieb er. Bei Natonek blieb noch vage, ob die von ihm geforderte „Schwenkung zurück von Potsdam-Essen-Berlin nach Weimar“ mehr war als bloß eine Metapher. Max Weber, der als Berater der Reichsregierung mit den Plänen der Volksbeauftragten vertraut war, wurde da schon deutlicher. Kurz nach Neujahr 1919 sinnierte er bei öffentlichen Auftritten nicht nur über den Fortfall der Führungsrolle Preußens, sondern auch über eine Verlegung der Hauptstadt nach Weimar.269 Eine umfassende Begründung für einen möglichen Gang nach Weimar lieferte dann der Nachkomme eines der Weimarer Dioskuren, der schriftstellernde Schiller-Urenkel Alexander von Gleichen-Rußwurm. Am 4. Januar 1919 veröffentlichte er in der Weimarischen Landes-Zeitung Deutschland einen großen Leitartikel und griff zunächst das alte Gegensatzpaar auf: „Wie ,Potsdam‘ als Symbol des Kasernengeistes zu betrachten ist, der durch seine geistige Enge, seine Beschränktheit jedem Wie Kurt Baake den „Geist von Weimar“ in die Reichskanzlei trug  133

psychologischen Vorgang und jedem geographischen Gesetz gegenüber kläglich scheiterte, so leuchtet der Name ,Weimar‘ über dem Trümmerhaufen von Kanonen und Trossen als ein rettendes Wegziel, wo wir den Neubau unseres inneren, während der äußeren Katastrophe auch stark beschädigten Menschentums beginnen müssen.“270 Doch von GleichenRußwurm ging einen Schritt weiter und blickte in die Vereinigten Staaten von Amerika. Die waren nicht nur Kriegsgewinner und traditionsreiche Republik, sondern in der Hauptstadtfrage für viele ein Modell, die aus der Großstadt Berlin herauswollten. Schillers Urenkel suchte daher „aus dem Gerippe von Amerikas politischen Gesetzen Brauchbares für das neue Deutsche Reich“ und er fand – Washington. „Wird über Politik dort endgültig in jenen wimmelnden, unruhigen Großstädten New York, Philadelphia, Chicago entschieden? Ein grundlegender Plan fügte Regierung und Volksvertretungen in das Stadtbild des stilleren und kleineren Washington“, schrieb von Gleichen-Rußwurm und zog daraus für Deutschland die Konsequenz: „Weimar, in der Mitte Deutschlands gelegen, mit Ost und West, Nord und Süd in guter Verbindung – nach außen und innen ein Symbol friedlicher Entwicklung scheint mir die besten Vorbedingungen zu vereinigen, den Sitz einer künftigen Zentralregierung und der Volksvertretung zu bilden.“ Für Kurt Baake waren all das keine neuen Erwägungen. Spätestens ab Mitte Dezember galt Weimar in der Reichskanzlei als mögliche Alternative zu Berlin. Als am 21. Dezember 1918 die Presse unter Berufung auf das Reichsinnenamt die Namen all der Städte nannte, die als Tagungsort der Nationalversammlung in Betracht kamen, war Weimar mit dabei, obwohl sich die Stadt selbst gar nicht beworben hatte.271 Der Anstoß kann offenkundig aus der Reichskanzlei, wo Weimar immer öfter erwähnt wurde. Als kurz vor Weihnachten Straßenkämpfe und Meutereien die Arbeit der Volksbeauftragten bedrohten, drängte Ebert zum ersten Mal entnervt auf eine Verlegung der Regierung: „Wir müssen heute noch nach Weimar oder Rudolstadt.“272 Die Unabhängigen blockten das Vorhaben ab, aber Ebert fürchtete in jenen Tagen die Stürmung der Reichskanzlei und die Festsetzung der Volksbeauftragten. Seinem Parteifreund Hermann Müller gab er deshalb ganz besondere Vollmachten: „Für diesen Fall sollte ich außerhalb Berlins eine Regierung bilden … In Magdeburg, Dessau oder Weimar sollte ich gegebenenfalls diesen Versuch wagen“, erinnerte sich Müller später.273 134  Ein roter Bohemien entdeckt Weimar

Wie sein Chef war auch Kurt Baake der Ansicht, dass die politischen Zustände in Deutschland möglichst rasch wieder in geordnete Bahnen gelenkt werden müssten. „Ein so hochentwickeltes Volk wie das deutsche kann revolutionäre Zustände nur ganz kurze Zeit ertragen, namentlich nach einem solchen Krieg; sonst bricht es zusammen“, meinte Baake.274 Ihm ging es aber nicht nur darum, irgendeinen sicheren Tagungsort für die Nationalversammlung zu finden. Er war viel zu sehr Intellektueller, um nicht zu erkennen, dass eine kluge Ortswahl auch die Chance für einen symbolischen Neuanfang bot. Im Kreis der Volksbeauftragten warb er deshalb für Weimar: „Die Konstituante in Weimar sagt aller Welt, dass die Festigung des Deutschen Reiches im Sinne des weimarischen Geistes erfolgen wird.“ Aber neben aller Symbolik hatte Baake auch die Lage in Berlin im Hinterkopf. Er war sich sicher, dass sich die Probleme in der Hauptstadt viel leichter in den Griff bekommen ließen, wenn mit dem Zusammentritt der Nationalversammlung die Phase des revolutionären Übergangs beendet wäre: „Hat die Konstituante erst einmal eine legale Gewalt geschaffen, so werden wir mit Berlin sehr viel eher fertig werden.“ Mit dieser Haltung stand Baake im scharfen Gegensatz zu Hugo Preuß, der als Ressortchef des Reichsamtes des Innern für die Vorbereitung der Nationalversammlung zuständig war. Preuß drängte die Volksbeauftragten schon seit Anfang Dezember zur Entscheidung über die Nationalversammlung, aber für ihn war klar, dass „kaum ein anderer Ort als Berlin für den Sitz der Nationalversammlung in Betracht kommt“.275 Preuß sah nicht nur die logistischen Probleme bei einer räumlichen Trennung von Parlament und Regierung, sondern er wollte die auseinanderstrebenden Teile des Reiches auch durch eine demons­ trative Tagung in der Hauptstadt zusammenhalten: „Die letzten Vorgänge am Rhein, das Verlangen nach der Bildung einer Republik Rheinland-Westfalen, die ‚Los-von-Berlin‘-Bewegung, die sich auch in Süddeutschland geltend macht, können nur dann überwunden werden, wenn die Reichsregierung nicht nur zusagen, sondern auch durch ihre Machtmittel gewährleisten kann, dass die Nationalversammlung in Berlin völlig ungehindert und frei vom Druck ihr feindlicher Gruppen ihren großen Aufgaben obliegen kann.“ Am Silvestertag des Jahres 1918 befassten sich die Volksbeauftragten das erste Mal mit dem Tagungsort der Nationalversammlung. Es wurde Wie Kurt Baake den „Geist von Weimar“ in die Reichskanzlei trug  135

auch langsam Zeit, denn am 19. Januar sollte gewählt werden und das Parlament sollte anschließend rasch zusammentreten. Wieder zeigte sich, dass Friedrich Eberts größte Sorge dem Zusammenhalt des Reiches galt: „Wir haben die starken Strömungen am Rhein und im Westen, die die Gefahr mit sich bringen, dass das linke Rheinufer uns verlorengeht. Im Osten besteht die Gefahr, dass Ostpreußen von dem übrigen Preußen getrennt wird. Dann die große Strömung im ganzen Reich gegen Berlin, die Unzufriedenheit über die Dinge in Berlin“, mahnte Ebert.276 Im Gegensatz zu Preuß wollte der SPD-Chef die zentrifugalen Tendenzen nicht durch eine Machtdemonstration in Berlin überwinden; er verfolgte eine ganz andere Strategie und wollte die auseinanderstrebenden Reichsteile durch ein symbolisches Entgegenkommen zusammenhalten. „Alles das“, erklärte Ebert mit Blick auf den Separatismus, „sollte doch die Frage nahelegen, ob es unter diesen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist, die Nationalversammlung mehr in das Herz Deutschlands hineinzuverlegen, ich glaube in Süddeutschland, im Westen und im Osten, würde das sicher sehr gut wirken.“ Sicherheitsfragen spielten für Friedrich Ebert zu diesem Zeitpunkt dagegen nur eine nachrangige Rolle. Wo genau das Parlament tagen sollte, ließ Ebert noch offen. Er zeigte viel Sympathie für Frankfurt, gab aber auch zu bedenken: „Man kann nicht mit der Nationalversammlung in die Nähe der gegnerischen Besatzung gehen.“ Vor einer Entscheidung sollte eine kleine Expertenkommission die fraglichen Städte genau unter die Lupe nehmen. „Wir haben eine Reihe von Orten in Aussicht genommen, Kassel, Bayreuth, Weimar, auch Frankfurt, und wir wollen einige Leute beauftragen, schnellstens in diesen Orten zu sondieren, ob es möglich ist, die Nationalversammlung nach einem dieser Orte zu berufen und dort gut unterzubringen.“ Eberts Vorschlag stieß weder bei den Volksbeauftragten noch bei den Vertretern des Zentralrates, die ebenfalls an der Sitzung teilnahmen, auf Widerspruch. Wenige Tage später starteten zwei Regierungsbeamte am Anhalter Bahnhof zu einer Erkundungsmission. Kurt Baake hatte die politischen Weichen klug gestellt, denn der Zug rollte in Richtung Weimar.

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20.  Zwei Geheimräte auf Reisen …

… und der „Spartakusaufstand“ in Berlin

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er erste Sonntag des Jahres 1919 war ein grauer Wintertag in Berlin. Trotzdem zeigte die Stadt am 5. Januar so viel Farbe wie kaum je zuvor. Zu Tausenden zogen die Menschen durch die Straßen, und viele waren mit roten Fahnen und Armbinden ausgestattet. Zahlreiche Akteure aus dem linken Lager hatten zu der Demonstration aufgerufen: die USPD, die revolutionären Obleute der Berliner Fabriken und die neue Kommunistische Partei (KPD), die am 30. Dezember von Anhängern des bisherigen Spartakusbundes gegründet worden war. Weit mehr Menschen sammelten sich im Tiergarten, als die Organisatoren erhofft hatten, was den Veranstaltern noch erhebliche Probleme bereiten sollte. Während die Arbeitermassen durch das Brandenburger Tor über den Schloßplatz bis zum Polizeipräsidium am Alexanderplatz zogen, standen am Anhalter Bahnhof zwei sehr bürgerliche Herren auf dem Bahnsteig und warteten auf ihren Zug. Mit den Demonstranten hatten die beiden wenig im Sinn, denn sie gehörten schon von Berufs wegen nicht zur Opposition. Sie vertraten Staat und Regierung, auch wenn in jenen Tagen nicht immer ganz sicher war, wer das gerade ist. Jetzt waren die beiden im Auftrag des Rates der Volksbeauftragten unterwegs und sollten in einer streng geheimen Mission Richtung Süddeutschland reisen. Leicht war es an jenem Tag nicht, die Stadt zu verlassen. Die Züge fuhren nur unregelmäßig, denn im Betriebswerk in Rummelsburg streikten die Eisenbahner aus Solidarität mit den Demonstranten. Der Anlass für den Protest war die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten gewesen. Der Mann hatte der USPD angehört und war vom preußischen Ministerpräsidenten von der Mehrheits-SPD entlassen worden, weil er bei den letzten Unruhen Waffen an seine Parteifreunde hatte verteilen lassen. Diese Entlassung war zwar der Anlass, aber nicht der Grund, warum so viele Menschen auf die Straße gingen. Wenige Tage zuvor … und der „Spartakusaufstand“ in Berlin 137

waren im Reich und in Preußen die Koalitionen zwischen den beiden sozialdemokratischen Parteien zerbrochen, aus dem Rat der Volksbeauftragten waren die drei USPD-Mitglieder zurückgetreten. Die Menschen waren enttäuscht darüber, dass sich die Führer der beiden Arbeiterparteien nicht einigen konnten, und sie waren voller Sorge wegen eines drohenden Bruderkampfs. Beides trieb nicht nur die Anhänger der Unabhängigen auf die Straßen, sondern auch viele Unterstützer der Mehrheits-SPD. Was an jenem Sonntag begann, sollte später als „Spartakusaufstand“ in die Geschichtsbücher eingehen. Das war zwar falsch, weil nur eine kleine radikale Minderheit der Demonstranten den Sturz von Friedrich Ebert und den Volksbeauftragten im Sinn hatte. Richtig war aber, dass die beiden sozialdemokratischen Parteien in der Frage des Fortgangs der Revolution sehr unterschiedliche Ansichten hatten. Die Mehrheits-SPD drängte auf eine rasche Wahl der Nationalversammlung, damit ein Votum des Volkes die Volksbeauftragten demokratisch legitimierte. Viele Unabhängige dagegen bremsten, denn sie planten, die revolutionär erlangte Macht zu nutzen, um vor einer Wahl die Veränderungen im Staat voranzutreiben und die Demokratie fest zu verankern. Strittig war aber nicht nur der Termin des Urnenganges, sondern auch die Frage, wo die künftige Nationalversammlung tagen sollte. In Berlin, so wie es die USPD forderte, oder außerhalb der bisherigen Hauptstadt, wofür sich vor allem Friedrich Ebert starkmachte. Mit all diesen Fragen beschäftigten sich die beiden Herren vom Anhalter Bahnhof schon von Amts wegen. Den älteren kannte in Berlin jeder Politiker von Rang: Bernhard Jungheim war der Verwaltungsdirektor des Reichstages und damit so etwas wie der oberste Hausmeister des Reichstagsgebäudes. In dieser Funktion durchlebte er schwere Tage: Seit dem 9. November 1918 war der Reichstag zum Tummelplatz politischer Versammlungen und Demonstrationen geworden. Tausende von Menschen strömten unkontrolliert in das Gebäude, und bald sollte es sogar zu einem Heerlager werden: Die SPD hatte eine paramilitärische Truppe zum Schutz der Volksbeauftragten zusammengestellt, und dieses neue Regiment „Reichstag“ hatte sein Hauptquartier im Parlamentsgebäude aufgeschlagen. Neben dem sorgengeplagten Reichstagsdirektor stand Alfred Schulze auf dem Bahnsteig. Er war ein Jurist, der den schönen Titel eines Geheimen Ober138  Zwei Geheimräte auf Reisen …

regierungsrates führte und im Reichsamt des Innern für die Vorbereitung der Nationalversammlung zuständig war. Zusammen mit dem Reichstagsdirektor sollte Schulze für die Volksbeauftragten einen Ort finden, an dem der politische Neuanfang der jungen Republik beginnen und das neue Parlament zusammentreten konnte.

Abb. 14: Das Reichstagsgebäude wird im Zuge der Revolution zum Heerlager, sein Lesesaal fungiert als Verpflegungsstelle für Soldaten.

Lenin hat bekanntlich gespottet, deutsche Revolutionäre würden auch für die Besetzung eines Bahnhofes ordnungsgemäß eine Bahnsteigkarte lösen. Jungheim und Schulze sorgten mit der Ortswahl der Nationalversammlung auch für eine kleine Revolution im deutschen Staatsleben, und selbstverständlich ging auch dies nicht ohne Formalitäten, für die Lenin nur Spott übriggehabt hätte. Die beiden Beamten legten am Ende ihrer Erkundungstour eine penible Abrechnung der Reisekosten vor, die noch heute im Bundesarchiv verwahrt wird.277 Aufgrund dieser Abrechnung wissen wir, dass die beiden Geheimräte in der 2. Klasse reisten, ihre Fahrkarten 40,90 Reichsmark kosteten und dass das erste Ziel ihrer Reise eine handfeste Überraschung war: Ihre Fahrt ging nämlich nicht nach Weimar, sondern ins bayerische Bayreuth. … und der „Spartakusaufstand“ in Berlin 139

Wie Bayreuth auf die Liste der potentiellen Tagungsorte für die Nationalversammlung geraten war, ist unklar. Eine Bewerbung der Stadt selbst gab es nicht. Ebert hatte aber am Silvestertag Bayreuth in einem Atemzug mit Weimar als möglichen Tagungsort genannt.278 Ob auch dies eine Idee des kulturbeflissenen Kurt Baake gewesen war, ist offen. Jedenfalls war Bayreuth damals – ähnlich wie Weimar – eine Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern, die über wenig Industrie verfügte und daher kaum Arbeiterschaft besaß. Der örtliche Arbeiterrat wurde von der SPD dominiert, denn die USPD besaß hier nicht einmal einen Ortsverein. Die Stadt war eng mit dem Namen Richard Wagner verbunden, dessen kultische Verehrung im Familiensitz Wahnfried gepflegt wurde und im konservativ-reaktionären Milieu der Kleinstadt bestens gedeihen konnte. Schon bald nach der Revolution herrschte in Bayreuth wieder ein konservatives Bürgertum, das der Republik feindlich gegenüberstand: Als Ebert 1925 starb, verweigerten die Stadtväter dem toten Reichspräsidenten die Trauerbeflaggung. Im Januar 1919 machten die beiden Emissäre aus Berlin in der Stadt nur kurz Station. Wen sie dort trafen und welche Erkundigungen sie einzogen, lässt sich nicht mehr feststellen, aber ihr Urteil war eindeutig. Zurück in Berlin, erklärten sie den Volksbeauftragten: „In Bayreuth sind die Verhältnisse nicht geeignet für die Unterbringung der Nationalversammlung.“279 Von der Wagnerstadt reisten Jungheim und Schulze weiter nach Nürnberg. Zwei Tage blieben sie dort. Zunächst musste ein großer Saal gefunden werden, in dem das Plenum des neuen Parlaments tagen konnte. Dann war daran zu denken, wo die Abgeordneten, Beamten und Journalisten, die zur Nationalversammlung in die Stadt kommen würden, wohnen konnten. Schließlich war auch die Sicherheitslage in der Stadt ein Kriterium. Für eine Großstadt wie Nürnberg wäre es kein Problem gewesen, die Nationalversammlung und ihr Gefolge unterzubringen. Insoweit waren die Verhältnisse bestens, und das machten Schulze und Jungheim in ihrem Bericht an die Volksbeauftragten auch deutlich. Sie rieten aber dennoch von Nürnberg ab, und zwar wegen der Sicherheitslage. Die Regimenter in der Stadt seien sehr unzuverlässig, erklärten sie. Tatsächlich war es noch während ihres Aufenthalts, am 7. Januar 1919, zu einem Krawall in der Stadt gekommen. Linksradikale Demonstranten hatten die Redaktion der Fränkischen Tagespost gestürmt und die Redakteure der SPD-Zeitung gefangen genommen, 140  Zwei Geheimräte auf Reisen …

also ausgerechnet jenes Blattes, das im Oktober 1918 als erstes die Debatte über die Abdankung des Kaisers angestoßen hatte.280 Das war kein gutes Vorzeichen, und deshalb votierten die beiden Beamten gegen Nürnberg. Nach den Erkundigungen im bayerischen Franken reisten die zwei Geheimräte weiter nach Thüringen. Ihre erste Station dort war Jena, ebenfalls eine Stadt, die sich bisher nicht aktiv um die Nationalversammlung beworben hatte, die aber immer wieder erwähnt wurde, wenn es um Ausweichquartiere für die Berliner Politik ging. Die Beamten besichtigten in Jena zunächst das „Volkshaus“. 1903 hatte der Wissenschaftler und Mäzen Ernst Abbe ein imposantes viergeschossiges Gebäude im Stil des Historismus errichten lassen, das ein Bildungs- und Kulturzentrum für alle Bevölkerungsschichten Jenas sein sollte. Der große Festsaal dieses Volkshauses wäre ideal für das Plenum des Parlaments gewesen, und weil das Haus auch zahlreiche kleinere Nebensäle hatte, hätte es auch genug Platz für die Sitzungen von Fraktionen und Ausschüssen geboten. Trotzdem zögerten die Beamten, der Stadt ihr Plazet zu geben, denn mit den Räumen für die Abgeordneten war es nicht getan. Auch ein Teil des Regierungsapparats würde von Berlin an den Ort der Nationalversammlung umziehen müssen, und dafür bot Jena, eine Stadt mit etwa 45.000 Einwohnern und nur wenigen Hotels, einfach zu wenig Raum. Die ersten drei Reiseziele des Reichstagsdirektors und seines Kollegen hatten sich also als Fehlschläge entpuppt. Würde ihre vierte Station endlich der richtige Ort für die Nationalversammlung sein? Am Donnerstag, den 9. Januar 1919, kamen Bernhard Jungheim und Alfred Schulze nach Weimar. Für die Verantwortlichen vor Ort war ihr Besuch keine Überraschung, denn wenn in den vergangenen Wochen die Zeitungen über ein mögliches Ausweichquartier für die Nationalversammlung spekuliert hatten, war immer auch Weimar genannt worden. Außerdem hatte der Gesandte des Landes Sachsen-Weimar-Eisenach in Berlin die Spitzen von Stadtverwaltung und Landesregierung bereits Anfang des Jahres darüber informiert, dass man in der Hauptstadt auch Weimar in die engere Wahl zog.281 Trotzdem fand der Besuch nun unter strenger Geheimhaltung statt. „Es wurde erwartet, dass auf keinen Fall vor dem Stattfinden der Wahl etwas in der Öffentlichkeit bekannt wurde“, erinnerte sich August Baudert, der provisorische Chef der … und der „Spartakusaufstand“ in Berlin 141

Landesregierung.282 Außer Weimars Oberbürgermeister wurde daher nur der städtische Baudirektor ins Vertrauen gezogen. Zu fünft ging man in der Stadt auf die Suche nach einem künftigen Parlamentsgebäude. Zuerst dachte man dabei an das bisherige Großherzogliche Schloss oder die Herderkirche, aber rasch zeigte sich, dass beide zu klein waren, um die rund 400 Abgeordneten aufzunehmen. Der dritte Bau, der in Frage kam, war das bisherige Hoftheater, und von diesem Gebäude waren die Experten aus Berlin schwer begeistert: „Das Theater ist ein sehr moderner, freistehender Bau, das Parkett steigt terrassenförmig an und würde eine vorzügliche Verbindung zwischen Regierung und Parlament gestatten. Der erste Rang käme für die Abgeordneten, der zweite Rang für die Presse in Frage; der dritte Rang ist vollständig isoliert und könnte für das Publikum frei sein“, so berichteten sie später den Volksbeauftragten. Reichstagsdirektor Jungheim machte zudem noch einen großen Vorteil des Weimarer Theaters gegenüber dem Volkshaus in Jena aus: Anders als im Volkshaus seien im Theater die Stühle fest am Boden montiert, was ein großer Vorteil sei, weil andernfalls „das ewige Schurren und Hin- und Herbewegen der Stühle dauernd Geräusch entstehen lassen würde.“ Die Besucher aus Berlin waren aber nicht nur vom Theatersaal beeindruckt, sondern auch von der sonstigen baulichen Infrastruktur: Im Theatergebäude gab es rund 40 kleinere Räume, die man als Büros nutzen konnte, Weimars Schloss bot ein Dutzend Appartements, in denen die Volksbeauftragten wohnen konnten, und das Landgericht der Stadt, mit seinen 40 bis 50 Räumen, kam für die Unterbringung der künftigen Parlamentsfraktionen in Betracht. Auch hinsichtlich der Übernachtungsmöglichkeiten waren Jungheim und Schulze optimistisch. Sie dachten neben den Hotels der Stadt auch an Privatquartiere zur Untermiete und an das Umland: „Außerdem liegen Apolda, Jena und andere Orte in der Nähe, mit denen sich leicht ein Pendelverkehr herstellen ließe, und man würde dort nicht weiter von dem Parlamentsgebäude entfernt sein wie etwa hier in Berlin bei den Vororten.“ Während die Berliner Beamten von Weimar begeistert und überzeugt waren, endlich den richtigen Tagungsort gefunden zu haben, war Oberbürgermeister Martin Donndorf alles andere als euphorisch gestimmt. Nach Weimar kamen bis dahin vor allem Kulturtouristen, die auf Goethes und Schillers Spuren wandelten. Seit seinem Amts142  Zwei Geheimräte auf Reisen …

antritt 1910 mühte sich der Bürgermeister, die Stadt zu einem Kongress- und Tagungsort auszubauen, aber mit der großen Politik hatte er bis dahin nichts zu tun gehabt. Sein bisheriger Landesherr war der Großherzog Wilhelm Ernst, der 1901 im Alter von 25 Jahren an die Spitze des Kleinstaates gerückt war. Der Herzog war nicht nur ein Neffe Kaiser Wilhelms II., sondern glich ihm auch in Mentalität und Habitus. Herrisch im Auftreten, beschreiben ihn Historiker als brutal, cholerisch und sogar sadistisch.283 Er prügelte Kinder mit der Reitpeitsche, demütigte Adlige mit Ohrfeigen und hatte den Weimarer Oberbürgermeister erst im Juni 1918 öffentlich so unflätig beschimpft, dass dieser bat, künftig nicht mehr an den Hof eingeladen zu werden.284 Von Kunst und Literatur hatte der Großherzog wenig verstanden und deren Zweck vor allem darin gesehen, die vermeintlichen Heldentaten der deutschen Fürsten zu glorifizieren. Die Jahresversammlung der traditionsreichen Goethe-Gesellschaft hatte Wilhelm Ernst schon mal geschwänzt, denn mehr als für das Schöngeistige hatte er sich für die Jagd und alles Militärische begeistert. Für den Soziologen Max Weber war dieser Weimarer Herzog schlicht ein „Hohn auf den Ort“285 und Weimars sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter nannte ihn „den wohl meistgehassten Fürsten in Deutschland“.286 Dieser Großherzog hatte ebenso wie Kaiser Wilhelm II. das Scheitern der Monarchie personifiziert und eindrucksvoll bewiesen, wie untauglich das Prinzip der Erbfolge zur Bestimmung des politischen Führungspersonals war. Die reaktionäre Oberschicht Weimars aber hatte der Monarchie und ihrer Dynastie bis zum letzten Atemzug die Treue gehalten. Während im Herbst 1918 in ganz Deutschland über Abdankung und Thronverzicht spekuliert wurde, war in der Weimarer Lokalpresse noch am 2. Oktober 1918 eine devote Huldigungsadresse an den Herzog erschienen. Mit Blick auf die neue Reichsregierung des Prinzen Max und den Versuch, den Volksvertretern endlich mehr Einfluss auf die Regierungspolitik zu geben, hatte der Aufruf vor dem „schädlichen Parlamentarismus“ gewarnt und den Großherzog „untertänigst“ gebeten, keinerlei Demokratisierung der politischen Verhältnisse zuzustimmen. Adlige und Militärs, Beamte und Pensionäre hatten den Aufruf unterzeichnet – Angehörige jener sozialen Schichten, die in der Hof- und Residenzstadt Weimar den Ton angaben.287 … und der „Spartakusaufstand“ in Berlin 143

Das Gegengewicht zu diesen alten Eliten waren überall in Deutschland vor allem die Industriearbeiter. Sie waren durch Gewerkschaften und Sozialdemokratie politisiert und neben den Soldaten die treibende Kraft der Revolution gewesen. In Weimar allerdings gab es zu jener Zeit kaum Industrie. Eine Fabrik für Eisenbahn- und Militärbedarf war zwar mit etwa 600 Beschäftigten der größte Arbeitgeber, aber die Mehrzahl der Arbeiter stand im Dienst des Hofes, und viele Arbeiterfrauen dienten als Hauspersonal in den bürgerlichen Häusern der Stadt.288 Die Revolution beschränkte sich daher in Weimar auf den Sturz der örtlichen Dynastie.289 Am 8. November waren einige Soldaten von der Garnison zum Schloss gezogen. Dort hatte sich August Baudert, der örtliche Reichstagsabgeordnete von der SPD , an die Spitze der Bewegung gestellt, den Großherzog zur Abdankung veranlasst und selbst die Landesregierung übernommen. Im Übrigen waren die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Stadt kaum verändert. Zwar hatte sich ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, aber sowohl Baudert als auch Oberbürgermeister Donndorf hielten ihn von jedem Einfluss fern. Von dem Besuch der Berliner Delegation und den Plänen für die Na­ tionalversammlung erfuhr der Rat erst später aus der Zeitung. Wie schwach die politische Linke in der Stadt war, zeigte sich bei der Wahl der Nationalversammlung: Die nichtsozialistischen Parteien brachten es auf 61 % der Wählerstimmen – Weimar war eine bürgerliche Insel im roten Thüringen. Als Anfang 1919 die Abgesandten aus Berlin in Weimar erschienen, war Oberbürgermeister Donndorf klar, wie riskant eine Nationalversammlung in seiner Stadt werden konnte. Weimar würde zum Zentrum der deutschen Politik werden, einer Politik, die sich in jenen Tagen am Rand des Bürgerkriegs befand. Während die beiden Geheimräte durch Deutschland reisten und mögliche Tagungsorte erkundeten, war in Berlin die Gewalt eskaliert. Vom großem Zuspruch für ihre Sonntagsdemonstration euphorisiert, hatten Linksradikale um den KPD-Gründer Karl Liebknecht die Volksbeauftragten kurzerhand für abgesetzt erklärt und die Machtübernahme durch einen Revolutionsausschuss verkündet. Alle Versuche von gemäßigten USPD-Politikern, zu einem Ausgleich zwischen Volksbeauftragten und Aufständischen zu kommen, scheiterten. Für Liebknechts Mitstreiterin Rosa Luxemburg waren Ebert und Scheidemann „die Todfeinde der Revolution“, und sie stellte 144  Zwei Geheimräte auf Reisen …

die rhetorische Frage: „Führt man mit einem Todfeind Verhand­ lungen?“290 Für die Volksbeauftragten dagegen war dieser neue Putsch der Versuch, die anstehende Wahl der Nationalversammlung zu verhindern. „Die Regierung, die binnen zehn Tagen die freie Entscheidung des Volkes über sein eigenes Schicksal herbeiführen will, soll mit Gewalt gestürzt werden. Das Volk soll nicht sprechen dürfen, seine Stimme soll unterdrückt werden“, erklärten die Volksbeauftragten in einem Aufruf am 8. Januar.291 Die Politik Eberts, durch eine rasche Wahl die Einheit des Reiches zu sichern, drohte zu scheitern. Deutschland stand an der Schwelle zu Chaos und Zerfall. In dieser Situation griffen die Volksbeauftragten zu einer Doppelstrategie. Sie riefen zunächst ihre eigenen Anhänger zu Demonstrationen in die Wilhelmstraße, um mit deren bloßer Präsenz einen Sturm der Regierungsgebäude durch die Radikalen zu verhindern. Zugleich sammelte der neue Volksbeauftragte Gustav Noske außerhalb Berlins regierungstreue Truppen für ein gewaltsames Vorgehen gegen die Aufständischen. Mit Hilfe von rechten Militärs und Freikorps sollte nun auch mit Gewalt für „Ordnung“ in Berlin gesorgt werden. Die Volksbeauftragten überschätzten dabei die Gefahr, die von der radikalen Linken ausging, denn ihr fehlte es an Macht und Plan für eine ernsthafte Übernahme der Regierung. Von Hass und einer überzogenen Bolschewismus-Furcht angestachelt, gingen die Regierungstruppen ab 10. Januar 1919 mit maßloser Brutalität gegen die linken Arbeiter und Soldaten vor. Am Ende des „Spartakus­ aufstandes“ waren mehr als 100 Tote zu beklagen, einschließlich Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die von Freikorpssoldaten brutal ermordet wurden. Weimars Oberbürgermeister sorgte sich, dass mit der Nationalversammlung auch diese politische Gewalt in seine Stadt kommen würde. Mit seinen Bedenken hielt er gegenüber den Abgesandten aus Berlin nicht hinter dem Berg, aber er lehnte die Idee einer Weimarer Nationalversammlung auch nicht rundweg ab. Vielleicht sah Donndorf, dass sich der Stadt hier die historische Chance bot, ein zweites Mal in die Geschichtsbücher einzugehen. Die Berliner Beamten bemerkten die Ambivalenz des Oberbürgermeisters und berichteten später, er habe „mit einem heiteren und einem nassen Auge“ auf die Pläne reagiert. Zurück in Berlin, informierten die beiden Geheimräte den Rat der Volksbeauftragten über ihre Erkundigungsreise und fällten ein klares … und der „Spartakusaufstand“ in Berlin 145

Urteil: Bayreuth, Nürnberg und Jena hatten sich als ungeeignet erwie­ sen, aber von Weimar waren sie begeistert. „Das Theater in Weimar ist der bestgeeignete Raum für die Nationalversammlung“, erklärten sie Friedrich Ebert und seinen Kollegen. Das Votum der Experten war eindeutig, nun mussten die Politiker entscheiden, aber die waren sich in der Frage des Tagungsortes alles andere als einig.

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21.  Ebert setzt sich durch

Die Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk

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ls der Rat der Volksbeauftragten am Dienstag, den 14. Januar 1919, in der Reichskanzlei zusammentrat, lag eine wichtige Entscheidung hinter ihm und eine nicht weniger bedeutsame vor ihm. Der blutige Militäreinsatz des vorangegangenen Wochenendes hatte nicht nur die Linkradikalen politisch ausgeschaltet und die Rolle der Volksbeauftragten gefestigt, sondern mit ihm war auch entschieden, dass die Wahl der Nationalversammlung am folgenden Sonntag wie geplant stattfinden würde. Damit rückte zugleich eine andere Frage wieder auf die Tagesordnung: Wo sollte die Volksvertretung zusammentreten? Schon bei der Sitzung am Freitag war das Thema kurz zur Sprache gekommen: Die Bitte der Regierungen von Bayern, Baden, Württemberg und Hessen, die Nationalversammlung in Würzburg tagen zu lassen, war eingegangen.292 Die Volksbeauftragten hatten das Thema aber rasch vertagt. Sie mussten zu dem Zeitpunkt jeden Augenblick mit der Erstürmung der Reichskanzlei durch Liebknechts Leute rechnen. Bevor die Machtfrage in Berlin nicht entschieden war, schien jede Diskussion über den Sitz der Nationalversammlung müßig. Nun, da der Konflikt entschieden war, musste aber endlich ein Ort gefunden werden, denn die schnelle Wahl des Parlaments würde nur dann politische Wirkung haben, wenn die Volksvertreter auch rasch zusammentreten konnten. Ganz gleich, wo das geschehen würde, brauchte die Organisation des Parlamentsbetriebs eine Menge Vorbereitung, und deshalb musste die Entscheidung über den Ort nun möglichst schnell fallen. Die Volksbeauftragten machten sich die Sache nicht leicht. Fast drei Stunden lang debattierte die Regierung über den optimalen Tagungsort der Nationalversammlung.293 Unter dem Vorsitz von Friedrich Ebert kam ein Dutzend Personen zusammen: Mit Ebert, Scheidemann und Landsberg waren nur drei der fünf Volksbeauftragten präsent, außerdem Die Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk 147

nahm der Sozialdemokrat Robert Leinert, der Vorsitzende des Zentralrats, teil. Die Staatssekretäre für Äußeres, Inneres und Justiz, Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau, Hugo Preuß und Paul von Krause waren dabei, zudem General Walther Reinhardt, seit Jahresbeginn preußischer Kriegsminister. Von Seiten der Reichskanzlei nahmen deren Chef Kurt Baake und der Ministerialdirektor Walter Simons teils, schließlich kamen die beiden Fachleute Geheimrat Schulze und Reichstagsdirektor Jungheim hinzu. Die bunte Zusammensetzung dieser Runde war nicht ungewöhnlich. Auch wenn die exekutive Gewalt allein in den Händen der Volksbeauftragten lag, tagten sie nicht immer in exklusiver Runde. Viele Beratungen wurden mit dem Zentralrat abgehalten, und häufig wurden – je nach Beratungsgegenstand – auch die Staatssekretäre und Chefs der einzelnen Reichsämter beigezogen, zu denen faktisch auch der preußische Kriegsminister zählte, denn ein Reichswehrministerium gab es noch nicht. Die Beratungen wurden eröffnet mit dem Reisebericht der beiden Städtetouristen Schulze und Jungheim. Sie schilderten ihre Eindrücke aus Bayreuth, Nürnberg, Jena und Weimar und gaben ein klares Votum ab: Weimar sei am besten geeignet für die Nationalversammlung. In den Wochen zuvor war eine Vielzahl von Städten im Gespräch gewesen, aber jetzt, im Moment der Entscheidung, spielten die meisten von ihnen keine Rolle mehr. Otto Landsberg brachte zwar noch einmal die Frankfurter Paulskirche ins Gespräch, verwarf diesen Gedanken aber selbst wegen der Nähe der französischen Besatzungssoldaten zu Frankfurt. Die Nationalversammlung könne sich unmöglich „unter den Schutz feindlicher Bajonette“ begeben. Auch Philipp Scheide­mann wies noch einmal auf Kassel hin, aber er tat dies ohne viel Verve und wohl eher aus Verpflichtung gegenüber seiner Heimatstadt. Sieht man von diesen beiden Vorstößen ab, dann konzentrierte sich die Debatte ausschließlich auf zwei Orte, nämlich auf Berlin und Weimar. Für Weimar trat vor allem Friedrich Ebert ein, und er wurde dabei von Scheidemann, Leinert, Brockdorff-Rantzau und Baake unterstützt. Wortführer der Berlin-Anhänger war Hugo Preuß, dem Landsberg, Reinhardt und von Krause zur Seite traten. Beide Lager waren von den gleichen Sorgen und Motiven erfüllt. Sie fürchteten den Zerfall des Reiches und wollten mit der Wahl des Tagungsortes ein Zeichen für den Zusammenhalt Deutschlands setzen. Die Hauptfrage der Ortswahl sei, 148  Ebert setzt sich durch

so brachte Hugo Preuß es auf den Punkt, ob die Abhaltung der deutschen Nationalversammlung zur Festigkeit und Einheit des Reiches beitrage. Welcher Ort allerdings am besten in der Lage sein würde, die auseinanderdriftenden Reichsteile zusammenzuhalten, darüber gingen die Ansichten weit auseinander. Berlin und Weimar standen für zwei unterschiedliche politische Konzepte. Hugo Preuß und die Anhänger Berlins dachten die deutsche Einheit eher vom Zentrum her. Für Preuß war deshalb klar: „Die Macht muss beim Reiche sein und das wird am stärksten dokumentiert, wenn die deutsche Nationalversammlung in Berlin sitzt, Berlin beherrscht und die Hauptstadt Preußens blockiert.“ Friedrich Ebert und die Weimar-­ Befürworter dagegen verstanden Deutschland eher von seinen Gliedern her und argumentierten andersherum: „Die Verlegung der Nationalversammlung nach dem Herzen Deutschlands wird den Einheitsgedanken, die Zusammengehörigkeit des Reiches mächtig stärken“, so Ebert. Zu Gunsten Berlins führte Hugo Preuß die geschichtliche Erfahrung von 1848/49 ins Feld. Die Verfassung, die man in Frankfurt beschlossen habe, sei ein Stück Papier gewesen. Der Zentralgewalt der Frankfurter Paulskirche war es damals nicht gelungen, die Macht der Einzelstaaten zu brechen. Preuß fürchtete beim Fortgang der Nationalversammlung aus Berlin nun ein ähnliches Schicksal für das Reich und eine Be­ schleunigung des Zerfallsprozesses. „Die bayerischen Partikularisten werden sehr zufrieden sein“, spottete er. Für ihn blieb ein möglicher Fortgang aus Berlin stets „ein gewisses Zeichen der Schwäche“ der Reichsregierung. Für Preuß waren die zentrifugalen Tendenzen im Reich allein durch eine Machtdemonstration der Reichsregierung zu stoppen, und eine ungestörte Tagung der Nationalversammlung in Berlin wäre genau ein solches Zeichen der Stärke. Zweifel daran, dass die Regierung diese Stärke besaß, hatte Preuß nicht, im Gegenteil: „Wenn … die Regierung die Maßnahmen weiter so energisch wie bisher durchführt, dürfte Berlin gegenwärtig eine der sichersten Städte sein“, erklärte Preuß. Ganz ähnlich sah Justizstaatssekretär von Krause die Lage. Der Berliner Anwalt, der viele Jahre für die Nationalliberalen im preußischen Abgeordnetenhaus gesessen hatte, war sich sicher: „Nach den Ereignissen der letzten Tage braucht man aus Sorge vor einer ungenügenden Sicherheit Berlins keinen Ort außerhalb Berlins zu wählen“. Der Volksbeauftragte Otto Landsberg fürchtete sogar, die Regierung werde bei Die Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk 149

einer Verlegung „als übertrieben vorsichtig“ bezeichnet werden. „Aus praktischen Gründen“, so Landsberg, „würde ich es doch für besser halten, in Berlin zu bleiben.“ Dass militärische Aspekte nur eine untergeordnete Rolle spielten, belegt auch die Intervention von Kriegsminister Reinhardt. Der General versuchte, die Illusion zu zerstreuen, eine Tagung in einer Kleinstadt würde keine militärischen Gefahren für die Nationalversammlung und ihre Abgeordneten bergen. „Gegen einen Infanterieangriff ist allerdings eine Stadt wie Weimar leichter zu schützen, aber nicht gegen Automobile, Flugzeuge, weittragende Geschütze usw.“, mahnte der General. Außerdem sei man in der Provinz viel stärker von der Verkehrslage und möglichen Eingriffen in den Eisenbahnverkehr abhängig als in Berlin. „Muss man … Weimar und Berlin gleichzeitig schützen, so findet eine Zersplitterung der Kräfte statt“, warnte der Kriegsminister. Aber der Militär hatte neben der Sicherheitslage auch die antipreußische Stimmung im Blick. Die Forderung der süddeutschen Staaten nach einer Tagung in Würzburg falle zusammen mit, so Reinhardt sarkastisch, „allen möglichen anderen Freundlichkeiten, die sich gegen Preußen richteten“. Angesichts der Größenverhältnisse – Preußen hatte drei Mal soviel Einwohner wie die vier süddeutschen Staaten zusammen – wollte der General die Stimmung im Süden allerdings nicht überbewerten und stellte klar: „Ich würde es begrüßen, wenn die Nationalversammlung in Berlin und nicht in Weimar stattfindet.“ Ein linksliberaler jüdischer Professor, ein preußischer Nationalliberaler, ein sozialdemokratischer Volksbeauftragter und ein General der alten preußischen Militärelite – die Anhänger Berlins waren eine bunte Mischung. Was sie einte und zum Votum für Berlin bewegte, war ihr unitarisches Reichsverständnis. Sie sahen das Deutsche Reich vor allem als Nationalstaat und nicht als einen Bund der 25 Gliedstaaten. Mit dem monarchischen Föderalismus, den Bismarck einst konstruiert hatte, um den Einfluss des Reichstages einzudämmen, hatten weder der Demokrat Preuß noch der Sozialdemokrat Landsberg etwas im Sinn. Beide verfochten  – das zeigten die zeitgleich stattfindenden Verfassungsberatungen – einen starken Zentralstaat, in dem der monar­ chische Föderalismus durch eine demokratische Selbstverwaltung der Regionen ersetzt werden sollte. Auch ein Nationalliberaler wie von Krause konnte mit dem verzopften Föderalismus wenig anfangen. Das Ideal der Nationalliberalen war der moderne Industrie- und imperiale 150  Ebert setzt sich durch

Machtstaat. Deutschlands Größe und Weltgeltung verlangten aber eine starke Konzentration der Macht beim Reich und keine Duodezfürstentümer. Ganz ähnliche Vorstellungen dominierten auch im Militär, weshalb sich General Reinhardt – wie zuvor schon der Chef der Obersten Heeresleitung, General Groener – ebenfalls gegen eine Verlegung der Nationalversammlung aus Berlin und eine symbolische Schwächung der Hauptstadt und des Reiches aussprach. Das Votum für Berlin war vor allem ein Votum für den Unitarismus; die zentrifugalen Tendenzen im Land sollten durch ein Zeichen der Stärke des Reiches überwunden werden, und deshalb sollte die Nationalversammlung nirgendwo anders tagen als in der Reichshauptstadt Berlin. Friedrich Ebert dagegen schätzte die Lage im Land ganz anders ein. Das Misstrauen gegen die Hauptstadt erschien ihm viel zu groß, um die Nationalversammlung nach Berlin zu berufen. „Es wäre eine Unterschätzung der partikularistischen Strömungen im Süden, im Westen und in Österreich, wenn man glaubt, dass sie lediglich auf den letzten Vorgängen in Berlin basieren“, warnte er. Für seinen Kollegen Scheidemann standen dagegen die Risiken für einen ordentlichen Ablauf der Nationalversammlung im Vordergrund. Was Berlin als Tagungsort ganz unmöglich mache, sei der Umstand, „dass man in Berlin jeden Tag Hunderttausende von Menschen auf die Beine bringen kann, die sich wie Mauern um die Gebäude legen. Dagegen schützen alle militärischen Machtmittel gar nichts. Man kann auf diese Menschenmassen nicht einfach schießen“, legte Scheidemann dar und erinnerte an den Reichsrätekongress Mitte Dezember, der immer wieder von Demonstranten gestört worden war. Laut äußern wollte Scheidemann diese Argumente allerdings nicht: „Man kann das aber öffentlich nicht aussprechen. Da kommt der Einspruch der süddeutschen Staaten sehr gelegen“, erklärte er. War also der Partikularismus nur ein Vorwand? Haben die Histo­riker, die den Gang nach Weimar nur mit der Furcht vor politischer Unruhe in Berlin begründen, also doch Recht? Natürlich spielte auch für Ebert und seinen Berater Baake der Schutz vor militanten Extremisten eine Rolle. Baake zeigte einen ausgeprägten „Anti-Chaos-Reflex“294 und fürchtete bei längerer revolutionärer Unsicherheit eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe im Land. Deshalb setzte er alles daran, durch eine rasche und ungestörte Tagung der Nationalversammlung eine neue Regierung mit der nötigen Autorität zu schaffen, um das drohende Chaos zu verDie Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk 151

hindern. Auch Ebert sah die sicherheitspolitischen Vorzüge Weimars: „In Thüringen die erforderliche Sicherheit gewährleisten zu können ist sehr leicht“, räumte er ein. „Die thüringische Bevölkerung ist keine Berliner Bevölkerung. Die spartakistische Bewegung ist in Thüringen nicht groß“. Ebert machte aber auch deutlich, dass all dies für ihn nachrangig war: „Auch wenn Berlin nach jeder Richtung hin absolut gesichert wäre, würde ich mich aus rein politischen Gründen gegen eine Berufung der Nationalversammlung nach Berlin aussprechen.“ Für ihn stand die integrative Kraft im Vordergrund, die von einem Tagungsort ausging, der auf halber Strecke zwischen Berlin und München und weder in Preußen noch in Bayern lag. Zugleich wollte er das Prestige der Klassikerstadt für die junge Republik fruchtbar machen: „Es wird in der ganzen Welt angenehm empfunden werden, wenn man den Geist von Weimar mit dem Aufbau des neuen Deutschen Reiches verbindet.“ Dabei hatte Ebert auch Deutsch-Österreich im Blick, das zu diesem Zeitpunkt noch fest auf einen Anschluss ans Reich zusteuerte. „Die Österreicher werden viel freudiger nach Weimar gehen als nach Berlin“, war sich Ebert sicher. Den politischen Wert, den ein symbolischer Wechsel von Berlin nach Weimar haben würde, bestätigte auch Chefdiplomat Graf Brockdorff-Rantzau: „Wir müssen auch auf das feindliche Ausland Rücksicht nehmen“, mahnte er. „Ich bin überzeugt, dass bei [US-Präsident] Wilson das Misstrauen gegen Berlin sehr groß ist. Deshalb bin ich auch überzeugt, dass wir, wenn wir Weimar wählen, aus Berlin hinausgehen, einen besseren Frieden bekommen.“ Nach fast drei Stunden Debatte waren alle Argumente ausgetauscht. Zu einer förmlichen Abstimmung kam es zwar nicht, aber Ebert stellte unwidersprochen fest: „Die Mehrheit ist jetzt für Weimar“. Dabei zählte er offenbar nur die Volksbeauftragten, denn von denen hatten sich mit ihm und Scheidemann zwei für Weimar ausgesprochen, aber lediglich einer, Landsberg, für Berlin. Dass auch ohne förmliches Votum die Konkurrenz endgültig für Weimar entschieden war, zeigte der weitere Verlauf der Sitzung: Jetzt ging es um Polizeiunterstützung für das Land Sachsen-Weimar-Eisenach, die Einrichtung eines ständigen Zugverkehrs zwischen Berlin und Weimar sowie den Umbau des Nationaltheaters zum Plenarsaal. Auch hier bewies Ebert große Rücksicht auf die föderalen Befindlichkeiten. Da Polizei Ländersache war, hatte nur Preußen die nötigen Beamten zur Verfügung, die zur Sicherung der Nationalver152  Ebert setzt sich durch

sammlung nach Weimar geschickt werden konnten, doch Ebert mutmaßte: „Den Weimaranern wird es angenehmer sein, mit dem Reich zu verhandeln als mit Preußen“. Tatsächlich war es dann das Reichsamt des Innern, das noch am gleichen Tag per Telegramm die Landesregierung in Weimar bat, einen Referenten zur Besprechung der polizeilichen Sicherungsmaßnahmen für die Nationalversammlung in Weimar nach Berlin zu schicken.295 Gleichzeitig machte sich ein Oberstleutnant des preußischen Kriegsministeriums auf den Weg nach Weimar und legte wenig später eine ausführliche Denkschrift über den militärischen Schutz der Nationalversammlung in Weimar vor.296 Fünf Tage vor der Wahl der Nationalversammlung war damit die Entscheidung über ihren Tagungsort endlich gefallen. Die Volksbeauftragten trafen sie in einem Moment der Stärke und gegen den entschiedenen Widerstand des Militärs. Nach der Niederschlagung des „Spartakusaufstandes“ war die Macht der Volkbeauftragten so unangefochten wie nie zuvor. Der Putschversuch der Linksradikalen war gescheitert, die Gegner einer schnellen Nationalversammlung waren mit Hilfe der rechten Freikorps ausgeschaltet. Der politische Preis, den Ebert und die Mehrheits-SPD für dieses Bündnis mit den rechten Militärs zahlen mussten, war noch nicht in Rechnung gestellt. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht lebten zum Zeitpunkt des Weimar-Votums noch. Erst einen Tag später, am Abend des 15. Januar, wurden sie von Freikorpssoldaten verhaftet und brutal ermordet. Diese Verbrechen sollten die Spaltung der Arbeiterschaft weiter vertiefen und das Ansehen der Mehrheits-SPD, zumal in Berlin, schwer erschüttern. Bekannt wurden die Morde aber erst am 16. Januar, zwei Tage nach der Entscheidung für Weimar.297 Von kommunistischer Seite wurde später ein Zusammenhang zwischen den Taten und dem Weimar-Votum hergestellt: „Nach dem 15. Januar … rätselte man in der Reichskanzlei von Morgen bis Abend über den Zufluchtsort, an dem man vor dem Zorn der Arbeitermassen sicher wäre“, behauptete Walter Oehme, der Sekretär Baakes, in einem Buch, das 1958 in Ost-Berlin erschien.298 Damit leistete er der bis heute verbreiteten Lesart kräftig Vorschub, dass die Entscheidung für Weimar vor allem wegen der Furcht vor Unruhen in Berlin nach den Morden an Liebknecht und Luxemburg erfolgt sei. Schon die Chronologie der Ereignisse schließt dies aus. Ebenso verfehlt ist auch die Behauptung, es sei vor allem das Militär gewesen, das auf Weimar Die Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk 153

gedrängt habe. Sowohl Wilhelm Groener, der Chef der Obersten Heeres­leitung, als auch der preußische Kriegsminister, General Reinhardt, hatten sich entschieden gegen eine Parlamentssitzung außerhalb Berlins ausgesprochen. Wie nachrangig militärische Aspekte für die Ortswahl waren, zeigt auch der Umstand, dass das preußische Kriegsministerium erst nach der Entscheidung vom 14. Januar eine Sicherheitsanalyse zu Weimar erstellen ließ. Friedrich Ebert war die treibende Kraft für eine Tagung in Weimar. Wie kein anderer Akteur im Berlin jener Tage war er sensibel für die Vorbehalte im Land gegenüber Preußen und der Hauptstadt Berlin. Um das Reich vor dem Zerfall und einem Bürgerkrieg zu bewahren, kam er den auseinanderstrebenden Landesteilen immer wieder entgegen. Er setzte sich für die rasche Wahl der Nationalversammlung ein, um eine Mitbestimmung aller Landesteile sicherzustellen; er organisierte zwei Reichskonferenzen, um bei den Landesregierungen Vertrauen zu gewinnen und sie in die Reichspolitik einzubinden; er sorgte für den Fortbestand des alten Bundesrates als Ländervertretung beim Reich; er versuchte, nach dem Ausscheiden der USPD-Vertreter einen süddeutschen Sozialdemokraten für den Rat der Volksbeauftragten zu gewinnen, und er dämpfte den Reformeifer Hugo Preuß’, der am liebsten die bisherigen deutschen Länder aufgelöst und eine neue Form demokratischer Selbstverwaltung geschaffen hätte. Die Entscheidung für Weimar war daher ein weiterer Schritt, um das aufgewühlte Land vor dem Zerfall zu bewahren. Weder in Preußen noch in Bayern, sondern auf halber Strecke zwischen Berlin und München – mit dem Gang nach Weimar kam die Reichspolitik im Interesse der deutschen Einheit allen ZentralismusGegnern und Berlin-Kritikern auf halbem Wege entgegen. Dass „die Stadt Goethes ein gutes Symbol für die junge deutsche Republik“ war, wie Scheidemann konstatierte, war ein willkommener Nebeneffekt – auch außenpolitisch. „Politisch wird Weimar nach innen und außen befestigend und beruhigend wirken“, war sich Ebert sicher. So entschlossen sich Friedrich Ebert auch für Weimar einsetzte, publik machen wollte er die Entscheidung vor dem Wahltag nicht. Auch Weimars Oberbürgermeister hatte vorerst um Diskretion gebeten, „damit sich nicht auf die positive Nachricht hin bolschewistische und spartakistische Elemente dort einnisten.“299 Die Regierung beschränkte sich allerdings nicht darauf, die Entscheidung für Weimar geheim zu 154  Ebert setzt sich durch

halten. Am 16. Januar, drei Tage vor dem Wahltag, erschien im Berliner Tageblatt unter der Überschrift „Die Nationalversammlung in Berlin“ ein längerer Artikel, in dem detailliert berichtet wurde, dass die Reichsregierung die Nationalversammlung „auf alle Fälle“ nach Berlin einberufen wolle und es ihr „unbedingt geboten erscheint, keinen anderen Ort als Berlin zu wählen“.300 Der Artikel berief sich ausgerechnet auf Informationen der Politisch-Parlamentarischen Nachrichten, also auf den Pressedienst von Kurt Baake, mit dessen Hilfe die Volksbeauftragten immer wieder Informationen aus dem Regierungsapparat an die Presse lancierten.301 Drei Tage vor den Wahlen präsentierte die Regierung der Bevölkerung offenkundig eine Lüge. Doch die Entscheidung für Weimar ließ sich nicht mehr lange verschleiern, und als sie bekannt wurde, waren die Reaktionen heftig.

Die Entscheidung für Weimar und eine Lüge fürs Volk 155

22.  „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“

Die Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar

A

m 19. Januar 1919 strömten die Menschen in ganz Deutschland an die Wahlurnen. Erstmals durften auch die Frauen ihre Stimme abgeben. An vielen Orten bildeten sich vor den Wahllokalen lange Schlangen: „Köchinnen, Krankenschwestern, alte Damen, Familien mit Vater, Mutter und Dienstmädchen, selbst mit kleinen Kindern kommen gezogen und stellen sich an. Das Ganze untheatralisch wie ein Naturereignis, wie ein Landregen“, schrieb Harry Graf Kessler in sein Tagebuch.302 Der ruhige Verlauf des Wahlsonntages und die hohe Beteiligung von fast 83 % zeigten, dass die Menschen ihr politisches Schicksal selbst bestimmen wollten – und zwar mit dem Stimmzettel. Mit rund 38 % wurde die SPD stärkste Partei, die Unabhängigen kamen lediglich auf knapp 8 %. Die KPD hatte die Wahlen boykottiert und war gar nicht erst angetreten. Eine sozialistische Mehrheit gab es damit zwar nicht, aber immerhin brachten es die drei Parteien, die bereits seit 1917 im Reichstag für einen raschen Frieden eingetreten waren – SPD, Linksliberale und Zentrum –, auf eine deutliche Dreiviertelmehrheit. Noch bevor die Wahllokale geschlossen waren, drangen die Pläne für eine Tagung der Nationalversammlung außerhalb Berlins an die Öffentlichkeit. Einen Tag nach der Falschmeldung von Kurt Baakes Pressedienst berichteten mehrere Zeitungen die Wahrheit: Die Sitzung werde definitiv nicht in Berlin, sondern in einem Ort Mitteldeutschlands stattfinden.303 Im Berliner Rathaus löste diese Nachricht Entsetzen aus. Oberbürgermeister Adolf Wermuth sah den Anfang vom Ende der Hauptstadt Berlin gekommen: „Wenn einmal die konstituierende Versammlung in einem kleinen Orte Thüringens sitzt, so werden sich dort fortgesetzt Bestrebungen geltend machen und der Mehrheit ziemlich sicher sein, welche Berlin als Reichshauptstadt ganz ausschalten möchten“, schrieb er besorgt an die Volksbeauftragten.304 Würde Berlin aber nicht mehr Hauptstadt sein, dann sei die Stadt dem „allmählichen VerDie Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar 157

fall bestimmt“. Auch Wermuth beschwor den Zusammenhalt des Reiches, aber er sah ganz andere Risiken als die Volksbeauftragten: Die partikularistischen Tendenzen im Süden und Westen waren für ihn nur „vorübergehende Aufwallungen“, sehr viel ernster sei dagegen die Gefahr einer Sezession der Mitte und des Ostens, und die ließe sich nur durch eine Tagung in Berlin im Zaum halten. Sehr realistisch war diese Einschätzung nicht, aber sie zeigte erneut, wie sehr die Ortswahl von der Sorge um den Zerfall Deutschlands bestimmt war.305 Nicht nur von Berlins Oberbürgermeister kam Kritik am Fortgang nach Weimar, auch die Berliner Stadtverordnetenversammlung protestierte einstimmig306, und der Vorsitzende der SPD -Fraktion, Hugo Heimann, warnte seine Genossen in der Reichskanzlei: Eine Verlegung nach Weimar werde „als eine Flucht der Partei vor den hier stärker als anderswo drohenden politischen Kämpfen ausgelegt werden.“307 Damit nahm er eine Deutung der Geschehnisse vorweg, die später weitverbreitet war. Auch bei Berlins Presse stießen die Verlegungspläne auf scharfe Kritik. „Die Nationalversammlung gehört nach Berlin!“, forderte die Vossische Zeitung. Das liberale Leitmedium der Stadt betonte, dass es nir-

Abb. 15: Am Wahltag bilden sich vor den Wahllokalen wie hier in der Berliner Beymestraße lange Schlangen.

158  „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“

gends einen so starken militärischen Schutz für das Parlament gebe wie in Berlin.308 Der Vorwärts gab dagegen zu bedenken, dass die Nationalversammlung „nicht unter dem Druck und der Drohung lärmender Demonstrationen und nicht im Kanonendonner und Handgranatenkrachen ihre Beschlüsse fassen [könne]“. Aber auch das SPD-Blatt sorgte sich um dauernde Nachteile für die Hauptstadt: „Jeder muss darum wünschen, dass Berlin die Schande einer Verlegung der Nationalversammlung erspart bleibt.“309 Im liberalen Berliner Tageblatt griff Chefredakteur Theodor Wolff selbst zur Feder und warnte vor einem „nicht nur für Berlin, sondern für den Zusammenhalt des Reiches geradezu verderblichen Plan“.310 Wolff, der zu den Mitgründern der DDP zählte, argumentierte ganz ähnlich wie sein Parteifreund Hugo Preuß: Die Selbstständigkeit der deutschen Länder verlange einen starken Zentralpunkt. „Wenn die Volksbeauftragten Berlin schwächen, so schwächen sie damit die Deutsche Einheit, das Deutsche Reich.“ Die Verlegung nach Weimar war für Wolff nur eine verfehlte „Nachgiebigkeit gegen Einzelwünsche“, ja er sah Deutschland „sehr schnell in jene Misere der Kleinstaaterei zurückgeführt …, deren Beendigung doch vor allem ein demokratisches Ideal ist“. Diese Artikel lagen ganz auf der Linie von Hugo Preuß, und der witterte jetzt eine letzte Chance, die Verlegung nach Weimar doch noch zu stoppen. An Friedrich Ebert schrieb er, die Entscheidung über den Tagungsort der Nationalversammlung sei von so einschneidender politischer Bedeutung, wie die Debatten in der Tagespresse zeigten, dass die Volksbeauftragten noch einmal einen förmlichen Beschluss in der Sache fassen sollten.311 Ob hier eine konzertierte Aktion der liberalen Parteifreunde Wolff und Preuß vorlag, lässt sich nicht feststellen, aber offenkundig hoffte Preuß, die Volksbeauftragten würden angesichts der öffentlichen Kritik ihre Meinung in letzter Minute noch einmal ändern. Doch Preuß hatte sich getäuscht. Obwohl sich auch die preußische Landesregierung inzwischen gegen eine Verlegung nach Weimar ausgesprochen hatte, hielt Ebert an seiner Politik des föderalen Entgegenkommens fest.312 Die Volksbeauftragten bestätigten ihre Entscheidung für Weimar. Am 21. Januar 1919 beschlossen sie eine Verordnung über die Berufung der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und machten sie im Reichsgesetzblatt offiziell bekannt.313 Gegenüber der Presse erklärten sie, man habe damit vor allem den Wünschen der südDie Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar 159

deutschen Staaten entsprochen, es sei aber nicht daran gedacht, auch die Reichsregierung nach Weimar zu verlegen.314 Wenige Tage später legte Friedrich Ebert dem Berliner Oberbürgermeister seine Motive für die Ortswahl noch einmal dar: „Es war … nicht maßgebend, die Furcht vor spartakistischen Gewaltakten“, schrieb er. „Die Möglichkeit, dass ein kleiner Haufe fanatisierter Menschen eine vorübergehende Störung der Arbeiten der Nationalversammlung herbeiführen kann, besteht schließlich überall. … Entscheidend für den Beschluss der Reichsregierung war im wesentlichen die Erwägung, dass ein Ort gewählt werden müsse, der allen Teilen des deutschen Volkes das Bewusstsein gibt, dass nicht nach dem Muster des alten Deutschland die Wünsche und Interessen eines Staates überragenden und für die Gesamtheit nicht förderlichen Einfluss ausüben können. Die Regierung hält die Möglichkeit zwar jetzt nicht mehr für gegeben. Es muss aber mit der Tatsache des Vorhandenseins der Antipathie gegen Preußen und Berlin, besonders in Süddeutschland gerechnet werden.“ Zugleich stellte Ebert klar, dass die Hauptstadtfunktion Berlins nicht in Frage gestellt werde: „Die Reichsregierung steht fest auf dem Standpunkt, dass auch für die Zukunft … nur Berlin als Reichshauptstadt in Frage kommen kann.“315 Die offizielle Entscheidung für Weimar stieß in der Öffentlichkeit auf ein geteiltes Echo. Die Unabhängigen kritisierten die „Flucht nach Weimar“ und beklagten, die Verlegung würde „die zentrifugalen Tendenzen stärken und dem Ausland die Schwäche des deutschen Einheitsgedankens demonstrieren“.316 Von den Vorbehalten im Rest des Reiches gegen Berlin wollte man auf der politischen Linken nichts wissen. „In Wahrheit hat diese Revolutionsregierung aus bloßer Angst vor der Revolution gehandelt“, hieß es dort. Auch für die Vossische Zeitung war der Gang nach Weimar eine „Flucht der Reichsregierung, eine Flucht, die durch keine sachliche Notwendigkeit begründet [ist]“.317 Nicht nur der politischen Linken, sondern auch den liberalen Köpfen der Hauptstadt fehlte die Sensibilität für die Vorbehalte im Reich gegenüber Berlin und Preußen. So wandte sich der Geschäftsführende Ausschuss der DDP, der von Berliner Parteigrößen dominiert wurde und dem auch Theodor Wolff angehörte, entschieden gegen die Verlegung der Nationalversammlung: Der Gedanke der Reichseinheit und verkehrstechnische Schwierigkeiten sprächen eindeutig gegen Weimar.318 Zugleich ätzte Wolff im Berliner Tageblatt: „Wie eine Dame, die nur in 160  „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“

stiller Verborgenheit, unter Diskretion niederkommen kann, wird also die deutsche Nationalversammlung gezwungen, sich von der Welt zurückzuziehen.“ 319 Der deutschnationale Berliner Lokal-Anzeiger sprach von „Berlins Demütigung“ und von einer Verbeugung vor Deutschlands Feinden, und auch die preußische Kreuz-Zeitung bedauerte die Entscheidung für Weimar.320 Selbst der sozialdemokratische Vorwärts stellte am Eröffnungstag der Nationalversammlung missmutig fest: „Der große historische Tag hat in Berlin keinen Raum gefunden. Weimar hat ihn nun erlebt.“321 Einzig die Deutsche Allgemeine Zeitung erklärte Weimar zu einem „Bild deutscher Einheit und neuen deutschen Werdens“.322 Mit Blick auf die Stimmung im Reich gegen Berlin zeigte man nicht nur Verständnis für die Verlegung, sondern erkannte auch die Symbolik: „Verkörpert schon die Lage Weimars im Mittelpunkt Deutschlands den einheitlichen Willen aller deutscher Stämme … so ist zugleich Weimar ein Symbol des Geistes, der die Arbeit durchdringen wird.“ All diese Reaktionen stammten aus der Feder von Journalisten in Berlin, wo es naturgemäß wenig Verständnis für die Vorbehalte der Provinz gegen die Hauptstadt gab. Die Berliner Presse musste fürchten, mit der Verlegung der Nationalversammlung einen Gutteil der eigenen politisch-publizistischen Bedeutung einzubüßen. Außerhalb Berlins sah die Stimmung anders aus, dort wurde die Entscheidung für Weimar sehr viel günstiger aufgenommen. Die liberale Frankfurter Zeitung betonte die Einheit stiftende Wirkung Weimars. In Deutschland „wachen viele am Morgen als Bayern, andere als Hessen, wieder andere als Großindustrielle und noch andere als Bielefelder auf und bis ihnen eingefallen ist, dass sie auch noch Deutsche sind … ist der Tag schon beinahe vorüber.“ In dieser Situation „klammert sich die Hoffnung an Weimar, die deutsche Stadt“. Sie könne eine „Brücke zwischen den Menschen“ sein, hieß es in Frankfurt.323 Auch in Süddeutschland gab es Zustimmung für eine Tagung in Weimar. Die Münchner Neuesten Nachrichten waren zufrieden mit der Abkehr von Berlin, einer Stadt, die ihrer Meinung nach „durch ungeheuerste Zentralisation zum Vampir am Lande ward“.324 Man sah die symbolische Antithese Potsdam–Weimar, die „Wegverkürzung, die besonders den Deutsch-Österreichern zugute kommen solle“, und zog die Parallele zu Amerika, wo statt New York das beschauliche Washington die politische Metropole war. Nur ein Motiv Die Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar 161

der Volksbeauftragten wollte man in München nicht gelten lassen: „dass diese Männer sich vor der Bevölkerung Berlins fürchteten, die in ihrer Mehrheit Ruhe, Arbeit und Frieden will“. Die Zustimmung zu Weimar war im Süden nicht auf bürgerliche Blätter beschränkt. Die sozialdemokratische Fränkische Tagespost aus Nürnberg schrieb: „Möge der Geist von Weimar triumphieren über den Geist von Potsdam.“325 Ganz ähnlich waren die Reaktionen im Rheinland. Hier war von Weimar als „Sinnbild des Deutschtums“326 die Rede, und geradezu euphorisch wurde die Weimar-Entscheidung von den katholischen Berlin-Feinden der Kölnischen Volkszeitung aufgenommen. Dort feierte man den Gang nach Weimar als Ende der preußischen Hegemonie: „Der Ruf ,Los von Berlin‘ hat seinen ersten großen Erfolg erzielt“, jubelte das Blatt. „Möge das neue Deutschland sich geistig frei machen von der Vorherrschaft des ewig unruhigen und ohne tiefe kulturelle Begründung so anspruchsvollen Berlinertums!“327 Wenig Begeisterung gab es dagegen in jenen Städten, die sich selbst Hoffnung auf die Nationalversammlung gemacht hatten: „Der Traum vom neuen Glanz unserer Stadt ist ausgeträumt. Es wird anderer Mittel und Wege als die Nationalversammlung bedürfen, um sie aus dem Dornröschenschlaf zu wecken“, schrieb die Bamberger Lokalpresse.328 In Eisenach versuchte man, wenigstens indirekt von der Entscheidung für Weimar zu profitieren. Der örtliche Fremdenverkehrsverein pries für die Unterbringung der Versammlungsteilnehmer seine „über 1800 Fremden­ betten“ an und bat die Reichsregierung darum, einen Schnellzug einzusetzen, der morgens und abends zwischen Weimar und Eisenach pendeln solle.329 Die Nachricht von der Einberufung nach Weimar beschäftigte aber nicht nur die bisherigen Bewerberstädte, sondern rief auch weitere Vorschläge für mögliche Tagungsorte hervor. Die sächsische Landesregierung und der Arbeiter- und Soldatenrat Sachsens schlugen Dresden als Tagungsort vor. Weimar sei schon wegen seiner Größenverhältnisse ungeeignet: „Die Süddeutschen werden, wie man hofft, dem zu­ stimmen, wenn sie die äußeren Möglichkeiten in Weimar und Dresden vergleichen“, hieß es in der Dresdner Presse.330 Die preußische Landesregierung hatte bei ihren Beratungen mit den Volksbeauftragten noch in letzter Minute Potsdam als Tagungsort ins Spiel gebracht,331 jetzt meldeten sich auch der Magistrat und der Arbeiter- und Soldatenrat der Stadt 162  „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“

bei der Reichsregierung. Beide verwiesen nicht nur auf die Nähe zu Berlin, die ruhigen Verhältnisse und die guten Unterbringungsmöglichkeiten in den diversen Schlössen. Eine Tagung in Potsdam hielt man auch für einen „billigen Ausgleichanspruch für die durch die Staatsumwälzung der Stadt verursachten Nachteile“.332 Die Nationalversammlung sollte, so stellten sich das die Stadtväter in Potsdam offenbar vor, eine Kompensation dafür sein, dass die Stadt nun nicht mehr Residenz der preußischen Könige und Deutschen Kaiser war. Wer immer gehofft hatte, der Gang nach Weimar würde auch in Deutsch-Österreich auf breiten Beifall stoßen und antipreußische Ressentiments mildern, sah sich allerdings getäuscht. Am Tag nach der Entscheidung für Weimar äußerte sich die Wiener Reichspost, das Leitmedium der konservativen Christsozialen, zur „deutschen Frage“ und gab ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie tief die Abneigung gegen Preußen und Berlin auch in Teilen Österreichs verwurzelt war.333 Gegenüber den „halb fremdrassigen, diktatorisch veranlagten“ Preußen müsse der Süden gestärkt werden, verkündete das Blatt. „Nur die Wiedergeburt des alten Deutschland, dessen Schwergewicht im Süden ruht, kann das deutsche Volk vorwärts und aufwärts bringen, nur die vollkommene Beseitigung der preußischen ,Spitze‘ kann uns retten.“ Als „schönes Zeichen großdeutscher Begeisterung“ empfahl man daher die Einberufung der deutschen Nationalversammlung nach Wien. Und wie waren die Reaktionen in Weimar? Der Oberbürgermeister, der ja schon seit langem in die Pläne eingeweiht war, dankte den Volksbeauftragten im Namen der Stadt „freudig bewegt, doch in voller Erkenntnis der ihr auferlegten Verantwortung“.334 Das einstige Weimarer Hoftheater hatte man schon am Wahlsonntag in Deutsches Nationaltheater umbenannt.335 In der Lokalpresse brach teilweise Jubel aus. Die Weimarische Landes-Zeitung Deutschland, die schon zu Jahresbeginn für die Nationalversammlung in der Stadt geworben hatte, sah sich bestätigt: „Nachdem die deutsche Machtidee, die durch Potsdam verkörpert wurde, durch die Wahl in Staub zerfallen ist, soll Weimar das deutsche Verfassungs- und Geistesleben beherrschen, der deutsche Gedanke gegenüber der deutschen Machtidee also in Zukunft in den Vordergrund gestellt werden.“336 Das Blatt ließ einen Heimatdichter in Anlehnung an ein Goethewort fabulieren: „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“337 und war sich sicher: „Jahrhunderte lang wird in Weimars Geschichte dieDie Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar 163

ser historische Akt fortleben und seine Bedeutung behalten.“ In diese hymnische Begeisterung stimmten aber nicht alle ein. Das Konkurrenzblatt, die Weimarische Zeitung, war deutlich zurückhaltender und zeigte sich auch politisch abwartend konservativ. Es komme nun darauf an, schrieb sie, „den hier herrschenden ,Geist von Weimar‘ mit Bismarck’schem Staats- und Kraftbewusstsein zu durchdringen. Wenn es gelingen sollte, diesen Einklang zu erreichen, dann wollen auch wir stolz darauf sein, dass unsere Stadt Sitz der Nationalversammlung geworden ist. Vor dem Schicksal Frankfurt am Mains vom Jahre 1848 möchten wir unsere geliebte Thüringer Stadt bewahrt wissen.“338 Das Blatt schrieb auch von den Bedenken der Bevölkerung wegen der Unterbringung und Versorgung der vielen Fremden, die nun in die Stadt kommen würden.339 „Ganz so unrecht haben diese ängstlichen Gemüter nicht“, räumte man ein, versuchte aber zugleich, die Bedenken zu zerstreuen: Die Nationalversammlung werde auf die Lebensverhältnisse der Einwohner Weimars keinen ungünstigen Einfluss haben, vielmehr könne sich der Zustrom der Gäste für die Einheimischen auszahlen: „Von Einquartierungen betrof­ fenen Haus­haltungen werden allerhand Vergünstigungen erwachsen, die etwaige Un­be­quemlichkeiten reichlich wettmachen.“ Das Blatt vertraute ganz auf „unsere bewährte Stadtverwaltung“, und die hatte bereits ein Wohnungsamt, ein Ernährungsamt und ein Beheizungs- und Beleuchtungsamt geschaffen, um die neuen Herausforderungen anzugehen. Während bei der Stadtverwaltung die Vorbereitungen schon auf Hochtouren liefen, war eine andere Institution völlig überrascht von den Ereignissen: der Arbeiter- und Soldatenrat von Weimar. Er protestierte am 25. Januar bei der Reichsregierung, dass man ohne Rücksprache mit ihm die Nationalversammlung nach Weimar berufen habe.340 Tatsächlich hatten Weimarer Landesregierung und Stadtverwaltung den Rat ganz bewusst außen vor gelassen, um die Geheimhaltung der Pläne nicht zu gefährden.341 Friedrich Ebert antworte dem Rat lapidar, wegen der großen Eile sei eine vorherige Fühlungnahme mit ihm leider nicht möglich gewesen.342 Im Übrigen habe man angenommen, dass die Verständigung durch die örtlichen Behörden erfolgt sei, denn die Arbeiterund Soldatenräte seinen ja deren Kontrollinstanz. Diese Reaktion zeigt einmal mehr, dass Ebert sehr viel stärker auf den alten administrativen Apparat setzte als auf die neuen Institutionen, die die Revolution 164  „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“

geschaffen hatte. Ganz unverständlich war dies nicht, denn schon am 6. Februar sollte die Nationalversammlung in Weimar eröffnet werden. Das war ein ehrgeiziger Zeitplan, und um ihn einzuhalten, brachte Ebert die eingespielte Verwaltungsmaschinerie der Monarchie nun für die Republik zum Laufen.

Die Reaktionen auf die Einberufung nach Weimar 165

23.  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins

A

m Morgen des 3. Februar 1919, eines Montags, marschierten vor dem Anhalter Bahnhof in Berlin Soldaten auf. Sie kamen in friedlicher Absicht. Die Republikanische Schutztruppe bildete ein Ehrenbataillon, um Berlins Spitzenpolitiker für ihre Reise nach Weimar zu verabschieden. Friedrich Ebert und seine vier Kollegen vom Rat der Volksbeauftragten, Hugo Preuß und zahlreiche Staatssekretäre, preußische Minister und Abgeordnete aus allen Parteien – das gesamte Berliner Führungspersonal der jungen Republik war an Bord des Zuges, der um 8.30 Uhr unter den „Hoch“-Rufen der Soldaten in Richtung Weimar rollte.343 Es war keineswegs sicher, dass der Parlamentszug Weimar ungehindert erreichen würde. Die KPD, wie die Spartakisten inzwischen firmierten, lehnte die Nationalversammlung rundheraus ab. „Nieder mit der Nationalversammlung! Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!“, war ihre Parole in jenen Tagen.344 Aber anders als in Russland, wo Lenins Bolschewisten das gewählte Parlament auseinandergejagt hatten, fehlten den deutschen Kommunisten die Mittel für einen Putsch. Ungehindert und pünktlich lief der Parlamentszug am Mittag des 3. Februar in Weimar ein. So ungehindert, wie die Regierung die Stadt erreichte, so ungestört konnte in der Folgezeit auch die Nationalversammlung in Weimar tagen. Dafür sorgten auch eine weiträumige militärische Absperrung der Stadt, das Verbot für Fremde, sich ohne besondere Erlaubnis in Weimar aufzuhalten, und rund 75 Berliner Polizisten,345 die nach Weimar ausgeliehen waren, um in Uniform und Zivil mehr oder weniger diskret für Sicherheit zu sorgen. Das beherrschende Thema war auch in Weimar der Zusammenhalt des Reiches. „An den vielen Weimarer Hoteltischen, an denen Mitglieder der Nationalversammlung beieinandersitzen, werden bisher eigentlich weniger die aus der Revolution emporgetauchten wirtschaftDie Tagung in Weimar und die Ängste Berlins 167

lichen und sozialen Probleme erörtert, als jene anderen Schwierigkeiten, die aus der Zusammensetzung des Reiches, aus den staatlichen und landsmannschaftlichen Einzelwünschen entstehen“, schrieb Theodor Wolff am 6. Februar im Berliner Tageblatt.346 Dass sich so viele Debatten um das Verhältnis von Reich und Ländern drehten, lag auch daran, dass nicht nur die frisch gewählten Abgeordneten aus allen Teilen des Reiches nach Weimar gekommen waren, sondern auch die Minister nahezu sämtlicher Landesregierungen. Sie verdankten ihr Recht, bei der Verfassungsgebung mitzureden, einem weiteren Entgegenkommen Friedrich Eberts. Noch Ende Januar hatte er die Landesregierungen zu einer zweiten Reichskonferenz nach Berlin eingeladen, um mit ihnen den Entwurf der neuen Reichsverfassung zu diskutieren.347 Vor allem die süddeutschen Staaten hatten dabei gegen die Pläne von Hugo Preuß vehement Stimmung gemacht: Eine mögliche Neugliederung des Reiches, eine Schmälerung der Länderkompetenzen und statt eines Bundesrates eine zweite Parlamentskammer, in der gewählte Abgeordnete statt Vertreter der Landesregierungen sitzen sollten – all dies stieß auf den geballten Widerstand der Länder. Ebert hatte keinen Zweifel daran

Abb. 16: Das Deutsche Nationaltheater in Weimar während der Eröffnungssitzung der Nationalversammlung am 6. Februar 1919.

168  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

gelassen, dass über die künftige Verfassung allein die Nationalversammlung entscheiden werde, aber er hatte den Landesregierungen eine Mitwirkung an den Beratungen zugestanden. Noch bevor die Nationalversammlung zusammengetreten war, hatte sich daher in Weimar – zunächst ganz informell – ein weiteres Gremium der jungen Republik konstituiert: ein Staatenausschuss aus Vertretern der einzelnen Landesregierungen. Dieses neue Gremium war nicht das einzige Zeichen dafür, wie sehr Ebert auch im Vorfeld der Nationalversammlung an einer Verständigung mit den Ländern gelegen war. Als stärkste Fraktion hatten seine Sozialdemokraten Anspruch darauf, den Präsidenten des neuen Parlaments zu stellen. Eberts Auswahlkriterien waren eindeutig: „Ein alter erfahrener Parlamentarier mußte auf dem Präsidentenstuhl sitzen, wenn möglich ein Süddeutscher, damit nicht alle Posten in preußischen Händen wären.“348 Mit Karl Hildenbrand und Wilhelm Keil, beide aus Württemberg, wurden daher tatsächlich zunächst zwei süddeutsche Sozialdemokraten in den Blick genommen.349 Erst nachdem beide abgelehnt hatten, nominierte die SPD-Fraktion Eduard David. Der war zu jener Zeit zwar Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, hatte aber zuvor im Reichstag einen rheinhessischen Wahlkreis vertreten und war viele Jahre Landtagsabgeordneter in Hessen-Darmstadt gewesen. Am 6. Februar, dem Tag der Eröffnung der Nationalversammlung, war ganz Weimar auf den Beinen. „Die Stadt schmückt sich heute rasch mit Fahnen in vielen Farben: vor allem in den Weimarischen Landesfarben, ferner in Schwarz-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold“, notierte der Korrespondent der Münchner Neuesten Nachrichten.350 Schon der Farbenschmuck bestätigte Weimars Stellung als bürgerliche Insel im roten Thüringen. Im Nationaltheater war man bis zur letzten Minute mit den Vorbereitungen beschäftigt, Tischler hatten noch in der Nacht auf der Bühne gezimmert. Dort waren wie im alten Reichstag und noch heute im Deutschen Bundestag links und rechts vom Rednerpult zwei Regierungsbänke errichtet worden: Die rechten Bänke waren für die Mitglieder der Reichsregierung bestimmt, auf den linken saßen die Vertreter der Landesregierungen, die Mitglieder des Bundesrates. Auch diese Sitzordnung war ein Stück Kontinuität und ein Zeichen der Inte­ gration der Länder in die Arbeit der Nationalversammlung. Noch am Morgen des Eröffnungstages dauerten die Arbeiten an: „Kolonnen von Scheuerfrauen [sind] am Werk, Teppicharbeiter bringen die während Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins 169

der baulichen Arbeiten entfernt gewesenen Läufer und Decken wieder an, Telegraphenarbeiter legen die letzten Telephonapparate und prüfen die Leitungen“, schilderte ein Beobachter.351 Weil Thüringen damals für seinen Gartenbau und seine Blumenwirtschaft so bekannt war wie heute Holland für seine Tulpen, wurde der Plenarsaal zu einer Leistungsschau der Thüringer Floristen. „Statt der Generäle und Exzellenzen von einst blühten Maiglöckchen, bunte Tulpen und anderes Gewächs“, hieß es im Berliner Tageblatt.

Abb. 17: Friedrich Ebert am Rednerpult bei der Eröffnungsansprache.

Die Anhänger eines starken Zentralstaates hatten ihre Erwartung an die Nationalversammlung in der Morgenausgabe der Vossischen Zeitung klar formuliert: „Der revolutionäre Grundgedanke, der jetzt in Weimar zur Tat werden soll, lautet, dass die Nation eine unteilbare Einheit ist … Die Verkündung der deutschen Einheit sei das erste Wort der Nationalversammlung.“352 Aber als Friedrich Ebert am Nachmittag des 6. Februar 1919 die Nationalversammlung eröffnete, setzte er die Prioritäten anders.353 In seiner Ansprache würdigte er zunächst die Bedeutung der Nationalversammlung für die demokratische Selbstbestimmung, sie sei nun „höchster und einziger Souverän in Deutschland“. Anschließend stellte er klar, dass nicht die Revolution, sondern die Monarchie für Niederlage und Kriegsfolgen verantwortlich war; die Volksbeauftragten seien lediglich „Konkursverwalter des alten Regimes“. Das war eine wich170  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

tige Botschaft, die aber die Verbreitung der konservativen Dolchstoß-­ Lüge nicht verhindert hat. Schließlich erinnerte Ebert die einstigen Kriegsgegner daran, dass der von ihnen bekämpfte Militarismus und „Kaiserismus“ nun überwunden sei: „Die Tatsache dieser Nationalversammlung selbst zeigt es“, und er bat darum, mit den Friedensbedingungen nun „nicht diejenigen [zu] strafen, die selbst Opfer waren, Opfer des Krieges, Opfer unserer früheren Unfreiheit“. Erst gegen Ende seiner Rede ging Ebert auch auf Zusammenhalt und Organisation des Reiches ein. „Deutschland darf nicht wieder dem alten Elend der Zersplitterung und Verengung anheimfallen“, mahnte er. Die Geschichte und die Vergangenheit hemmten zwar die Bildung eines straff zentralisierten Einheitsstaates, aber die verschiedenen Stämme und Dialekte müssten zu einer Nation und zu einer Sprache zusammenklingen. „Nur … ein politisch aktionsfähiges, festgefügtes, einiges Deutschland kann die Zukunft unseres Volkes sicherstellen“, erklärte Ebert und erntete dafür lebhaften Beifall der Nationalversammlung. Warum er die Versammlung nach Weimar berufen hatte, dazu sagte Ebert kein Wort. Aber ganz am Ende seiner rund einstündigen Rede erwähnte er den Tagungsort doch noch. Deutschland müsse „hier in Weimar die Wandlung vollziehen vom Imperialismus zum Idealismus, von der Weltmacht zur geistigen Größe“, und er beschwor den „Geist von Weimar“, der jetzt wieder das Leben in Deutschland erfüllen müsse. Weniger der „Geist“, sondern vielmehr die Atmosphäre in Weimar half in den folgenden Wochen über manche Schwierigkeiten hinweg, die mit der Tagung der Nationalversammlung in der Provinz verbunden waren. Rund 2000 Personen mussten im Gefolge des Parlaments untergebracht und verköstigt werden. Immer wieder gab es Klagen über die schlechten Zugverbindungen von und nach Weimar, und die Vertreter der Presse schimpften mitunter über das Fehlen von Telegraphenleitungen, das ihnen die Übermittlung ihrer Berichte erschwerte.354 Trotzdem, der Tagungsort entfaltete seinen besonderen Reiz: „Immerhin standen alle, die sich damals im Weimarer Nationaltheater versammelten, insofern sie solchen Gefühlen überhaupt zugänglich waren, stark unter der Wirkung des genius loci“, erinnerte sich ein Teilnehmer.355 Nach dem Schrecken und Elend des Krieges und den politischen Straßenkämpfen in zahlreichen Großstädten genossen viele nun die Reize dieser Kleinstadt: „Nun plötzlich bewegten wir uns viele Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins 171

Wochen lang im blühenden Frühling und Sommer in den Parks und Schlössern Weimars, zwischen den Häusern Goethes, Schillers und der Frau von Stein, wanderten, wenn es die Zeit erlaubte, durch die Wälder und Wiesen, abends umschwirrt von unzähligen Leuchtkäfern, romantisch umgeben von Luft und Licht der geliebten Stadt“, schrieb Arnold Brecht von der Reichskanzlei.356 Und Sachsens Gesandter Walter Koch erinnerte: „Weimar hatte uns in diesen Monaten oft die Möglichkeit geboten, die unsäglich traurige Gegenwart wenigstens für Stunden zu vergessen, wenn wir in den Spuren Goethes, Schillers, Wielands und Herders wandelten.“357 Rückblickend hat der Historiker Thomas Mergel die Nationalversammlung ein „Parlament in Klausur“ genannt,358 und tatsächlich bot Weimar alle Vorzüge des zeitlich und räumlich konzentrierten Arbeitens, das musste selbst die kritische Berliner Hauptstadtpresse einräumen: „Die Kleinheit der Stadt wird sogar ein Vorzug. Man trifft sich und sieht sich öfter, und am Abend finden sich fast alle in den vier oder fünf Lokalen zusammen, in denen es etwas Essbares oder einen guten Tropfen gibt“, schrieb die Berliner Illustrirte Zeitung.359 Der tägliche Umgang der politischen Akteure miteinander an einem Ort, mit dem sich alle, unabhängig von ihrer landsmannschaftlichen Herkunft, identifizieren konnten, hat sicher mitgeholfen, manche Gegensätze zu überbrücken. „Von allem, was man bisher in Weimar sieht“, schrieb Theodor Wolff wenige Tage nach seiner Ankunft, „ist dieses das Beste: dass es keinen besonders gefährlichen Partikularismus gibt.“360 Tatsächlich legten die Mitglieder der Nationalversammlung sofort nach der Eröffnung ein rasantes Arbeitstempo an den Tag und zeigten, dass zumindest die demokratischen Kräfte bereit waren, kons­ truktiv zusammenzuarbeiten. Schon am 10. Februar beschloss die Nationalversammlung eine Übergangsverfassung, am 11. Februar wählte sie Ebert zum vorläufigen Reichspräsidenten und am 13. Februar wurde eine neue Reichsregierung gebildet: Philipp Scheidemann rückte an die Spitze einer Regierung aus SPD, DDP und Zentrum – ein Parteienbündnis, das bald „Weimarer Koalition“ genannt werden sollte. Für die künftige Struktur des Reiches wurden mit der Übergangsverfassung wichtige Vorentscheidungen getroffen: Abgesehen von der Verfassung selbst bedurften alle Reichsgesetze, die die Nationalversammlung beschloss, der Zustimmung des Staatenausschusses; in diesem Staaten172  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

ausschuss sollten die Landesregierungen die deutschen Gliedstaaten vertreten; außerdem durfte die Nationalversammlung die Grenzen der Länder nur mit deren Zustimmung verändern. Mit diesem Übergangsgesetz hatten sich die Länder ihren Bestand und die Landesregierungen ihren weiteren Einfluss auf die Reichspolitik gesichert – der Traum von Hugo Preuß und seinen Anhängern von einem demokratischen Einheitsstaat war damit faktisch bereits ausgeträumt, bevor die Verfassungsgebung überhaupt richtig begonnen hatte. Manch Unitarist hatte es schon vorausgesehen: „Der alte Kleinstaatenschwindel erhebt dräuend sein Haupt, und wenn die demokratischen Parteien nicht entschlossen diesem schädlichen Partikularismus entgegentreten, dann wird der deutsche Bund bald wieder, wie einst, ein lächerliches Gemenge von Gernegroßen bilden“, hatte Erich Dombrowski im Berliner Tageblatt gewarnt.361 Aber selbst ein Demokrat wie Theodor Wolff, der frei von allem Partikularismus war, zeigte sich in Weimar kompromissbereit und musste erkennen, dass sich „der demokratische Gedanke der großen Einheitsrepublik … jetzt nicht … verwirklichen [lässt].“362 Das Beharrungsvermögen der Länder, ihrer neuen Regierungen und ihrer alten Bürokratien, die Gemengelage aus föderalen und parteipolitischen Strei­tigkeiten, die Sezessionsgelüste mancher Akteure und deren Förderung durch das Ausland und nicht zuletzt die Größe der aktuellen Aufgaben von der Demobilisierung bis zur Versorgung der Bevölkerung – all dies ließ keinen Raum, um funktionierende administrative Strukturen aufzulösen und mit neuen zu experimentieren. Es gab keine Stunde null, und deshalb war Weimar auch kein Verfassungsatelier, in dem man am Reißbrett das ideale, neue Deutschland hätte zuschneiden können, von dem Hugo Preuß geträumt hatte. Sechs bis acht Wochen hatten die Volksbeauftragten für die Tagung der Nationalversammlung in Weimar veranschlagt. Rasch zeigte sich, dass dieses Zeitbudget keinesfalls ausreichte. Anders als 30 Jahre später der Parlamentarische Rat in Bonn war die Nationalversammlung nicht nur eine verfassungsgebende Versammlung. Sie war auch Gesetzgeber, musste die Reichsregierung bilden und kontrollieren, hatte über den Versailler Friedensvertrag zu entscheiden und war der Ort, an dem alle politischen Fragen des Zeitgeschehens debattiert wurden. Nicht alle Abgeordneten waren glücklich darüber, dass all dies monatelang in Weimar geschah. Das Nationaltheater erwies sich nicht als so ideal für einen Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins 173

dauernden Parlamentsbetrieb, wie man das anfangs gedacht hatte. „Die Sitzungen in den niedrigen Nebenräumen (Ballettsaal usw.) waren wegen der schlechten Luft und des Tabakrauchs zuweilen eine rechte Qual“, erinnerte sich der Gesandte Sachsens.363 Es fehlte an Sitzungsräumen, Lesesälen und Schreibzimmern für die Abgeordneten; die Reichsregierung musste im einstigen Ankleideraum für das Ballett tagen, die SPD hielt ihre Fraktionssitzungen im Probenraum des Chores ab; alle anderen Fraktionen mussten in Hotels unterkommen.364 Auch die Aufspaltung der Regierung und ihrer Beamten zwischen Berlin und Weimar entpuppte sich mehr und mehr als Nachteil, und dass sich die Abendgestaltung von Politikern, Beamten und Journalisten wochenlang in den Gasthäusern und Weinstuben Weimars abspielte, verleitete die republikfeindliche Rechtspresse dazu, den Volksvertretern nächtelange Saufgelage anzudichten. Selbst das Berliner Tageblatt bemerkte spitz: „Der Genius loci Weimars ist feucht.“365 In der Weimarer Bevölkerung war die Haltung zur Nationalversammlung gespalten. Viele Hauseigentümer profitierten von der Tagung. „Die Einwohner nahmen die Abgeordneten, Journalisten, Beamten usw. gerne ins Quartier und verdienten damit eine willkommene Sondereinnahme“, erinnerte sich der Sozialdemokrat Wilhelm Keil.366 Obwohl es für die Restaurantbesuche der Abgeordneten besondere Essensmarken gab, brachten die Volksvertreter mit ihren Diäten von 1000 Reichsmark pro Monat die örtlichen Märkte gehörig durcheinander. Gegen hohe Summen war auf einmal alles erhältlich. „Am Dienstag sah ich nach Jahren die ersten Apfelsinen in einem Schaufenster der Weimarer Hauptstraße“, notierte der Abgeordnete Paul Löbe im Februar 1919 in sein Tagebuch.367 Für den Großteil der Weimarer Bevölkerung, die durch die Nationalversammlung kein Zusatzeinkommen erzielte, blieben solche Südfrüchte aber unerschwinglich. Sie litt dagegen unter dem kräftigen Preisanstieg für Lebensmittel. Schon bald musste Sachsen-Weimars Regierung an die „Ehrenpflicht“ der örtlichen Geschäftsleute appellieren, die Hochkonjunktur nicht geschäftlich auszunutzen, und drohte, notfalls „die Preisprüfungsstelle nachdrücklich ihres Amtes walten“ zu lassen.368 Im April kam es sogar zu einer Demonstration von Arbeitslosen, die sich auch gegen die hohen Lebensmittelpreise wandte.369 Die Stadtväter betrachteten die Tagung der Nationalversammlung trotzdem als Gewinn für Weimar. Als nach 174  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

der Osterpause im April Zweifel aufkamen, ob das Parlament weiter in Weimar tagen oder nach Berlin zurückkehren würde, beschloss der Gemeinderat nach Eingaben aus der Bevölkerung, „Schritte zu unternehmen, dass die Nationalversammlung nach Weimar zurückkehrt“.370 Die Frage, wie lange die Nationalversammlung überhaupt in Weimar bleiben sollte, war heftig umstritten, denn die Kritik an dem Tagungsort riss nicht ab. Schon am Eröffnungstag hatte die USPD die sofortige Verlegung von Weimar nach Berlin beantragt.371 „Weimar ist seit der Einberufung der Nationalversammlung nicht mehr das stille beschauliche Städtchen von einst. Es gleicht einem Heerlager, in dem die weiße Garde Noskes herrscht“, schimpfte die Abgeordnete Luise Zietz.372 Der Antrag hatte zwar keinen Erfolg, aber die Unabhängigen waren nicht die Einzigen, die Stimmung gegen Weimar machten. Auch manche Hauptstadtjournalisten wurmte der Umzug so sehr, dass sie einzelne Startschwierigkeiten in Weimar überzeichneten. Die Münchner Neuesten Nachrichten sahen sich daher zu der Klarstellung veranlasst: „In Weimar herrscht, wie gegenüber geradezu unverantwortlichen Sensationsmeldungen namentlich der Berliner Presse betont sei, die vollkom­ menste Ruhe und Ordnung.“373 Als aber Anfang April 1919 noch immer kein Ende der Tagung in Weimar abzusehen war, begann auch die preußische Regierung auf eine Rückkehr nach Berlin zu drängen.374 Die aufwendige Pendelei von Ministern und Beamten zwischen Berlin und Weimar, die hohen Kosten für das Reich und die Gefahr einer Isolierung der Nationalversammlung durch radikale Kräfte machte Preußens Ministerpräsident Paul Hirsch (SPD) gegen Weimar und für eine rasche Rückkehr nach Berlin geltend. Die Reichsregierung hatte gegen eine baldige Verlegung gar nichts einzuwenden, aber sie veranschlagte zwei weitere Monate für die Herrichtung des Reichstages, weil die alte Volksvertretung seit den Revolutionstagen arg ramponiert war.375 Im Berliner Rathaus sorgten diese Verzögerungen für Unruhe. Der Oberbürgermeister sah seine alte Befürchtung bestätigt, dass das Weimarer Provisorium zur Dauerlösung werden und Berlin seine Hauptstadtrolle einbüßen könnte. „Wenn ein nachdrücklicher Wille zur Zurückverlegung sich geltend macht, ließe sich der Zeitraum sicher bedeutend abkürzen“, appellierte er an die Reichsregierung und erinnerte an Eberts Zusage, dass Berlin Reichshauptstadt und Regierungssitz bleiben solle.376 Bei Hugo Preuß, Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins 175

inzwischen Reichsminister des Innern, lief der Oberbürgermeister damit offene Türen ein, doch Preuß’ Fachleute, die das Reichstagsgebäude besichtigten, kamen zu einem düsteren Befund. „Sämtliche Räume [sind] infolge beinahe sechs Monate währender Belegung durch Truppen derart verlaust, beschmutzt und beschädigt, dass eine vollständige Desinfektion sowie gründliche Reinigung und Instandsetzung erforderlich ist, um eine ordnungsgemäße Benutzung wieder zu ermöglichen.“ Preuß musste den Berliner Stadtvätern sogar mitteilen, dass die notwendigen Arbeiten viereinhalb Monate dauern würden.377 Im Berliner Rathaus misstraute man der Reichsregierung. Die Sorge, Berlin könne seinen Status als Hauptstadt einbüßen, saß tief, und auf die Auskünfte der Reichsregierung allein wollte man sich nicht verlassen. Berlins Oberbürgermeister ließ daher seine Baubehörde geheim ermitteln und feststellen, wie es im Reichstagsgebäude wirklich aussah. Der geheime Späher berichtete: „Gemäß dem mir gewordenen Auftrag begab ich mich gestern in das Reichstagsgebäude und nahm dort unter dem Vorgeben, die Reichstagsbibliothek aufsuchen zu müssen, Veranlassung, die Räume soweit sie zugänglich waren, zu besichtigen.“378 Das Ergebnis der Recherche war allerdings ernüchternd. Der Berliner Beamte fand alles genauso vor, wie von Innenminister Preuß beschrieben, und er brachte dem Oberbürgermeister sogar noch schlimmere Nachricht: „Unter den Hausdienern ist jedenfalls die Meinung verbreitet, dass vor Weihnachten an eine Benutzung des Hauses nicht gedacht wird.“ Obwohl die Rückkehr ins Reichstagsgebäude also alles andere als nahe bevorstand, machte ein anderer Umstand den Berlinern Hoffnung. Als Anfang Mai 1919 die Bekanntgabe der Friedensbedingungen in Versailles anstand, zeigten sich die Schwierigkeiten der Berlin-Weimar-Situation. „Drei Minister weilen in Versailles, Minister David liege krank in einem Sanatorium, wenn nun noch vier nach Weimar zu den Plenarverhandlungen reisen würden, blieben nur ganz wenige in Berlin zurück, die die ungeheure Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen in der Friedensfrage zu tragen hätten“, zitierte die Presse Regierungschef Scheidemann, der darauf drängte, die Nationalversammlung nicht nach Weimar einzuberufen.379 Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehrere Ausschüsse der Nationalversammlung in Berlin zusammengetreten, und Reichstagsdirektor Jungheim suchte fieberhaft nach einem Ausweichquartier für das Plenum in Berlin. Das frühere Preußische Herrenhaus, 176  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

die Technische Hochschule an der heutigen „Straße des 17. Juni“, das Konservatorium am Potsdamer Platz und die Musikhochschule in Charlottenburg – sie alle erwiesen sich als ungeeignet.380 Schließlich wurde die Aula der Berliner Universität hergerichtet, damit dort am 12. Mai eine Sondersitzung zu den Versailler Friedensbedingungen stattfinden konnte. Diese Sitzung in Berlin blieb aber ein einmaliges Gastspiel, denn schon Ende Juni trat die Nationalversammlung wieder in Weimar zusammen, um die Arbeit an der neuen Verfassung abzuschließen. Das Ende für die Weimarer Nationalversammlung kam mit dem Ende der Verfassungsgebung. Mitte Juli zeichnete sich ab, dass man mit der Arbeit an der neuen Konstitution bald fertig sein würde. Der Ältestenausschuss des Parlaments empfahl daher eine Rückkehr der Nationalversammlung nach Berlin im Lauf des August. Nicht alle Abgeordneten waren davon begeistert, selbst Präsident Konstantin Fehrenbach – der Zentrumspolitiker hatte das Präsidium übernommen, nachdem Eduard David Reichsminister geworden war – räumte ein, dass auch er die Vorliebe für Weimar teile, „die im Haus weit verbreitet ist“.381 Aber man habe dem Theater und der Stadt die Räumung des Gebäudes für den Sommer zugesagt und dürfe „nicht abermals für die ganze Wintersaison den Theaterbetrieb in Weimar in derartiger Weise irritieren“. Neben den praktischen Schwierigkeiten für die Parlamentsarbeit durch die Teilung zwischen Berlin und Weimar sprach Fehrenbach auch die Kosten an und mahnte zur Sparsamkeit. „Der Kostenaufwand in Weimar ist ein derartiger, dass man kaum verantworten kann, länger als notwendig in Weimar zu bleiben.“ Seit der Verkündung der Friedensbedingungen im Mai, die in allen politischen Lagern als überaus hart empfunden wurden, hatte sich auch die Stimmung verändert. Deutschland sollte unter anderem ein Achtel seines Territoriums und sämtliche Kolonien verlieren sowie 269 Milliarden Goldmark an Reparationen zahlen. Vielen Akteuren schien eine entspannte Klausurtagung im beschaulichen Weimar dem Ernst der politischen Lage nicht mehr angemessen.382 Am 31. Juli beschloss die Nationalversammlung mit den Stimmen von SPD, DDP und Zentrum die neue Reichsverfassung. Friedrich Ebert, der im nahen Schwarzburg ein paar Tage Urlaub machte, unterzeichnete dort am 11. August das neue Grundgesetz, und am 21. August versammelten sich die Abgeordneten ein letztes Mal im Nationaltheater, um den Reichspräsidenten auf die neue Verfassung zu vereidigen. Die Tagung in Weimar und die Ängste Berlins 177

Über dem Nationaltheater wehte die neue schwarz-rot-goldene Reichsflagge, auf dem Platz vor dem Theater waren Soldaten in Paradeuniform und mit Musikkapelle aufmarschiert, und an den Rändern drängten sich Tausende Schaulustige, die ein letztes Mal einen Blick auf die politische Prominenz werfen wollten. Drinnen, im Plenarsaal, sprach Ebert den Eid auf die neue Verfassung, die halb beschwörend, halb feststellend mit den Worten begann „Das deutsche Volk, einig in seinen Stämmen …“ In einer kurzen Ansprache ging Ebert noch einmal auf das Verhältnis von Reich und Ländern ein. Er würdigte „die innige Liebe zur Heimat, zum Volksstamm, dem der einzelne entsprossen ist“, aber er betonte zugleich: „Dazu soll kommen die heilige Arbeit am Ganzen, das Sich-in-Dienst-stellen in die Interessen des Reichs. Da löst sich der Widerspruch zwischen Gesamtstaat und Einzelstaat.“383 Da war es wieder, dieses besondere Verständnis von Ebert für Reich und Länder. Ebert hatte auf eine Nationalversammlung in Weimar gedrängt, um durch eine Tagung außerhalb Berlins und Preußens ein Zeichen gegen die bisherige Hegemonie zu setzen, um durch die rasche demokratische Teilhabe aller Landesteile einen drohenden Zerfall Deutschlands abzuwenden. Dieses Ziel wurde erreicht. Zwar blieb das Reich-Länder-­ Verhältnis in der Folgezeit nie spannungsfrei, aber sosehr die junge Republik auch von links und rechts befehdet wurde, die Gefahr einer Lossagung einzelner Regionen vom Reich war gebannt. Als 1923 politische Abenteurer im Rheinland und in der Pfalz mit Hilfe der französischen Militärbesatzung eine Sezession versuchten, scheiterte ihr Manöver kläglich, weil es dafür in der Bevölkerung keinerlei Rückhalt mehr gab.384 „Was wir von Weimar erhofft haben, das haben wir gefunden, und unser Abschied vollzieht sich nicht ohne eine gewisse Wehmut“, erklärte Fehrenbach zum Abschluss der Tagung, und seinen Worten konnte sicher auch Friedrich Ebert zustimmen. Der neue Reichspräsident brach schon wenige Tage später zu einer Reise nach Süddeutschland auf. In Bayern, Württemberg, Baden und Hessen hielt er in den Landeshauptstädten öffentliche Ansprachen. Überall betonte Ebert seine süddeutsche Herkunft und versicherte, dass man auch im neuen Reich die Besonderheiten der Länder respektieren werde.385 Die Nationalversammlung hatte nach einem halben Jahr und 86 Sitzungen ihre Tore in Weimar geschlossen, aber der Einsatz von Friedrich Ebert für die Einheit der Nation ging weiter. 178  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“

24.  Weimars Wirkung oder: War Weimar die falsche Wahl?

Die Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik

I

m April 1919 lag dem Senat des US-Bundesstaates Kalifornien ein Antrag zur Umbenennung von Weimar vor.386 In Zukunft, so der Antrag, solle der Ort Argonne heißen, so wie jene Region im Norden Frankreichs, in der im September 1918 mehr als eine Million amerikanische Soldaten in einer letzten großen Offensive die deutsche Niederlage besiegelt hatten. Allerdings ging es den Senatoren nicht darum, den Namen der Stadt in Thüringen zu ändern. Der Antrag zielte auf ein winziges Nest gleichen Namens rund 50 Meilen nordöstlich von Sacramento. Als der Rat der Volksbeauftragten über den Tagungsort der Nationalversammlung beraten hatte, war sich Friedrich Ebert sicher gewesen: „Es wird in der ganzen Welt angenehm empfunden werden, wenn man den Geist von Weimar mit dem Aufbau des neuen Deutschen Reiches verbindet.“387 Außenminister Brockdorff-Rantzau hatte sogar behauptet, bei einem Gang nach Weimar könne man mit einem milderen Friedensvertrag rechnen. Jetzt wollte in rund 9000 Kilometern Entfernung ein amerikanisches Provinzparlament ein Dörfchen umbenennen, weil es den gleichen Namen trug wie der Geburtsort der deut­schen Republik. Warum verfehlte Weimar die Wirkung, die mit seiner Wahl beabsichtigt war? War Weimar die falsche Wahl? Präsident Wilson hatte die Demokratisierung in Deutschland zur Vorbedingung für Friedensverhandlungen gemacht. Der Gang nach Weimar als symbolische Abkehr vom preußischen Militarismus hätte daher vor allem in den Vereinigten Staaten Eindruck machen sollen. Tatsächlich wurden in der amerikanischen Öffentlichkeit die Ereignisse in Deutschland sehr aufmerksam wahrgenommen. Als die Entschei­dung für Weimar publik wurde, brachte etwa die Chicago Daily Tribune eine Fotostrecke über das Nationaltheater sowie die wichtigsten Politiker. Die Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik  179

Nachdem die Nationalversammlung ihre Arbeit beendete hatte, druckte die New York Times die Weimarer Verfassung sogar in voller Länge in englischer Übersetzung ab.388 Von einigen Beobachtern wurde der Gang nach Weimar auch durchaus positiv aufgenommen. Die New York Times etwa hob hervor, dass man sich mit dem Ort der Nationalversammlung so weit wie möglich vom „alten preußischen Geist“ entfernt habe,389 und lobte später: „Wenn die geistige Atmosphäre irgendeiner Stadt in Deutschland ein gutes Omen für die Arbeit der Versammlung sein kann, dann hätte sicherlich keine glücklichere Wahl getroffen werden können.“390 Dass Weimar allerdings tatsächlich Ausdruck eines neuen, demokratischen und antimilitaristischen Deutschlands sei, das glaubten in Amerika nur wenige. Für amerikanische D ­ iplomaten, die ab Januar 1919 von der Versailler Friedenskonferenz zu Erkundungsreisen nach Deutschland kamen, war die Wahl Weimars kein Thema. Sie konnten keinen grundlegenden Politikwechsel er­kennen: „Die Nationalversammlung unterscheidet sich in ihren Geschäften und ihrem prominenten Personal wenig vom Reichstag. Der Ton der Reden aller Mitglieder der Versammlung, von der extremen Rechten bis zu den Mehrheitssozialisten hat sich kaum verändert; sie sind sich Deutschlands Niederlage nicht bewusst“, schrieb ein Diplomat, und ein anderer konstatierte: „Zu sagen, dass als Folge des Krieges ein neuer Geist in Deutschland erwachsen wäre, würde derzeit zu weit gehen.“391 Eine Beobachterin, die sehr klarsichtig den Zustand der deutschen Republik erkannte, war die amerikanische Journalistin Marguerite Harrison. Sie war Anfang 1919 für sechs Monate nach Deutschland gekommen, um Eindrücke in dem besiegten Land zu sammeln – für die Leser der Baltimore Sun, aber wohl auch für den US-Militärgeheimdienst. In ihren Berichten beschrieb Harrison Deutschland als ein Land voller Selbstmitleid und Revanchismus, und sie sah voraus, dass Deutschland erneut für Unruhe in Mitteleuropa sorgen würde, sobald es wieder zu alter Stärke zurückgefunden hätte. Den demokratischen Wandel dagegen hielt sie für oberflächlich: „Die gegenwärtige Regierung ist nur dem Namen nach sozialistisch … Nur die Köpfe der Regierung haben sich verändert, das ganze Personal der Wilhelmstraße und die Landes- und Kommunalbeamten in ganz Deutschland sind praktisch die Gleichen wie im früheren Kaiserreich“, schrieb sie.392 Es waren Einschätzungen wie diese, die die amerikani180  Weimars Wirkung

sche Regierung veranlassten, dem republikanischen Deutschland wenig anders zu begegnen als dem Kaiserreich. „Wilson sah in der Weimarer Republik keinen besseren, sondern lediglich einen schwächeren deutschen Staat“, urteilt der Historiker Klaus Schwabe.393 Die Entscheidung, die neue Republik in Weimar zu gründen, konnte daher kaum positiven Eindruck machen. Man nahm die Ortswahl zwar zur Kenntnis, und mancher sah darin auch ein hoffnungsvolles Zeichen, aber die Regierungspolitik war von der Einschätzung bestimmt, dass sich Deutschland nicht grundlegend verändert hatte – so war es in den Vereinigten Staaten und ganz ähnlich auch in Großbritannien.394 Die Art und Weise, wie die Washington Post über den Gang nach Weimar berichtete, war daher bezeichnend für die Aufnahme dieser Nachricht bei den westlichen Siegern: „Huns select Weimar“ titelte das Blatt. Auch vier Monate nach Waffenstillstand, Kaisersturz und Revolution waren die Deutschen für die Washington Post noch immer „die Hunnen“.395 Wenn der Gang nach Weimar schon im Ausland seine Wirkung offenkundig verfehlte, konnte der Geburtsort dann wenigstens innerhalb Deutschlands der jungen Republik und ihrer Verfassung einen positiven Stempel aufdrücken? Ohne Zweifel waren Republik und Verfassung von Beginn an sprachlich mit Weimar eng verbunden. Als die Nationalversammlung ihre Arbeit an der Verfassung beendet hatte und der Moment des Danks an die Stadt Weimar anstand, verkündete der Vorsitzende des Verfassungsausschusses, der Demokrat Conrad Haußmann: „Wir wollen uns Weimar dafür erkenntlich zeigen, dass diese Verfassung in der Geschichte Deutschlands und in der Weltgeschichte künftig den Namen ,Weimarer Verfassung‘ führen soll.“396 Auch wenn es keine amtliche Bezeichnung war, war der Begriff „Weimarer Verfassung“ bald weitverbreitet, und zwar auch unter Verfassungsrechtlern aller politischer Richtungen.397 Wie sehr sich auch die Reichsregierung bemühte, den Geburtsort der Republik nutzbar zu machen, zeigte die amtliche Ausgabe der Reichsverfassung, die allen Schülerinnen und Schülern zur Schulentlassung überreicht wurde. Dort heißt es: „Mit dem Namen Weimar verknüpft sich für jeden Deutschen über alle geschichtlichen Wechselfälle hinaus die Erinnerung an eine Zeit reichster und freiester Entwicklung deutschen Geisteslebens. An beides, an das Gefühl starker Liebe zur Einheit des gemeinsamen deutschen Vaterlandes wie an den Die Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik  181

kraftvollen Sinn für demokratische Freiheit wendet sich das Verfassungswerk von Weimar.“398 Die Hoffnung, mit der Bezugnahme auf Weimar gerade auch im bürgerlichen Lager Sympathie für die Republik wecken zu können, wurde jedoch enttäuscht. Im Gegenteil, ein führender Deutschnationaler wie Kuno Graf von Westarp bedauerte zutiefst, dass die verhasste Republik „leider an den Namen Weimar geknüpft“ sei399, und die reaktionäre preußische Kreuz-Zeitung schrieb über die Tagung in Weimar angewidert: „Einer Stätte, die bisher fast nur der kulturellen Erinnerung lebte, wird so der offizielle Revolutionsstempel des 9. November aufgedrückt.“400 Dass Friedrich Ebert und andere Sozialdemokraten in ihren Reden vor der Nationalversammlung immer wieder Bezug auf die Dichter der Klassik nahmen, empfand die deutschnationale Presse als „literarische Leichenschändung“ und verlangte ein Verbot, „den Geist von Weimar und den Geheimrat Goethe weiter in die Debatte zu ziehen.“401 Während der Monarchie hatten Konservative keine Skrupel gehabt, Weimar und die Klassik für ihre Kriegspolitik propagandistisch einzuspannen. Dass dann ausgerechnet Arbeiterbewe­gung und Republik die Ikonen des deutschen Bildungsbürgertums für sich in Anspruch nahmen, erschien ihnen wie ein geistiger Diebstahl und befeuerte ihre hasserfüllte Propaganda gegen die Republik. In Karikaturen wurden Goethe und Schiller den angeblichen neuen Weimarer Dioskuren Ebert und Scheidemann gegenüberstellt, um so die Republik und ihre Repräsentanten lächerlich zu machen.402 Auch wenn der Gründungsort Teil solcher Schmähungen war, das Motiv für die Geg­ner­schaft zur Republik war nicht Weimar. Es war vor allem die Legende, dass die Revolution und nicht die Monarchie schuld war an der militärischen Niederlage und ihren Folgen. Dieser Irrtum war aber ohne jeden Bezug zum Tagungsort der Nationalversammlung. Trotzdem wurde „Weimar“ bei den Feinden der Republik zu einer Chiffre für die verhasste Demokratie, für das bekämpfte „System“, für einen schwachen Staat und dessen militärische Machtlosigkeit. Carl Schmitt etwa, anfänglich Kronjurist der Nationalsozialisten, wähnte sich „Im Kampf mit Weimar–Genf–­Versailles“403 und stellte den Geburtsort der Republik in eine Reihe mit dem Ort des Völkerbundes und der Stätte, an der der Friedensvertrag unterzeichnet werden musste. Als die Nationalsozialisten nach den Reichstagswahlen im März 1933 die Zerstörung der Demokratie zum Abschluss brachten, taten sie dies 182  Weimars Wirkung

auch in symbolischer Abwendung von Weimar: Mit einem „Tag von Potsdam“ eröffneten sie den neu gewählten Reichstag und zelebrierten in der einstigen Hohenzollern-Residenz den Schulterschluss zwischen Nationalsozialisten und Konservativen, zwischen Hitler und Hindenburg. Als „Nationalversammlung von Potsdam“ feierte die Nazipropaganda das Parlament,404 und als der Reichstag schließlich mit dem Ermächtigungsgesetz der Demokratie den Todesstoß versetzt hatte, verkündete Reichstagspräsident Hermann Göring zufrieden: „Nun ist Weimar überwunden“.405 Wenn Weimar als Tagungsort also weder im Ausland als Symbol für die neue Republik Wirkung entfaltet hat noch im Innern vermochte, dem neuen Staat Sympathien zu vermitteln, welchen Wert hatte dann der Gang nach Weimar? Deutschland stand im November und Dezember 1918 am Rande des Zerfalls. Die antipreußische Stimmung im katholischen Rheinland und im Süden, die weitverbreitete Skepsis in der Provinz gegenüber Berlin, erst wegen des Zögerns beim Friedensschluss, dann – je nach politischem Standort – aus Furcht vor einer bolschewistischen Diktatur oder aus Ärger über die mangelnde Dynamik der Revolution, die separatistischen Tendenzen, die vom Ausland mit Sympathie verfolgt und wohl auch tatkräftig gefördert wurden, und die Hoffnung mancher Regionalpolitiker, durch eine Lossagung vom Reich bessere Friedensbedingungen für die eigene Region zu erreichen, alle diese Faktoren hatten den Zusammenhalt des Reiches erheblich gelockert. Dass es in dieser Situation gelang, das Reich zusammenzuhalten und die Katastrophe des Zerfalls zu verhindern, bleibt das Verdienst der Volksbeauftragten um Friedrich Ebert.406 Der Historiker Heinrich August Winkler meint, „die Volksbeauftragten haben den Partikularismus und Separatismus weniger durch ihr Tun als durch ihr Unterlassen eingedämmt“.407 Dieses Urteil wird den Anstrengungen vor allem Eberts nicht ganz gerecht. Die Bestätigung des Bundesrates als Verfassungsorgan im November 1918, die Einberufung der Reichskonferenzen zur Integration der neuen Landesregierungen in die Reichspolitik, der Stopp der Neugliederungspläne von Hugo Preuß, das Zugeständnis weiterer Mitwirkung der Länder an der Reichsgesetzgebung, die gouvernementale Repräsentanz der Länder durch einen Bundesrat statt eine zweite Parlamentskammer, das Vetorecht der betroffenen Länder bei einer Neugliederung, Eberts Bemühungen, Die Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik  183

immer wieder süddeutsche Parteifreunde in wichtige Reichsämter zu berufen  – all dies waren sehr bewusste Entscheidungen, um dem Separatismus den Wind aus den Segeln zu nehmen, auch wenn der Preis dafür vielfach der Verzicht auf durchgreifende Reformen war. Am wichtigsten war jedoch die schnelle Wahl einer Nationalversammlung und deren Berufung nach Weimar, die Ebert  – inspiriert von seinem Kanzleichef Kurt Baake – entschlossen durchsetzte. Die Wahl gab den Deutschen aller Landesteile die Möglichkeit zur demokratischen Selbstbestimmung, und sie nahm den Menschen außerhalb Berlins die Sorge vor der Gewaltherrschaft einer radikalen Minderheit, vor einer Berliner Diktatur über das Reich. Kein Zweifel, der erste Anstoß, die Nationalversammlung außerhalb Berlins tagen zu lassen, erfolgte aus Sorge vor einer Störung ihrer Arbeit durch radikale Revolutionäre. Diese Sorge wuchs mit der Entfernung von der Hauptstadt und war auch eine Folge der Zerrbilder, die nicht nur die reaktionäre Provinzpresse von der Lage in Berlin zeichnete. Tatsächlich waren Sicherheitsbedenken nach dem „Spartakusaufstand“ Anfang Januar 1919 aber kein Grund mehr für eine Verlegung aus Berlin. Die Preußische Landesversammlung tagte später ungestört in der Hauptstadt. Es bedurfte schon der Hybris der Spartakusanhänger, um den Gang nach Weimar als Flucht vor dem Volk zu deuten. Es war der Wunschtraum der deutschen Kommunisten, es den russischen Bolschewiki gleichzutun und die demokratisch gewählte Konstituante auseinanderzujagen, doch dazu fehlten ihnen alle Mittel. Die Entscheidung für den Fortgang aus Berlin war daher weniger der faktischen Sicherheitslage in der Hauptstadt geschuldet, sondern mehr der Rücksichtnahme auf die Sicherheitsbedenken, die in der Provinz noch immer bestanden. Tatsächlich hatten sich hochrangige Militärs wie Wilhelm Groener oder General Walther Reinhardt, der preußische Kriegsminister, für eine Tagung in Berlin ausgesprochen, und eine militärische Beurteilung zur Lage in Weimar erfolgte erst, nachdem die Entscheidung zu Gunsten der Tagung in der Stadt gefallen war. Die Abkehr von Berlin konnte als symbolische Abkehr von all dem gedeutet werden, wofür die Hauptstadt stand. Je nach politischem Standort waren das: Kaisertum und Militarismus, preußische Hegemonie und Zentralismus, Liberalität und Modernität der Großstadt, Revolution und spartakistische Barrikadenkämpfe. In der Entscheidung 184  Weimars Wirkung

gegen Berlin konnte jeder ein Votum gegen das sehen, was ihm an der Hauptstadt missfiel. Das bescherte der Entscheidung viel Zuspruch, allein die Berliner waren parteiübergreifend verärgert. So vielschichtig wie die Vorbehalte gegen Berlin war auch die Zuneigung zu Weimar. Eine konkrete Gestalt hatte der „Geist von Weimar“ nie, er ließ sich für vieles nutzbar machen – für die Monarchie und für die Republik, für die Demokratie und für die Diktatur, als Gegensatz zum „Geist von Potsdam“ und als dessen Ergänzung.408 Aber gerade in dieser Vielfalt lag seine integrative Kraft. Weimar war eine Hauptstadt der deutschen Kulturnation gewesen, lange bevor die staatliche Einheit der Nation erreicht war. Deshalb war die Stadt im Frühjahr 1919 ein Identifikationsort für alle Deutschen, unabhängig von ihrer regionalen und politischen Herkunft. Dies konnte keine andere Stadt bieten, die damals als Tagungsort der Nationalversammlung zur Debatte stand: Erfurt, Kassel und Potsdam waren zu preußisch, Nürnberg, Würzburg und Bamberg zu bayerisch, Eisenach mit der Wartburg zu protestantisch, Frankfurt mit der Paulskirche das liberale Gegenstück zu Bismarck und Preußen. In Weimar dagegen kamen die Vertreter aller Landesteile zur friedlichen Verfassungsgebung zusammen. Das war nicht nur der Erfolg von Eberts verfassungspolitischem, sondern auch von seinem geographischen Entgegenkommen: Die Nationalversammlung tagte außerhalb Preußens, aber auch außerhalb Bayerns, auf halber Strecke zwischen Berlin und München. Der große Erfolg der Weimarer Nationalversammlung liegt darin, die Katastrophe eines Zerfalls Deutschlands verhindert zu haben. Sebastian Haffner hat später mit den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges vor Augen gefragt, ob ein Zerfall und eine militärische Besetzung durch die Entente wirklich so furchtbar gewesen wären. Dahinter stand die Vermutung, dass die Folge davon „ein 1945 ohne Russen und ohne Amputation der Ostprovinzen“ gewesen wäre.409 Lässt man sich auf solche historischen Spekulationen ein, muss man feststellen, dass 1919 Besatzung und Staatszerfall nicht nur ohne die Russen, sondern auch ohne Amerikaner erfolgt wären, denn die USA wandten sich rasch wieder von Europa ab und wollten nicht einmal Mitglied des Völkerbundes werden, den sie selbst initiiert hatten. Das Engagement der verbliebenen Besatzer hätte sich nicht wie nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine Integration Deutschlands in den demoDie Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik  185

kratischen Westen gerichtet, denn das war eine Folge der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion, die es so erst 1945, aber nicht schon 1919 gab. Frankreich hätte vor allem an einer dauerhaften Schwächung Deutschlands durch dessen Teilung gearbeitet. Ein westdeutscher Separatstaat unter französischem Protektorat neben einem preußischen Rest-Deutschland hätte aber vermutlich alles andere als befriedend gewirkt. Er hätte den Revanchismus befeuert und eine deutsche Irredenta ausgelöst. Die staatliche Zersplitterung Deutschlands wäre zudem auch eine politische gewesen und hätte womöglich den Bürgerkrieg zwischen Anhängern und Gegnern der Revolution forciert. Kurzum: Ein Zerfall Deutschlands und seine militärische Besetzung wären kein vorgezogenes „Post-1945“ gewesen, sondern mutmaßlich eine Fortsetzung des Krieges auf deutschem Boden. Die staatliche Einheit Deutschlands, die durch die Nationalversammlung in Weimar gesichert wurde, war die Grundlage für einen eindrucksvollen Wiederaufstieg Deutschlands. 1927 hatte die Industrieproduktion das Vorkriegsniveau wieder erreicht, zwei Jahre später war Deutschland – nach den USA – die zweitstärkste Industrienation der Welt. Auf der Grundlage der Weimarer Verfassung erlebte der Sozialstaat einen beträchtlichen Ausbau, etwa im Arbeitsrecht, bei der Sozialversicherung und der Wohnungsfürsorge. Auch auf kulturellem, wissenschaftlichem und technischem Gebiet erlebte Deutschland eine neue Blüte. Zwischen 1918 und 1933 gewannen deutsche Wissenschaftler 15 Nobelpreise, mehr als Briten und Franzosen zusammen. Zehn Jahre nach Kriegsende bekam mit der „Bremen“ wieder ein deutsches Schiff das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung, und mit dem Bauhaus konnte die Stadt Weimar über ihren Namen hinaus etwas zur international geachteten „Weimar Culture“ beitragen. All dies wäre kaum denkbar gewesen, wenn Deutschland 1919 zerfallen und im Bürgerkrieg versunken wäre. Diese Katastrophe verhindert zu haben bleibt das Verdienst von Friedrich Ebert, der mit der Berufung der Nationalversammlung nach Weimar mehr Staatskunst bewies, als viele Zeitgenossen und Historiker erkannten. Der Senat von Kalifornien hat übrigens im April 1919 eine Umbe­ nennung von Weimar abgelehnt. In letzter Minute hatte sich herausgestellt, dass nicht die deutsche Stadt der Namensgeber gewesen war, sondern ein Indianerhäuptling namens Weemah. Der Name des Ortes 186  Weimars Wirkung

ist bis heute unverändert, und die Diskussion darüber hat gezeigt: Es ist gut, die Geschichte seiner Städte zu kennen. Das schützt vor falschen Schlüssen und erlaubt, an jene zu erinnern, auf deren Erbe die Gegenwart gegründet ist. Das gilt für Kalifornien ebenso wie für Deutschland. Mit der Tagung der Nationalversammlung in Weimar konnte 1919 die staatliche Einheit Deutschlands bewahrt und die erste deutsche Demokratie geschaffen werden. Auch dies bleibt der Erinnerung wert.

Die Weimarer Nationalversammlung und das Schicksal der Republik  187

Quellenverzeichnis

Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (BABL) R 43 I – Reichskanzlei –– Bd. 2484: Nationalversammlung R 1501 – Reichsamt des Innern –– Bd. 17141: Ort der Nationalversammlung –– Bd. 16820: Vorbereitung der Nationalversammlung Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) MA 103537: Die Deutsche Nationalversammlung Landesarchiv Berlin (LA) A Rep. 001-02, Magistrat der Stadt Berlin, Generalbüro, Akte Nr. 2449 (Film B 3345) Stadtarchiv Bamberg (StA) C 56 Nr. 37/42b: Verlegung des Sitzes der deutschen Nationalversammlung nach Bamberg B.S. 2873/5: Nationalversammlung des Reiches in Bamberg im Jahr 1919 Stadtarchiv Erfurt (StA) 1-2/000-5: Bemühungen wegen Tagung der Nationalversammlung in Erfurt 1918/19 Stadtarchiv Frankfurt am Main (StA) Magistratsakte R 169: Beantragte Tagung der Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt am Main Magistratsakte P 107: Magistratsbeschlüsse 1044–1769; 1918 Magistratsakte R 166: Deutsche Nationalversammlung Stadtverordnetenversammlung 1.557: National-Versammlung Quellenverzeichnis 189

Stadtarchiv Kassel (StA) S 3 Nr. 98: Sitzungsprotokolle des Arbeiter- und Soldatenrats Kassel Stadtarchiv Nürnberg (StA) C7/IX SRP Nr. 246: Sitzungen des Stadtmagistrats vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1918 Stadtarchiv Weimar (StA) NA III-1-58, Bd. 1 und 2: Nationalversammlung 1919 Stadtarchiv Würzburg (StA) Magistratsprotokolle Nr. 365 und 366 Institut für Zeitgeschichte München (IfZ) Tagebuch Arnold Paulssen 1918/19 (ED 392, Band 1)

190  Quellenverzeichnis

Abbildungsnachweis

Umschlagabbildung: 21. August 1919. Ansprache des Reichspräsidenten Ebert auf dem Balkon des Nationaltheaters in Weimar nach seiner Vereidigung. Deutsches Historisches Museum, Berlin, BA 90/5753. Abb. 1: 20. Januar 1919. Telegramm von Hugo Preuß nach Weimar. Stadtarchiv Weimar, NA III-158, Band 1, Blatt 1. Abb. 2: 9. November 1918. Ein mit revolutionären Soldaten besetztes Auto am Brandenburger Tor. Bundesarchiv, Bild 183-190000-0624. Abb. 3: 9. November 1918. Proklamation der Republik durch Philipp Scheidemann. Menschenmenge vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Deutsches Historisches Museum, Berlin, BA 90/5382. © bpk-images | Deutsches Historisches Museum. Abb. 4: Frankfurter Paulskirche. Frankfurt am Main, Institut für Stadtgeschichte, ISG_S7A1998_18817. Abb. 5: Titelseite des Vorwärts vom 23. November 1919. Archiv des Verfassers. Abb. 6: Die fünf Volksbeauftragten, von links: Dr. Landsberg, Scheidemann, Noske, Ebert und Wissell. Fotograf: Robert Sennecke. Bundesarchiv, Bild 146-1977-074-08. Abb. 7: Plakat „Arbeiter Bürger Bauern Soldaten aller Stämme Deutschlands vereinigt Euch zur Nationalversammlung“. Januar 1919. Grafiker: Cesar Klein. Bundesarchiv, Plak 002-004-018. Abb. 8: Das Gebiet um die Stadthalle Kassel in einem Luftbild aus den 1920er Jahren. Stadtmuseum Kassel. Abbildungsnachweis 191

Abb. 9: Matrosen der Volks-Marine-Division und revolutionäre Soldaten verteidigen das Stadtschloss. Berlin, Dezember 1918. Fotograf: Herbert Hoffmann. © bpk-images | Herbert Hoffmann. Abb. 10: Porträt Hugo Preuß. 1918. Bundesarchiv, Bild 183-R01630. Abb. 11: Würzburg, Residenz, 1920er Jahre. © ullstein bild – Pachot. Abb. 12: Blick über Bamberg mit Pfarrkirche, Dom und Residenz. Fotopostkarte, Bamberg (Wilhelm Kröner) 1922. © akg-images. Abb. 13: Curt Baake (1864–1938), um 1925. Fotograf: Josef Schmidt. © bpk-images | Josef Schmidt. Abb. 14: Revolution in Berlin. Der Berliner Arbeiter- und Soldatenrat im Reichstagsgebäude: Verpflegungsstelle. November 1918. Bundesarchiv, Bild 146-1970-051-41. Abb. 15: 1919. Eine Schlange vor einem eingerichteten Wahllokal in der Beymestraße in Berlin. Bundesarchiv, Bild 183-R11540. Abb. 16: Zusammentritt der Nationalversammlung im Staatlichen Theater in Weimar, 6. Februar 1919, Nachmittag, 15 Uhr. Bundesarchiv, Bild 146-1972-033-11. Abb. 17: Bildunterschrift: „In der Nationalversammlung während der Eröffnungsrede Eberts: Die Bühne mit den Mitgliedern der provisorischen Regierung. Vorn in der ersten Reihe, rechts vom Redner: Scheidemann, Landsberg (dahinter Bauer), Noske, Wissel [sic!].“ Fotograf: Frankl. „Die Nationalversammlung in Wort und Bild. Sonderheft der Berliner Illustrirten Zeitung“, ohne Datum. Archiv des Verfassers.

192  Abbildungsnachweis

Danksagung

1998/99 jährte sich nicht nur die Entstehung der Weimarer Republik zum 80. Mal. Damals war wegen des Umzugs von Parlament und Regierung auch allenthalben vom Ende der Bonner Republik und dem Anbruch einer Berliner Republik die Rede. In jener Zeit habe ich mich erstmals gefragt: Warum Weimar? Erste Erkenntnisse veröffentlichte ich in der Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl 31, 2000, S. 223 ff.) und später in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ v. 10.1.2009, S. Z1 f.). Dass hieraus jetzt ein Buch geworden ist, verdanke ich Andrea Detjen. Sie hat meine historische Forschung nicht mit Stirnrunzeln oder spöttischem Lächeln bedacht, sondern mich ermutigt, sie zu vollenden. Ich habe sie aber nicht nur deshalb geheiratet. Dieses Buch entstand während eines Sabbaticals in Washington, einer Elternzeit in Berlin und eines Sommerurlaubs im Allgäu. Ich danke meiner Ehefrau und unserem Sohn Hendrick, die mir diese Arbeit durch unterschiedliches Zutun möglich gemacht haben. Mein Dank gilt auch dem Center for German and European Studies der Georgetown University und seinem Direktor Jeff Anderson für die akademische Gastfreundschaft. Die Arbeit an diesem Buch hätte nicht gelingen können ohne die Unterstützung vieler Archivarinnen und Archivare, die mir zahllose Akten, Zeitungen und Bücher beschafft haben. Statt aller danke ich Astrid Rose vom Stadtarchiv Erfurt, deren freundliche Hilfe beim Entziffern alter Handschriften mir in guter Erinnerung geblieben ist. Der Druck des Buches wurde vom Deutschen Bundestag mit einem finanziellen Zuschuss gefördert. Harald S. Liehr vom Böhlau Verlag danke ich, dass er sich mit so viel persönlichem Interesse und eigenen Ideen, insbesondere für die Illustrierung, engagiert hat. Bei der Durchsicht der Fahnen hat mich Dr. Viktor Otto unterstützt. Was trotzdem noch an Fehlern und Unsinn in diesem Buch steht, habe allein ich selbst zu verantworten. Heiko Holste Danksagung 193

Anmerkungen

1.  Warum Weimar? 1 2

3 4

5

6 7

8

StA Weimar, NA III-1-58, Bd. 1, Bl. 1. Vgl. Peter Merseburger, Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht, 5. Aufl., 2007, S. 242 ff.; Annette Seemann, Weimar. Eine Kulturgeschichte, 2012, S. 241 ff. Egon Erwin Kisch, Der Naturschutzpark der Geistigkeit [1926], in: Jens Kirsten (Hrsg.), Weimar literarisch, 2013, S. 226 ff. Zu Bonn: Klaus Dreher, Ein Kampf um Bonn, 1979; zu Berlin: Helmut Herles (Hrsg.), Die Hauptstadt-Debatte. Der Stenographische Bericht des Bundestages, 1994. S. etwa Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, 7. Aufl., 2009, S. 17; Hans Mommsen, Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar. 1918–1933, 2009, S. 86; Ursula Büttner, Weimar. Die überforderte Republik. 1918–1933. Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, 2008, S. 106 f.; völlig ohne jede Erwähnung: Horst Möller, Die Weimarer Republik. Eine unvollendete Demokratie, 7. Aufl., 2004; Andreas Wirsching, Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft, 2. Aufl., 2008; Gunther Mai, Die Weimarer Republik, 2009; differenziert allein Heinrich August Winkler, Weimar 1918– 1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, 1993, S. 70; bester Überblick bisher: Michael Dorrmann, „Aber nicht nach Potsdam sind wir ausgewandert, sondern nach Weimar“. Die Nationalversammlung in Weimar 1919, in: Hans Wilderotter/Michael Dorrmann (Hrsg.), Wege nach Weimar. Auf der Suche nach der Einheit von Kunst und Politik, 1999, S. 21 ff. Treffend der Titel von Manfred Görtemaker (Hrsg.), Weimar in Berlin. Porträt einer Epoche, 2002. Fritz René Allemann, Bonn ist nicht Weimar, 1956. Dazu heute: Sebastian Ullrich, Der Weimar-Komplex. Das Scheitern der ersten deutschen Demokratie und die politische Kultur der frühen Bundesrepublik 1945–1959, 2009. Paul Kaiser, Die Nationalversammlung 1919 und die Stadt Weimar. Die wirtschaftliche Situation und die Klassenverhältnisse der Stadt Weimar, die Gründe für die Wahl der Stadt als Tagungsort der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung und die Haltung der Einwohnerschaft, insbesondere der Weimarer Arbeiterklasse, gegenüber der Nationalversammlung. Die Weimarer Verfassung, 1969 (= Weimar – Tradition und Gegenwart, H. 16), S. 31; ebs. Wolfgang Ruge, Weimar. Republik auf Zeit, Berlin (Ost), 1982, S. 107 f.

194  Anmerkungen

  9 S. Sebastian Haffner, Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick, 2001, S. 177; ders., 1918/19. Eine deutsche Revolution, 1981. 10 Vgl. etwa die Beiträge in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Die Weimarer Verfassung. Wert und Wirkung für die Demokratie, 2009. 11 S. Dieter Grimm, Mißglückt oder glücklos? Die Weimarer Reichsverfassung im Widerstreit der Meinungen, in: Heinrich August Winkler (Hrsg.), Weimar im Widerstreit. Deutungen der ersten deutschen Republik im geteilten Deutschland, 2002, S. 151 ff. 12 Zit. n. Weimarische Landes-Zeitung Deutschland Nr. 23 v. 23.1.1919.

2.  Gespreizte Kerle in Berlin und Leberknödel-Egoismus in Bayern 13 S. zum Folgenden Heiko Holste, Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867– 1933), 2002, S. 95 ff. 14 René Halkett [d. i. Albrecht Frhr. v. Fritsch], Der liebe Unhold. Autobiographisches Zeitportrait von 1900 bis 1939, 2011, S. 45. 15 Vgl. RT-Verh., Bd. 306, S. 1 ff. (4.8.1914). 16 Abg. Haase (SPD), RT-Verh., Bd. 306, S. 8 f. (4.8.1914). 17 Vgl. Büttner, Weimar, S. 21; Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesell­schafts­ geschichte, Bd. 4. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten. 1914–1949, 3. Aufl., 2008, S. 70 ff. 18 Brief v. 12.8.1917, in: Ernst Jünger, Feldpostbriefe an die Familie 1915–1918. Mit ausgewählten Antwortbriefen der Eltern und Friedrich Georg Jüngers, hrsg. v. Heimo Schwilk, 2014. 19 Zit. n. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 72. 20 Zit. n. Peter Englund, Schönheit und Schrecken. Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen, 2011, S. 50. 21 Vgl. Lothar Machtan, Die Abdankung. Wie Deutschlands gekrönte Häupter aus der Geschichte fielen, 2008, S. 82 ff. 22 Zur Wahlrechtsdebatte vgl. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 5. Weltkrieg, Revolution und Reichserneuerung. 1914–1919, 1978, S. 151 ff. 23 Erich Mühsam, Tagebuch, Eintrag v. 18.6.1916, in: www.muehsam-tagebuch.de. 24 Abg. Mayer (Z), RT-Verh., Bd. 308, S. 2002 (2.11.1916). 25 Vgl. Karl-Ludwig Ay, Die Entstehung einer Revolution. Die Volksstimmung in Bayern während des 1. Weltkrieges, 1968, S. 134 ff. 26 Mühsam, Tagebuch v. 25.5.1916. 27 Vgl. Machtan, Die Abdankung, S. 82 ff. 28 Vgl. Bernd Sösemann, Der Verfall des Kaisergedankens im Ersten Weltkrieg, in: John C. G. Röhl/Elisabeth Müller-Luckner (Hrsg.), Der Ort Kaiser Wilhelms II. Anmerkungen 195

29 30 31

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in der deutschen Geschichte, 1991, S. 159, zit. n. Dieter J. Weiß, Kronprinz Rupprecht von Bayern. Eine politische Biografie, 2007, S. 158. Mühsam, Tagebuch v. 2.6.1916. Zit. n. Christopher Clark, Preußen. Aufstieg und Niedergang. 1600–1947, 2007, S. 693. Vgl. Wilhelm Deist (Bearb.), Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914–1918, 2. Teil, 1970 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 2), Nr. 365, S. 962 (Aufzeichnungen über die Stimmung im Lande). Ernst Jünger, In Stahlgewittern. Aus dem Tagebuch eines Stoßtruppführers, 3. Aufl., 1922, S. 96. Zur Berlin-Kritik s. Ralf Stremmel, Modell und Moloch, Berlin in der Wahrnehmung deutscher Politiker vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, 1992, S. 96 ff. Abg. Mayer (Z), RT-Verh., Bd. 308, S. 2002 (2.11.1916). Erich Koch-Weser, Kommunalpolitik im Ersten Weltkrieg. Die Tagebücher Erich Koch-Wesers 1914–1918, hrsg. v. Walter Mühlhausen u. Gerhard Papke, 1999, S. 186 (10.2.1915). Abg. Pfleger (Z), RT-Verh., Bd. 306, S. 297 (23.8.1915). Abg. Alpers (DHP), RT-Verh., Bd. 311, S. 4150 u. Abg. Trimborn (Z), ebd., S. 4158 (26.2.1918). S. Berliner Tageblatt v. 19.3.1918 (A): „Zur Verlegung des Reichspatentamtes nach München“, sowie Stremmel, Modell und Moloch, S. 95 f. m. w. N. Vorwärts Nr. 217 v. 9.8.1918: „Bayern gegen Berlin“. Vorwärts Nr. 211 v. 3.8.1918: „Bayern gegen die ,Bevorzugung‘ Berlins“. Tagebuch des Admirals v. Müller, zit. n. Herfried Münkler, Der Große Krieg. Die Welt 1914–1918, 2014, S. 723.

3.  Wilson, Wilhelm und der Regimewechsel 42 Albrecht von Thaer, Generalstabsdienst an der Front und in der O.H.L. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen 1915–1919, hrsg. v. Siegfried A. Kaehler u. Helmuth K. G. Rönnefarth, 1958, S. 234 f. 43 Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 3. Dokumente der Novemberrevolution und der Weimarer Republik 1918– 1933, 2. Aufl., 1966, Nr. 358. 44 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 584 ff., 600 ff.; RGBl. 1918 S. 1273 ff. 45 Zit. n. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 177. 46 Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 182. 47 Deist, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914–1918, 2. Teil, Nr. 365, S. 964 (Aufzeichnungen über die Stimmung im Lande). 196  Anmerkungen

48 Gustav Mayer, Als deutsch-jüdischer Historiker in Krieg und Revolution 1914– 1920. Tagebücher, Aufzeichnungen, Briefe, hrsg. v. Gottfried Niedhardt, 2009, S. 152 (Eintrag v. 30.9.1918). 49 Adolf Stutzenberger, Die Abdankung Kaiser Wilhelms II. Die Entstehung und Entwicklung der Kaiserfrage und die Haltung der Presse, 1937, S. 31 ff. 50 Zit. n. Stutzenberger, Die Abdankung Kaiser Wilhelms II., S. 33 f. 51 Erich Matthias/Eberhard Pikart (Bearb.), Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1898 bis 1918, 2. Teil, 1966 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 1, Bd. 3), Nr. 492b (23.9.1918), S. 458. 52 RT-Verh., Bd. 314, S. 6162 (22.10.1918). 53 Thomas Mann, Tagebücher 1918–1921, hrsg. v. Peter de Mendelssohn, 1979, S. 45 (Eintrag v. 15.10.1918). 54 Deist, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914–1918, 2.  Teil, Nr. 499, S. 1350 f. (Regierungs-Besprechung v. 31.10.1918). 55 Mayer, Als deutsch-jüdischer Historiker, S. 155. (Eintrag v. 5.10.1918). 56 Machtan, Die Abdankung, S. 244. 57 Prinzessin Therese an Ex-Königin Marie-Therese am 29.11.1918, zit. n. Hadumod Bußmann, „Ich habe mich vor nichts im Leben gefürchtet“. Die ungewöhnliche Geschichte der Therese Prinzessin von Bayern, 5. Aufl., 2013, S. 250. 58 Erich Matthias/Rudolf Morsey (Bearb.), Die Regierung des Prinzen Max von Baden, 1962 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 1, Bd. 2), Nr. 102, 105 (Mitteilungen des bayr. MP an den bayr. Gesandten in Berlin v. 28. u. 29.10.1918); s. Machtan, Die Abdankung, S. 196, 218 ff. 59 Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender, N.F., 34 (1918), hrsg. v. Wilhelm Stahl, Teil I, 1922, S. 349 f. 60 Abgedruckt bei Lothar Machtan, Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler des Kaisers. Eine Biographie, 2014, S. 445. 61 Matthias/Pikart, Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie, 2. Teil, Nr. 510b, S. 511. 62 Zit. n. Weiß, Kronprinz Rupprecht von Bayern, S. 383, Fn. 756 (Tagebucheintrag v. 19.7.1918). 63 Vgl. Alexander Jordan, Krieg um die Alpen. Der Erste Weltkrieg im Alpenraum und der bayerische Grenzschutz in Tirol, 2008, S. 430 ff. 64 Vgl. Berliner Tageblatt v. 2.11.1918 (M): „Bayern und Preußen. Partikularistische Treibereien“; siehe auch die Warnungen von Scheidemann im Kabinett am 31.10.1918, Matthias/Morsey, Die Regierung des Prinzen Max von Baden, Nr. 111, S. 440. 65 Max Weber, Gesamtausgabe, Bd. I/16. Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918–1920, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen u. Wolfgang Schwentker, 1988, S. 363. Anmerkungen 197

66 Frankfurter Zeitung v. 6.11.1918, zit. n. Stutzenberger, Die Abdankung Kaiser Wilhelms II., S. 159.

4.  Es begann in Wilhelmshaven 67 Zit. n. Jörg Duppler/Gerhard P. Groß (Hrsg.), Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung, 1999, S. 65. 68 Zum Revolutionsverlauf vgl. Heinrich August Winkler, Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, 2. Aufl., 1985, S. 34 ff.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 615 ff.; historisch: Eduard Bernstein, Die deutsche Revolution von 1918/19. Geschichte der Entstehung und ersten Arbeitsperiode der deutschen Republik [1921], hrsg. v. Heinrich August Winkler, 1998. 69 Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937, hrsg. v. Wolfgang Pfeiffer-Belli, 1996, S. 12 (Eintrag v. 7.11.1918). 70 Haffner, 1918/19, S. 64. 71 Zit. n. Berliner Tageblatt (A) v. 9.11.1918: „Abdankung des Kaisers“. 72 Kessler, Tagebücher, S. 17 (Eintrag v. 9.11.1918). 73 Berliner Tageblatt v. 10.11.1918 (M): „Ebert übernimmt das Reichskanzleramt“ (Aufruf des RK Ebert). 74 Wilhelm Groener, Lebenserinnerungen. Jugend, Generalstab, Weltkrieg [1939], hrsg. v. Friedrich Frhr. Hiller von Gaertringen, 1957, S. 463.

5.  „Erfüllt von der Überlieferung des Jahres 1848 …“ 75 Dringlicher Antrag v. Dr. Heilbrunn und Gen. v. 10.11.1918, StA Frankfurt, Stadtverordnetenversammlung 1.557; Magistrats-Beschluss Nr. 1344 v. 11.10.1918, StA Frankfurt, Magistratsakte P 107. 76 Ralf Roth, Liberalismus in Frankfurt am Main 1814–1914. Probleme seiner Strukturgeschichte, in: Lothar Gall/Dieter Langewiesche (Hrsg.), Liberalismus und Region. Zur Geschichte des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert, 1995 (= Historische Zeitschrift, Beiheft, N.F., Bd. 19), S. 82. 77 Dieter Rebentisch, Frankfurt am Main in der Weimarer Republik und im Dritten Reich 1918–1945, in: Frankfurter Historische Kommission (Hrsg.), Frankfurt am Main. Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen, 2. Aufl., 1994, S. 423, 425; Erhard Lucas, Frankfurt unter der Herrschaft des Arbeiter- und Soldatenrats 1918/1919, 1969, S. 18. 78 Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Die Paulskirche, in: Etienne François/Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte. Eine Auswahl, 2005, S. 192.

198  Anmerkungen

79 Wolfram Siemann, Der Streit der Erben – deutsche Revolutionserinnerungen, in: Dieter Langewiesche (Hrsg.), Die Revolutionen von 1848 in der europäischen Geschichte. Ergebnisse und Nachwirkungen. Beiträge des Symposions in der Paulskirche vom 21. bis 23. Juni 1998, 2000 (= Historische Zeitschrift, Beiheft, N.F., Bd. 29), S. 124 ff. 80 Lothar Gall, Frankfurt als deutsche Hauptstadt?, in: Dieter Simon (Hrsg.), Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages. Frankfurt am Main, 22. bis 26. September 1986, 1987, S. 14. 81 Schreiben des Magistrats an Rat der Volksbeauftragten v. 17.1.1919, StA Frankfurt, Magistratsakte R 169 – folgende Zitate von dort.

6.  Waldspaziergang und Weltenbrand 82 Ernst Troeltsch, Spektator-Briefe. Aufsätze über die deutsche Revolution und die Weltpolitik 1918/22, hrsg. v. H. Baron, 1924, S. 24. 83 Matthias/Morsey, Die Regierung des Prinzen Max von Baden, S. 523 (Ebert am 5.11.1918); ähnlich Ebert bei der Reichskonferenz am 25.11.1918; Susanne Miller/Heinrich Potthoff (Bearb.), Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/1919, 1. Teil, 1969 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 1, Bd. 6), Nr. 30, S. 153. 84 Halkett, Der liebe Unhold, S. 130. 85 Berliner Tageblatt v. 10.11.1918 (M): „Der Erfolg der Revolution“ v. Theodor Wolff. 86 Kessler, Tagebücher, S. 30. 87 Zum Folgenden Stremmel, Modell und Moloch, S. 183 ff. – folgende Zitate von dort, soweit nicht anders angegeben. 88 Freiburger Volkswacht Nr. 278 v. 28.11.1918. 89 Rheinische Volkszeitung Nr. 276 v. 27.11.1918, zit. n. Martin Schlemmer, „Los von Berlin“. Die Rheinstaatbestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg, 2007, S. 742. 90 Gustav Stresemann, Reden und Schriften, Bd. 1, 1926, S. 229. 91 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 206 ff. 92 Dazu Hildegard Châtellier, Moloch Großstadt, in: Etienne François/Hagen Schulze (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. II, 2001, S. 567 ff.; Stremmel, Modell und Moloch, S. 64 ff. 93 Koch-Weser, Kommunalpolitik im Ersten Weltkrieg, S. 188 (Eintrag v. 10.2.1915). 94 S. Friedrich Ebert, Schriften, Aufzeichnungen, Reden, hrsg. v. Friedrich Ebert jun., 2 Bde., 1926, Bd. 2, S. 131 (Aufruf der Volksbeauftragten v. 12.12.1918). 95 Vorwärts v. 23.11.1918.

Anmerkungen 199

7.  Los von Berlin! – Die rheinisch-reaktionäre Variante 96 Kölnische Volkszeitung Nr. 884 v. 9.11.1918; zum Folgenden: Henning Köhler, Adenauer und die rheinische Republik. Der erste Anlauf 1918–1924, 1986; Schlemmer, „Los von Berlin“; Hugo Stehkämper, Westfalen und die RheinischWestfälische Republik 1918/19. Zentrumsdiskussionen über einen bundesstaatlichen Zusammenschluß der beiden Preußischen Westprovinzen, in: Karl Dietrich Bracher (Hrsg.), Staat und Parteien. Festschrift für Rudolf Morsey zum 65. Geburtstag, 1992, S. 579 ff. 97 Bocholter Volksblatt Nr. 266 v. 14.11.1918. 98 Bayerischer Kurier Nr. 318 v. 15.11.1918. 99 Bocholter Volksblatt Nr. 266 v. 14.11.1918. 100 Rheinische Volkszeitung Nr. 276 v. 27.11.1918, zit. n. Schlemmer, „Los von Berlin“, S. 742. 101 Tremonia Nr. 332 v. 1.12.1918. 102 Dorothea Groener-Geyer, General Groener. Soldat und Staatsmann, 1955, S. 117. 103 Zit n. Ralf Stremmel, Modell und Moloch, S. 192. 104 Kölnische Volkszeitung Nr. 87 v. 31.1.1919. 105 Tremonia Nr. 337 v. 6.12.1918. 106 Bocholter Volksblatt Nr. 270 v. 19.11.1918; Tremonia Nr. 338 v. 7.12.1918. 107 Rheinische Volkszeitung Nr. 276 v. 27.11.1918. 108 Tremonia Nr. 338 v. 7.12.1918. 109 Zit. n. Klaus Neumann, Politischer Regionalismus und staatliche Neugliederung in den Anfangsjahren der Weimarer Republik in Nordwestdeutschland, 2. Aufl., 1990, S. 31. 110 Dazu Köhler, Adenauer und die rheinische Republik, S. 36 ff. 111 Dazu Henning Köhler, Novemberrevolution und Frankreich. Die französische Deutschlandpolitik 1918–1919, 1980, S. 189 ff. 112 Zit. n. Köhler, Novemberrevolution und Frankreich, S. 189. 113 Siehe United States Department of State, Papers Relating to the Foreign Relations of the United States. 1919. The Paris Peace Conference, Bd. II, 1942, S. 102, 107. 114 Köhler, Novemberrevolution und Frankreich, S. 181, Fn. 21. 115 Dafür: Köhler, Adenauer und die rheinische Republik, S. 22 ff.; dagegen: Schlemmer, „Los von Berlin“, S. 94 ff. 116 Note des frz. Außenministeriums v. 23.12.1918, zit. n. Köhler, Novemberrevolution und Frankreich, S. 185. 117 Münsterischer Anzeiger Nr. 646 v. 25.11.1918, zit. n. Neumann, Politischer Regionalismus, S. 30. 118 Rheinische Zeitung Nr. 279 v. 30.11.1918. 200  Anmerkungen

8.  Los von Berlin! – Die bayerisch-revolutionäre Variante 119 Franz J. Bauer/Dieter Albrecht (Bearb.), Die Regierung Eisner 1918/19. ­Ministerratsprotokolle und Dokumente, 1987 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 1, Bd. 10), Dok. 2, S. 409 f. 120 Dazu insgesamt Bernhard Grau, Kurt Eisner. 1867–1919. Eine Biographie, 2001; zur Außen- und Verfassungspolitik insbes. S. 385 ff., 405 ff.; Michaela Karl, Die Münchener Räterepublik. Porträts einer Revolution, 2008, S. 15 ff. 121 Zit. n. Grau, Kurt Eisner, S. 419; siehe auch Vorwärts v. 1.12.1918: „Eisners Politik. Rede im Bayerischen Landessoldatenrat“. 122 Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Dok. 6, S. 414. 123 Dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 5, S. 1020 ff. 124 Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Nr. 14b, S. 82 f. (Ministerratsprotokoll v. 26.11.1918). 125 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, Nr. 30, S. 165, 180 (Protokoll der Reichskonferenz); Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Nr. 14a, Fn. 3, S. 79. 126 Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Dok. 8, S. 415 f. 127 S. Willibalt Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 1946, S. 45. 128 Dazu Neumann, Politischer Regionalismus, S. 63 ff. 129 Dazu Maria Spreen-Rauscher, Von der Sozialistischen Räterepublik zum Freistaat Braunschweig, in: Werner Pöls/Klaus Erich Pollmann (Hrsg.), Moderne Braunschweigische Geschichte, 1982, S. 209 f. 130 Vgl. Hans-Dieter Loose, Groß-Hamburg, Hansestaat oder Republik Niedersachsen? Territoriale Neuordnungspläne für Nordwestdeutschland in der Revolution 1918/19, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 66 (1980), S. 95 ff., 96 f., 107 f. 131 Philipp Scheidemann, Der Zusammenbruch, 1921, S. 213. 132 Zit. n. Wolfgang Elben, Das Problem der Kontinuität in der deutschen Revolution. Die Politik der Staatssekretäre und der militärischen Führung vom November 1918 bis Februar 1919, 1965, S. 57 (Schreiben v. 19.11.1918). 133 Wilhelm Mommsen (Hrsg.), Deutsche Parteiprogramme, 2.  Aufl., 1964, S. 502 ff. 134 Bayerischer Kurier Nr. 318 v. 15.11.1918. 135 Zit. n. Stremmel, Modell und Moloch, S. 191 (Heim in Würzburg am 20.12.1918). 136 Heim, „Eisners Irrgänge und Bayerns Zukunft“, in: Bayerischer Kurier v. 30.11. u. 1.12.1918, zit. n. Herbert Michaelis/Ernst Schraepler/Günter Scheel (Hrsg.), Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands der Gegenwart, Bd. III. Der Weg in die Weimarer Republik, 1960, Nr. 622, S. 138 ff. – folgende Zitate von dort. Anmerkungen 201

137 In die gleiche Richtung zuvor auch schon der BVP-Führer Heinrich Held, vgl. Alfred D. Low, The Anschluss Movement, 1931–1938, and the Great Powers, 1985, S. 85 f. 138 S. etwa Carl Schmitt, Die Militärzeit 1915 bis 1919. Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien, hrsg. v. Ernst Hüsmert u. Gerd Giesler, 2005, Dok. 15, S. 544. 139 S. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 67; Wolfgang Benz, Bayern und seine süddeutschen Nachbarstaaten. Ansätze einer gemeinsamen Verfassungspolitik im November und Dezember 1918, in: Karl Bosl (Hrsg.), Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und ihre Folgen, 1969, S. 505 ff. 140 Zit n. Gerhard Schulz, Zwischen Demokratie und Diktatur, Bd. 1. Die Periode der Konsolidierung und der Revision des Bismarckschen Reichsaufbaus, 1919– 1930, 1963, S. 142. 141 Ernst van den Bergh, Aus den Geburtsstunden der Weimarer Republik. Das Tagebuch des Obersten Ernst van den Bergh, hrsg. v. Wolfram Wette, 1991, S. 51 (Eintrag v. 22.11.1918). 142 Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Dok. 14b (Ministerrats-Protokoll v. 26.11.1918). 143 Karl Hampe, Kriegstagebuch 1914–1919, hrsg. v. Folker Reichert u. Eike Wolgast, 2004, S. 791 (Eintrag v. 29.11.1918, Carl Heinrich Becker zitierend); siehe auch Benz, Bayern und seine süddeutschen Nachbarstaaten, S. 508 ff., 519; Grau, Kurt Eisner, S. 405 ff. 144 Hampe, Kriegstagebuch, S. 790 (Eintrag v. 29.11.1918).

9.  Zusammenhalt durch Teilhabe 145 Ebert, Schriften, Bd. 1, S. 129; zur Biographie: Walter Mühlhausen, Friedrich Ebert 1871–1925. Reichspräsident der Weimarer Republik, 2006; dort zum Engagement für die Reichseinheit insbes. S. 118 ff. 146 Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 3, Nr. 33. 147 Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Nr. 11b (Protokoll v. 21.11.1918). 148 Freiburger Volkswacht Nr. 278 v. 28.11.1918 (Nachdruck der Fränkischen Tagespost, Nürnberg). 149 Vgl. Jürgen Mittag, Wilhelm Keil (1870–1968). Sozialdemokratischer Parlamentarier zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik. Eine politische Biographie, 2001, S. 195 m.w.N. 150 Rheinische Zeitung Nr. 273 v. 23.11.1918. 151 Siehe Ebert, Schriften, Bd. 1, S. 103. 152 Verordnung über die Ermächtigung des Bundesrats zur Ausübung von Verwaltungsbefugnissen v. 14.11.1918, RGBl. 1918, S. 1311. 202  Anmerkungen

153 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, Nr. 30, S. 149 ff. (Protokoll der Reichskonferenz) – folgende Zitate von dort. 154 Bremer Bürger-Zeitung v. 16.11.1918: „Nationalversammlung und deutsche Einheit“, zit. n. Detlef Lehnert, Sozialdemokratie und Novemberrevolution. Die Neuordnungsdebatte 1918/19 in der politischen Publizistik von SPD und USPD, 1983, S. 109. 155 Ebert, Schriften, Bd. 2, S. 131 (Aufruf der Volksbeauftragten v. 12.12.1918). 156 Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Dok. 7, S. 415. 157 Heinz Hürten (Bearb.), Zwischen Revolution und Kapp-Putsch. Militär und Innenpolitik 1918–1920, 1977 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 2, Bd. 2), Nr. 2, S. 4 ff. 158 Hamburger Echo v. 24.11.1918, zit. n. Lehnert, Sozialdemokratie und Novem­ berrevolution, S. 106. 159 Dazu Lehnert, Sozialdemokratie und Novemberrevolution, S. 104 ff. 160 Die Freiheit Nr. 39 v. 6.12.1918. 161 Die Rote Fahne v. 20.11.1919: „Die Nationalversammlung“ v. Rosa Luxemburg. 162 RGBl. 1918, S. 1345.

10. „Es muss reiner Tisch gemacht werden – in Berlin oder mit Berlin“ 163  Zu Überlegungen für eine Hauptstadt Frankfurt oder Potsdam siehe Oliver Pagenkopf, Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004, S. 138. 164 Kölnische Volkszeitung Nr. 907 v. 17.11.1918. 165 Rheinische Volkszeitung Nr. 276 v. 27.11.1918, zit. n. Schlemmer, „Los von Berlin“, S. 742. 166 Siehe zu München: Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, Nr. 30, S. 165, 180; Bauer/Albrecht, Die Regierung Eisner, Nr. 14a, Fn. 3, S. 79; zu Frankfurt: Freiburger Volkswacht Nr. 273 v. 28.11.1918; zu Jena: Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, Nr. 38, S. 253 (Telegramm Eisners v. 2.12.1918). 167 Münchner Neueste Nachrichten v. 20.11.1918, zit. n. Vossische Zeitung v. 23.11.1918 (A). 168 Zit. n. Frankfurter Zeitung v. 23.11.1918 (2. Morgenblatt). 169 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, Nr. 30, S. 161 (Protokoll der Reichskonferenz). 170 RT-Verh., Bd. 63, S. 905 (29.4.1881); siehe auch Bismarck, RT-Verh., Bd. 62, S. 169 (4.3.1881). 171 Germania Nr. 555 v. 28.11.1918 (A) – folgende Zitate von dort.

Anmerkungen 203

11.  Kasseler Republik? 172 Die Schreibweise der Stadt war seinerzeit überwiegend mit C. Im Folgenden wird – abgesehen von Zitaten – die heutige Schreibweise mit K verwandt. 173 Vgl. Abg. Heins (Konservative/Wirtschaftl. Vereinigung), Stenographische ­Berichte über die Verhandlungen des preußischen Hauses der Abgeordneten, 22.  Legislaturperiode, II. Session, 1914/15, 2.  Bd. (Bd. 407), Sp. 2567 f. (19.2.1914). 174 Vgl. insbesondere zur Revolutionszeit Thomas Albrecht, Für eine wehrhafte Demokratie. Albert Grzesinski und die preußische Politik in der Weimarer Republik, 1999, S. 70 ff. 175 Albert Grzesinski, Im Kampf um die deutsche Republik. Erinnerungen eines Sozialdemokraten, hrsg. v. Eberhard Kolb, 2001, S. 63. 176 Volksblatt Nr. 270 v. 28.11.1918: „Für Demokratie und Sozialismus – Gegen Diktatur und Reaktion“. 177 Sitzungsprotokoll des Kasseler A.- u. S.-Rates v. 6.12.1918, StA Kassel, S 3 Nr. 98, Bl. 53 f. 178 Casseler Allgemeine Zeitung v. 27.11.1918 (1. Blatt): „Cassel als Sitz der Nationalversammlung“. 179 Dazu Volksblatt Nr. 270 v. 28.11.1918: „Für Demokratie und Sozialismus – gegen Diktatur und Reaktion!“ – folgende Zitate von dort. 180 Zit. n. Volksblatt Nr. 270 v. 28.11.1918: „Für Demokratie und Sozialismus – gegen Diktatur und Reaktion!“ 181 Ebd. 182 S. Abg. Frhr. v. Mirbach, RT-Verh., Bd. 63, S. 902 (29.4.1881). 183 Frankfurter Zeitung v. 4.12.1918 (2. Morgenblatt). 184 Volksblatt Nr. 270 v. 28.11.1918: „Für Demokratie und Sozialismus – gegen Diktatur und Reaktion!“

12.  Erfurter Republik? 185 Zur Hauptstadtdebatte und Erfurts Rolle siehe Pagenkopf, Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, S. 108 ff.; Walter Schmidt, Erfurt in der deutschen Hauptstadt-Diskussion 1848–1850. Der Verein für die Verlegung des deutschen Parlaments nach Erfurt, in: Ulman Weiß (Hrsg.), Erfurt – Geschichte und Gegenwart, 1995, S. 115 ff. 186 S. Pagenkopf, Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, S. 110. 187 Dazu Gunther Mai (Hrsg.), Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850, 2000; insb. darin: Walter Schmidt, Die Stadt Erfurt, ihre Bürger und das Parlament, S. 433 ff. 188 Protokoll der Stadtverordnetenversammlung, StA Erfurt, 1–2/000–5, Bl. 1. 204  Anmerkungen

189 Schreiben v. OB Schmidt an Volksbeauftragten Ebert v. 5.12.1918, StA Erfurt, 1-2/000-5, Bll. 1r. u. 2. 190 Vgl. StA Erfurt, 1-2/004-52, Bl. 13, 20. 191 Tribüne v. 30.11.1918: „Einladung der Nationalversammlung nach Erfurt“. 192 Dazu und zum Folgenden Steffen Raßloff, Flucht in die nationale Volksgemeinschaft. Das Erfurter Bürgertum zwischen Kaiserreich und NS-Diktatur, 2003, S. 155 ff.; ders., Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger. Erfurt in der Weimarer Republik, 2008; Willibald Gutsche (Hrsg.), Geschichte der Stadt Erfurt, 2. Aufl., 1989, S. 365 ff. (noch offizielle DDR-Geschichtsschreibung). 193 Vgl. Gutsche, Geschichte der Stadt Erfurt, Abb. 301, S. 368. 194 Erfurter Allgemeiner Anzeiger v. 12.11.1918. 195 Zum Folgenden Jürgen Schmidt, „Der Anfang einer Vertretung der Arbeiterschaft auf dem Rathause ist gemacht …“ – Erfurts Übergang zur Großstadt um 1900 und die Arbeiterbewegung, 2011 (Vortragsmanuskript). 196 Vgl. Jürgen Schmidt, Begrenzte Spielräume. Eine Beziehungsgeschichte von Arbeiterschaft und Bürgertum am Beispiel Erfurts 1870–1914, 2005, S. 328. 197 Schreiben des A.- u. S.-Rates an die Reichsregierung v. 5.12.1918, BABL R1501/117141, Bl. 4.

13.  Eisenacher Republik? 198 Ausgangspunkt war der Artikel in „Das demokratische Deutschland. Erste demokratische Wochenschrift“ Nr. 2 v. 21.12.1918, S. 41 f.: „Fragen zur Nationalversammlung“. 199 Eisenacher Zeitung v. 6.1.1919: „Die Nationalversammlung in Eisenach?“ 200 S. (politisch einseitig) Rolf Bartko, Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung der Stadt und des Kreises Eisenach, Teil 2 (November 1918 bis Februar 1920), 1980 (= Eisenacher Schriften zur Heimatkunde, H. 9), S. 3 ff. 201 Schreiben v. OB Schmieder an Rat der Volksbeauftragten v. 5.12.1919, BABL R1501/117141, Bl. 7 ff. – folgende Zitate von dort.

14.  Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst 202 Arnold Brecht, Aus nächster Nähe. Lebenserinnerungen 1884–1927, 1966, S. 221. 203 Allgemeiner Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte v. 16. bis 21.12.1918 in Berlin, Stenographische Berichte, Sp. 62, 56 – folgende Zitate von dort. 204 Emil Barth, Aus der Werkstatt der deutschen Revolution, 1920, S. 97. 205 Susanne Miller/Heinrich Potthoff (Bearb.), Die Regierung der Volksbeauftragten 1918/1919, 2. Teil, 1969 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 1, Bd. 6), Nr. 72, S. 35. Anmerkungen 205

206 Groener, Lebenserinnerungen, S. 476. 207 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 77, S. 106; Nr. 78, S. 112 – Zitate von dort. 208 S. Schreiben des Reichsamtes des Innern an Stadt Würzburg v. 23.12.1918, BABL 1501/117141, Bl. 1. 209 Zit n. Berliner Tageblatt v. 1.1.1919 (M): „Ebert über die Aufgaben der neuen Regierung“. 210 Vgl. Wilhelm Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, Bd. 1, 1947, S. 132 f.

15.  Bundesstaat oder Einheitsrepublik? 211 Vgl. zur gesamten Debatte Holste, Der deutsche Bundesstaat im Wandel, S. 266 ff. 212 Constantin Frantz, Der Föderalismus, als das leitende Prinzip für die soziale, staatliche und internationale Organisation unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland, kritisch nachgewiesen und konstruktiv dargestellt [1879], 1962, S. 232. 213 Zu Preuß vgl. Michael Dreyer, Hugo Preuß (1860–1925). Biographie eines Demokraten, Habil. Jena, 2002; Detlef Lehnert (Hrsg.), Hugo Preuß 1860– 1925. Genealogie eines modernen Preußen, 2011; ders. (Hrsg.), Das pluralistische Staatsdenken von Hugo Preuß, 2012; Hugo Preuß, Gesammelte Schriften, 5 Bde., hrsg. v. Detlef Lehnert u. Christoph Müller, 2007–2015. 214 Hugo Preuß, Denkschrift zum Entwurf des allgemeinen Teils der Reichsverfassung vom 3. Januar 1919, in: ders., Staat, Recht und Freiheit. Aus 40 Jahren deutscher Politik und Geschichte, 1926, S. 372. 215 Preuß, Denkschrift, S. 378. 216 Zit. n. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 45. 217 S. Vossische Zeitung v. 31.12.1918 (A). 218 Vorwärts v. 2.1.1919 (M): „Deutschlands bundesstaatliche Neugestaltung“ v. W. Vogel. 219 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 104a, S. 238, 239 (Sitzungsprotokoll v. 14.1.1919). 220 Vgl. Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 99, S. 206 (Sitzungsprotokoll v. 10.1.1919).

16.  Würzburger Republik? 221 Zit. n. Matthias Stickler, Neuanfang und Kontinuität: Würzburg in der Weimarer Republik, in: Ulrich Wagner (Hrsg.), Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. 3. Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert 1, 2007, S. 177. 206  Anmerkungen

222 Vgl. Bettina Köttnitz-Porsch, Novemberrevolution und Räteherrschaft 1918/19 in Würzburg, 1985 (= Mainfränkische Studien, Bd. 35), S. 40 ff. 223 Vgl. Christian Fries, Andreas Grieser. Oberbürgermeister in der Zeit des Umbruchs 1918–1920, in: Ulrich Wagner (Hrsg.), Würzburger Bürgermeister 1862– 1920, 1990, S. 215 ff.; Volker H. Schmied, Andreas Grieser (1868–1955). Das Leben und Wirken des „Nestors“ der deutschen Sozialversicherung. Zum 125. Geburtstag am 31. März 1993, 1993. 224 Telegramm v. Bgm. Grieser an RK Ebert v. 23.12.1918, BABL R 1501/117141, Bl. 2; Telegramm v. Bgm. Grieser an MP Eisner v. 23.12.1918, BayHStA MA 103537. 225 S. Heinrich Dunkhase, Würzburg als Sitz der deutschen Nationalversammlung 1919, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 30 (1978), S. 108. 226 Stadtmagistrat an Rat der Volksbeauftragten v. 4.1.1919, BayHStA MA 103537 – folgende Zitate von dort. 227 Vgl. Schreiben der württembergischen Gesandtschaft an MP Eisner v. 9.1.1919, BayHStA MA 103537.

17.  Bamberger Republik? 228 Protokoll der Magistratssitzung v. 6.12.1918, StA Nürnberg, C7/IX SRP Nr. 246, S. 332. 229 Telegramm v. OB Geßler an Volksbeauftragte v. 6.12.1919, BABL R1501/117141, Bll. 5, 7. 230 Vgl. Nürnberger Zeitung v. 7.12.1918. 231 Vgl. Winfried Theuerer/Robert Zink, Bamberg 1918/19 – Regierungshauptstadt auf Zeit, in: Werner Wagenhöfer/Robert Zink (Hrsg.), Räterepublik oder parlamentarische Demokratie. Die „Bamberger“ Verfassung 1919, 1999, S. 33 ff. 232 Zit. n. Theuerer/Zink, Bamberg 1918/19, S. 41. 233 Aufruf abgedruckt bei Wagenhöfer/Zink, Räterepublik oder parlamentarische Demokratie, S. 167. 234 Stadtverwaltung Bamberg, Denkschrift „Bamberg als Sitz der dt. Nationalversammlung“ v. 15.1.1919, StA Bamberg, C 56 Nr. 37/42b – nachfolgende Zitate von dort. 235 Schreiben des Stadtmagistrats an RK Ebert u. Rat der Volksbeauftragten v. 15.1.1919, StA Bamberg, C 56 Nr. 37/42b. 236 Vgl. zum Ganzen Stefan Kestler/Kai Uwe Tapken, Bamberg und die Revolution von 1848/49, 1998. 237 Telegramm v. OB Wächter an RK Ebert u. Rat der Volksbeauftragten v. 14.1.1919, StA Bamberg, C 56 Nr. 37/42b; zu den Einzelheiten der Beratung auch Robert Zink, Bambergs Bewerbung um den Sitz der deutschen NationalverAnmerkungen 207

sammlung 1919, in: Harald Parigger (Hrsg.), Porta Ottoniana. Beiträge zur fränkischen und bayerischen Landesgeschichte. Otto Meyer zum achtzigsten Geburtstag gewidmet, 1987, S. 32 ff.

18.  Kampagne und Courage 238 Magistratsbeschluss Nr. 1583 v. 5.12.1918, StA Frankfurt, Mag R 169. 239 Telegramm an OB Voigt v. 18.12.1918, StA Frankfurt, Mag R 169. 240 Telegramm v. OB Voigt v. 18.12.1918, StA Frankfurt, Mag R 169. 241 Vermerk v. OB Voigt v. 6.1.1919, StA Frankfurt, Mag R 169. 242 Schreiben v. OB Wächter v. 15.1.1919, StA Bamberg, C 56 Nr. 37/42b. 243 Telegramm v. Erzberger an OB Wächter v. 23.1.1919, StA Bamberg, C 56 Nr. 37/42b. 244 Schreiben v. Pfeiffer an OB Wächter v. 15.1.1919, StA Bamberg, C 56 Nr. 37/42b. 245 Bericht Nr. 25 der Bayerischen Gesandtschaft in Berlin v. 13.1.1919, BayHStA MA 103537. 246 S. StA Erfurt, 1-2/000-5, Bl. 4, 21, 27, 29 ff. 247 Schreiben des Gemeindekirchenrates v. 28.12.1919, StA Erfurt, 1-2/000-5, Bl. 14. 248 S. Dunkhase, Würzburg als Sitz der deutschen Nationalversammlung, S. 109 m. w. N. 249 Zit. n. Dieter Rebentisch, Ludwig Landmann. Frankfurter Oberbürgermeister der Weimarer Republik, 1975, S. 82. 250 Magistratsbeschluss Nr. 1772 v. 2.1.1919, StA Frankfurt, Mag R 169. 251 Schreiben OB Schmieder an Rat der Volksbeauftragten v. 18.1.1919, BABL R1501/117141, Bl. 14.

19.  Ein roter Bohemien entdeckt Weimar 252 Die Schreibweise des Vornamens war seinerzeit überwiegend mit C, später jedoch mit K. Hier wird – mit Ausnahme von Zitaten – der Name durchweg mit K geschrieben. 253 Adolf Grimme, Briefe, hrsg. v. Dieter Sauberzweig u. Ludwig Fischer, 1967, Nr. 160 v. 15.12.1955, S. 206. 254 S. Erich Matthias/Eberhard Pikart (Bearb.), Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1898 bis 1918, 1. Teil, 1966 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 1, Bd. 3), S. CXIX. 255 Vgl. Philipp Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokraten, Bd. 2, 2010, S. 280; Friedrich Stampfer, Erfahrungen und Erkenntnisse. Aufzeichnungen aus meinem Leben, 1957, S. 97. 208  Anmerkungen

256 Brecht, Aus nächster Nähe, S. 221 f. 257 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, S. CXXXIV ff. 258 Brecht, Aus nächster Nähe, S. 200. 259 Walter Oehme, Damals in der Reichskanzlei. Erinnerungen aus den Jahren 1918/1919, 1958, S. 362 – im Übrigen voller Verdrehungen. 260 August Baudert, Sachsen-Weimars Ende. Historische Tatsachen aus sturmbewegter Zeit, o. J. [1923], S. 42. 261 Vgl. Arnold Paulssen, Tagebuch (Eintrag 23.12.1918), Institut für Zeitgeschichte München, Bestand ED 392, Band 1. 262 Rudolf Nadolny, Mein Beitrag, 1955, S. 68. 263 Vgl. Claus-Dieter Krohn/Corinna R. Unger (Hrsg.), Arnold Brecht. 1884–1977. Demokratischer Beamter und politischer Wissenschaftler in Berlin und New York, 2006. 264 Justus H. Ulbricht, „Goethe und Bismarck“. Varianten eines deutschen Deutungsmusters, in: Lothar Ehrlich/Justus H. Ulbricht (Hrsg.), Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Erbe, Mäzen und Politiker, 2004, S. 91 ff. 265 Vgl. Jürgen von Ungern-Sternberg/Wolfgang von Ungern-Sternberg, Der Aufruf ‚An die Kulturwelt!‘ Das Manifest der 93 und die Anfänge der Kriegspropaganda im Ersten Weltkrieg, 1996. 266 Werner Sombart, Händler und Helden. Patriotische Besinnungen, 1915, S. 84 f. 267 Max Klotz, Potsdam und Weimar, die Wurzeln deutscher Kraft. Festrede, gehalten bei der Kaiser-Geburtstags-Feier am 26. Januar 1917, in der Technischen Hochschule zu Berlin, 1917; dazu auch Hans Wilderotter, „Das Symbolische des deutschen Schicksals“. Der politische Gehalt und der politische Kontext der Goethe-Gedächtniswoche 1932 in Weimar, in: Wilderotter/Dorrmann, Wege nach Weimar, S. 109 ff. 268 Deutsche Allgemeine Zeitung v. 12.12.1918 (M): „Besinnung auf Weimar“. 269 S. Hampe, Kriegstagebuch, S. 812 mit Bezug auf eine Rede Webers am 2.1.1919 in Heidelberg. 270 Weimarische Landes-Zeitung Deutschland v. 4.1.1919: „Der weimarische Kulturgedanke und das neue deutsche Reich“ v. Alexander v. Gleichen-Rußwurm. 271 S. „Das demokratische Deutschland. Erste demokratische Wochenschrift“ Nr. 2 v. 21.12.1918, S. 41 f. 272 Barth, Aus der Werkstatt der deutschen Revolution, S. 97 f.; Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 78, S. 126 (Frage v. Dittmann). 273 Hermann Müller, Die November-Revolution. Erinnerungen, 2. Aufl., 1931, S. 257. 274 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2.  Teil, Nr. 103a, S. 230 f. – folgende Zitate von dort. 275 Schreiben v. Preuß an Volksbeauftragte v. 9.12.1918, BABL R 43/2484, Bl. 105 ff. – folgende Zitate von dort. Anmerkungen 209

276 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 1. Teil, Nr. 89, S. 165 – folgende Zitate von dort.

20.  Zwei Geheimräte auf Reisen … 277 BABL R 1501/117141, Bl. 17 f. 278 Vgl. Albrecht Bald, Deutsche Nationalversammlung 1919 nach Bayreuth?, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken 78 (1998), S. 377–380. 279 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 103, S. 223 ff. (Bericht Dr. Schulze im Rat der Volksbeauftragten) – folgende Zitate von dort, soweit nicht anders angegeben. 280 Vgl. Gerhard Pfeiffer (Hrsg.), Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, 1971, S. 446. 281 Vgl. Arnold Paulssen, Tagebuch (Eintrag 5.–7.1.1919), Institut für Zeitgeschichte München, Bestand ED 392, Band 1. 282 Baudert, Sachsen-Weimars Ende, S. 42. 283 Ulrich Hess, Geschichte Thüringens 1866 bis 1914, 1991, zit. n. Merseburger, Mythos Weimar, S. 246. 284 Vgl. Berliner Tageblatt v. 2.11.1918 (A): „Eine Fürstendebatte im weimarischen Landtag“. 285 Weber, Gesamtausgabe, Bd. I/16, S. 439 (4.1.1919). 286 Baudert, Sachsen-Weimars Ende, S. 40. 287 Weimarische Zeitung v. 2.10.1918, zit. n. Gerhard Lingelbach, Weimar 1919 – Weg in eine Demokratie, in: Eberhard Eichenhofer (Hrsg.), 80 Jahre Weimarer Reichsverfassung – Was ist geblieben?, 1999, S. 32. 288 Vgl. Kaiser, Die Nationalversammlung 1919 und die Stadt Weimar, S. 6. 289 Vgl. Baudert, Sachsen-Weimars Ende; Machtan, Die Abdankung, S. 324 ff. 290 Die Rote Fahne v. 8.1.1919. 291 Aufruf der Reichsregierung v. 8.1.1919, in: Ernst Rudolf Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 4. Deutsche Verfassungsdokumente 1919–1933, 3. Aufl., 1992, Nr. 64, S. 59.

21.  Ebert setzt sich durch 292 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 99, S. 206 mit Fn. 14. 293 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 103, S. 223 ff. (Protokoll der Sitzung v. 14.1.1919) – alle folgenden Zitate von dort. 294 Vgl. Winkler, Weimar 1918–1933, S. 13 f. 295 Telegramm des Reichsamts des Innern an Staatskommissar Baudert v. 14.1.1919, BABL R 1501/117141, Bl. 13. 210  Anmerkungen

296 Denkschrift des Oberstleutnants Robert v. Klüber v. 17.1.1919, BABL R1501/16820, Bl. 150 ff. 297 So übereinstimmend Gustav Noske, Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte der deutschen Revolution, 1920, S. 75; Müller, Die November-Revolution, S. 271; Oehme, Damals in der Reichskanzlei, S. 320. 298 Oehme, Damals in der Reichskanzlei, S. 333; unzutreffend daher auch die Darstellung von Noske, Von Kiel bis Kapp, S. 85, er habe nach der Ermordung von Luxemburg und Liebknecht den Ausschlag für Weimar gegeben. 299 Vgl. Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 103, S. 224 (Bericht v. Schulze/Jungheim am 14.1.1919). 300 Berliner Tageblatt v. 16.1.1919 (A): „Die Nationalversammlung in Berlin“. 301 Bespielhaft etwa die Lancierung des ersten Verfassungsentwurfs, vgl. Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 104a, S. 245 (Preuß) und 247 f. (Scheidemann, Baake).

22.  „O, Weimar-Bethlehem nun rüste Dich!“ 302 Kessler, Tagebücher, S. 109 (Eintrag v. 19.1.1919). 303 Vgl. Weimarische Landes-Zeitung Deutschland v. 18.1.1919 unter Bezugnahme auf eine Meldung in „Der Tag“ (Berlin) vom Vortag. 304 Schreiben v. OB Wermuth an Volksbeauftragten Landsberg v. 19.1.1919, BABL R43/2484, Bl. 242. 305 Zu den Gedankenspiel gebliebenen Sezessionsideen preußischer Konservativer siehe Hagen Schulze, Der Oststaat-Plan 1919, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 18 (1970), S. 123 ff. 306 Beschluss der StVV v. 30.1.1919, LA Berlin, A Rep. 001-02, Generalbüro Akte Nr. 2449 (Film B 3345), Bl. 61. 307 Schreiben v. Hugo Heimann an Curt Baake v. 20.1.1919, BABL R 43/2484, Bl. 257. 308 Vossische Zeitung v. 20.1.1919 (M): „Berlin oder Weimar? Die Nationalversammlung gehört nach Berlin!“ 309 Vorwärts v. 20.1.1919 (A): „Wo soll die Nationalversammlung tagen?“ 310 Berliner Tageblatt v. 20.1.1919 (M): „Die Wahlen zur Nationalversammlung“. 311 Schreiben v. Staatssekretär Preuß an Reichsregierung v. 20.1.1919, BABL R43/2484, Bl. 235. 312 Eine in Pressemeldungen genannte gemeinsame Sitzung von Volksbeauftragten und preußischer Landesregierung lässt sich in amtlichen Protokollen nicht belegen, vgl. Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 111. 313 VO über die Berufung der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung v. 21.1.1919, RGBl. 1919, S. 93; dazu Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 112, S. 283 f. Anmerkungen 211

314 Vgl. „amtliche Meldung“ in der Vossischen Zeitung v. 21.1.1919 (A): „Weimar Nationaltagungsort“; sowie die „halbamtliche Meldung“ des Wolff ’schen Telegraphen Büros in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender, N. F., 35 (1919), 1923, S. 18. 315 Schreiben v. Friedrich Ebert an Berliner Magistrat v. 25.1.1919, LA Berlin, A Rep. 001–02, Generalbüro Akte Nr. 2449 (Film B 3345), Bl. 59. 316 Die Freiheit v. 23.1.1919 (M): „Die Flucht nach Weimar“. 317 Vossische Zeitung v. 21.1.1919 (M): „Berlin oder Weimar“. 318 Protokoll der Sitzung v. 21.1.1919, in: Konstanze Wegner/Lothar Albertin (Bearb.), Linksliberalismus in der Weimarer Republik. Die Führungsgremien der Deutschen Demokratischen Partei und der Deutschen Staatspartei 1918–1933, 1980 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 3, Bd. 5), Nr. 12, S. 24. 319 Berliner Tageblatt v. 21.1.1919 (A): „Nach Weimar“. 320 Berliner Lokal-Anzeiger v. 22.1.1919: „Berlins Demütigung“; Neue Preußische Zeitung/Kreuz-Zeitung v. 21.1.1919 (A): „Weimar als Tagungsort der Nationalversammlung“. 321 Vorwärts v. 7.2.1919 (M): „Die erste Sitzung in Weimar“. 322 Deutsche Allgemeine Zeitung v. 21.1.1919 (A): „Nationalversammlung nach Weimar“. 323 Frankfurter Zeitung v. 27.1.1919 (A): „Weimar“. 324 Münchner Neueste Nachrichten v. 22.1.1919 (A): „Weimar“. 325 Fränkische Tagespost v. 7.2.1919: „Weimar“. 326 Kölnische Zeitung v. 21.1.1919 (A): „Weimar. Ein Sinnbild des Deutschtums“. 327 Kölnische Volkszeitung v. 22.1.1919: „Weimar“ 328 Bamberger Neueste Nachrichten v. 21.1.1919, zit. n. Zink, Bambergs Bewerbung um den Sitz der deutschen Nationalversammlung, S. 41. 329 Eingabe des Vereins zur Förderung Eisenachs und des Fremdenverkehrs an das Reichsamt des Innern v. 27.1.1919, BABL R 1501/16820, Bl. 218. 330 Vgl. Dresdner Neueste Nachrichten v. 23.1.1919: „Wichtige Entschließung des Sächsischen Landes Arbeiter und Soldatenrates“. 331 Vgl. Germania v. 21.1.1919 (A): „Die Nationalversammlung in Weimar“. 332 Telegramm des Arbeiter- u. Soldatenrates Potsdam an Reichsregierung v. 23.1.1919, BABL R 1501/117141, Bl. 42. 333 Reichspost v. 22.1.1919 (M): „Die deutsche Frage“. 334 Telegramm von OB Donndorf an Staatssekretär Preuß v. 22.1.1919, zit. n. Weimarische Zeitung v. 23.1.1919. 335 Vgl. Lingelbach, Weimar 1919, S. 23. 336 Weimarische Landes-Zeitung Deutschland v. 21.1.1919: „Die deutsche Nationalversammlung in Weimar“. 337 Weimarische Landes-Zeitung Deutschland v. 22.1.1919: „Die Nationalversammlung in Weimar“. 212  Anmerkungen

338 Weimarische Zeitung v. 22.1.1919: „Weimar als Sitz der Nationalversammlung – Bedenken und Wünsche“. 339 Weimarische Zeitung v. 23.1.1919: „Weimars Vorbereitungen zur Nationalversammlung“. 340 Schreiben des Arbeiter- u. Soldatenrates Weimar an Reichregierung v. 25.1.1919, BABL R 43/2484, Bl. 289. 341 Vgl. Baudert, Sachsen-Weimars Ende, S. 41. 342 Telegramm v. Friedrich Ebert an Arbeiter- u. Soldatenrat Weimar v. 30.1.1919, BABL R 43/2484, Bl. 290.

23.  „Alle standen unter der Wirkung des genius loci …“ 343 Schilderung von Abreise und Ankunft in Berliner Tageblatt v. 3.2.1919 (A): „Die Abfahrt der Volksbeauftragten“; Vossische Zeitung v. 4.2.1919 (M): „Die Ankunft der Regierungsvertreter“. 344 Die Rote Fahne v. 7.2.1919. 345 Vgl. Bitte des Staatsministeriums v. Sachsen-Weimar an das Preußische Innenministerium v. 22.1.1919 um 50 Schutzleute und 24 Kriminalbeamte, StA Weimar, NA III-1-58, Bl. 2. 346 Berliner Zeitung v. 6.2.1919 (M): „Vor der ersten Sitzung der Nationalversammlung“. 347 Vgl. Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 64 ff. 348 Vgl. Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, S. 169 f. 349 Walter Oehme, Die Weimarer Nationalversammlung 1919. Erinnerungen, 1962, S. 88. 350 Münchner Neueste Nachrichten v. 7.2.1919 (M): „Die Eröffnung der deutschen Nationalversammlung in Weimar“. 351 Berliner Tageblatt v. 6.2.1919 (A): „Das Haus der Nationalversammlung“. 352 Vossische Zeitung v. 6.2.1919 (M): „Ein neues Reich“. 353 Eberts Rede in RT-Verh., Bd. 326, S. 1 ff. 354 Stimmungsbilder aus Weimar mit solchen Klagen vermitteln Ludwig Richter, Verfassungsgebung im Theatersaal. Weimar und die Nationalversammlung 1919, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 45 (1994), S. 626 ff.; Dorrmann, „Aber nicht nach Potsdam …“. 355 Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, S. 54. 356 Brecht, Aus nächster Nähe, S. 286. 357 Walter Koch, Der sächsische Gesandte, in: www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/ walter-koch-der-sächsische-gesandte. 358 Thomas Mergel, Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag, 2002, S. 41. Anmerkungen 213

359 Die Nationalversammlung in Wort und Bild, Sonderheft der Berliner Illustrirten Zeitung 1919, zit. n. Kaiser, Die Nationalversammlung 1919 und die Stadt Weimar, S. 39. 360 Berliner Tageblatt v. 6.2.1919 (M): „Vor der ersten Sitzung der Nationalversammlung“. 361 Berliner Tageblatt v. 8.2.1919 (A): „Das Reich und die Einzelstaaten“ v. Erich Dombrowski. 362 Berliner Tageblatt v. 7.2.1919 (M): „Eberts Eröffnungsrede in Weimar“. 363 Koch, Der sächsische Gesandte. 364 Vgl. Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, S. 174; Brecht, Aus nächster Nähe, S. 280; Übersicht der einstigen Tagungslokale bei Julia Roßberg, Auf den Spuren der Nationalversammlung, in: Michael Schultheiß/Julia Roßberg (Hrsg.), Weimar und die Republik. Geburtsstunde eines demokratischen Deutschlands, 2009, S. 225 ff. 365 Berliner Tageblatt v. 24.6.1919 (M): „Die Nationalversammlung“. 366 Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, S. 174. 367 Paul Löbe, Tagebuch, (Eintrag v. 21.2.1919), zit. n. Richter, Verfassungsgebung im Theatersaal, S. 632, Anm. 28. 368 Aufruf v. Staatskommissar August Baudert, in: Weimarische Landes-Zeitung Deutschland v. 7.2.1919. 369 Oehme, Die Weimarer Nationalversammlung, S. 283; Kaiser, Die Nationalversammlung 1919 und die Stadt Weimar, S. 58. 370 Beschluss des Gemeinderates v. 9.5.1919, StA Weimar, NA-III-1-58, Bd. 1, Bl. 63. 371 Antrag der Abg. Agnes und Gen. v. 6.2.1919, RT-Verh., Bd. 335, Nr. 4. 372 Abg. Zietz (USPD) am 20.2.1919, RT-Verh., Bd. 326, S. 232. 373 Münchner Neueste Nachrichten v. 5.2.1919 (M): „Der Schutz der Nationalversammlung“. 374 Schreiben des preuß. Ministerpräsidenten Hirsch an Reichsministerpräsident Scheidemann v. 11.4.1919, BABL R 43/565, Bl. 183. 375 Schreiben v. Reichsministerpräsident Scheidemann an preuß. Ministerpräsi­ denten Hirsch v. 15.4.1919, BABL R 43 I/565, Bl. 184, sowie Beschluss des Reichsregierung v. 14.4.1919, Hagen Schulze (Bearb.), Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik. Das Kabinett Scheidemann. 13. Februar bis 20. Juni 1919, 1971, Nr. 41, S. 158. 376 Entwurf des Schreibens von OB Wermuth an Reichsinnenminister Preuß u. Reichspräsident Ebert v. 15.4.1919, LA Berlin, A Rep. 001-02, Generalbüro Akte Nr. 2449 (Film B 3345), Bl. 66 f. 377 Schreiben v. Reichsinnenminister Preuß an Magistrat v. Berlin v. 13.5.1919, LA Berlin, A Rep. 001-02, Generalbüro Akte Nr. 2449 (Film B 3345), Bl. 69. 378 Bericht der städtischen Baupolizei v. 30.4.1919, LA Berlin, A Rep. 001-02, Generalbüro Akte Nr. 2449 (Film B 3345), Bl. 69. 214  Anmerkungen

379 Reichsministerpräsident Scheidemann, zit. n. Berliner Volks-Zeitung v. 3.5.1919: „Erneute Vertagung der Nationalversammlung“. 380 Vgl. Berliner Volks-Zeitung v. 3.5.1919: „Erneute Vertagung der Nationalversammlung“. 381 Präs. Fehrenbach u. Abgg. Schultz (DNVP) u. Schiffer (DDP), RT-Verh., Bd. 328, S. 1889 f. (25.7.1919). 382 Vgl. Vossische Zeitung v. 22.8.1919 (M): „Abschied von Weimar“; ähnlich Willibalt Apelt, Jurist im Wandel der Staatsformen. Lebenserinnerungen, 1965, S. 92. 383 RPräs. Ebert u. Präs. Fehrenbach, RT-Verh., Bd. 328, S. 2751 f. (21.8.1919). 384 S. dazu Erwin Bischof, Rheinischer Separatismus 1918–1924. Hans Adam Dortens Rheinstaatbestrebungen, 1969; Gerhard Gräber/Matthias Spindler, Revolverrepublik am Rhein, Bd. 1. Die Pfalz und ihre Separatisten, 1992. 385 Vgl. Ansprachen am 25.8.1919 in München u. 28.8.1919 in Stuttgart, in: Ebert, Schriften, Bd. 1, S. 174 f.

24.  Weimars Wirkung oder:  War Weimar die falsche Wahl? 386 Los Angeles Times v. 11.4.1919: „Weimar is Indian, not German Name“. 387 Miller/Potthoff, Die Regierung der Volksbeauftragten, 2. Teil, Nr. 103, S. 223 ff. (Protokoll der Sitzung v. 14.1.1919). 388 Chicago Daily Tribune v. 27.1.1919: „Where first German Assembly will meet“; The New York Times v. 14.9.1919: „Full Text of the German Republic’s Constitution“. 389 The New York Times v. 23.1.1919: „Berlin deplores choice of Weimar for convention“. 390 The New York Times v. 16.2.1919: „German Assembly in Historic Town“. 391 Vgl. Berichte der Field Missions of the American Commission to negotiate Peace v. 6.2.1919 (Captain Ghirardi), 21.2.1919 (Franklin Day) u. 24.2.1919 (­Ghirardi), in: United States Department of State, Papers Relating to the Foreign Relations of the United States. The Paris Peace Conference 1919, Bd. XII, 1947, S. 6, 31, 34. 392 The Baltimore Sun v. 31.8.1919: „Germany today is sane, normal, full of fight; world trade her goal“. 393 Klaus Schwabe, Deutsche Revolution und Wilson-Frieden. Die amerikanische und deutsche Friedensstrategie zwischen Ideologie und Machtpolitik 1918/19, 1971, S. 435; ähnlich jetzt Alexander Sedlmaier, Deutschlandbilder und Deutschlandpolitik. Studien zur Wilson-Administration (1913–1921), 2003, S. 114. 394 Zu England siehe Harm Mögenburg, Die Haltung der britischen Regierung zur deutschen Revolution 1918/19, Diss. Hamburg, 1975, S. 253 f. m. Anm. 78, 581; Marie-Luise Recker, Demokratische Neuordnung oder „Prussianism“ in neuem Anmerkungen 215

Gewand? Großbritannien und die Weimarer Republik, in: Adolf M. Birke/­ Marie-Luise Recker (Hrsg.), Das gestörte Gleichgewicht. Deutschland als Problem britischer Sicherheit im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. – Upsetting the Balance. German and British Security Interests in the Nineteenth and Twentieth Century, 1990, S. 99 f. 395 The Washington Post v. 22.1.1919: „Huns select Weimar“. 396 Abg. Haußmann (DDP), RT-Verh., Bd. 328, S. 2083 (29.7.1919). 397 Vgl. Gerhard Anschütz, Drei Leitgedanken der Weimarer Reichsverfassung. Rede, gehalten bei der Jahresfeier der Universität Heidelberg am 22. November 1922, 1923; Carl Bilfinger, Nationale Demokratie als Grundlage der Weimarer Verfassung. Rede bei der zehnjährigen Wiederkehr des Verfassungstages gehalten am 24. Juli 1929, 1929; Axel Frhr. von Freytagh-Loringhoven, Die Weimarer Verfassung in Lehre und Wirklichkeit, 1924; Hermann Heller, Freiheit und Form in der Reichsverfassung, in: Die Justiz 5 (1929/30), S. 672 ff.; Hugo Preuß, Um die Reichsverfassung von Weimar, 1924; Leo Wittmayer, Die Weimarer Reichsverfassung, 1922. 398 Die Verfassung des Deutschen Reiches, Verlag der Reichsdruckerei, 1922. 399 Kuno Graf von Westarp, Konservative Politik im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik [1936], bearb. v. Friedrich Frhr. Hiller von Gaertringen u. a., 2001 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Reihe 3, Bd. 10), S. 257. 400 Neue Preußische Zeitung (Kreuz-Zeitung) v. 5.2.1919 (A): „Die Nationalversammlung“. 401 Berliner Lokal-Anzeiger v. 7. u. 15.2.1919: „Der Tag von Weimar“ u. „Die auswärtige Politik vor der Nationalversammlung“. 402 Für republikfeindliche Weimar-Karikaturen, die schmähende Goethe-Ebert-­ Vergleiche anstellen, und deren Hintergründe vgl. Dorrmann, „Aber nicht nach Potsdam …“, S. 29, 32. 403 Carl Schmitt, Positionen und Begriffe. Im Kampf mit Weimar–Genf–Versailles. 1923–1939, 1940. 404 Hans Wendt, Die Nationalversammlung von Potsdam. Deutschlands große Tage 21. bis 23. März 1933, 1933. 405 Göring, RT-Verh., Bd. 457, S. 17 (21.3.1933). 406 Treffend: Walter Mühlhausen, Verpasste Chancen und verhinderte Katastrophen. Friedrich Ebert und die Grundsteinlegung der Weimarer Republik, in: Schultheiß/Roßberg, Weimar und die Republik, S. 71 ff., 83. 407 Winkler, Von der Revolution zur Stabilisierung, S. 91. 408 Vgl. zum Ganzen Wilderotter/Dorrmann, Wege nach Weimar. 409 Haffner, Von Bismarck zu Hitler, S. 179.

216  Anmerkungen

Ortsregister

Aachen 122 Augsburg 103 Bamberg 118–126, 162, 185 Bayreuth 136, 139 f., 146, 148 Bielefeld 36, 161 Birkenfeld 110 Bocholt 55 Bonn 11, 173 Brandenburg an der Havel 81 Braunschweig 36, 64 Bremen 69, 122, 186 Brunsbüttel 36 Budapest 122 Chicago 134 Cuxhaven 36 Den Haag 64, 121 Dessau 134 Dortmund 56 Dresden 36, 112, 162 Duisburg 36 Düsseldorf 36, 55 Eisenach 97 ff., 125, 128, 162, 185 Elberfeld-Barmen 69 Erfurt 91–97, 117, 125, 127, 185 Essen 55, 133 Frankfurt am Main 16, 36, 40–45, 79, 81, 85, 91 f., 97, 117, 125 f., 128, 136, 148 f., 161, 164, 185 Genua 122 Halle 36 Hamburg 36, 64 Hannover 16, 19, 36, 42, 66, 71 Heidelberg 68 f. Hildesheim 36

Jena 79, 141 f., 146, 148 Kassel 23, 51, 83–89, 97, 117, 125 f., 136, 148, 185 Kiel 35 Köln 36, 55, 57, 72, 75, 79, 122 Kopenhagen 122 Krefeld 36 Kremsier 81 Leipzig 36 Lübeck 36, 110 Lyon 122 Magdeburg 36, 134 München 21 ff., 28 ff., 36, 55, 61 f., 64, 79, 91, 116, 127, 152, 154, 162, 185 New York 89, 132, 134, 161 Nürnberg 28, 119, 125, 140 f., 146, 148, 162, 185 Oldenburg 110 Osnabrück 50, 57 Paris 30, 122 Philadelphia 134 Potsdam 88, 129, 132 f., 161 ff., 177, 183, 185 Rosenheim 103 Sacramento 179 Schwarzburg 177 Spa 37 f., 85 Stuttgart 49, 113 Washington 26, 134, 161, 193 Wiesbaden 50, 56 f., 79, 98 Wilhelmshaven 34 f., 64 Würzburg 114–118, 125, 127 f., 147, 150, 185

Ortsregister 217

Personenregister

Abbe, Ernst 141 Adenauer, Konrad 11, 57 f. Auer, Erhard 106 Baake, Kurt 126, 129–132, 134 ff., 140, 148, 151, 153, 155, 157, 184 Balfour, Arthur James 59 Baudert, August 131, 141, 144 Bebel, August 99 Bismarck, Otto von 15 ff., 43, 50, 81, 88, 109, 132, 150, 185 Braun, Otto 30 Brecht, Arnold 131 f., 172 Brockdorff-Rantzau, Ulrich Graf 148, 179 David, Eduard 169, 177 Dombrowski, Erich 173 Donndorf, Martin 13, 142, 144 f. Ebert, Friedrich 28, 38 ff., 45, 47–50, 52 f., 68 ff., 72–75, 80 f., 84–87, 93, 100–106, 113 f., 116, 125 ff., 129– 132, 134, 136, 138, 140, 144–149, 151–154, 159 f., 164 f., 167–172, 175, 177 ff., 182–186 Eisner, Kurt 61–65, 67 ff., 73 f., 79, 112, 116 f., 127 Erzberger, Matthias 63, 126 Fehrenbach, Konstantin 72, 177 f. Franz, Prinz von Bayern 29 Friedrich Wilhelm IV., König von ­Preußen 81 Fritsch, Albrecht von 16 Geßler, Otto 119 Giebel, Karl 86 f. Gleichen-Rußwurm, Alexander von 133 f. Goethe, Johann Wolfgang von 10, 42, 132, 142, 154, 172, 182 Göpfert, Karl 103 Göring, Hermann 183 Grieser, Andreas 115–118

218  Personenregister

Grimme, Adolf 130 Groener, Wilhelm 39, 48, 56, 105, 126, 151, 154, 184 Grzesinski, Albert 83–87, 89 Haase, Hugo 47, 49 Haffner, Sebastian 12, 36, 185 Hampe, Karl 68 Harrison, Marguerite 180 Hauptmann, Gerhart 130 Haußmann, Conrad 35, 181 Heilbrunn, Ludwig 41, 43, 125 Heimann, Hugo 158 Heim, Georg 65 f. Herder, Johann Gottfried 172 Hertling, Georg Graf von 51 Hildenbrand, Karl 169 Hindenburg, Paul von 17, 25, 85, 183 Hirsch, Paul 175 Hitler, Adolf 11 f., 183 Hoffmann, Adolf 56 f. Jannings, Emil 130 Jérôme, König von Westfalen 88 Joachim, Prinz von Preußen 20 Jünger, Ernst 19, 22 Jungheim, Bernhard 138–142, 148, 176 Keil, Wilhelm 71, 106, 169, 174 Kessler, Harry Graf 36, 38, 49, 157 Kisch, Egon Erwin 9 Klaiber, Richard 122 Koch, Walter 172 Koch-Weser, Erich 23, 51 Kollwitz, Käthe 130 Krause, Paul von 148 ff. Landsberg, Otto 105, 114, 147 f., 150, 152 Leinert, Robert 148 Lenin, Wladimir Iljitsch 50, 139, 167 Liebknecht, Karl 18, 38, 49 f., 57, 71, 76, 82, 103, 144 f., 147, 153

Liebknecht, Wilhelm 99 Löbe, Paul 174 Ludendorff, Erich 17, 24 f., 39, 48 Ludwig III., König von Bayern 62 Luppe, Hermann 41, 125 Luther, Martin 99 Luxemburg, Rosa 18 f., 50, 76, 103, 144 f., 153 Mann, Thomas 28 Max, Prinz von Baden 26, 28 f., 38, 47, 132, 143 Mayer, Gustav 27, 29 Meinecke, Friedrich 29 Mergel, Thomas 172 Mühsam, Erich 22 Müller, Hermann 134 Müller, Richard 71 Nadolny, Rudolf 131 Natonek, Hans 133 Niekisch, Ernst 103 Noske, Gustav 35, 106, 145, 175 Oehme, Walter 131 f., 153 Paulssen, Arnold 131 Pfeiffer, Maximilian 126 f. Preuß, Hugo 9, 76, 110 f., 113, 131, 135, 148 f., 154, 159, 167 f., 173, 175, 183 Reinhardt, Walther 148, 150 f., 154, 184 Rollert, Otto 91 ff., 95 Rupprecht, Kronprinz von Bayern 22, 30, 66, 75 Scheidemann, Philipp 38, 49, 64, 106, 126, 144, 147 f., 151 f., 154, 172, 176, 182 Schiller, Friedrich von 134, 142, 172, 182

Schmieder, Hans 97–100 Schmitt, Carl 182 Schulze, Alfred 138–142, 148 Simons, Walter 148 Solf, Wilhelm 80 ff. Sombart, Werner 133 Stein, Charlotte von 172 Stresemann, Gustav 50 Therese, Prinzessin von Bayern 29 Tirpitz, Adolf von 20 Trimborn, Karl 23 Troeltsch, Ernst 47 Trotha, Adolf von 34 Ulrich, Carl 80 van den Bergh, Ernst 67 Voigt, Georg 44, 126 Wächter, Adolf 120, 122, 124 Weber, Max 30, 133, 143 Wels, Otto 105 Wermuth, Adolf 157 Westarp, Kuno Graf 182 Wieland, Christoph Martin 172 Wilhelm Ernst, Großherzog von SachsenWeimar-Eisenach 143 Wilhelm II., Deutscher Kaiser und König von Preußen 16, 21, 24, 27, 31, 37, 39, 71, 143 Wilson, Woodrow 26 f., 59, 152, 179, 181 Wissell, Rudolf 106, 192 Wolff, Theodor 48, 159 f., 168, 172 f. Zietz, Luise 175 Zola, Émile 130

Personenregister 219