Wanna go Clubbing? - Senior Citizens Clubs in Kuala Lumpur: Eine Ethnographie von Freizeitorganisationen für ältere Menschen 9783839440445

How do the elderly go clubbing? This ethnography provides new and direct insights into the organized leisure time of sen

130 95 2MB

German Pages 240 Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
1. »Wanna go clubbing«?
2. »What the hell is going on here«?
3. Ein ganz normales Wohnhaus mit wehenden Fahnen
4. Everything is possible!
5. Everything is possible!
6. Is really anything possible?
7. »Because we are so modern«
8. Dank
9. Bibliografie
Recommend Papers

Wanna go Clubbing? - Senior Citizens Clubs in Kuala Lumpur: Eine Ethnographie von Freizeitorganisationen für ältere Menschen
 9783839440445

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Carolin Oppermann Wanna go Clubbing? – Senior Citizens Clubs in Kuala Lumpur

Kultur und soziale Praxis

Carolin Oppermann (Dr. phil.), geb. 1982, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hildesheim und promovierte im DFG-Graduiertenkolleg 1474 »Transnationale Soziale Unterstützung« der Universitäten Hildesheim und Mainz.

Carolin Oppermann

Wanna go Clubbing? – Senior Citizens Clubs in Kuala Lumpur Eine Ethnographie von Freizeitorganisationen für ältere Menschen

Dissertation, Universität Hildesheim, Disputation am 01.02.2016 Gutachter: Prof. Dr. Wolfgang Schröer und Prof. Dr. Cornelia Schweppe

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2017 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagabbildung: Zukiman Mohamad / pexels.com Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4044-1 PDF-ISBN 978-3-8394-4044-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt 1. »Wanna go clubbing«? Eine Einladung zum Clubben in Senior Citizens Clubs in Kuala Lumpur  | 9 2. »What the hell is going on here«? Das ethnografische Forschungsdesign  | 25 2.1 »Ich habe aber nur die einfache, aber immerhin klare Antwort bekommen: Not interested« – Die Auswahl der Einrichtungen | 29 2.2 »Ah, you are observing us«! – Die Erhebungsmethoden | 32 2.2.1 Teilnehmende Beobachtung | 33 2.2.2 Interviews | 41 2.2.3 Dokumente | 44 2.3 »What the hell shall I do here«? – Die Auswertung | 45 2.4 »Participant observation provides a lens« – Reflexion | 47

3. Ein ganz normales Wohnhaus mit wehenden Fahnen Das Setting  | 53 4. Everything is possible! Clubbing = Doing Hybrid Organizations  | 61 4.1 Doing Organizations | 62 4.2 »Everybody is a member here« – Mitgliedschaft im Club | 63 4.2.1 Topmanager, strenger Direktor, Sozialarbeiter, rasende Reporterin, Organisationsberater, professioneller Reiseverkäufer, Workaholic, Lernende, offene Clubber, Manager … – Mitgliedschaftsrollen im Club | 70 4.2.2 Schule, Vorstandssitzung, Train the Trainer, Handicraftklasse, Kochshow und Party – Settings und ihre Mitgliedschaftsinszenierungen | 107 4.3 »It is your Club«, aber auch: »No. I don’t allow. As a head, I don’t allow« – Hierarchie und Entscheidungen im Club | 119

4.3.1 »It is your Club. We ONLY help to manage« – Der Club als repräsentative Demokratie | 119 4.3.2 »I don’t allow. As a head, I don’t allow« – Senior Citizens Club in Taman Flula, ein autoritär geführtes Unternehmen | 124 4.3.3 »Wer ist hier aber der Präsident«? – Diffuse Verflechtungen im Senior Citizens Club in Taman Ampola | 133 4.4 »Überweisen oder Cash« – Unternehmerische Kultur, Business machen, Fundraising und Charitying. Die Finanzierung des Clubs | 142 4.5 Clubbing = Doing Hybrid Organizations | 151

5. Everything is possible! As long as you work hard on it! Clubbing = Doing Micropolitics  | 159 5.1 »Wir dürfen dann also doch letztlich in den Karaokeraum, aber unter der ›strengen‹ Auflage, bloß nicht die Klimaanlage anzumachen« – Kompromisse aushandeln | 159 5.2 »Das beruhigt Alexander aber nicht, sondern macht ihn nur noch wütender« – Sich selbst ins rechte Licht rücken und andere in den Schatten stellen | 163 5.3 »She bites you for breakfast and eats you for lunch. Die beiden Männer lachen« – Diskreditieren | 167 5.4 »Actually, I shouldn’t be talking about this … He’s doing a lot for the club« – Relativieren, legitimieren, Kompromisse schließen | 171 5.5 »Dass Alexander ihn wohl auf seine Seite ziehen wolle. These are the kinds of politics, sagt er und lacht« – Koalitionen schaffen | 174 5.6 Clubbing = Doing Micropolitics | 176

6. Is really anything possible? Clubbing = Doing Boundary Work und Clubbing = Doing New Images and Forms of Ageing  | 181 6.1 »Aber, aber, aber« – Undoing Care Institutions | 181 6.1.1 »Hier seien aber immer viele Aktivitäten und insgesamt dann zu wenig Platz« – Action statt Befriedigung elementarer menschlicher Bedürfnisse | 182 6.1.2 »One day, we gotta go there! Alle lachen« – Jung statt alt | 183 6.1.3 »But it is not the proper place for him here« – Aktivität und Unabhängigkeit statt Passivität und Abhängigkeit | 184 6.1.4 »Früher, im anderen Haus sei auch immer jemand als ›Day-CareCenter-Gast‹ dort gewesen« – Mitglied statt Gast | 187 6.2 »Wenn sie nur zu Hause sitzen würden und Fernsehen schauen, dann würde es immer mehr ›bergab gehen‹« – Undoing Home and Family | 188

6.2.1 »When they all flew off from the nest at home« – Bewegung und Entwicklung statt Leere und Stillstand | 188 6.2.2 »Because you bring shame« – Harmonie, Unabhängigkeit, Verständnis und Me-Time statt Konflikt, Abhängigkeit, Unverständnis und Verpflichtungen | 194 6.2.3 »That’s old old old time thinking today I think we should not think of that« – Modernität statt Traditionalität | 203 6.3 Clubbing = Doing Boundary Work, und Clubbing = Doing New Images and Forms of Ageing | 209

7. »Because we are so modern« Clubbing als moderne Form sozialer Altenarbeit  | 215 8. Dank  | 225 9. Bibliografie  | 227 Internetseiten | 238

1. »Wanna go clubbing«?

Eine Einladung zum Clubben in Senior Citizens Clubs



in Kuala Lumpur

»Neuer Trend in England – […] Pre-Work-Clubbing in London«, so titelt eine bekannte deutsche Tageszeitung und beschreibt die Szenerie weiter: »After-Work-Partys waren gestern, heute heißt es in London: Raus aus den Federn und ab zum ›Pre-Work-Clubbing‹. Pre-Work was? Es ist genau das, wonach es sich anhört. Angestellte, Studenten und Arbeiter treffen sich frühmorgens vor dem Job, um dann gemeinsam im Club das Tanzbein zu schwingen. […] Die fetten Bässe der Rave-Musik machen sofort gute Laune. Statt alkoholschwerer Cocktails werden hier frischer Kaffee, echter Kakao, gesunde Smoothies und Croissants serviert. […] Die meisten tanzen, andere meditieren, machen Yoga, werden massiert – oder kuscheln.«1

Dazu werden Bilder gezeigt, auf denen in einer Ecke des Raumes sich eine tanzende Menschenmenge bewegt, in einer anderen Ecke wird in fast künstlerisch anmutenden Bewegungen Yoga praktiziert, ein Kind schaut zu, in einer anderen Ecke kuschelt man, es wird jongliert, eine Mutter schmust mit ihrem Kind auf einem Sitzsack. Szenenwechsel – »Senior-Citizens-Clubbing in Kuala Lumpur«, so heißt es in einem Beobachtungsprotokoll dieser ethnografischen Arbeit, und die Szenerie wird hier weiter beschrieben: Dann ergreift Alexander 2 wieder das Mikrophon und ruft hinein: »Do you want to sweat? Do you want to sweat? Ok, Rock ’n’ Roll«! Und nun läuft 1 | www.bild.de/news/ausland/par ty/bild-beim-pre-work-clubbing-37892970.bild. html. 2 | Alle in dieser Arbeit erwähnten Eigennamen, sowohl was die Benennung der Clubmitglieder als auch der Clubs und der Ortsnamen (bis auf Kuala Lumpur) angeht, sind anonymisierte und zum Teil erfundene Benennungen.

10

Wanna go Clubbing?

Rock-’n’-Roll-Musik. Alle sind begeistert und es wird wieder kräftig getanzt. Ann und Cristal sagen zu uns, dass wir doch nun aber mal tanzen müssten, das sei doch was für junge Leute! Da alle schon mehrmals zu uns gesagt haben, dass wir doch tanzen sollen, haben wir nun das Gefühl, dass es nicht mehr anders geht und gehen also tanzen. Wir tanzen also in einem kleinen Kreis mit Mian und Cristal Rock ’n’ Roll und danach twisten wir noch. Die anderen auf der Tanzfläche gehen richtig ab, machen Rock ’n’ Roll bis hin in die Knie. […] Dann geht der Gangnam Style los. Alexander ruft ins Mikrophon: »No matter if wrong or right, no matter if wrong or right, just be happy today«! Und los geht es. Und was jetzt hier abgeht, kann ich kaum glauben: In einem Megatempo tanzen nun die Älteren den Gangnam Style, dessen Schritte scheinbar auch alle ganz gut beherrschen. André und ich kommen überhaupt nicht mit und müssen ab dem zweiten Schritt aussteigen, setzen uns an den Rand und können nur noch staunen. […] Nach dem Gangnam Style freuen sich alle und dann geht es etwas langsamer weiter (Protokoll 24.11.2012, Zeile 186-215). Fotos zu dieser Szene zeigen, wie die Älteren tanzen, zusammensitzen und sich unterhalten. Clubbing liegt, so zeigen die Beispiele, immer noch im Trend, und zwar so sehr, dass immer wieder neue Clubbing-Trends geschaffen werden. Clubbing in einer Gestalt, bei der sich mitunter fremde Menschen einen Raum schaffen, um dort gemeinsam, aber auch getrennt, auf ganz unterschiedliche Art und Weise ihre Freizeit zu verbringen, stellt eine ganz eigene Art der Gesellung, eine ganz eigene Art der Sozialität 3 dar. Und Clubbing, darauf weisen die Beispiele weiter hin, scheint ein »Trans-Phänomen« zu sein. Zum einen ein transnationales Phänomen, denn es existieren verschiedene Formen von Clubs – gerade auch senior citizens clubs 4 – in vielen verschiedenen Teilen der Welt, ohne dass sie aus einem nationalen Kontext heraus zu erklären wären.5 Zum anderen scheint Clubbing ein transgenerationales Phänomen zu sein: Kinder und Jugendliche clubben in den sogenannten Jugend- oder Youth-Clubs, in Jugendzentren oder Jugendhäusern; junge Erwachsene clubben vornehmlich 3 | Mit Kosnick wird das Konzept der Sozialität in einem sehr weiten Verständnis verwendet. Kosnick dazu: »I use this concept [Sozialität, C.O.] here in a wide sense to denote all forms of social engagement and affiliations between people« (Kosnick 2014, S. 33). 4 | So reicht eine »simple« Internetrecherche aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass senior citizens clubs in vielen Teilen der Welt eine weitverbreitete Form der Freizeitgestaltung sind (unter anderem in Kanada, Australien, US, Indien, Malaysia). 5 | Zur Vertiefung der Konzepte Transnationalität und Transnationalisierung siehe beispielsweise Pries 2008.

1. »Wanna go clubbing«?

in den Lokalitäten des Nachtlebens; Erwachsene schaffen sich vor der Arbeit, beim Pre-Work-Clubbing oder nach dem Arbeitstag, beim After-Work-Clubbing, einen Raum, in dem sie ihre Freizeit verbringen, oder sie gehen in den country club; und auch alte Menschen clubben in den erwähnten country clubs sowie in ihren senior citizens clubs oder senior centern. Lenkt man den Blick explizit auf die Lebensphase des Alters, mag nun jedoch manch einer skeptisch fragen: »Clubs – immer noch im Trend«? Denn schon zu Beginn der 1990er Jahre wurden in der deutschen Diskussion die ersten Töne auf den Abgesang dieser Gesellungsform für die Lebensphase Alter mit dem Argument angestimmt, dass sie angesichts von Individualisierungsprozessen und einer Differenzierung des Alters ausgedient hätten – wenn sich nicht schnell etwas ändere (vgl. hierzu Schmidt 1992). Nimmt man jedoch eine transnationale Perspektive ein, so ergibt sich ein anderes Bild. Denn wenn auch innerhalb der jeweiligen nationalen Kontexte diskutiert wird, wie sich senior citizens clubs oder senior center angesichts einer Diversifizierung des Alters neu ausrichten können oder sollten (vgl. Fitzpatrick/McCabe 2008; Pardasani/ Thompson 2012), so sprechen die Zahlen dafür, dass Clubbing ein Freizeitvergnügen ist, dem auch ältere Menschen immer noch, oder auch immer mehr, gerne frönen. Simpson-Young/Russell formulieren z.B. für den australischen Kontext, dass ein Großteil der älteren Australier Nutzer sogenannter, zunächst altersunabhängiger licensed social clubs sind. In New South Wales seien 55  % der über 55-Jährigen Mitglieder in solch einem Club (vgl. Simpson-Young/Russell 2009, S. 222). Oder aus einem anderen Blickwinkel: Über drei Viertel der Mitglieder des von ihnen untersuchten Clubs machten Senioren aus (vgl. Simpson-Young/Russell 2009, S. 224). Und auch Patford/Breen: »[…] it comes as no surprise that clubs have been found to play a substantial role in the social and recreational lives of many Australian adults […], and to be especially popular with older people« (Patford/Breen 2009, S. 220; vgl. auch Pardasani 2004, S. 28). Obwohl Clubbing also ein Freizeitvergnügen zu sein scheint, dem alle Generationen nachgehen, so ist es in der sozialwissenschaftlichen Forschung vor allem als Phänomen der Jugend beschrieben worden. In der soziologischen Forschung wird Clubbing beispielsweise vor allem im Rahmen des Nachtlebens, dem junge Erwachsene nachgehen, beleuchtet (vgl. Malbon 1998; Kosnick 2014; Kosnick 2012; Kosnick 2008; Rief 2011; Rief 2009; Rief 2007; Thornton 1996). In der sozialpädagogischen Forschung werden vornehmlich Organisationen für Kinder und Jugendliche wie sogenannte Youth-Clubs, Jugendhäuser, Jugendfreizeiteinrichtungen und Jugendzentren unter unterschiedlichsten Blickwinkeln und Fragestellungen in den Blick genommen (vgl. zu einem Überblick an Studien Cloos/Köngeter/Müller/Thole 2007, S. 11ff.; Cloos/Schulz 2011; Deinet/Sturzenhecker 2005).

11

12

Wanna go Clubbing?

Studien zum Thema »Clubbing und Alter« – ob nun in altersspezifischen oder altersunspezifischen Kontexten – sind hingegen rar (vgl. Simpson-Young/ Russell 2009, S. 222; Patford/Breen 2009, S. 220; Thang 2005, S. 308; Pardasani 2004, S. 32; Strain 2001, S. 472f.; S. 488; Park 2008, S. 72). Als mögliche Begründung für diese Leerstelle lässt sich Kosnick zitieren: »In den Gesellschaftswissenschaften und angrenzenden Disziplinen arbeiten wir meist problemorientiert« (Kosnick 2012 S.  1). Das Alter(n) wird zudem ohnehin meist problemorientiert wahrgenommen, sodass Studien vor allem zu Fragen und zu Problemen der Hilfebedürftigkeit vorliegen. So auch Thang: »This is probably because studying older persons who dance and sing may seem trivial against the stereotypical perception of aging as a problematic issue« (Thang 2005, S. 308). Jene Studien, die existieren, bringen folgende Ergebnisse hervor: Simpson-Young/Russell untersuchen sogenannte licensed social clubs in Australien, bei denen es sich zunächst um altersunabhängige Clubs handelt, die als »focal points in local communities« (Simpson-Young/Russell 2009, S. 221) beschrieben werden und die ihren Mitgliedern Bars, Restaurants, PokerMaschinen, Gesellschaftsspiele, ein Entertainment-Programm, Sportmöglichkeiten sowie Aktivitäten in sogenannten interessenorientierten sub-clubs zur Verfügung stellen. In ihrer ethnografischen Studie, in der sie mit teilnehmenden Beobachtungen und Interviews arbeiten, fragen sie danach, inwiefern ein solcher Club eine Ressource für ältere Menschen bietet, ihre Unabhängigkeit im Alter – verstanden als Selbstständigkeit sowie Selbstbestimmung – zu erhalten. Sie kommen zu dem Ergebnis: »Registered club participation enabled older Australian club-goers, many of whom were experiencing later life losses which may threaten independence […], to access some of the resources needed to maximise independence. Independence as self-reliance was assisted by participating in a club which spatiotemporally embedded the older club-goer in his or her local community, which enabled them to access resources needed for activities of daily living 6 and to maintain the ›everyday competence« 7 necessary to manage without assistance« (Simpson-Young/Russell 2009, S. 231).

Weiterhin schlussfolgern sie, dass Clubs insofern zum Erhalt von Selbstbestimmung anhalten, als sie die wichtige Komponente von Selbstbestimmung, die eigene choice zu haben, den älteren Menschen im positiven Sinne »zumu6 | Hierbei geht es z.B. auch darum, dass der Club günstiges Essen in den Restaurants oder Nahrungsmittel als Gewinn beim Bingo bereitstellt (vgl. Simpson-Young/Russell 2009, S. 224ff.). 7 | Bei diesen Kompetenzen handelt es sich z.B. um kognitive Kompetenzen (vgl. Simpson-Young/Russell 2009, S. 228).

1. »Wanna go clubbing«?

ten«: Ältere Menschen haben hier die Wahl, wie sie ihre Zeit verbringen möchten, mit wem, wann und wo (vgl. Simpson-Young/Russell 2009, S. 231). Auch Patford/Breen erforschen wie Simpson-Young/Russell solche altersunspezifischen Clubs – registered clubs – in Australien und fragen mit Gruppendiskussionen und Interviews nach den »inner worlds« (Patford/Breen 2009, S. 221) der älteren Clubmitglieder, d.h. nach ihren Erfahrungen, Wahrnehmungen, Bedeutungen und Interpretationen des Clubgeschehens. Ihre Analyse ergibt das Folgende: Recht deskriptiv wird zunächst beschrieben, dass ältere Clubmitglieder vor allem Aktivitäten wie dem gemeinsamen Essen, an der Bar sitzen, Glücksspiel, Tanzen, Entertainment-Programm, Sport, Aerobic, künstlerischen Angeboten oder charity work nachgehen. Weiterhin identifizieren sie Faktoren, die dazu ermutigen und es erleichtern, an den Clubaktivitäten teilzunehmen: Clubs als preisgünstiges Angebot der Freizeitgestaltung, die breite Auswahl an Möglichkeiten, die Strukturierung des Alltags durch den Club, die gute Erreichbarkeit des Clubs, die Wahrnehmung des Clubs als sicheren Ort, die Präsenz von vertrauten Leuten. Den großen Nutzen einer Clubmitgliedschaft sahen die Befragten darin, dass sie dort soziale Kontakte und Interaktionen finden können, dass der Club ihnen einen Raum bietet, dem häuslichen Raum zu entfliehen, und dass der Club dazu beiträgt, die physische Fitness zu erhalten (vgl. Patford/Breen 2009). Die US-amerikanische Diskussion ist auf sogenannte senior center fokussiert, deren Programm wie folgt beschrieben wird: »They play a significant role in community-based services for older adults by providing opportunities for nutrition, recreation, socialization, volunteer development, information and referral, advocacy, education, outreach and health promotion« (Pardasani/ Sackman 2014, S. 201). 8

Der Auf bau dieser senior center wurde in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts angestoßen. Seither haben sie einen enormen Aufschwung erhalten, von 5000 im Jahr 1979 bis zu 16000 im Jahr 2002 (vgl. Krout 1985, S.  455; Pardasani 2004, S. 28), und sich in ihrer Gestalt stark ausdifferenziert. So z.B. Fitzpatrick/McCabe: »[…] the term senior center can be applied to a wide range of diverse organizations […]« (Fitzpatrick/McCabe 2008, S. 201). Und Pardasani: »Senior centers come in various forms, such as senior or recreational clubs, nutrition sites, traditional community-based senior centers, or large, multipurpose senior centers« (Pardasani 2010, S. 50). Allerdings wird diese Ausdifferenzierung in den Forschungen wenig systematisiert. Einzig und allein wird immer wieder auf die von Taietz vorgenommene Unterscheidung zwischen 8 | Mit diesen Programmen lassen sich diese senior center ebenso als Organisationen verstehen, in denen ältere Menschen clubben.

13

14

Wanna go Clubbing?

dem social agency model und dem voluntary organization model verwiesen, wobei er folgendermaßen unterscheidet: »[…] (1) the social agency model, which views senior centers as programs designd to meet the needs of the elderly and postulates that the poor and disengaged are the most likely candidates for participation in senior centers; (2) the voluntary organization model, which hypothesizes that the elderly who are more active in voluntary organizations and who manifest strong attachments to the community are also the ones who make use of senior centers« (Taietz 1976, S. 219).

Angesichts einer mangelnden Systematisierung lautete die Kritik schon 1983 von Krout: »Research aimed at building and validating a typology of senior centers and center users would seem to be called for« (Krout 1983, S. 350) – und von Strain: »Future research needs to distinguish between the types of senior centres to assess the extent to which participation rates and the associated characteristics vary depending on the nature of the senior centre« (Strain 2001, S. 488). Wenn also die Ergebnisse in Bezug auf die jeweiligen Organisationsformen auch insgesamt recht unspezifisch bleiben, so lässt sich zusammenfassen: Als einer der Pioniere der Erforschung solcher senior center gilt Krout, der bereits zu Beginn der 1980er Jahre erste Studien durchführte. Krout als einer der »leading researcher of Senior Centers« (Pardasani 2004, S. 28) scheint dabei eine gewisse Forschungstradition begründet zu haben, die vor allem quantitativ und deskriptiv ausgerichtet ist. Diese quantitativen Studien sind zum einen vor allem als Bestandsaufnahmen der senior center konzipiert, zum anderen auf die Erforschung der center user bzw. der center non-user fokussiert. In einer seiner Studien nimmt Krout beispielsweise 755 senior center in den Blick und fragt nach deren Unterbringungen und Einrichtungen, den Budgets und Finanzierungsformen (vgl. Krout 1984). An anderer Stelle wertet er dasselbe Sample hinsichtlich der Quantität sowie der Inhalte der Programme und Angebote aus. Sein Ergebnis: Die untersuchten senior center bieten insgesamt eine Vielfalt an Aktivitätsangeboten und Dienstleistungen, variieren jedoch im Vergleich untereinander in erheblichem Maße in der Angebotsvielfalt. Jene Angebote, die am meisten gemacht werden, sind aus den Kategorien access to center (z.B. Transportangebote), health and nutrition (z.B. gemeinsame Mahlzeiten, Gesundheitsaufklärung), information and assistance (z.B. Rechtsberatungen, Verbraucherinformationen), recreation (z.B. Parties, Trips) und volunteer. Seltener angeboten werden leadership (z.B. Programmleitung), personal services (z.B. Krisenintervention) oder in-home (z.B. Besuche zu Hause) (vgl. Krout 1985). In anderen Studien geht Krout der Frage nach, welches Wissen center user bzw. center non-user überhaupt über diese center haben (vgl. Krout 1984¹) und welche Korrelate sich für die Nutzung bzw. Nichtnutzung von

1. »Wanna go clubbing«?

solchen senior center ausmachen lassen. In einem Vergleich beider Gruppen kommt er zu dem Ergebnis, dass Nutzer9 geringere Einkommen und einen geringeren Bildungsstatus haben, sie ihre Freunde öfter sehen und sich mehr Kontakt zu ihren Kindern wünschen. Sie gehen zum center vornehmlich, um dort Freunde zu treffen oder zu finden und um etwas zu tun zu haben. NichtNutzer hingegen gehen eigenen Angaben nach nicht zu einem center, da sie mit anderen Dingen zu beschäftigt sind und schlicht und einfach kein Interesse an dieser Gesellungsform haben (vgl. Krout 1983). In der Tradition Krouts sind auch etwas neuere US-amerikanische Studien angelegt (vgl. Pardasani 2004; Walker/Bisbee/Porter/Flanders 2004; Turner 2004). Ähnlich wie Krout 20 Jahre zuvor, hat z.B. Pardasani zum Ziel, zum einen einen Überblick über die bestehenden Angebote der senior center zu erhalten (im New York State) und zum anderen Faktoren zu identifizieren, die Einfluss auf den Nutzen von solchen senior centern haben. In einer quantitativen Befragung von 219 Direktoren und Administratoren solcher center identifiziert er eine lange Liste an Angeboten (46 an der Zahl) und damit eine weitere Ausdifferenzierung an Angeboten im Vergleich schon zu Krout. Angebote reichen von Freizeitangeboten (z.B. Trips, kreatives Schreiben, Diskussionsgruppen, darstellende Künste) über volunteer programs (z.B. Freiwilligenarbeit im center, in der community, Freiwilligen-Training), health programs (z.B. Fitnessangebote, Yoga), nutrition programs (z.B. Ernährungslehre, gemeinsame Mahlzeiten) bis hin zu social services (z.B. Rechtsberatung, Kriseninterventionen). Die wesentlichen Hindernisse, ein solches center zu frequentieren, werden in Transportproblemen, generell einem fehlenden Interesse, einem fehlenden Zugang sowie der Angst vor Stigmatisierung gesehen (vgl. Pardasani 2004). Auch Walker/Bisbee/Porter/Flanders sind auf der Suche nach Prädiktoren für eine Senior-Center-Nutzung der Älteren. In einer quantitativen Befragung von 289 Nutzern sowie 18 Direktoren der center zeigen sie folgende Zusammenhänge auf: Nutzer solcher senior center sind vor allem Ältere, die auch Aktivitäten in religiösen Organisationen nachgehen (also ohnehin sozial sehr aktiv sind); die Nutzung spezieller Angebote hängt vor allem mit der Größe des Teilnehmerkreises zusammen (Präferenz für kleine Gruppen); je mehr Wissen die Älteren über die Aktivitäten der center haben, um so mehr nutzen sie die center allgemein auch; je mehr Transportmöglichkeiten vorhanden sind, desto größer ist der Nutzen (vgl. Walker/Bisbee/Porter/Flanders 2004).10 Selbst allerneuste Studien folgen dieser quantitativen Forschungstradition, wenn nun auch vor dem Hintergrund einer veränderten fiskalischen 9 | Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die geschlechtsneutrale Formulierung verzichtet. 10 | Auch Strain reiht sich in diese Tradition ein, allerdings für den kanadischen Kontext, vgl. Strain 2001.

15

16

Wanna go Clubbing?

Lage (vgl. Pardasani/Goldkind 2012; Pardasani/Sackman 2014) und vor dem Hintergrund einer »neuen« Kohorte an Nutzern bzw. Nichtnutzern, den sogenannten »jungen Alten«, denen nun auch veränderte Bedürfnisse, Vorlieben und Interessen zugeschrieben werden. So erhebt Pardasani in einer 2010 veröffentlichten quantitativen Studie die soziodemografischen Charakteristika von Nutzern bzw. Nichtnutzern und fragt nach ihren Gründen für ihre Teilnahme bzw. eben Nichtteilnahme an solchen senior centern. Der typische Nutzer, so findet Pardasani heraus, ist eine alleinstehende, weiße Frau im Alter von 75 Jahren oder älter, mit einem mittleren bis niedrigen Einkommen, wenig körperlichen Einschränkungen und wenigen bis keinen Verpflichtungen hinsichtlich einer nachzugehenden Arbeit oder Sorgetätigkeit. Die Gründe für die Teilnahme an den centern belaufen sich auf die hier zu findende Gesellschaft, die Verpflegung sowie die Freizeitprogramme als entscheidende Faktoren. Der typische Nichtnutzer hingegen ist männlich, in einer Beziehung, verfügt über ein mittleres oder höheres Einkommen. Seine Gründe für seine Nichtteilnahme lassen sich in den Schlagworten fehlendes Interesse, kein Bedarf, keine Transportmöglichkeiten sowie fehlende Programme, die ihren Interessen entsprechen, zusammenfassen. Letztlich zieht Pardasani aus diesen Ergebnissen einige Empfehlungen für die zukünftige Gestaltung solcher senior center: Neben der Suche nach Lösungen für das Transportproblem geht es vor allem um die Gestaltung neuer Programme, die sowohl den Interessen der jüngeren Alten Rechnung tragen sowie auch vermehrt den Interessen von Männern entgegenkommen als auch kulturspezifisch ausgerichtet sind (vgl. Pardasani 2010). In einer 2014 publizierten Studie von Pardasani/Sackman geht es abermals um eine quantitative Betrachtung von senior centern – diesmal werden allerdings nicht die Nutzer, sondern die Administratoren befragt, und zwar im Hinblick auf eine erneute Bestandsaufnahme der angebotenen Aktivitäten und Dienstleistungen sowie hinsichtlich Herausforderungen und Barrieren, die diese in ihren senior centern sehen. Die Ergebnisse: Neben einem Profil der Administratoren – der typische senior center director ist weiblich und weiß, hat einen Bachelor oder Master, vornehmlich in social work – bringt auch diese Studie eine enorme Diversität an Angeboten hervor (über 70, von discussion groups und trips über arts und craft, billard, writing groups bis hin zu volunteer opportunities) (vgl. Pardasani/Sackman 2014, S.  207ff.). Herausforderungen und Barrieren für die zukünftige Gestaltung sehen die Administratoren vor allem in etatmäßigen Restriktionen, zu wenig Platz, zu wenig Personal sowie in der Notwendigkeit, bestehende Räumlichkeiten einer Modernisierung zu unterziehen. Mit einem größeren Budget würden sie mehr Aktivitäten anbieten, mehr Personal einstellen, die Räume modernisieren, mehr Mahlzeiten anbieten, mehr Programme zur Gesundheitsförderung betreiben sowie ein Transportmittel anschaffen (vgl. Pardasani/Sackman 2014, S. 210ff.).

1. »Wanna go clubbing«?

Daneben existieren quantitative Studien, die bestimmte Nutzergruppen explizit in den Blick nehmen. In einer weiteren quantitativen Studie betrachtet Pardasani erneut Angebote und Programme von senior centern sowie die Wahrscheinlichkeit des Nutzens, nun allerdings auf sogenannte Minderheitengruppen wie African Americans, Hispanic Americans und Asian Americans bezogen. Sein Ergebnis: Je mehr Mitarbeiter, die selbst einen African-American-, Hispanic-American- oder Asian-American-Hintergrund haben, in den jeweiligen Centern vorhanden sind, und je mehr auch kulturspezifische Angebote gemacht werden, zudem in mehreren Sprachen, desto häufiger nehmen die Älteren jener Minderheitengruppen an den senior centern teil (vgl. Pardasani 2004¹). Aday/Kehoe/Farney betrachten in einer Sekundäranalyse quantitativen Datenmaterials (274 alleinlebende Frauen und 141 Frauen, die mit ihrem Ehemann zusammenleben), wie sich Freundschaften und die Senior-Center-Aktivitäten auf die Gesundheit und das well-being der Alleinlebenden auswirken. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Alleinlebenden im Vergleich zu den verheirateten Frauen die center öfter besuchen, sich hier ein stabileres Unterstützungsnetzwerk schaffen, diese auch eine höhere Zunahme an Lebenszufriedenheit mit dem Center-Besuch hervorbringen und damit daraus letztlich zu schlussfolgern ist: »These friendships and other center activities have positive mental and physical outcomes« (Aday/Kehoe/Farney 2006, S. 57). Rhynes/Hayslip/Caballero/Ingman nehmen die Gruppe von Großeltern, die ihre Großkinder erziehen, in den Blick und fragen nach dem Zusammenhang von Teilnahme an einem senior center und dem Wohlbefinden, der Lebensqualität, Rollenzufriedenheit, der Belastung durch die Betreuung der Enkelkinder, Einsamkeit, dem derzeitigen Gesundheitszustand sowie dem derzeitigen Gesundheitszustand im Vergleich zu einem Jahr zuvor. In einer Befragung von 130 Teilnehmern errechnen sie einen positiven Effekt auf die erstgenannten vier Variablen und erklären dies vor allem damit, dass allgemein senior center als Unterstützungsquelle wahrgenommen werden in einer Situation, in der sich die älteren Leute zumeist abrupt und unter unerwünschten Umständen wiederfinden, etwa z.B. indem die senior center als Atempause sowie als Raum für Privatsphäre betrachtet werden (vgl. Rhynes/Hayslip/Caballero/Ingman 2013). Vor dem bereits erwähnten Hintergrund eines angenommenen veränderten Alterns einer neuen Generation von alten Menschen – die jungen Alten, die aktiven Babyboomers, wie sie betitelt werden – scheint sich ein neuer Fokus herausgebildet zu haben, sodass neuere Studien sich vor allem auch mit der Frage befassen, wie senior center sich neu auszurichten haben. So auch die Publikation von Fitzpatrick/McCabe. In ihrer Durchsicht bestehender Studien tragen sie zusammen, dass die Babyboomer sich vor allem durch einen aktiven Lebensstil auszeichnen und sich ihre Bedürfnisse in den folgenden Aspekten

17

18

Wanna go Clubbing?

zusammenfassen lassen: Ihnen geht es um Unabhängigkeit, Beschäftigung in der Gemeinschaft sowie Aktivität und Teilhabe an Lerngelegenheiten, Einbindung durch freiwillige Tätigkeiten, aber auch durch bezahlte Beschäftigung, sowie physische und psychische Gesundheit und Aktivität. Die Herausforderung also: eine neue Gestalt der center, die diesen Bedürfnissen Rechnung trägt. In einer Zusammenschau von Best-Practice-Beispielen kann dies sein: das Image der center durch einen neuen Namen sowie ein neues Logo verändern, also die center besser und progressiver vermarkten, neue Programme wie Tai Chi, Massagen, Gesundheits- und Wellnessworkshops implementieren, verlängerte Öffnungszeiten sowie Partnerschaften mit z.B. Universitäten schaffen, um die Programme vermehrt auszubauen (vgl. Fitzpatrick/McCabe 2008). Und so beschäftigt sich auch eine weitere quantitative Studie Pardasanis/ Thompsons damit, unter den bestehenden senior centern innovative and emerging models zu identifizieren. Anders ausgedrückt: Es geht in ihrer Studie darum, solche senior center auszumachen, die auf die veränderten Bedingungen des 21. Jahrhunderts reagiert haben. Mit diesen veränderten Bedingungen sind Aspekte gemeint wie die Diversität der älteren Menschen, ihr Drang, weiterhin produktiv zu sein, ihr Selbstverständnis, sich als Konsument, der Wahlfreiheiten hat, und nicht als schutzbedürftiger Senior zu begreifen, und der Bedarf, neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Sechs innovative Modelle wurden dabei identifiziert: das community center als intergenerationales Freizeitcenter, das wellnesscenter, indem es vor allem um Gesundheits- und Wellnessprogramme für die Menschen über 50 Jahre geht, das lifelong-learning-model, das entrepreneurial center, in dem es darum geht, die Produktivität, die Ressourcen und Fähigkeiten der Älteren zu nutzen, das café-program sowie das continuum-ofcare-model für hilfsbedürftige Ältere (vgl. Pardasani/Thompson 2012). Auch Hostetler stellt Fragen zu der Zukunft von senior centern, allerdings aus einer kritischen Perspektive. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Diskussion der derzeit dominanten Diskurse um ein erfolgreiches Altern sowie um ein drittes Alter, die mit Schlagworten wie Konsum, individuelle Lebensstile, choice, Bewahrung von Jugendlichkeit, individuelle Verantwortung sowie Aktivität beschrieben werden können. Hostetler stellt die Frage danach, wie diese Diskurse auch in den senior centern wiederzufinden sind und sich durch deren Präsenz diese center von Community-Zentren zunehmend zu »successful-aging businesses« (Beisgen/Kraitchman, zitiert nach Hostetler 2011, S. 168) transformieren. In der Annahme, dass die Anbieter wesentlichen Einfluss darauf haben, ob die center eher nach der einen oder eher nach der anderen Seite gestaltet werden, führt er 32 qualitative Interviews mit eben jenen Anbietern, die durch teilnehmende Beobachtungen in einem senior center komplettiert werden. Sein Ergebnis:

1. »Wanna go clubbing«? »Unstructured interviews with multiple service providers […] and participant observation in one center reveal a growing emphasis on selling individualized lifestyles to young, healthy, and active seniors, as opposed to a more communal, intergenerational approach. In interviews, service providers talked about ›community‹ in vague and ambiguous terms. At the same time, the philosophy of some providers was informed by a well-developed discourse of individual choice. In discussing needed resources and future goals, service providers spoke to the difficulty of appealing to different cohorts of seniors, but focused primarily on the needs of young seniors […].« (Hostetler 2011, S. 166)

Neben diesem Forschungsschwerpunkt, der eben vor allem quantitativ ausgerichtet ist, existieren einige, wenn auch wenige, qualitative Studien. In einer Studie zu senior welfare centern in Süd-Korea arbeitet Park beispielsweise mit qualitativen Interviews, die durch Beobachtungen ergänzt werden. Sie will explizit die Perspektive der Senioren einfangen und fragt nach ihren Meinungen hinsichtlich des Nutzens einer Teilhabe an den Zentren sowie nach den Grenzen. Interessanterweise kann sie dabei zwei Gruppen ausmachen, wobei die eine Gruppe vor allem den Nutzen aufzeigt und die andere Gruppe vor allem die Grenzen darlegt: So steht auf der einen Seite die Gruppe an Älteren, deren alltäglicher Lebensunterhalt z.B. durch Pensionen, Ersparnisse oder die familiäre finanzielle Unterstützung gewährleistet ist. Diese Gruppe beschreibt in vier Themen den Nutzen, den die center für sie bringen. Erstens geht es um Freizeit und Entertainment. So Park: »[…] there was a pervasive conception among the seniors that the Center provided enjoyable leisure activities that they could not obtain elsewhere« (Park 2008, S. 77). Ein zweites wichtiges Thema sind die Gelegenheiten zum Lernen und Selbstentfaltung. Vor allem Frauen würde dieses Thema ansprechen angesichts der Tatsache, dass sie in jüngeren Jahren wenige Möglichkeiten dazu hatten und dies nun nachholen könnten. Drittens gehe es immer wieder um soziale Beziehungen und Austausch. So gebe das center die Möglichkeit, sich ein soziales Netz unter den Peers aufzubauen. Letztlich sei der Gewinn einer Teilhabe an solchen centern darin zu sehen, einen Ort zu haben, an dem man seine Zeit, jenseits des homes, verbringen könne. Neben dieser Gruppe identifiziert Park eine zweite Gruppe an Senioren, und zwar solche, die für ihren Lebensunterhalt auch im Alter noch einer bezahlten Arbeit nachgehen müssen. Diese Gruppe zeigt die Grenzen der center auf. Auch diese Gruppe, so Park, formuliert den Wunsch nach Freizeitaktivität und Selbstentfaltung, allerdings kann diese Gruppe kaum an den centern teilhaben, weil die Öffnungszeiten mit den Arbeitszeiten kollidieren. Park zieht den Schluss, dass sich hier neue soziale Ungleichheiten manifestieren – wer hat die Möglichkeit zur Selbstentfaltung, wer nicht –, die es zu bearbeiten gilt. Ihr Resümee: Die center müssen sich dahingehend wandeln,

19

20

Wanna go Clubbing?

dass allen älteren Menschen die Möglichkeit zu einer Teilhabe geschaffen wird (vgl. Park 2008). Neben dieser Studie, die vornehmlich mit qualitativen Interviews arbeitet, gibt es noch einige Studien, die sich den senior citizens centern oder senior citizens clubs ethnografisch nähern. Thang beispielsweise beschäftigt sich mit dem Clubbing in einem retiree activity center in Singapur. In ihrer ethnografischen Studie arbeitet sie drei Themen heraus, die relevant gemacht werden: Wichtig für die Mitglieder sei die Frage nach der Zugehörigkeit; einen Ort zu haben, dem man sich zugehörig fühle. Des Weiteren gebe es den großen Wunsch, neue Dinge zu lernen und neue Dinge auszuprobieren. Drittens seien interpersonelle Beziehungen immer wieder Thema: Konflikte in der Organisation der Aktivitäten (z.B. beim Karaoke), Klatsch und Tratsch über Liebesbeziehungen unter den Mitgliedern. Schließlich fragt Thang danach, welchen Unterschied die Teilnahme an dem retiree activity center für die Älteren macht und welchen Beitrag ihre Erfahrungen zum Diskurs um Alter und Aktivität leisten können. Sie schlussfolgert: Jenes von ihr untersuchte center ist ein Ort, an dem Alter eher marginal wird: »[…] such settings can play significant roles in de-emphasizing the negative connotation of old age and helping to foster positive feelings about the self« (vgl. Thang 2005, S. 314). Menschen fühlten sich jung unter ihren Peers; Angebote, die derzeitigen Trends folgten, brächten die Älteren an den Puls der Zeit; der allgemeine Umgang miteinander, z.B. allein in der traditionellen Ansprache, folge hier nicht dem Schema »alt«; Alter werde hier zudem nicht nach dem chronologischen Alter definiert, sondern danach, wie fashionable und gesund man sich zeige. Ferner sei der Club ein Ort, an dem man sich selbst neu definieren und an dem man neue Rollen einnehmen könne (vgl. Thang 2005). Hasmanová Marhánková betrachtet in ihrer ethnografischen Studie, in der sie Beobachtungen und Interviews in zwei senior centern in Tschechien durchführte, wie der (sozial-)politische Diskurs um das Konzept des active ageings auch in solchen centern wiederzufinden ist und hier (mit-)konstruiert wird. Das Ergebnis: Die Idee des active ageings ist äußerst präsent. Sie zeigt auf, dass auf organisationaler Ebene die Philosophie dieser Organisationen durch das Konzept des active ageings durchzogen ist. Ferner wird in ihrer Studie deutlich, dass auch die Älteren diese Idee internalisiert haben und ein aktives Altern als ein Projekt angesehen wird, das ständig, auch unter Anstrengung und Selbstdisziplin, bearbeitet werden muss. Aktivität ist alles: Der Tag ist durch Aktivitäten (des centers) strukturiert, man muss ständig in Bewegung sein, man muss immer etwas zu tun haben, Aktivität ist Mittel und Ziel aller Tätigkeiten zugleich. Aktives Altern ist die »korrekte« Form des Alterns, an der man sein eigenes Selbstbild im Alter auf baut und an der man auch seine Peers misst und bewertet (Hasmanová Marhánková 2011).

1. »Wanna go clubbing«?

Eine ähnliche ethnografische Studie führte auch Tsuji durch, die jedoch nicht explizit den Diskurs um ein aktives Altern im Blick hat, sondern den Diskurs um dominante, hochgehaltene amerikanische Werte wie Unabhängigkeit, Produktivität und Stärke. Sie betrachtet, wie ältere Menschen im Hinblick darauf, dass Altern antithetisch zu diesen Werten verstanden wird, mit diesem Dilemma umgehen. Tsuji zeigt auf, dass das center einen Raum bietet, sich weiter unabhängig, produktiv und stark zu fühlen und zu agieren. Zum einen führt sie dies auf die Organisationsform und die Organisationskultur zurück: Als Organisation der Älteren für die Älteren sind es trotz vorhandenen Personals die Älteren, die hier die Entscheidungen treffen, die ihr center zu einem erheblichen Teil selbst finanzieren, die Freiwilligenarbeiten im center und in der community durchführen, gar ganze zweite Karrieren machen. Zum anderen wird Alter hier nicht zu einem Stigma, sondern vielmehr zu einer Quelle des Stolzes umdefiniert. Daneben zeigt Tsuji auf, wie soziale Netzwerke, die in dem center entstehen, besondere Qualitäten haben und das Empfinden von Unabhängigkeit, von Gleichheit und von individuellen Wahlfreiheiten, ebenso dominante amerikanische Werte, für die Älteren aufrechterhalten (vgl. Tsuji 1997). Wie wichtig es ist, in den Studien genau zwischen einzelnen Organisationsformen zu differenzieren, zeigen die Ergebnisse von Salari/Brown/Eaton. In ihrer ethnografischen Studie, in der sie drei in ihrer Organisationsgestaltung verschiedene senior center in den Blick nehmen, geht es um Konflikte rund um territoriale Fragen in den senior centern. Sie arbeiten heraus, dass in zwei der drei untersuchten center die Älteren immer wieder territoriale Ansprüche im Hinblick auf »ihren« Sitzplatz an »ihrem« Tisch geltend machen. Dabei handelt es sich um eine Praxis, die auf der einen Seite Gruppenidentitäten und Zusammenhalt zwischen bestimmten Cliquen fördert, auf der anderen Seite aber auch Konflikte und Exklusion hervorruft. Im Anbetracht der Tatsache, dass eine solche Praxis in dem dritten center nicht beobachtet werden konnte, führen sie dies auf die verschiedenen Organisationsformen der center zurück. Denn während in jenen centern, in denen jene territorialen Fragen relevant werden, die Älteren wenig bis keine Gestaltungs- und Entscheidungsmacht besitzen, liegen eben solche Verantwortungen in jenem dritten center bei den Älteren. Und so schlussfolgern Salari/Brown/Eaton: »That setting [des dritten center ohne Konflikte um territoriale Ansprüche, C.O.] appeared to have a social identity and social cohesion provided by identification with, or ›owning‹ the whole center, or at least a particular class or activity there. Goffman […] noted that those with high social status often lay claim to large spaces, which are recognized by others. Perhaps the participants in the Diverse Center all held high status, given the strong self-governance and the personalization of the center with participant achievements. This social and physical organization may have contributed to a collec-

21

22

Wanna go Clubbing? tive claim of ownership over the whole center, not just small stalls or tables. Lack of representation and decision making power among participants in the other centers may have enforced a sense of lower social status, leaving the dining tables and seats as the only territorial resource to claim« (Salari/Brown/Eaton 2006, S. 250).

Betrachtet man nun diese Forschungslandschaft zum Thema »Clubbing und Alter«, ergibt sich insgesamt jedoch eine Forschungslücke, die sich in fünf Punkten zusammenfassen lässt: 1. Allgemein – darauf wurde bereits hingewiesen – gibt es wenige Studien, die sich mit dem Thema der Gesellungsform des Clubbings im Alter befassen. 2. Das Forschungsfeld wird eindeutig von quantitativen Studien dominiert, die Bestandsaufnahmen sowohl hinsichtlich der Angebote der senior center als auch hinsichtlich deren Nutzern bzw. Nichtnutzern vornehmen sollen. 3. Weiterhin lässt sich sagen, dass viele der bereits bestehenden Studien jene Clubs und Zentren a priori durch eine Altersbrille betrachten. Auf der einen Seite wird mit einer negativen Altersbrille danach gefragt, wie die center und Clubs altersspezifischen Defiziten – Vermeidung von Isolation, Verlust von Unabhängigkeit, Aufrechterhaltung von Aktivität, Bewältigung des Übergangs in das Rentenalter, Statusverlust – entgegenwirken und wie sie diese kompensieren können. Das geht so weit, dass selbst die recht deskriptiv angelegten Studien die Bedeutung der Clubs mit dem Argument zusammenfassen: »Gerontologists have stressed the significance of senior centers in the continuum of long term care and their value as a form of preventive care« (Pardasani 2004, S. 29). Auf der anderen Seite wird mit einer positiven Altersbrille danach gefragt, wie nun auch in Clubs ein active ageing stattfindet und die center und Clubs das Bild vom konsumfreudigen Senior, der einen individuellen Lifestyle aufweist, wissbegierig und jugendlich daherkommt, bedienen können. Dem Gedankengang Kosnicks folgend – die Clubbing im Kontext eines Queer Migrant Clubbings untersucht – lässt sich jedoch sagen: Senior-Citizens-Clubbing als eigene Art der Gesellung, als eigene Art der Sozialität, ist in den bisherigen Studien nicht in den Blick geraten. Mit Kosnicks Worten lässt sich fragen und fordern: Was, wenn nicht von vornherein bestimmte Kategorien – dort die Ethnie, hier das Alter – im Fokus zur Erforschung eines Phänomens stehen, sondern das Phänomen an sich? Mit den Worten Kosnicks: »The dimensions of sociality that form part of clubbing events […] have to be understood as properly social phenomena in their own right. An effort has to be made to understand how people actually engage with each other, and to describe the quality

1. »Wanna go clubbing«? and dynamics of their affiliatory practices and the social formations they (re)-produce or transform« (Kosnick 2014, S. 38).

4. Ferner, und darauf wurde ebenfalls bereits hingewiesen, liegt ein Defizit darin begründet, dass in den bestehenden Studien, trotz der Diversität an verschiedenen Organisationsformen, dieser Heterogenität keine systematische Rechnung getragen wird. 5. Schließlich lässt sich sagen, dass die bisherige Diskussion um »Clubbing und Alter«, bis auf wenige Ausnahmen, etwa die Studien Thangs in Singapur und Parkers in Südkorea, auf die sogenannte westliche Welt konzentriert ist. Die vorliegende Studie soll einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungslücke zu schließen. Ziel der Studie ist es, eben gerade nicht von vornherein von einem bestimmten Altersbild – sei es negativ oder positiv – auszugehen und darauffolgend zu betrachten, welche Funktion senior citizens clubs mit ihren Angeboten hier einnehmen können, um angenommenen Bedürfnissen bestimmter Gruppen Rechnung zu tragen. Vielmehr wird die Sache umgekehrt: Ziel ist, in einem ersten Schritt Senior-Citizens-Clubbing erst einmal als eine bestimmte Art der Gesellung, als eine ganz eigene Art von Sozialität, als »social phenomenon in its own right« (nach Kosnick 2014, S. 38) zu betrachten und dann darauffolgend in einem zweiten Schritt zu rekonstruieren, welches Bild von einem Altern damit einhergehend hergestellt wird. In einer ethnografischen Studie wird daher danach gefragt: Wie werden senior citizens clubs alltäglich konstruiert? Wie wird diese Gesellungsform, diese Form von Sozialität als geteilte Realität alltäglich durch die verschiedenen sozialen Praktiken der Clubber hergestellt? Welches Bild des Alterns, welche Vorstellung des Alterns wird darin eingelagert konstruiert? Diese Studie fand dabei – um dies klar und deutlich zu sagen – in zwei senior citizens clubs statt, die ausschließlich von den Clubmitgliedern organisiert werden. Kein explizit ausgewiesenes Personal ist an der Konstruktion dieser Clubs beteiligt. Ferner handelt es sich bei diesen beiden Clubs um solche, die im Großraum Kuala Lumpur/Malaysia lokalisiert sind. Gerade der geografische Raum Südostasiens stellt einen interessanten Raum dar, da angesichts von gesellschaftlichen Transformationsprozessen (ökonomische Entwicklung, zunehmende Urbanisierung, demografischer Wandel, Veränderung traditioneller Familienarrangements) sich die Lebensphase Alter neu formiert – und somit hier senior citizens clubs geradezu zu boomen scheinen (vgl. hierzu Thang 2005; Oppermann 2013). Also: »Wanna go clubbing«? Die Frage stellt eine Einladung an den Leser dar, nun in die Welt von zwei senior citizens clubs einzutauchen. Die Reise in diese Welt wird dabei folgendermaßen organisiert sein: Nachdem zunächst

23

24

Wanna go Clubbing?

das ethnografische Forschungsdesign beschrieben wurde, werden die empirischen Ergebnisse dargelegt. Unter den – zugegeben zugespitzten – Überschriften Everything is possible!, Everything is possible … as long as you work hard on it! sowie Is really anything possible? wird aufgezeigt, dass ein Senior-CitizensClubbing sich hier in drei wesentlichen Momenten beschreiben lässt. Es geht erstens um ein doing hybrid organizations in dem Sinne, dass die Clubber eine Organisation konstruieren, in denen mannigfaltige Logiken ihren Platz haben – everything is possible! Zweitens ergibt die Analyse, dass die Clubber diese Form der Organisation aufrechterhalten können, weil sie die hybride Ordnung ihrer Organisation immer wieder aufs Neue durch mikropolitische Prozesse aushandeln – everything is possible as long as you work hard on it! Drittens wird aus dem empirischen Material offensichtlich, dass die Clubber klare Grenzen ziehen, also Grenzarbeit leisten, und immer wieder verdeutlichen (müssen), welche Logiken und Orientierungen einen Platz in ihrer Organisation haben und welche nicht – also: Is really anything possible? Zu guter Letzt wird unter dem O-Ton »Because we are so modern« in einem Schlusswort diskutiert, wie diese Form des Clubbings eine moderne Form sozialer Altenarbeit darstellt und die aktuellen Diskussionen um die Zukunft der sozialen Altenarbeit erweitern und irritieren kann.

2. »What the hell is going on here«?

Das ethnografische Forschungsdesign

Ich wache morgens um 5 Uhr auf, weil draußen ein starkes Gewitter ist und es sehr sehr doll regnet. Dadurch ist es sehr laut im Container, weil der Regen auf das Blechdach der großen Halle fällt. Ich bekomme mit, dass Miss Wang den Container verlässt und auch einige Zeit nicht wiederkommt. Irgendwann höre ich sie wieder, sie hat, glaube ich, geduscht. Sie macht dann auch einfach das Licht an. Dann wieder aus und verlässt wieder den Container. Ich döse noch ein bisschen, bis ich um Viertel nach sieben endgültig nicht mehr schlafen kann, weil es immer noch so laut vom Regen ist und draußen auf dem Platz mit dem Mikrophon etwas auf Chinesisch erzählt wird. Ich gehe also aus dem Container raus und sehe, dass der Platz voll von den älteren Leuten ist, die alle in eine Richtung […] schauen. Vor ihnen, ihnen zugewandt, sitzt ein Herr, der ihnen über das Mikrophon etwas erzählt. Später erfahre ich von Miss Wang, dass das eine Bibelstunde war. Ich gehe erst einmal duschen. Das Wasser ist leider kalt, ich kann meine Sachen nirgendwo ablegen, viele Insekten sind hier und es ist sehr sehr laut vom Regen und von der Bibelstunde, die wie gesagt mit Mikrophon abgehalten wird. Nachdem ich geduscht habe, gehe ich zurück in den Container und dann raus […]. Die Atmosphäre ist irgendwie seltsam. Es regnet immer noch, daher ist es auch immer noch total laut hier in der Halle. Zudem – mag auch am Wetter liegen – ist es total düster. Es ist ziemlich ungemütlich; irgendwie auch komisch, dass wir hier in so einer Lagerhalle sitzen (Protokoll 29.04.2011, Zeile 3-29).1

1 | Dieses Protokoll stammt aus dem gesamten Datenkorpus dieses ethnografischen Dissertationsprojektes. Allerdings befindet sich die Ethnografin hier nicht in einem der senior citizens clubs, sondern in einem sogenannten old folks home, aus Containern bestehend. Der Ausschnitt wurde hier gewählt, da er deutlich macht, was ethnografische Feldforschung »mit Haut und Haar« ausmacht.

26

Wanna go Clubbing?

Erforschung sozialen Lebens in natürlichen Situationen, teilnehmen in diesen Situationen mit Haut und Haar, wie im Protokoll beschrieben – »[…] that’s the core of observation« (Goffman 1989, S. 126). In dieser Form lässt sich eine Ethnografie zunächst sehr anschaulich beschreiben. Ethnografische Forschungen sind daneben erst einmal als investigativ, explorativ, interpretativ und deskriptiv zu charakterisieren (vgl. Hitzler 2006, S. 51). Es handelt sich um eine Forschungsstrategie, die das Ziel verfolgt, soziale Wirklichkeiten und ihren Herstellungsprozess zu beschreiben. Es wird darauf fokussiert, wie Individuen interaktiv in ihrem Zusammenleben, in ihren Alltagssituationen, d.h. durch welche Mittel, welche kulturellen Praktiken, welche Handlungsweisen und welches Handlungswissen, ihre Welt erzeugen (vgl. hierzu Hitzler 2006, S. 51; Lüders 2009, S. 390; Cloos/Köngeter/Müller/ Thole 2007, S. 36; Rosenthal 2008, S. 105; Flick 2010, S. 301). Amann/Hirschauer beschreiben den Erkenntnisstil von Ethnografien ferner vor allem durch ein bestimmtes Moment gekennzeichnet: das Entdecken von Unbekanntem (vgl. Amann/Hirschauer 1997, S. 8f.), das mit der vielzitierten Losung beginnt »,What the hell is going on here‹?« (Geertz, zitiert nach Amann/Hirschauer 1997, S.  20). Das Motto ist dabei: »Die Befremdung der eigenen Kultur« (Amann/Hirschauer 1997). Dies bedeutet, dass das eigentlich Vertraute mit einer bestimmten Einstellung oder Haltung betrachtet wird. Oder anders gesagt, dass es einer bestimmten »habituellen Voraussetzung« (Lüders 2006, S. 152) bedarf: Man versetzt sich als Forscher in den Zustand einer „,künstlichen Dummheit‹« (Hitzler, zitiert nach Hitzler 2006, S.  49). Gemeint ist damit, sich zunächst vermeintlich selbstverständliche Gewissheiten und Alltagswissen bewusst zu machen, dadurch eine Einsicht in die soziale Konstruktion von Wirklichkeiten zu erreichen, schließlich daraufhin das »Denken-wie-üblich« (Hitzler 2006, S. 48) fallen zu lassen und ein (eigentlich vertrautes) Phänomen noch einmal zu betrachten, als sei es fremd und unbekannt (vgl. Hitzler 2006, S. 48f.). Oder mit den Worten Amann/Hirschauers: »Die erkenntnisleitende Idee des Entdeckens läßt sich jedoch noch weiter eingrenzen: Die Ethnographie erschließt nicht einfach ein spezifisches Forschungsgebiet, etwa ›kuriose‹ Subkulturen. Die in der Ethnographie liegende Affinität zum Kuriosen ist nicht eine Eigenschaft bevorzugter Gegenstände, sondern das Potential, alle möglichen Gegenstände ›kurios‹, also zum Objekt einer ebenso empirischen wie theoretischen Neugier zu machen. Dafür setzt die Ethnographie auf einen ›weichen< Methoden-, aber ›harten< Empiriebegriff. Dessen Prämisse ist die Unbekanntheit gerade auch jener Welten, die wir selbst bewohnen. Die ethnographische Herausforderung besteht darin, mit Hilfe dieser Heuristik der Entdeckung des Unbekannten die Soziologie an den Phänomenen zu erneuern« (Amann/Hirschauer 1997, S. 9).

2. »What the hell is going on here«?

Wenn Schmid empfiehlt, für die Auswahl der Methodologie sowie der Methode den »Forschungsstand, die gewählte wissenschaftliche Fragestellung und die Eigenheiten des Forschungsobjektes« (Schmid 1995, S. 302) in den Blick zu nehmen, so ergibt sich in diesem Forschungsprojekt unter Anbetracht des soeben formulierten Programms einer Ethnografie, auf die Strategie bzw. Methodologie einer Ethnografie zurückzugreifen, und zwar aus der folgenden Argumentation heraus: 1. Die erkenntnisleitende Fragestellung lautet: Wie werden senior citizens clubs alltäglich hergestellt? Es geht also um die Rekonstruktion des alltäglichen Herstellungsprozesses durch die Akteure – wie sie ein Clubbing durch soziale Praktiken, also durch Handlungen, Routinen und Regeln, alltäglich hervorbringen. Dabei handelt es sich um einen Forschungsgegenstand, der wenig erforscht ist, bei dem insofern ein blinder Fleck besteht, als bisher die »einfache« Frage nach der Art und Weise, wie die Menschen »ihre« Welt des senior citizens clubs (vgl. Formulierung in Anlehnung an Hitzler 2006, S. 51), welche Form von Sozialität sie konstruieren, noch nicht beantwortet wurde. 2. Wenn es sich bei der Ethnografie also um ein solches Forschungsprogramm handelt, das nicht nur ermöglicht, sondern gar fordert, dem Forschungsgegenstand »mit einer ›künstlichen Dummheit‹« (Hitzler, zitiert nach Hitzler 2006, S. 49) zu begegnen, das fordert, Unbekanntes zu entdecken, so ist ein solches Programm für diese Arbeit prädestiniert, da es schließlich darum geht, die senior citizens clubs unvoreingenommen – ohne eben a priori durch die »Altersbrille« zu schauen – zu betrachten und eben vermeintlich selbstverständliche Gewissheiten und Alltagswissen sowie das »Denken-wie-üblich« (Hitzler 2006, S. 48) über das Alter(n) über Bord fallen zu lassen. Dabei muss gesagt werden, dass der Ethnografie bisweilen in so mancher Perspektive der Ruf des Un- bzw. Vorwissenschaftlichen vorauseilt (vgl. beispielsweise Amann/Hirschauer 1997, S. 7). Dies hat vor allem zwei Gründe: Zum einen ist es das Fehlen strukturierter und systematisierender Vorgaben sowie im Umkehrschluss das damit einhergehende Vorhandensein methodischer Freiheiten. Gerade durch den Umstand »ihres scheinbar ungesicherten methodologischen Status […] kam der teilnehmenden Beobachtung bestenfalls eine ergänzende, unter Umständen explorative Rolle in der Forschung zu […]. Forschern, die nahezu ausschließlich auf die teilnehmende Beobachtung setzten, wurde zwar ein hoher Unterhaltungswert zugebilligt, als seriöse Forschung wurden ihre Arbeiten aber nicht rezipiert« (Lüders 2009, S. 388). Zum anderen ist es die Subjektivität des Forschers, die hier eine besondere Rolle spielt, denn, so Gans, »Participant-observation is the most personal of all

27

28

Wanna go Clubbing?

sociological research methods, and little can, or should, be done to eliminate the personel element« (Gans 1999, S. 53). Während Gans hier das »persönliche Element« preist, hat die Subjektivität jedoch auch Fragen wie »Ethnography: Science or Not«? (Atkinson/Hammersley 1994, S. 251) oder »Data: Fact or Fiction«? (Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S.  82) provoziert. Die Argumentation lässt sich dabei im Wesentlichen mit den Worten von Dellwing/ Prus verdeutlichen: »So ist in der Ethnografie eine schamlose Abkehr von der Vorgabe ›objektiver Wiedergabe‹ vollzogen: ›Die Besonderheit der Ethnographie besteht herkömmlich zweifellos darin, daß schon die Datengewinnung aus Schreibakten besteht, in denen Protokolle hergestellt werden. Häufig wurde dieser Form der Datengewinnung der Vorwurf des Impressionismus gemacht, denn die Daten sind nicht nur von den persönlichen Sprachkompetenzen abhängig, sondern werden ausschließlich durch ein einziges beobachtendes Bewusstsein gewonnen‹ […]. Diese sind in der Tat fluide, situationale und persönliche (oder vielleicht besser: rollen- und positionsabhängige) Eindrücke, implizites Wissen, die es eben einer bestimmten Person der Forscherin erlauben, im Feld auszukommen« (Dellwing/Prus 2012, S. 165).

Um beiden Argumentationslinien entgegenzutreten, soll zum einen, um nicht den Eindruck methodologischer bzw. methodischer Willkür und Anarchie (vgl. Amann/Hirschauer 1997, S. 18) aufkommen zu lassen, das Forschungsdesign besonders ausführlich dargestellt sowie transparent gemacht werden, um für den Leser nachvollziehbar zu machen, wie diese Ethnografie letztlich zustande kam (vgl. hierzu Dellwing/Prus 2012, S. 190). Zum anderen, um nicht den Eindruck einer subjektiven Fiktion zu erwecken, wird den Empfehlungen Honers (vgl. Honer 1994, S.  91) gefolgt, und die Reflexion der eigenen Subjektivität innerhalb des Forschungsprozesses erhält in diesem Kapitel einen besonderen Stellenwert. Dieses Kapitel gliedert sich in fünf Abschnitte: Auf die Vorstellung der Forschungsstrategie der Ethnografie folgen eine Darlegung der Auswahl der Organisationen, in denen diese Untersuchung durchgeführt wurde, sowie die Erläuterung der angewendeten Methoden (teilnehmende Beobachtung, Interviews, Dokumentenanalyse). Im Anschluss wird die Vorgehensweise der Datenauswertung dargelegt, bevor das Kapitel mit einer Reflexion abgeschlossen wird. Die innere Gliederung der einzelnen Unterkapitel ergibt sich daraus, dass diese zunächst, wann immer möglich, mit Protokollausschnitten eingeleitet werden, die die ausgeführten methodologischen bzw. methodischen Aspekte für dieses Forschungsprojekt plastischer darzustellen vermögen. Darauffolgend werden, sich den Empfehlungen von Dellwing/Prus anschließend, dass es in diesem Kapitel um einen »nachvollziehbaren account von getroffenen Entscheidungen [gehen soll, C.O.], der an der Literatur im Vergleich legitimiert

2. »What the hell is going on here«?

wird« (Dellwing/Prus 2012, S. 206), einige theoretische Ausführungen zu den jeweiligen Themen der Kapitel gemacht, anhand derer dann die hier entstandene Ethnografie nachvollziehbar gemacht wird. Bevor nun im Folgenden näher auf die Erhebungsphasen und -methoden sowie auf die Auswertungsphasen und -methoden eingegangen wird, soll zunächst ein kurzer Einschub erfolgen. Dieser Einschub ist an dieser Stelle notwendig, um im Vorfeld zu verdeutlichen, dass es sich in der Ethnografie um keinen linearen Forschungsprozess nach einem gradlinigen Muster von Datenerhebung, darauffolgender Datenauswertung sowie wiederum darauffolgender Theoriebildung handelt, sondern dass der Prozess vielmehr »in einer zirkulären bzw. spiralförmigen Bewegung stattfindet« (Hitzler 2006, S. 50); Erhebung, Auswertung und Theoriebildung also vielmehr im Prozess stets ineinandergreifen (siehe hierzu auch Hammersley/Atkinson 2007, S. 158). Der notwendigen Linearität dieser Form von Text geschuldet, müssen Erhebungsphasen und -methoden sowie Auswertungsphasen und -methoden eben in einer solchen Form dargestellt werden. Es wird jedoch versucht, die Schleifen des Forschungsprozesses, so, wie sie stattgefunden haben, immer wieder darzustellen. Im Forschungsprozess wurden zwei Erhebungsphasen (April 2011 bis Juli 2011 sowie Oktober 2012 bis Dezember 2012) durchgeführt. Bereits in der ersten Erhebungsphase fanden erste Analysen statt, diese wurde durch eine intensive Analysephase abgelöst, in der erste Versuche einer Theoriebildung stattfanden. Danach fand jene zweite Erhebungsphase statt, jedoch abermals durchzogen von Analysen und Theoriebildungsprozessen.

2.1 »I ch habe aber nur die einfache , aber immerhin kl are A nt wort bekommen : N ot interested « – D ie A uswahl der E inrichtungen Miss Wang holt mich heute wieder ab, um 9:30 Uhr, und sie hat geplant, dass wir zum senior citizens club Taman Flula fahren. Diese Einrichtung, also explizit diese Einrichtung, diesen senior citizens club, hatte ich schon von zu Hause aus angeschrieben und auch angerufen, um zu fragen, ob ich meine Erhebungen hier machen dürfe, ich habe aber nur die einfache, aber immerhin klare Antwort bekommen: »Not interested«. Jetzt scheint es also doch zu gehen. Ich bin also sehr aufgeregt, weil ich gar nicht wusste, dass Miss Wang hier einen Termin für mich vereinbart hat und ich schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, nach der Abfuhr am Telefon, hier noch irgendwie reinzukommen. Mal sehen, was das wird (Protokoll 25.4.2011, Zeile 3-10).

29

30

Wanna go Clubbing?

In der Literatur zu Ethnografien heißt es: »Am Anfang einer Ethnografie steht […] nicht selten eine ›riesige Überraschung‹ […], aus der sich hundert neue Wege ergeben, die ihrerseits zu neuen Überraschungen führen« (Dellwing/Prus 2012, S. 74). »Der Zufall gehört daher bei der ›teilnehmenden Beobachtung‹ zur Methode« (Bude, zitiert nach Dellwing/Prus 2012, S. 74f.). »Sometimes, initial contacts may completely transform research plans« (Hammersley/ Atkinson 2007, S. 46). »I had not accomplished what I set out to do, but this was only the first day. And, anyway, when I wrote up this experience that evening, I felt that it presented a fairly good picture of this young man and that most of the material was to the point. Tomorrow, I decided, I would get back to my original plan – nothing had been lost. But tomorrow never came« (Liebow, zitiert nach Hammersley/Atkinson 2007, S. 46).

Sozialforschung im Allgemeinen und Ethnografie im Besonderen sind, so sprechen diese Zitate, gemäß den »sozialweltlichen Gegebenheiten« (Strauss 1994, S. 32), die hier erhoben werden sollen, von Zufälligkeiten geprägt. Diese Zufälligkeiten können die verschiedenen Phasen einer Forschung betreffen, und von dort an die gesamte Forschung »umkrempeln« – wie auch in diesem Forschungsprojekt. Zu Beginn dieses Promotionsprojekts sollte eigentlich die Forschungsfrage »Wie wird ›Hilfe‹ in sozialen Einrichtungen für ältere Menschen in Megacitys hergestellt«? untersucht werden. Das Forschungsdesign war danach ausgerichtet, mittels eines ethnografischen Zugangs verschiedene soziale Einrichtungen für ältere Menschen in Kuala Lumpur zu erforschen, und die Fallauswahl sollte nach den Prinzipien des theoretischen Samplings erfolgen (vgl. Merkens 2009). Dabei musste versucht werden, einen »kalten Zugang« (Dellwing/ Prus 2012, S. 95), d.h. einen Zugang ohne jegliche vorhandene Kontakte nutzen zu können, zu erreichen. Nach einer Internetrecherche wurde schließlich versucht, Kontakt zu sechs verschiedenen Organisationen2 mittels eines Anschreibens, in dem das Forschungsvorhaben formuliert wurde, aufzunehmen. In diesem Prozess konnte der Kontakt zu einer einheimischen Dame geknüpft 2 | Eine Dachorganisation mit Kinderheim, Altenheim, Aktivitäten-Club für ältere Menschen, ein senior citizens club, ein Pflegeheim, eine kleine private Organisation, die betreutes Wohnen anbietet, eine kleine christliche Organisation, die ein Pflegeheim sowie eine Wohngemeinschaft für ältere Frauen anbietet, sowie ein Aktivitäten-Center für ältere und junge Menschen.

2. »What the hell is going on here«?

werden, die im Feld der sozialen Altenarbeit tätig war. Durch sie wiederum konnte der Zugang zunächst zu weiteren Organisationen, jedoch zunächst lediglich zu sogenannten old folks homes, old age homes und nursing homes geschaffen werden. Somit lag der Fokus zunächst auf solchen im weiten Sinne Care-Organisationen, da, weil abgewiesen, so zeigt der Protokollausschnitt, Freizeitorganisationen sodann auch zunächst für das Promotionsprojekt »abgeschrieben« wurden. Bis dann durch Zufall und völlig unerwartet, so zeigt der Protokollausschnitt abermals, der Zugang zu zwei senior citizens clubs, mit dem die Beobachterin schon gar nicht mehr gerechnet hatte, durch die Kontaktperson doch noch geschaffen wurde. Und so begannen, durch Zufall, die senior citizens clubs in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken. Anders formuliert: Die Auswahl der beiden senior citizens clubs war hier durch den Zufall bestimmt. Nach einer ersten explorativen Phase mussten Entscheidungen getroffen werden, da aus ressourcentechnischen Gründen nicht sowohl die Care-Organisationen als auch die Freizeitorganisationen weiter fokussiert werden konnten. Da zum einen bereits einige ethnografische Forschungen in old age homes und nursing homes bestehen (vgl. z.B. Gubrium 1997; Koch-Straube 1997; Lamb 2009), zum anderen ethnografische Forschungen zum Clubbing rar sind (siehe Kapitel 1), und zumal sich das Phänomen des Clubbings als äußerst interessant darstellte, fiel die Entscheidung dahingehend, Senior-Citizens-Clubbing als eine besondere Form von Sozialität weiter zu betrachten. Die Auswahl der Einrichtungen fiel sodann für das gesamte Dissertationsprojekt auf die zwei senior citizens clubs, zu denen der Kontakt bereits geschaffen wurde, und zwar aus drei Gründen: 1. In der ersten Erhebungsphase spielten zunächst pragmatische Gründe eine Rolle: So war der Zugang mithilfe meiner Kontaktperson also schon einmal geschaffen. Da diese Kontaktperson bald keine Zeit mehr für mich hatte und ich sodann auf mich allein gestellt war, erschien es mir schwierig – aus bereits gemachten Erfahrungen; Stichwort: ein einfaches »not interested« –, »auf eigene Faust« noch einmal Zugang zu anderen Clubs zu erhalten. 2. Nach Beendigung der ersten Erhebungsphase und einer intensiveren Beschäftigung mit der Forschungslandschaft zum Thema »Alter und Clubbing« wurde deutlich, dass es sich insgesamt um ein recht unübersichtliches Feld an verschiedenen Organisationsformen handelt, in denen ein Clubbing stattfindet (vgl. z.B. Fitzpatrick/McCabe 2008). So sollte sich in dieser Arbeit explizit auf eine einzige Form des Clubbings konzentriert werden. Beide senior citizens clubs waren geeignet, da sie in Hinsicht auf ihre Rahmenbedingungen vergleichbar waren: Beide Clubs waren selbstorganisiert, d.h., es war keinerlei bezahltes Personal (etwa z.B. Sozialarbei-

31

32

Wanna go Clubbing?

ter) involviert. Beide Clubs hatten etwa die gleiche Mitgliederzahl (ca. 800); beide Clubs waren im städtischen Raum, im Großraum Kuala Lumpur, angesiedelt; beide Clubs hatten eigene Clubhäuser; beide Clubs hatten dieselben Öffnungszeiten (montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr). 3. Nach einer ersten intensiveren Analysephase zeigte sich, dass das erhobene Material bereits recht dicht war. Somit ergab sich für die zweite Erhebungsphase nicht die Notwendigkeit, weitere senior citizens clubs in die Analyse aufnehmen zu müssen, sondern die Studie als Fallanalyse von zwei senior citizens clubs anzulegen und sich vielmehr in der zweiten Erhebungsphase auf Erkenntnisse, Themen und Aspekte dieser Clubs zu konzentrieren, die in der Analyse bereits gewonnen werden konnten.

2.2 »A h , you are observing us «! – D ie E rhebungsme thoden Da es sich bei einer Ethnografie um eine Forschungsstrategie handelt und nicht um eine Methode (vgl. Lüders 2009, S. 393; Amann/Hirschauer 1997, S. 20; Flick 2010, S. 296), muss auch keiner explizit ausgewiesenen methodischen Vorgehensweise gefolgt werden. Flick formuliert: »Die konkrete Definition und Formulierung methodologischer Prinzipien und methodischer Schritte werden der Umsetzung einer generellen Forschungshaltung in das beobachtete – oder allgemeiner: untersuchte – Feld untergeordnet. […] Die Sammlung der Daten wird hier am konsequentesten der Fragestellung und den Gegebenheiten im jeweiligen Feld untergeordnet. Methoden werden auch hier der Praxis nachgeordnet« (Flick 2010, S. 297f.).

In einer Ethnografie können also prinzipiell »alle nur denkbaren und ethisch vertretbaren Optionen der Datengewinnung« (Lüders, zitiert nach Flick 2010, S. 298) eingesetzt werden. Trotz dieser Offenheit liegt der Fokus auf der teilnehmenden Beobachtung, die mit anderen Methoden wie qualitativen Interviews, Gruppendiskussionen, Artefakt- und Dokumentenanalysen sowie quantitativen Verfahren kombiniert wird: »In terms of data collection, ethnography usually involves the researcher participating, overtly or covertly, in people’s daily lives for an extended period of time, watching what happens, listening to what is said, and/or asking questions through informal and formal interviews, collecting documents and artefacts – in fact, gathering whatever data are available to throw light on the issues that are the emerging focus of inquiry. Generally speaking ethnographers draw on a range of sources of data, though they may sometimes rely primarily on one« (Hammersley/Atkinson 2007, S. 3).

2. »What the hell is going on here«?

Amanns/Hirschauers sowie Lüders Formulierungen deuten darüber hinausgehend darauf hin – trotz einer immer wieder betonten Offenheit –, dass sie die teilnehmende Beobachtung nicht nur als gängige Methode einer Ethnografie, sondern vielmehr als notwendige Bedingung einer solchen betrachten, und die teilnehmende Beobachtung schließlich eher durch andere Verfahren ergänzt wird. So Amann/Hirschauer: »Aber auch wenn nur einzelne solcher Abschöpfungsverfahren3 eingesetzt werden, ist das, was sie zur Ethnographie macht, ihre Einbettung in den Kontext einer andauernden teilnehmenden Beobachtung« (Amann/Hirschauer 1997, S. 16). Und Lüders: »Wenn Ethnographen von irgendetwas überzeugt sind, dann von der Annahme, dass die situative Praxis und das lokale Wissen nur durch länger dauernde Teilnahme, ›durch anhaltende Kopräsenz von Beobachter und Geschehen‹ […] einer Analyse zugänglich gemacht werden können« (Lüders 2009, S. 391). Auch in der vorliegenden Arbeit steht die teilnehmende Beobachtung im Fokus und wird durch Interviews sowie die Analyse von Dokumenten ergänzt. Alle drei Erhebungsmethoden bzw. Materialsorten sollen nun im Folgenden zunächst allgemein und schließlich auf das Forschungsprojekt übertragen, dargestellt werden.

2.2.1 Teilnehmende Beobachtung Die beiden Pärchen, Mian und William singen nun abwechselnd chinesische Karaoke-Lieder. Lily ist nun im Haus und hat die Organisation des Karaokesingens übernommen, d.h., sie nimmt die Anmeldungen an und legt die CDs ein. Mian setzt sich zu mir und fragt, ob ich nicht auch etwas singen möchte. […] Ich möchte eigentlich überhaupt nicht und sage, dass ich wirklich überhaupt nicht singen kann. Das sei nicht schlimm, es sei ja hier nicht »competitive«, ja nur zum Spaß. Niemanden würde es stören, wenn es schlecht sei, die ältere Dame, die gerade singe, das sei ja auch nicht so gut. Man müsse halt üben. Ich habe also keine Wahl mehr und entscheide mich dann für »Yesterday« von den Beatles. […] Dann bin ich dran mit singen. Es ist schrecklich, weil das ein Hardcore-Karaoke ist, d.h., es ist nur die instrumentelle Hintergrundmusik zu hören, die Melodie muss man schon selber singen. Ich mache mich also schön peinlich. Als ich fertig bin, klatschen die Älteren aber. Als ich fertig bin, bin ich froh, dass ich meinen Part jetzt erledigt habe, werde aber von Mian gleich wieder genötigt, mir ein neues Lied auszusuchen. Da ich die meisten Lieder auch gar nicht kenne, entscheide ich mich jetzt für »Without you«, auch danach muss ich weiter singen, nach dem dritten Lied ist dann aber Schluss (Protokoll 10.05.2011, Zeile 120-174).

3 | Amann/Hirschauer nennen bspw. Interviewdokumente, Konversationsmitschnitte, Videotakes (vgl. Amann/Hirschauer 1997, S. 16).

33

34

Wanna go Clubbing?

Teilnehmen am Feld mit Haut und Haar, so wurde oben schon darauf hingewiesen, darum geht es. Ja, teilnehmen mit allen Konsequenzen. Das Feld nicht verlassen, obwohl man es eigentlich könnte und so manches Mal auch wollte (vgl. hierzu Goffman 1989, S. 125): »[…] that’s the core of observation«. Teilnehmende Beobachtungen stellen eine Methode dar, deren Kern natürliche Situationen sind, d.h., dass die Situationen, ihre Entstehungen, ihre Bedingungen und ihre Abläufe nicht zu Forschungszwecken arrangiert wurden (wie im Experiment oder auch im Interview) und somit eben auch ohne ein Forschungsvorhaben stattgefunden hätten (vgl. Legewie 1995, S. 189; Bergner 2002, S. 377). Der Forscher nimmt als Beobachter an diesen natürlichen Situationen, d.h. vor allem am Alltag seines Feldes, teil und integriert sich. Lüders spricht gar von einem Sich-Aussetzen, Sich-Anpassen und Sich-Unterwerfen (vgl. Lüders 2009, S. 391) in dessen Ordnungen und Praktiken. Goffman beschreibt dies – wie bereits erwähnt – folgendermaßen: »It [technique of participant observation, C.O.] is one of getting data, it seems to me, by subjecting yourself, your own body and your own personality, and your own social situation, to the set of contingencies that play upon a set of individuals, so that you can physically and ecologically penetrate their circle of response to their social situation, or their work situation, or their ethnic situation, or whatever. So that you are close to them while they are responding to what life does to them. I feel that the way this is done is to not, of course, just listen to what they talk about, but to pick up on their minor grunts and groans as they respond to their situation. When you do that, it seems to me, the standard technique is to try to subject yourself, hopefully, to their life circumstances, which means that although, in fact, you can leave at any time, you act as if you can’t and you try to accept all of the desirable and undesirable things that are a feature of their life. That ›tunes your body up‹ and with your ›tuned-up‹ body and with the ecological right to be close to them […], you are in a position to note their gestural, visual, bodily response to what’s going on around them and you’re empathetic enough – because you’ve been taking the same crap they’ve been taking – to sense what it is that they’re responding to. To me, that’s the core of observation« (Goffman 1989, S. 125f.).

Der Beobachter erlebt so also nicht nur kognitiv, sondern auch leiblich und emotional den Alltag der Menschen (vgl. Rosenthal 2008, S. 109). Adler/Adler dazu: »Although we sometimes think of observation as involving only visual data gathering, this is far from true; all of the senses can also be fully engaged in this endeavour, from smell to hearing, touch, and taste. Observation thus consists of gathering impressions of the surrounding world through all relevant human faculties« (Adler/Adler 1994, S. 378).

2. »What the hell is going on here«?

Unter Beachtung der Aussage Flicks, dass jede Methode bestimmte Perspektiven und Erkenntnisse auf den zu untersuchenden Gegenstand eröffnen bzw. versperren kann (vgl. Flick 1995, S.  433), lassen sich die Potenziale, Stärken und der Gewinn einer teilnehmenden Beobachtung folgendermaßen fassen, wobei diese zumeist in Angrenzung zur Methode der Interviews diskutiert werden. Erstens wird hervorgebracht, dass im Interview jeweilige Wirklichkeitskonstruktionen immer nur mittelbar mitvollzogen werden können. Durch die asynchrone Zeitstruktur von auf der einen Seite eines sich vollziehenden Geschehens (vgl. Bergmann 1985, S.  305; S.  307) sowie eines auf der anderen Seite nachträglichen Rekonstruierens dieses Geschehens handelt es sich im Interview immer um subjektive Deutungen und Interpretationen. Kurz gesagt: Interviews eröffnen die Perspektive von Deutungen, Interpretationen, Meinungen, kognitiven Wissensbeständen über Handlungen und lokale Praktiken der Wirklichkeitskonstruktion. Demgegenüber wird aufgezeigt, dass teilnehmende Beobachtungen Wirklichkeitskonstruktionen unmittelbar erfahrbar und mit vollziehbar machen. Durch eine hier vorherrschende synchrone Zeitstruktur eines sich vollziehenden Geschehens sowie dessen Beobachtung und Wahrnehmung kommen nicht nur Deutungen, Meinungen, Interpretationen, kognitive Wissensbestände über Handlungen und lokale Praxen, sondern vielmehr diese selbst in den Blick (vgl. hierzu Bergmann 1985, S. 305; Hirschauer 2002, S. 37; Lüders 2009, S. 390f.; Cloos/Köngeter/Müller/Thole 2007, S.  36). Zweitens wird argumentiert, dass im Gegensatz zu Interviews auch die »schweigende Dimension des Sozialen« (Hirschauer, zitiert nach Cloos/ Köngeter/Müller/Thole 2007, S.  35), also nicht zu Verbalisierendes, sichtbar gemacht werden kann. Dies sind Materialitäten wie Räume und Raumanordnungen, Sitzordnungen, Kleidung und Artefakte (vgl. Hirschauer 2002, S. 43). Ferner lassen sich dazu Atmosphären, Körperlichkeiten eines Geschehens und Bewegungsmuster zählen (vgl. Cloos/Thole 2005, S.  84). Zudem wird durch Beobachtungen möglich, das nicht zu verbalisierende »tacit knowledge« (Hirschauer 2002, S. 42) der Teilnehmer in den Blick zu bekommen. Dabei handelt es sich um Aspekte des sozialen Handelns, »die gewöhnlich nicht im Modus des diskursiven Bewusstseins verfügbar sind« (Meuser 2006, S.  141) und daher auch nicht in Worte gefasst werden können, da es sich um ein implizites, inkorporiertes Wissen, d.h. um habitualisierte Handlungs- und Kommunikationsmuster, um Routinen und Selbstverständlichkeiten handelt (vgl. Hirschauer 2002, S. 42f.; Cloos/Köngeter/Müller/Thole 2007, S. 35f.; Meuser 2006, S. 140f.; Amann/Hirschauer 1997, S. 24; Rosenthal 2008, S. 106). Für die vorliegende Arbeit bedeutete dies also, an der »natürlichen Situation« des Cluballtags teilzunehmen, die Wirklichkeitskonstruktionen der Clubber unmittelbar zu erfahren, ihre Handlungen und lokale Praxen zu beobachten und auch Räume, Raumordnungen, Kleidungen und Routinen so-

35

36

Wanna go Clubbing?

wie Selbstverständlichkeiten über das Clubbing in den Blick zu nehmen. Beobachtet wurde an insgesamt 49 Tagen, und zwar wann immer möglich von morgens an, wenn der Cluballtag startete, bis zum Ende, wenn alle Clubber den Club verlassen hatten. Die Beobachtungen waren von der Dauer her sehr unterschiedlich, zwischen zwei und acht Stunden. Am Cluballtag teilzunehmen, implizierte dabei zum einen ein »einfaches Herumhängen« im Club und abzuwarten, was passiert, zum anderen aber auch feste Termine und Aktivitäten – BOD-Meeting, karaoke-sessions, cookingevents, health talk, Mandarin class, English class, handicrafts, social night party, pot luk party, line dance, social dance – wahrzunehmen. Im Sinne des theoretischen Samplings, das wie folgt beschrieben wird: »Theoretisches Sampling meint den auf die Generierung von Theorien zielenden Prozeß der Datensammlung, währenddessen der Forscher seine Daten parallel sammelt, kodiert und analysiert sowie darüber entscheidet, welche Daten als nächste erhoben werden sollen und wo sie zu finden sind, um seine Theorie zu entwickeln, während sie emergiert. Dieser Prozeß der Datenerhebung wird durch die im Entstehen begriffene […] Theorie kontrolliert« (Glaser/Strauss, zitiert nach Flick 2010, S. 159),

gestaltete sich der Prozess des Beobachtens in verschiedenen Phasen. Die erste Beobachtungsphase war breit angelegt, noch recht unspezifisch und erfolgte im Sinne Hitzlers nach dem Motto: »[…] a priori im Feld [ist] alles beachtenswert […], weil man erst im Verlauf des Forschungsprozesses erkennen kann, was hier – aus den Relevanzsetzungen der Untersuchten heraus oder diese eben explizit konterkarierend – besonders beachtenswert, deutungs- und erklärungsbedürftig ist« (Hitzler 2006, S. 50). So wurde also erst einmal alles beobachtet, was ging. In der ersten Beobachtungsphase wurde sich an einzelnen Tagen aus dem Feld zurückgezogen, um das Beobachtete »sacken zu lassen«, zu reflektieren und um erste analytische Ideen zu entwickeln. Protokolle wurden nach Hause geschickt und gemeinsam mit Kollegen am Telefon besprochen, auch in Hinsicht darauf, was in dieser ersten Phase noch beobachtet werden sollte, um ein erstes Bild zu bekommen. Nach einer ersten intensiveren Analysephase außerhalb des Feldes wurden u.a. in Interpretationsgruppen weitere analytische Ideen und offene Fragen für die zweite Beobachtungsphase entwickelt. Angesichts eines recht diffusen und spannungsreichen Eindrucks hinsichtlich dessen, wie Clubbing hergestellt wird, bedeutete dies u.a. noch einmal, einzelne Personen hinsichtlich der Frage näher zu beobachten, wie sie ihre Mitgliedschaftsrolle herstellen, wie sie von den anderen Clubmitgliedern hergestellt werden und welche Relevanzen sie setzen. Auch in dieser zweiten Beobachtungsphase wurde sich partiell aus dem Feld zurückgezogen, um weiter zu analysieren. Und auch hier wurden Protokolle nach Hause geschickt, um mit Kollegen gemeinsam weiter zu reflektieren, was noch beobachtet wer-

2. »What the hell is going on here«?

den sollte. Die Erhebungsphasen fanden ihren Abschluss, zum einen aus dem pragmatischen Grund, dass der Forschungsaufenthalt in Kuala Lumpur beendet war, zum anderen stellte sich aber auch der Eindruck einer theoretischen Sättigung ein – neue Daten schienen keine neuen Erkenntnisse mehr zu liefern (vgl. hierzu Flick 2010, S. 284). Hinsichtlich Fragen der Positionierung der Beobachterin im Feld u.a. hinsichtlich ihrer Beobachterrolle (vgl. Legewie 1995, S.  191f.; Adler/Adler 1994, S. 379ff.), sollen hier noch einmal zur Veranschaulichung – neben bereist aufgezeigten Protokollausschnitten wie z.B. dem Karaokesingen (siehe oben) – weitere Protokolleinschübe folgen: Ich verabschiede mich. Die beiden sagen, dann bis morgen und fügen hinzu, dass ich nicht »shy« sein soll morgen, aber John und Mr. Chu »they will take care of you, because you are our guest« (Protokoll 02.11.2012, Zeile 255-257). Dann widmet sich Jack wieder mir und fängt wieder an, zu philosophieren – er will mir, so hat er gesagt, so viel wie möglich über Malaysia beibringen (Protokoll 02.11.2012, Zeile 76-77). Nach der idealtypischen Einteilung Golds (vgl. Flick 2010, S. 283) hat die Beobachterin in einem interaktiven Aushandlungsprozess mit den Beforschten die Rolle der Beobachterin-als-Teilnehmerin eingenommen. So wurde sie auf der einen Seite immer wieder als Gast konzeptioniert, und sie hat diese Rolle auch angenommen, sodass es letztendlich gar nicht möglich war, in die Rolle der Teilnehmerin-als-Beobachterin »hineinzurutschen«. Auf der anderen Seite war es jedoch – so zeigen die oben abgetragenen Protokollausschnitte – für die Clubber bedeutungsvoll, dass die Beobachterin auch wirklich am Clubgeschehen teilgenommen hat45. Ihr selbst war es ebenso wichtig, da sie nur so, wie es Goffman formuliert, »all of the desirable and undesirable things that are a feature of their life« (Goffman 1989, S. 125) erfassen konnte. Dazu gehörte auf der einen Seite, die »desirable things« wahrzunehmen, wie z.B. den Spaß, den der Cluballtag bot, zu erfahren. Auf der anderen Seite implizierte dies aber auch im Hinblick auf die »undesirable things«, wie Goffman ebenfalls formuliert, nicht wegzulaufen, obwohl der Impuls manchmal da war, und z.B. auch Konflikte, in die die Beobachterin ebenso involviert wurde, auszuhalten. Hinsichtlich der Positionierung des Forschers im Feld wird nun weiter formuliert, dass auch seine Identität eine Rolle spielt, da weder er selbst noch das Feld von Momenten seiner Identität abstrahieren können. Aus der Perspektive 4 | Siehe hierzu im Kontext des Feldzugangs Wolff 2009, S. 334ff. 5 | Warum die Teilnahme so bedeutungsvoll war, wird an anderer Stelle diskutiert, vgl. Oppermann 2012.

37

38

Wanna go Clubbing?

des Forschers lässt sich in Anlehnung an Ellis/Adams/Bochner sagen, dass Forschungen eben nicht aus einem neutralen und objektiven Standpunkt aus betrieben werden können (u.a. beeinflusst durch Rasse, Gender, Alter, Klasse, Bildung, Religion) (vgl. Ellis/Adams/Bochner 2010, S, 345f.). Aus der Perspektive des Feldes: »[…] die Ethnographin ist kein ›Mann ohne Eigenschaften‹. Zu ihren hervorstechenden Merkmalen gehört vor allem die besondere Qualität von Fremden, die Beobachtungen anstellen, Notizen machen usw. Aber auch andere Kollektivmitgliedschaften als die in einer forschenden Zunft (wie das Alter, die Ethnizität oder die Geschlechtszugehörigkeit […]) können forschungsrelevant werden, etwa indem sie Forschungsbeziehungen erleichtern oder erschweren. Außerdem gehören persönliche Merkmale zu dem Material, mit dem die Forschungssubjekte sich ein Bild vom Feldforscher machen, d.h. zu ihrer Fremden-Repräsentation […]« (Amann/Hirschauer 1997, S. 25). 6

In diesem Projekt waren Identitätskategorien wie das Alter, die Ethnie und das Geschlecht der Forscherin Momente, die die Forschung erleichterten. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer anderen Generation sowie zu einer anderen Ethnie als die Clubber wurde sie zum einen stets als Unwissende – keine »Ahnung« über senior citizens clubs, keine »Ahnung« über Malaysia – und zum anderen als »Schutzbefohlene« hergestellt, was bedeutete, dass ihr immer besonders viel über die Clubs und Malaysia erklärt wurde und sich die Clubber wirklich rührend um sie kümmerten, und sie so, auch noch nach dem Cluballtag, ausgeführt wurde und allerhand Informationen erhielt. Nun hinsichtlich des Protokollierens ein Einschub: Wie immer gehe ich nach einem Clubtag ins Café. Heute ist es anders als sonst: Als ich eintrete, begrüßen mich eine Frau und ein Mann hinter der Theke mit »Hello Miss Carol«, sagen dann im Chor meine alltägliche Bestel6 | Beispielhaft nennt Scheffer für eine Erschwernis die Kategorie Alter, und zwar für Situationen, wenn Erwachsene Jugendgangs oder Kinderdiscos erforschen wollen (vgl. Scheffer 2002, S. 356); für eine Erleichterung lässt sich mit Silverman beispielhaft auf die Kategorie gender verweisen, zu der er beschreibt: »For instance, Oboler […] reports that her pregnancy increased her rapport with her Kenyan informants, while Warren […] suggests that women fieldworkers can make use of the sexist assumption that only men engage in ›important business‹ by treating their ›invisibility‹ as a resource« (Silverman 2001, S. 59). Neben solch beschriebenen Identitätskategorien verweisen Cloos/Thole zudem auf eine weitere »Eigenschaft« des Forschenden, wie etwa seine Profession. Sie diskutieren beispielsweise die Positionierungen des Forschers durch seine »Doppeleigenschaft« des Forschers sowie des generellen Praktikers eines Feldes (vgl. Cloos/ Thole 2005, S. 87f.).

2. »What the hell is going on here«?

lung auf: »One Americano, one iced water and one ashtray«, und grinsen. Ich muss selber auch lachen, bin aber auch ein bisschen peinlich berührt […], weil ich hier so oft abhänge […]. Was solls. Ich nehme meine drei »items«, setze mich draußen in »meine« Ecke, zünde mir eine Zigarette an und beginne, mein Protokoll für heute zu schreiben (Protokoll 02.11.2012, Zeile 3-9). Dem Protokollieren wird in der Ethnografie – zumeist, denn es gibt auch Stimmen, die das Erstellen von Feldnotizen als »relatively marginal or preliminary activitiy« (Emerson/Fretz/Shaw 2001, S.  355) betrachten – erhebliche Bedeutung und Wichtigkeit zugemessen (vgl. Delamont 2010, S. 213; Lüders 2009, S. 396; Legewie 1995, S. 192), und es wird als »core activity in ethnography and participant observation« (Emerson/Fretz/Shaw 2001, S.  353) charakterisiert. Auch in der vorliegenden Arbeit wurde dem Protokollieren bzw. den Protokollen erhebliche Bedeutung zugemessen. Mit Hirschauer werden die Protokolle hier als Mittel gesehen, um den Leser an der Konstruktion des Clubbings durch die Erfahrungen der Beobachterin teilhaben zu lassen und die Analyse transparent und nachvollziehbar zu machen. So Hirschauer: »Beobachten ist, wenn es anschlussfähige Operationen erzeugen soll, vor allem ein Schreibprozess. Denn Beobachtungen werden nicht einfach als persönliche Erlebnisakkumulationen sozialwissenschaftlich relevant, sondern als Protokolle, die weiterverarbeitet werden, und als dichte Beschreibungen […], die ›weiterleben‹ lassen können« (Hirschauer 2002, S. 40). »Ethnographien müssen Leser an Erfahrungen teilhaben lassen. Und wie man jemand anderen »Erfahrungen machen« lässt, ist weniger ein pädagogisches als ein literarisches Problem. […] Sie [ethnographische Beschreibungen, C.O.] sollen vor allem einen disziplinären Diskurs für ihm fremde Sinn- und Erfahrungszusammenhänge öffnen, indem sie soziologischen Lesern Möglichkeiten der virtuellen Teilnahme an einer geschilderten sozialen Praxis anbieten. Umgekehrt können Ethnographien aber auch jenen Laien, für deren Praxisprobleme sie Informationswert haben, eine Möglichkeit bieten, am soziologischen Diskurs zu partizipieren« (Hirschauer 2002, S. 40).

Dennoch sind, gleichwohl der viel beschworenen Bedeutung von Protokollen, die Fragen danach, wie diese erstellt werden, was sie beinhalten sollen und welche Reichweite sie haben, unbeantwortet. So bleibt es im Großen und Ganzen dem Ethnografen selbst überlassen, wie er mit derartigen Fragen umgeht (vgl. Lüders 2009, S. 398). An dieser Stelle sollen daher der Prozess des Protokollierens, das Wie, und der Inhalt der Protokolle, das Was – Aspekte, die auch immer wieder eine Thematisierung finden (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 142) –, für diese Arbeit diskutiert werden.

39

40

Wanna go Clubbing?

Das Wie: Wie der obige Protokollausschnitt bereits zeigt, wurde für den Prozess des Protokollierens gemäß den Empfehlungen Legewies (vgl. Legewie 1995, S. 192) ein regelrechtes Ritual entwickelt. Nachdem recht schnell deutlich wurde, dass es unangebracht war, noch während der unmittelbaren Beobachtungen bereits Feldnotizen anzufertigen, da dies zum einen zu Irritationen bei den Clubbern führte (Was macht sie da?) und zum anderen häufig Neugier provozierte (Darf ich mal lesen?) (vgl. zu dieser Diskussion Lofland 1979, S. 111f.; Emerson/Fretz/Shaw 2001, S. 356f.), wurde folgendes Ritual entwickelt: Im Feld wurden die sogenannten »Gedächtnis-Notizen« (Lofland 1979, S. 110) angefertigt. Gemäß den Empfehlungen Loflands/Loflands (vgl. Emerson/ Fretz/Shaw 2001, S. 356) wurde sich konzentriert in die Situation versetzt, nun nicht nur zu beobachten, sondern auch so viel wie möglich zu erinnern. Lofland/Lofland dazu: »This act of directing your mind to remember things at a later point may be called making mental notes. You are preparing yourself to be able later to put down on paper what you are now seeing« (Lofland/Lofland, zitiert nach Emerson/Fretz/Shaw 2001, S. 356). Noch am selben Nachmittag oder Abend – bis auf wenige Ausnahmen (zur Diskussion des Zeitpunkts der Anfertigung siehe beispielsweise Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 110ff.) – wurde das Stammcafé aufgesucht, um dort alles aufzuschreiben. Dabei wurde zunächst im Gedächtnis der Tag chronologisch noch einmal durchgegangen, und es wurden allerhand Stichworte hierzu niedergeschrieben. Dann wurde der Tag entlang dieser Stichworte noch einmal ins Gedächtnis gerufen, und es wurden die vollständigen Protokolle angefertigt. Das Was: Die Protokolle beschreiben, so wie es Lofland/Snow/Anderson/ Lofland empfehlen, vornehmlich den chronologischen Ablauf der Clubbingereignisse. Lofland/Snow/Anderson/Lofland dazu: »Of what do fieldnotes consist? Basically, they are more or less chronological log of what is happening to and in the setting and to and in the observer. […] For the most part, fieldnotes are a running description of settings, events, people, things heard and overheard, and interactions among and with people, including conversations« (Lofland/ Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 112).

Wenn auch diese chronologischen Beschreibungen den Hauptbestandteil der Protokolle darstellen, so wurden grafisch davon abgesetzt auch erste analytische Schlagworte sowie vor allem auch persönliche Eindrücke, Gedanken und Gefühle, die als Erkenntnismittel betrachtet werden, in die Protokolle inkludiert (vgl. hierzu Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 114f.; Oppermann 2012).

2. »What the hell is going on here«?

2.2.2 Inter views Die Frage hinsichtlich des Einsatzes von Interviews in der ethnografischen Forschung wird kontrovers diskutiert. Die Skepsis auf der einen Seite kreuzt sich dabei mit den oben bereits genannten Vorteilen der teilnehmenden Beobachtung, wie sie in Abgrenzung zum Interview aufgeführt wurden. Argumentiert wird: Wenn es also darum gehe, die gemeinsamen Wirklichkeitskonstruktionen der Individuen durch die Erfassung von Alltagssituationen und die sie konstituierenden kulturellen Praxen zu rekonstruieren (vgl. Cloos/Köngeter/Müller/Thole 2007, S. 36), könnten Interviews nichts taugen, da sie eben außerhalb einer solchen Alltagssituation nur distanzierte Darstellungen über eine Situation sind, also Rekonstruktionen der Realität, und in der Regel eine erzählte Situation eine andere ist als die erlebte Situation (vgl. Dellwing/Prus 2012, S. 112ff.). Auf der anderen Seite legen Hammersley/Atkinson dar, dass, um die gemeinsamen Konstruktionen von Wirklichkeiten zu verstehen, nicht nur Praktiken, die diese konstituieren, erfasst werden müssen. Vielmehr spielen ebenso auch Bedeutungen, die in diese Konstruktionen verwoben sind und mit denen die Praktiken versehen werden, eine wesentliche Rolle: »It is a central assumption of ethnography that, in order to understand what people are doing and why, one needs to understand the meanings involved […]« (Hammersley/Atkinson 2007, S.  168). Weiterführend lässt sich mit Lofland/Snow/Anderson/Lofland sagen, dass dann auch das gesprochene Wort – und damit meinen sie auch das formelle Interview – eine wesentliche Rolle spielt: »The bulk of analysis in most fieldstudies is based on informants’ talk – and for a good reason. Language is the key to understanding most human interactions as it is the major symbolic system for establishing meaning« (Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 87).

Interviews eröffnen eine spezifische Sichtweise auf den Gegenstand, indem sie die in die Wirklichkeitskonstruktionen eingebetteten subjektiven Perspektiven, Situationsdeutungen und Handlungsmotive (vgl. Hopf 2009, S. 350) zu erfassen vermögen. In der vorliegenden Arbeit wurde die Entscheidung getroffen, Leitfadeninterviews7 durchzuführen, und zwar aus drei Gründen: Zunächst, gemäß 7 | Definieren lassen sich Leitfadeninterviews mit Strübing wie folgt: »Die methodologische Grundidee hinter dem Leitfadeninterview besteht darin, dass das Interview als fast alltägliches Gespräch frei von methodentechnischen Rigiditäten organisiert wird. Die Befragten sollen zu einer ausführlichen Darstellung ihrer Perspektiven und Einschätzungen ermuntert und ihnen soll Gelegenheit zu einer zwanglosen Verknüp-

41

42

Wanna go Clubbing?

der oben getätigten Argumentation, sollten auch die subjektiven Perspektiven, Sichtweisen und Bedeutungen der Clubmitglieder auf ihren Club bzw. auf das Clubbing erfasst werden. Des Weiteren wurden Interviews geführt, um spezifische Informationen zu erhalten, zu denen die Beobachterin keinen unmittelbaren Zugang erhalten konnte, da es sich z.B. um Ereignisse handelte, die während der Beobachtungsphasen nicht stattfanden, aber wesentlich für das Clubgeschehen insgesamt waren (z.B. general annual meeting und die Wahlen). Letztlich wurden die Interviews als Gelegenheit verstanden, bei verschiedenen Themen, die sich aus der Analyse bereits ergeben hatten, noch einmal explizit nachzuhaken. Es wurde sodann ein Leitfaden konstruiert. Diese Konstruktion fand erst zum Ende der zweiten Feldphase hin statt, da sich die Fragen vor allem auch auf Aspekte bezogen, die zum einen eben bis zu diesem Zeitpunkt bereits aus den Beobachtungen und deren ersten Analyse rekonstruiert werden konnten und bei denen zum anderen klar war, dass sie eben nicht durch Beobachtungen mehr zu erfassen sein werden (general annual meeting). Folgender Leitfaden ergab sich dabei: Tabelle 1: Leitfaden für die Leitfadeninterviews Kategorie

Fragen

1. Einstieg in das Interview (Icebreakerfrage, um die Clubmitglieder »ins Reden kommen zu lassen«)

I would like to know more about your life. If you don’t mind I would like you to tell me about your whole life. You could start as early as your childhood!

2. Clubbing 2.1 Einstieg in den Themenbereich »Clubbing«

Imagine I am an elderly friend of yours who doesn’t know anything about this club. What would you tell me to describe the club?

fung von Themen geboten werden« (Strübing 2013, S. 93). Der Leitfaden hat dabei die Aufgabe, zu gewährleisten, »dass alle forschungsrelevanten Themen auch tatsächlich angesprochen werden, bzw. dass eine zumindest rudimentäre Vergleichbarkeit der Interviewergebnisse gewährleistet werden kann« (Schnell/Hill/Esser 2005, S. 387). Der Leitfaden soll dabei so offen gestaltet sein, dass zum einen der Interviewte auch tatsächlich narrativ tätig wird und dass zum anderen auch nicht antizipierte Themen, die sowohl bei dem Interviewten als auch bei dem Interviewer in der Interviewsituation auftauchen, Eingang in das Interview finden können (vgl. Bortz/Döring 2002, S. 315; Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2008, S. 105f.).

2. »What the hell is going on here«? Kategorie

Fragen

2.2 Motivationen

Can you tell me your story how you joined this senior citizens club? Which meaning does the club have for you in your everyday life? What are your responsibilities and tasks in the club? Why did you take over this responsibility? Why do you volunteer? What is your motivation?

2.3 Beziehungen

What is typical when you gather here with other elderly people? Please describe the difference in gathering e.g. with the family. Please think about your own grand-parents and parents ageing. Now think about yourself ageing. Now I would like to read out statement to you: Ageing has changed over time. How would you comment on that statement! Which is the role of the club in this context? Let me read another statement: In Asian culture it is an obligation/duty that grandparents care for their grandchildren. Advantage or disadvantage? Blessing or burden?

2.4 Aktivitäten

A big part of daily club life are the activities here. Do those activities play an important role to you within the club? If yes, why, if no, why?

2.5 Selbstorganisation

My next question: There are different concepts/ ways how to organize senior citizens clubs. A very common approach is to run such a club with staff/social workers who organize the clubs for the elderly. In comparison to such a concept here, you, as the elderly people, organize everything by yourself. What do you think is the strength/big advantage of the self-organized concept? What are the disadvantages?

3. Entwicklungen

When you look back – you are now since several years a member of the club – what has changed over time? Looking into the future: How would you like to move on? What would you like to develop? What would you like to improve?

43

44

Wanna go Clubbing? Kategorie

Fragen

4. Organisation

How is the club financed? Can you describe the process of organizing the activities? How are the different positions (president, vice president, committee members, area representatives) elected? What are the tasks of the different positions (president, vice president, commitee members, area representatives)?

5. »Experimenteller« Zusatz

What is your understanding of »Clubbing«?

6. Abschluss

Now we come to the end of this interview and my very last question is whether you would like to add anything what you think is important for me and what I haven’t asked so far?

2.2.3 Dokumente Bei Ethnografien werden Dokumente in der Regel als weitere bedeutsame Quelle gehandelt, über die die zu untersuchenden sozialen Welten rekonstruiert werden können (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 121ff.; Lofland/Snow/ Anderson/Lofland 2006, S.  88ff.). Gerade in modernen Gesellschaften, so Wolff, nehmen Dokumente »eine prominente Stellung ein. Ein Großteil der für die Gesellschaftsmitglieder relevanten Wirklichkeit wird ihnen in Form von Dokumenten zugänglich« (Wolff 2009¹, S.  502). Ein Grund hierfür ist die Herausbildung der modernen Gesellschaft als Organisationsgesellschaft (vgl. Jäger/Schimank 2005), in der nahezu alle Lebens- und Funktionsbereiche durch formale Organisationen geprägt und durch sie gestaltet werden – und Organisationen wiederum einen wesentlichen Teil ihrer selbst über Dokumente konstruieren. Derartige Dokumente sind dabei keine etwaigen »Fensterscheiben« (Gusfiled, zitiert nach Wolff 2009, S. 504), die einen »glasklaren« Blick auf etwas eröffnen (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 130). Vielmehr sind auch sie Wirklichkeitskonstruktionen ihrer Verfasser und »[fungieren] als institutionalisierte Spuren, d.h., dass aus ihnen legitimerweise Schlussfolgerungen über Aktivitäten, Absichten und Erwägungen ihrer Verfasser bzw. der von ihnen repräsentierten Organisationen gezogen werden können« (Wolff 2009, S. 503). Auch in dieser Arbeit werden Dokumente zur Rekonstruktion des alltäglichen Herstellungsprozesses der senior citizens clubs herangezogen. Als Organisationen (siehe Kapitel 4.1) verfügen sie über mannigfaltige Dokumente – Newsletter, Internetseiten, Jubiläumsbroschüren, Poster, Wahlzettel –, durch die die Organisation konstruiert wird. Sie stellen eine weitere Ebene der Konstruktion der senior citizens clubs dar, die mit den Beobachtungen und

2. »What the hell is going on here«?

Interviews so nicht erfasst werden konnte, was bereits ein wesentliches Ergebnis in dem alltäglichen Herstellungsprozess der hybriden Organisationen der Clubs (siehe Kapitel 4) ist.

2.3 »W hat the hell shall I do here «? – D ie A uswertung Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Ethnografie von Offenheit gekennzeichnet ist. Ist diese Offenheit also Programm, so findet sie sich nicht nur, wie diskutiert, in Bezug auf die Erhebungsmethoden wieder, sondern in der logischen Konsequenz ebenso in Bezug auf die Auswertungsmethoden bzw. das -verfahren: keine festen Daten durch feste Erhebungsmethoden, so auch keine festen Auswertungsmethoden (vgl. hierzu Dellwing/Prus 2012, S.  149; weiterführend S.  151). In der Tat findet sich auch in jenen Beiträgen, die das Thema der Analyse ethnografischen Materials überhaupt aufgreifen – und dies sind nicht allzu viele –, immer wieder der Hinweis, »that there is no formula or recipe for the analysis of ethnographic data« (Hammersley/ Atkinson 2007, S. 158). Oder Lüders dazu: »In diesem Sinn kann festgehalten werden, dass nach wie vor kein Konsens darüber besteht, wie unterschiedliche Daten aufeinander bezogen und wie Feldprotokolle ausgewertet werden« (Lüders 2009, S.  400). Auch in ethnografischen Studien, an deren Beispiel man sich orientieren könnte, ist die Darlegung des Auswertungsverfahrens häufig ein blinder Fleck: »Rarely will you find fieldworkers elaborating in their reports how they did their analysis or arrived at their conclusions« (Lofland/ Snow/Anderson/Snow 2006, S. 196). So bleibt man häufig zunächst mit der Frage »What the hell shall I do here?« zurück.

Erste Analysephase Für die erste intensive Analysephase wurde sich in dieser Arbeit dafür entschieden, Dellwings/Prus’ Empfehlung zunächst zu folgen und mit einem freien und pragmatischen »Mach-Mal« (Dellwing/Prus 2012, S.  11) die Analyse zu beginnen, die sich wie folgt gestaltete: Nach der ersten Feldphase lagen insgesamt sechzehn Protokolle vom Clubleben vor. Sechs der Feldprotokolle wurden im Ganzen Sequenz für Sequenz – wobei eine Sequenz einen Sinnabschnitt darstellte von im Schnitt zehn Zeilen – interpretiert, um ein Gefühl für die Daten zu bekommen, einen Überblick über überhaupt auftauchende Themen zu erhalten und allererste Codes zu entwickeln. Diese Interpretation erfolgte zum Teil allein und zum Teil, worauf großer Wert gelegt wurde, in verschiedenen Interpretationsgruppen (in ihrer Zusammensetzung ganz divers hinsichtlich der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit sozialen Einrichtungen für ältere Menschen sowie mit Ethnografien). Durch die Interpretation in den Gruppen war es möglich, zum einen eine gewisse

45

46

Wanna go Clubbing?

Emergenz in der Generierung und zum anderen einen kritischen Blick in der Überprüfung von Analyseideen nutzen zu können.

Zweite Analysephase Nach der zweiten Feldphase, die wie oben beschrieben fokussierter erfolgte, lagen zusätzlich zu den ersten Protokollen dreiunddreißig weitere Feldprotokolle, neun Transkriptionen von Leitfadeninterviews sowie verschiedene Dokumente (clubeigene Zeitschriften, Newsletter, Wahlzettel) vor. Es ergab sich, für diese zweite Auswertungsphase, eine andere Vorgehensweise in der Analyse zu wählen, da erstens die Analyse nun schon weiter fortgeschritten war – es also keines Gefühls für die Daten oder eines ersten Überblicks mehr bedurfte und zudem bereits erste analytische Ideen entwickelt worden waren – und da zweitens mit einer Vorgehensweise, wie sie für die erste Phase beschrieben wurde, die Datenflut nicht zu bewältigen gewesen wäre. Obwohl, wie beschrieben, in der Literatur immer wieder darauf hingewiesen wird, dass es kein einheitliches, ausgewiesenes Verfahren für die Analyse von ethnografischem Material gibt, finden sich gleichsam jedoch auch in den Schriften immer wieder Hinweise darauf, wie eine Analyse durchgeführt werden könnte. Obwohl dabei auch verschiedene Verfahren vorgestellt werden (vgl. z.B. Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 195ff.), bildet die Schnittstelle stets eine Orientierung an der von Glaser/Strauss entworfenen und von Strauss/Corbin weiterentwickelten Grounded Theory (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 158ff.; Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 200ff.). Sich in pragmatischer Manier an die Grounded Theory anlehnend (vgl. hierzu Flick 2010, S. 386ff.), lässt sich das hier angewendete Auswertungsvorgehen für die zweite Auswertungsphase wie folgt darlegen: Der erste Schritt in der Analyse stellte eine Codierung dar, und zwar für alle Materialsorten zunächst strikt getrennt. Das Material wurde damit erstmals »richtig« aufgebrochen, indem es in seiner Struktur reorganisiert wurde (vgl. hierzu Hammersley/Atkinson 2007, S. 152ff.). Der Prozess der Codierung lässt sich wie folgt beschreiben: Zunächst ging es darum, Codes zu entwickeln. Leitend war die Frage: Wie wird ein Clubbing hier von den älteren und alten Menschen hergestellt? Dabei wurde ein induktives Vorgehen gewählt, was bedeutet, dass die entwickelten Codes »datenbasiert« sind, also nur aus dem Material heraus emergieren. Erste Codes waren beispielsweise »Business machen«, »Charitying«, »Unternehmerische Kultur«, »Fundraising«, »der Senior Executive Manager«, »Offenes Clubben« oder »Schule herstellen«. Schließlich wurden diese Codes nach »Themenähnlichkeit« kategorisiert, sodass neue übergeordnete Codes entwickelt wurden, wie »Finanzierung des Clubs« oder »Mitgliedschaft herstellen«. Das Material wurde noch einmal durchgegangen und weitere Textstellen wurden diesen übergeordneten Codes zugeordnet. Besonders prägnante Textstellen wurden ausführlich ausgearbeitet. Aus den übergeordneten sowie untergeordneten

2. »What the hell is going on here«?

Codes wurde sodann eine Mindmap erstellt, um die Beziehungen der Codes herauszuarbeiten. Codes wurden miteinander kontrastiert. In der Analyse dieser Mindmaps ergab sich als ein Ergebnis, dass dieses zum einen die Merkmale beschrieb, die eine Organisation ausmachen, zum anderen gleichzeitig darin Spannungen, Ambiguitäten sowie Widersprüchlichkeiten verwoben waren, wodurch sich eine der Kernkategorien – doing hybrid organizations – herauskristallisierte. Auf der Basis dieser ersten entwickelten Kernkategorie konnten durch weitere Vergleiche und ein »In-Beziehung-Setzen[…]« (Strauss/Corbin, zitiert nach Flick 2010, S. 395) der weiteren über- und untergeordneten Codes zwei weitere Kernkategorien herausgearbeitet werden: das doing micropolitics sowie das doing boundary work. In einem weiteren Schritt schließlich konnte aus diesen drei Kernkategorien die »Geschichte« (Flick 2010, S. 397) des Senior-Citizens-Clubbings erzählt werden. Auch dieses gesamte Verfahren wurde wieder sowohl allein als auch in Interpretationsgruppen in den altbekannten Zusammensetzungen durchgeführt. Und auch in dieser Phase wurde viel Wert auf dieses doppelte Verfahren gelegt, um so erneut zum einen eine gewisse Emergenz in der Generierung und zum anderen einen kritischen Blick in der Überprüfung von Analyseideen nutzen zu können. Insgesamt muss abschließend gesagt werden, dass die Vorgehensweise in der Analyse als stringenter Prozess in Erscheinung tritt. Dieser Prozess stellte sich jedoch vielmehr als ein Prozess des Suchens und Findens, des Vorwärts und wieder Rückwärts dar. So wurden Codes neu benannt, verworfen oder neu entwickelt. Zunächst zugeordnete Sequenzen wurden wieder aus der Kategorie entfernt, neue Sequenzen wurden hinzugefügt: Es war in der Tat ein durch und durch zirkulärer Prozess.

2.4 »Participant observation provides a lens « – R efle xion Wie bereits in Kapitel 2 beschrieben, trifft die Ethnografie häufig das Urteil des »Unwissenschaftlichen« (Amann/Hirschauer 1997, S.  18), der netten Unterhaltung (vgl. Lüders 2009, S.  388). Eine derartige Haltung beschreibt dabei Stimmen, die eine hartnäckige Orientierung an einem positivistischen Wissenschaftsverständnis sowie in diesem Sinne an quantitativ-standardisierten Methoden aufweisen (vgl. Amann/Hirschauer 1997, S.  8; Hammersley/ Atkinson 2007, S.  5ff.). In dieser Perspektive ist die hohe Involviertheit des Ethnografen in seinem Menschenmut und mit seiner damit einhergehenden Subjektivität ein Problem, oder besser gesagt: das Problem, ethnografischer Forschung: Der Ethnograf ist ein alleiniger Störfaktor (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 5ff.). Probleme, die dabei hervorgebracht werden, belaufen sich auf die Argumentation, Gütekriterien wie Objektivität, Validität und Reliabi-

47

48

Wanna go Clubbing?

lität nicht einhalten zu können. So wird die Objektivität – »unterschiedliche Forscher müssen bei der Untersuchung desselben Sachverhalts mit denselben Methoden zu vergleichbaren Ergebnissen kommen können« (Bortz/Döring 2002, S. 326) – dadurch, dass hier der Ethnograf in hohem Maße involviert ist u.a. mit dem Verweis auf Selektivität vehement infrage gestellt: »At the same time, we concur that all human observations of the world […] are necessarily filtered. Human perception is always human conception: What we ›see‹ is inevitably shaped by the fact that we are languaged; by our spatial, temporal, and social locations (by culture, history, status); by our occupational and various idiosyncratic concerns; and, especially relevant here, by the scolary discipline within which our ›looking‹ takes place« (Lofland/Snow/Anderson/lofland 2006, S. 83).

Auch Validität – ob das gemessen wird, was vorgegeben wird (vgl. Botz/Döring 2002, S. 199) – hier nun u.a. mit dem Verweis auf die Reaktivität, die Beeinflussung des Forschers auf das Geschehen, kann in dieser Perspektive nicht gewährleistet werden. Adler/Adler: »One of the chief criticisms leveled against observational research lies in the area of validity« (Adler/Adler 1994, S.  381). Und schließlich könnten Beobachtungen auch nicht das Güterkriterium der Reliabilität – Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Erhebung (vgl. Bortz/Döring 2002, S. 195ff.) – bedienen. So auch Adler/Adler hierzu: »A second main criticism of observational research suggests that it lacks reliability: without statistical analysis to confirm the significance of observed patterns or trends, researchers cannot ensure that their findings are real and not merely the effects of chance« (Adler/Adler 1994, S. 381). Neben dieser Position, aus der heraus Ethnografien mit ihren teilnehmenden Beobachtungen als wissenschaftliche Methodologie und Methode abgelehnt werden, finden sich auch Positionen, die die Durchführung von Ethnografien zwar propagieren, in ihrer Auffassung von Forschung im Großen und Ganzen jedoch weiterhin oben genanntem Wissenschaftsverständnis verhaftet bleiben (vgl. hierzu beispielsweise Amann/Hirschauer 1997, S. 15). So werden hier Ethnografien zwar auf der einen Seite hochgehalten, auf der anderen Seite aber werden die Subjektivität und damit verbundene Momente wie fehlende Objektivität, Validität, Reliabilität sowie Reaktivität und Selektivität etc. als Probleme und Verzerrungseffekte (vgl. z.B. Adler/Adler 1994, S.  381f.; Lofland/ Snow/Anderson/Lofland 2006, S. 90ff.) – und nicht als Gewinn – diskutiert, die es zu eliminieren gilt. So wird beispielsweise vorgeschlagen, um Validität zu garantieren, ein Team von Forschern, in der Zusammensetzung divers, einzusetzen, um einen »cross-check« (vgl. Adler/Adler 1994, S. 381) der Daten und Interpretationen durchführen zu können (vgl. hierzu und weiterführend Adler/Adler 1994, S.  381; vgl. Lofland/Snow/Anderson/Lofland 2006, S.  93). Um Reliabilität sicherzustellen, so formulieren Adler/Adler:

2. »What the hell is going on here«? »Observations conducted systematically and repeatedly over varying conditions that yield the same findings are more credible than those gathered according to personal patterns. The two variables that particularly warrant varying are time […] and place […], in order to ensure the widest range of observational consistency« (Adler/Adler 1994, S. 381).

Eine weitere Position, im Gegensatz zu eben dargestellten Auffassungen, befreit sich gänzlich von den Ideen abstrakter, naturwissenschaftlich-orientierter Wissenschaft (vgl. Dellwing/Prus 2012, S. 76). Diesem Verständnis wird eine Auffassung von Wissenschaft entgegengesetzt, bei der das Schlagwort »Reflexivität« Einzug erhält. Gemeint ist damit die Einsicht, dass Forscher nun einmal auch Teil der sozialen Welt sind, die sie erforschen, und somit eine etwaige objektive Forschung wohl kaum möglich sei (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 14ff.; Legewie 1995, S. 190f.). Forschung sei damit immer durchzogen vom Menschentum des Forschers: von seinen Werten und Normen (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S.  15), von seinen »Weltanschauungen, Sprech- und Schreibweisen, Bewertungs- und Glaubensformen etc. […], die u.a. resultieren können aus Rasse […], Gender […], Alter […], Klasse […], Bildung […] oder Religion« (Ellis/Adams/Bochner 2010, S. 346). An ein solches Wissenschaftsverständnis ist auch eine besondere Auffassung von Ethnografie anschlussfähig, die die Involviertheit des Ethnografen und sein Menschentum mit seiner Subjektivität in all seinen Facetten vielmehr zur Tugend und zum Programm erhebt: »Participant-observation is the most personal of all sociological research methods, and little can, or should, be done to eliminate the personal element« (Gans 1999, S. 53). Der Forscher in seinem Menschtum mit seiner Subjektivität ist in dieser Perspektive nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig: So bedarf es eines Forschers in seinem Menschtum, eines menschlichen Körpers und eines menschlichen Geistes, da es gerade darum geht, das Feld mit allem, was den menschlichen Körper und Geist ausmacht, aufzunehmen und nur dadurch auch verstehen zu können, denn »der Forscher muss hier […] (auch emotional) möglichst nahe an sein ›Feld‹ heran, um es optimal explorieren zu können […]« (Hitzler 2006, S. 49), oder wie es Scheffer formuliert: »Wir können unter Beobachtung vielmehr alle Formen der Wahrnehmung unter Bedingungen der Co-Präsenz verstehen: also alle Sinneswahrnehmungen, die sich per Teilnahme erschließen […]. Beobachten hieße dann die Nutzung der kompletten Körpersensorik des Forschers: das Riechen, Sehen, Hören und Ertasten sozialer Praxis. Doch das ist noch nicht alles. Auch der soziale Sinn des Forschers, seine Fähigkeit zu verstehen, zu fokussieren, sich vertraut zu machen, fällt in die ihm zugeschriebene Aufnahmekapazität« (Scheffer 2002, S. 353).

49

50

Wanna go Clubbing?

In dieser Perspektive werden die oben kritisierte Selektivität sowie Reaktivität von Störfaktoren zu Tugenden und Gewinnen umgedeutet. So wird jene Selektivität, die durch das menschliche Dasein unweigerlich hervorgebracht wird, zu einem Gewinn, und zwar aus der folgenden Argumentation heraus: So ist es das Menschsein, so sind es die menschlichen Sinne und die menschliche Lernfähigkeit, durch die in der Co-Präsenz komplexe Situationen, komplexe Geschehnisse und komplexe zu untersuchende Gegenstände erst adäquat erfasst werden können. Denn die Komplexität von Situationen wird durch die Selektivität in der Art und Weise adäquat reduziert, indem eben Menschen in der Lage sind, Relevanzen der Teilnehmer »situationssensitiv« (Hirschauer 2002, S. 37) wahrnehmen zu können. So können sie lernen (vgl. Hirschauer 2002, S. 37) und haben ein »Gespür für die Relevanzen« (Scheffer 2002, S. 362): »Die Teilnehmer/Teilnehmerinnen registrieren je nach Position und Involviertheit aufkommende Stimmungen, mitschwingende Untertöne, wechselnde Intensitäten, implizite Spannungen« (Scheffer 2002, S.  362). Daneben wird in dieser Perspektive auch Reaktivität nicht mehr als »Horror« (Hirschauer 2002, S.  37) angesehen, sondern als »Modus Vivendi der Forschung« (Hirschauer 2002, S. 37) bezeichnet. Reaktivität, so Wolff, solle vielmehr »als Zeichen für die Natürlichkeit der Forschung« (Wolff 2005, S. 129) interpretiert und die Reaktionen des Feldes auf den Forscher als Lernchance begriffen werden (Wolff 2005, S. 129). Schließlich bleibt zu fragen, welchen Geltungsanspruch eine in dieser Perspektive gestaltete Ethnografie hat. Hierzu lässt sich in Anlehnung an Dellwing/Prus, Corbin, Bergner und Lüders ausführen: Eine Ethnografie, die in der soeben beschriebenen Perspektive verstanden und gestaltet ist, hat sicherlich nicht den Geltungsanspruch, irgendwelche Wahrheiten, wahre Aussagen, abstrakte Repräsentationen oder etwaige objektive Wirklichkeiten aufzeigen zu wollen (vgl. Dellwing/Prus 2012, S.  166; Lüders 2009, S.  397). Vielmehr muss sich bei einer solchen Ethnografie ins Bewusstsein gerufen werden, dass es sich hierbei vielmehr um ein Konstrukt, und dabei um eine Version, ein Bild, eine Perspektive der Wirklichkeit, handelt: »Die endgültige Arbeit stellt eine mögliche Version des Feldes unter vielen dar: Auch sie ist […] eine Fixierung eines pluralen Universums« (Dellwing/Prus 2012, S. 166). »Das Feld wurde perspektivisch beobachtet und interpretierend dargestellt, hätte immer auch anders dargestellt werden können […]« (Dellwing/Prus 2012, S. 167).

2. »What the hell is going on here«?

Und Corbin: »Participant observation provides a lens that clarifies and mutes, reveals and obscures, but in the end adds one more layer to our understanding of the world around us« (Corbin 2002, S. 106).

Dass es sich dabei eben um eine Konstruktion handelt, bedeutet nicht, so Hammersley/Atkinson und auch Dellwing/Prus, dass es sich dabei nicht um eine Wirklichkeit handelt oder diese Konstruktion irgendwie falsch oder eine reine Erfindung ist (vgl. Hammersley/Atkinson 2007, S. 16; vgl. Dellwing/Prus 2012, S. 166). Diese eine Version, dieses eine Bild, diese eine Perspektive der Wirklichkeit stellt ein Konstrukt dar, das durch den Ethnografen und die Teilnehmer letzten Endes gemeinsam hergestellt wird. Durch die Immersion des Ethnografen, die Beziehung, die aufgebaut wird, und die Relevanzen, die die Teilnehmer dem Ethnografen entgegenbringen und die er wahrnimmt, interpretiert und bearbeitet, kreieren sie gemeinsam jenes Bild von Wirklichkeit (vgl. hierzu Dellwing/Prus 2012, S.  166ff.). So liefern Ethnografien eine weitere Ebene für unser Verständnis der Wirklichkeit um uns herum, das ohne eine solche Arbeit im Dunkeln und unzugänglich geblieben wäre (vgl. Corbin 2002, S. 101; 106). So als Schlusswort für dieses Kapitel: »The challenge remains to think about the work and how we do it, but above all, still to do the work of understanding and presenting various life worlds and their important participants. Just as surely as everyday-life participants negotiate and resolve their uncertainties about their own knowledge and criteria of knowing, so, too, can ethnographers reflect on our purpose at hand and celebrate one of our meaningful activities, that of clarifying the nature, context, process, and consequences of the ways in which human beings define their situation« (Altheide/Johnson, zitiert nach Corbin 2002, S. 106).

51

3. Ein ganz normales Wohnhaus mit wehenden Fahnen

Das Setting

Die hier vorliegende Untersuchung fand in zwei senior citizens clubs statt, die beide im Großraum Kuala Lumpur, jedoch in unterschiedlichen Stadtteilen, lokalisiert sind. Die Clubber sind vornehmlich aus diesen Stadtteilen, vereinzelt kommen die Mitglieder jedoch auch aus weit entfernten Teilen Kuala Lumpurs zu den Clubs. In ihren Selbstrepräsentationen, also auf Internetseiten, in Broschüren und in Newsletters werden die Clubs als Orte konzipiert, die folgende Ziele haben:1 »TAMAN FLULA SENIOR CITIZENS CLUB AIMS AND OBEJCTIVES • To organize activities for the mental, physical and spiritual benefit and well-being of its members. • To tap resources from the wealth of knowledge and experience of Senior Citizens. • To harness their working experiences and utilize their services whenever needed for mutual benefit. • To hold seminars and talks beneficial to Senior Citizens at local and national levels. • To cooperate and exchange ideas with similar registered organizations and bodies in the country for the mutual benefits of members in particular and Senior Citizens in general.

1 | Da das Gesamtkorpus des empirischen Materials zeigt, dass die beiden hier untersuchten Clubs von den Rahmenbedingungen in gleicher Art und Weise in Erscheinung treten, wird sich, wenn es um die Vorstellung und Interpretation empirischen Materials (Dokumente und Beobachtungsprotokolle) in diesem Kapitel geht, vor allem am Club in Taman Flula abgearbeitet, um Doppelungen zu entgehen. Wenn also in einigen Passagen nur auf den Club in Taman Flula rekurriert wird, so steht er jedoch für beide Clubs.

54

Wanna go Clubbing?

• To organize visits, tours and excursions for the promotion of goodwill and understanding. • To provide a place or premise and arrange facilities for members to gather for fellowship to organize healthy recreational activities. • To obtain where possible concessionary privileges from the public and private sectors«. (Taman Flula-Broschüre zum achten Geburtstag des Clubs). Beide Clubs sind gänzlich selbstorganisiert durch die Mitglieder, was heißt, dass keinerlei bezahltes Personal wie Direktoren oder Sozialarbeiter vorhanden sind. Es werden lediglich gelegentlich Lehrer von außerhalb des Clubs engagiert, um z.B. die computer class zu unterrichten. Nichtsdestotrotz sind mannigfaltige formelle Positionen vorhanden – der president, der deputy president, der vice president, der honorary secretary, der assistant president, der honorary treasurer, der assistant treasurer, committee members sowie area representatives –, die alle zwei Jahre von allen Clubmitgliedern neu gewählt werden oder vom committee ernannt werden. Beide Clubs haben geregelte Öffnungszeiten, und zwar von montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr. In beiden Clubs werden ähnliche Aktivitäten angeboten, wie computer class, Mandarin class, English class, line dancing, social dancing, yoga class, karaoke sessions, pot luk partys, social night partys, hobby craft, Chinese painting, thai chi, health talks, ein- und mehrtägige trips, Koch-Events und Verkaufsshows. Neben diesen Aktivitäten engagieren sich die Clubs auch sozialpolitisch. Einer der beiden Clubs z.B. hat ein Forum organisiert, um mit Politikern und Wissenschaftlern über die Zukunft der senior citizens clubs zu diskutieren. Das sozialpolitische Engagement zeigt sich zudem nicht zuletzt darin, dass beide Clubs einer übergeordneten Organisation angehören, die landesweit die Interessen der älteren Bevölkerung Malaysias vertritt. Ferner werden die Clubs als offen für alle Malaysier beschrieben, nichtsdestotrotz sind die club members vor allem die chinesischen, vereinzelt die indischen Malaysier.2 Beide Clubs sind sozusagen »multilingual«: Wer den gleichen chinesischen Dialekt spricht (Hokkien, Kantonese), unterhält sich auch in diesem. Da jedoch viele verschiedene chinesische Dialekte gesprochen werden, die auch die indischen Clubmitglieder nicht beherrschen, ist die »lingua franca« englisch, was die meisten der Älteren, aus der britischen Kolonialzeit begründet, sehr gut beherrschen. Insgesamt haben beide Clubs ca. 800 Mitglieder, die in »Vollmitglieder« (ab 50 Jahren) und »assoziierte Mitglieder« 2 | Malaysia wird als ein multiethnisches und multireligiöses Land beschrieben, dessen Bevölkerung sich zu 68,6 % aus Malaien und verwandte Bevölkerungsgruppen/Ureinwohner, zu 23,4 % aus chinesisch-stämmigen Malaysiern und zu 7 % aus indischstämmigen Malaysiern zusammensetzt (vgl. www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/ Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Malaysia_node.html).

3. Ein ganz normales Wohnhaus mit wehenden Fahnen

(unter 50 Jahren) unterteilt werden. Die Vollmitglieder stellen die Mehrheit der Clubmitglieder, insgesamt lässt sich damit jedoch sagen, dass das Altersspektrum der Clubber von unter 50 Jahren bis über 90 Jahre reicht. Die Mitgliedschaft erfordert eine jährliche Beitragszahlung von 12 Ringgit (ca. 3 Euro). Die senior citizens clubs bestehen nicht nur aus den Menschen allein, sozusagen als irgendwie verbundene Gemeinschaft unabhängig vom Raum, sondern die Clubs haben ebenso eine physische Gestalt. Wenn mit Löw argumentiert werden kann, dass Räume als dynamische Gebilde aufzufassen sind, als soziologische Gegenstände, die eben in »komplexen sozialen Prozesse[…] [n] […] entstehen oder reproduziert (bisweilen auch verändert) werden« (Löw 2001, S. 13), so ist davon auszugehen, dass eben auch der Raum etwas über die sozialen Praktiken des Clubbings mitteilen kann (vgl. Schulz 2009, S. 96). Zunächst nun den Raum des Clubs, das Clubgelände von außen betrachtend: Das gesamte Clubareal befindet sich in einem normalen Wohnviertel, in dem Mittelklasse-Reihenhäuser stehen. Das Clubareal befindet sich an einer Ecke. Zu zwei Seiten hin grenzt es an andere Reihenhäuser, zu einer Seite an die Straße, die in das Wohnviertel hineinführt, und zur anderen Straße an eine Straße des Wohnviertels, die parallel zu einer viel befahrenen Straße liegt. Das gesamte Clubareal ist von einem Zaun umgeben und noch einmal von einem Beet von Pflanzen. Zur Straße hin zeigt ein großes Schild mit einem Logo von MAFEP3 sowie in Malai, Englisch, in chinesischen sowie »indischen« Schriftzeichen die Erklärung, um welche Überorganisation es sich hier handelt. Unter dem Logo von MAFEP befindet sich das Logo vom senior citizens club Taman Flula sowie daneben wieder in Malai etwas, in Englisch: MAFEP DAY CENTER FOR THE ELDERLY, darunter chinesische Schriftzeichen. Unter den Logos und den Schriftzeichen steht dann noch einmal: auf Malai: KELAB WARGA EMAS: TAMAN FLULA, dann ein Stern und auf Englisch: SENIOR CITIZENS CLUB TAMAN FLULA. Über dem Schild wehen zwei Fahnen: die Fahne Malaysias sowie die Fahne des Staates. Um auf das Clubareal zu gelangen, muss man durch ein Tor gehen, das eigentlich immer geschlossen ist. Das Tor hat zwei Türen; die eine Tür schließt Mr. Smith immer ab, wenn er zur Mittagspause geht, und öffnet dann die andere Tür (Protokoll 06.11.2012, Zeile 12-26). Die Räume des senior citizens clubs Taman Flula befinden sich in einer Art Reihenhaussiedlung im Stadtteil Taman Flula. Das Clubareal befindet sich auf 3 | MAFEP wird hier als anonymisierte Bezeichnung verwendet und steht für eine nationale Organisation, die landesweit die Interessen der älteren Bevölkerung Malaysias vertritt und mit der viele der senior citizens clubs assoziiert sind.

55

56

Wanna go Clubbing?

einem Eckgrundstück und liegt daher zu zwei Seiten an öffentlichen Straßen, wobei eine Parallelstraße zu einer der Club umgebenden Straße eine viel befahrene Hauptstraße ist. Aus dem Protokoll ist zu interpretieren, dass der Raum des Clubs auf der einen Seite zunächst als ein abgeschlossener sowie eingegrenzter und privater Raum konstruiert wird. Als abgeschlossen, eingegrenzt und privat tritt er zum einen durch Elemente wie den Zaun, das Beet von Pflanzen, das Tor und die zwei Türen in Erscheinung. Es ist kein Raum, wie beispielsweise eine Shopping Mall, eine Universität oder ein Krankenhaus, der der Öffentlichkeit bzw. der Allgemeinheit ohne Weiteres frei zugänglich wäre. Vielmehr bilden der Zaun und das Beet eine Grenze, die einen Raum in zwei Räume, den öffentlichen Raum der Straßen im Wohngebiet und den privaten Raum des Clubs, teilt. Diese Grenze wird nur durch ein Tor mit zwei Türen durchlässig, wobei auch ein »Wächter« bzw. »Schließer« des Durchgangs, Mr. Smith, identifizierbar wird. Die Assoziation zu einem abgeschlossenen, eingegrenzten sowie privaten Raum wird zudem dadurch hergestellt, dass der Club nicht in einem bereits von seiner Architektonik her öffentlich markierten Gebäude untergebracht ist, sondern vielmehr in einem Reihenhaus, in einem normalen Wohnhaus, womit gleichsam bestimmte Werte wie Privatheit, Intimität, Heimeligkeit, Alltag, Vertrautheit, Schutz, Ruhe, Familie, Geborgenheit transportiert werden. Ferner wird über die spezielle Form des Wohnhauses – es handelt sich eben um ein Reihenhaus – deutlich gemacht, dass Clubbing nicht als etwas Exklusives hergestellt wird, sondern vielmehr mit Bodenständigkeit und einer bestimmten Schicht, der Mittelklasse, verbunden wird. Wird das Clubareal also auf der einen Seite als ein solch abgeschlossener, eingegrenzter sowie privater Raum hergestellt, so werden diese Attribute jedoch auf der anderen Seite auch gleichsam wieder aufgelöst und der Raum tritt ebenso als offener, durchlässiger und öffentlicher Raum in Erscheinung, und zwar aus der folgenden Argumentation heraus: Zum einen sind die Grenzen, die soeben beschrieben wurden, auf der einen Seite zwar präsent, aber auf der anderen Seite leicht zu überwinden. Selbst »Fremde«, wie die Beobachterin bei ihrem ersten Besuch, können das Clubgelände einfach betreten: »Am Club angekommen, ist dieser schon geöffnet. Ich öffne das Tor zum Grundstück und trete einfach ein« (Protokoll 22.10.2012, Zeile 20-21). Anders als bei einem gänzlich privaten Raum bedarf es hier nicht eines Klingelns oder Klopfens, um Einlass zu erhalten, und auch anders als bei einem gänzlich privaten Raum wundert sich im Allgemeinen niemand, wenn auch »Fremde« mit einem Anliegen das Clubareal betreten. Daneben wird das Clubareal bereits auch von außen als different zu den anderen Räumen in dieser Siedlung markiert, und es wird verdeutlicht, dass es sich hierbei nicht um ein privates Wohnarrangement handelt. Diese Markierung erfolgt durch die wehenden Fahnen Malaysias und des Staates sowie ein großes Schild. Damit macht sich der Club hier

3. Ein ganz normales Wohnhaus mit wehenden Fahnen

als Organisation erkennbar und das gesamte Areal wird als ebenso öffentlich markiert. Dem Betrachter fallen dabei zunächst die beiden bildlichen Elemente, die Logos, ins Auge, die verdeutlichen, dass es sich um eine Organisation handelt. Neben den Bildelementen wird auf vier verschiedenen Sprachen – malai, englisch, chinesisch und »indisch« als die vier gebräuchlichsten Sprachen Malaysias – eine Präzision der Organisationen vorgenommen, die diese Räumlichkeiten beherbergen. Das Schild befindet sich zwar auf dem Clubgelände, allerdings so positioniert, dass es von dort aus nicht erkennbar ist. Vielmehr zeigt das Schild auf die Straße, einen öffentlichen Raum, sodass die Funktion dieses Schildes dahingehend zu interpretieren ist, dass eben nach außen hin dieses Setting vorgestellt wird. Es kann damit nicht nur als Markierung als Organisation und als öffentlicher Raum verstanden werden, sondern zugleich auch als Werbung, um sich auch nach außen hin sichtbar zu machen und auch Interessenten anzusprechen. Festhalten lässt sich also, dass die Konstruktion des Raumes hier zwischen den Polen von Geschlossenheit, Begrenztheit und Privatheit auf der einen Seite und von Offenheit, Durchlässigkeit und Öffentlichkeit auf der anderen Seite oszilliert. Nun den Raum des Clubs von innen betrachtend:

Abb. 1: Grundriss des Senior Citizens Clubs Taman Flula, eigene Darstellung

57

58

Wanna go Clubbing?

Abb. 2: Grundriss des Senior Citizens Clubs Taman Ampola, eigene Darstellung Die Grundrisse zeigen, dass beide Clubareale ähnlich aufgebaut sind. Das Außengelände stellen bei beiden Clubs zunächst ein Vorhof und ein größerer Hof, den die Beobachterin stets als Haupthof charakterisiert, dar. Der Vorhof ist in beiden Clubs als »Informationshof« konzipiert und besteht aus einer Fülle an Informationstafeln, Schildern und Zetteln – fast schon überladen –, wobei die hier angebotenen Informationen recht »durcheinandergehen« und keine rechte Systematik auszumachen ist: Es gibt noch einmal allerlei Logos sowie damit einhergehend Präzisierungen, in welcher Organisation man sich befindet, Clubregeln (Rauchen verboten, Parken vor dem Clubgelände verboten) sowie Clubregelungen (keine Aktivitäten an Feiertagen) werden kundgetan. Daneben sind allerlei »clubexterne« Informationen ausgelegt, wie Broschüren zu Verkehrsmitteln in Kuala Lumpur, zu Einbruchssicherheit, zu Kliniken in der Gegend, zur Universität, Zeitungsartikel etc. Zudem finden sich viele »clubinterne« Informationen zu aktuellen Aktivitäten und die Ankündigungen zu special events wie Reisen oder die cooking demonstration. Daneben liegen aktuelle Tageszeitungen aus. Da weiter unten ein Protokollausschnitt zur Herstellung des Haupthofes exemplarisch für die Konstruktion des Raums »Club«

3. Ein ganz normales Wohnhaus mit wehenden Fahnen

interpretiert werden soll, wird an dieser deskriptiven Stelle direkt ins Haus geblickt. Auch das Clubhaus ist in beiden Clubs ähnlich aufgebaut. Im Club in Taman Flula besteht das Haus im Erdgeschoss aus einem kleinen Büro, einer Küche, einem Toilettenraum, einem abgegrenzten Stauraum und einem großen Raum, in dem ein Schreibtisch sowie weitere Tische mit Stühlen stehen. Auch hier sind die Wände von allerlei Informationen, zumeist zu den Aktivitäten, gespickt. Im Obergeschoss befinden sich ein Computer- und ein Karaokeraum. Im Club in Taman Ampola befinden sich im Erdgeschoss ebenfalls eine Küche, Toilettenräume, ein Karaokeraum sowie ein kleines Abstellzimmer, in dem der caretaker wohnt. Daneben gibt es ebenso einen großen Raum, in dem ein Schreibtisch, ein Klavier, zwei kleine Sofas und allerlei gestapelte Stühle stehen. Dies scheinen nun zunächst wenige Beschreibungen für zwei Clubhäuser zu sein – was jedoch bereits etwas über das Clubbing als Form von Sozialität aussagt, wie sich weitergehend aus dem folgenden Protokollausschnitt über den Haupthof herausinterpretieren lässt, der eine ähnliche Qualität wie die Beschreibung des Inneren der Clubhäuser ausweist: Dann gibt es sozusagen den Haupthof. Auf dem Haupthof stehen immer verteilt drei Tische, manchmal mit Stühlen, manchmal auch nicht. Entlang der Hauswand, die zu diesem Hof zeigt, ist eine Art Abstellzone eingerichtet, die bis zur hinteren Eingangstür reicht. Am vorderen Teil an der Wand ist noch einmal eine Infotafel mit der Überschrift: »News Bulletin«. Hier hängen Zeitungsartikel, z.B. der Zeitungsartikel, der an der »ersten« Infotafel hing, über die Info, dass in Minanga eine neue Klinik aufgemacht hat, hängt nun hier. Neben der Infotafel hängt golden eingerahmt ein Zeitungsartikel, ein Interview mit dem Präsidenten von MAFEP, mit dem großen Titel »Never too old to learn«. Abgestellt sind hier: 4 lederne Sessel, die mit Decken abgedeckt sind; der Karaokeschrank auf Rollen, der immer verschlossen ist, zahlreiche zusammengeklappte Klapptische, zahlreiche gestapelte Plastikstühle und Plastikhocker, ein Tisch, zwei große aircons auf Rädern, die abgedeckt sind. Alles wird je nach Bedarf (z.B. wie am Samstag bei der großen Geburtstagsparty oder zur Handicraftklasse) aufgebaut. Am hinteren Ende dieser Abstellzone befindet sich ein zweiter Eingang in das Haus, in die Küche (ein Hintereingang). Rechteckig zu dieser Eingangstür sind zwei Klos. Der Raum, zwischen den Klos und dem Zaun ist wieder Stauraum. Hier stehen drei Tische, zwei Trimmgeräte und eine zusammengeklappte Tischtennisplatte. Zudem ist ein Plakat aufgestellt, das wieder das Clublogo zeigt sowie in den drei Sprachen (malai, chinesisch, indisch) den Schriftzug: SENIOR CITIZENS CLUB: TAMAN FLULA (Protokoll 06.11.2012, Zeile 87-103).

59

60

Wanna go Clubbing?

Ein weiterer Raum im Club ist der Haupthof, also, nach Wahrnehmung der Beobachterin, der wichtigste Hof im Club, auf dem die meisten Interaktionen und Clubbing stattzufinden scheinen. Betrachtet man den Protokollauszug, so tritt der Raum auf der einen Seite zunächst einmal als recht leerer und undefinierter Raum in Erscheinung, der wenige Nutzungsvorschläge (vgl. Schulz 2009) macht. Einzig und allein die drei Tische, manchmal mit Stühlen geben den Hinweis, dass einer räumlichen Anordnung nach hier zusammen am Tisch in der Gruppe gesessen werden kann. Allerdings scheint diese Komposition kein festes Nutzungsarrangement zu sein, denn Stühle um die Tische sind auch nur manchmal da. Auf der anderen Seite haben große Teile des Raums sehr wohl eine definierte Funktion, sie sind Abstellzone und Stauraum. So sind hier Gegenstände zu finden, die zum einen für den unmittelbaren Moment nicht gebraucht werden und die nicht in Benutzung sind – sie sind abgestellt, abgedeckt, verschlossen, zusammengeklappt, gestapelt. Zum anderen ist den beschriebenen Gegenständen inhärent, dass sie auf eine mobile Nutzung ausgelegt sind und jederzeit in Gebrauch genommen werden können. So ist kein irgendwie massives Mobiliar zu finden, sondern vielmehr Klapptische, zahlreiche gestapelte Plastikstühle und Plastikhocker, Karaokeschrank auf Rollen, aircons auf Rädern. In der Zusammenschau erstens der Einschätzung der Beobachterin, dass es sich um den wichtigsten Hof handelt, zweitens der Leere, drittens all des mobilen Mobiliars sowie viertens der Aussage im Protokoll Alles wird je nach Bedarf (z.B. wie am Samstag bei der großen Geburtstagsparty oder zur Handicraftklasse) aufgebaut, lässt sich interpretieren, dass der Haupthof in der Tat keine vorgegebene oder feste Funktion hat. Vielmehr ist der Haupthof ein wandelbarer Raum, der je nach Bedarf gestaltet wird und es somit erlaubt, unterschiedliche Settings herzustellen. Neben dieser Interpretation sind des Weiteren die erwähnten Artefakte – der golden eingerahmte Zeitungsartikel, ein Interview mit dem Präsidenten von MAFEP, mit dem großen Titel »Never too old to learn« sowie das Plakat […], das wiederum das Clublogo zeigt sowie in den drei Sprachen (malai, chinesisch, indisch) den Schriftzug: SENIOR CITIZENS CLUB: TAMAN FLULA– von Interesse. Betrachtet man zunächst den Zeitungsartikel im goldenen Rahmen, so verweist Letzterer darauf, dass hier etwas, der Zeitungsartikel, als wertvoll erachtet wird und man stolz darauf ist. Es wird hier etwas, was eigentlich flüchtig ist, ein Zeitungsartikel, festgehalten. Der Zeitungsartikel im goldenen Rahmen mit dem großen Titel »Never too old to learn« erscheint damit als wertvolles, langfristiges, zu bewahrendes Motto, das hier den Haupthof bzw. die Interaktionen auf dem Haupthof markiert. Das zweite Artefakt, das Plakat, ist insofern interessant, als es wiederum, also erneut, das Clublogo zeigt; das Clublogo erscheint also immer wieder – nicht nur nach außen, sondern auch nach innen hin – bedeutsam, um diesen Raum als senior citizens club zu markieren.

4. Everything is possible!

Clubbing = Doing Hybrid Organizations

Dann ergreift Alexander wieder das Mikrophon und ruft hinein: »Do you want to sweat? Do you want to sweat? Ok, Rock ’n’ Roll!« (Protokoll 24.11.2012, Zeile 186-188). I don’t go direct to the bottom level. Right? Otherwise, why do I have a, assistant manager if you don’t give the responsibility? […] If somebody’s working under you, give the full authority (Interview Mr. Chu, Zeile 406-414). Die Lehrerin ist ziemlich streng mit ihren Schülern, besonders mit dem Herrn, der allein an dem Tisch sitzt. Er schaut bspw. etwas in einem dictionary nach, die Lehrerin sagt zu ihm, was er denn da nachschaue, er solle nichts nachschauen: »You have to listen to me«! […] Dann sagt sie zu ihm: »I am coming to you, so that you can understand also.« Dabei schüttelt sie immer wieder den Kopf, wenn er etwas sagt oder schreibt. Der Mann lacht verlegen (Protokoll 12.05.2011, Zeile 37-44). Isabella, die mir letztes Mal erzählt hat, dass sie 52 Jahre alt ist, hat ein Foto dabei, das sie selber zeigt. Es ist ein Porträtfoto von ihr; sie trägt auf dem Foto eine große Sonnenbrille, lächelt in die Kamera und macht das Peacezeichen dabei. Sie zeigt es am Tisch herum und sagt dann dazu, dass sie es hier im Club auf hängen wolle mit dem Untertitel: Looking for boy-friend. Alle lachen (Protokoll 02.11.2012, Zeile 150-154). Da reicht es Mr. Chu und er »brüllt« ins Mikrophon, dass wenn einer hier vorne rede, die anderen nicht reden sollten, und sofort ist Stille, aber nicht für lange, dann unterhält man sich – nun allerdings leiser – weiter (Protokoll 03.11.2012, Zeile 73-76). Nachdem ich ihm berichtet habe, warum ich hier bin, stellt er sich genauer vor: Er gehört zum Headquarter von MAFEP und ist dort der development

62

Wanna go Clubbing?

officer. Er fahre durch die verschiedenen Clubs und schaue, ob alles in Ordnung sei oder ob es Beschwerden gebe (Protokoll 24.05.2011, Zeile 21-23). Diese Szenen und Interviewpassagen stellen Ausschnitte aus dem ethnografischen Gesamtkorpus dar – und irgendwie drängt sich dabei, nach einem ersten Lesen, die Frage auf: Wo befindet man sich eigentlich? Tatsächlich in einem senior citizens club? In einer Schule? Nein, ist hier doch von einem Herrn die Rede. In einem Jugendfreizeitheim? Irgendwie auch nicht, denn Isabella ist ja auch schon 52 Jahre alt. In einer Disco? Irgendwie ja, aber wir sind ja auch irgendwie in einer Form von Schule. In irgendeiner Form von Arbeitsorganisation? Wie passt das dann mit der Disco zusammen? Vielleicht sogar beim Militär? Was sagen die auf den ersten Blick zu konstatierenden Heterogenitäten, Uneinheitlichkeiten, Ambiguitäten, Spannungen und Brüche darüber aus, wie Senior-Citizens-Clubbing als eine besondere Form von Sozialität hergestellt wird?

4.1 D oing O rganiz ations Um also diesen Heterogenitäten, Uneinheitlichkeiten, Ambiguitäten, Spannungen und Brüchen weiterhin auf die Spur zu kommen, soll in einem ersten Schritt gefragt werden, welche Form von Vereinigung die senior citizens clubs eigentlich einnehmen. Dafür eine Aufzählung: Rotary Club, Personal Trainer Club, Esprit Club, Chelsea Football Club, Film Club, City Car Club, Gentlemen’s Club, Lions Club, Flat Club, 1. FC Nürnberg, Senior Citizens Club, WEB. DE Club, Klub 27, Robinson Club, Garden Club of America, Club de Fútbol América S.A. de C.V., Club der Hunderter, Club Voltaire – Clubs, Clubs, Clubs. Diese zugegebenermaßen sehr kurze Liste an weltweit existierenden Clubs ließe sich, so scheint es, ins nahezu Unendliche fortsetzen. Zunächst einmal, etymologisch gesehen, geht das englische Wort club, das eigentlich »Keule« bedeutet, auf das altnordische klubba (Knäuel, Knüppel) zurück. »Das vom Substantiv abgeleitete Verb engl. to club ›zu einer (rundlichen) Einheit, Masse formen‹ entwickelt sich zu ›vereinigen, sich zusammentun‹, woraus das Substantiv die Bedeutung ›Vereinigung, Verein‹ bezieht«.1 Und so – so zeigen es auch die oben aufgeführten Beispiele – steht die Bezeichnung Club heute ganz allgemein für allerlei unterschiedliche Vereinigungen von Menschen, die ganz verschiedene Formen und Gestalten annehmen und somit auch unterschiedlich hergestellt werden, nämlich als Gruppen, Teams, Netzwerke, imaginierte Gemeinschaften oder Organisationen.

1 | www.dwds.de/?qu=Klub.

4. Everything is possible!

Fragt man in einem ersten Schritt danach, welche Form die hier untersuchten senior citizens clubs annehmen, so lassen sich diese eindeutig als Organisationen bestimmen. Denn, so zeigt das empirische Material, werden die wesentlichen und klassischen Merkmale, die eine Organisation als solche erkennbar machen und diese von anderen Vereinigungen und Zusammenschlüssen, wie etwa Gruppen, Netzwerke, soziale Bewegungen oder gesellschaftliche Teilsysteme, unterscheiden, immer wieder verhandelt: Zwecke, Hierarchien, Mitgliedschaften und Ressourcen (vgl. Strodtholz/Kühl 2002, S.  11; Kette 2012, S. 26). Ergo zum Ersten: Fragt man nach dem alltäglichen Herstellungsprozess der senior citizens clubs, so lässt sich in einem ersten Schritt Senior-Citizens-Clubbing als doing organization, im Sinne eines permanenten und fortlaufenden sozialen Herstellungsprozesses einer Organisation2, beschreiben. Im Folgenden sollen daher die Ebenen von Mitgliedschaft, Hierarchie und Finanzierung näher angeschaut werden, um darüber in einem zweiten Schritt rekonstruieren zu können, was für eine Form von Organisation die Clubber alltäglich herstellen.3 Anders ausgedrückt: Es wird betrachtet, welche Form von sozialer Ordnung4 in den Organisationen hergestellt wird.

4.2 »E verybody is a member here « – M itgliedschaf t im C lub Bereits das Zitat »Everybody is a member here« (Protokoll 12.05.2011, Zeile 27) weist darauf hin, dass Mitgliedschaft für die Herstellung der senior citizens clubs eine wesentliche Rolle spielt. Und so stellt Mitgliedschaft auch eine Kategorie dar, die im empirischen Material immer wieder auftaucht. 2 | In Anlehnung an das »Doing-Gender«-Konzept (vgl. hierzu beispielsweise Gildemeister 2010). 3 | Die Ebene von Zwecken und Zielen wird hier nicht weiter diskutiert. Die senior citizens clubs formulieren für sich ihre formellen Ziele und Zwecke der Organisation, wie in Kapitel 3 dargestellt. Wie in den folgenden Analysen zu sehen sein wird, verfolgen die Mitglieder ergänzend zu den offiziell formulierten Zielen eine Reihe weiterer individueller Ziele. Die Rekonstruktion der je individuellen Ziele geht jedoch in der Rekonstruktion der Mitgliedschaftsrollen auf und muss daher nicht noch einmal in einem weiteren Kapitel diskutiert werden. 4 | Das Konzept einer sozialen Ordnung wird hier in Anlehnung an Strauss verstanden. Rüb/Platzer/Müller hierzu: »Strauss definiert soziale Ordnung als sehr offen ›as referring to the larger lineaments of groups, organizations, societies and international orders that yield the structural conditions under which negotiations of particular kinds are or are not initiated by or forced on actors‹« (Strauss, zitiert nach Rüb/Platzer/Müller 2011, S. 39).

63

64

Wanna go Clubbing?

In der Materialsorte Dokument, einem souvenir magazine anlässlich des achten Geburtstags des senior citizens clubs Taman Flula, wird die Kategorie Mitgliedschaft zunächst auf einer formellen Ebene hergestellt: »MEMBERSHIP Ordinary Membership All Malaysian Citizens 50 years of age and above residing in Taman Flula and the surrounding areas are eligible to become members with full voting rights. Honorary Membership Honorary membership may be bestowed upon any persons who in the opinion of the Board have contributed exemplary service to the community or the Senior Citizens Club of Taman Flula. Life Membership Anyone eligible for ordinary membership and pays RM 100 plus the entrance fee of RM 10 becomes a Life Member with full voting rights. Associate Membership All Malaysian Citizens below 50 years of age residing in Taman Flula and the sourrounding areas are eligible to become associate members but without full voting rights. Every applicant for membership shall send in an application in the form approved by the Board of Management. Applications for membership may be rejected without assigning any reasons«. ENTRANCE FEES; SUBSCRIPTION AND OTHER DUES For ordinary members as well as Associate Members, the registration fee and annual subscription payable shall be as follows: Entrance fee RM 10.00 Annual Subscription RM 12.00 per calender year effective from 1st January each year […]. (Broschüre zum 8th Anniversary Dinner Senior Citizens Club Taman Flula 2005). Unter der Überschrift MEMBERSHIP wird im Magazin Mitgliedschaft auf einer formellen Ebene hervorgebracht. Dabei lässt sich zunächst einmal sagen, dass allgemein die Tatsache, dass überhaupt Modalitäten einer Mitgliedschaft in jenem Magazin verhandelt werden, anzeigt, dass der Zugang zum senior citizens club eine formelle Mitgliedschaft erfordert. Ferner wird dadurch deutlich, dass in dem Magazin der Club nur sehr knapp, im Überblick und in seinen wichtigsten Elementen vorgestellt werden kann und Mitgliedschaft hiervon

4. Everything is possible!

eine Komponente ist, Mitgliedschaft eben als ein wichtiges und konstitutives Element des senior citizens clubs zu werten ist. Eine Mitgliedschaft geht mit einer finanziellen Beitragszahlung einher (ordinary members + associated members: entrance fee RM 10.00 + annual subscription RM 12.00; life members: entrance fee RM 10.00 + RM 100). Dieser Betrag von RM 12 pro Jahr (umgerechnet ca. 3 Euro) ist jedoch sehr gering gewählt, sodass diese Zahlung als symbolischer Beitrag (1 Ringgit/Monat) zu werten ist, der jedoch verdeutlicht, dass es sich hierbei grundsätzlich um kein gänzlich offenes, unverbindliches und gänzlich kostenloses Angebot handelt, sondern jedes Mitglied vielmehr einen Beitrag, wenn auch nur einen kleinen, zum Club zu leisten hat. Daneben wird verdeutlicht, dass, um Zugang zum Club zu erhalten, ein offizielles Anmeldeverfahren zu durchlaufen ist (Every applicant for membership shall send in an application in the form approved by the Board of Management). Um Mitglied zu werden, muss also zunächst ein Antrag auf Mitgliedschaft mit einem offiziellen Formular gestellt werden, woraufhin eine nicht weiter definierte Entität über dieses Gesuch entscheidet und eine Mitgliedschaft entweder ge- oder verwehren kann, wobei die möglichen Gründe für eine potenzielle Verwehrung hier weder allgemein definiert werden noch im konkreten Fall offengelegt werden müssen (Applications for membership may be rejected without assigning any reasons). Bei den oben abgetragenen Beschreibungen unter der Überschrift MEMBERSHIP fällt des Weiteren auf, dass Mitgliedschaft nicht als eine einzige universale und einheitliche Kategorie hergestellt wird, sondern verschiedene Formen von Mitgliedschaft hervorgebracht werden. Diese verschiedenen Formen liegen auf ganz unterschiedlichen Ebenen, werden ganz verschiedentlich erreicht und sind mit ganz unterschiedlichen Konsequenzen verbunden. Eine wesentliche Unterscheidung, die auf formeller Ebene aufgemacht wird, stellt die Unterscheidung zwischen den associated members auf der einen Seite und den ordinary members bzw. life members auf der anderen Seite dar. Diese verschiedenen Status hängen von der Kategorie des biologischen Alters ab: Unter 50 Jahren kann man nur den Status eines associated member erlangen, über 50 Jahren gehört man zu den ordinary oder life members. Die Konsequenz, die mit einer solchen Unterscheidung verbunden ist, ist dabei, dass eine Club(rang)ordnung hergestellt wird. Denn mit der Unterscheidung geht eine Form der Hierarchisierung einher. Diese Hierarchisierung wird zum einen allein in den Bezeichnungen hergestellt. So zeigt die Bezeichnung associated an, dass jemand dem Club nahesteht, angebunden und angegliedert ist, aber doch nicht die Essenz des Clubs bildet. Sie sind also nicht im Kern/Zentrum des Clubs, sondern vielmehr an dessen Peripherie verortet. Demgegenüber zeigt die Bezeichnung ordinary member, life member an, dass es sich um Mitglieder in vollen Maße, um die wahren Mitglieder handelt, die im Gegensatz zu den associated members im Kern des Clubs verortet sind. Zum anderen ist eine Hierar-

65

66

Wanna go Clubbing?

chisierung zwischen den Mitgliedern dadurch konstruiert, dass mit den unterschiedlichen Status ein unterschiedliches Recht, und zwar in Bezug auf das Wahlrecht, verbunden ist. So wird das Wahlrecht im Club, sowohl das passive als auch das aktive, den Mitgliedern ab 50 vorbehalten und den Mitgliedern unter 50 abgesprochen, womit in der Konsequenz Machtasymmetrien hergestellt werden. Es ist die Gruppe der über 50-Jährigen, die im Club die Macht besitzt, da sie über das Wahlrecht vermittelt, das Recht zur Willensäußerung und zur Mitbestimmung besitzt; es ist diese Gruppe, die die Entscheidungsmacht hat und Einfluss ausüben sowie den Club gestalten kann. Diese sind die members, die im Club »zählen«, was sich z.B. auch aus einer aufgeführten Statistik deuten lässt, in der die associated members gar nicht erst »gezählt« bzw. aufgeführt werden: MEMBERSHIP AS AT 30-4-2011 Life 725 Ordinary 97 Total 822 (Newsletter Taman Flula Vol. 4 June 2011). Auch in den alltäglichen Interaktionen stellt Mitgliedschaft eine relevante Kategorie dar, die immer wieder verhandelt wird, was sich in der Analyse von Beobachtungsprotokollen rekonstruieren lässt. Auch hier werden die Grenzen des Clubs durch den Mitgliedsstatus konsequent angezeigt, was sich in jenen Situationen zeigt, in denen es um den Zugang zum Club geht. Es geht dann noch um eine form, also ein Formular. John regt sich auf, dass viele Ältere aus der Gegend vorbeikommen würden und fragen würden, ob sie Hilfe beim Ausfüllen des Formulars im Club erhalten könnten. John sagt, dass sie die Hilfe nur für die members bereitstellen würden. »Because we are no agency! Only for members«! Die Anderen sollten zur Stadt gehen. Auf Nachfrage, um was für ein Formular es sich dabei eigentlich handelt, sagt John, dass seniors Geld (ich glaube 300 Ringgit) vom Staat beantragen könnten (Protokoll 02.11.2012, Z. 225-230). Diese erste Szene beschreibt Erzählungen Johns, eines Clubmitglieds. Der Hintergrund dieser Szene stellt sich wie folgt dar: Die malaysische Regierung hat ein Programm aufgelegt, bei dem senior citizens eine einmalige finanzielle, staatliche Zahlung von 300 Ringgit erhalten können, wofür ein offizieller Antrag gestellt werden muss. Der senior citizens club verfügt über diese Formulare und stellt – für seine Mitglieder, wie oben deutlich wird – Hilfe beim Ausfüllen bereit.

4. Everything is possible!

Nun berichtet John davon, dass von außen viele Ältere, und zwar Nichtmitglieder, an den Club heranträten, mit der Bitte um eine eigentlich kleine Gefälligkeit, um eine einmalige Serviceleistung, um Hilfe beim Ausfüllen des Formulars. Über dieses Vorgehen regt sich John auf; er scheint geradezu entrüstet darüber, dass von außen jemand an den Club herantritt und eine Leistung erwartet, ohne ein Mitglied zu sein – hierfür hat er kein Verständnis. So wird den Älteren die Hilfe auch verwehrt mit der Begründung: »Because we are no agency!« Über diese Begründung macht John einen Vergleich zwischen dem Club und einer agency auf, wodurch verdeutlicht wird, dass es sich bei beiden Organisationen zumindest in einem Punkt, nämlich jenen des Zugangs, um unterschiedliche Konstrukte handelt. Während die agency als eine kommunal-öffentliche Einrichtung betrachtet wird, zu der alle Hilfesuchenden Zugang haben – schließlich sollten die anderen zur Stadt gehen –, wird der Club im Gegensatz dazu als eine privat geschlossene Einrichtung konstruiert, die Grenzen hat. Nur innerhalb der Grenzen des Clubs, die die Akteure in die members auf der einen Seite und viele Ältere und die anderen auf der anderen Seite teilt, wird im konkreten Fall wie hier Hilfe gewährt oder können allgemein die Angebote des Clubs in Anspruch genommen werden. Mitgliedschaft bedeutet damit auch Ausschließlichkeit: zum einen im Sinne von Exklusivität; das Angebot des Clubs ist exklusiv auf die Gruppe der Mitglieder beschränkt. Zum anderen ist damit Ausschließlichkeit im Sinne von Ausschluss verbunden. Denn wenn das Angebot auf der einen Seite auf eine Gruppe begrenzt ist, ist damit auf der anderen Seite eben zwangsweise die Gruppe der Nichtmitglieder von diesen Angeboten ausgeschlossen. Während wir draußen auf bauen, kommt Mr. Chu, der Präsident dieses senior citizens clubs. Er begrüßt mich und Ella sagt, dass ich wieder da bin, um etwas zu lernen. Ich gehe ihm hinterher in sein office, weil ich gerne nochmal offiziell fragen möchte, ob ich für einige Zeit an den Aktivitäten teilnehmen kann. Er sagt, dass es eigentlich ja nur für members ist, er mache aber eine Ausnahme. Ich zeige ihm noch meine Unterlagen, er geht sie kurz durch, braucht sie aber nicht und sagt noch »enjoy yourself« und dass ich nett und freundlich zu den Alten sein soll. Ich sage, dass ja, natürlich und sichere noch einmal Anonymität zu (Protokoll 09.05.2011, Z. 49-55). In der oben beschriebenen Situation ist es nun die Beobachterin selbst, die von außen kommt und Zugang zum Club haben möchte, ohne den Status eines offiziellen Mitgliedes zu besitzen oder diesen annehmen zu wollen. Der Auszug stammt dabei aus einem Protokoll des zweiten Besuchs der Beobachterin in diesem Club. Diesem zweiten Aufenthalt war ein erster kurzer Aufenthalt im Club vorausgegangen, der jedoch eher als ein Besuch, durch eine Kontaktperson zustande gekommen, gerahmt war und bei dem der Beobachterin der

67

68

Wanna go Clubbing?

Club gezeigt wurde und sie einige Interviews machte. Der zweite Aufenthalt ist nun anders gerahmt, denn die Beobachterin versucht, einen Zugang für ihre Beobachtungen zu erhalten. In oben aufgeführtem Auszug befindet sich die Beobachterin im Club, ist bereits in die Aktivitäten dort involviert (während wir draußen auf bauen) und hat auch schon Ella, eines der Clubmitglieder, von ihrem Anliegen unterrichtet, das diese interpretiert als dass ich wieder da bin, um etwas zu lernen. Obwohl die Beobachterin in dieser Situation also schon einen ersten Zugang über Ella gefunden hat, ist ihr dennoch klar, dass sie noch einmal einen offiziellen Weg gehen muss, der hier über den Präsidenten geht. Die Anfrage wird also auch als eine offizielle Situation gerahmt, die im office des Präsidenten stattfindet. Hier formuliert die Beobachterin ihr Anliegen, ob ich für einige Zeit an den Aktivitäten teilnehmen kann, woraufhin der Präsident interessanterweise als erste Reaktion die Kategorie der Mitgliedschaft einführt: Er sagt, dass es eigentlich ja nur für members ist. Während die Beobachterin in dieser Situation aufgrund ihrer Erfahrungen und ihres Wissens aus ihrem Referenzrahmen davon ausgeht, dass es andere Kriterien sind, die hier für ihren Zugang relevant sind (wie die Zusicherung von Anonymität und der Verweis auf Seriosität, den sie hier mit ihren Unterlagen unternimmt), sind diese Kriterien für den Präsidenten sekundär; er geht sie kurz durch, braucht sie aber nicht, auf die Zusicherung von Anonymität gibt es keinerlei Reaktion. Primäres Kriterium für einen Zugang stellt für ihn die Mitgliedschaft dar – ungeachtet der Rahmung eines erwünschten Zugangs, denn schließlich ist die Beobachterin hier in der Rolle der Forscherin (was dem Präsidenten bereits vom ersten Besuch bekannt ist), die hier nicht wie die anderen Anwesenden clubben, sondern Daten sammeln möchte. Mit seiner Reaktion, dass es eigentlich ja nur für members ist, er mache aber eine Ausnahme, formuliert der Präsident damit eine generelle Regel, die im Club gilt. Im Grunde (eigentlich) erfordert eine solche Anfrage, längere Zeit am Clubleben teilnehmen zu können, eine formelle Mitgliedschaft, hier macht er nun aber für die Beobachterin eine Ausnahme von der Regel. Oben wurde beschrieben, dass die Mitglieder im Club formell nach verschiedenen Status unterschieden werden. Auch im Cluballtag zeigen sich Unterscheidungen der Mitglieder. Allerdings lässt sich beobachten, dass jene Unterscheidungen nicht den formellen Unterscheidungen folgen, sondern vielmehr andere Kategorien eingeführt werden: Oder wenn der Club mal Freikarten fürs Kino bekomme und diese verteilt werden müssten. Dann hätten aber z.B. die committee members Vorrang und die, die active hier seien. Von den 800 Mitgliedern seien nicht alle active hier. Was aber active bedeute: Z.B. der Herr, der hier immer vor dem Haus sitzen würde, würde auch als active bezeichnet (Protokoll 24.10.2012, Z. 348-352).

4. Everything is possible!

Zum nächsten Punkt: Am 11. November sei wieder ein dinner. Sie seien eingeladen worden. 40 Tickets wolle man ihnen zusenden. Für den Bus würde das 8 Dollar per Person kosten. […] Wer alles mitkommt, wird besprochen. Mr. Chu: »Committee members, area representatives, the hard working members first«! (Protokoll 31.10.2012, Zeile 160-166). Insgesamt fällt an beiden Szenen auf, dass Unterscheidungen gemacht werden, da es einen Anlass dafür gibt und sich somit die Unterscheidungen als Regulierungsformen im Club für bestimmte Situationen deuten lassen. Ferner ist beiden Szenen gemeinsam, dass Unterscheidungen nach dem Beitrag, der für den Club geleistet wird, getroffen werden. In der ersten Szene berichtet Grace, ein Clubmitglied, der Beobachterin von Unterscheidungen zwischen den Clubmitgliedern, die im Alltag vorgenommen werden. Anlass dieser Unterscheidung ist, dass der Club Freikarten fürs Kino bekomme und diese verteilt werden müssten. Es muss hier also eine Entscheidung in der Hinsicht getroffen werden, dass eine Auswahl erfolgen muss, wer diese Karten bekommt. Um eine solche Auswahl zu legitimieren, werden Unterscheidungen vorgenommen, und zwar nach dem Beitrag, der im Club geleistet wird: zwischen den active und den nicht active Mitgliedern. Schließlich präzisiert Grace an einem Beispiel, was im Club unter active verstanden wird: Was aber active bedeute: Z.B. der Herr, der hier immer vor dem Haus sitzen würde, würde auch als active bezeichnet. Als active im Club zu gelten, dieser Definition wohnt eine zeitliche und räumliche Dimension inne: hier und immer. Active zu sein bedeutet damit, anwesend im Club zu sein (hier) und dies in einer Regelmäßigkeit (immer) zu tun. Eine regelmäßige Anwesenheit wird damit zu einem active, tätig sein, wirkend sein, und damit zu einem Beitrag, den Club alltäglich herzustellen – auch wenn die eigentliche Tätigkeit im Club dann eher als passiv (vor dem Haus sitzen) anmutet. Die zweite Szene stellt einen Protokollausschnitt dar, der während eines Board-of-Directors-Meetings angefertigt wurde. In diesem Board-of-DirectorsMeeting, das einmal im Monat stattfindet, diskutiert und regelt das commitee die aktuellen Angelegenheiten des Clubs. Ähnlich wie in der ersten Szene gibt es auch in der zweiten Szene einen Anlass, Unterscheidungen vorzunehmen: Am 11. November sei wieder ein dinner. Sie seien eingeladen worden. 40 Tickets wolle man ihnen zusenden. So muss nun auch hier eine Auswahl getroffen werden. Hier erfolgt die Legitimation der Auswahl an der Unterscheidung zwischen hard working members, die den Vorrang gegenüber einer nicht weiter definierten Gruppe erhält. Während es im vorhergehenden Zitat um eine regelmäßige Anwesenheit ging, wird hier der Beitrag als harte Arbeit von Funktionsträgern, den committee members, area representatives, konzeptualisiert. Es geht hier also um die Unterscheidung, wer aus einer Funktion heraus im Club Arbeiten ver-

69

70

Wanna go Clubbing?

richtet, also den Club gestaltet, seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und unter Mühe (Arbeit) tätig ist. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle sagen, dass Mitgliedschaft jene Form ist, die den Zugang zu der Organisation senior citizens club regelt. Mitgliedschaft ist die relevante Kategorie, die die Grenzen des Clubs konstituiert. Deutlich wird damit, dass es sich bei den senior citizens clubs um keine öffentliche oder offene Organisation handelt, sondern vielmehr um eine geschlossene, deren Grenzen eben mit einer formellen Mitgliedschaft überwunden werden können. Die Schwelle des Zugangs, die Modalitäten, die zu erfüllen sind, um ein Mitglied zu werden, sind dabei recht niedrig gewählt und beziehen sich zunächst nur auf finanzielle Beitragszahlungen. Allerdings wird bei einem Mitgliedschaftsgesuch von innen heraus recht intransparent eine Entscheidung darüber getroffen, wer Mitglied werden darf und wer nicht. Ferner wird deutlich, dass die Mitglieder auf unterschiedliche Weise in den Club involviert sind. Unterscheidungen der Mitglieder sind allgegenwärtig: Unterscheidungen über das Alter, über Funktionen, über Beiträge, die zum Club geleistet werden, über Anwesenheit. Mitgliedschaft im Club nimmt also unterschiedliche Formen an und hat verschiedene Bedeutungen. Wie unterschiedlich diese Formen und Bedeutungen sind, darauf wird in den folgenden Abschnitten näher eingegangen.

4.2.1 Topmanager, strenger Direktor, Sozialarbeiter, rasende Reporterin, Organisationsberater, professioneller Reiseverkäufer, Workaholic, Lernende, offene Clubber, Manager … – Mitgliedschaftsrollen im Club Nachdem in der ersten Beobachtungsphase sowie der erste Analysephase bereits deutliche Hinweise daraufhin herausgearbeitet worden waren, dass Mitgliedschaft in den senior citizens clubs ganz verschiedene Formen annimmt und unterschiedliche Bedeutungen in sich trägt, wurde in der zweiten Beobachtungsphase, wie bereits in Kapitel 2.2.1 erwähnt u.a. die Beobachtungsstrategie verfolgt, einzelne Clubmitglieder in ihrem alltäglichen Clubben näher zu begleiten. Dabei konnte in der Analyse eine Liste an unterschiedlichen Konstruktionen von Mitgliedschaftsrollen herausgearbeitet werden: • • • • • • •

die citizens, die Kunden, der Topmanager und Schuldirektor, der Entrepreneur, der Assistenzmanager, Entertainer und Sozialarbeiter, die rasende Reporterin, der development officer, Reiseveranstalter und Pädagoge,

4. Everything is possible!

• • • • • • • •

die offenen Clubber, der »professionelle« Reiseverkäufer, der Organisationsberater, der bezahlte Manager, der Tanzlehrer und die Privatperson, die Managerin, der Workaholic, die Lernende, der maintenance man.

Anhand dieser Liste sollen nun einige Konstruktionen von Mitgliedschaftsrollen exemplarisch näher betrachtet werden. Dieser Abschnitt folgt der Logik, näher zu analysieren, wie einzelne Clubmitglieder sich alltäglich im Club inszenieren und gleichsam natürlich auch von den anderen Clubmitgliedern inszeniert werden – und wie in der Folge unterschiedliche Mitgliedschaftsrollen gemeinsam in den alltäglichen Interaktionen, Selbst- und Fremdthematisierungen hergestellt werden. Im Folgenden werden zunächst die Beobachtungen aus dem Club in Taman Flula und darauf folgend jene aus dem Club in Taman Ampola analysiert. »If somebody’s working under you« – Mr. Chu als Topmanager eines Unternehmens … oder doch strenger Direktor einer Schule?

Eine bedeutende Figur im senior citizens club in Taman Flula stellt der Präsident des Clubs Mr. Chu dar. Formell und auf dem Papier zwar Präsident eines senior citizens clubs, so erzeugt er sich in seinen Selbstdefinitionen bzw. wird in den Fremddefinitionen der anderen Clubmitglieder und in den Interaktionen vielmehr als autoritärer Topmanager eines Unternehmens –oder vielleicht doch eher als strenger Direktor einer Schule? – hergestellt. Dies zeigt sich folgendermaßen in den unterschiedlichen Materialsorten: »If somebody’s working under you…«

And then I use my I have my own, uhhhh, way of get tackling things, uh, having worked the plantations with fi//five, 600 laborers, workers under me. I’ve got to be very tactful. You know, those are the experience I learned in the plantation. Those experience I bring over here. I delegate duties. But, I don’t interfere in their, their work. That’s my policy. […] Otherwise, that’s I mean, that’s the reason why they uh, committee members also feel, uh, uh, quite, uh, happy working with me, if we’re working together. I don’t interfere. I don’t even […] I hear something, hear something. Also, I just look, see […]. I occasionally get a chance talking about these are the way to do but I don’t interfere with it. That should be the thing. You have a person still. My plan-

71

72

Wanna go Clubbing?

tation life was that. I was a senior man there. I got, uh, assistant managers. I got a trainee, uh, the cadet, uh, planters. I got, uh, conductors, all working on background. So, […] I don’t go direct to the bottom level. Right? Otherwise, why m=why do I have a, uh, uh, uh, uh, uh, assistant manager if you don’t give the responsibility? Give the responsibility whether he can do it or not. We’ll have to analyze. You got to find out. Unless you give let him find the thing f=uh, on his own, you don’t know his talents. Everything has got to ask you then what for, complaining. […] If w=somebody’s working under you, give the full authority. Give the guidelines. This the guideline, has to do go, go of it. No? Maybe for example, he wants to go to, uhhhh and come on, it you you take a bus straight. I might take a day tour. I still […] Up to you how. Up to you. So, maybe he has got his if you don’t allow him to, uhhh, show his talents, you, you don’t know how talented he is. So, it’s my, my-so, so, I have people in charge with being so, so, […]. I analyze. And I know if, uh, good, you, you can drink it. After all are voluntary. Why, why must we--uh, a// a//a//and at--too hard on them, right? (Interview Mr. Chu, Zeile 378-423). Aus dem vorangegangenen Interviewausschnitt lässt sich interpretieren, wie der Präsident den Club und seine eigene Rolle dort entwirft: als Unternehmen, das gemanagt werden will, und zwar von ihm als Topmanager. So finden sich allerlei Elemente wieder, die eben auf den ersten Blick nicht an einen Freizeitclub und seinen Präsidenten, sondern vielmehr an ein Unternehmen und seine Führungskraft erinnern. Dass Mr. Chu sich in einer Unternehmenslogik mit ihm an der Spitze dieser Organisation befindet, wird bereits zu Beginn des Abschnitts deutlich, indem er hier einen direkten Vergleich und eine Parallele zwischen seiner früheren Funktion als senior man with 600 laborers, workers under me auf einer Plantage und seiner jetzigen Funktion im Club eröffnet. Denn die Erfahrungen, die er dort gemacht hat, wendet er direkt im Club an: You know, those are the experience I learned in the plantation. * Those experience I bring over here. Die Plantage und seine Rolle dort bleiben im gesamten Abschnitt weiterhin die Hintergrundfolie, auf der Mr. Chu den Club und seine Rolle hier beschreibt. So konstruiert er für den Club, wie es auf der Plantage war, ein hierarchisches Gefüge, das an die Idee von Top- und Middlemanagement und den blue collars in einem Unternehmen erinnert, wobei er an der Spitze der Hierarchie saß und sich auch heute wieder dahin setzt. Denn so, wie er im Modus der Vergangenheit davon berichtet, dass er früher assistant managers, trainee, the cadet, uh, planters, conductors hatte, die für ihn arbeiteten, so verfällt er dann in den Modus der Gegenwart und spricht davon, dass er auch heute einen assistant manager im Club hat und Leute, die unter ihm arbeiten. Und dementsprechend sah und sieht er damals wie heute seine Aufgabe nicht darin, in das »operative Geschäft« des Clubs einzugreifen, sich mit dem bottom-level, den normalen

4. Everything is possible!

Clubmitgliedern, zu beschäftigen. Hierfür hat er schließlich seinen assistant manager, sein mittleres Management, das sich um das Geschehen am bottom level kümmert. Vielmehr muss er das Middlemanagement, das committee, führen und kontrollieren. Anders ausgedrückt: Er muss diejenigen führen und kontrollieren, die unter ihm arbeiten. Konsequenterweise konzeptioniert er die Mitglieder des committees nicht etwa als Bekannte, Freunde, Clubkollegen, Kunden oder Klienten des Clubs, die hier Spaß haben, ihre Freizeit verbringen oder den Club organisieren, sondern vor allem als seine Mitarbeiter, die eben im Club mit ihm oder gar unter ihm arbeiten: That’s I mean, that’s the reason why they uh, committee members also feel, uh, uh, quite, uh, happy working with me, if we’re working together. * If w=somebody’s working under you. Und auch wenn Mr. Chu nicht müde wird, die Partizipation seiner Mitarbeiter zu betonen, wird bei genauerer Analyse der Aussagen Mr. Chus jedoch deutlich, dass er im Club eindeutig derjenige ist, der die Zügel in der Hand hält und der diesen mit einem autoritären Stil führt. Er hat seine eigene policy, nach der er seine Mitarbeiter führt; er gibt die Leit- oder Richtlinien, nach denen die anderen Clubmitglieder sich im Club bei ihrer Arbeit zu richten haben: Give the guidelines. Er ist derjenige, der entscheidet, wer Verantwortung übertragen bekommt: Give the responsibility * whether he can do it or not; er hat die (Definitions-)Macht, anderen Kompetenzen und Autorität zuzusprechen – If w=somebody’s working under you, * give the full authority –, sowie Erlaubnisse (und damit auch Verbote) dahingehend auszusprechen, inwieweit sich seine »Mitarbeiter« bei ihren Aufgaben entfalten dürfen: If you don’t allow him to, uhhh, * show his talents, * you, you don’t know how talented he is. Zum Ende der Passage hin mischt sich in die Beschreibung seiner gesamten Konstruktion allerdings eine gewisse Spannung: After all are voluntary. Why, why must we too hard on them, right? So drückt sich hier aus, dass eine Organisation, wie er sie hier als Unternehmen herstellt, die durch die Momente von seiner Idee von Hierarchie, Arbeit (und damit auch Lohn), Mitarbeitern und Autorität gekennzeichnet ist, eigentlich, im Grunde, letztlich (after all) nicht kompatibel mit einer Organisation ist, die durch das Moment der Freiwilligkeit markiert ist. »Clubbing is running a club…«

I: Would you say that what you’re doing here, would you call it clubbing? * (R: Yes.) Yes? * (R: Yeah.) What do you understand under clubbing? R: Just--what do you mean? Clubbing is running a club. I: I ask you. (LAUGHTER) (R: Is it--)Is it clubbing? R: It’s just running a club, not more, can call it clubbing like that. Oh, no, it’s, uh, uh, uh, what do you call, uh, NGO like, * organization whereby, you know, you give, uh, whatever around the clock for the--for, for the--for

73

74

Wanna go Clubbing?

the, the benefit of the other members. Uh, by us running the club, uh, uh, the committee runs the member club, benefitting all the members (Interview Mr. Chu Zeile 1237-1248). Am Ende des Interviews findet sich die vorangegangene Stelle, die zum einen die oben getätigte Interpretation von Mr. Chu in der Logik eines Topmanagers in einem Unternehmen unterstreicht und die zum anderen das gleiche Muster wie der obige Abschnitt – zunächst Logik des Topmanagers eines Unternehmens, dann aber der Bruch zu einer anderen Logik – zeigt. Zum Abschluss des Interviews macht die Interviewende hier ein kleines Experiment. Ein Experiment, da sie den Terminus des Clubbings einführt, der so im Feld nicht verwendet wird, und dabei danach fragt, wie der Interviewte den Begriff definieren würde. Interessant ist dabei – wenn also die Interviewende im Sinne eines Clubb-ings, eines do-ing Clubs nach dem alltäglichen Tun/Herstellen des Clubs fragt –, welche Assoziationen der Interviewte bei diesem »neuen« Begriff und welche dominanten Tätigkeiten er dabei sofort hervorbringt. Nachdem es zu einer kurzen Irritation kommt, die auf der einen Seite mit dem bescheidenen Englisch der Interviewenden begründet sein mag, die auf der anderen Seite aber auch die Lesart zulässt, dass es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt, was unter Clubbing zu verstehen ist, und man deshalb die Frage nicht versteht, gibt der Interviewte seine Antwort: Clubbing ist für Mr. Chu nicht etwa, wie in der Literatur häufig hervorgebracht oder wie bei den anderen Clubbern zu sehen sein wird, das Treffen mit anderen Clubmitgliedern, das »Herumhängen«, Spielen, Karaokesingen oder Ähnliches. Es ist einfach und allein: running a club; It’s just running a club, not more. Clubbing bedeutet für ihn, einen Club zu leiten, zu lenken, verantwortlich zu führen. Dann, wie im vorherigen Abschnitt, mischt sich nun in das It’s just running a club, not more eine Spannung, indem Mr. Chu seine Auffassung von Clubbing revidiert, zumindest relativiert. Für ihn ist Clubbing zwar running a club, ihm scheint aber bewusst, dass diese Auffassung allgemein nicht so eindeutig ist wie für ihn und Clubbing vielmehr noch andere Bedeutungen haben kann, die mit running a club nicht kompatibel sind. Und so folgt eine Passage, in der Mr. Chu scheinbar wiederholt, was er irgendwann einmal, vielleicht in einem Handbuch, gelesen hat: Clubbing ist ja auch irgendwas, wie hieß es doch gleich, mit NGO, Altruismus, Engagement, committee, Demokratie, Wohltat und Nutzen für alle Clubmitglieder. »Ich bin mir unsicher, ob ich einfach so an das Büro klopfen darf, in dem ich Mr. Chu vermute«

Zwei Minuten später kommt Mr. Chu, wieder mit seiner Aktentasche und einem weiteren Beutel. Er kommt ins Haus, geht an uns vorbei, grüßt kurz

4. Everything is possible!

und verschwindet wie immer in seinem Büro (ich glaube, Mr. Chu nimmt an den Aktivitäten nie teil, er ist immer in seinem Büro. Interessant finde ich, dass er als Präsident ein eigenes Büro hat, während Mr. Smith, der anscheinend alle Schreibarbeiten hat, nur diese kleine Ecke zur Verfügung hat) (Protokoll 23.10.2012, Zeile 45-50). So um Viertel nach 12 kommt Mr. Smith zu mir und sagt, dass Mr. Chu, der Präsident, mich sprechen wolle. Ich solle zu ihm ins Büro kommen. […]. Ich gehe zu Mr. Chu ins Büro. Das Büro ist recht klein. Es befinden sich hier nur ein Schreibtisch, zwei Stühle, ein Regal, ein Ventilator, ein Telefon und ein paar Unterlagen. Mr. Chu sitzt hinter seinem Schreibtisch und bittet mich, vor dem Schreibtisch auf dem Stuhl Platz zu nehmen. Ich setze mich und er fragt, was ich denn wissen wolle (Protokoll 22.10.2012, Zeile 268-273). Ich will die Gelegenheit ergreifen und Mr. Chu wegen eines Interviews sprechen. Ich gehe also ins Haus und bin mir unsicher, ob ich einfach so an das Büro klopfen darf, in dem ich Mr. Chu vermute. Ich frage lieber Mr. Smith vorher, ob ich einfach klopfen kann, und er nickt. Also klopfe ich einfach an die Tür und Mr. Chu ruft von drinnen: »Ya!« Ich trete ein und Mr. Chu sagt währenddessen »come in come in« (Protokoll 16.11.2012, Zeile 48-52). Ich sitze also vorne vor dem Haus und höre eine Klingel. Diese Klingel habe ich schon öfters gehört und ich vermute, da Mr. Smith dann immer aufsteht und irgendwo hingeht, im Moment ja aber nur er, ich und Mr. Chu da sind, dass das eine Klingel vom Büro von Mr. Chu aus ist, mit der er Mr. Smith zu sich ruft. Nach einigen Minuten dann erscheint Mr. Smith im Türrahmen des Clubhauses und sagt, dass Mr. Chu jetzt Zeit für mich hätte. Ich bin erleichtert (da ich Angst hatte, dass er unseren Termin vergessen hat) und gehe zu seinem Büro. Ich klopfe an die Tür und von drinnen ruft er: »Come in«. Ich trete also ein und setze mich vor Mr. Chus Schreibtisch auf den Stuhl. Er selbst ist noch damit beschäftigt, irgendwelche Formulare auszufüllen. Dann fragt er mich, wie er mir denn helfen könne, und unser Interview beginnt (Protokoll 20.11.2012, Zeile 17-25). Ich frage Jack, ob er mir ein Interview geben könnte, vielleicht auch jetzt gleich? Ich frage, ob wir aber woanders hingehen könnten, weg hier vom Hof, weil es hier zu laut sei. Ich frage, ob wir nicht reingehen können. Jack überlegt: Mmh, drinnen sei ja aber Mandarin class, und ins Büro von Mr. Chu könnten wir nicht einfach so gehen. In die Küche?, frage ich. Ja, das würde wohl gehen (Protokoll 31.10.2012, Zeile 2-6). Während in den bereits analysierten Abschnitten auf Interviewmaterial rekurriert wurde und damit die Selbstrepräsentationen Mr. Chus im Mittelpunkt

75

76

Wanna go Clubbing?

der Interpretation standen, soll mit den oben abgetragenen Abschnitten eine andere Materialsorte, Protokolle aus den teilnehmenden Beobachtungen und damit die interaktiven Herstellungsprozesse, näher analysiert werden. Im Fokus der Interpretation steht das Büro – gewissermaßen ein Artefakt, über das sich nach Froschauer als »Materialisierungen von Kommunikation« (Froschauer 2002, S. 362) die sozialen bzw. kommunikativen Kontexte – Senior-Citizens-Clubbing –, innerhalb derer sie entstanden sind und verwendet werden, rekonstruieren lassen (vgl. Froschauer 2002, S. 362). In der Analyse wird deutlich, dass die interaktive Inszenierung Mr. Chus als Topmanager bis ins letzte Detail fortgeführt wird. Denn der doch auf den ersten Blick eher unscheinbar, nichtssagend und spartanisch wirkende Raum – Das Büro ist recht klein. Es befindet sich hier nur ein Schreibtisch, zwei Stühle, ein Regal, ein Ventilator, ein Telefon und ein paar Unterlagen – wird nun zu einem regelrechten Statussymbol, durch das verdeutlicht wird, welche Position Mr. Chu hier im sozialen Zusammenhang »Club« einnimmt. Zunächst einmal lässt sich sagen, dass das Büro eindeutig als zu Mr. Chu gehörig konstruiert wird. Während alle anderen Räume (der Hof, die Küche) unpersonalisiert bleiben und allgemeines Clubgut darstellen, sind das Büro sowie das Interieur immer eindeutig mit einem Besitzer, Mr. Chu, verknüpft: Er ist immer in seinem Büro; eine Klingel vom Büro von Mr. Chu; Mr. Chus Schreibtisch. Es ist der Ort, an dem Mr. Chu, im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern, clubbt, an dem er den Cluballtag verbringt: Ich glaube, Mr. Chu nimmt an den Aktivitäten nie teil, er ist immer in seinem Büro. Clubbing findet für ihn in seinem Büro statt, was er allein schon symbolisch durch das alltägliche Bei-sich-Führen seiner Aktentasche anzeigt. Das Büro ist nun ferner ein besonderer Ort im Club. Denn es ist das einzige Büro. Und: Es wird gewissermaßen als das Gehirn des Clubs konstruiert. Steht »Büro« zwar erst einmal allgemein für Arbeiten, Verwalten, Organisieren, so lässt sich jedoch deuten, dass hier kein »einfaches« Arbeiten, Verwalten und Organisieren stattfindet, denn die profanen Schreibarbeiten werden vielmehr in einer kleinen Ecke von Mr. Smith erledigt. Wenn dort also nicht das Gewöhnliche stattfindet, so scheint das Büro zu etwas Höherem berufen, und es lässt sich deuten, dass von dort aus der Club vielmehr gemanagt, sprich: gelenkt und gesteuert wird. Zu diesem exklusiven Raum haben sodann auch die anderen Clubmitglieder keinen einfachen Zugang. Während alle anderen Räume, wenn sie frei sind, für jedermann und jedefrau ansonsten einfach und immer frei zugänglich sind – wie die Küche, was die Szene mit Jack und der Beobachterin zeigt –, ist es selbstverständlich, dass man ins Büro von Mr. Chu nicht einfach so gehen kann. Diese Ordnung nimmt auch die Beobachterin fast intuitiv wahr, hat sie doch schon Skrupel, an das »Allerheiligste« des Clubs auch nur einfach anzuklopfen. Die Inszenierung des Büros als Statussymbol des Topmanagers wird auf die Spitze getrieben, indem nun auch Mr. Smith geradezu als »Vorzimmerherr«

4. Everything is possible!

hergestellt wird. Ein Vorzimmerherr, der durch eine Klingel als altmodische Variante einer Gegensprechanlage bei Bedarf zum Chef gerufen wird; ein Vorzimmerherr, der auf Geheiß des Chefs zum Termin geleitet; ein Vorzimmerherr, der die Assistenzaufgaben, die Schreibarbeiten, erfüllt. Clubräume und der Hof werden zu einem Empfangsraum, zu einem Warteraum transformiert, in denen man sich gedulden muss, bis man zum Chef vorgelassen wird. Die Inszenierung wird insofern weitergeführt, als Mr. Chu, ganz der busy Manager, auch seine Besucher zu einem offiziell verabredeten Termin, wie hier die Beobachterin, warten lässt, sodass diese schon nervös wird, ihr Interview nicht zu bekommen. Er entscheidet, wann er Zeit für mich hätte. Er ist zudem der Chef, der jemanden zu sich zitieren kann: So um Viertel nach 12 kommt Mr. Smith zu mir und sagt, dass Mr. Chu, der Präsident, mich sprechen wolle. Ich solle zu ihm ins Büro kommen. In seinem Büro selbst dann ist Mr. Chu ferner die Autorität, die die Eröffnung einer Situation mit dem Ruf durch Mr. Smith festlegt. Er ist die Autorität, die ihre territoriale Macht durch das Einlass-Gewähren und Bitten, auf dem Stuhl Platz zu nehmen, anzeigt. Er ist die Autorität, die auch im Büro noch jemanden warten lassen und dann das Gespräch eröffnen darf, und die die Gesprächsführung wie selbstverständlich übernimmt. Auch die Raumordnung des Büros macht hier den Statusunterschied deutlich. Es wird ein asymmetrisches Setting konstruiert: Man sitzt hier nicht nebeneinander, sondern sich frontal gegenüber, durch einen Schreibtisch auf Distanz, wobei natürlich klar ist, dass Mr. Chu als Chef hinter dem Schreibtisch sitzt. »Dann würde es auch Ärger von Mr. Chu geben …«

Im Kontext dieses Gespräches lehnt sich Sam zu mir rüber und sagt zu mir, dass der president, Mr. Chu, very strict sei. Er würde seine duties gut fulfillen, aber er sei eben sehr streng. Es würde hier einige Regeln geben, und wenn sich einer nicht daran halten würde, dann würde es auch Ärger von Mr. Chu geben. Er würde dann den oder die Betreffende zu sich rufen – Sam macht eine heranrufende Handbewegung – und zurechtweisen. Einige würden sich dann schlecht fühlen, »feel ashamed«, sagt Sam. Am nächsten Tag sei es dann aber vergessen. Er sei der Präsident und habe Power. Eigentlich dürfe man hier alles machen, sagt er, solange man sich eben an die regulations halten würde. Für ihn sei das so ok, aber er habe schon mitbekommen, dass einige der Älteren mit dieser Art nicht zurechtkämen und daher nicht mehr kommen würden. Ich frage, dass sie also ganz wegbleiben würden? Und Sam bejaht (Protokoll 24.10.2012, Zeile 106-115). Ich gehe mal kurz vom Clubgelände und als ich wiederkomme […] fängt auf einmal schon der health talk an. […] Mr. Chu regelt das jetzt aber: Er bittet

77

78

Wanna go Clubbing?

die Älteren, sich hinzusetzen. Zu denen im Haus sagt er, dass sie sich jetzt auch nach draußen begeben sollen, sie könnten ihren check dann nach dem talk machen. Alle gehen also raus. Draußen ist auch immer noch großes Geschnatter, Mr. Chu greift aber durch. Er nimmt sich das Mikrophon und sagt streng auf Chinesisch und auf Englisch ins Mikrophon, dass jetzt der health talk beginnt und dass bitte keiner mehr spricht während der Präsentation – einige der Älteren klatschen. Er weiter: Wer quatschen wolle, solle bitte raus gehen, also vom Clubgelände. Dann geht es los und auch die nutrionist beginnt ihre Präsentation dann mit den Worten, dass er aber ein strenger »master« hier wäre, und lacht. […] Während des talks ist nun auch tatsächlich Ruhe. Ganz zu Beginn quatschen noch welche; Mr. Chu geht zu diesem Grüppchen hin, sagt zu ihnen etwas und zeigt mit dem Finger nach draußen. Mr. Chu selbst sitzt nicht im Publikum, sondern bleibt vorne neben der Leinwand sitzen – er hört sich den talk zwar auch an, behält aber auch seine Schäfchen im Auge (Protokoll 07.12.2012, Zeile 64-82). Dann geht es weiter: Es geht um die promotion von mushrooms. Auch diese könne man kaufen und auch davon gehen 5 Ringgit (eine Tüte Pilze kostet 45 Ringgit) an den Club. Mr. Chu übergibt das Wort an einen Herrn, der die Pilze verkaufen will. Er erzählt über das Mikrophon und preist seine Pilze an. Irgendwie hört ihm aber kaum einer der Älteren zu und diese quatschen fröhlich weiter – der Geräuschpegel ist echt hoch. Da reicht es Mr. Chu und er »brüllt« ins Mikrophon, dass wenn einer hier vorne rede, die anderen nicht reden sollten, und sofort ist Stille, aber nicht für lange, dann unterhält man sich – nun allerdings leiser – weiter. André, Tante Renate und ich sehen uns an und müssen uns das Grinsen verkneifen (Protokoll 03.11.2012, Zeile 6976). Gemeinsam ist den drei Szenen zum einen, dass sich hier die Clubmitglieder nicht regelkonform, sei es konform zu clubeigenen oder konform zu allgemein gesellschaftlich akzeptierten Regeln, verhalten, und zum anderen, dass Mr. Chu in diesen Situationen als regelnde Autorität in Erscheinung tritt. Während in den vorherigen Abschnitten um Mr. Chu nun der Club – wenn auch durchaus gespickt mit einigen Brüchen – wie ein Unternehmen hergestellt wurde, wird nun diese Logik hier abermals durchbrochen, erscheint die Vorstellung doch geradezu absurd, dass die Unternehmensmitarbeiter sich in beispielsweise Meetings oder Betriebsversammlungen derartig verhalten, und noch weniger vorstellbar ist, dass dann der Topmanager als geradezu erziehende Gestalt in Erscheinung tritt, die, wie hier, ausschimpft, tadelt, straft, jemanden des Raumes verweist, beaufsichtigt und die Leviten liest. Die Wortwahl der Protokollausschnitte sowie der bisherigen Analyse machen es bereits deutlich: Die Logik, die hier nun hergestellt wird, erinnert nun vielmehr an eine Erzie-

4. Everything is possible!

hungsinstitution, wie an eine Schule, in der nun der Schuldirektor mit seinen Schülern interagiert. In der ersten Szene geht es um einen Regelverstoß, der sich irgendwie um Wasser in einem Wasserkocher dreht, und es scheint sich dabei um allgemeine Regeln zum Halten von Ordnung im Club zu drehen. Sam sieht sich nun in dieser Situation dazu veranlasst, der Beobachterin die Situation verständlich zu machen, sicherzustellen, dass sie auch richtig versteht (vgl. dazu Hammersley/Atkinson 2007, S. 99). Sam abstrahiert nun hier von der konkreten Situation um den Wasserkocher und kontextualisiert für die Beobachterin: Besser man regelt hier die Sache unter sich, sonst wird sie an Mr. Chu – der hier ja gar nicht anwesend ist – weitergegeben. Wie gesagt, wird Mr. Chu dabei fast wie der Direktor einer Schule hergestellt, zu dem der nicht folgsame Schüler geschickt wird bzw. der mit einer lapidaren Handbewegung herangerufen wird; und zwar wirklich zum Direktor, da nur der richtig Eindruck macht, wenn der Schüler böse war. Die Situation wird weiter so dargestellt, dass es dann von Mr. Chu, der als streng (Begrifflichkeit aus dem semantischen Feld um Erziehung) charakterisiert wird, auch Ärger gibt und er derartig zurechtweist und ausschimpft, dass sich das Gegenüber schlecht fühlt und sich für sein unrühmliches Verhalten schämt: feel ashamed. Wie für einen guten Pädagogen jedoch selbstverständlich, ist die Situation mit der Auseinandersetzung und dem Ausschimpfen am nächsten Tag dann aber vergessen. Anders nun nicht denkbar – da eine solche Schulordnung andernfalls durch das alleinige Agieren Chus nicht aufrechterhalten werden könnte – spielen die Clubmitglieder in ihrer Rolle der Erziehungsbedürftigen mit. Sam legitimiert das Verhalten Chus mit seiner Position, die ihm die Macht zu diesem Agieren gibt. Die Clubmitglieder lassen sich auch wohl tatsächlich mit der eher respektlosen Handbewegung heranrufen, gehen dann nicht in den Konflikt, sondern lassen sich auch ausschimpfen. Sie revoltieren nicht gegen ein solches Zurechtweisen, sondern bleiben lieber weg. Die Clubmitglieder spielen diese Inszenierung sogar bis in ihre Gefühlswelt mit, sodass sie sich für ihr Verhalten – z.B. nicht Ordnung gehalten zu haben – wie kleine Kinder schämen. Wenn nun gesagt wurde, dass Sam sich hier dazu veranlasst sieht, sicherzustellen, dass die Beobachterin auch wirklich richtig versteht, so ist damit nicht nur gemeint, dass er ihr erklärt, wie Regelverstöße unter Hinzuziehung Mr. Chus gelöst und geahndet werden. Richtig verstehen muss sie auch auf eine andere Art und Weise – so ist sein doch eher widersprüchlicher Satz Eigentlich dürfe man hier alles machen, solange man sich eben an die regulations halten würde näher zu betrachten. Hier verbindet er wiederum zwei verschiedene Logiken: die der »Erziehungsinstitutionslogik«, die wieder ein Stück durchbrochen wird, mit einer anderen Logik von eher zivilgesellschaftlicher demokratischer Organisation. Indem er hier diesen Satz noch einschiebt, so gewinnt man den Eindruck, dass er der Beobachterin unbedingt noch mitgeben möchte: Nicht

79

80

Wanna go Clubbing?

dass du denkst, wir sind hier wirklich wie eine Erziehungsanstalt. Nein, wir sind eine demokratische Organisation, ein Club gleichberechtigter Mitglieder, in dem jeder im Grunde alles machen kann, was er möchte. Auch die zweite und die dritte Szene bedienen das Bild einer Schule, in der Direktor und Schüler miteinander interagieren. Beide Male sind externe Gäste zu einer Veranstaltung geladen, und zwar der nutritionist zum health talk und der Pilz-Verkäufer zur pot luk party. Und auch hier wird Mr. Chu wieder erzieherisch tätig. Er ist wieder der strenge Schuldirektor, der schon im Vorfeld eine allgemeine Höflichkeitsregel seinen Zöglingen beibringen muss. Wenn eine Präsentation gehalten wird, dann gebietet es die allgemeine Höflichkeit, sich nicht mit dem Nachbarn zu unterhalten. Und wenn man sich nicht an diese Regeln halten kann, dann muss es eben Konsequenzen geben und man muss bestraft werden. Wer quatscht, muss den Raum – den Klassenraum, um im Bild zu bleiben – eben verlassen. Auch hier wieder der gute Pädagoge, bleibt er konsequent in seinen Erziehungsmaßnahmen: Die Gruppe, die nicht spurt, erhält eine zweite Mahnung und wird diszipliniert, indem sie sichtbar für alle – Mr. Chu geht zu diesem Grüppchen hin, sagt zu ihnen etwas und zeigt mit dem Finger nach draußen – getadelt wird. Mr. Chu spielt die Rolle auch während der gesamten Präsentation weiter: Wie der Lehrer bei einer Schulveranstaltung begibt er sich, ganz bildlich, nicht in die Reihe seiner Zöglinge, sondern bleibt vorne neben der Leinwand sitzen und behält seine Schäfchen im Auge, um seine Zöglinge zu disziplinieren, gegebenenfalls wieder erzieherisch einzugreifen. Ähnliches zeigt sich in der dritten Szene, in der Mr. Chu schließlich in fast schon gleicher Weise seine Zöglinge disziplinieren muss. Und genau wie in der ersten Szene spielen die anderen Clubmitglieder diese Inszenierung mit. Nicht nur, dass sie sich wie eine aufgeregte Schulklasse verhalten, die schnattert und quatscht. In der zweiten Szene begrüßen sie Mr. Chus Erziehungsverhalten, indem sie Beifall klatschen und sich tadeln lassen. Und auch in der dritten Szene erscheint die Reaktion der Clubmitglieder ziemlich normalisiert: Völlig unaufgeregt lässt man den Tadel über sich ergehen, folgt kurz der Anweisung, quatscht dann aber fröhlich weiter. Allerdings, wie könnte es anders sein, erhält diese Schullogik von Erzieher und zu Erziehenden auch in der zweiten und dritten Szene wieder einen Bruch, der sich nun durch die Reaktionen der Externen – zum einen der nutritionist, zum anderen die Gäste der Beobachterin sowie ihres Ehemanns Andrés und ihrer Tante Renate – zeigen. Beide Male wird hier mit den Reaktionen eines Lachens bzw. Grinsens auf die Situation reagiert, die sich nicht etwa als Ausdruck eines humorvollen Hergangs der Situation deuten lassen, sondern vielmehr nach Goffman Verlegenheit und eine Dissonanz der Situation anzeigen (vgl. Goffman 1971). Wenn Goffman formuliert

4. Everything is possible! »Verlegenheit hat etwas mit nicht erfüllten Erwartungen zu tun (aber nicht im statistischen Sinn). Teilnehmer mit einer bestimmten sozialen Identität in einer bestimmten Umgebung fühlen, welches Verhalten als angemessen aufrechterhalten werden sollte […]« (Goffman 1971, S 114f.),

so sind der nutrionist sowie die Beobachterin, ihr Ehemann und die Tante verlegen, weil sie nicht erwartet hätten – und damit für sich eine Dissonanz wahrnehmen –, dass in einem senior citizens club, in dem erwachsene Menschen integriert sind, sich auf einmal eine solche Schullogik offenbart. Für die Clubber hingegen, so wurde bereits deutlich, scheint es sich jedoch um eine normale Situation zu handeln. Für sie lässt sich diese Schullogik ohne Weiteres in ihren senior citizens club integrieren. »You can be rest assured I have my notebook and pen with me« – Maya, die rasende Reporterin und Redakteurin

In den folgenden Passagen steht das Clubmitglied Maya, die rasende Reporterin und Redakteurin, im Mittelpunkt der Betrachtung. In diesen Passagen erscheint wiederum mehrmals Mr. Chu, dessen Konstruktion des Clubs als Unternehmen – nun jedoch verfeinert als Redaktion – hier weiter bestätigt wird. Maya bedient dieses Bild ebenfalls und wird so in den Selbst- und Fremdthematisierungen auf ihre spezifische Weise in den Club integriert: als hauptamtliche Reporterin und Redakteurin in einer professionellen Zeitungsredaktion. And then, the, the most difficult task I, I, I have to undergo is to write articles for the, the, the senior, the * News. This is our magazine. It started out with me assisting another man whose name is [?]. He’s also a Muslim convert. And then nothing seems to move on his end. So, Mr. Chu says, »We have to start. It has already been months. Nothing is done, nothing at all, zero«. So, he--Mr. Chu says, »Since he’s not doing it, Maya, you have to take over«. I say, »I have no such thing. I have never before in my entire life written articles for magazines« (Interview Maya II, Zeile 416-423). In Mayas Erzählungen vom Club trifft man nun, wie könnte es anders sein, Mr. Chu als eine Art Chef(-redakteur) an. Auch hier, im Ressort Newsletter, verfügt er über die Entscheidungsgewalt und hat den Überblick darüber, wer seine Aufgaben im Griff hat und wer nicht. Und in diesem Sinn agiert er als Chef des Ressorts nach dem einfachen Prinzip von fire and hire. Positionen und Stellen werden hier nicht etwa nach dem demokratischen Prinzip oder nach Freiwilligkeit (wie sich nach Kapitel 4.3.1 vermuten ließe) aufgegeben oder vergeben. Vielmehr kann Mr. Chu seine Angestellten auf der einen Seite unter der

81

82

Wanna go Clubbing?

Berücksichtigung einer Leistungsbeurteilung – So, Mr. Chu says, »[…] Nothing is done, nothing at all, zero.« So, he--Mr. Chu says, »Since he’s not doing it« – aus ihrer Tätigkeit entlassen, sprich: feuern. So hat Mr. [?] hier seine Leistung nicht erbracht und muss daher seinen Platz räumen. Auf der anderen Seite hat Mr. Chu, als guter Chef, zum einen das Zeug dazu, Potenziale wie bei Maya zu erkennen und sie weiterzuentwickeln, und zum anderen hat Mr. Chu die Befugnis, jemanden für diese Position bzw. Stelle auszuwählen, anzuwerben und zu benennen – fast schon in einem dramatischen Akt: Maya, you have to take over zum Verantwortlichen zu ernennen. So scheint es schwierig zu sein, geeignetes »Personal« für die Stelle zu finden, denn zum einen bedarf es einer gewissen Bildung bzw. Ausbildung (And some of them do not have formal education), zum anderen scheint das Interesse nicht allzu groß zu sein, dieses Stelle zu bekleiden (I am sort of in charge of this newsletter, most of the reports are written by me because nobody wants to do). Neben dieser »Hire-and-fire-Passage« wird Mr. Chu im Interview sodann noch an anderen Stellen weiter als ein Chef(-redakteur) und Maya als seine Redakteurin konstruiert. So berichtet Maya: Then äh yesterday I was here Mr. Chu wanted this day was Sunday, eleven am Mr. Chu wanted me to come I have been, I don’t know I have been I’ve been unlucky (Interview Maya I, Zeile 101-103). Now, he wants me to summarize all the activities that this club had, has held, and send an article to […]. That is the headache (Interview Maya II, Zeile 521-523). An den beiden Stellen zeigt sich, dass im Kontext des Newsletters in der Beziehung zwischen Mr. Chu und Maya – zwischen Chef(-redakteur) und seiner Redakteurin – so etwas wie eine Weisungsbefugnis hergestellt wird. Zumindest scheint er in der Position zu sein, sie sogar an einen Sonntag (dies betont sie), an dem der Club geschlossen ist und sie normalerweise »frei« hat, in den Club zitieren zu können. Er hat eine Stellung inne, ihr Arbeitsaufgaben zuteilen zu dürfen: Now, he wants me to summarize all the activities that this club had, has held, and send an article to. Und zumindest scheint er in der Position zu sein, diese Aktionen auch gegen Mayas Willen durchzudrücken. So kommentiert sie ihre Situation an jenem Sonntag mit I’ve been unlucky und ihre Situation im Angesicht des Arbeitsauftrages mit That is the headache; und nichtsdestotrotz folgt sie dem Ruf und den Anweisungen ihre »Chefs« Mr. Chu. In der gesamten Interpretation wurde bis dato die Idee des Betriebs bzw. der Redaktion mit ihren verschiedenen Positionen dadurch untermauert, dass hier von »Stellen« im Club gesprochen wurde. Diese Assoziation, dass es sich hier um Stellen wie in einem Betrieb handelt, ist dabei ebenso auch aus den Interviewtexten sowie Protokollausschnitten geboren und lässt sich an den fol-

4. Everything is possible!

genden Elementen rekonstruieren. So wird die Tätigkeit to write articles for the, * the, the senior, the * News hier als difficult task, d.h. als Aufgabe, Arbeit, Auftrag, Pflicht von Maya konzeptioniert. Es ist zudem eine klassische Stelle in der Hinsicht, dass sie in ein hierarchisches System eingebunden scheint. Es wurde bereits deutlich, dass auf der einen Seite der Inhaber dieser Stelle einem Chef, hier Mr. Chu, verpflichtet ist. Auf der anderen Seite ist die Stelle ihrerseits mit einer Assistenzstelle ausgestattet, von der ein hierarchischer Aufstieg, wie bei Maya, möglich ist. Des Weiteren wird hier eine Stelle insofern konstruiert, als es zur Tätigkeit auf dieser Stelle, wie in einem Betrieb, einer Ausbildung bedarf. Es braucht zum Artikelschreiben für den Newsletter einer formellen Bildung. Maya hierzu: »Isn’t there anybody else who can write? […] But, then […] And some of them do not have formal education«. Diese Position oder Stelle füllt Maya sodann mit Leben, wobei die Inszenierung ihrer Rolle ganz klassisch an die Bilder einer Redakteurin sowie einer rasenden Reporterin erinnert: Sie erzählt weiter, dass sie gestern nach dem mothers day sich um 3 Uhr (morgens, glaube ich) gleich daran gemacht habe, einen Bericht für die nächste Ausgabe zu schreiben, sie sei aber noch nicht so zufrieden. Mr. Chu wolle den Bericht aber so schnell wie möglich haben. Sie werde heute Nachmittag ganz in Ruhe bei sich zu Hause daran weiterarbeiten. Ellie fragt, warum es denn so dringend sei. Ja, die nächste Ausgabe würde bald rauskommen, für diese Ausgabe habe sie schon vier Berichte geschrieben (Protokoll 09.5.2011, Zeile 76-81). So, I, every time when we have the committee meeting, I’ve been begging the other committee members, »Please submit«. But, I know they are all, all my pleas have gone into deaf ears. […] If you were to take a copy of any of the magazine, you will find that most of the reports are written by me. […] In a way, I’m very proud and honored. But, on the other hand, people be thinking, »Isn’t there somebody else who can write«, so much so now that every time I follow Mr. Chu and the group of senior citizens on any trip, you can be rest assured I have my notebook and pen with me ready. Time of departure, what time? How many stops we make, toilet stops, lunch stop. I just finished submitting to him the Batam trip report. What was the other one? Uh, we went for a musical, Empress Wu. […] I have to write a report about Empress Wu. What is the musical about? How many people went and whether we enjoyed or not. So, any, uh, major happenings, if I’m involved-for example, there is one, uh, John had to write he has not given me yet or given to Mr. Chu to check. They went for some vegetarian lunch. I did not go. So, I escaped writing an article on that (Interview Maya II, Zeile 479-501).

83

84

Wanna go Clubbing?

In dem Protokollausschnitt sowie dem Interviewauszug wird abermals deutlich, dass hier eine Hierarchie hergestellt wird, an dessen Spitze Mr. Chu steht, während Maya ihm untergeordnet ist. Sie ist ihm zum einen in der Ablieferung von Newsletter-Artikeln verpflichtet (Mr. Chu wolle den Bericht aber so schnell wie möglich haben) und hat zum anderen ihre Arbeit von ihm prüfen zu lassen (I just finished submitting to him the Batam trip report). In dieser untergeordneten Position stellt sich Maya (wird sie hergestellt) jedoch dann zum einen als Redakteurin her: Sie ist (mit-)verantwortlich für die fristgerechte Herausgabe des Newsletters. Ihr fällt die Aufgabe zu – auch wenn sie hier recht erfolglos ist (all my pleas have gone into deaf ears) –, Akquise für »freie Journalisten«, sprich: die anderen Clubmitglieder, zu betreiben und sie dazu zu bringen, für den Newsletter zu schreiben. Gleichzeitig ist sie als Redakteurin (mit Mr. Chu) dafür verantwortlich, wenn sich jemand erbarmt hat bzw. »gezwungen« wurde wie hier John, einen Artikel zu schreiben, diesen zu redigieren, d.h., ihn für die Veröffentlichung zu checken. Ebenso wird deutlich, dass in ihrer Verantwortung für die fristgerechte Herausgabe des Newsletters sie schließlich mangels Alternativen dazu verdonnert ist, fast alle Artikel selbst zu schreiben. Und so stellt sie sich ebenso zum anderen als »rasende Reporterin« dar und bedient hier das prototypische Bild einer Journalistin. Man sieht sie direkt bildlich vor sich, wie sie unter Termindruck, da die nächste Ausgabe heraus muss und der Chefredakteur ihr im Nacken sitzt, nachts an ihrem Schreibtisch zu sitzen und zu schreiben hat. Sie muss nachts und nachmittags an ihrem Bericht weiterarbeiten, da die wichtige Story über den mothers day noch unbedingt in die nächste Ausgabe muss. Daneben stellt sie sich insofern als »rasende Reporterin« dar, als sie das Bild einer Journalistin zeichnet, die immer im Dienst ist. Wann immer sie mit auf Trips geht – every time I follow Mr. Chu and the group of senior citizens on any trip –, so wird an diesem Zitat u.a. deutlich, ist sie nicht Teil der group of senior citizens, die die Reisen nur genießen wollen. Nein, sie ist dann im Dienst als rasende Reporterin, immer mit Notizbuch und Stift im Anschlag, um sich Notizen und Stichworte über den Hergang der wichtigsten Ereignisse zu machen – Time of departure, what time? How many stops we make, toilet stops, lunch stop – und schließlich zum einen einen profunden Bericht schreiben und zum anderen auch einen Kommentar abgeben zu können. »Hier im Club habe er auch den Newsletter auf Vordermann gebracht« – Aang, der Organisationsberater

Kontrastiert man nun Aangs Kontruktionsprozess von Clubbing mit jenen Herstellungsweisen, wie sie von den anderen Clubmitgliedern getätigt werden, wird deutlich, dass auch hier wieder andere Orientierungen und damit verbundene Handlungsmuster und -praktiken aufscheinen. Clubbing ist nämlich

4. Everything is possible!

nicht etwa Club-Leitung, den Club auf operativer Ebene organisieren oder als offener Clubber im Club »herumzuhängen« (siehe unten). Clubbing bedeutet für Aang, als Organisationsberater tätig zu sein: Dann kommen ein Mann und eine Frau ins Clubhaus. […] Der Mann fährt den Computer hoch und redet mit Mr. Chu. Ich unterhalte mich mit der Dame. Ich erkläre wieder, warum ich hier bin und wo ich herkomme […] Dann schaltet sich der Mann, Aang, in das Gespräch ein. Er hat mitbekommen, worüber ich schreibe […] und erzählt mir, dass er für eine Organisation arbeiten würde, bei der es um das Lernen von Erwachsenen gehe, also von solchen, die noch arbeiten würden. Ihre Organisation sei verbunden mit verschiedenen Universitäten weltweit, man könne neben der Arbeit studieren, z.B. einen Master in 2 Jahren, auch PhD. Er erzählt mir ausführlich von diesem Programm. Ich frage ihn, ob er noch dafür arbeiten würde. Er lacht und sagt: »I am considered to be retired, but I still have my business«. Er arbeite noch für sie und eine weitere Menge an NGOs. Er erzählt mir von einer ganzen Palette von Organisationen, in denen er mitarbeitet und in denen er ein Amt ausführen würde. Er gib mir seine Visitenkarte, auf der alle Organisationen aufgelistet sind […]. Dann erzählt er im Allgemeinen über NGOs und dass die Arbeit da manchmal schwierig sei. Man müsse Geld irgendwo herbekommen, und die meisten würden dort volunteering machen. Das Problem dabei sei, dass dann viele sich engagieren würden, wenn sie Zeit hätten, sonst sagen würden, ich habe keine Zeit. So wie z.B. der president hier, der einen guten Job machen würde; wenn er weg sei, müsste das jemand anders weiterführen. Als er zu MAFEP gestoßen sei, habe er ihnen auch prophezeit, dass es sie nicht mehr lange geben würde, wenn sie nicht einiges ändern würden. Hier im Club habe er auch den Newsletter auf Vordermann gebracht. Zunächst hätte der Newsletter immer aus Schwarz-Weiß-Kopien bestanden mit viel Text, sei nicht so gut gewesen für die Älteren. Er habe gesagt, macht doch mehr Bilder und in bunt. Es würde ja auch darum gehen, zu zeigen, was sie hier alles machen würden, sonst würde ja auch niemand spenden, schon gar nicht für die Älteren. […] Er gibt mir noch allerlei Kontaktadressen, wo ich weitere Informationen bekommen könnte. […] Hier, damit meint er den senior citizens club, sei mehr the »social side«, bei MAFEP würde es mehr um »policy« gehen (Protokoll 30.10.2012, Zeile 93-126). Die These vom Clubbing als Organisationsberatung findet ihren Ausdruck in diesem Abschnitt zunächst darin, dass sich Aang hier als ausgewiesener Experte für die Organisationsform NGO und für pädagogische Fragen und Themen inszeniert. Bereits zu Beginn des Abschnitts kategorisiert er sich und die Beobachterin in gleicher Manier, und zwar als Wissende über individuelle Bildungsprozesse, aber auch als Wissende über Themen von Organisations-

85

86

Wanna go Clubbing?

analysen. Denn als er hört, was die Beobachterin hier hergeführt hat – sowohl ihr formaler Bildungsweg, der Wunsch nach einem PhD, als auch das inhaltliche Thema, die Analyse von senior citizens clubs –, sieht er hier sofort einen Anknüpfungspunkt, mit ihr ins Gespräch zu kommen bzw. ihr einen Monolog über seine doch ähnlichen Tätigkeiten zu halten. Er hat hier einen Gesprächspartner gefunden, mit dem man sich auf Augenhöhe unterhalten kann; man versteht sich. Als Experte inszeniert er sich nun weiter, da er schließlich auf einen breiten Erfahrungsschatz in der Arbeit mit NGOs verweisen kann. Dabei handelt es sich um einen Erfahrungsschatz, der profund ist, da er schon aus seinem Erwerbsleben stammt, der aber ebenso aktuell ist (I still have my business), der quantitativ untermauert ist (Er arbeite noch für […] eine weitere Menge an NGOs) und der eine gewisse Qualität aufzuweisen hat, schließlich übt er überall ein Amt aus. Auch symbolisch unterstreicht er seinen Expertenstatus, indem er selbst als retiree noch eine Visitenkarte bei sich führt, auf der all seine Organisationen aufgelistet sind. Als ein solcher Experte weiß er nun also auch selbstverständlich, wie die Dinge in einem größeren Kontext zusammenhängen, er weiß allgemein um die Probleme von NGOs, die Arbeit auf Basis von Freiwilligkeit und die Mittelakquise, er weiß im Speziellen um die Schwierigkeiten von senior citizens clubs, ihr gesellschaftliches Ansehen. Seine Erfahrung und sein Wissen prädestinieren ihn nun dazu, so seine Sicht der Dinge, auch beratend in den NGOs und dem senior citizens club tätig zu sein. Und zwar kann er alle, auf verschiedenen Ebenen, beraten: Sowohl Organisationen, in denen es mehr um policy geht, als auch solche, in denen die social side im Mittelpunkt steht. Denn er hat den Durchblick: Er weiß sofort, auch als Novize in den Organisationen, wo die Probleme liegen, er weiß um Funktionen in den Organisationen und er weiß, wo die Schwierigkeiten auszumachen sind. Dabei handelt es sich um Beratungs- und Entwicklungsprozesse für die jeweiligen Organisationen, die strategisch und weitblickend sind und von höchster Wichtigkeit – geht es doch nicht nur um so lapidare Dinge, wie man z.B. Abläufe besser strukturieren kann, sondern ums Überleben: Als er zu MAFEP gestoßen sei, habe er ihnen auch prophezeit, dass es sie nicht mehr lange geben würde, wenn sie nicht einiges ändern würden. Und auch für den senior citizens club geht es um nicht weniger als darum, genug Finanzmittel zum Weiterbestehen zur Verfügung zu haben. Dabei legt er ein gesundes Selbstbewusstsein an den Tag, scheut er sich doch nicht, kurz nach seinem Einstieg bei MAFEP ihre Arbeit so basal zu kritisieren, dass man, mache man so weiter, die gesamte Organisation zum Scheitern bringe, und meidet er doch nicht, die Arbeit um den Newsletter fundamental infrage zu stellen. Er ist aber dabei letztlich nicht nur beratend tätig, sondern er packt auch mit an: So baut er den schnöden Newsletter von einem internen Schwarz-Weiß-Kommunikationsblättchen zu einem bunten Marketinginstrument zur Mittelakquise um.

4. Everything is possible! »I pass my time by organizing trips« – Mr. Kao, professioneller Reiseverkäufer

An dem Regal sind weitere Informationen angebracht. Es geht um zwei verschiedene trips. Einmal nach Shanghai. Kosten: 2000 Ringgit (500 Euro). Dazu der Ablaufplan von der Reise (wann wo geschlafen wird, was an den einzelnen Tagen geplant ist). […] In charge ist Mr. Kao, Telefonnummer ist auch angegeben. Die zweite Reise geht nach Vietnam. Kosten: 2500 Ringgit (650 Euro). Auch hier ist der Reiseablaufplan aufgelistet. Los geht es nächstes Jahr im März. Auch hier ist Mr. Kao in charge (Protokoll 22.10.2012, Zeile 62-68). Er wäre jedenfalls auch mit seinen Reisen, mit der Organisation von Reisen busy. […] Er macht mich auf seine Shanghai Tour aufmerksam und erzählt mir, dass es eine weiteren Tagesausflug am 4.11., Sonntag, geben solle. Ich frage, wohin. Er nennt mir einen Ort und fügt hinzu, dass dieser 200 km von KL entfernt sei. Sie würden dort essen gehen, das Essen exploren, sagt er und lacht. Ich könne auch mitkommen. Ich frage ihn, ob bei diesen Reisen vor allem seniors mitfahren würden, und er bejaht. Es seien hauptsächlich seniors, diese hätten schließlich die Zeit. Er sagt noch: »I pass my time by organizing trips« (Protokoll 22.10.2012, Zeile 169-177). Jack klopft z.B. Mr. Kao auf die Schulter und sagt, dass dies ein guter Mann sei. Er würde immer Reisen für die seniors organisieren, das sei gut »to integrate the seniors into society« (Protokoll 22.10.2012, Zeile 226-227). Dann kommt er etwas näher und spricht leiser zu mir: »this man«, er zeigt nach hinten und meint damit Mr. Kao, würde immer nur kommen, um business hier zu machen. Komme, um seine Reisen zu promoten, sage immer, hier, ich fahre nach Thailand mit einer Gruppe, ihr bekommt einen special price. Was solle man aber machen, er sei nun einmal Mitglied (Protokoll 23.10.2012, Zeile 102-106). Mr. Kao kramt aus seinem Rucksack Zettel hervor und gibt sie Mr. Li, mir reicht er auch welche rüber. Mr. Li sieht sich die Zettel an, ich auch: Es geht um die Reisen nach Shanghai und Vietnam, die Mr. Kao organisiert. […] Die Reisen, die Mr. Kao hier organisiert, sind nicht streng genommen vom Club. Er macht das eher privat, dass er Gruppenreisen organisiert, rekrutiert aber auch seine Mitreisenden vom Club und hat wohl auch die »offizielle« Erlaubnis, hier Werbung für seine Reisen zu machen (Protokoll 05.11.2012, Zeile 35-42).

87

88

Wanna go Clubbing?

Die vorangegangenen Passagen sind eine Zusammenstellung von Situationen, die das Clubben von Mr. Kao beschreiben. Mr. Kao ist dabei »professioneller« Reiseverkäufer, Clubbing bedeutet für ihn »Rekrutierung von Kunden«. Mr. Kao ist ein Rentner, der sich ein privates business, so wird es von Sam beschrieben, aufgebaut hat, nämlich die Organisation von Reisen. Dass es sich dabei in der Tat um ein Business handelt, wird daran deutlich, dass er diese Reiseveranstaltung nicht nur aus altruistischen Gründen – nicht nur »to integrate the seniors into society« – zu machen scheint, denn schließlich verdient er auch daran. Er hat Spielräume in der Kalkulation, oder warum sonst könnte er einen special price für die club members anbieten? Er selbst beschreibt seine dominante Tätigkeit mit: Er wäre jedenfalls auch mit seinen Reisen, mit der Organisation von Reisen busy. Dabei ist sein Business schon recht professionalisiert: akribisch ausgearbeitete Touren. Zudem hat er ein reichhaltiges Repertoire: von Tagesausflügen über kulinarische Reisen über Städtetrips bis hin zu Fernreisen. Clubbing scheint für ihn zu bedeuten: Kundenrekrutierung, oder so, wie es Sam beobachtet: »This man«, er zeigt nach hinten und meint damit Mr. Kao, würde immer nur kommen, um business hier zu machen. Und so ist er als solcher Reiseverkäufer, ob man dies nun begrüßt oder eher ablehnt, auch schon im Club bekannt. Clubbing scheint für ihn also zu bedeuten, die Infrastruktur des Clubs, wie die Infoecke, zu nutzen, um eben seine Reisen zu promoten. Clubbing bedeutet für ihn, ein »Face-to-Face-Marketing« zur Kundenrekrutierung durchzuführen. Denn in der Tat: Im Großteil der Szenen aus dem empirischen Material, in denen Interaktionen mit Mr. Kao beschrieben werden, ist er damit beschäftigt, für seine Reisen zu werben. Und dabei ist er gut vorbereitet und gut ausgestattet: Ein Griff in seinen Rucksack und schon kann es losgehen. Interessant ist nun zudem der Ausspruch Sams: Was solle man aber machen, er sei nun einmal Mitglied. Deutlich wird damit zum einen, dass Sam andere Orientierungen dahingehend hat, was Clubbing eigentlich bedeutet. Zum anderen wird über diese Aussage aber ebenso offenbar, dass der Mitgliedsstatus Mr. Kao dazu legitimiert, hier sein Business zu machen. Im Club kann – gemäß dem etwas plakativen »Everything is possible!« – Mitgliedschaft also je nach gusto, auch wenn es von anderen kritisiert wird, ausgestaltet werden. Mitgliedschaft im Club kann und darf also auch bedeuten, sich als Reiseveranstalter, der seine Kunden rekrutiert, zu inszenieren und zu involvieren. »I consider myself a workaholic« – Grace, der Workaholic

So, a friend of mine and myself, we, we applied to join the club. At that time, well, actually, I didn’t know much about the club then. But, uh, I just wanted to be, to belong somewhere. I was quite free. So, I just came in. And then the first impression of this place was at the time, Mr. Chu was already the--one of the, the president. And I thought he was, uh, very busy. So, I thought I

4. Everything is possible!

can help him in some ways. So, there was once I told him, »Can I sort of, uh, sit--come in and sit at one of the meetings?« And he said, »Well, you’re most welcome.« So, that’s how I started to be in the committee. Well, I’ve been in the club since 2006 ›til now. So, the past two terms, well, I’m in the committee. And I have been help-uh, I’m--I consider myself a workaholic. So, I like working, especially the gardening part. When we moved into this present clubhouse, in front, there was a strip. There was a piece of land with, with nothing there. It’s all pebbles and, uh, no//no flowering plants there. So, I told Mr. Chu, »Can I sort of, uh, ask somebody to clear the grass at the level of the, the land?« So, it was me who started the so-called planting of tree, planting of flowering plants, yeah? (Interview Grace I, Zeile 110-127). As I say, I like to help in the club. So, I’ve been helping financially and, uh, physically. […]-my, my main, uh, responsibility now to the, to the club is the monthly, monthly, uh, birthday parties. No//normally, I’m very busy on the date, so, and the day--the afternoon before the s=first Saturday, I’ll be here for at least two hours, three hours, to arrange the tables and the chairs and to get ready the cups and things like that. And, uh, on the day itself, as what the president says, I’m always the first to come on the first Saturday of the month. And I’m always, uh, one of the last to go off can say it’s one whole day here on the first day of every month (Grace II, Zeile 11-26). And then where our committee members are concerned, well, as for myself, I feel I’m, I’m working hard for the, for the club. But, other members, it’s either due to their other commitments, they, they, they are not seen in the clubhouse that often. They may only come for their meetings. That is once a month you see the person. But, we have a regulation here. If you are absent for three times during a monthly meeting, you’re out, meaning, meaning you’re not interested. So, there’s no point keeping you in the committee (Grace II, Zeile 170-177). Bei den vorangegangenen Ausschnitten handelt es sich um eine Zusammenstellung von Interviewpassagen mit dem Clubmitglied Grace, in denen sie beschreibt, was Clubbing für sie bedeutet. Anders gesagt: Sie beschreibt, wie sie sich in den Club integriert. In diesen Passagen wird nun deutlich, dass auch sie wieder ein anderes Verständnis von Clubbing hat als die anderen Clubmitglieder. Clubbing ist für sie nicht etwa, den Club zu managen, zu beraten oder etwa im Sinne eines offenen Clubbings »herumzuhängen«, vielmehr lässt sich Graces Clubbing, überspitzt formuliert, auf die folgende Formel bringen: Es geht darum, ihren Workaholismus zu stillen. Und so ist, wann immer sie ihr Dasein im Club umschreibt, dieses durch das Konzept von »Arbeit« durchzogen: I’m--I consider myself a workaholic. So, I like working; so, in appreciation of my

89

90

Wanna go Clubbing?

act=my work to our s=club, I’m working hard for the, for the club. Und, so lässt sich aus einer anderen Perspektive gleichsam sagen: Der Club gibt auch hier wieder den Raum, dass sich auch Grace auf ihre spezielle Art und Weise – wenn auch immer mit der Erlaubnis Mr. Chus, worauf später noch näher einzugehen ist – in den Club hinein definieren kann. Im Interview beschreibt Grace ihren Zugang zum Club zunächst als eine Art Experiment (I didn’t know much about the club then. […] So, I just came in), jedoch von der Motivation getrieben, einen Ort der Zugehörigkeit zu haben: But, uh, I just wanted to be, to belong somewhere. Kaum jedoch in den Club als Mitglied aufgenommen, ist sie damit beschäftigt, sich ihre eigenen Arbeitsprojekte – unabhängig davon, ob ihre »Arbeitskraft« hier wirklich gebraucht wird – zu suchen. So ist bemerkenswerterweise ihr erster Eindruck vom Club nicht etwa darauf gerichtet, welche Angebote man hier konsumieren kann oder dass man hier seine Peers treffen könnte, sondern dass es hier Arbeit für sie geben könnte: And then the first impression of this place was at the time, Mr. Chu was already the--one of the, the president. And I thought he was, uh, very busy. So, I thought I can help him in some ways. Und so ist ebenso bemerkenswerterweise ihre erste Amtshandlung, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und dem Präsidenten, egal wie, auf irgendeine Art und Weise in some ways, sort of zur Hand zu gehen. Ein zweites Projekt, das sie sich gesucht hat, ist der gardening part. Auch hier das gleiche Muster: Im Grunde, so scheint es, ist allen egal, ob hier Blumen wachsen oder nicht. Sie sieht hier jedoch eine Aufgabe für sich, die ihr abverlangt, zumindest im Sommer, jeden Tag in den Club zu kommen, um den Garten zu bewässern. Ein drittes Projekt, ihr Hauptprojekt, für das sie die Verantwortung übernommen hat, ist schließlich ein wahres Prestigeobjekt: die Organisation der monatlichen pot luk party. Auch hier ist sie, ganz der Workaholic, von früh morgens bis spät abends, ja sogar schon am Tag zuvor, damit beschäftigt, diese Party zu organisieren. Dass Graces Verständnis von Clubbing über eine irgendwie lapidare Freizeitbeschäftigung hinausgeht und den Charakter von Arbeit und Verpflichtung trägt, macht auch der Vergleich offenbar, den sie in der letzten Interviewpassage zwischen sich und den anderen committee members aufmacht. Ihr Clubbing, in einer bestimmten Position als harte Arbeit konzeptioniert, stellt hier die Messlatte dar, an der sie das Clubbing der anderen misst. Dass ihre Committee-Kollegen dabei nur einen Mindeststandard an Arbeit im Club erfüllen, reicht ihr dabei nicht und sie sieht das kritisch. »Looking for boy-friend« – Die offenen Clubber

Clubbing kann sich jedoch auch wieder ganz anders als bisher beschrieben darstellen, und zwar so, wie es nun im Folgenden unter der Überschrift »offenes Clubben« beschrieben wird – und erst einmal, ganz lapidar formuliert, ein

4. Everything is possible!

»Herumhängen im Club« fasst. Die Begrifflichkeit des »offenen Clubbens« hier zu wählen, ergibt sich daraus, dass die Assoziation zu dem offenen Bereich in einem Kinder- und Jugendclub naheliegt.56 Mir ist wieder langweilig und so hole ich mir eine Zeitung vom Zeitungsständer. Ich denke noch, dass heute wohl nicht viel passiert, da sehe ich Mr. Kao vorfahren […]. Noch bevor er jedoch auf den Hof kommt, betritt auf einmal Jack den Hof. Er schlendert auf den Vorhof […] und setzt sich dann zu mir. Kurz darauf kommt auch Mr. Kao. Er nimmt sich wie immer eine Zeitung vom Zeitungsständer und hat auch wie immer seinen Rucksack und seine riesige Trinkflasche dabei. Er macht den Ventilator an und fragt mich: »You were early this morning?« Und ich sage, dass ich so gegen 10 hier war. Irgendwie kommt es dann darauf, dass Jack auch gerade erst gekommen ist und Mr. Kao sagt zu ihm: »So what did you do? Cook and clean?« Und der lacht. […] Mr. Kao setzt sich an den anderen Tisch und Jack fragt: »So how are you Kao?«, und er sagt, dass es ihm gut gehe. Dann liest er seine Zeitung. Dann widmet sich Jack wieder mir und fängt wieder an, zu philosophieren – er will mir, so hat er gesagt, wo viel wie möglich über Malaysia beibringen. Thema heute ist: das Ende der Welt. Er habe da so etwas in der Zeitung gelesen und wolle wissen, was ich dazu sage, ob das Ende der Welt kommen würde? […] Nach ca. 20 Minuten Monolog ist ein bisschen Stille. Ich lese in meiner Zeitung und auch Jack holt sich die letzte von den drei verschiedenen Zeitungen aus dem Zeitungsständer, eine chinesische. Wir drei, Mr. Kao, Jack und ich lesen also Zeitung. […] Dann, so gegen viertel nach elf, kommen ein Mann und die eine der drei Mahjong-Damen. Der Mann kommt direkt zu mir und fragt mich »ah, you are new here« und stellt sich als Edward vor. Die Frau sei seine Frau, sagt er. Jack sagt sofort zu dem Mann »take a seat« und bietet ihm den Platz an unserem Tisch an. […] Die Frau setzt sich zu uns und sie und Jack unterhalten sich auf Chinesisch. Kurz darauf gehen die beiden, Edward und seine Frau ins Haus. Kurz darauf geht auch Jack ins Haus. Ein weiteres Paar betritt den Hof. Die Frau geht auch sofort ins Haus. Der Mann stromert ein bisschen auf dem Vorhof herum. Dann nimmt er sich eine Zeitung, legt sie auf einen der Tische und liest sie im Stehen. Dann kommt er mit seiner Zeitung rüber zu dem Tisch, an dem ich sitze, legt sie darauf und fragt mich, ob ich oft herkomme, er habe mich nun schon öfter 5 | Vgl. hierzu bspw. Deinet 2009. 6 | Auch wenn es hierbei sicherlich Unterschiede gibt, die allein unter anderem damit begründet sind, dass dieser Bereich in den senior citizens clubs nicht als halböffentlich markiert ist, da im Unterschied zu den meisten Kinder- und Jugendclubs eine Mitgliedschaft erforderlich ist – woraus sich wiederum eine unterschiedliche Dynamik für diesen Bereich ergibt (vgl. z.B. Deinet 2009; Cloos/Köngeter/Müller/Thole 2007).

91

92

Wanna go Clubbing?

gesehen. Ich sage, dass ich jeden Tag komme und er sagt: »Oh, you are so free.« Ob ich ein housemaker sei? Ich verstehe nicht. Ob ich verheiratet sei und den Haushalt machen würde? Ja und nein, sage ich. Er guckt etwas pikiert. Ob ich Kinder hätte? Nee, sage ich. Ach, deshalb sei ich so free. Edward kommt aus dem Haus und setzt sich an den Tisch, der ganz vorne auf dem Vorhof steht. Er spielt an seinem Smartphone herum. Kurz darauf kommt auch seine Frau zu ihm, eine weitere Frau kommt auf den Hof und stellt sich dazu und auch John. Die vier sehen sich Fotos an (Protokoll 02.11.2012, Zeile 64-112). Zunächst einmal lässt sich sagen, dass auf den ersten Blick ein offenes Clubben dadurch gekennzeichnet ist, dass es wenig vordefiniert ist. Betrachtet man das räumliche Arrangement – und darauf wurde bereits in Kapitel 3 hingewiesen –, so bietet der Raum zunächst einmal wenig Nutzungsvorschläge (vgl. Schulz 2009). Lediglich der Zeitungsständer sowie die Tische und Stühle geben wenige Hinweise darauf, wie der Raum genutzt werden könnte. Auch im Hinblick auf ein zeitliches Arrangement ist ein offenes Clubben wortwörtlich offen. Es sind keine Zeiten festgesetzt, in der dieses offene Clubben nun stattfindet, etwa nach dem Motto »von 10 bis 13 Uhr treffen wir uns« und in dieser Zeit sind alle Interessierten von Beginn bis Ende anwesend – und gehen etwa einer festgelegten Tätigkeit nach. Vielmehr müssen Raum und Zeit irgendwie interaktiv gefüllt werden. Und das werden sie auch. Offenes Clubben zeichnet sich dabei durch eine Dynamik aus, die sich daraus ergibt, dass ein ständiges Kommen und Gehen stattfindet, sich immer neue Grüppchen bilden, »Neuankömmlinge« immer wieder eine neue Dynamik in den Grüppchen auslösen, eine Parallelität an Möglichkeiten entsteht und die Clubber auch immer wieder zwischen diesen verschiedenen Möglichkeiten hin und her wechseln. Betrachtet man zunächst den Beginn eines normalen offenen Clubbingalltags, so lässt sich sagen, dass für den Einstieg die Zeitung eine wichtige Funktion übernimmt. Sie ist zum einen ein Mittel, um – solange man noch allein im Club ist, wie hier die Beobachterin – die Langeweile zu vertreiben und darauf zu warten, dass es mit der Ankunft von mehr und mehr Clubbern im Club endlich »richtig losgeht«. Sie ist zum anderen aber auch Teil eines Rituals, um im Club erst einmal anzukommen, wie z.B. für Mr. Kao, der wie immer eine Zeitung vom Zeitungsständer nimmt und auch wie immer seinen Rucksack und seine riesige Trinkflasche dabei hat, oder auch wie z.B. für den Mann, der zunächst ein bisschen auf dem Vorhof herumstromert, nicht so recht zu wissen scheint, was er jetzt tun soll, und dann die Zeitung als vorläufig rettenden Anker findet. Im Folgenden wird die Zeitung sodann zum einen zu einem Medium, über das ein gemeinschaftliches offenes Clubben hergestellt werden kann, denn so sind Themen in der Zeitung ein Aufhänger, um ins Gespräch zu kommen – Thema heute ist: das Ende der Welt. Er habe da so etwas in der Zei-

4. Everything is possible!

tung gelesen. Zum anderen wird die Zeitung aber auch zu einem Mittel, über das ein gemeinsames Dasein im Club sichergestellt wird, ohne dass es irgendwie peinlich werden könnte. Die Zeitung wird zu einem Rückzugsort, wenn man sich nicht am Gespräch beteiligen möchte oder wenn der Gesprächsstoff vorläufig ausgeht: Nach ca. 20 Minuten Monolog ist ein bisschen Stille. Ich lese in meiner Zeitung und auch Jack holt sich die letzte von den drei verschiedenen Zeitungen. Dann liest man eben gemeinsam, aber jeder für sich, Zeitung. Auch für den herumstromernden Mann scheint die Zeitung eine gewisse Sicherheit und einen potenziellen Rückzugsort in der Kontaktaufnahme zu einer fremden Person, der Beobachterin, zu bieten. So ist die Zeitung zunächst, wie beschrieben, der Anker, um sich erst einmal im Club zu orientieren. Der Mann scheint seinen Clubtag nicht mit Zeitunglesen füllen zu wollen, schließlich liest er im Stehen, und kommt dann recht schnell rüber zu dem Tisch, an dem die Beobachterin sitzt. Dabei bringt er seine Zeitung mit, zudem geöffnet, um jederzeit darin weiterlesen zu können, so wie er es schließlich auch tut, da die Kommunikation zwischen ihm und der Beobachterin letztlich auch nicht wirklich erfolgreich verläuft. Der oben abgetragene Protokollausschnitt sowie der nun folgende zeigen, dass sich mit dem Ankommen weiterer Clubber eine neue Dynamik im offenen Clubben entfaltet. Es bildet sich eine Parallelität an Möglichkeiten des Daseins beim offenen Clubben, zwischen denen auch hin und her gewechselt wird: Hier auf dem Hof ist nicht mehr viel los. Kao liest seine Zeitung, die Dame liest Zeitung und der Mann stromert herum. Ich […] will wissen, was im Haus vor sich geht, will aber auch nicht stören. Ich lungere also ein bisschen an der Eingangstür herum. Drinnen sehe ich, dass dort Mr. Smith an seinem Tisch sitzt. […] um den einen Tisch: Mr. Chu, John, Jack, der Mann mit dem Schlaganfall und Edward. Als Mr. Chu mich sieht, ruft er wie immer mit strengem Tonfall, aber nett gemeint zu mir: »Come in.« Und dann in dem gleichen Tonfall: »Take a seat.« Ich setze mich […]. Ich sehe, dass auch wieder der Mahjongtisch aufgebaut wurde und die Steine schon zum Spielen bereit liegen. Ich […] werde erst einmal ein bisschen von Mr. Chu ausgefragt: Wo ich hier wohne, wie viel mein Zimmer kostet, wie ich immer hierher komme, wo der Bus hält […]. Dann unterhalten wir uns über Continental und Goodyear […]. John und Edward unterhalten sich auch über etwas anders. Jack sitzt neben mir und ich beobachte, wie er dem Mann, der einen Schlaganfall hatte, sachte über die linke Hand streichelt, die an einer Stelle ganz dick und gelähmt ausschaut. Sie unterhalten sie auf Chinesisch über etwas. Dann nimmt Jack den linken Arm des Mannes in seine beiden Hände und beginnt ihn zu massieren. Jack sagt dann, dass er mich sehr mutig findet; dass ich allein in ein fremdes Land komme und hier die Altenclubs besuche. Mr.

93

94

Wanna go Clubbing?

Chu winkt ab: Naja, so allein wäre ich ja nicht wegen meines Mannes und auch sie, z.B. er, hätten früher allein an einen fremden Ort losgemusst. Der Mann mit dem Schlaganfall steht dann auf und setzt sich zu Mr. Smith vor dem Schreibtisch und unterhält sich mit ihm. Nach einer Weile winkt Mr. Chu ihm zu und sagt etwas zu ihm, dass ich so interpretiere, dass er doch wieder rüber kommen soll an unseren Tisch. Der Mann winkt aber ab und unterhält sich weiter mit Mr. Smith (ich glaube, er versteht kein Englisch, eben wurde aber am Tisch die ganze Zeit englisch gesprochen) (Protokoll 02.11.2012, Zeile 122-146). Wie gesagt, recht dynamisch und fluide entstehen nun verschiedene und erweiterte Möglichkeiten des Daseins, verschiedene Anlaufstellen im Club, zwischen denen man wechseln kann, wenn einem der Sinn danach steht – wenn nach eigenem Befinden zu wenig los ist, wie für die Beobachterin, oder wenn man nicht mehr versteht, wie der Mann mit dem Schlaganfall. Draußen könnte man weiterhin mit der Gruppe Zeitung lesen, ständig bilden sich kleine Grüppchen, in denen sich unterhalten wird, die sich aber auch schnell wieder auflösen. Drinnen könnte man Mahjong spielen, es bildet sich aber auch jene größere Gruppe, in der ebenso unterschiedliche Gespräche stattfinden, zwischen denen man wechseln kann, aus denen man jederzeit aussteigen kann, und auch Mr. Smith bleibt eine feste Größe, mit der man immer wieder ins Gespräch kommen kann. Offenes Clubben ist etwas sehr Dynamisches und Fluides und davon gekennzeichnet, dass ein ständiges Kommen und Gehen stattfindet, ständig und schnell neue Gegebenheiten entstehen. Auffällig ist ferner, dass das offene Clubben als etwas Gemeinschaftliches hergestellt wird, und zwar in dem Sinne, dass jeder in die Gruppen hereingeholt wird. So wird mit der Beobachterin, der Neuen, stets Kontakt aufgenommen: Der Mann kommt direkt zu mir und fragt mich »ah, you are new here« und stellt sich als Edward vor; er fragt mich, ob ich oft herkomme, er habe mich nun schon öfter gesehen; sie wird aktiv durch das strenge »come in« und »take a seat« in die Gruppe geholt. Auch Jack begrüßt Edward mit »take a seat«, Sprachen werden geswitcht, es wird versucht, jemanden in die Gruppe zurückzuholen – Nach einer Weile winkt Mr. Chu ihm zu und sagt etwas zu ihm, dass ich so interpretiere, dass er doch wieder rüber kommen soll an unseren Tisch. Auch über körperliche Berührungen, wie das Massieren einer sensiblen Stelle und damit der Herstellung von Nähe, wird hier jemand in die Gruppe eingebunden, da keine sprachliche Kommunikation möglich ist. Während nun in der vorangegangenen Szene die Gruppe vor allem ein offenes Männerclubbing beschreibt, das so ein wenig dahinplätschert, und man sich über Themen wie Krankheiten zu unterhalten scheint, man über Industrie, Gegebenheiten in Kuala Lumpur, alte Zeiten spricht und ein wenig Smalltalk betreibt, ändert sich die Dynamik der Gruppe sodann erneut mit der Ankunft einer Clubberin:

4. Everything is possible!

Dann kommt Isabella, […] und bringt frischen Wind mit […] Isabella, die mir letztes Mal erzählt hat, dass sie 52 Jahre alt ist, hat ein Foto dabei, das sie selber zeigt. Es ist ein Porträtfoto von ihr; sie trägt auf dem Foto eine große Sonnenbrille, lächelt in die Kamera und macht das Peacezeichen dabei. Sie zeigt es am Tisch herum und sagt dann dazu, dass sie es hier im Club aufhängen wolle mit dem Untertitel: »Looking for boy-friend«. Alle lachen. Jack steht auf, nimmt das Foto vom Tisch in die Hand, stupst Isabella von der Seite an und sagt lachend »how much, how much«? Jack sagt weiter, dass das wohl ihre Schwester auf dem Foto sei? Alle lachen wieder. […] Isabella packt dann ihr Smartphone aus und zeigt Bilder von Nierensteinen […] John, der neben mir sitzt, lehnt sich zu mir herüber und sagt, dass viel Bier trinken gut gegen Nierensteine sei, da dann die Nieren so richtig durchgespült werden würden. Er würde dann und wann auch Bier trinken, z.B. zum Oktoberfest. […] Isabella zeigt weiter Fotos von ihrem Smartphone: ihren Hund. Zu dem Foto sagt sie: »That’s my only daughter«, und lacht. Alle sehen sich das Foto an. Dann beginnt auch Edward, sein Smartphone herauszuholen und Fotos zu zeigen. Er hat nun Fotos, die ihn als Schauspieler […] zeigen. Er geht um den Tisch herum und zeigt es jedem. […] Dazu wird zu den Fotos erklärt, dass Edward früher Schauspieler in Singapur gewesen sei. Er sagt, dass die Fotos aber schon 20 Jahre alt seien. Isabella macht währenddessen Fotos von den Leuten am Tisch. Sie ruft: »Carolin, smile, I make a photo to remember«. Dann sagt sie zu John: »Uncle, smile« und zu Mr. Chu: »smile«. Dann sieht sie sich Mr. Chus Foto an und sagt dazu »sweet«. Edward macht dann ein Foto von John mit seinem Smartphone und sagt, dass er es John schickt (Protokoll 02.11.2012, Zeile 148-174). Mit dem Ankommen eines weiteren Clubmitgliedes, Isabella, einer Dame, kommt eine neue Dynamik in die Sache: Sie bringt frischen Wind mit. Und an dieser Stelle erhält auch die Assoziation zu einem Jugendclub erneuten Aufschwung. Denn bis auf einige bereits wohlbekannte Spannungen und Brüche, wie die Thematisierung von Nierensteinen und wie dagegen Abhilfe geschaffen werden kann oder der Hinweis auf das Alter von Isabella, könnte eine derartige Szene auch ähnlich in einem Jugendclub stattfinden, erinnern Flirten, Themen wie Partys, Alkohol, looking for boyfriend, ungewöhnliche »verrückte« Fotos zeigen, mit dem Smartphone herumspielen, sich über das Smartphone inszenieren, Fotos machen doch an einen solchen Jugendclub. Mit der Ankunft Isabellas inszeniert man sich neu bzw. wird neu inszeniert und die Stimmung wird »flirty«. Isabella ist hier die Coole, die mit ihrem Foto, auf dem sie sich als Junggebliebene inszeniert, kokettiert, es extra mit in den Club mitbringt, um es den Männern zu zeigen und über dieses in humorvoller Weise kundzutun, dass sie Single und auf der Suche ist. Sie flirtet, indem sie Fotos von den Männern macht, sie zum Lachen bringt und die Fotos mit Kom-

95

96

Wanna go Clubbing?

plimenten belegt: »sweet«. Die Männer ihrerseits sitzen nun nicht mehr so gemütlich wie zuvor beieinander, denn so nehmen auch sie Fahrt auf und steigen in die von Isabella erzeugte Dynamik ein. Auch sie werden nun »flirty«, necken Isabella körperlich, ärgern sie ein bisschen mit Worten und inszenieren sich in der Gruppe als humorvolle Draufgänger, die das Foto von ihr kaufen würden, dann und wann auf Partys gehen, unkonventionelle und aufregende Karrieren als Schauspieler hinter sich haben. Selbst Mr. Chu, sonst der strenge und autoritäre Topmanager, erscheint hier nun gänzlich anders, nämlich ebenso als potenzieller Flirtpartner, den man nun auch als »sweet« betiteln kann. Schließlich scheint hier nun das Smartphone als moderne Variante der Tageszeitung die Funktion zu bekommen, die Kommunikation am Laufen zu halten und der Gruppe nun immer wieder eine neue Dynamik zu verleihen. So zeigt man sich, und zwar allen am Tisch, nun Privatheiten, spielt mit dem Smartphone herum und schießt Fotos von sich, um diesen Moment festzuhalten und die Fotos zu verschicken. Isabella, die Coole und Junggebliebene, gibt den Startschuss hierfür; die Männer steigen, ebenso cool und jung geblieben, ein. Nun, in den Club in Taman Ampola eintauchend, zeigt sich ein ähnliches Bild wie im Club in Taman Flula– eine breite Anzahl an unterschiedlichen Mitgliedschaftsrollen. »Sie habe zwar nun keine Erfahrungen mit Altenclubs, aber sie sei kreativ, könne organisieren, managen und Probleme lösen« – Evelyn, die Managerin

Wir fahren dann am alten Königspalast vorbei und Evelyn erzählt mir, dass sie für den vorherigen König die Innenausstattung des Palastes gefertigt habe. Nach ihrem retirement habe sie dann etwas für die old folks machen wollen und sei deshalb bei MAFEP eingestiegen. Die letzten 6 Monate habe sie das ganz schön auf Trab gehalten, denn es würde auch einige Probleme geben – sie sei sich sicher, dass Alexander mir auch Geschichten erzählen würde. Probleme hier, Probleme da. Alte Leute seien oftmals sehr »emotionally«, sagt sie, und hielten eben an ihrer Meinung fest. Sie erzählt davon, dass sie die neue Regel eingeführt habe, dass man im Karaokeraum nicht mehr essen und trinken dürfe. Hätten sich natürlich einige drüber aufgeregt. Würde aber nicht gehen, sagt sie. Wenn dort etwas schmutzig gemacht werden würde, dann würden die Ameisen kommen, und wer würde es dann wegmachen? Im Club gebe es rumours hier und rumours dort, sie wolle da nicht mit hineingezogen werden. Ihre Philosophie sei, dass ja Probleme dazu da seien, um sie zu lösen. Wenn etwas nicht klappen würde, dann würde sie nicht aufgeben, vielmehr sagen, gut, dann hat es jetzt nicht geklappt, dann versuchen wir es halt noch einmal. Die letzten 6 Wochen jedenfalls sei sie fast jeden Tag im Büro gewesen. Wie es halt immer so wäre mit volunteering. Hätte man eine Idee, dann müsse man sich auch darum kümmern,

4. Everything is possible!

daher würde sie manchmal schon den Mund halten. Sie würde halt für viele Aufgaben eingespannt, da die Leute sagen würden, dass sie das kann. Ja, stimme auch. Sie habe zwar nun keine Erfahrungen mit Altenclubs, aber sie sei kreativ, könne organisieren, managen und Probleme lösen (Protokoll 26.11.2012, Zeile 168-187). Der Protokollausschnitt beschreibt eine Begebenheit, bei der mehrere Clubmitglieder und die Beobachterin zusammen im Auto fahren und dabei den Königspalast passieren. Der Palast wird zum Aufhänger, durch den Evelyn und die Beobachterin ins Gespräch kommen und in dem Evelyn letztlich ihre Auffassung von ihrer Rolle und ihrer Tätigkeit im Club kundtut: Clubbing ist für sie managing the club! Diese Interpretation lässt sich an verschiedenen Punkten ihres Erzählens untermauern. Dass Evelyn ihr Dasein im Club als Managementaufgabe herstellt, lässt sich zunächst daraus herauslesen, dass sie beschreibt, dass sie für ihr Dasein im Club bestimmte Kompetenzen als notwendig erachtet: Sie sei kreativ, könne organisieren, managen und Probleme lösen. Dabei handelt es sich um solche Kompetenzen, derer es bedarf, um allgemein eine Organisation zu leiten, zu steuern, zu führen, zu kontrollieren, sprich: zu managen, unabhängig von dem konkreten Produkt bzw. der angebotenen Dienstleistung der Organisation. So ist es nach Evelyn, wie im Management üblich, auch nicht weiter schlimm, dass sie sich mit dem Angebot ihrer Organisation nicht weiter auskennt – Sie habe zwar nun keine Erfahrungen mit Altenclubs. Denn sie ist auch gar nicht auf »operativer« Ebene tätig, schließlich ist Clubbing für sie ein Bürojob: Die letzten 6 Wochen jedenfalls sei sie fast jeden Tag im Büro gewesen. Des Weiteren wird sichtbar, dass sie Clubbing als managing the club versteht, da sie sich selbst als außerhalb der Gruppe der anderen Clubmitglieder konzeptioniert und dabei nicht nur als außerhalb, sondern auch höher als die anderen Clubmitglieder positioniert. Sie muss diese Gruppe leiten, führen und kontrollieren. Sie nimmt für sich in Anspruch, neue Regeln einführen zu können (die neue Regel eingeführt habe, dass man im Karaokeraum nicht mehr essen und trinken dürfe), diese auch gegen Widerstände durchzusetzen (Hätten sich natürlich einige drüber aufgeregt. Würde aber nicht gehen, sagt sie) und die Definitionsmacht zu haben, diese Widerstände gegen ihre sachliche, ernst zu nehmende Argumentation als eher nicht allzu ernst zu nehmenden Affekt (emotionally) sowie eine fast schon negative Wesenhaftigkeit von alten Menschen, Sturheit (hielten eben an ihrer Meinung fest), abtun zu können. Daneben zeichnet sie das Bild einer erfolgreichen Managerin von sich, die mit Attributen ausgestattet ist, die eine Führungskraft benötigt. Während die anderen alten Leute oftmals sehr »emotionally« seien, geht sie mit sachlichen Argumenten vor. Während die anderen einfach nur stur sind, ist sie durchsetzungsstark und drückt ihre Regeln mit sachlichen Argumenten durch. Während die anderen dem Klatsch

97

98

Wanna go Clubbing?

und Tratsch frönen, Gerüchte streuen, so lässt sie sich in die Gerüchteküche nicht mit hineinziehen, sondern packt die Probleme auch bei Niederlagen an und gibt nicht auf. Sie ist innovativ und hat so viele Ideen, dass ihre »Arbeitszeit« schon gar nicht mehr ausreicht, diese alle umzusetzen. »Er gehört zum Headquarter und ist dort der development officer« – Theo, der Rentner, »hauptamtlicher« development officer, Reiseveranstalter und Pädagoge

Hinter den Plastikstühlen steht ein älterer Herr, der sich mir als Theo vorstellt […]. Nachdem ich ihm berichtet habe, warum ich hier bin, stellt er sich genauer vor: Er gehört zum headquarter von MAFEP und ist dort der development officer. Er fahre durch die verschiedenen Clubs und schaue, ob alles in Ordnung sei oder ob es Beschwerden gebe. […] Ich frage ihn, ob das auch volunteering sei, und er sagt jaja, alles volunteering, er ist ja schon retired. […] Dann bittet er mich, mich doch mit ihm hinzusetzen. Er sagt, dass sie auch gerade eine Umfrage machen würden, denn sie hätten ein großes Problem. Die Kinder der seniors würden immer denken, dass es sich bei dem senior citizens club um ein old folks home handele, sei er ja aber gar nicht. Sie wüssten nichts darüber und die Eltern würden dann nicht herkommen. Er ermutigt die Älteren hier immer, ihre Kinder doch mal mitzubringen, auch wenn sie festivals haben. […] Dabei sei es wichtig, dass die Alten hierherkommen und an den Aktivitäten teilnehmen. Wenn sie nur zu Hause sitzen würden und Fernsehen schauen, dann würde es immer mehr »bergab gehen« – dies zeigt er mit einer Geste an, die von oben nach unten zeigt. Aktivitäten seien wichtig, ob nun zum Beispiel singen, tanzen oder volunteering. Wenn die Älteren hier Karaoke singen würden, sei das auch gut für den Körper, dass sich beim Singen die inneren Organe bewegen würden. Und beim Tanzen die Arme und die Beine. [….] Theo ist in der Zwischenzeit zum Karaoke gegangen und singt mit Lily ein chinesisches Lied im Duett. […] Nachdem ich dann gesungen habe, gehe ich wieder auf meinen Platz bei Theo, der mich fragt, ob ich tanzen kann. Eigentlich auch nicht so richtig, aber er fordert mich dann auf und wir tanzen auf dem Hof dann Walzer. Als das Lied zu Ende ist, drückt er mich näher an sich und sagt, dass so Eheleute zusammen tanzen würden, und lacht (Protokoll 24.05.2011, Zeile 19-90). Auf der Busfahrt unterhalten Theo und ich uns. Er holt Bustickets aus seiner Bauchtasche und sagt, dass er diese eben noch besorgt hätte wegen des Trips nach Pulau. Am Samstag würden sie losfahren, in einem der Doppeldeckerbusse. […] Wir kommen dann noch einmal auf MAFEP und die Organisation zu sprechen. […] Ich frage Theo, wie viele Leute denn in dem headquarter »arbeiten«. »15«, antwortet er. Sie treffen sich einmal oder zweimal im

4. Everything is possible!

Monat und diskutieren dann. Ob alle eine andere Verantwortung hätten? Ja, sagt er, alle für etwas anderes, andere departments zuständig. Er sei developer und wenn er auf solch einem Treffen gefragt würde, dann müsse er auch reporten. Er kümmere sich auch um Beschwerden. Was das denn für Beschwerden seien, frage ich ihn. Das wäre z.B., wenn das Essen nicht gut ist, wenn es immer das Gleiche gebe und keine Abwechslung. Oder z.B. Beschwerden über eine Busfahrt, wenn diese nicht gut sei. Er versuche dann immer erst mit den Leuten zu reden, wenn das nichts nütze, gebe es einen offiziellen Beschwerdebrief mit dem Brief kopf von MAFEP. […] So wie hier im Bus, das seien vor allem Alte. Vor allem Alte würden in die Genting Highlands fahren, und zwar aus zwei Gründen: wegen der frischen Luft dort oben und wegen des Kasinos. Er sage den alten Leuten immer, ein bisschen Spielen sei ja ok, aber nicht zu viel. Viele der Alten würden dann die ganze Zeit im Kasino verbringen, dort sei ja aber die Luft wegen der Klimaanlage nicht gut, die frische Luft draußen würden sie nicht genießen. Er sage den alten Leuten auch immer, kommt doch in unseren Club, dort könnt ihr singen und tanzen und eure Zeit verbringen, nicht ins Kasino gehen (Protokoll 25.05.2011, Zeile 42-64). Viele der Älteren, »the uncles and aunties«, so Theo, […] würden kommen, aber die Kinder dürften nichts davon wissen. Sie hätten halt nichts zu tun und würden dann zu Hause sitzen. Sie würden dann immer zu der Uhrzeit nach Hause fahren, dass sie rechtzeitig da sind, so dass die Kinder nichts mitbekommen. Viele hätten zu Hause auch Ärger, viel Streit mit dem Ehepartner oder den Kindern. Dann würden sie halt hierher kommen, seien zu Hause weg und es gebe keinen Streit. Wenn sie dann abends wieder kommen würden, dann würden sie ja nur noch kochen und dann schlafen gehen. […] Er sage immer zu den senior citizens, sie sollen doch in den Club kommen, wenn sie immer nur zu Hause sitzen würden, dann hätten sie auch irgendwann »loss of memory«. Er sage immer zu ihnen: Ihr seid nicht alt, ihr seid noch jung und könnt so viel machen. Es gebe so viele Aktivitäten, die man machen könne (Protokoll 25.05.2011, Zeile 193-225). Die vorangegangenen Protokollausschnitte sind eine Zusammenstellung von Szenen, die beleuchten, wie sich ein weiteres Clubmitglied, Theo, im Club inszeniert. Ausdrucksvoll war in der Interpretation dieser Passagen ein Satz eines Mitgliedes der Interpretationsgruppe, der den Gesamteindruck zusammenfasste: »Wir wissen mal wieder überhaupt nicht, wo wir sind«. Die Irritation, die sich in dieser Aussage widerspiegelt, rührt dabei sowohl daher, dass die Inszenierung Theos einer anderen Logik folgt als jene, wie sie bei der Herstellung anderer Mitgliedschaftsrollen aufgeschienen ist, als auch daher, dass die Inszenierung Theos in sich verschiedene Brüche aufweist.

99

100

Wanna go Clubbing?

In der ersten Begegnung mit der Beobachterin stellt Theo sich ihr in der Rolle des development officers, der zum headquarter gehöre, vor. Allein in dieser ersten Vorstellung wird schon durch die Wortwahl der Eindruck erzeugt, man befinde sich hier in einer großen Organisation, wie in einem Konzern oder vielleicht sogar beim Militär. Eine große Organisation, die eben ein headquarter aufzuweisen hat, das für den Erfolg der Organisation verantwortlich ist, in dem wiederum Theo als development officer, als hoher Angestellter für die Entwicklung einer Organisation, professionell und hauptamtlich tätig ist. Diese Inszenierung als ein professioneller Hauptbeamteter für Entwicklung führt Theo fort. Er ist verantwortlich für ein eigenes department, für seine Abteilung, und er ist dabei mit den Aufgaben eines regelrechten Qualitäts- und Innovationsmanagements betraut. Diese Aufgaben werden von ihm als bedeutungsvoll und äußerst ernst zu nehmend hergestellt. Als Qualitätsmanager muss er sich um die Beschwerden der Clubmitglieder, seiner »Kunden«, zu kümmern. Dabei werden scheinbar banale Dinge, wie Beschwerden darüber, wenn das Essen nicht gut ist, wenn es immer das Gleiche gebe und keine Abwechselung oder Beschwerden über eine Busfahrt, wenn diese nicht gut sei, von ihm eben nicht als banal abgetan, sondern er schreibt ihnen eine enorme Bedeutung zu, indem er eine offizielle Regelung des Problems, sogar mit Briefkopf (!), vornimmt, um eben die Qualität der Clubs für seine Kunden zu sichern. Ferner ist er stets auf Tour durch die Clubs, um sich der Beschwerden der Clubmitglieder anzunehmen. Darüber hinaus ist er als Innovationsmanager tätig, der den Club vorantreiben muss. Und auch dabei geht er äußerst professionell vor: So kategorisiert er sich und die Beobachterin in der ersten Szene in ähnlicher Weise als externe Beobachter – sich als Experten zusammen zur Seite setzen, da man sich professionell austauschen kann –, die mit wissenschaftlichen Methoden (sie würden auch, wie die Beobachterin, gerade eine Umfrage machen) den Club analysieren, um daraus Schlüsse zur Behebung eines Problems zu ziehen. Und dieses Problem beläuft sich darauf, die Stigmatisierung und das Label eines old folks homes loszuwerden, um mehr Kunden akquirieren zu können. Diese gesamte Inszenierung setzt sich damit fort, wenn Theo davon spricht, dass Sie [die Leute vom headquarter] sich einmal oder zweimal im Monat treffen und diskutieren. […] Er developer sei und wenn er auf solch einem Treffen gefragt würde, dann müsse er auch reporten. Wie in einer Vorstandssitzung wird er zum Rapport bestellt. Er hat die Verpflichtung, mit seinem report einer übergeordneten Instanz Rechenschaft darüber, was er macht, abzulegen. Er muss mit seinen reports Informationen und Transparenz liefern, damit diskutiert und der Club weiterentwickelt werden kann. Diese Inszenierung eines professionellen, hauptamtlichen development officers bricht sich jedoch sodann an mehreren Stellen innerhalb der Abschnitte. Ein erster solcher Bruch zeigt sich in der Spannung zwischen jener Inszenierung einer professionellen, hauptamtlichen Tätigkeit auf der einen Seite,

4. Everything is possible!

dann aber auf der anderen Seite auch in der Hervorbringung, dass es sich ja gar nicht um eine solche hauptamtliche Tätigkeit handelt, sondern, und nun wird Theo selber eher »flapsig«, dass es sich hier ja um ein volunteering handle, und zwar nach dem Motto: Jaja, ich bin ein freiwilliger Rentner, der hier mal herumfährt und mal guckt, wie hier gesungen wird und selber auch mal mitsinge. Eine Irritation, wie Theo denn nun in den Club integriert ist, zeigt sich auch in der Protokollierung durch die Beobachterin. In ihrer Frage, ob das auch volunteering sei, protokolliert sie im Vokabular des Feldes. Der Begriff des volunteerings scheint dabei mit dem Setting so sehr verbunden zu sein, so typisch zu sein, dass sie dieses Wort in der Protokollierung verwendet – alle sind hier volunteers. Nichtsdestotrotz ist sie hier durch die Inszenierung Theos so irritiert, dass sie lieber noch einmal nachfragt. Ihre Irritation zeigt sich zudem an späterer Stelle, indem das Wort »arbeiten« in Anführungszeichen gesetzt wird. Die Tätigkeit, die Theo hier beschreibt, hat dabei das Moment des »Arbeitens« im Sinne einer professionellen Tätigkeit: Allerdings zeigen die Anführungszeichen zum einen, dass es sich hier irgendwie nicht um ein »richtiges« Arbeiten handelt, und zum anderen, dass ihr das richtige Wort zu fehlen scheint, um diese Tätigkeit, die Theo ihr hier beschreibt, in ein adäquates Wort zu fassen. Dieser erste Bruch zeigt: Wie alle anderen Tätigkeiten im Club ist auch die Tätigkeit Theos basal als volunteering konzeptioniert. Dabei handelt es sich insgesamt um eine Konzeption, die Theo zum einen die Möglichkeit gibt, sich immer wieder in einer hochprofessionellen wichtigen Rolle zu inszenieren. Gleichzeigt kann er zum anderen jederzeit aus dieser Rolle aussteigen und auch zum Karaokesänger und zum flirtenden Tänzer werden. Die Brüche in der Inszenierung Theos zeigen sich jedoch nicht nur in der Spannung von »professionell/hauptamtlich-freiwilliger Rentner«, sondern ebenso darin – und das ist bereits angeklungen, wenn gesagt wurde, dass er die Rolle des development officers zum Singen und Flirten verlässt bzw. verlassen kann –, dass er sich auch in anderen Rollen inszeniert. So wird er nicht nur in der Szene auf der Busfahrt zu einem Tourismusveranstalter, der auf einmal auch Reisen für die Mitclubber organisiert. Dominanter ist zudem seine Inszenierung, die nun an einen Pädagogen erinnert. Er macht eine Trennung auf, indem er die alten Leute als eine Gruppe kategorisiert, als »the uncles and aunties« 7, zu der er nun, obwohl gleich alt, nicht dazugehört. Vielmehr steht er außerhalb. Zu einem Pädagogen wird er nun, indem er zum einen eine fast erzieherische Note bekommt. Er setzt Normen, ein bisschen Spielen sei ja ok, aber nicht zu viel (erinnert an Jugendliche: ein bisschen Computer spielen ist ja ok, geh doch aber auch mal lieber an die frische Luft!). Er bewertet und kritisiert ihr Verhalten und zeigt ihnen Handlungsalternativen auf, die für sie viel 7 | Im asiatischen Raum wird die Anrede uncles und aunties von jüngeren Menschen gegenüber ihnen Älteren verwendet.

101

102

Wanna go Clubbing?

besser seien: an die frische Luft oder in den Club gehen. Zum anderen wird er hier zum Pädagogen, indem er sich hier in der Rolle sieht, für die alten Leute neue Räume zu eröffnen und sie dazu zu aktivieren, diese Räume zu nutzen. Er bietet ihnen mit dem Club zum einen einen Raum an – und das erinnert an die pädagogischen Diskussionen um Jugendräume der 1980er Jahre, in denen jene u.a. als »›Fluchtpunkt vor dem Elternhaus« (Böhnisch/Münchmeier 1990, S. 117ff.) konzeptioniert wurden –, in dem sie, wie die Jugendlichen, familiären Konflikten, Stress, Ärger, Streit entfliehen können. Zum anderen konzeptioniert er den Raum des Clubs als Raum, in den sich die alten Leute noch einmal ganz neu hinein öffnen können. Altern darf bloß nicht verhäuslicht werden, denn wenn sie nur zu Hause sitzen würden und Fernsehen schauen, dann würde es immer mehr »bergab gehen«, dann hätten sie auch irgendwann »loss of memory«. Vielmehr sollen sie in den Club kommen und sich für einen neuen Lernprozess im Alter öffnen: Ihr seid nicht alt, ihr seid noch jung und könnt so viel machen. Es gebe so viele Aktivitäten, die man machen könne. »Hä, salary?« – Alexander, der angestellte Manager, Bewohner des Clubs und Tanzlehrer

Dann will ich Alexander über den Club ausfragen. […] Unser Gespräch fängt damit an, dass ich ihn frage, warum er denn zum Club komme oder hier wohne oder… ich weiß gar nicht genau, wie ich die Frage formulieren soll, da er ja hier wohnt. In unserem Gespräch kommt nun für mich unerwartet einiges heraus: Alexander ist tatsächlich nicht gut drauf und sagt öfter, dass er unhappy sei. Er sei der Manager des Clubs, hätte also keine andere Wahl. Ich frage ihn, ob er gerne mit den anderen Älteren zusammen wäre. Er sagt, ja, eigentlich würde er seinen Job mögen, weil er viele neue Leute kennen lernen würde. Dann aber wiederum auch nicht, gerade im Moment. Es würde eine Menge Beschwerden über ihn geben, von den ladys. Sie würden ihn raus haben wollen und würden immer zu Evelyn gehen und sich beschweren. »They are cunning«, sagt er. […] Was solle das alles? Sein salary sei klein, wäre nie gestiegen, dann wolle Evelyn ihn aus seinem Zimmer heraushaben und er würde nie Anerkennung bekommen für das, was er tut. Ich frage: »Hä, salary?« Ich dachte, er wäre hier ein Freiwilliger? Nee, er würde ein salary bekommen. Ich frage weiter: Also für den Managerjob? Und das mit dem Tanzen? Das sei seine eigene Sache. Er würde hier den Raum für 140 Ringgit im Monat mieten für seine Tanzstunden. Er habe gedacht, dass der Job hier ziemlich einfach sei, jemand habe ihn gefragt, das hier zu übernehmen, »to control«. Aber jetzt: »a lot of problems«, sagt er. Er sagt noch einmal, dass Evelyn jetzt wolle, dass er ausziehe, sie würden den Raum für den Club brauchen. Wie solle das aber gehen, wenn er hier nicht mehr wohne? Wie solle er dann den Club »controlen«? Und auch ihn, er

4. Everything is possible!

zeigt auf den caretaker, der auf den Hof gekommen ist und die Plastikstühle für morgen, die social night, reinigt. Er alleine hier? Das würde doch nicht gutgehen. Was solle das alles? Würde er sich halt was Neues suchen (Protokoll 23.11.2012, Zeile 23-44). Eine weitere interessante Figur im Club in Taman Ampola stellt Alexander dar. Er ist eine interessante Figur, denn erstens ist er ein besonderes Mitglied, das als einziges über ein Beschäftigungsverhältnis zu einem wesentlichen Teil in den Club integriert ist, und zweitens wird an ihm der permanente Rollenwechsel innerhalb ein und derselben Person noch einmal besonders augenscheinlich. In dem vorangegangenen Gespräch nimmt Alexander nun eine Positionsbestimmung seiner selbst im Club vor und macht die Differenz zu den anderen Clubmitgliedern deutlich. Als bezahlter Manager hat er im Club eine Position inne, so zeigt er eindringlich an, die ihm bestimmte Pflichten auferlegt und die ihm bestimmte Rechte gegenüber den anderen Mitgliedern verleiht. Es ist, im bezahlten Job selbstverständlich, seine Pflicht, jeden Tag in den Club zu kommen – die anderen kommen freiwillig –, und es ist seine Pflicht, den Club zu kontrollieren. Diesen Auftrag »to control« scheint er dabei jedoch nicht nur als seine Pflicht, sondern genauso als sein Recht anzusehen: So konzeptioniert er seine Rolle als Manager als Position, die eben die Autorisation besitzt, den Club und die anderen Clubmitglieder zu kontrollieren und diese seiner Rolle zu unterwerfen. Seinen Job macht er aus eigener Perspektive auch gut, denn schließlich könnte für ihn auch endlich einmal eine Lohnsteigerung herausspringen oder zumindest ein wenig Anerkennung. Auf diese Art und Weise versteht also Alexander den, doch großen Interpretationsspielraum bietenden, Auftrag »to control«. Aber, so die aufgekommene Frage in der Interpretation: Was soll »to control« genau heißen? Geht es hier wirklich um die Ausübung von Kontrolle? Oder vielmehr darum, »nach dem Rechten zu sehen«? Eher um eine Hausmeistertätigkeit? Wie auch immer: Für Alexander scheint dies klar. Er will nicht nur nach dem Rechten sehen, er stellt die Position des bezahlten Clubmanagers vielmehr als ernst zu nehmende Autorität im Club her. Während seine Konzeption seiner Position im Club z.B. von »seinem Angestellten«, dem caretaker, geteilt zu werden scheint – dieser führt schließlich den Auftrag zu putzen aus, während Alexander ihn während des Gesprächs mit der Beobachterin überwacht –, so scheinen die anderen Clubmitglieder seine Sicht der Dinge nicht zu teilen. Und hier lässt sich erneut ein Bruch der Logiken konstatieren. Während Alexander also als bezahlter Manager sich in der Position sieht, eine Autorität des Clubs zu verkörpern, die bestimmte Richtlinien vorgibt und durchsetzt, sehen sich die ladys ebenso in der Position, den Club zu repräsentieren und die Gangart vorzugeben. Und wenn sich Alexander ihnen nicht fügen möchte, dann muss er halt weg. Es kommt hier zu

103

104

Wanna go Clubbing?

einer Spannung zwischen den Logiken, eines bezahlten Jobs mit Rechten und Pflichten auf der eine Seite und der basalen Logik des Clubs von gleichberechtigten Clubmitgliedern und demokratischen Entscheidungsstrukturen auf der anderen Seite (siehe hierzu näher Kapitel 4.3). Alexander selbst versteht sich in der Art und Weise, dass er sich aus seiner Position heraus unterscheiden muss – schließlich bekommt er Lohn und hat einen Auftrag. Von so einem, der nicht einmal durch demokratische Wahlen legitimiert ist, will man sich jedoch im Club nichts sagen lassen. Dieser Bruch von Logiken lässt sich zudem an den Reaktionen der Beobachterin untermauern. Sie kommt hier mit bestimmten Erwartungen in das Gespräch, die sich auf ihren bisherigen Erfahrungen in den senior citizens clubs gründen und damit einhergehend bestimmte Annahmen implizieren, wie im Club Rollen und Funktionen von den Clubmitgliedern nun normalerweise verstanden und ausgestaltet werden. So ist die aufgrund von Erfahrungen gewonnene Schablone, auf der sie hier ihre Fragen formuliert, konstituiert durch das Element einer ehrenamtlichen, freiwilligen Beschäftigung. Gleichzeitig wird jedoch in dem Protokollausschnitt deutlich, dass ihre Erwartungen so nicht erfüllt, vielmehr durchbrochen werden, und dass die Beobachterin hier mit etwas konfrontiert wird, das ihr in dieser Form noch nicht begegnet ist: dass es sich bei dem Manager um eine Position mit Bezahlung, um eine Art Beschäftigungsverhältnis handelt. Offensichtlich wird diese Interpretation der unerfüllten Erwartungen nicht nur durch den Einschub der Beobachterin In unserem Gespräch kommt nun für mich unerwartet einiges heraus. So wird ihr hier das erste Mal Unvorhergesehenes und Unvermutetes bekannt. Des Weiteren zeigt sich ein zweiter Hinweis in den Irritationen, die in ihren Fragen augenscheinlich werden und darauf verweisen, dass ihre Schablone von Freiwilligkeit und Ehrenamt hier nicht »passt«. Es zeigt sich z.B., dass ihre Frage danach, warum er denn zum Club käme, die im Rahmen einer freiwilligen, ehrenamtlichen Tätigkeit sinnvoll erscheint, die Situation hier wenig trifft. Des Weiteren offenbaren auch ihre Interjektion hä? sowie die dazugehörige Frage im Konjunktiv I Ich dachte, er wäre hier ein Freiweilliger? ihre Irritation über ihren Irrtum der Möglichkeitsform »ein Freiwilliger«. Neben dieser Managerrolle nun ist Alexander jedoch auch noch in weiteren Rollen in das Clubgeschehen integriert. Dies deutet sich bereits im obigen Abschnitt an und kann durch die weiteren Abschnitte untermauert und näher dargelegt werden: Der caretaker ist auch noch da und sitzt mit mir in der Sitzecke. Zwischendurch steht er auf und geht zuerst in den kleinen Raum neben dem Waschbecken, kommt aus diesem mit nacktem Oberkörper wieder heraus und geht in den Karaokeraum, aus dem er dann wiederum mit einem neuen T-Shirt, das er sich angezogen hat, wieder herauskommt. Auch Alexander ist noch da, er kommt die Treppe herunter und hat auch ein neues T-Shirt an. Er

4. Everything is possible!

hat Wäsche in der Hand: Socken und eine Unterhose, die er in einen Plastikbeutel tut. Er setzt sich zu mir und fragt, ob ich tanzen kann. Ich sage ein bisschen. Dann solle ich doch am Donnerstag wieder kommen, da sei Tanzstunde und die Gruppe sei auch nicht so gut. Er habe auch mal Tanzstunden genommen (bei einem Russen oder in Russland, das habe ich nicht verstanden), diese hätten aber – eine Stunde – 280 Ringgit gekostet. Hier sei das viel billiger, 40 Ringgit für einen ganzen Monat. Er ist der Tanzlehrer. Ich frage, ob er auch mal Wettkämpfe getanzt habe. Ja, früher ja, 1999 hätte er auch gewonnen, jetzt tanze er aber keine Wettkämpfe mehr. Er müsse jetzt bei den Senioren mittanzen. Er glaubt, dass er auch gute Chancen hätte, zu gewinnen, aber seine Partnerin sei nicht so gut: »She ist not sharp enough, you know?« Alexander fragt, ob ich was trinken möchte. Ich lehne ab. Ob ich die Tageszeitung lesen möchte? Ich lehne wieder ab, weil der Chor nun gleich vorbei sein müsste. Alexander fragt dann noch, wie ich nach Hause komme, und ich sage, dass ich die eine Dame, die mich letztes Mal schon mitgenommen hat, fragen will, ob sie mich wieder mitnimmt. Alexander fragt, welche Dame? Ich sage, die mit dem lilafarbenen Tuch. Ah, das ist Chen Lu, ja das würde sie bestimmt auf jeden Fall machen, das sei eine sehr sehr nette Frau. Dann sagt er, dass er noch was erledigen müsse, geht zu dem Schreibtisch, der neben der Sitzecke steht, und blättert Papiere durch (Protokoll 24.05.2011, Zeile 251-271). Mian ist dann dran mit singen. In dieser Zeit kommt ein weiterer Herr, der sich dann zu mir setzt. Er heißt Alexander und stellt sich als Manager des Clubs vor. Er habe zwei Clubs zu managen und dann noch fundraising, er habe viel zu tun. Ob ich tanzen könne? Ich sage, ein bisschen. William ist dann dazugekommen und erzählt, dass Alexander der Tanzlehrer ist. Alexander und eine der Damen fangen dann an zu tanzen zu den Karaokeliedern (Protokoll 10.05.2011, Zeile 163-167). Dass Alexander also hier in weiteren Konstellationen in den Club integriert ist, wird – noch einmal kurz zurück zum ersten Protokoll – bereits zu Beginn deutlich, wenn eben auch die Beobachterin zunächst gar nicht weiß, wie sie das Gespräch bei all seinen Clubkontexten eröffnen soll: Unser Gespräch fängt damit an, dass ich ihn frage, warum er denn zum Club käme, oder hier wohne oder… ich weiß gar nicht genau, wie ich die Frage formulieren soll, da er ja hier wohnt. Alexander wohnt also auch im Club. Der Club wird hier also nun wieder in einer anderen Logik konstruiert: Er wird zum Heim, zum Zuhause, zum Privatraum, zum Raum der Privatheit von Alexander und auch dem caretaker. Man stelle sich nun in Bezug auf den zweiten Abschnitt folgende Situation vor: Im Club ist gerade Chorprobe, die externe Chorleiterin ist anwesend und probt mit ca. 50 Clubmitgliedern, die sich alle im Clubhaus zusammengefun-

105

106

Wanna go Clubbing?

den haben. Parallel dazu spielt sich nun jene Szenerie ab, in der Alexander, mit seiner Unterhose, der caretaker, halbnackt, und die Beobachterin, etwas irritiert, als Hauptakteure agieren. Diese Parallelszene wirkt nun indes für den Außenstehenden (wie die Mitglieder einer Interpretationsrunde sowie auch die Beobachterin) äußerst skurril. Denn hier laufen nun verschiedene Ordnungen parallel zueinander ab: Neben der Ordnung eines Freizeitclubs, in der nun gerade unter den Mitgliedern eine Chorprobe stattfindet, und neben der Ordnung, in der wir Alexander bisher kennengelernt haben, nämlich Club als Arbeitsstätte eines hauptamtlichen Clubmanagers, mit der man also erst einmal Beruf, Arbeit, Professionalität und Seriosität assoziieren würde, wird hier nun noch eine dritte Ordnung hergestellt, die nun an Wohnhaus, Häuslichkeit und Privatheit erinnert. Durch die hier protokollierten Praktiken stellen Alexander und der caretaker nun Club auf zweierlei Art als solch privaten Raum her. Zum einen als privaten Raum, dem nun Intimität und Vertraulichkeit – nackt herumlaufen, Socken und Unterhose für jeden sichtbar herumtragen – zugewiesen wird. Zum anderen als privaten Raum, in dem sich Alexander nun als Gastgeber von seinem Zuhause gegenüber der Beobachterin inszeniert: Möchte der Gast etwas trinken? Möchte er die Tageszeitung lesen? Wie kommt er nach Hause? Damit aber nicht genug; die Figur Alexanders ist noch komplexer. Denn neben dem bezahlten Manager und neben dem privaten Bewohner des Clubs ist Alexander als selbstständiger Unternehmer, als Tanzlehrer, in den Club integriert: Und das mit dem Tanzen? Das sei seine eigene Sache, hat also nichts mit dem Rest zu tun. Als ehemals semiprofessioneller Tänzer – immerhin hat er einen teuren Preis für das Training bezahlt, Wettkämpfe gewonnen und würde sie auch heute noch gewinnen – ist er als Selbstständiger unterwegs, der sich Räume im Club anmietet und dort seine Tanzstunden anbietet. Über diese Tanzstunden hat er sodann auch die Zugangsgewalt. Ist die Teilnahme an Veranstaltungen ohne den offiziellen Club-Mitgliedsstatus zu haben sonst ein schwieriges Thema, kann er hier die Beobachterin ohne weiteres zur Tanzstunde einladen und sie, ganz der Unternehmer, vielleicht als potenzielle Kundin werben. Damit aber nicht genug an Mitgliedschaftsrollen: Alexander tritt ebenso als »normales« Clubmitglied in Erscheinung, das im Alltag mit den anderen tanzt und Karaoke singt. Bemerkenswert ist schließlich, wie schnell Alexander zwischen seinen Rollen hin und her wechselt. Szene zwei: Gerade noch die Privatperson, die in Unterhose durch den Club läuft, dann auf einmal der Unternehmer, der die Beobachterin werben möchte, im nächsten Augenblick der Manager, der an seinem Schreibtisch noch etwas erledigen muss und Papiere durchblättert. Szene drei: Gerade noch der Manager, der über sein enormes Arbeitspensum klagt, im nächsten Augenblick Tanzlehrer und einen Augenblick weiter das »normale« Clubmitglied, das beim Karaoke tanzt, flirtet und Spaß hat.

4. Everything is possible!

4.2.2 Schule, Vorstandssitzung, Train the Trainer, Handicraftklasse, Kochshow und Party – Settings und ihre Mitgliedschaftsinszenierungen Während für Kapitel 4.2.1 formuliert wurde, dass die unterschiedlichen Mitglieder in der zweiten Beobachtungsphase begleitet wurden, um zu analysieren, wie sie sich alltäglich in unterschiedlichen Formen im Club inszenieren bzw. inszeniert werden, so wurden in der zweiten Beobachtungsphase zudem auch immer wieder verschiedene Settings beobachtet, die ihrerseits einer ihnen eigenen Logik folgten und damit gewissermaßen situativ und punktuell auch immer wieder neue Mitgliedschaftsrollen – eben für dieses Settings bzw. aus diesen heraus – produzierten. Wie im Folgenden zu sehen sein wird, werden dabei, wie es auch schon in Kapitel 4.2.1 rekonstruiert werden konnte – und dies mutet nun etwas widersprüchlich an – diese Settings in ihren Ordnungen, mit ihren Logiken, Praktiken und damit auch Mitgliedschaftsinszenierungen auf der einen Seite akribisch bis ins letzte Detail hergestellt, gleichsam auf der anderen Seite aber auch immer wieder durchbrochen. Auch hier werden, ähnlich wie in Kapitel 4.2.1, anhand der Liste • • • • • • •

die Schule, die Vorstandssitzung, der Train the Trainer, die Handicraftklasse, die Kochsshow, die Party, der Vortrag

exemplarisch einige Settings näher betrachtet. »You have to listen to me! Der Mann lacht verlegen« – Club als Schule, die strenge Lehrerin, die folgsamen Schüler und das schwarze Schaf der Klasse

Ella fragt mich dann, ob ich mir die Mandarin class anschauen möchte, und ich sage ja. Die Mandarin class läuft schon, drinnen im Haus, und Ella sagt, dass sie Mr. Chu vorher fragen müsse, ob ich teilnehmen kann. Mr. Chu wiederum fragt dann die Lehrerin, und es ist in Ordnung. Ich gehe also ins Haus und Mr. Chu erklärt mir: »This is the teacher, she is a member, everybody is a member here.« In dem Raum, in den man direkt von der Eingangstür gelangt, sind heute Tischreihen, wie Schulbänke, aufgebaut. 3 Reihen mit je 2 Tischen neben einander. In der ersten Reihe sitzen 2 Frauen, in der zweiten Reihe sitzen auch 2 Frauen und ein Mann, ich setze mich in die leere dritte Reihe. Rechtwinkelig zur ersten Reihe steht noch ein Tisch,

107

108

Wanna go Clubbing?

an dem ein weiterer Herr sitzt – insgesamt sind also 6 Schüler anwesend. […] Die Schüler haben mehrere Kopien aus einem Arbeitsheft vor sich. Die Lehrerin hat das Arbeitsheft dazu in der Hand. Sie steht vorne und schreibt immer Zahlen in chinesischen Zeichen an die Tafel und liest diese vor. Der Unterricht, der auf Englisch stattfindet, läuft so ab, dass die Aufgaben aus dem Arbeitsheft nacheinander durchgearbeitet werden. Die Schüler murmeln dabei die Lösungen vor sich hin, die Lehrerin sagt sie laut. Die Lehrerin ist ziemlich streng mit ihren Schülern, besonders mit dem Herrn, der allein an dem Tisch sitzt. Er schaut bspw. etwas in einem dictionary nach, die Lehrerin sagt zu ihm, was er denn da nachschaue, er solle nichts nachschauen: »You have to listen to me!« Während die Aufgaben durchgearbeitet werden und dabei immer etwas einzutragen ist, geht die Lehrerin zu dem Herrn und sagt »No!« und verbessert ihn. Dann sagt sie zu ihm: »I am coming to you, so that you can understand also.« Dabei schüttelt sie immer wieder den Kopf, wenn er etwas sagt oder schreibt. Der Mann lacht verlegen. Sie schreibt dann die Zahlen von 1 bis 10 in chinesischen Zeichen an die Tafel und sagt zu dem Mann, dass er das bitte bis zum nächsten Mal auswendig lernt, sie werde dann eine Zahl sagen und er muss das richtige Zeichen dazu anschreiben. In die Runde sagt sie dann »He can’t recognize the signs«! und schüttelt dabei wieder den Kopf. Der Mann ist irgendwie das schwarze Schaf der Klasse und tut mir schon ein bisschen leid. Dann sagt sie noch einmal streng zu ihm, als alle etwas vorlesen sollen: »I don’t want you to tell me the figures!« […] Um 11 Uhr, also nach einer Stunde, wird der Unterricht mir einem Rüffel von der Lehrerin beendet. Obwohl es mir so vorkam, als ob ziemlich schnell die einzelnen Aufgaben durchgearbeitet und abgearbeitet worden sind, sagt die Lehrerin: »Actually you are very slow!« Die andere Klasse sei viel schneller, mit dieser schaffe sie in einer Stunde viel mehr Aufgaben. […] Das Arbeitsheft, das sie benutzen, sei für 6-jährige Kinder. Die Schüler sagen, sie könne ihnen doch mehr Arbeitsblätter geben. Die Lehrerin will zuerst nicht und sagt, dass das zu confusing sei, lässt sich dann aber doch überreden, sagt aber, dass die Schüler hier bitte nichts eintragen sollen, das würde sie selbst dann auch zu sehr verwirren. […] Die Lehrerin sagt zu mir, dass nun noch eine weitere Klasse kommen würde, und ich frage, ob ich noch bleiben darf – ich darf. Und schon kommen 5 Damen in den Raum, die nun Mandarin lernen. Ein der Damen, sie stellt sich als Rosie vor, fragt mich, ob ich auch Mandarin lernen will. Ich sage, dass ich nur zum Zugucken da bin und sie sagt: »Learning Mandarin, it is an adventure.« Und lacht. »But the teacher is very good.« Dann beginnt die Stunde. […] Die Lehrerin kommt zu mir und fragt, wie ich ihren Unterricht fand. Ich sage: »Interesting.« Sie sei hier ein volunteer. Sie sei allein und daher unterrichte sie hier halt Mandarin. Die Schüler müssten zwar etwas bezahlen, aber das gehe direkt an den Club (Protokoll 12.05.2011, Zeile 23-107).

4. Everything is possible!

Die Protokollszene beschreibt, wie im Club der Mandarinunterricht hergestellt wird: Der Club wird hier interaktiv als eine klassische Schule hergestellt. Eingefasst ist die gesamte Szene in eine erklärende Rahmung, die den Mandarinunterricht für die Beobachterin kontextualisiert: So wird die Szene mit der Erläuterung Mr. Chus »This is the teacher, she is a member, everybody is a member here« eingeleitet und mit dem Hinweis der Mandarinlehrerin ausgeleitet: Sie sei hier ein volunteer. […] Die Schüler müssten zwar etwas bezahlen, aber das gehe direkt an den Club. Die Einführung beginnt hier zwar zunächst mit der Benennung der Funktionsträgerschaft teacher, es wird jedoch sofort hinterhergeschoben und verdeutlicht, dass die Lehrerin hier auch ein Mitglied des Clubs, also »eine von ihnen« ist. Der Mandarinunterricht ist eine clubinterne Angelegenheit, bei der eines der Mitglieder den anderen Mitgliedern Mandarin beibringt – prinzipiell befinden sich hier also Mitglieder unter Mitgliedern, sprich Gleiche unter Gleichen, die sich auch aus anderen Clubkontexten kennen. Daneben wird deutlich, dass es sich hier um eine ehrenamtlich angebotene Dienstleistung handelt, die es für die Clubmitglieder käuflich zu erwerben gilt. Die Mitglieder sind hier also auch eine Form von Kunden. Innerhalb dieses Kontextes – Erwachsenenbildung in einem Freizeitclub, Gleiche unter Gleichen, Freiwilligkeit, Erwerb einer Dienstleistung – wären nun zahlreiche Varianten denkbar, wie der Mandarinunterricht hergestellt wird: etwa als eine amüsante Freizeitbeschäftigung, bei der, vielleicht sogar demokratisch verhandelt, wie der Unterricht abzulaufen hat, in einem leichten, lockeren Setting, z.B. im Stuhlkreis, gemeinsam gelernt wird. Hier schaffen sich die Clubmitglieder jedoch interaktiv und einvernehmlich eine klassische Schule, deren Inszenierung bis ins letzte Detail, vom Raumarrangement über das Vorhandensein eines Curriculums mit Leistungsorientierung, die strenge autoritäre Lehrerin und die folgsamen Schüler bis hin zum schwarzen Schaf der Klasse, durchgehalten wird. Erstens lässt sich also sagen, dass bereits das Raumarrangement das Bild einer klassischen Schule bzw. eines klassischen Klassenzimmers evoziert. Der Clubraum, der normalerweise eine gänzlich andere Anordnung des Mobiliars aufweist, wurde heute in besonderer Art und Weise inszeniert. Tische und Stühle wurden in Kombination mit der Tafel in der Form aufgebaut, dass sie bei der Beobachterin sofort die Assoziation Schulbänke hervorrufen. Tische und Stühle werden hier also zu Schulbänken in einem Klassenzimmer, in dem nun klassischer Frontalunterricht – die Schüler sitzen in den Bänken, die Lehrerin steht vorne an der Tafel – stattfindet. Als besonderes Detail gibt es auch hier, wie in fast jedem klassischen Klassenzimmer, den Seitentisch, an dem der schlechte Schüler, der Klassenclown, das schwarze Schaf der Klasse, das sich nicht konzentrieren kann, nahe bei der Lehrerin, damit diese ihn unter Kontrolle hat, sitzen muss. Daneben zeigt der Protokollausschnitt, dass im Mandarinunterricht ein wahrer Lehrplan, scheinbar von der Lehrerin er-

109

110

Wanna go Clubbing?

stellt, abgearbeitet werden muss. Der Rüffel »Actually you are very slow!« der Lehrerin offenbart, dass hier ein bestimmtes Lernziel im Raum zu stehen scheint, das sich daran bemisst, einen gewissen Lerninhalt in einer bestimmten Lernzeit aufzunehmen. In diesem Sinne gibt es auch Arbeitsmaterialien, ein Arbeitsheft und dementsprechend für jede Stunde getaktete Lerninhalte, die durchgegangen bzw. durchgearbeitet und abgearbeitet werden (müssen). Der Unterricht findet hier nicht nur zum Spaß statt, vielmehr liegt dem eine Leistungsorientierung zugrunde – schafft man die Leistung nicht, gibt es einen Rüffel, durch den allen vor Augen geführt wird, dass die eingeforderte Leistung nicht erreicht worden ist. Als weiteres Element, das hier an eine klassische Schule erinnert, treten auch die Rolleninszenierungen von Lehrer und Schüler, sowohl durch sie selbst als auch durch »Außenstehende« wie Mr. Chus, in Erscheinung. Die Lehrerin ist hier – immer in Erinnerung, dass es sich hier ja eigentlich um ein »normales« Clubmitglied handelt – die strenge Autorität, die während des Mandarinunterrichts das unbedingte Sagen hat. Diese Inszenierung beginnt bereits mit der Bitte um Erlaubnis zur Teilnahme der Beobachterin am Mandarinunterricht. In Anbetracht der Tatsache, dass hier alles gleiche Clubmitglieder sitzen, wobei die Schüler sogar noch bezahlt haben (der Kunde ist König), wäre denkbar gewesen, dass in den ganzen Raum gefragt wird, ob die Beobachterin am Unterricht teilnehmen darf. Stattdessen erfolgt jedoch auch schon an dieser Stelle die Inszenierung der Lehrerin als strenge Autorität, indem sogar der Präsident, eigentlich die Autorität im Club (siehe Kapitel 4.2.1), hier nun nur sie, im Namen der Beobachterin, um Erlaubnis zur Teilnahme bittet. Ihr alleiniges Wort entscheidet über Zugang oder Abweisung. Daneben ist sie hier die klassische strenge, autoritäre Lehrerin in zweierlei Hinsicht: Sie ist hier die Wissende, die einen bestimmten Wissensstoff vermitteln will/soll. Sie gibt vor, wie der Unterricht zu laufen hat, wie das Wissen erworben werden soll, und behält sich auch vor, ihre Schüler zu beurteilen. Ferner tritt sie hier, ganz wie es zur Rolle einer klassischen Lehrerin dazugehört, als fast schon Erziehende in Erscheinung. Sie diszipliniert ihre Schüler, indem sie sie bloßstellt, sie tadelt, sie maßregelt und Strafarbeiten verteilt. Die Schüler ihrerseits – wiederum im Gedächtnis, dass hier sowohl Lehrerin als auch Schüler normale Clubmitglieder sind – bilden nun das Komplementär zur strengen, autoritären Lehrerin und sind somit in dieser Inszenierung die folgsamen Schüler. Denkbar wäre z.B., dass die Schüler gegen diesen strengen Umgang auf begehren, z.B. den Unterricht verlassen oder Widerworte geben, stattdessen lautet das Urteil: »But the teacher is very good.« So gehen die Schüler im Kollektiv auf den Tadel, den Rüffel, fast schon die Bloßstellung am Ende der Stunde ein, nehmen die Kritik der Lehrerin auf und möchten sich kollektiv bessern. Und auch das schwarze Schaf der Klasse nimmt diese individuelle Rolle des beschämten Schülers, der nicht versteht und nicht mit der Klasse mithalten kann, in diesem Klassenzimmer an. Er ist derjenige, der nicht bei

4. Everything is possible!

der Klasse sitzen darf und von ihr weggerückt sitzt; er ist derjenige, der sich, als er ganz selbstbestimmt ein Wort nachschlagen möchte, sich damit jedoch nicht an die Vorgaben der Lehrerin hält, für diesen Ungehorsam tadeln lässt; er ist derjenige, der einer besonderen Unterstützung der Lehrerin bedarf; er ist derjenige, der eine Strafarbeit bekommt und auch hier keine Widerworte gibt. Der folgende Protokollausschnitt entstand an einem anderen Clubtag, an dem ebenfalls Mandarinunterricht stattfand. Beobachtet wurde hier jedoch nicht der Mandarinunterricht an sich, sondern die Beobachtungen erfolgten als einfaches »Herumhängen« im Club. Interessanterweise ergab sich dabei in der Analyse, dass eben nicht nur diejenigen, die unmittelbar am Mandarinunterricht beteiligt sind, den Club als klassische Schule und als klassische Klassenzimmer hervorbringen, sondern vielmehr auch die anderen Clubmitglieder in diese Inszenierung mit einsteigen: Der Club füllt sich jetzt immer mehr mit den Mandarinschülern. Eine Dame kommt. Sie bleibt aber für einige Minuten im Vorhof stehen, sieht sich eine Zeitung an. Sie geht nicht zu dem Tisch mit den anderen. Eine weitere Dame kommt und tut es ihr gleich. Nach einer Weile setzen sich beide auf den Hof, jedoch an einen anderen Tisch, als die anderen alle sitzen. Dann kommt eine weitere Dame, die sich aber zu der »großen« Gruppe gesellt. Eine weitere Dame kommt, die ebenso dazukommt. Sie ist etwas aufgeregt und erzählt sofort davon, dass jemand gestorben sei. Nach einer kurzen Weile geht sie zu dem Tisch mit den anderen beiden Damen und setzt sich dazu. Dann kommt noch eine Dame. Sie hat einen Rucksack auf und Sportschuhe an. Sie geht – mit den Schuhen, obwohl normalerweise Schuhe ausgezogen werden müssen – ins Haus. John hat das wohl bemerkt und fragt sofort am Tisch: »Does she not belong to you (zur Mandarinklasse)?« Die eine Dame antwortet, ja doch. Er darauf: »So why does she go inside?« Die Dame sagt, dass sie vielleicht noch etwas von der vorherigen Gruppe lernen wolle? Kurz darauf kommt die Dame wieder aus dem Haus, zieht ihre Schuhe aus und geht wieder hinein. Am Tisch ist die Stimmung gut. […] Am Tisch wird auch weiter gescherzt. […] Dann, so kurz nach elf, geht die Tür vom Clubraum auf und die »erste Klasse« verlässt das Haus. Jack macht scherzhaft eine Schulklingel nach und sagt dazu »so girls«. Schichtwechsel. Die Mandarinschüler, die hier eben im Hof gewartet haben, gehen ins Haus (Protokoll 07.11.2012, Zeile 74-100). Die Inszenierung des Clubs als klassische Schule durch die anderen Clubmitglieder lässt sich hier zunächst abermals daran ablesen, wie hier die Räume (Clubhaus und Clubhof) hergestellt werden. Dass das Clubhaus nun zu einem klassischen Klassenzimmer gemacht wird, lässt sich an der folgenden Analyse aufzeigen: Normalerweise ist das Clubhaus für alle Clubmitglieder ein frei zu-

111

112

Wanna go Clubbing?

gänglicher Raum, in dem ein permanentes Kommen und Gehen stattfindet. Daneben ist es ein frei verfügbarer Raum, in dem die Clubmitglieder offen clubben, Zeitung lesen, sich treffen, scherzen, sich unterhalten und flirten; sprich: machen, wonach ihnen der Sinn steht, selbst wenn hier Aktivitäten wie die Handicraftklasse stattfinden. Nun, zum Mandarinunterricht, stellen die Clubmitglieder gänzlich andere Regeln der Raumnutzung auf. Das Clubhaus ist nun nicht mehr frei zugänglich. Es gibt nun die unausgesprochene Regel, dass das Haus nur auf ein Zeichen hin – das Öffnen der Tür sowie das kollektive Verlassen des Raums – wieder betreten werden kann. Ansonsten wartet man selbstverständlich vor dem Haus. Ein abweichendes Verhalten von dieser Regel, das einfache Betreten des Haus einer individuellen Person (das sonst das regelhafte Verhalten darstellt), die zudem nicht als zur Klasse zugehörig einsortiert werden kann, führt hier hingegen sofort zu Irritationen: »Does she not belong to you […]?« Die eine Dame antwortet, ja doch. Er darauf: »So why does she go inside?« Die Frage des Grundes für das Betreten des Hauses »So why does she go inside?« zeigt zudem an, dass der Raum nicht mehr frei verfügbar ist. Der Raum ist nun stark funktionalisiert; er kann keine andere Bedeutung mehr haben, als dass dort Mandarin gelernt wird, denn es gibt keinen anderen Grund, warum man ansonsten das Haus betreten sollte. Der Hof des Clubs wird nun passend dazu zu einem Schulhof konstruiert: Der Hof wird zum einen zu einem Ankunftsraum, in dem ein ständiges Kommen stattfindet. Zum anderen wird er zu einem Warteraum, in dem man sich nicht allzu lange aufhält, sondern nur so lange, bis man als Kollektiv in das Clubhaus bzw. in den Klassenraum darf. Hier vertreibt sich die Klasse die Zeit, indem, wie auf einem Schulhof, Gruppenzugehörigkeiten hergestellt und Neuigkeiten verbreitet werden, indem in der Clique gewitzelt und gescherzt wird. Das Bild einer Schule wird letztlich von Jack offensichtlich gemacht: Jack macht scherzhaft eine Schulklingel nach und sagt dazu »so girls«. Durchbrochen wird nun diese Inszenierung einer Schule wiederum dadurch – und dies klang in der Analyse bereits an –, dass bereits in der Rahmung der Situation deutlich wird, dass es sich hier eben nicht um eine klassische Schule handelt. Es handelt sich daneben nämlich zum einen ebenso um eine klassische Mitgliederorganisation (everybody is a member here), in der sich eben eigentlich Mitglieder und nicht im klassischen Sinne Lehrer und Schüler treffen, und zum anderen um eine Organisation, in der, anders als in einer Schule, das freiwillige Moment sowohl in Bezug auf die Lehrerin als auch in Bezug auf die Schüler, die sich hier eine Dienstleistung erkaufen, präsent ist. Ferner wird der Bruch der Logiken auch im Duktus des Protokolls deutlich, der zwischen zumindest zwei Logiken oszilliert. Auf der einen Seite verfällt das Protokoll eindeutig in eine Sprache und ein Vokabular, das klar einer Schulordnung zuzuordnen ist (u.a. Lehrerin, Schulbänke, Schüler, das schwarze Schaf der Klasse, Rüffel, die andere Klasse, dann beginnt die Stunde, die »erste Klasse«); auf

4. Everything is possible!

der anderen Seite wird diese Logik durch ein anderes Vokabular durchbrochen, das eigentlich nicht mehr zu einer Schulordnung gehörig einzuordnen ist (u.a. Frauen, Herren, in die Runde sagt sie dann, und schon kommen 5 Damen in den Raum, die »erste Klasse«, Schichtwechsel). »Ich dürfe aber nur dabei sein und dürfe nichts fragen« – Die Vorstandssitzung

Analysiert man das Protokoll von einem Board-of-Directors-Meeting, so wird hier wieder ein neues Bild vom Club konstruiert. Nun befindet man sich in einem hoch offiziellen Vorstandsmeeting eines Unternehmens, bei dem sich nun auch die Clubmitglieder wieder in neuen, dieser Situation gemäßen Rollen inszenieren und treffen. Dieses Bild wird zunächst durch den gegebenen semantischen Rahmen dieser Veranstaltung hervorgerufen, die als Board-of-Directors-Meeting betitelt wird. Damit wird sich einer Sprache bedient, die der Unternehmenswelt entlehnt ist. So wird mit board of directors gemeinhin das Leitungs- und Kontrollgremium eines Unternehmens bezeichnet. Die committee members sind hier also analog ein solches Gremium des Unternehmens »Club« und werden in diesem Sinne mit der Betitelung eines directors als Mitarbeiter des Unternehmens Club konstruiert, die Führungs- und Personalverantwortung tragen. Die Konstruktion eines hochoffiziellen Vorstandsmeetings innerhalb eines Unternehmens wird sodann durch viele weitere Elemente der Szenerie hervorgerufen, wie z.B. durch das Raumarrangement, das extra für das BOD-Meeting getroffen wurde. […] ich setze mich an die lange Tafel, die aufgebaut wurde. Der Raum wurde für das BOD-Meeting umarrangiert: Der Holztisch mit der Tischdecke steht immer noch an seinem Platz, direkt vor der Wand mit der Tafel. An den Tisch wurde rechtwinkelig dazu eine lange Tischbahn angebaut. Um alle Tische stehen Stühle. Auf den Tischen stehen Wasserflaschen. Hinter der Tischbahn steht noch einmal ein Tisch mit zwei Stühlen dran. Zwischen diesem Hauptraum und der Küche steht auch ein Tisch mit Tassen, Tee, Kaffee und kleinen Knabbereien (Protokoll 31.10.2012, Zeile 16-22).

Der Clubraum wurde nun danach arrangiert, dass er an einen Sitzungssaal erinnert. Diese Assoziation wird vor allem durch die Inszenierung der Tische hervorgerufen: Die lange Tischbahn mit dem hervorgehobenen Kopfende macht das Tischensemble nun zu einem Sitzungstisch, an dem alle einander zugewandt sitzen, an dem aber auch eine Hierarchisierung möglich ist. Die Assoziation eines solchen Sitzungstisches wird zudem durch die Bestückung der Tische mit Wasserflaschen, wesentliches Element bei einem Arbeitsmeeting, komplettiert und durch das Hinzufügen des Tisches mit Tassen, Tee, Kaffee

113

114

Wanna go Clubbing?

und kleinen Knabbereien unterstützt, durch das deutlich wird, dass hier am großen Sitzungstisch gearbeitet wird, während Genuss und Spaß an den anderen Tisch gehören. Schließlich, passend zum hierarchischen Unternehmen, wird auch über das Tischarrangement eine hierarchische Ordnung hergestellt, indem eine besondere Sitzordnung eingenommen wird: Als ich ankomme, sind schon einige Leute da: Mr. Chu, der maintenance man und der treasurer sitzen hinten am Kopfende (an dem hölzernen Tisch). […] Mulan setzt sich mir gegenüber und erzählt[…]. Die MandarinLehrerin setzt sich neben Mulan. […] So gegen 20 vor 3 kommen 2 weitere Männer. Einer geht nach vorne zu dem Tisch von Mr. Chu (es ist der Deputy-Präsident), der andere setzt sich zu mir und Mulan. Um viertel vor drei kommt John, der Vize-Präsident. Er klopft dem Mann, der mir gegenübersitzt, auf die Schultern, lacht und geht nach vorne zu dem Tisch, an dem Mr. Chu etc. sitzen (Protokoll 31.10.2012, Zeile 24-56). So sitzen die »wichtigen« Leute mit Titel und Rang, der Präsident, der maintenance man, der treasurer, der Deputy-Präsident, der Vize-Präsident, gemeinsam am Kopfende. Dass diese angezeigte (Sitz-)Ordnung wichtig und selbstverständlich ist, lässt sich zum einen aus der Situation der gemeinsamen Ankunft zweier weiterer Männer so gegen 20 vor 3 ablesen, zu der es heißt: Einer geht nach vorne zu dem Tisch von Mr. Chu (es ist der Deputy-Präsident), der andere setzt sich zu mir und Mulan. Zum andern aus der Ankunft Johns, des Vize-Präsidenten, die beschrieben wird mit: Er klopft dem Mann, der mir gegenübersitzt, auf die Schultern, lacht und geht nach vorne zu dem Tisch, an dem Mr. Chu etc. sitzen. Man kommt zwar zusammen an, wie selbstverständlich trennen sich dann aber die Wege im »Sitzungssaal«, wobei derjenige hier nach vorne zu dem Tisch mit dem Präsidenten geht, der eben auch in seiner Funktion mit seinem Titel als Deputy-Präsident von der Beobachterin sofort klassifiziert wird. Sprich: Diese implizite Ordnung nach Rang und Rolle wird auch der Beobachterin sofort klar. Der andere, ohne Rang und Namen, gesellt sich hingegen zu den anderen ohne Rang und Namen, der Beobachterin und Mulan. Und auch in der Ankunft Johns wird dies klar: So scheint er hier einen Bekannten/Freund zu treffen, dem er auf die Schulter klopft und mit dem er schäkert. Wie selbstverständlich kann er aber nicht hier Platz nehmen und sich weiter unterhalten, sondern geht, gemäß seiner Stellung als Vize-Präsident, nun an den Tisch mit den »wichtigen« Personen. Daneben erinnert das BOD-Meeting im Club nun an eine hochoffizielle Vorstandssitzung in dem Sinne, wie nun mit »Eindringlingen«, die eben nicht zum offiziellen Teilnehmerkreis dazugehören, wie die Beobachterin und Sam, umgegangen wird.

4. Everything is possible!

Während das Meeting läuft, geht die Tür zum Clubhaus auf: Es ist Sam. Er sieht ins Clubhaus hinein, Mr. Smith geht zu ihm und die beiden gehen hinaus und schließen die Tür wieder (Protokoll 31.10.2012, Zeile 265-266). Ich habe gestern Mr. Chu gefragt, ob ich am BOD-Meeting, das einmal im Monat ist, teilnehmen darf. Er hat gesagt, dass das kein Problem sei, ich dürfe aber nur dabei sein und dürfe nichts fragen (Protokoll 31.10.2012, Zeile 6-8). Als ich den Hof betrete, steht dort eine ältere Frau, die ich noch nicht kenne. Sie fragt mich, ob sie mir helfen könne, und ich stelle mich vor und sage, dass Mr. Chu mich zum BOD-Meeting eingeladen hätte. Sie stellt sich auch vor, sie heißt Mulan und sagt dann, dass ich mitkommen solle. Sie und ich gehen zusammen ins Clubhaus, sie ruft »Chu« dabei. Als wir drinnen sind, sagt Mr. Chu zu mir »take a seat« und ich setze mich an die lange Tafel, die aufgebaut wurde (Protokoll 31.10.2012, Zeile 12-17). Um Punkt drei Uhr geht es dann los. Mr. Chu erhebt seine Stimme und sagt »welcome members«. Dann stellt er mich kurz vor: Wer ich bin, dass ich ihn angerufen hätte vor ein paar Wochen und dass ich heute da wäre, um das Treffen zu beobachten (Protokoll 31.10.2012, Zeile 72-74). Für Mitglieder des Clubs, wie Sam, und vertraute Besucher des Clubs, wie die Beobachterin, die beide aber eben nicht dem board of directors zugehörig sind, herrschen nun andere Regeln als zu anderen Clubzeiten und Clubsettings. Obwohl der Clubraum ansonsten frei zugänglich ist, wird Sam hier nun freundlich, aber bestimmt von Mr. Smith aus dem Sitzungssaal hinauskomplimentiert, da er hier nun nichts zu suchen hat und die Besprechung ihn nichts angeht. Und auch in Bezug auf die Beobachterin, die zu diesem Zeitpunkt ihrer Beobachtungen schon vertraut mit dem Club ist und sich normalerweise dort frei bewegen darf, wird nun ein besonderer Umgang inszeniert. Zunächst einmal lässt sich in dieser Argumentation darauf verweisen, dass es sich bei dem BOD-Meeting um die Inszenierung eines Settings handelt, für das es nun einer besonderen Erlaubnis für den Zugang bedarf, und zwar von ganz oben, vom Präsidenten entschieden und genehmigt: Ich habe gestern Mr. Chu gefragt, ob ich am BOD-Meeting, das einmal im Monat ist, teilnehmen dürfe. Er hat gesagt, dass das kein Problem sei, ich dürfe aber nur dabei sein und dürfe nichts fragen. Der Zugang wird ihr zwar ohne Probleme gewährt, allerdings herrschen nun für sie als Besucherin besondere Regelungen, nämlich dabei sein ja, fragen nein. Darüber hinaus wird sie nun auch offiziell als Besucherin behandelt. Nun darf sie sich nicht mehr frei bewegen, vielmehr wird sie fast im Sinne eines Besuchermanagements geleitet. Sie wird von Mulan dirigiert und in den

115

116

Wanna go Clubbing?

Sitzungsaal gebracht und ihrem »Gastgeber« Mr. Chu übergeben. Es wird ihr in offizieller Manier ein Platz angeboten und sie wird – immer im Hinterkopf, dass sie im Club längst bekannt ist – nun noch einmal offiziell, nach Beginn des Meetings, eingeführt: Dann stellt er mich kurz vor: Wer ich bin, dass ich ihn angerufen hätte vor ein paar Wochen und dass ich heute da wäre, um das Treffen zu beobachten. Auch der Ablauf ist nun nach rigiden Regeln formiert. Es gibt ein Dokument, das mit dem Kopf »SENIOR CITIZENS CLUB: TAMAN FLULA AGENDA FOR THE 7TH B.O.D.MEETING DATE: 30 OKTOBER 2012 TIME: 3.00 P.M. PLACE: (*), 47610 TAMAN FLULA« (Protokoll 31.10.2012, Zeile 48-51) offiziell gemacht wird, und das Meeting läuft nun streng nach (diesem) Protokoll ab. Sogar der Beginn des Meetings ist ein offizieller Punkt und Änderungen müssen speziell beantragt werden. Schließlich ist auch klar geregelt, wer wann reden darf: Mr. Chu leitet das Meeting und erteilt, verbietet aber auch das Wort, wenn es im Protokoll z.B. heißt: Mr. Chu bittet den treasurer, einen Brief vorzulesen (Protokoll 31.10.2012, Zeile 192). Dann darf ich auch noch was sagen (Protokoll 31.10.2012, Zeile 248). Dann geht es weiter mit dem Ausspruch Mr. Chus: »Ok, two items more.« Der Vize-Präsident will etwas sagen, wird aber von Mr. Chu zurückgehalten und er fährt mit seinen »two items« fort (Protokoll 31.10.2012, Zeile 187188). Dann geht es weiter zum nächsten Punkt, zu dem Mr. Chu sagt: »We will move around as usual.« Es geht jetzt reihum, ob jemand der committee members noch etwas hat. Begonnen wird vorne bei Grace. Grace, als Verantwortliche für pot luk, macht einen kurzen Bericht zur kommenden Feier (Protokoll 31.10.2012, Zeile 214-216).

4. Everything is possible!

In diesem Setting nun, so lässt sich sagen, inszenieren sich die Clubmitglieder (auch gegenseitig) wieder in neuen, dieser Situation gemäßen Rollen – bis auf Mr. Chu, der seiner Rolle als autoritärer Topmanager auch hier wieder treu bleibt. Die anderen Clubmitglieder aber begegnen sich hier nun nicht mehr als Line Dancer, offene Clubber, die Handicraft-Damen, Karaokesänger, als strenge Lehrerin (hier immer mit Mandarin-Lehrerin betitelt) und als schwarzes, auszuschimpfendes Schaf der Klasse (hier der offizielle treasurer am »wichtigen« Tisch!), sondern eben als wichtige Funktionsträger mit ihren Titeln im Club. So ist z.B. der treasurer hier nicht mehr der unterwürfige Schüler, sondern der geschätzte Schatzmeister, der allein durch seine räumliche Positionierung nun seine Stellung und Rolle neu anzeigt. Er agiert in seiner wichtigen Rolle, verteilt Kostenaufstellungen, verliest offizielle, wichtige Briefe in elementaren Angelegenheiten, wie der Errichtung eines day care center (siehe Kapitel 6.1), und gibt sachliche Berichte ab. »Mmh, naja, viel wäre ok, aber im Grunde wäre es dann so, dass der einäugige den Blinden führe, wenn er das hier mache« – Adam, der Train the Trainer

Mr. Lo ist auch im Haus und spricht Adam darauf an, ob er Interesse daran hätte, an einem Workshop teilzunehmen, bei dem es darum gehe, als Trainer für die Trainer für die computerclass hier im Club ausgebildet zu werden. Adam will erst einmal mehr Informationen darüber und darauf hin gibt Mr. Lo ihm die Zettel, die er in der Hand hält, fügt aber hinzu, dass er schnell Bescheid geben müsse, weil es nur 7 Plätze gebe. Adam liest sich die Zettel laut durch. Es ist im Grunde ein Fragebogen, in dem abgefragt wird, welche computerskills die Leute haben: Nutzen sie skype, twitter, mail, was kann man mit den einzelnen Programmen. Adam schließt mit dem Satz: Mmh, naja, viel wäre ok, aber im Grunde wäre es dann so, dass der Einäugige den Blinden führe, wenn er das hier mache. Er lacht. Ich frage nochmal, worum es da geht, und Adam erklärt mir, dass eben Trainer für Trainer ausgebildet werden. Ich frage weiter – weil ich auf dem ersten Zettel das Logo der Universität gesehen habe –, ob das in Kooperation mit der Uni sei, und Adam sagt: Jaja, MAFEP sei mit der hiesigen Uni verbunden (Protokoll 28.11.2012, Zeile 114-125). Der Protokollausschnitt beschreibt eine Szene im senior citizens club, bei der Mr. Lo als Committee-Mitglied das Clubmitglied Adam als »Trainer für die Trainer« rekrutieren möchte. Aus dieser Szene lässt sich nun abermals herausinterpretieren, wie der Club zum einen immer wieder mit Bezug auf neue Orientierungen und Ordnungen mit ihren Handlungsmustern und -praktiken hergestellt wird und wie sich damit immer wieder neue Rollen ergeben, wie zum anderen diese Logiken aber auch immer wieder durchbrochen werden.

117

118

Wanna go Clubbing?

Zunächst einmal lässt sich konstatieren, dass der Club abermals in der Herstellungsweise der Clubbenden an eine professionell geführte Organisation erinnert. Während bereits mehrfach eine Analogie zum Management bzw. zur Führungsebene eines Unternehmens geschaffen wurde, lässt sich hier beispielsweise sagen, dass sich die Akteure nun – wird die Analogie beibehalten – in der Personalentwicklung oder Weiterbildungsabteilung eines Unternehmens befinden. Dieser Eindruck einer professionell geführten Personalentwicklungsabteilung wird nun zunächst einmal durch die faktische Kooperation sowie den in dieser Situation symbolischen Verweis (mittels Logo) auf die Universität erzeugt. Diese faktische und symbolische Verbindung zur Universität gibt dem Club und seinen Aktivitäten hier einen gewissen Rahmen, durch den verdeutlicht wird, dass es sich eben nicht nur um irgendein, gar dilettantisches, Freizeitangebot handelt, steht die Universität doch für Seriosität im Sinne von gesicherten Erkenntnissen, für Professionalität, Innovation und Modernität. Der Eindruck einer professionell geführten Personalentwicklungsabteilung wird nun des Weiteren verstärkt: Es geht um das Programm »Train the Trainer«. So wird hier eben nicht etwa davon gesprochen, Lehrer für Lehrer oder Mitglieder für Lehrer oder Ähnliches für die computerclass rekrutieren zu wollen, vielmehr wird von Trainern für die Trainer gesprochen und damit auf ein modernes Konzept von Unternehmen rekurriert, durch das die Expertise von Mitarbeitern genutzt und somit das eigene Personal weiterentwickelt wird, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dieses Programm beinhaltet sodann, innerhalb eines Workshops eine Ausbildung zu durchlaufen. Es geht also um ein fest strukturiertes Lernen, an dessen Ende der Erwerb einer anerkannten Qualifikation steht. Auch das Rekrutierungsverfahren passt auf den ersten Eindruck in dieses Bild: So gibt es ein professionelles Formular, von der Uni entwickelt, mit dem die skills der potenziellen Kandidaten abgefragt werden und anhand dessen beurteilt werden kann, wer geeignet für den Job ist und wer eben nicht. Schließlich scheint es fast einen Wettbewerb unter den »Train-the-Trainer«-Anwärtern zu geben, denn schließlich müsse man sich schnell entscheiden, wenn man die Chance auf diesen Job hat, da die begehrten Plätze knapp sind. Für Adam würde dies bedeuten, hier die Rolle eines wahren Experten zu bekommen. Nun mischt sich in diese Herstellung einer professionellen Organisation abermals eine Ambivalenz, und es wird deutlich, dass hier eben doch noch eine andere Ordnung, diejenige von Freizeitclub und Spaßclub, am Werke ist. Denn auf den zweiten Blick wird die beschriebene Seriosität und Professionalität erneut durchbrochen, wenn man das »Rekrutierungsverfahren« näher betrachtet – und es wird wieder flapsig. So braucht der Experte hier eigentlich gar keine besonderen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu haben, kann gar dilettantisch sein, einäugig unter Blinden, um diesen Job zu bekommen. Fähigkei-

4. Everything is possible!

ten und Fertigkeiten werden zwar abgefragt, sind aber eigentlich egal, weil er trotzdem, wenn er Lust hat, genommen wird.

4.3 »I t is your C lub«, aber auch : »N o . I don ’ t allow. A s a he ad , I don ’ t allow « – H ier archie und E ntscheidungen im C lub »Im Gegensatz zu modernen Gesellschaften sind Organisationen zentral über Hierarchien strukturiert« (Strodtholz/Kühl 2002, S. 12) – sei es, so lässt sich hinzufügen, durch Top-downHierarchien, sei es durch Bottom-up-Hierarchien (vgl. Borggrefe/Cachay/Thiel 2012, S. 314). Strodtholz/Kühl weiter: »Aller Enthierarchisierungs- und Dezentralisierungsrhetorik zum Trotz können wir uns komplexere Organisationen ohne Hierarchie nicht vorstellen« (Strodtholz/Kühl 2002, S. 12f.). Welche Form von Hierarchie und Entscheidungswegen stellen also die Clubber in ihren senior citizens clubs her?

4.3.1 »It is your Club. We ONLY help to manage« – Der Club als repräsentative Demokratie It is your Club. We ONLY help to manage – dieser Ausspruch aus dem Newsletter des senior citizens clubs in Taman Flula8 ist, was Entscheidungsstrukturen betrifft, zumindest theoretisch Programm. »Alle Clubgewalt geht vom Clubvolke aus«… Analysiert man die Newsletter des senior citizens clubs in Taman Flula und befindet sich damit auf der Ebene einer Dokumentenanalyse, wird der Club hinsichtlich seiner Entscheidungsstrukturen als demokratischer Club, genauer: als repräsentative Demokratie hergestellt. Eine repräsentative Demokratie mit den sie konstituierenden Elementen von Transparenz/Informationsverbreitung, den Clubmitgliedern als Souverän, passivem und aktivem Wahlrecht, einer Legislaturperiode sowie der Wahl von Repräsentanten. »Sie hätten jetzt 800 Mitglieder und jedes Mitglied müsse einen Newsletter bekommen« – Transparenz und Informationsverbreitung

Transparenz und Informationsverbreitung über die Wahlen, die alle zwei Jahre auf dem annual general meeting stattfinden, werden vor allem über das Medium des clubeigenen Newsletters hergestellt. Dieser Newsletter wird viermal im 8 | Auch in diesem Abschnitt wird sich vor allem an dem Material aus dem senior citizens club in Taman Flula abgearbeitet. Die Ergebnisse lassen sich jedoch gleichsam für den senior citizens club in Taman Ampola rekonstruieren.

119

120

Wanna go Clubbing?

Jahr in Form eines DIN-A4-Heftes mit insgesamt zwölf Seiten herausgegeben. Gemäß dem originären, allgemeinen Ziel eines Newsletters sowie in der Betrachtung der Inhalte ist es der Zweck dieses Newsletters, die Clubmitglieder über Neuigkeiten und das alltägliche Clubgeschehen zu informieren: Der Leser findet stets die president’s message, einen mehrseitigen Überblick über die Clubaktivitäten der letzten Monate, Informationen über externe Organisationen wie die Planung einer Klinik in der Nachbarschaft des Clubs sowie Informationen über clubinterne Angelegenheiten, wie z.B. einen Überblick über die eingenommenen Spenden eines Kalenderjahres. Dem Newsletter wird insgesamt eine besondere Bedeutung als Instrument der Informationsverbreitung im Club beigemessen. Es wird besonderer Wert darauf gelegt, dass auch jedes der Mitglieder die Informationen über das Clubgeschehen via Newsletter erhält. Es gibt eine besondere Funktion im Club, die area representatives, deren verpflichtende Aufgabe darin besteht, Informationen an die Clubmitglieder u.a. über den Newsletter zu verbreiten. Grace dazu: Aufgaben seien vor allem, Informationen zu verbreiten. […] Eine weitere Aufgabe sei, die Newsletter zu verteilen. Sie hätten jetzt 800 Mitglieder und jedes Mitglied müsse einen Newsletter bekommen (Protokoll 24.10.2012, Zeile 335-346). In diesem Medium stellen die Wahlen des Präsidenten, des stellvertretenden Präsidenten und von Gremien wie dem committee rund um den Wahltermin ein stets präsentes Thema dar, das immer wieder relevant gemacht wird. Gerade vor den Wahlen ist das Thema im Newsletter äußerst gegenwärtig: In der president’s message wird auf die Wahlen hingewiesen und die Mitglieder werden aufgefordert, ihr Wahlrecht auch in Anspruch zu nehmen. Auf der Titelseite findet sich in einem der Newsletter des Weiteren eine große Ankündigung – über die gesamte Seite verteilt – zum annual general meeting. Die Seite ähnelt dabei in ihrer Aufmachung einem Flyer, der kurz und knapp informieren will. Die riesige Überschrift »Annual General Meeting«, ca. zehn Mal so groß wie der restliche Text, ist nicht zu übersehen und fällt sofort ins Auge. Unter dieser Überschrift wird kurz und knapp über die bevorstehenden Wahlen informiert. Nach den Wahlen ist das annual general meeting der Aufmacher auf der Titelseite des Newsletters. Der Präsident fasst in seiner president’s message die Wahl noch einmal zusammen, dankt den nicht wiedergewählten Mitgliedern, motiviert die neuen Funktionsträger. Auf der folgenden Seite folgt ein ausführlicherer Bericht über das AGM und die Wahlen. Aus dem Umgang mit dem Newsletter als eines der wesentlichen Informationsmedien sowie der Präsenz des Themas Wahlen in diesem Medium ist zu schließen, dass ein erstes wesentliches Moment in der Herstellung einer demokratischen Struktur darin liegt, Transparenz über die Wahlen zu schaffen und sicherzustellen, dass jedes

4. Everything is possible!

der Mitglieder die Information zu den Wahlen erreicht, um sein Wahlrecht auch in Anspruch nehmen zu können. »It is your Club« – Clubmitglieder als Souverän

Nimmt man die hier vorgeschlagene Analogie zu einer repräsentativen Demokratie ernst, so ließe sich in Anlehnung an diesen Vergleich sagen, dass auch im Club grundsätzlich die Souveränität bei den Clubmitgliedern liegt. It is your Club. We ONLY help to manage (President’s Message in Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2012, Vol. 7, S. 2). Gemäß It is your Club sind es die Clubmitglieder, die den Club gleichberechtigt konstituieren und den Club gleichberechtigt mitgestalten können und sollen. Nun gemäß We ONLY help to manage, so wird offensichtlich, bedarf es bei einer Mitgliederzahl von über 800 einer Struktur der Organisation. Eine bestimmte Entität – das we –, welcher es bedarf und die hier also offensichtlich organisiert, handhabt, bewältigt, eben managt, schwächt jedoch ihre Funktion in zweifacher Weise ab: ONLY und help. Es geht also um nichts weiter als eine Hilfe, um den Club zu organisieren. Die Clubmitglieder sind und bleiben das wesentliche Kollektiv, das die Macht im Club innehaben soll: ANNUAL GENERAL MEETING (AGM) Will be held on 24th April 2010 at the present Club House Election of Office Bearers for 2010/2011 will be conducted. Members would have seen for themselves, the performance and dedication of the Office Bearers in the past 2 years. For the next 2 years, please nominate and vote for Members who contribute to the growth of the Club (Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2010, Vol. 1, S. 1). The AGM to be held on 7th April 2012, will conduct election for office bearers for 2012 to 2013. Therefore I urge all members who qualify to nominate and vote, to use the privilege wisely. Any member who finds time to contribute to the progress of our club, please feel free to accept nomination (President’s Message in Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2012, Vol. 6, S. 2). Bei beiden Ausschnitten handelt es sich um Auszüge aus dem Newsletter des senior citizens clubs. Zum einen handelt es sich um einen Aufruf auf der ersten Seite und zum anderen um die president’s message, in der sich der Präsident

121

122

Wanna go Clubbing?

direkt an die Clubmitglieder richtet. Alle Clubmitglieder (bis auf einige Ausnahmen, siehe Abschnitt aktives und passives Wahlrecht) besitzen insofern die Macht, als sie aus dem gesamten Pool an Clubmitgliedern Kandidaten nominieren und sie schließlich wählen können. Hierin liegt grundsätzlich der aktive Teil der Mitbestimmung aller Clubmitglieder im Club, was auch immer wieder durch die Aufforderung zu dieser Form der Aktivität durch den verwendeten Imperativ (please nominate and vote for members who contribute to the growth of the Club; please feel free to accept nomination) oder Formulierungen wie Therefore I urge all members who qualify to nominate and vote, to use the privilege wisely, mit denen der Präsident die Clubmitglieder dringend bittet und ermahnt, ihr Privileg auch weise zu nutzen, hervorgehoben wird. »…will not be allowed to attend the AGM« – Aktives und passives Wahlrecht

Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargestellt wurde, stellt das Wahlrecht im Club ein Privileg dar, woraus zu schließen ist, dass, da es ein Vorrecht ist, nicht alle Clubmitglieder dieses Recht besitzen. […] New applicants for ordinary membership as well as members who renew their membership after 15th March 2012, will not be allowed to attend the AGM. Life and ordinary members who are below 50 years of age in 2012, can attend the AGM, but cannot participate in the election for office bearers. (President’s Message in Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2012, Vol. 6, S. 2). Dem vorangegangenen Auszug ist zu entnehmen, dass verschiedene Unterscheidungen gemacht werden, die das Wahlrecht im Club regeln. Das Wahlrecht wird im Club – sowohl das passive als auch das aktive – den Mitgliedern ab 50 Jahren vorbehalten und den Mitgliedern unter 50 Jahren abgesprochen, womit in der Konsequenz Machtasymmetrien hergestellt werden. So ist es die Gruppe der über 50-Jährigen, die im Club die Macht besitzt, da sie über das Wahlrecht vermittelt, das Recht zur Willensäußerung und zur Mitbestimmung besitzt. Es ist diese Gruppe, die die Entscheidungsmacht hat und Einfluss üben sowie den Club gestalten kann. »Please nominate and vote for members who contribute to the growth of the Club« – Wahl von Repräsentanten

4. Everything is possible!

Gewählt werden in einer direkten Wahl aus dem Pool an Clubmitgliedern, die das passive Wahlrecht besitzen, Repräsentanten, die unterschieden werden zwischen office bearers, also Amtsträgern mit Titeln wie president, vice president und deputy president, und den in einem Gremium zusammengefassten committee members. Mit der Wahl dieser verschiedenen Repräsentanten im Club wird damit einhergehend auch gleichzeitig eine gewisse Ordnung im Club geschaffen, denn mit der Wahl erhalten die Repräsentanten ihre Legitimation und damit auch Rechte, also Entscheidungskompetenzen und Gestaltungsmacht. Einmal gewählt und damit legitimiert, sind die durch die Wahl erworbenen Rechte auch von den anderen Clubmitgliedern zu akzeptieren, was sich vor allem daraus deuten lässt, dass der Präsident in seinen president’s messages den gewählten Repräsentanten stets den Rücken in ihrem Tun gegenüber der Kritik anderer Clubmitglieder stärkt, wenn es etwa heißt: We take this opportunity to thank the committee members who volunteered to take charge of the many activities of the Club, in spite of the obstacles they faced and uncalled for unfriendly comments (Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2010, Vol. 1, S. 1). So bedarf es beispielsweise ihrer Genehmigung, wenn bestimmte weitere Positionen und Funktionen im Club vergeben werden: Secretary and assistant secretary and treasurer and assistant Treasurer – Shall be appointed with consent of the members of the BOARD elected at the AGM (Wahlzettel). Neben den Rechten, die die Repräsentanten erhalten, werden mit der Wahl auch Aufgaben und Pflichten auf sie übertragen. Members would have seen for themselves, the performance and dedication of the Office Bearers in the past 2 years. For the next 2 years, please nominate and vote for Members who contribute to the growth of the Club. […] We take this opportunity to thank the committee members who volunteered to take charge of the many activities of the Club (Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2010, Vol. 1, S. 1). I want to take this opportunity to thank the very cooperative team of committee members. Each of them in their respective roles has projected the good image of the club (President’s Message in Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2012, Vol. 6, S. 2). I would like to take this opportunity to thank all committee members and area reprensentatives and those in charge of various activities and program-

123

124

Wanna go Clubbing?

mes for carrying out their duties and responsibilities well (President’s Message in Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2011, Vol. 3, S. 2). Die Repräsentanten übernehmen bestimmte Positionen, Funktionen und Rollen (respective roles), die mit Verantwortungen und Verpflichtungen einhergehen (carrying out their duties and responsibilities). Sie sind verantwortlich für die zahlreichen Aktivitäten und Programme im Club (to take charge of the many activities of the Club; in charge of various activities and programmes), die Präsentation des Clubs nach außen (each of them in their respective roles has projected the good image of the club) sowie die Entwicklung des Clubs (contribute to the growth of the Club; to contribute to the progress of our club). Es wird von ihnen erwartet, dass sie nun Leistung für den Club erbringen und Einsatz und Engagement zeigen (performance and dedication). »The perfomance and dedication of the Office Bearers in the past 2 years« – Legislaturperiode

The perfomance and dedication of the Office Bearers in the past 2 years (Newsletter of Senior Citizens Club Taman Flula 2010, Vol. 1, S. 1) – der Satz zeigt es bereits: Wie in einer guten Demokratie üblich und Voraussetzung, gilt auch im Club, dass es eine festgeschriebene Legislaturperiode gibt, im Club von zwei Jahren.

4.3.2 »I don’t allow. As a head, I don’t allow« – Senior Citizens Club in Taman Flula, ein autoritär geführtes Unternehmen Evelyn fragt mich aus: Wo ich denn schon überall gewesen sei? Ich sage, dass ich jetzt einen Monat im Club in Taman Flula gewesen sei. »Ach, bei Mr. Chu«, sagt sie. Jaja (Protokoll 21.11.2012, Zeile 70-71). »Ach, bei Mr. Chu« – Mr. Chu, bekannt wie ein bunter Hund, kann man meinen, stammt dieser Ausschnitt doch aus dem zweiten senior citizens club, in Taman Ampola. Fast wie selbstverständlich ist die erste spontane Reaktion auf das Stichwort »Club in Taman Flula« der Verweis auf den Präsidenten Mr. Chu. Mr. Chu steht also, über die Grenzen des Clubs hinaus, für den Club, ja, etwas übertrieben formuliert, der Club in Taman Flula ist Mr. Chu. Kein Zufall … Während im vorangegangenen Abschnitt beschrieben wurde, dass der Club in den Newslettern als repräsentative Demokratie hergestellt wird, gestalten sich Entscheidungsstrukturen im Cluballtag doch auch, so werden die folgenden Analysen zeigen, nach einem anderen Prinzip. In Kapitel 4.2.1 wurde dargelegt, wie sich Mr. Chu größtenteils als autoritärer Topmanager eines Unternehmens inszeniert bzw. von den anderen Clubmitgliedern inszeniert

4. Everything is possible!

wird. Dementsprechend ist es aus Sicht der Clubber eigentlich konsequent, dass sich eine solche Ordnung in der Betrachtung von Entscheidungsstrukturen fortsetzt. Und so ist es auch Mr. Chu, der fast im Alleingang nicht nur strategische Entscheidungen für den Club trifft, sondern auch im »operativen Geschäft«, d.h. in den alltäglichen Entscheidungen, letzte Instanz bleibt, die entscheidet, bestimmt, legitimiert und regelt. »Er fängt dann aber an, mir über sein neues Projekt zu berichten«: Strategische Entscheidungen über die Zukunft des Clubs treffen

So um viertel nach 12 kommt Mr. Smith zu mir und sagt, dass Mr. Chu, der Präsident, mich sprechen wolle. Ich solle zu ihm ins Büro kommen. […] Ich gehe zu Mr. Chu ins Büro. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und bittet mich, vor dem Schreibtisch auf dem Stuhl Platz zu nehmen. Ich setze mich und er fragt, was ich denn wissen wolle. Ich sage, dass ich alles über den Club wissen wolle. Er fängt dann aber an, mir über sein neues Projekt zu berichten: Er habe ein Gebäude, das frei geworden sei, im Auge, um dort ein day care center einzurichten. Die Idee sei aufgekommen, weil er in letzter Zeit viele Anfragen von Kindern bekommen hätte, die ihre Eltern zu einem day care center bringen wollen. Ein day care center würde aber beinhalten, dass es z.B. auch Orte geben würde zum Ausruhen, wo man mal ein Schläfchen machen könne. Die Kinder hätten wenig Zeit, sie würden arbeiten und wenn sie abends nach Hause kommen würden, würden sie die Zeit mit der Frau und den eigenen Kindern verbringen. Außerdem »matche« es nicht immer, sagt er. Die Älteren sollten also hierherkommen, zu Aktivitäten oder einfach nur, um zusammenzusitzen, keine schlechten Gedanken auf kommen lassen und mit anderen zusammen sein. Hier könne aber z.B. kein Essen provided werden, müsse man im day care center irgendwie organisieren. Ich frage, ob es denn dort auch staff geben solle, und er sagt, ja, eine Person. Es hätten sich aber auch schon einige ladys angeboten, dies als ehrenamtliche Tätigkeit zu machen. So wie der Herr, sagt Mr. Chu und meint den Mann, der vor dem Haus sitzt, er könne hier zwar herkommen, hier seien aber immer viele Aktivitäten und insgesamt dann zu wenig Platz. Sie würden nun vielleicht Geld von the government bekommen, vom welfare department oder von einigen Politikern. Ihm sei es eigentlich egal, woher das Geld komme. Das sei der neue Plan (Protokoll 22.10.2012, Zeile 268-289). Dieser Protokollausschnitt beschreibt einen Monolog, den der Präsident gegenüber der Beobachterin hält und in dem er über sein neues Projekt berichtet: ein day care center einzurichten. Obwohl es scheint, dass er damit erst einmal nicht auf ihren Wunsch, dass ich alles über den Club wissen wolle, eingeht und im Grunde über eine andere Organisation als den Club berichtet, wird bei einer

125

126

Wanna go Clubbing?

tiefer gehenden Interpretation dieses Abschnitts der Bezug zum Club deutlich: Es geht hier abermals um die Herstellung der Funktion des Präsidenten, und zwar als Stratege, der Entscheidungen über die Zukunft und Entwicklung des Clubs trifft. Als ein solcher Stratege tritt der Präsident zunächst in dem Sinne in Erscheinung, indem er sich in einer erhöhten Position, als Überblickenden über die Umwelt(-bedingungen), innerhalb derer sich der Club befindet, inszeniert. Er überblickt die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Er weiß darum, wie moderne Familien heute leben und welche Stellung die Älteren innerhalb dieser Familien einnehmen: Die Kinder hätten wenig Zeit, sie würden arbeiten und wenn sie abends nach Hause kommen würden, würden sie die Zeit mit der Frau und den eigenen Kindern verbringen. Außerdem »matche« es nicht immer, sagt er. Und so weiß er ebenso darum, dass sich für viele Familien ein veränderter Bedarf an Unterstützung ergibt: Die Idee sei aufgekommen, weil er in letzter Zeit viele Anfragen von Kindern bekommen hätte, die ihre Eltern zu einem day care center bringen wollen. Des Weiteren überblickt der Präsident die Landschaft an sozialen Unterstützungsorganisationen, in die auch die Clubs eingebettet sind. So weiß er um die Unterschiede der Konzeptionen von einem Club und einem day care center; er weiß um die Strukturen zu einer möglichen Finanzierung und er weiß, wie ein day care center zu organisieren ist. Innerhalb dieser Umweltbedingungen und Umweltentwicklungen scheint es nun an ihm zu liegen – schließlich kommen Anfragen an ihn persönlich, er berichtet von seinem neuen Projekt, er hat die Dinge im Auge –, eine Entscheidung zu treffen, wie der Club langfristig ausgerichtet sein wird. Der Präsident entscheidet, ob er die Grenzen des Clubs lockern, auch Day-Care-Center-Gäste aufnehmen und damit aber auch seinen ursprünglichen Charakter verändern wird oder ob er seine Grenzen weiter in der bestehenden Form konstituieren, Day-Center-Gäste nicht aufnehmen und seinen ursprünglichen Charakter weiter behalten wird. Anhand des Protokollausschnitts wird deutlich, dass er dabei allein entschieden zu haben scheint, in welche Richtung die Reise geht: Die Grenzen und der ursprüngliche Charakter des Clubs sollen erhalten bleiben. So kann der eine Herr als Ausnahme zwar herkommen; insgesamt ist jedoch für die beiden Konzepte zu wenig Raum, sodass es eben eines ganz neuen Ortes bedarf. I took over in 2004. Prior to my taking over the club was not managed well, properly in the sense that not many members. And then, uhhhh, I told the former president, was an Indian, I said most of 80 percent of members are Mandarin speaking. So, and he said (NOT CLEAR) bilingual. He didn’t want to listen to me. So, I couldn’t do much, since he’s, uh, he, he was the president. I was, I was his committee member. So, the response was very poor, no activities. Once a year, we--once in a year the AGM and then not much

4. Everything is possible!

people attend. And, uh, to go to the monthly total membership was about 140 to 150. So, I took over 2004, I started, uh, studying all circulars and raising Mandarin and English and then started activities, uhhhh, started in Mandarin classes. And then I managed to get --IBM to supply most then free computers. So, we started a Man, a computer class. And then things kept moving. Membership kept increasing. And then we organize our, our trips once in two months outstation. And, any functions, people invite us. We go. Soooo, much so the membership starts increasing (Interview Mr. Chu, Zeile 206-223). Dieser Abschnitt stellt einen Interviewausschnitt mit Mr. Chu dar. Deutlich wird hieran zunächst einmal, dass die Herstellung der Rolle des Präsidenten als autoritäre Führungsfigur nicht individualisiert auf die Persönlichkeit Mr. Chus bezogen geschieht, sondern in der Organisationskultur dieses speziellen Clubs begründet zu liegen scheint. Dies lässt sich aus der Historie des Clubs, die hier berichtet wird, deuten: He didn’t want to listen to me. So, I couldn’t do much, since he’s, uh, he, he was the president. I was, I was his committee member. Es zeigt sich auch hier, dass bereits in vergangenen Zeiten die eigentlich demokratisch angelegte Struktur des Clubs ausgehebelt wurde. Der Präsident hat das letzte Wort bei Entscheidungen, selbst wenn diese entgegen den individuellen Interessen der Clubmitglieder oder entgegen der erfolgreichen Zukunft des Clubs getroffen werden. So scheinen – selbst bei basalen Angelegenheiten wie Entscheidungen über die Sprache im Club und damit ein Verstehen untereinander – die einzelnen Mitglieder kein Mitspracherecht zu haben. Selbst einem von ihnen gewählten Repräsentanten, Mr. Chu als Committee-Mitglied, scheinen die Hände gebunden zu sein, wenn ihre Interessen entgegen jenen des Präsidenten stehen. Die Übernahme der Leitung des Clubs durch Mr. Chu wird sodann fast wie eine Zäsur des Clubgeschehens konzeptioniert, an der nun Mr. Chu persönlich als Präsident den Club in eine neue Ära geführt hat. Nun an der Macht, aber auch erst dann, konnte er seine Pläne für den Club, die er schon lange im Kopf hatte, umsetzen. Ganz im Sinne eines strategischen Unternehmensmanagements setzt er dabei auf ein Wachstum des Clubs. Denn gutes Management bedeutet für ihn: viele Mitglieder. Und ganz im Sinne eines strategischen Unternehmensmanagements führt er eine Analyse des Clubs durch u.a. unter Hinzuziehung harter Fakten, auf deren Basis er Grundlegendes verändert. So beseitigt er grundlegende Missstände, indem er z.B. die Sprachpolitik des Clubs ändert. Er gibt dem Club eine neue Richtung, indem er neue Segmente zum Portfolio des Clubs hinzufügt: Then started activities, uhhhh, started in Mandarin classes. And then I managed to get--IBM to supply most then free computers. Gut von ihm strategisch gemanagt, beginnt der Club zu florieren, Wachstum wird fast zu einem Selbstläufer: immer mehr Mitglieder, die sich

127

128

Wanna go Clubbing?

nun von dem »neuen« Club angesprochen fühlen, immer mehr Präsenz nach außen, immer mehr Einladungen, immer mehr Angebote – immer mehr Mitglieder. Mr. Chu ist also die Entscheidungsinstanz, die die strategische Ausrichtung des Clubs festlegt. Dass Mr. Chu jedoch nicht nur die Entscheidungen in solch übergeordneten Fragen wie der Zukunft des Clubs trifft, sondern auch im Cluballtag, sozusagen im operativen Geschäft letzte Entscheidungsinstanz bleibt, die regelt, legitimiert, bestimmt und anordnet, machen zahlreiche Szenen aus dem Cluballtag deutlich. »No Problem, just come to the Club«: Entscheidung über Zugänge zum Club treffen

Wie in Kapitel 4.2 deutlich wurde, stellen die Punkte Mitgliedschaft und Entscheidungen darüber, wer Zugang zum Club erhält, relevante Themen dar, die immer wieder verhandelt werden. Umso interessanter ist es nun, wie sich der Zugang der Beobachterin zum Club darstellt, denn so Lüders: »Die Erfahrung dabei zeigt, dass die Art und Weise, wie man Zugänge gewinnt, meistens schon zentrale Charakteristika des Feldes widerspiegeln. Selbst in jenen Fällen, bei denen der Zugang (zunächst) scheitert, sind die dabei gewonnenen Erfahrungen aufschlussreich, weil sie hilfreiche Hinweise über die Struktur des Forschungsgegenstandes liefern können« (Lüders 2009, S. 392).

Was also sagt die Gestaltung des Zugangs der Beobachterin über die Hierarchie und Entscheidungsstrukturen im Club in Taman Flula aus? Ich möchte heute wieder zum senior citizens club in Taman Flula fahren. Vor drei Wochen habe ich den Präsidenten, Mr. Chu, auf seinem Handy angerufen, um anzufragen, ob ich wieder in den Club kommen darf. Die Telefonnummer habe ich aus dem Internet. […] Das Telefonat: Ich wähle, es tutet, jemand nimmt ab. Ich frage, ob am anderen Ende Mr. Chu ist. Er: »Hallo, hallo.« Ich wiederhole meine Frage und er bejaht. Ich erkläre, dass ich Carolin bin, die deutsche Studentin aus Deutschland, die letztes Jahr schon einmal im Club war. Ob er sich noch an mich erinnern würde? Er sagt sehr, sehr laut: »Jajaja.« Ich erkläre, dass ich in drei Wochen wieder in Kuala Lumpur sein werde und ob es in Ordnung sei, wenn ich dann wieder in den Club komme? Er: »No Problem, just come to the Club.« Ich bedanke mich und sage, dass ich mich freue, und dann ist das Gespräch schon beendet (22.10.2012, Zeile 3-12).

4. Everything is possible!

Der Protokollausschnitt stellt eine Retrospektive dar, in der beschrieben wird, wie der Zugang zum senior citizens club Taman Flula in der zweiten Beobachtungsphase erfolgte. Deutlich wird, dass auf der einen Seite – obwohl die Beobachterin den Club bereits in einer ersten Beobachtungsphase besucht hatte – die Tür zum Club augenscheinlich noch einmal geöffnet werden muss, sie also nicht einfach dort auftauchen kann. Auf der anderen Seite ist die zu überwindende Schwelle jedoch recht niedrig, denn so scheint ein kurzes Telefonat mit dem Verweis auf ihre Bekanntheit, die deutsche Studentin aus Deutschland, die letztes Jahr schon einmal im Club war, auszureichen, um die Erlaubnis zu erhalten: No Problem, just come to the Club. Über die Art und Weise dieser Gestaltung des Zugangs – das kurze Telefonat, das lediglich aus den Komponenten 1. der Klärung der Identitäten der Gesprächspartner, 2. einer kurzen, recht unpräzisen Anfrage der Beobachterin, 3. einer ebenso kurzen Reaktion auf diese Anfrage sowie 4. die abrupte Beendigung des Gesprächs besteht – lässt sich die Herstellung von Entscheidungsstrukturen im Club näher rekonstruieren. Zunächst einmal lässt sich sagen, dass der Präsident hier als alleiniger gatekeeper in Erscheinung tritt, der die finale Entscheidung darüber treffen darf und kann, wer von außen Zugang zum Club erhält und wer nicht. Er kann hier spontan, kurz und knapp am Telefon entscheiden und der Beobachterin die Erlaubnis just come to the club erteilen, ohne dass es einer Abstimmung mit den anderen oder einer Zustimmung der anderen Clubmitglieder bedarf. Des Weiteren ist aus diesem kurzen Dialog am Telefon zu deuten, dass im Club, auch unter den anderen Clubmitgliedern, ein allgemeines Verständnis davon vorzuliegen scheint, dass der Präsident derartige Entscheidungen im Alleingang treffen bzw. er auch im Namen der anderen Clubmitglieder sprechen darf. So ist auffällig an dem Dialog, dass hier das Anliegen – die Bitte um die Erlaubnis eines erneuten Zuganges zum Club – zwar eindeutig geklärt wird, gleichzeitig das Gespräch jedoch als äußerst vage zu charakterisieren ist. Die Beobachterin bleibt in ihren Angaben, wann sie denn zum Club kommt, zunächst unspezifisch, denn ihre Auskunft beläuft sich auf in drei Wochen. Diese Unspezifik wird auch im weiteren Verlauf nicht aufgelöst, denn auch die Reaktion des Präsidenten lässt sich in diesen Tenor einordnen: No Problem, just come to the Club. Es braucht augenscheinlich keines festen Termins und keiner festen Verabredung mit dem Präsidenten, bei dem die Beobachterin noch einmal offiziell in den Club eingeführt werden würde. Es scheint völlig ohne Belang, ob der Präsident beim ersten Wiedererscheinen der Beobachterin anwesend im Club ist oder nicht. Vielmehr erhält sie hier die Erlaubnis, auch recht unverbindlich und spontan im Club erscheinen zu dürfen, da es auszureichen scheint, z.B. eben bei Abwesenheit des Präsidenten, die Legitimation ihres Daseins im Club gegenüber den anderen Clubmitgliedern mit dem einfachen Verweis auf die Erlaubnis durch den Präsidenten auszuweisen.

129

130

Wanna go Clubbing? »Wenn irgendwer etwas sagen würde, solle ich einfach sagen, dass Mr. Chu und er, er sei der Vice President, mir das erlaubt hätten« – Entscheidungen in Konflikten

Dort kreuzen sich die Wege von mir und dem vice president. Er sagt zu mir, dass ich mir immer etwas nehmen könne, und wenn nichts da wäre oder ich Fragen hätte, sollte ich Mr. Smith fragen. Er sagt »you are so welcomed in our club; it’s your second home«. Ich bedanke mich für all die Unterstützung und er winkt ab. Wenn irgendwer etwas sagen würde, solle ich einfach sagen, dass Mr. Chu und er, er sei der vice president, mir das erlaubt hätten (Protokoll 30.10.2012, Zeile 150-155). Die oben dargestellte Szene stellt ein Aufeinandertreffen der Beobachterin und des Vize-Präsidenten Johns im Club dar, dem vorausgegangen ist, dass die Beobachterin sich einen Kaffee aus der Küche geholt hat. Nun kreuzen sich auf dem Hof des Clubs ihre Wege. Bei diesem Zusammentreffen regelt der Vize-Präsident zunächst das Dasein, den Platz der Beobachterin im Club. Er konzeptioniert den Club für die Beobachterin als second home und entwirft den Club damit für sie als einen Ort, der für Sicherheit, Verlässlichkeit, Vertrauen steht und der Beobachterin größtmögliche Bewegungsfreiheit verspricht (auch wenn diese Idee des second homes für sie nicht durchgehalten wird, schließlich braucht sie gleichzeitig die Erlaubnis für ihr Agieren und wird gleichsam als Gast, der willkommen geheißen wird, entworfen; Ideen von Raum, die nicht mit Heim oder »zu Hause« kompatibel sind). Wie auch immer, im zweiten Teil der Szene wird die Möglichkeit des Konflikts, wenn irgendwer etwas sagen würde, angesprochen und gleichsam eine Anleitung gegeben, wie sich die Beobachterin in diesem Fall zu verhalten hat: Einfach sagen, dass Mr. Chu und er, er sei der vice president, mir das erlaubt hätten. Gerade diese Anleitung gibt Aufschluss über die Herstellung von Hierarchie und Entscheidungsstrukturen im Club. Denn es wird offenbar, dass für den Fall des Konflikts der Präsident im Club die Autorität innehat und die akzeptierte Entscheidungsgewalt darstellt. Der alleinige Verweis auf ihn – so ist er weder in dieser Situation anwesend, noch dann, wenn irgendwer etwas sagen würde – reicht aus, um dann eine Konfliktsituation zu regeln. Es scheint irrelevant, dass eines der Clubmitglieder, trotz des demokratischen Anspruchs des Clubs, etwas gegen die Anwesenheit der Beobachterin oder ihre freie Bewegung im Club haben könnte. Wenn sie sagt, dass Mr. Chu das erlaubt hätte, dann wird Ruhe sein. Des Weiteren lässt sich fragen, warum Johns Verhaltensanleitung überhaupt beinhaltet, sich auf den Präsidenten Chu zu beziehen, da er selbst hier doch die Erlaubnis ausspricht. Auch dieser Bezug deutet darauf hin, dass eben Mr. Chu die Autorität im Club ist, denn der alleinige Verweis auf den Vize-Präsidenten zur Legitimation der Beobachterin gegenüber den

4. Everything is possible!

anderen Clubmitgliedern scheint nicht ausreichend zu sein. Der vice president bleibt hier nur Sprachrohr für Mr. Chu. »Mr. Chu wasn’t too happy. So, we stopped it« – Entscheidungen über Stellenbesetzungen und Aktivitäten

And then the first impression of this place was at the time, Mr. Chu was already the--one of the, the president. And I thought he was very busy. So, I thought I can help him in some ways. So, there was once I told him, »Can I sort of, uh, sit--come in and sit at one of the meetings«? And he said, »Well, you’re most welcome«. So, that’s how I started to be in the committee. […] So, I told Mr. Chu, »Can I sort of, uh, ask somebody to clear the grass at the level of the, the land«? (Interview Grace I, Zeile 113-126). As I say, I like to help in the club. So, I’ve been helping financially and, uh, physically. And of late, I don’t know, in my--in this month issue, our golden news issue, there may be some pictures of myself because, uh, three months back, the President has, uh, given me award, I don’t know whether you heard about that. […] So, in appreciation of my act=my work to our s=club, the activities, I, my main responsibility now to the, to the club is the monthly, monthly, uh, birthday parties. No//normally, I’m very busy on the date, so, and the day--the afternoon before the s=first Saturday, I’ll be here for at least two hours, three hours, to arrange the tables and the chairs and to get ready the cups and things like that. And, uh, on the day itself, as what the president says, I’m always the first to come on the first Saturday of the month. And I’m always, uh, one of the last to go off (Grace II, Zeile 11-25). I on my own, I tried to bring in the digital photography people, huh, with three years ago, I brought in the group. You pay 50 ringgit. You have your face makeup and then a hairdo, whatever hair//hairstyle you want. And then they take a A4-sized picture all for 50 ringgit. Three months ago, I tried to bring in this group again. But, Mr. Chu wasn’t too happy. (LAUGHTER) So, we stopped it (Interview Grace II, Zeile 140-145). An dieser Stelle sollen nun bereits bekannte Interviewausschnitte von Grace noch einmal im Hinblick auf die Entscheidungsstrukturen im Club näher analysiert werden. Denn an diesen Ausschnitten kann klar verdeutlicht werden: Erstens lässt sich über den »Fall Grace« (hinausgehend) rekonstruieren, dass Mr. Chu im Club die Autorität ist, die in letzter Instanz Entscheidungen im Club trifft und die sich in der Position befindet, die eigentlich basale demokratische Ordnung, durch die der Club strukturiert sein sollte, auszuhebeln. Zweitens lässt sich, nun am konkreten »Fall Grace«, aufzeigen, dass Mr. Chu

131

132

Wanna go Clubbing?

jene Entität im Club ist, die das Dasein der Clubmitglieder, hier eben Grace, regelt und legitimiert.9 Die These »Mr. Chu als die Autorität« wird bereits zu Beginn dieses Abschnitts untermauert, wenn Grace von ihrem Weg ins committee spricht. Die demokratische Ordnung des Clubs, wie sie in Kapitel 4.3.1 beschrieben wurde, wird dabei aufs Äußerste von Mr. Chu unterwandert, indem hier der Zugang Graces zum committee, das Herzstück der demokratischen Ordnung, nicht mehr über demokratische Wahlen gestaltet und damit vom Clubvolk legitimiert wird, sondern durch ihn persönlich in einer individuellen Entscheidung – und zwar einfach so, »Well, you’re most welcome« – auf Anfrage hin, in einem Zweiergespräch, autorisiert wird. Stellt dieses Agieren bereits den Gipfel der Verletzung der demokratischen Ordnung dar – zumindest für den neutralen Beobachter, im Club scheint dies Normalität zu sein –, so wird die Aushebelung der demokratischen Ordnung auch an weiteren Stellen deutlich, wie z.B. in der Art und Weise, wie mit Ideen zu neuen Aktivitäten und Angeboten umgegangen wird. Individuelle Ideen, wie die digital photography, können zwar als Vorschlag erst einmal eingebracht werden, über die Umsetzung wird aber nicht demokratisch im committee entschieden, sondern das letzte Wort ist Mr. Chu vorbehalten: But, Mr. Chu wasn’t too happy. So, we stopped it. Dabei scheint ein Einfaches »gefällt mir bzw. gefällt mir nicht« ohne sachliche Begründung auszureichen und von den anderen Clubmitgliedern so angenommen zu werden. Mr. Chu entscheidet also individuell; das Kollektiv, das we, hat die Konsequenzen zu tragen und zu akzeptieren. Ähnliches zeigt sich in der Vergabe jener Clubauszeichnung, von der Grace hier spricht. Auch hier heißt es nicht etwa the club oder the committee has given me award, was auf eine demokratische Entscheidung hindeuten würde. Es ist erneut the president, der hier die Hauptfigur zu sein scheint, der individuell entscheidet, wem eine Auszeichnung für 9 | In diesem Abschnitt ließe sich ebenso auch noch einmal abtragen, was in Kapitel 4.2.1 zur Herstellung des Clubs als Redaktion sowie zur Inszenierung Mr. Chus und Mayas als Chefredakteur beziehungsweise als rasende Reporterin beschrieben wurde. Dort hieß es ähnlich, wie es sich hier nun mit Grace zeigt: Und in diesem Sinn agiert er als Chef des Ressorts nach dem einfachen Prinzip von fire and hire. So werden Positionen und Stellen hier nicht etwa nach dem demokratischen Prinzip oder nach Freiwilligkeit (wie sich nach Kapitel 4.3.1 vermuten ließe) aufgegeben oder vergeben. Vielmehr kann Mr. Chu »seine Angestellten« auf der einen Seite unter der Berücksichtigung einer Leistungsbeurteilung aus ihrer Tätigkeit entlassen, sprich: feuern. So hat Mr. [?] hier seine Leistung nicht erbracht und muss daher seinen Platz räumen. Auf der anderen Seite hat Mr. Chu, als guter Chef, zum einen das Zeug dazu, Potenziale wie bei Maya zu erkennen und sie zu fördern, und zum anderen hat Mr. Chu die Befugnis, wiederum einfach jemanden für diese Position beziehungsweise Stelle auszuwählen, anzuwerben und zu benennen.

4. Everything is possible!

besondere Verdienste für den Club zukommt, und der damit Anerkennung verleiht. Speziell den »Fall Grace« betrachtend, lässt sich in der Analyse von Entscheidungsstrukturen Folgendes darlegen: Wurde in Kapitel 4.2.1 formuliert, dass der Club Grace den Raum gibt, sich auf ihre spezielle Art und Weise, eben als Workaholic, in den Club hinein zu definieren, so lässt sich im Zusammenhang von Entscheidungsstrukturen pointierter sagen, dass es im Grunde der Präsident ist, der ihr diesen Raum gibt – oder auch nicht. Er ist es, der ihre Daseinsform im Club regelt. Es ist es, den es stets um Erlaubnis zu bitten gilt: für den Weg ins committee, für die Arbeit am Garten, für die Umsetzung neuer Ideen. Und Mr. Chu erlaubt oder verbietet eben. Selbst in Graces main responsibility, der pot luk party, mischt sich Mr. Chu ein und erlegt ihr Pflichten auf, wie sie sich an diesem Tag zu verhalten hat : And, uh, on the day itself, as what the president says, I’m always the first to come on the first Saturday of the month. And I’m always, uh, one of the last to go off.

4.3.3 » Wer ist hier aber der Präsident«? – Diffuse Verflechtungen im Senior Citizens Club in Taman Ampola Nachdem beschrieben wurde, dass und inwiefern im Club in Taman Flula der Präsident als die autoritäre Entscheidungsinstanz hergestellt wird, zeigt sich im Club in Taman Ampola eine gänzlich andere Struktur von Entscheidungen und Hierarchie. Es wird deutlich werden: Erstens, dass hier ebenso wie im Club in Taman Flula eine weitere Logik als jene demokratische Logik zu finden ist. Zweitens, dass der Präsident eine eher repräsentative Funktion übernimmt. Drittens, dass es eine Verflechtung und Verwobenheit verschiedener Entscheidungsinstanzen im Club gibt – ein Konstrukt, das manches Mal etwas diffus anmutet und nicht immer als ganz unproblematisch in Erscheinung tritt. »Ich habe vorher nicht angerufen, denn mein Problem war irgendwie, dass ich nicht wusste, wen«? – Uneindeutigkeiten im Club in Taman Ampola

Um hier also den Entscheidungsstrukturen auf die Spur zu kommen, bietet es sich erneut an, den Zugang der Beobachterin zum Club auch hier noch einmal näher zu analysieren, denn um das Zitat Lüders’ noch einmal zu bemühen: »Die Erfahrung dabei zeigt, dass die Art und Weise, wie man Zugänge gewinnt, meistens schon zentrale Charakteristika des Feldes widerspiegeln. Selbst in jenen Fällen, bei denen der Zugang (zunächst) scheitert, sind die dabei gewonnenen Erfahrungen aufschlussreich, weil sie hilfreiche Hinweise über die Struktur des Forschungsgegenstandes liefern können« (Lüders 2009, S. 392).

133

134

Wanna go Clubbing?

Was also ist eines der zentralen Charakteristika dieses Clubs? Ich bin heute sehr nervös, weil ich das erste Mal wieder zum senior citizens day center (so heißt es hier offiziell) in Taman Ampola will. Ich habe vorher, anders als beim senior citizens club in Taman Flula, nicht angerufen, denn mein Problem war irgendwie, dass ich nicht wusste, wen. In Taman Flula war das ganz klar, dass es Mr. Chu ist, den es um Erlaubnis zu fragen gilt. Hier habe ich darüber nachgedacht, Mr. William anzurufen, aber irgendwie war ich mir echt nicht sicher, ob er der Ansprechpartner ist. Letztes Mal habe ich ihn immer alles gefragt, weil er damals mich und Miss Wang in Empfang genommen hatte. Wer ist hier aber der Präsident? Mr. Chu, der Präsident von Taman Flula, hatte mir gestern angeboten, einen Termin mit Megan oder Ava zu machen. Das ist mir aber auch unangenehm, da mir das zu offiziell ist und da ich die ja nicht kenne und ich eigentlich eher versuchen will, über die Kontakte vom letzten Mal wieder »reinzukommen«. Ich fahre mit dem Bus zum day center und hoffe darauf, einfach gleich Leute zu treffen, die ich vom letzten Mal kenne. Ich habe mir auch extra den Dienstag als ersten Tag ausgesucht, da es zumindest letztes Jahr so war, dass da immer viel los war und Mr. William, an dem ich immer noch ein bisschen als Kontaktperson für mich festhalte, auch immer da war (Protokoll 21.11.2012, Zeile 3-16). Der Protokollausschnitt stellt Reflexionen der Beobachterin dar, aus denen sich ein struktureller Unterschied zwischen den beiden senior citizens clubs herausinterpretieren lässt. Nachdem der Abschnitt durch eine Kontextualisierung – der erste (erhoffte) Beobachtungstag im senior citizens club in Taman Ampola– eingeleitet wird, werden die Reflexionen der Beobachterin durch einen Vergleich zwischen den beiden senior citizens clubs hinsichtlich des Zugangs geleitet. Der Zugang zum senior citizens club in Taman Flula war dabei von einer Eindeutigkeit von Entscheidungsstrukturen und Zuständigkeiten bestimmt – was sich auch schon sprachlich zeigt (ganz klar). Aus den vorherigen Erfahrungen der Beobachterin (aus der ersten Beobachtungsphase) war für sie deutlich und offensichtlich, dass der Präsident Mr. Chu der gatekeeper ist, den es um Erlaubnis zu fragen gilt. Der Zugang zum senior citizens club in Taman Ampola gestaltet sich nun anders. Zentral scheinen hier im Vergleich nun zweierlei Dinge zu sein: Zum einen wird offensichtlich, dass es hier vielmehr Uneindeutigkeiten von Entscheidungsstrukturen und Zuständigkeit gibt. Auch dieses manifestiert sich ebenso sprachlich in dem Absatz: Alles ist irgendwie, man weiß nicht, man ist sich echt nicht sicher, man hält ein bisschen fest. Hier eine Verantwortlichkeit festzumachen, wer der Beobachterin den Zugang gewähren kann, wird somit zu einem Suchen, nicht zu einem Finden, und bleibt diffus. Es kommt der Be-

4. Everything is possible!

obachterin in ihren Reflexionen in den Sinn – angedeutet durch den assoziativen, nahezu zusammenhangslosen Einschub Wer ist hier aber der Präsident? –, dass es analog zum Club in Taman Flula der Präsident sein könnte, der als gatekeeper fungiert. Allerdings weiß sie gar nicht, wer diese Position bekleidet. Als weitere Option zieht sie Mr. William in Erwägung, der hier als Repräsentant des Clubs konzeptioniert wird – Letztes Mal habe ich ihn immer alles gefragt, weil er damals mich und Miss Wang in Empfang genommen hatte. Allerdings ist auch hier nicht eindeutig, ob der Repräsentant auch als der gatekeeper wirkt, er scheint allenfalls ein Ansprechpartner zu sein. Auch den Vorschlag Mr. Chus nimmt die Beobachterin hier nicht auf. Und das ist ebenso interessant: Selbst wenn diese beiden Clubmitglieder die entscheidenden Instanzen darstellen, so ist diese Funktion für die Beobachterin ebenso verborgen geblieben, schließlich kennt sie diese beiden Figuren nicht einmal. Letztlich wird auch das Vorgehen der Beobachterin immer diffuser und nebulöser, denn ihre Lösung besteht letztlich darin, zum Club zu fahren und darauf zu hoffen, einfach gleich Leute zu treffen, die ich vom letzten Mal kenne, wobei auch hier die Frage auftaucht, woher sie dann vor Ort wissen will, wen sie genau um Zugang bitten soll. Zum anderen zeigt sich damit einhergehend, dass der Präsident in diesem Club, anders als im Club in Taman Flula, als keine in den Cluballtag präsente und entscheidende Figur integriert zu sein scheint. So ist es doch bemerkenswert, dass für die Beobachterin, die immerhin bereits vier Wochen in der ersten Beobachtungsphase im Club verbracht hat, die formell höchste hierarchische Position im Club in Funktion und Besetzung nebulös geblieben ist. Und so verweist selbst Mr. Chu, als Wissender über den Club in Taman Ampola, im Hinblick auf potenzielle gatekeeper nicht etwa auf den Präsidenten des Clubs, sondern führt andere Clubmitglieder wie Ava und Megan ein, die es zu fragen gelte. »Wie heißt der Präsident nochmal«? – der Präsident als repräsentative Figur

Eines der zentralen Charakteristika, die sich also aus der Analyse des Zugangs ergeben, ist, dass der Präsident hier keine oder zumindest nicht die entscheidende Instanz zu sein scheint. Wie wird er aber sodann hergestellt? Als repräsentative Figur: Während des ganzen Geschehens ist der Präsident zu mir gekommen und hat gefragt, wie lange ich noch bleiben will und ob wir ein bisschen eher los wollen. Mir ist das recht und so verabreden wir uns für halb drei zum Abmarsch. So kommt es aber nicht, denn der Präsident kommt noch einmal zu mir und sagt – es ist jetzt so halb drei –, dass die anderen wollen, dass er jetzt noch einmal Karaoke singt. Wenn ich den Präsident so beobachte, habe

135

136

Wanna go Clubbing?

ich das Gefühl, dass er sich hier nicht so ganz wohlfühlt. Er singt und tanzt nicht – singen nur, wenn er dazu aufgefordert wird. Er sitzt auch meist allein da und niemand unterhält sich mit ihm. Als wir dann gehen, so gegen drei, sagt der Präsident zu mir, dass es ihm leid tue, dass wir erst jetzt gehen (wir sind für nach der Party zu einem Interview verabredet). Jetzt sei es schon fast drei, sei vielleicht ein bisschen lang, die ganze Veranstaltung, sagt er und lächelt. Während wir am Tisch sitzen, sagt Millie zu mir, dass sie nachher wieder in den Club fahren und mich dann mitnehmen würden. Ich sage danke, dass ich aber mit Mr. Hu, dem Präsidenten mitfahre, weil er mir noch ein Interview gibt. Die Dame neben mir: Wie heißt der Präsident nochmal? Ich wiederhole seinen Namen. Ach so, sie habe den Namen vergessen (Protokoll 13.12.2012, Zeile 208-221). Diese Szene spielte sich im Kontext der großen, alle drei Monate stattfindenden Geburtstagsfeier für die Clubmitglieder statt, eines der Events im Cluballtag. Im Vergleich zu einem Club wie jenem in Taman Flula, in dem die Figur des Präsidenten eben als die entscheidende Autorität in nahezu allen Fragen hergestellt wird, tritt der Präsident des Clubs in Taman Ampola hier gänzlich anders in Erscheinung, nämlich vielmehr als eine repräsentative Figur. So wäre es beispielsweise im Club in Taman Flula undenkbar, dass eines der Clubmitglieder den Namen des Präsidenten nicht weiß oder dass der Präsident zu einem clubeigenen, so wichtigen Event eingeladen werden würde und müsste, da er über dessen Existenz gar nicht so recht Bescheid weiß: Da er ja jetzt mehr Zeit hat, fragt Janet ihn gleich, ob er dann zu der birthday party am 13.12. komme? (Protokoll 27.11.2012, Zeile 358). Ferner wäre es im Club in Taman Flula fast ausgeschlossen, dass der Präsident ein so wichtiges Clubevent vorzeitig verlassen wolle, eine wichtige Veranstaltung gar zu lang sein könnte oder er allein dasitzen würde. Im Gegensatz zu Mr. Chu also tritt Mr. Hu hier eher als repräsentativer Präsident auf: Es scheint, dass man ihn einlädt, weil es eben zum guten Ton gehört, den Präsidenten einzuladen. Ebenso gehört es anders herum zum guten Ton, als Präsident eine solche Einladung nicht abzuschlagen, sondern seine Pflichten nun einmal zu erfüllen, sich auf dem Event zu zeigen, ein bisschen, wenn auch widerwillig, mitzumischen, das Event aber auch, sobald es die Etikette zulässt, wieder zu verlassen, da man schließlich noch Anderes, Wichtigeres – wie ein Interview zu geben – zu tun hat. Der Präsident wirkt hier eher wie ein Fremdkörper – Wenn ich den Präsident so beobachte, habe ich das Gefühl, dass er sich hier nicht so ganz wohlfühlt –, der eben nicht in den Cluballtag als präsente und entscheidende Figur integriert zu sein scheint.

4. Everything is possible! »Nicht Evelyn zeigen« – Verflechtungen und Verwobenheiten an Entscheidungsstrukturen

Nun wurde als zweites zentrales Charakteristikum aus der Analyse des Zugangs formuliert, dass sich Uneindeutigkeiten von Entscheidungsstrukturen und Zuständigkeit im Club zeigen. Diese Uneindeutigkeit zeigt sich auch des Weiteren, da – vielleicht auch aus dem Machtvakuum begründet, das die Herstellung des Präsidenten als eher repräsentative Figur hinterlässt – sich eine diffuse Verflechtung und Verwobenheit an Entscheidungsstrukturen und -funktionen ergibt. Auf der einen Seite hat hier das committee als demokratische Entscheidungsinstanz zwar auch mehr Spielräume als z.B. im Club in Taman Flula, auf der anderen Seite gibt es neben dem committee weitere Instanzen, die wiederum nicht der demokratischen Logik folgen. So agiert weiter der bezahlte Manager, aber z.B. auch Evelyn, die sich ebenso als Managerin versteht. Der folgende Protokollausschnitt ist dabei sehr lang, soll aber in Gänze abgetragen werden, da er diese Verflochtenheit eingängig zeigt. Als ich das Clubhaus betrete, ist man, glaub ich, erst einmal verwirrt und alle blicken mich an. Ich gehe dann zu Theo und sage Hallo und frage, ob er mich noch kennt. »Jaja, wieder da«? […] Ich erkläre mein Anliegen kurz und knapp, dass ich wieder da bin und eben immer noch an meiner Arbeit schreibe und ob ich wieder ein bisschen hier mit bleiben darf. Die Situation ist etwas seltsam und verkrampft und ich frage einfach mal, ob heute kein Karaoke sei. »Heute Nachmittag vielleicht«, sagt er; sie hätten jetzt ein Meeting. Dann leitet er mich über zu Alexander, der mich begrüßt mit »Long time no see!«. […] Ich erkläre auch Alexander mein Anliegen und auch er sagt »ok, ok, take a seat« und ich setze mich vor einen seiner Schreibtische. Dann setzt er sich zu mir und fragt, was ich denn wissen wolle. […] Ich sage, dass ich mehr über den Club für meine Arbeit lernen wolle. Er fragt mich, ob ich Evelyn schon kenne und ich sage nein. Ob er mich vorstellen solle? Ja, gerne, sage ich. Gesagt, getan: Ich soll mitkommen, in das Nebengebäude. […] Ich eile hinter Alexander her […]. Dieses Gebäude ist nun ein Büroraum, auch in ein »unteres« und »oberes« Erdgeschoss geteilt. Ich solle mich setzen, sagt er, er bleibt stehen. Beim Hereintreten habe ich gesehen, dass »oben« eine Frau an einem Schreibtisch sitzt, vor dem Schreitisch sitzt ein Mann. Alexander und ich warten so zwei Minuten, dann wendet sich die Dame (ich kann sie im Sitzen nicht mehr sehen) wohl Alexander zu und er gibt mir Zeichen, dass ich mitkommen soll. Wir gehen zu dem Schreibtisch von Evelyn und bleiben davor stehen. Alexander stellt mich kurz vor: Wo ich herkomme und dass ich eine Arbeit über senior citizens clubs schreibe. Evelyn fragt mich aus, wo ich denn schon überall gewesen sei. Ich sage, dass ich jetzt einen Monat in Taman Flula gewesen sei. »Ach, bei Mr. Chu«, sagt

137

138

Wanna go Clubbing?

sie. »Jaja«. […] Dann sagt sie, dass er, also Alexander, mir schon eine Menge erzählen könne, denn er sei ja der Manager des Clubs. Ich bedanke mich für das Gespräch und Alexander und ich gehen wieder rüber ins Clubhaus. Dort soll ich mich wieder setzen und ich setze mich wieder auf den Platz am Schreibtisch. Alexander setzt sich dazu. Wir sind im »oberen« Teil des Erdgeschosses, unten läuft jetzt das Meeting, ein »Emergency Meeting«, wie ich eben aus dem Gespräch zwischen Alexander und Evelyn vernommen habe. Alexander erzählt mir dann allerhand über den Club. Unser Gespräch fängt an, dass er mich fragt, was ich denn wissen wolle. Ich frage ihn, ob er mir etwas über das »Clublife« erzählen könne. Oder vielleicht über seine Aufgabe als Manager, was das eigentlich heißt. Ok, damit kann er was anfangen und er erzählt: Also er sei der Manager von zwei Clubs. […]. Er würde sich also dabei um die ganzen Aktivitäten kümmern. Ob ich mir die ganzen Aktivitäten nicht aufschreiben wolle? Oder er würde mal hochgehen und mir eine Liste holen. Er steht also auf und geht in die 2. Etage des Hauses und kommt mit einer Liste wieder, auf der geordnet nach Wochentag und Uhrzeit die ganzen Aktivitäten stehen. Wir gehen die Liste zusammen durch […] Dann sei seine Aufgabe, einmal im Monat einen report beim committee board meeting zu präsentieren. […] Ich frage, worum es in diesem report denn geht. Es gehe über collections, sagt er, und die activities. »First example«, sagt er: »social night activity« […]. Dann weiter der report: »Outsider who come for cooking demonstration, karaoke room collection, dancing collection, singing choir collection; all about money. Not big, but to survive«, sagt er. Allgemein eben »running of the club, when there are problems or implementation how to improve«. Das würde dann am committee meeting entschieden und »finalized«. Der report sei halt »to feedback, to discuss how to improve and develop the club, for example how to promote more membership«. Ich frage, wie sie denn neue members rekrutieren? Naja, wenn sie events hätten, z.B. singing choir oder dancing, würden sie auch nonmembers zulassen und einladen und dann Werbung machen »to join membership«. […] Dann sagt Alexander dem caretaker Bescheid, dass er mal draußen das Karaoke (das mittlerweile angefangen hat) leiser machen soll. Zu mir sagt er, die da unten hätten committee meeting, man könne sich ja gar nicht unterhalten wegen der Musik. Ich frage, ob er nicht da zugehöre. Nee, er sei nicht im committee. Ich frage weiter, was ich noch nicht verstanden hätte, wie eigentlich die Beziehung von MAFEP und den Clubs sei. Das ist eine schwierige Frage, sagt er und ziert sich auch bisschen, die zu beantworten, und verweist mich eher an Evelyn (er sagt einmal auch, dass er nicht wisse, ob er mir das sagen dürfe). […] Hierzu solle ich aber mal lieber die Sekretärin fragen. Dann fragt mich Alexander, ob er mal ein Meeting für mich mit Evelyn abmachen solle.

4. Everything is possible!

Ich sage gerne, aber vielleicht erst später, da ich erst einmal sehen möchte und dann Fragen präparieren will. Ob ich noch mehr Fragen hätte? Ich sage, dass ich nochmal darauf zurückkommen werde. Unser Gespräch ist erst einmal beendet und Alexander sagt zum Ende, dass ich den Zettel, den er mir gegeben habe, nicht Evelyn zeigen solle. Sei eigentlich nur für den internen Gebrauch, solle ich ihr nicht sagen, dass er mir den gegeben hat (Protokoll 21.11.2012, Zeile 44-146). In diesem Protokollausschnitt agiert eine bereits bekannte Figur: der Manager Alexander. In Kapitel 4.2.1 wurde bereits dargelegt, dass er sich als bezahlter Manager des Clubs als eine gewisse Autorität begreift, die in der Differenz zu den anderen Clubmitgliedern bestimmte Pflichten, aber vor allem auch Rechte besitzt. Auch wenn in Kapitel 4.2.1 ebenso dargestellt wurde, dass auf der einen Seite nicht alle Clubmitglieder seine Sicht der Dinge teilen, so wird in dieser Situation des Zugangs der Beobachterin auf der anderen Seite jedoch deutlich, dass er eben doch, und nicht nur in seiner eigenen Wahrnehmung, eine entscheidende Figur im Club darstellt. Deutlich wird dies bereits zu Beginn der Szenerie, in der Alexander zu dem lang gesuchten gatekeeper für die Beobachterin wird. Der Anfang der Szene wird hier durch eine, mit den Worten Goffman gesprochen, »Dissonanz« (Goffman 1971, S. 108) gerahmt, die sich aus der Situationsbeschreibung von seltsam und verkrampft deuten lässt. Folgt man Goffman, der formuliert: »Achtet der Soziologe auf diese Dissonanzen, so wird er allgemeine Angaben über die Bedingungen machen können, unter denen Interaktionen fehlschlagen werden, folglich aber auch notwendige Bedingungen für einen richtigen Interaktionsablauf angeben können« (Goffman 1971, S. 108),

so ist weiter zu interpretieren, dass diese Dissonanz hier darin begründet liegt, dass die Beobachterin hier auf einmal, zugegebenermaßen recht plump, im Club auftaucht und sich an Theo als bekanntes Gesicht mit ihrem Anliegen wendet, dieser jedoch mit der Situation überfordert scheint. Er weiß nicht, wie mit dem Eindringling umzugehen ist. Anders formuliert: Er stellt nicht die richtige Instanz, nicht den gatekeeper, dar. Während die Beobachterin recht erfolglos die Situation mit einem Smalltalk lösen möchte, bringt Theo die Situation erfolgreich in ihre Ordnung zurück. Er löst die Dissonanz, indem er sich der Beobachterin entledigt und sie an den aus seiner Sicht richtigen Ansprechpartner, den gatekeeper, übergibt, überleitet. Und so tritt Alexander in der Tat als gatekeeper in Erscheinung, denn er öffnet nun der Beobachterin die Clubtür nicht nur durch sein zustimmendes ok, ok sowie die Einladung und Aufforderung, Platz zu nehmen, sondern auch, indem er zu der Figur wird, die die Beobachterin bei den anderen Feldteilnehmern einführt (wie bei Evelyn), und ihr

139

140

Wanna go Clubbing?

Dasein damit, wie das Beispiel Evelyn abermals zeigt, nicht mehr hinterfragt wird. Des Weiteren wird auch auf einer symbolischen Ebene deutlich, dass Alexander als differenziert zu den anderen Clubmitgliedern konstruiert wird und eine gewisse Entscheidungsgewalt innehat, denn er verfügt über Statussymbole, die seinen Status innerhalb der Clubhierarchie anzeigen. Er ist der Herr über die beiden Schreibtische, die sich im Clubgebäude befinden. Und damit ist er derjenige, der auch als Einziger offizielle Gespräche, wie hier mit der Beobachterin, führen kann. Daneben ist er auch der Herr über das Statussymbol von »sensiblen« Daten, wie jenes der Liste der Aktivitäten. Diese Liste der Aktivitäten wird hier insofern zunächst einmal als Statussymbol hergestellt, indem sie in einem extra Raum, und eben nicht für alle zugänglich im Clubraum, gelagert wird und es eine richtige clubpolicy (nur für den internen Gebrauch) zu geben scheint, wie mit diesen Daten zu verfahren ist. Sie wird damit für denjenigen zum Statussymbol, der über diese sensiblen Daten verfügen kann. Wie Alexander. Er hat Zugang zu diesen Daten und kann über diese – wenn auch mit Einschränkung: nicht Evelyn zeigen – entscheiden. Des Weiteren tritt Alexander hier als eine entscheidende Figur durch Evelyn in Erscheinung: Wie gesagt, hinterfragt sie das Dasein der Beobachterin, das hier durch Alexander legitimiert scheint, nicht. Ferner konstruiert sie ihn hier als Manager, der mir schon eine Menge erzählen könne; also als Wissenden und Überblickenden des Clubs, an den man sich wenden kann. Der Manager Alexander also als die entscheidende Funktion im Club? Irgendwie auch nicht, denn zusätzlich zu seiner Funktion, die ohne Zweifel auch Entscheidungsgewalt im Club innehat, gibt es eine weitere Entscheidungsinstanz, nämlich das committee. So beginnt die Beschreibung der zweiten Situation in der gesamten Szenerie mit der Darstellung einer räumlichen Anordnung, über die eine Parallelität zweier Interaktionen unterschiedlicher Entitäten sichtbar wird: Wir […] im »oberen« Teil des Erdgeschosses, unten […] das Meeting des committees, ein »Emergency Meeting«. Über diese Parallelität der Interaktionen zeigt sich die Verschiedenheit von Funktionen des committees und des Managers. Das committee stellt eine entscheidende Figur im Sinne von »Entscheidungen treffen« sowie damit einhergehend auch im Sinne von »bestimmend« dar, während der Clubmanager zusätzlich dazu als eine informierende Figur konzeptioniert wird. Das committee trifft sich in dieser Situation zu einem »Emergency Meeting«; man findet sich zu einer Krisensitzung zusammen, in der aus einem aktuellen Anlass schnell und gemeinsam eine Entscheidung herbeigeführt werden muss. Trotz dieser augenscheinlichen Notfallsituation wird der Clubmanager nun nicht in die entscheidende Einheit integriert, sondern vielmehr parallel dazu – u.a. durch Evelyn, einer Leitungsfigur – als Informant hergestellt, der hier die Beobachterin mit Informationen versorgt bzw. versorgen soll: Dann sagt sie, dass er, also Alexander, mir schon eine Menge erzählen könne, denn er sei ja der Manager des Clubs. Diese Differenz der

4. Everything is possible!

Funktionen, die in dieser akuten Situation sichtbar wird, wird über diese Situation hinaus auch in der Erzählung Alexanders als grundsätzliche Differenz offenbar. So beschreibt er die Aufgabe des committees: Allgemein eben »running of the Club, when there are problems or implementation how to improve«. Das würde dann am committee meeting entschieden und »finalized«. Das committee entscheidet und beschließt endgültig, ist also letzte Instanz, hat das letzte Sagen im Kontext der Führung des Clubs, bei Problemen und Neuerungen. Demgegenüber beschreibt er seine Aufgabe wie folgt: Dann sei seine Aufgabe, einmal im Monat einen report beim Committee Board Meeting zu präsentieren. […] Es gehe über Collections, sagt er, und die activities. »First Example« sagt er: »social night activity« […] »Outsider who come for cooking demonstration, karaoke room collection, dancing collection, singing choir collection; all about money. Not big, but to survive«, sagt er. Allgemein eben »running of the Club, when there are problems or implementation how to improve«. Das würde dann am committee meeting entschieden und »finalized«. Der report sei halt »to feedback, to discuss how to improve and develop the club, for example how to promote more membership« (Protokoll 21.11.2012, Zeile 99-108). Alexander erstellt also reports, berichtet über den Club und stellt Informationen über Finanzen, Probleme und Neuerungen zur Verfügung, auf dessen Basis das committee Entscheidungen über zukünftige Strategien des Clubs trifft. Damit aber nicht genug, denn in der gesamten Szenerie tritt auch Evelyn als äußerst präsente Figur auf. Auch sie agiert zusätzlich zum committee, denn schließlich ist auch sie bei einem solch wichtigen Treffen des committees, bei einem emergency meeting, nicht dabei. Dennoch ist sie eine Autorität im Club, ja wird fast wie die Chefin von Alexander hergestellt. Dies geschieht auf einer symbolischen Ebene: Auch sie hat ein Büro, sogar in einem anderen Gebäude, zudem erhöht, was bildlich ihre gehobene Position im Club verdeutlicht. Zutritt zu ihr scheint fast nur über Alexander möglich, denn es stellt sich die Frage, warum die Beobachterin nicht selbst einen Termin für ein Meeting mit ihr abmachen kann. Weiterhin gewinnt man hier den Eindruck, dass, auch wenn formuliert wurde, dass Alexander hier als gatekeeper in Erscheinung tritt und seine Entscheidung auch nicht infrage gestellt wird, er doch zu Beginn der Szenerie darum bemüht scheint, die Beobachterin zu Evelyn zu lotsen – vielleicht um ihren Zugang zum Club von ihr absegnen zu lassen? Weiterhin wird Evelyn als eine Autorität im Club konstruiert, da sie Entscheidungen über Informationsweitergaben zu treffen und jene Figur zu sein scheint, die auch die Verantwortung trägt, wenn es heikel wird. So ziert sich Alexander hier, die Frage danach, wie eigentlich die Beziehung von MAFEP und den Clubs sei, die heikel zu sein scheint, zu beantworten, und er verweist die Beobachterin lieber an

141

142

Wanna go Clubbing?

Evelyn. Und so scheint es auch sie zu sein, von der in irgendeiner Form Ärger und Sanktionen zu erwarten sind, wenn sie herausbekommt, dass Alexander unerlaubterweise – also ohne ihre Erlaubnis – Informationen über den Club herausgegeben hat.

4.4 »Ü berweisen oder C ash « – U nternehmerische K ultur , B usiness machen , F undr aising und C harit ying . D ie F inanzierung des C lubs Überweisen oder Cash? Der Mann überlegt hin und her, und sagt lieber cash, worauf hin Chi ein Bündel Geldscheine aus seiner Tasche zieht, 1000 Ringgit (250 Euro) abzählt und dem Mann als Spende für den Umbau gibt (Protokoll 28.11.2012, Zeile 76-78). Ein Bündel Geldscheine aus der Tasche ziehen und einen nicht unbeträchtlichen Betrag mal eben über den Tisch schieben – ein ganz normales und alltägliches Prozedere im Club, über das sich niemand wundert –, außer die Beobachterin. Geld im Sinne der Frage »Wo kommt eigentlich das Geld für unseren Club her?« stellt ein ubiquitäres Thema im Club dar. Fragt man weiter danach, auf welche Ordnung die Antwort auf diese Frage nach der Mittelbeschaffung verweist, so zeigt sich auch hier wieder, dass dieses Thema in ganz unterschiedlichsten Kontexten, Konstellationen und Logiken verhandelt wird. »Weil sonst dem Club ja auch viel Geld flöten gehe« – Unternehmerische Kultur

John kommt dann darauf zu sprechen, dass er jetzt auch wieder Karaoke plane. Oben seien die Räume dafür ja da, es sollte aber eigentlich erst eine Renovierung der Räume geben, dann solle es wieder Karaoke geben. Einige haben sich um die Renovierung kümmern wollen, es sei aber bisher nichts passiert. Er ärgert sich darüber. Er mache dafür nichts, denn er habe ohnehin schon so viel zu tun. »Tasks must be divided«, sagt er. Er wolle das mit dem Karaoke jetzt aber trotzdem wieder in Angriff nehmen, weil sonst dem Club ja auch viel Geld flöten gehe. Er rechnet vor: 40-80 Ringgit die Woche, weil jede Session ja was kosten würde, man könne sich den Raum ja mieten. Das Geld würde dann an den Club gehen. Er würde sicherlich wieder zwei Gruppen zusammenkriegen; eine, die englische, und eine, die chinesische Lieder singt (Protokoll 9.11.2012, Zeile 23-31). John, der Vize-Präsident des Clubs, hier im Zweiergespräch mit der Beobachterin, bewegt sich in seiner Argumentation in der Logik eines kleinen Unterneh-

4. Everything is possible!

mens oder anders ausgedrückt: John stellt den Club als kleines Unternehmen her, und zwar in der Hinsicht, dass er auf eine unternehmerische Kultur bzw. ein unternehmerisches Denken und Handeln im Club verweist. Eine solche unternehmerische Orientierung lässt sich nach Evers/Rauch/Stitz wie folgt beschreiben: »Auf der einen Seite können Organisationen […] in dem Maße zu sozialen Unternehmen werden, wie sie Werte und Handlungsstile des kommerziellen Bereichs übernehmen […]. Auf der anderen Seite kann die unternehmerische Orientierung sich auch am Schumpeter’schen Begriff des Unternehmens orientieren – etwa dadurch, dass die Bereitschaft zur Übernahme von Risiken wächst oder die internen Entscheidungsstrukturen stärker durch unternehmerische Personen als z.B. durch vereinstypische Abstimmungsmechanismen oder die Orientierung an staatlichen Vorschriften geprägt werden« (Evers/ Rauch/Stitz 2002, S. 39).

Es geht um eine »unternehmerische Eigeninitiative« (Evers/Rauch/Stitz 2002, S. 13), um eine »unternehmerische Einstellung […] – die Fähigkeit, Entwicklungsperspektiven und Strategien zu entwerfen, für die Einrichtungen und ihre Leistungen zu werben und Prioritäten zu setzen« (Evers/Rauch/Stitz 2002, S. 39). Genau dies findet sich in Johns Ausführungen wieder. John tritt hier als »Unternehmer im Unternehmen Club« im Schumpeter’schen Sinne in Erscheinung (das »auf der anderen Seite«, s.o.), indem er sich hier verantwortlich für den Bereich Karaoke zeigt, und zwar in dem Maße, dass durch den Verkauf einer Dienstleistung, dem Vermieten der Karaokeräume, wieder Geld für den Club in die Kasse kommt. Er zeigt hier eine »unternehmerische Eigeninitiative« und scheint sich über eine kollektiv-getroffene Entscheidung – schließlich habe es aber eigentlich erst eine Renovierung der Räume geben sollen – hinwegzusetzen, da er hier in ökonomischer Hinsicht die Notwenigkeit der Wiederaufnahme der Karaoketätigkeit sieht. Er setzt hier eigenmächtig Prioritäten, die Einnahmen aus dem Karaokesingen als wesentlich wichtiger zu werten als die Renovierung der Räume, weil sonst dem Club ja auch viel Geld flöten gehe. Und damit lässt sich auch zur zweiten Ebenen (das »auf der einen Seite«, s.o.) einer unternehmerischen Orientierung überleiten, wie sie Evers/Rauch/ Stitz formulieren, dass sich hier eben Werte und Handlungsstile des kommerziellen Bereichs zeigen (vgl. Evers/Rauch/Stitz 2002, S. 39). So führt John die Argumentation zur Wiederaufnahme des Karaokesingens über wirtschaftliche Begründungen und stellt sie nicht in einen sozialen Zusammenhang: Es geht nicht um die soziale Seite des Clubs, dass mit dem fehlenden Angebot der Nutzung der Karaokeräume etwa ein wesentlicher Teil der Freizeitgestaltung im Club verloren geht, dass damit ein wesentlicher Teil an Geselligkeit, Spaß und Wohlbefinden wegfällt, sondern vielmehr wird die ökonomische Seite in den Vordergrund gerückt. Rational kalkuliert er, dass durch den fehlenden Ver-

143

144

Wanna go Clubbing?

kauf einer Dienstleistung eine stabile Einnahmequelle für den Club, die zum einen den Fortbestand des Clubs mit sichert (Das Geld würde dann an den Club gehen) und die zum anderen eindeutig berechenbar und sicher ist (Er rechnet vor: 40-80 Ringgit die Woche ; er würde sicherlich wieder zwei Gruppen zusammenkriegen), wegfällt, eben flöten gehe. So, wie in einem Unternehmen beispielsweise Maschinen für eine gewisse Zeit, aber auch nur für eine gewisse Zeit, brachliegen können, kann auch hier der Ausfall der Karaokemaschine für eine gewisse Zeit, aber eben nur für eine gewisse Zeit, toleriert werden. Ansonsten würden die Opportunitätskosten zu hoch. Des Weiteren lässt sich Johns Argumentation in eine Logik von Effizienz, wie sie ebenso mit einer unternehmerischen Orientierung in Verbindung steht (vgl. Brandsen/Karré 2013, S. 180), einbetten: Denn, um weiter im semantischen Feld von Unternehmen zu bleiben, Produktionsmittel (die Karaokemaschine) und Kundschaft sind ja vorhanden (Er würde sicherlich wieder zwei Gruppen zusammenkriegen). Es wäre also ein Leichtes, ohne großen Aufwand, und die Räume müssen dafür auch nicht renoviert sein, Geld in die Kasse des Clubs zu spülen. »Das sei die Policy des Clubs« – Business machen

Dann klingelt das Telefon des Vize-Präsidenten. Er nimmt ab, spricht kurz und gibt den Hörer dann weiter an Mr. Chu. Es geht wieder um eine Veranstaltung und etwas Organisatorisches. Als er aufgelegt hat, erklärt er: Eine Dame wolle Pilze am Samstag auf der pot luk party verkaufen. Vorführen und verkaufen. Er habe zu ihr gesagt, wenn sie sie nur zeigen wolle, sei das kostenlos, wenn sie hier auch etwas verkaufen wolle, dann sei die gängige Praxis im Club, dass sie 50 Ringgit in die donations box werfen müsse. Er kichert und die anderen auch (Protokoll 30.10.2012, Zeile 213-218). John erklärt mir, dass auf der letzten pot luk party, […] eine Frau ihn um permission gefragt habe, ob sie ihre mushrooms hier promoten könne. Er habe ihr die permission gegeben, aber wieder unter der Bedingung, dass dann auch etwas dem Club zugutekommen müsse. 50 Ringgit müsse man dann in die donations box tun, wenn man hier business machen wolle. Das sei die policy des Clubs. Gut, wenn jemand dann aber gar nichts verkaufe, dann müsse er auch nichts spenden. Wenn sie aber generell den Leuten hier erlauben würden, hier business zu machen, dann müssten sie auch etwas für den Club tun (Protokoll 9.11.2012, Zeile 14-21). Aang lacht und sagt, dass die Firma den Club hier promoten würde für advertisement. Aber was soll’s, so würde Geld in den Club kommen. Außerdem sei das ja auch ein relevantes Thema für die Älteren (Protokoll 7.12.2012, Zeile 52-54).

4. Everything is possible!

Die drei dargestellten Ausschnitte beleuchten nun ein weiteres Modell, durch das die Clubmitglieder ihren Club finanzieren. Es handelt sich um ein etabliertes, alltägliches, selbstverständliches, akzeptiertes und wichtiges business machen – und damit wird hier erneut auf eine Unternehmenslogik verwiesen, wobei sich hier nun auch wieder eine Spannung zu dieser Logik zeigt. Um zunächst die Szenen zu kontextualisieren: Es geht, so wie es John beschreibt, darum, dass Leute hier im Club business machen. Genauer bedeutet dies, dass externe Interessenten den Raum des Clubs und die potenziellen Kunden, die älteren Clubmitglieder, »nutzen« möchten, um ihr Geschäft zu machen. Dabei handelt es sich z.B. um Einzelunternehmer, wie eine Dame, die Pilze während einer clubeigenen Veranstaltung verkaufen möchte, oder um Firmen, die ihre Produkte während einer extra dafür organisierten Veranstaltung anpreisen möchten. Während John hier nun die Situationen so rahmt, dass es die Externen sind, die hier ihr business machen, so lässt sich bei genauerer Betrachtung jedoch interpretieren, dass es ebenso die Clubmitglieder sind, die hier business machen mit den Externen, und sich eine regelrechte BusinessKultur im Club etabliert hat. Diese Interpretation fußt zunächst darauf, dass hier ein regelrechtes Tauschgeschäft stattfindet – Raum und Kunden gegen donations plus Gewinnbeteiligung (siehe hierzu Protokoll 03.11.2012, Zeile 687410). Dabei handelt es sich um ein scheinbar alltägliches und selbstverständliches Prozedere, das im Club bereits unter dem Motto gängige Praxis läuft und für das sich sogar eine offizielle policy, also eine Richt- und Leitlinie fürs »Geschäftemachen« im Club, entwickelt hat, die von allen geteilt wird. Ferner lässt sich sagen, dass sich in dem Sinne eine wahre Businesskultur etabliert zu haben scheint, als die Clubmitglieder als verhandlungssichere und knallharte Businesspartner auftreten, die ihrerseits die Konditionen des Geschäfts diktieren. So sind sie es, die um permission gebeten werden und permission erteilen, also entscheiden, ob das Geschäft überhaupt stattfindet oder nicht. Und so sind sie es, die die Rahmenbedingungen, unter denen das Geschäft sich abspielen wird, festlegen und gnädig gewähren: Gut, wenn jemand dann aber gar nichts verkaufe, dann müsse er auch nichts spenden. Nun zeigt sich hier jedoch ebenso eine, wie schon so oft beschriebene, Spannung in den Logiken. Anders ausgedrückt: Die Orientierung eines klei10 | Die Musik wird abgestellt und der Präsident begrüßt noch einmal offiziell die Mitglieder zur Geburtstagsparty. Dann weist er noch einmal auf die Cooking-Demonstration für den nächsten Donnerstag hin und dann werden Sachen zum Verkauf vorgestellt. Es geht zunächst um ein Wärmekissen, das Mulan nun auspackt und ihm gibt, das man kaufen könne. Eine gewisse Summe davon gehe als Spende an den Club. Dann geht es weiter: Es geht um die Promotion von mushrooms. Auch diese könne man kaufen und auch davon gehen 5 Ringgit (eine Tüte Pilze kostet 45 Ringgit) an den Club (Protokoll 03.11.2012, Zeile 68-74).

145

146

Wanna go Clubbing?

nen Unternehmens, das hier Business macht, wird durchbrochen, indem eine andere Orientierung und Logik, und zwar die einer eher zivilgesellschaftlichen Organisation, ins Spiel kommt. Dieser Bruch zwischen den zwei Logiken lässt sich zum einen daran ablesen, dass hier die Gegenleistung, die der Club erhält, eben nicht offiziell als Gewinnbeteiligung oder Preis, der zu zahlen ist, gerahmt wird, sondern diese hier in altruistischer Manier als eine Spende und etwas Gutes für den Club gehandelt wird. Zum anderen lässt sich dieser Bruch am Kichern, am Lachen und am Ausspruch »Was soll’s?« beobachten – Reaktionen, die hier interpretationswürdig erscheinen. Denn, so lässt sich fragen, wenn es sich hier um die »reine« Ordnung eines Unternehmens handeln würde, warum wird nach Abschluss eines Geschäfts kollektiv gekichert und warum wird dieses mit dem Ausspruch »Was soll’s?« im Sinne von »Ist doch egal« kommentiert? Vielmehr lassen sich das Kichern und das »Was soll’s?« als Hinweis darauf verstehen, dass hier eben noch eine andere Ordnung und Logik »am Werke« ist. Das Kichern und das »Was soll’s?« lassen sich dahin gehend deuten, dass solche Anfragen und Veranstaltungen zum Business ein wenig skurril anzumuten scheinen – schließlich liegen die Wurzeln der Clubs nicht in einer Markt- und Businessordnung, sondern vielmehr eben in einer zivilgesellschaftlichen Ordnung (zur Diskussion der »Wurzeln« einer Organisation vgl. Billis 2010, S. 8). Man nimmt aber, was kommt, was soll’s denn, und macht schließlich ganz clever daraus, dass andere mit einem ein Geschäft machen wollen, selbst ein Geschäft. »No, it was not so popular. And she couldn’t top Ella«

Ich frage Maya, dass doch letztes Jahr hier noch die knots class gewesen sei, ob es die nicht mehr geben würde. Sie weiß zunächst nicht, was ich meine. Ich sage, da wurden Ohrringe und Armbänder und so gemacht. Da weiß Maya wieder. Sie sagt: »No, it was not so popular. And she couldn’t top Ella«. Ella würde hier, was die members hier bezahlen würden, alles dem Club zugutekommen lassen. »To fund the club«. Wenn Ella ihnen etwas beibringe, z.B. diesen einen style der Tasche, müssten sie dafür 30 Ringgit bezahlen. Würden sie dann noch einen neuen style lernen, müssten sie noch einmal 30 Ringgit bezahlen. Da sie selbst so schlecht und langsam sei, müsste sie wohl nicht noch einmal 30 Ringgit zahlen. Sie grinst. Drinnen sei ja auch die Mandarin-Lehrerin. Auch die Mandarin-Schüler würden bezahlen, würde alles dem Club zugutekommen. Ach, sage ich, und bei der anderen knotsteacherin sei das nicht so gewesen? Die hätte etwas spenden müssen. So wie am Samstag, wenn jemand kommt, um mushrooms zu promoten, dann müsse man 50 Ringgit in die donations box tun (Protokoll 01.11.2012, Zeile 107-118).

4. Everything is possible!

Der Protokollausschnitt wird an dieser Stelle unter der Überschrift »Business machen« noch einmal aufgeführt, weil er einmal mehr eindrucksvoll zeigt, wie im Club verschiedene Orientierungen, Handlungslogiken, -prinzipien und -muster miteinander verwoben werden. Zunächst befindet sich Maya hier in ihren Ausführungen erneut in der gehabten Logik eines kleinen Unternehmens, das Business macht, indem Räume und Kundschaft für das Anbieten einer Dienstleistung – Ohrringe und Armbänder aus knots basteln, Taschen fertigen oder Mandarin lehren – für eine verpflichtende Gegenleistung (spenden müssen) zur Verfügung gestellt werden. Maya stellt weiter eine solche Logik her, indem sie davon berichtet, dass diese Dienstleistungen in einem Wettbewerb zueinanderstehen und nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage funktionieren (No, it was not so popular. And she couldn’t top Ella). Der Konsument entscheidet. Interessant ist nun, und hier zeigt sich erneut ein Bruch in der Argumentation und es zeigt sich wiederum eine andere Logik, wonach der Konsument wählt. Denn dieser zeigt hier eine Konsumentenverantwortung, wählt in der Konstruktion Mayas nicht primär nach Inhalt des Angebots oder nach einem Preis, sondern vielmehr danach, inwiefern sich der Anbieter solidarisch, loyal und leidenschaftlich gegenüber dem Club erweist (als Grundmotive einer zivilgesellschaftlichen Ordnung vgl. Brandsen/Van de Donk/Putters 2005, S. 753f.; Offe 2002 S. 71). So konstruiert Maya die Erklärung für das Scheitern der Knotsklasse vor allem über einen Vergleich mit Ella, die hier für eine andere Handicraftklasse steht, sowie später über einen Vergleich mit der Mandarin-Lehrerin, die eben für die Mandarinklasse steht – und zwar unmittelbar über den Grund: Ella würde hier, was die members hier bezahlen würden, alles dem Club zugutekommen lassen. »To fund the club«. So steht auf der einen Seite das Modell knotsteacher, bei dem eine Dienstleistung angeboten wird, an der die Lehrerin selbst etwas verdient und für die Finanzierung des Clubs lediglich eine Art Mindeststandard, gemäß der policy, erfüllt, indem 50 Ringgit in die donations box getan werden. Auf der anderen Seite steht das Modell »Ella« und »Mandarin-Lehrerin«, bei dem ebenfalls eine Dienstleistung angeboten wird, an der die Lehrerinnen selbst jedoch nichts verdienen, sondern bei der Finanzierung des Clubs vielmehr eine Art Höchststandard erfüllen, indem sie alle Einnahmen dem Club zugutekommen lassen. In diesen Vergleich beider Modelle ist dabei eine Bewertung verwoben (she couldn’t top Ella), mit der deutlich gemacht wird, welches Modell von den Clubmitgliedern eben als höher geschätzt wird: das Modell Ella und das Modell Mandarin-Lehrerin, und zwar aus dem Grund, dass diese beiden sich eben solidarisch gegenüber dem Club zeigen. So scheint es hier nicht auszureichen, mit der 50-Ringgit-Spende einen Mindeststandard an Solidarität in Fragen der Finanzierung gegenüber dem Kollektiv des Clubs zu erfüllen – zumindest nicht, wenn ein Vergleich vorliegt, wie es auch anders funktionieren kann. Wenn sich hier nicht solidarisch zeigt, hier keine Verantwortung über-

147

148

Wanna go Clubbing?

nommen wird, so hat ein Angebot, zumal nicht so popular, wenig Chancen, im Club angenommen zu werden, und ist zum Scheitern verurteilt. Wer hier ein Angebot nicht aus altruistischen Motiven macht, der ist raus aus dem Club. Wie gesagt zeigt diese Passage eindrucksvoll die Verwobenheit verschiedener Logiken: So wird der Club eben auf der einen Seite als Unternehmen hergestellt, das Business treibt. Gleichzeitig wird implizit von den Businesspartnern erwartet, dass sie – zugespitzt formuliert –, wollen sie erfolgreich sein, gar nichts an diesem Business verdienen, sondern alles dem Club zugutekommen lassen. Eine Verwobenheit von Logiken, die auf den ersten und auch zweiten Blick für den Beobachter ein wenig skurril anmutet, hier im Club sich jedoch alltäglich und selbstverständlich zeigt. »Sonst würde ja auch niemand spenden, schon gar nicht für die Älteren« – Fundraising machen und den Club vermarkten

Drinnen sitzen Alexander und der caretaker am Schreibtisch und tüten gerade Briefe ein. Als ich an ihrem Tisch vorbeigehe, erklärt mir Alexander, dass sie jetzt Fundraising machen würden im Namen von MAFEP. Ich frage, an wen sie denn die Briefe verschicken würden. Alexander antwortet nur: »Na an alle«, und fängt an aufzuzählen. »Commercial…«, führt seine Aufzählung aber nicht weiter (Protokoll 29.11.2012, Zeile 26-30). Dann erzählt Aang im Allgemeinen über NGOs und dass die Arbeit da manchmal schwierig sei. Man müsse Geld irgendwo herbekommen […] Hier im Club habe er auch den Newsletter auf Vordermann gebracht. Zunächst hätte der Newsletter immer aus Schwarz-Weiß-Kopien bestanden mit viel Text, sei nicht so gut gewesen für die Älteren. Er habe gesagt, macht doch mehr Bilder und in bunt. Es würde ja auch darum gehen, zu zeigen, was sie hier alles machen würden, sonst würde ja auch niemand spenden, schon gar nicht für die Älteren (Protokoll 30.10.2012, Zeile 108-118). Eine weitere Strategie, so zeigt der erste Abschnitt, die die Clubmitglieder zur Mittelakquise entwickelt haben, ist das Fundraising. Es wird Fundraising gemacht, und zwar im Sinne eines richtigen Marketings mit einer eigenen Strategie, um den Club bestmöglich zu »verkaufen«. So findet das Fundraising hier im Rahmen einer geplanten und umfassenden Aktion statt, die eine ausgeklügelte Kommunikationsstrategie beinhaltet. Es werden hier extra präparierte Kommunikationsmittel (Briefe) verschickt, und zwar personalisiert, um eine persönliche Beziehung herzustellen, mit dem Verweis auf eine übergeordnete, nationale Organisation (im Namen von MAFEP), womit Seriosität und Bekanntheit kommuniziert und hergestellt werden – und dies alles, um letztlich nicht wirklich ein Produkt zu verkaufen, sondern um, um mit den Worten Evers/

4. Everything is possible!

Ewert zu sprechen, die lokale community zu aktivieren und an ihre Civicness zu appellieren (vgl. Evers/Ewert 2010, S. 112). Des Weiteren lässt sich aus der Passage interpretieren, dass, obwohl diese Form der Finanzierung nicht in eine Alltäglichkeit eingelassen ist, sondern vielmehr eine geplante Aktion ist, das Fundraising eine normale und gängige Praxis der Finanzierung zu sein scheint, was sich aus der kurzen Kommunikation zwischen Alexander und der Beobachterin deuten lässt: Ich frage, an wen sie denn die Briefe verschicken würden. Alexander antwortet nur: »Na an alle«, und fängt an aufzuzählen. »Commercial…«, führt seine Aufzählung aber nicht weiter. So zeigen Alexanders Reaktionen, dass in seinem Sinnhorizont das Prozedere des Fundraisings eine solche Selbstverständlichkeit darstellt, die keiner weiteren Erläuterung bedarf. Seine Antwort »Na an alle«, und fängt an aufzuzählen. »Commercial…«, führt seine Aufzählung aber nicht weiter drückt zum einen, vor allem durch das na, eine Überraschung und Verwunderung über eine solche Frage und damit Unwissenheit der Beobachterin aus. Zum anderen zeigt auch die Unvollständigkeit seiner Aufzählung hier an, dass er es nicht als Notwendigkeit ansieht, diese Aufzählung fortzuführen – denn das weiß man doch! Die oben aufgeführte zweite Passage bewegt sich nicht im Kontext eines Fundraisings wie in der ersten Passage, zeigt jedoch, inwiefern und dass der Club eine regelrechte Vermarktung braucht. Eingeleitet wird die Passage mit der grundsätzlichen Feststellung Aangs, dass die Arbeit da, in NGOs, manchmal schwierig sei. Man müsse Geld irgendwo herbekommen. Clubbing im senior citizens club bedeutet also, sich Gedanken darüber zu machen, wo man denn das Geld herbekommt. Und zwar gerade im Hinblick darauf, dass ein wahrer Wettbewerb um Spenden zu existieren scheint, in dem die Älteren nicht die höchste Priorität zu genießen scheinen. Weder die Finanzierung im Allgemeinen noch die Einnahme durch Spenden im Speziellen sind in irgendeiner Form Selbstläufer, vielmehr muss man sich auf einem Spendenmarkt positionieren, und dafür bedarf es einer Werbestrategie, wofür Aang den Newsletter auf Vordermann gebracht hat. Sein Konzept: wie in der Werbung, bunte Bilder, nicht zu viel Text, prägnant das Produkt vorstellen, den Club eben gut vermarkten, um dann die »Kaufentscheidung« bzw. die Spendenentscheidung für sich zu entscheiden. »Wie das mit den Spenden für den Umbau des Clubs laufe? Überweisen oder Cash«? – Charitying

Ganz zu Beginn des breakfast chit chats, kurz nachdem sich Chi gesetzt hat, fragt er einen der Herren, wie das mit den Spenden für den Umbau des Clubs laufe. Überweisen oder cash? Der Mann überlegt hin und her, und sagt lieber cash, worauf hin Chi ein Bündel Geldscheine aus seiner Tasche zieht, 1000 Ringgit (250 Euro) abzählt und dem Mann als Spende für den

149

150

Wanna go Clubbing?

Umbau gibt. Der Mann bedankt sich, nimmt das Geld an sich, geht weg und kommt kurz darauf mit einer Quittung wieder. Mr. Hu, der treasurer, kommt auch kurz darauf zum »Dato« und sagt »Dato, thank you« und nimmt dabei seine Hand in seine. Der Dato winkt eher ab und sagt, dass das ja eigentlich keine Spende sei, denn das sei ja auch für ihn, er würde hier die Sachen ja auch nutzen (Protokoll 28.11.2012, Zeile 75-82). Der Protokollausschnitt beginnt mit der Kontextualisierung, innerhalb welchen Rahmens sich die folgende Situation entwickelt: dem wöchentlichen Breakfast-Chit-Chat im Club. Die Interaktion von Chi und dem Mann sowie später Mr. Hu – alle drei Clubmitglieder und regelmäßige Teilnehmer des Breakfast-Chit-Chats – beginnt mit der Frage Chis, wie das mit den Spenden für den Umbau des Clubs laufe. Überweisen oder cash? Der Mann scheint ein Ansprechpartner und damit Verantwortlicher für den Umbau zu sein, denn er kann spontan die Entscheidung treffen, auf welche Art und Weise die Übergabe erfolgen soll: lieber cash. Nachdem die unkomplizierte Übergabe der Spende stattgefunden hat, tritt Mr. Hu in seiner offiziellen Rolle als treasurer in die Interaktion ein und dankt Chi offiziell mit einem Handschlag für seine Spende, woraufhin Chi wiederum seine Sicht der Dinge auf diese Spende und Finanzierung des Umbaus des Clubs deutlich macht und sagt, dass das ja eigentlich keine Spende sei, denn das sei ja auch für ihn, er würde hier die Sachen ja auch nutzen. Aus dieser Szene lässt sich eine wesentliche Form der Herstellung der Finanzierung des Clubs interpretieren. Zunächst einmal lässt sich sagen, dass es hier um die Finanzierung eines größeren Projekts (der Umbau des Clubs) geht. Die Finanzierung dieses Projekts ist eine Selbstfinanzierung, die intern durch die Clubmitglieder unabhängig von ihren Mitgliedschaftsbeiträgen geleistet wird. Des Weiteren lässt sich aus dem Protokollausschnitt interpretieren, dass die Selbstfinanzierung von Clubangelegenheiten durch Spenden insgesamt eine alltägliche Praxis zu sein scheint: Die Übergabe der Spende ist hier in die Alltäglichkeit des Clubs eingelassen. Das Geld wird während des eh routinierten Besuchs beim Breakfast-Chit-Chat übergeben. Daneben wird diese Form der Finanzierung auch als eine normale und gängige Praxis hergestellt. Die Normalität zeigt sich darin, dass die Übergabe des Geldes – auch dafür, dass es sich hier um einen recht hohen Betrag handelt – recht unspektakulär und ohne großen Aufwand verläuft. So gibt es für Chi dann zwar einen offiziellen Dank des treasurers, allerdings eben auch nur einen solchen informellen Händedruck, gewissermaßen so »nebenbei«, ohne dass etwa z.B. seine Spende noch einmal vor den anderen Breakfast-Chit-Chattenden Erwähnung finden würde. Zudem lässt sich die Interpretation einer gängigen Praxis auch an der eröffnenden Frage Chis ablesen, wie das mit den Spenden für den Umbau des Clubs laufe. Überweisen oder cash? Seine Frage zielt nicht darauf ab, ob die

4. Everything is possible!

Finanzierung des Umbaus überhaupt über Spenden laufe – dies scheint klar zu sein –, sondern vielmehr nur auf das Wie, das Prozedere, das im Kontext dieses Projekts einer Klärung bedarf. Schließlich zeigt sich in diesem Abschnitt auch das Thema von Verantwortung mit der Rahmung Chis für sein Handeln: Der Dato winkt eher ab und sagt, dass das ja eigentlich keine Spende sei, denn das sei ja auch für ihn, er würde hier die Sachen ja auch nutzen. Chi konzeptioniert hier seinen Beitrag nicht als eine »richtige« Spende mit der Begründung, das sei ja auch für ihn, er würde hier die Sachen ja auch nutzen. Eine Spende scheint also für ihn etwas zu sein, was ausschließlich jemand anderem zugutekommt. Hier allerdings leistet Chi einen Beitrag zu einem kollektiven Eigentum, aus dem auch er einen Nutzen zieht und das seinem eigenen Wohl dient. Chi konzeptioniert seinen Beitrag damit eher als ein Tauschgeschäft, Geld gegen Nutzen des kollektiven Eigentums, woraus sich auch seine eigene zugeschriebe Verantwortung und Verpflichtung ergibt, hier einen finanziellen Beitrag zu leisten. Man spendet also für sich selbst, um den Club zu finanzieren.

4.5 C lubbing = D oing H ybrid O rganiz ations Wie werden die senior citizens clubs konstruiert? Welche Form der Sozialität wird hergestellt? Diese Forschungsfragen der gesamten Arbeit wurden in diesem Kapitel zunächst in einem ersten Schritt in der Form bearbeitet, dass rekonstruiert werden konnte, dass die senior citizens clubs als Organisationen mit den sie konstituierenden Merkmalen von Mitgliedschaft, Hierarchie und der Notwendigkeit zur Beschaffung finanzieller Ressourcen hergestellt werden. Ergo zum Ersten: Senior-Citizens-Clubbing = doing organizations. Darauf folgend wurde in einem zweiten Schritt näher betrachtet, was für eine Form von Organisation die Clubber konstruieren und was für eine soziale Ordnung hergestellt wird. Als ein wesentliches Ergebnis aus der Analyse ergibt sich, dass das Material von Widersprüchen, Spannungen und Ambiguitäten gekennzeichnet ist. Es handelt es um Widersprüche, Spannungen und Ambiguitäten, die auf unterschiedliche Orientierungen und Logiken verweisen, denen folgend die Clubber ihren Club konstruieren. Anders ausgedrückt: Diese Widersprüche, Ambiguitäten und Spannungen mit ihren Verweisen auf unterschiedliche soziale Orientierungen und Logiken sind hier als das charakterisierende Ordnungsmoment zu verstehen – Hybridität als die soziale Ordnung. Ergo zum Zweiten: Das empirische Material lässt sich damit zu einer kleinen Theorie hybrider Organisationen verdichten – Senior-Citizens-Clubbing = doing hybrid organizations. Hybride Organisationen werden wie folgt definiert:

151

152

Wanna go Clubbing? »Welche Bedeutung hat das Wort hybrid? Zunächst einmal zielt die Bezeichnung »hybrid« auf eine simple Feststellung ab: Elemente, die ursprünglich mit einer je unterschiedlichen Sphäre assoziiert wurden, verbinden sich miteinander, und zwar innerhalb einer Organisationsform. Verschiedene Autoren haben in den letzten Jahren den Begriff hybrid in den sozialwissenschaftlichen Diskurs speziell in die Diskussion über Organisationen im Dritten Sektor und über die Gestalt von sozialen Dienstleistungsorganisationen eingeführt […]. Im Vordergrund steht dabei die Beschreibung von Organisationen, die in unterschiedlicher Art und Weise Charaktermerkmale kombinieren, die normalerweise trennscharf dem Staat, dem Markt oder Organisationen des Dritten Sektors zugeschrieben werden« (Evers/Ewert 2010, S. 103). »Hybridity refers to heterogeneous arrangements, characterized by mixtures of pure and incongruous origins, (ideal)types, ›cultures,‹ ›coordination machanisms,‹ ›rationalities,‹ or ›action logics‹« (Brandsen/Van de Donk/Putters 2005, S. 750).

Hybride Organisationen verbinden also unterschiedliche Charaktermerkmale zum Teil divergierender Sphären miteinander, was genauer heißt, dass unterschiedliche Orientierungen, Institutionen im Sinne von Regeln, Nomen, Werten, unterschiedlichen Rationalitäten und Prinzipien miteinander vermittelt werden und verschiedene Handlungslogiken, -prinzipien und -muster integriert werden (vgl. Heinze/Schneiders/Grohs 2011, S. 91; Evers/Ewert 2010, S. 105ff.). Wie im Zitat Evers/Ewerts bereits angesprochen wird, wird das Konzept hybrider Organisationen – seit noch nicht allzu langer Zeit – vor allem in der Dritten-Sektor-Forschung (Evers/Ewert 2010, S. 103), aber auch in anderen Forschungsrichtungen, wie den Verwaltungswissenschaften oder der Betriebswirtschaftslehre, diskutiert, und verbindet sich dort mit den Schlagworten Social Enterprises (vgl. Aiken 2010), Social Entrepeneurship (Heinze/Schneiders/ Grohs 2011) und Corporate Social Responsibility (vgl. Glänzel/Schmitz 2012, S. 184). So weisen aber Evers/Ewert darauf hin, dass »Hybridisierung […] kein exklusives Dritte-Sektor-Phänomen [ist]« (Evers/Ewert 2010, S. 110), und auch Billis meint: »Hybrid organisations are ubiquitous« (Billis 2010², S. 46). In diesem Sinne lässt sich – auch wenn dieses Forschungsprojekt sicherlich nicht in eine der oben genannten Richtungen einzuordnen ist – der bereits etablierte Diskurs um hybride Organisationen nutzbar machen.11 11 | Allerdings erfährt jener Diskurs hier insofern eine andere Ausrichtung, als zum einen die Hybridität der senior citizens clubs eben nicht – so wie es in der Literatur vornehmlich diskutiert wird – als intendierte Strategie zu charakterisieren ist, sondern sich vielmehr als unintendierter, quasi natürlicher, organischer Herstellungsprozess zeigt (vgl. auch zur Differenz von enacted«und organic hybridity Billis 2010²). Zum anderen wird hier nicht auf der theoretischen Hintergrundfolie der Ausdifferenzierung der drei

4. Everything is possible!

Als gewissermaßen »Hintergrundtheorie«, auf der in dieser Arbeit die Theorie hybrider Organisationen fußen soll, lässt sich hier das Konzept funktioneller Teilsysteme anführen (vgl. Mayntz 1988). Beschrieben ist damit, dass innerhalb des Gesamtsystems einer Gesellschaft verschiedene Teilsysteme mit ihren je eigenen Strukturen und Handlungslogiken existieren. Hirsch-Kreinsen und Esser formulieren: »Ein funktionales Teilsystem kann daher als institutionalisierter Handlungszusammenhang bezeichnet werden, dessen Spezifikum die sinnhafte Spezialisierung des Zusammenspiels seiner zentralen Elemente – institutionelle Regelungen, Akteure, vermittelnde Mechanismen – ist« (Hirsch-Kreinsen 2005, S. 38); »Sie [Teilsysteme, C.O.] repräsentieren damit eine jeweils typische Art sozialer Ordnung, mit der ebenso typische Handlungsmuster einhergehen« (Esser, zitiert nach HirschKreinsen 2005, S. 44).

Dabei können die funktionellen Teilsysteme auf ganz unterschiedlichen Ebenen – von der Mikroebene über die Mesoebene bis hin zur gesellschaftlichen Makroebene (Hirsch-Kreinsen 2005, S. 44) – liegen, womit auch Organisationen an sich eingeschlossen sind, die ebenso nach ihren je eigenen typischen Logiken und typischen Handlungsmustern funktionieren: Ein Unternehmen ist etwas Anderes als ein Krankenhaus, ist etwas Anderes als ein Jugendclub, ist etwas Anderes als ein Gefängnis, ist etwas Anderes als eine Schule (vgl. Apelt/Tacke 2012). Diese Verbindung von unterschiedlichen Logiken, Orientierungen, Handlungsmustern und -praktiken lässt sich im empirischen Material auf verschiedenen Ebenen nachzeichnen: Kontrastiert man die Kapitel bzw. Kategorien von »Mitgliedschaft«, »Hierarchien« sowie »finanziellen Ressourcen« miteinander, so ergibt sich bereits auf dieser Ebene kein »einheitliches« Bild, sondern vielmehr Spannungen und Ambiguitäten. Wendet man sodann den Blick auf die einzelnen Kategorien: ein ähnliches Ergebnis. Betrachtet man die Kategorie »Mitgliedschaft«, so wird in der Analyse offenbar, dass die Clubber sich ganz unterschiedlichen Logiken, Orientierungen, Handlungsmustern und -praktiken folgend als Mitglieder in den Clubs inszenieren bzw. inszeniert werden sowie in die Clubs integrieren. Es gibt die citizens, die Kunden, den Topmanager, die rasende Reporterin, den Workaholic, die Lernende, den Orgazentralen Basisinstitutionen Staat – Markt – Zivilgesellschaft als divergierende Sphären rekurriert (vgl. Evers/Ewert 2010, S. 104; vgl. Offe 2002), vielmehr wird hier auf eine andere theoretische Hintergrundfolie verwiesen, die sich mit der angesprochenen Ausdifferenzierung der drei zentralen Basisinstitutionen Staat – Markt – Zivilgesellschaft zwar überschneidet, aber doch weiter gefasst ist.

153

154

Wanna go Clubbing?

nisationsberater, die offenen Clubber, den development officer, den Pädagogen und so weiter. Gleichsam schaffen sich die Clubber immer wieder Settings und Situationen, in denen sie sich wiederum auf eine ganz andere Art in den Club integrieren können: in der Schule als strenge Lehrerin sowie als folgsame Schüler, beim BOD-Meeting als ranghohe Clubmitglieder, die wichtige Dinge zu sagen haben, als wichtiger train the trainer. Betrachtet man ferner die je einzelnen Mitglieder, so wird ebenso offensichtlich, dass selbst ihre Inszenierung von Mitgliedschaft nicht einer einzigen Logik folgt, sondern sich vielmehr ebenso Brüche ergeben, da die Inszenierungen sich auch von Situation zu Situation ändern können. Dabei handelt es sich um ein Moment von hybriden Organisationen, das Evers/Ewert als multiple Identitäten bezeichnen: »Idealtypisch kristallisieren sich somit multiple Identitäten heraus […]. Hierunter verstehen wir die Koexistenz mehrerer grundsätzlich gleichrangiger Selbstzuschreibungen und Rollenmuster innerhalb ein und derselben Person. Je nach Kontext und Disposition der Akteure wird eine Identitätsdimension in den Vordergrund treten oder eine andere relativ an Gewicht verlieren« (Evers/Ewert 2010, S. 120).

Der Topmanager ist auch gleichzeitig, je nach Situation, Pädagoge. Der development officer ist ebenso Reiseveranstalter, offener Clubber, der tanzt und flirtet, aber auch Pädagoge. Der Manager ist gleichzeitig Tanzlehrer, offener Clubber und Privatmensch im Club. Legt man den Fokus auf die Kategorie der »Hierarchie« und »Entscheidungsstrukturen«, so wird in der Analyse ebenso deutlich, dass in den Clubs hier verschiedene Logiken miteinander verbunden werden. Zum einen konnte für beide Clubs rekonstruiert werden, dass sie eine demokratische Ordnung herstellen, wie sie für derartige Mitgliederorganisationen, die je nach (nationalem) Kontext als Clubs, Vereine (vgl. Müller-Jentsch 2008, S. 479; Borggrefe/Cachay/Thiel 2012, S. 314ff.), membership associations (vgl. Cornforth/Spear 2010, S. 76f.) oder voluntary associations (vgl. Anheier 1992) benannt werden, typisch sind. Gleichzeitig zeigt sich in beiden Clubs, dass in diese demokratische Ordnung auch gleichsam andere Ordnungen verwoben sind. Wenn z.B. Borggrefe/Cachay/Thiel im Kontext einer solchen Bottom-upHierarchie formulieren: »Zwar bedeutet dies nicht, dass sämtliche Entscheidungen im Verein basisdemokratisch herbeigeführt werden, insofern die Mitglieder ja ihre Entscheidungsrechte im Rahmen der Mitgliederversammlung an gewählte Vertreter abtreten […], doch bleiben auch deren Entscheidungen prinzipiell der Kontrolle der Vereinsmitglieder unterworfen, sprich: Mit der Übernahme eines Amts sind keinesfalls souveräne Entscheidungsfreiheiten verbunden […]« (Borggrefe/Cachay/Thiel 2012, S. 314),

4. Everything is possible!

so zeigt sich im Club in Taman Flula doch, dass Mr. Chu eben solch souveräne Entscheidungsfreiheiten für sich in Anspruch nimmt und diese ihm auch gewährt werden. In der Rekonstruktion dessen, wie im Club also neben der demokratischen Struktur eine weitere Logik eingebaut wird, so erinnert diese eben vielmehr an ein Unternehmen mit seinem Topmanager, der die Organisation autoritär führt. Wenn es z.B. im »Handwörterbuch Unternehmensführung und Organisation« zu den verschiedenen Stichwörtern heißt: »Managerialismus: ›Managerialismus‹ […] kennzeichnet ein Konzept von Führungs- und Kontrollstrukturen […] in modernen Großunternehmen, das auf die Leitung des Unternehmens durch autonome professionelle Manager abstellt, die über einen Entscheidungsspielraum verfügen, der weder durch die Eigentümer noch über den Markt effektiv kontrolliert wird […]« (Kirchner 2004, S. 805); »Managerrollen und Managerverhalten«: Klassisch ist z.B. der Kanon »Planung-Organisation-Personaleinsatz-Führung-Kontrolle« (Schirmer 2004, S. 814); »Top Management: Der Terminus Top Management […] umfasst die (Gruppe von) Person(en) an der Spitze der Hierarchie (Unternehmensleitung), welche die für das gesamte Unternehmen verbindlichen Ziele und Strategien formulieren« (Grundei 2004, S. 1441),

so lassen sich diese Ausführungen nahezu eins zu eins auf den Club in Taman Flula übertragen. Mr. Chu verfügt hier über einen erheblichen Entscheidungsspielraum, der eben nicht durch die Eigentümer – hier die Clubmitglieder – weiter kontrolliert wird. Er formuliert verbindliche Ziele und Strategien für den Club, wie die unbedingte Trennung der Konzepte Club und day care center, er setzt auf Wachstum des Clubs, formuliert eine neue Sprachpolitik für den Club. Er plant und organisiert eigenmächtig, verbietet und erlaubt Aktivitäten im Club, legt Aufgaben fest. Er sieht sich ferner für den Personaleinsatz zuständig und unterläuft das Herzstück der demokratischen Ordnung, indem er committee members ernennt, »Stellen« neu besetzt, Clubmitglieder aus ihren Ämtern und Rollen entlässt. Er führt und kontrolliert – wer erfüllt seine Aufgaben, wer nicht. Allerdings wird auch diese Logik eines Unternehmens von Mr. Chu wieder selbst durchbrochen, wenn er zu bedenken gibt: After all are voluntary. Why, why must we--uh, a//a//a//and at--too hard on them, right? Ähnlich im Club in Taman Ampola. Auch hier wird neben die demokratische Struktur eine weitere Logik gesetzt. So ist hier der Präsident eher eine repräsentative Figur und das Committee hat einen Entscheidungsspielraum. Zudem managt hier der bezahlte Manager Alexander. Und folglich, so formuliert Billis:

155

156

Wanna go Clubbing? »Then the organization can be considered to have embedded into its structure core features of the firm and bureau. The rules of the game begin to change and associational principles have to coexist with alien principles drawn from the private and public sectors« (Billis 2010², S. 60).

Damit jedoch nicht genug: Denn auch andere Figuren, wie z.B. Evelyn, können sich als Manager des Clubs verstehen, wobei recht undurchsichtig bleibt, woher sie ihre Legitimation dazu erhalten haben. Nun, zu guter Letzt, lässt sich die Hybridität auch auf der Ebene der finanziellen Ressourcen rekonstruieren. In der Gesamtschau der in jenem Kapitel analysierten Passagen lässt sich als erstes Ergebnis zunächst festhalten: Clubbing an sich bedeutet, Antworten auf die Frage »Wo kommt eigentlich das Geld für unseren Club her?« zu finden. Anders gesagt: Es gibt keine Parallelstruktur in dem Sinne, dass es etwa eine Instanz der Finanzierung der Clubs gebe und das Clubbing gewissermaßen parallel dazu verlaufen würde. Mittelbeschaffung gehört einfach zum Clubbing dazu. Denn die Frage der Mittelbeschaffung ist ein omnipräsentes Thema und erscheint in einer augenfälligen Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit im Club. Es zeigt sich eine wahre alltägliche unternehmerische Kultur, eine alltägliche Businesskultur mit eigener Policy, das Prozedere des Fundraisings bedarf keiner weiteren Erklärung nach dem Motto »Das weiß man doch«, und nicht unbeträchtliche Summen im Sinne des Charitying werden mal eben beim Breakfast-Chit-Chat über den Tisch geschoben. So lässt sich sagen, dass der Club an sich auf der einen Seite eine »unternehmenstypische Eigenlogik« (Kette 2012, S. 22) aufweist, und zwar in dem Sinne, dass eine Entscheidungsautonomie in Fragen der eigenen Refinanzierung (zum Merkmal der Autonomie als »eines der ganz wesentlichen Merkmale von Unternehmen« Kette 2012, S. 25) wiederzufinden ist: Der Club hat eine eigene Budgetplanung12 und entscheidet autonom über Ausgaben und Mittelakquise. Gleichzeitig, so zeigt ebenso die Gesamtheit der Passagen, wird diese Logik wiederum durchbrochen, indem eine andere Logik verwoben wird, und zwar die einer zivilgesellschaftlichen Ordnung, was sich am Moment der kollektiven Verantwortung ablesen lässt, die die Clubmitglieder hier in der Frage »Wo kommt das Geld her« wie selbstverständlich zeigen (zur Eigenverantwortung als wesentliches Moment der zivilgesellschaftlichen Logik siehe beispielsweise Adloff 2005, S. 8ff.; Evers/Laville 2004, S. 251): John, der sich verantwortlich dafür zeichnet, Geld über die Karaokemaschine in die Kasse zu spülen; Maya, die hier eine »Konsumentenverantwortung« an den Tag legt und Angebote nicht nur nach Spaß, sondern ebenso danach auswählt, inwiefern man sich solidarisch mit dem Club zeigt, sowie auch der implizite Appell an 12 | Im Gesamtkorpus des ethnografischen Materials findet sich eine solche Budgetplanung, die jedoch nicht im Detail ausgewertet wurde.

4. Everything is possible!

externe Dienstleister, sich hier solidarisch zu präsentieren; das Fundraising als kollektive Verantwortung und Aang, der sich verantwortlich für ein gutes Marketing des Clubs zeigt, sowie zu guter Letzt ganz offensichtlich Chi, der seine Verantwortung darin sieht, mit seinem Privatvermögen eine Spende zum Umbau des Clubs zu leisten. Wer dieses Verantwortungsgefühl so nicht zeigt – der ist raus aus dem Club – ein Schicksal, wie es die Knotslehrerin ereilt hat. Ferner zeigt sich die Herstellung einer hybriden Organisation ebenso in dem Sinne, da verschiedene Strategien angewandt werden, wie Geld »heran geschafft« wird: von einer unternehmerischen Kultur über ein alltägliches Business machen und Fundraising bis hin zu einem Chariting für sich selbst.

157

5. Everything is possible!

As long as you work hard on it!



Clubbing = Doing Micropolitics

Actually, I shouldn’t be talking about this … (Interview Grace II, Zeile 163164). Das beruhigt Alexander aber nicht, sondern macht ihn nur noch wütender (Protokoll 5.12.2012, Zeile 41). »She bites you for breakfast and eats you for lunch« (Protokoll 22.11.2012, Zeile 207-208). …. dann würde es auch Ärger von Mr. Chu geben …(Protokoll 24.10.2012, Zeile 109). Ärger? Spannungen im Club? Dabei galt doch bisher der Grundsatz: Everything is possible! Was hat es mit diesen Konflikten auf sich und werden sie gelöst? Und wenn ja, wie werden sie bearbeitet? Und was sagen die Konflikte sowie ihre Bearbeitungen darüber aus, wie Clubbing als eine Form von Sozialität hergestellt wird?

5.1 »W ir dürfen dann also doch le t z tlich in den K ar aoker aum , aber unter der › strengen ‹ A ufl age , bloss nicht die K lima anl age anzumachen « – K ompromisse aushandeln Ich ahne bereits, dass das wieder Ärger mit Alexander geben wird, ich will aber auch das Interview wirklich gerne drinnen machen, da es draußen durch die vielen Autos wirklich sehr laut ist. Ich gehe also zu Alexander an seinen Schreibtisch, Summer hinter mir, und sage ihm, dass ich mit Summer

160

Wanna go Clubbing?

gerne ein Interview machen möchte und frage, ob wir in den Karaokeraum gehen können. Alexander verneint: Nein, das ginge nicht. Ich verstehe ehrlich gesagt wieder nicht, warum, denn es ist ja ansonsten niemand hier. Geht also nicht, Alexander schüttelt dabei den Kopf und wirkt schon genervt. Da rastet Summer völlig aus und es kommt zu einem handfesten Streit zwischen den beiden: Summer regt sich auf, was das denn solle, der Raum sei doch leer und warum Alexander immer solche Verbote aussprechen würde? Alexander: Wir könnten nicht einfach in den Raum gehen und dann auch noch die Klimaanlage anmachen, das ginge nicht. Die beiden keifen sich richtig an und werden beide auch richtig laut dabei. Außerdem, so Alexander, würde der Raum gebraucht, um 11 Uhr habe sich eine Karaokegruppe angemeldet. Summer darauf: Ja, wenn dann jemand den Raum gebucht hätte, sei das etwas anderes, aber im Moment sei ja niemand hier. Wenn jemand kommen würde, würden wir ja auch gehen. Alexander bleibt hart und sagt, dass das trotzdem nicht ginge. Mir ist das Ganze hier furchtbar unangenehm und ich lenke um des lieben Friedens willen ein, dass wir dann halt raus gehen. Summer bleibt aber auch hart und sagt, dass ich das doch auch aufnehmen wolle und draußen seien zu viele Störungen, wenn dann auch die Gruppe kommen würde. Alexander regt sich noch mehr auf: Heute sei Geburtstagsparty, da würde niemand zum Karaoke kommen und aufnehmen? Ich kriege jetzt auch richtig mein Fett weg: Auch ich könne hier nicht einfach immer herkommen und Interviews machen und dann auch noch einfach in den Karaokeraum gehen wollen. Ich habe ihn gefälligst vorher zu fragen. Summer regt sich wieder auf und sagt, dass sie sich bei Evelyn über diese Situation hier beschweren würde. Irgendwie weiß ich nicht, wie es dann dazu kommt, aber Alexander fragt, wie lange denn mein Interview dauern würde und ich sage »so eine halbe Stunde«. Wir dürfen dann also doch letztlich in den Karaokeraum, aber unter der »strengen« Auflage, bloß nicht die Klimaanlage anzumachen. Machen wir dann auch nicht. Summer und ich gehen in den Raum und Alexander kommt noch einmal hinterher und der Streit geht weiter: Alexander wieder, dass man nicht einfach so den Raum benutzen dürfe, Summer wieder, sie wolle sich von Alexander nichts verbieten lassen. Er: Sie solle jetzt still sein und wir sollten unser Interview halt machen. Dann geht er wieder aus dem Raum heraus (Protokoll 13.12.2012, Zeile 18-46). Im Raum regt sich dann Summer weiter auf. Die Türen sind noch nicht geschlossen. Sie redet sehr laut und ich vermute, dass Alexander das hört, was sie sagt. Naja. Ich sage zu Summer, dass mir das alles total unangenehm ist und ich keinen Ärger provozieren wollte. Sie winkt ab: Nee, Alexander sei eine schwierige Person. Sie, dabei nickt sie in Richtung MAFEP Office, würden ihn auch weg haben wollen. Er würde hier alle kontrollieren wollen. Sie, die Älteren, würden sich das aber nicht gefallen lassen wollen. Was solle das

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

auch? Der Raum sei frei, wieso würde er uns dann nach draußen schicken? Die Älteren hier würden sich nicht so behandeln lassen wollen, so gegängelt zu werden. Der Club und die Räume seien doch für alle da. Sie würde sich jetzt bei Evelyn beschweren und das Thema auf bringen. Ob ich nicht mit zu Evelyn kommen wolle? Ich sage, nee, dass das nicht ginge, ich müsse als Forscherin ja objektiv und neutral bleiben. Sie versteht das (Protokoll 13.12.2012, Zeile 52-61). Die Szene beschreibt zunächst einen Konflikt zwischen dem Clubmanager Alexander und dem »normalen« Clubmitglied Summer, bei dem es um die Nutzung des Karaokeraums geht. Gleichsam zeigt der Ausschnitt, wie die Clubber diesen Konflikt bearbeiten und zu einer Lösung gelangen. Als Konfliktparteien stehen sich hier Alexander und Summer gegenüber. Alexander handelt hier in seiner Logik des offiziellen Mitarbeiters des Clubs – als eingesetzter, bezahlter Clubmanager, der diese Funktion mit einer gewissen Autorität versehen versteht. Denn ihm wurde von einer höheren Autorität, dem früheren Präsidenten, die Aufgabe übertragen »to control«. Und diese Kontrollfunktion nimmt er sehr ernst. So reklamiert er auch die Kontrolle über den Karaokeraum und inszeniert sich hier als gatekeeper und Wächter über den Raum. Ja, er fordert gewissermaßen eine umfassende Definitionsmacht über diesen Raum ein: Er sieht sich zum einen nicht nur in der Position, den Zugang zum Raum zu regeln. So betont er immer wieder, dass man nicht einfach so den Raum benutzen dürfe, wobei sich das nicht einfach so als »nicht unproblematisch/mühelos« lesen lässt und die zunehmende Hürde er selbst zu sein scheint, die durch Bitte um Erlaubnis zu überwinden ist. Zum anderen fordert er die Kontrolle über die Information ein, wie der Karaokeraum genutzt wird: Die Beobachterin könne hier nicht einfach immer herkommen und Interviews machen und dann auch noch einfach in den Karaokeraum gehen wollen. Sie habe ihn gefälligst vorher zu fragen. Nun kommt es also zu einem handfesten Streit zwischen den beiden. Denn Summer hat eine andere Idee von Club und handelt hier vor dem Hintergrund einer anderen Logik, nämlich vielmehr vor dem Hintergrund einer demokratischen Ordnung, wie sie in Kapitel 4.3.1 beschrieben wurde, was sich aus ihrer im Nachgang getätigten Interpretation der Dinge deuten lässt: Er würde hier alle kontrollieren wollen. Sie, die Älteren, würden sich das aber nicht gefallen lassen wollen. Was solle das auch? Der Raum sei frei, wieso würde er uns dann nach draußen schicken? Die Älteren hier würden sich nicht so behandeln lassen wollen, so gegängelt zu werden. Der Club und die Räume seien doch für alle da (Protokoll 13.12.2012, Zeile 56-59).

161

162

Wanna go Clubbing?

Summer abstrahiert hier letztlich von der konkreten Situation und verallgemeinert nun von sich auf die Älteren und von dem »Karaokeraumvorfall« darauf, dass man sich allgemein das nicht gefallen lassen wolle, sich nicht so behandeln lassen wolle, so gegängelt werden, denn schließlich gemäß It is your Club (Kapitel 4.3.1) sind der Club und die Räume doch für alle da. In ihrer Perspektive geht es um ein Gemeinschaftsprojekt, um freien Willen, freien Gestaltungsraum. Dabei ist sie nicht einmal gegen ein Management des Clubs – so formuliert sie an anderer Stelle: Ein Club müsse aber auch gut organisiert und geführt sein, sagt sie (Protokoll 27.11.2012, Zeile 140). In ihrer demokratischen Ordnung scheint dabei jedoch ein eingesetzter Mitarbeiter, ein Beschäftigter, der in seine Position zudem nicht durch demokratische Wahlen gelangt ist, also nicht demokratisch legitimiert ist und sich zudem in jener Art und Weise aufführt, der Macht ausüben und kontrollieren will, untragbar. Während Alexander also in einer Logik handelt, in der ihm in seiner eingesetzten Funktion das Recht zugeschrieben wird, als gatekeeper, Wächter und Kontrolleur agieren zu können, akzeptiert sie seine Logik und damit seine Funktion nicht, nimmt ihn in seiner Kontrollfunktion nicht ernst und verwehrt ihm daher seine eingeforderte Autorität. Diese beiden Orientierungen scheinen dabei in der Figur der Beobachterin durch. Sie ist in dieser Situation irritiert, was dahingehend zu interpretieren ist, dass sie beide Logiken wahrnimmt, aber nicht zusammenbringen kann. Und so spielt sie beide Logiken, eher unbewusst, mit. Auf der einen Seite weiß sie um die Orientierung Alexanders. Aufgrund vorheriger Erfahrungen ist ihr bewusst, dass der Weg in den Karaokeraum nur über den Clubmanager zu führen scheint. Und so konstruiert sie ihn hier von vornherein als einen gatekeeper und Wächter über den Karaokeraum. Sie tritt als Fragende und Bittende in Aktion und positioniert Alexander damit auch in ihrem Agieren weiterhin als Entscheidenden und Gewährenden. Alexander nimmt diese Vorlage der Beobachterin in seiner Reaktion auf und führt die Inszenierung seiner Rolle als gatekeeper und Wächter weiter fort: Alexander verneint: nein, das ginge nicht. Die Beobachterin ihrerseits spielt das Spiel weiter mit, denn obwohl sie ehrlich gesagt wieder nicht versteht, warum, akzeptiert sie ihrerseits diese Entscheidung, gibt Alexander Autorität: Geht also nicht. Auf der anderen Seite handelt sie aber auch in Summers Logik, denn ebenso wie Summer unterläuft auch die Beobachterin Alexanders Funktion. Sie will schließlich in den Karaokeraum, ohne ihn vorher gefragt zu haben, obwohl sie weiß, dass das wieder Ärger mit Alexander geben wird. Sie resümiert schließlich, auch aus der demokratischen Logik heraus: Ich verstehe ehrlich gesagt wieder nicht, warum, denn es ist ja ansonsten niemand hier? Weiterführend lässt sich sagen, dass sich hier also zwei Logiken und Orientierungen an ihren Grenzen gegenüberstehen, dass jedoch keine der beiden Logiken hier die höhere Autorität innezuhaben scheint. Denn es zeigt sich,

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

dass es sich um eine Konfrontation auf Augenhöhe handelt: Alexander bleibt hart und sagt, dass das trotzdem nicht ginge. […] Summer bleibt aber auch hart. Beide Akteure sind in der Position, sowohl Alexander als Clubmanager als auch Summer als »normales« Clubmitglied, sich dem anderen nicht unterordnen und dessen Willen nachgeben zu müssen. Beide Akteure haben kein »Druckmittel« gegen den Anderen. Lediglich Evelyn ist hier eine Instanz, die in einer mit mehr Autorität ausgestatteten Position zu sein scheint. Wie lösen die Akteure nun die Situation? Wie agieren sie an der Grenze, an der beide Orientierungen aufeinandertreffen? In dieser Situation bleibt der Ausweg, eine Lösung auszuhandeln und einen Kompromiss zu schließen. Diese Konfrontation auf Augenhöhe transformiert sich schließlich in eine Aushandlung auf Augenhöhe, die zu einem Kompromiss führt, aus dem beide Parteien gleichermaßen als Sieger (oder Verlierer) hervorgehen. Summer und die Beobachterin erhalten auf der einen Seite den Zugang zum Karaokeraum, auf der anderen Seite behält Alexander die Kontrolle. So sitzen sie dort unter der »strengen« Auflage, bloß nicht die Klimaanlage anzumachen. Des Weiteren kontrolliert Alexander die Zeit, denn der Zutritt wird ihnen nur für eine halbe Stunde gewährt. Letztlich regelt er auch die Atmosphäre im Raum, indem er noch einmal hinterherkommt, und er bleibt der Gewährende, der schließlich den Beginn des Interviews durch seine Worte und seinen Abgang aus dem Raum regelt. Er: Sie solle jetzt still sein und wir sollten unser Interview halt machen. Dann geht er wieder aus dem Raum heraus. Derselbe Konflikt, der sich in einer ganz ähnlichen Situation wie der vorangegangenen zeigt, ist in dem folgenden Auszug protokolliert. Im Unterschied zur ersten Szene zeigt sich jedoch ein anderer Modus, wie in diesem Konflikt mit Spannungen umgegangen wird. Sprich: wie hier der Konflikt bearbeitet wird.

5.2 »D as beruhigt A le x ander aber nicht, sondern macht ihn nur noch wütender « – S ich selbst ins rechte L icht rücken und andere in den S chat ten stellen William kommt dann auf den Hof und sagt, dass ja nun alle Räume besetzt wären. Es gebe gar keinen Platz, um sich mal in Ruhe zu unterhalten. Ich frage ihn, ob wir nicht einfach in den Karaokeraum gehen können, um das Interview zu machen und so machen wir es dann. […] Wenig später kommt auch Alexander hinten über die Karaoketür, die zum Hof geht, in den Karaokeraum und will ins Clubhaus. Als er uns im Karaokeraum sieht, sieht er uns skeptisch an, sagt aber zunächst nichts und geht einfach durch den Raum ins Clubhaus. Wenig später kommt er aber zurück und sagt ganz aufgeregt und streng dabei zu uns, wir könnten noch 10 Minuten hier im

163

164

Wanna go Clubbing?

Raum bleiben, dann müssten wir hier raus, weil der Raum dann wieder für Karaoke um halb 4 gebucht sei. Er geht wieder und wir führen unser Interview weiter. William wird währenddessen schon etwas nervös und sagt, dass wir jetzt zu einem Ende kommen müssten, weil der Raum gebraucht würde. Ich lasse mich aber nicht beirren und stelle – da die 10 Minuten noch nicht um sind und es auch noch nicht halb ist – noch ein paar Fragen. Da rauscht auf einmal wieder Alexander in den Raum hinein und mault uns richtig an. Er im lauten und nachdrücklichen Ton: »William, please!« und etwas auf Chinesisch. Wir werden gerade also ziemlich unsanft aus dem Karaokeraum geschmissen und müssen den Raum eben verlassen (Protokoll 04.12.2012, Zeile 170-186). Dann kommt Alexander zu mir und entschuldigt sich dafür, dass er uns gestern aus dem Karaokeraum rausgeschmissen hat, als ich mit William dort ein Interview gemacht habe. Er regt sich auf über William, der das eigentlich hätte wissen müssen, da es nun einmal nicht geht, dass man einfach in den Raum geht und den in Beschlag nimmt. Und wenn, dann würde es schon gar nicht gehen, dass man die Klimaanlage anmacht und nicht nur den Ventilator. Ich sage, oh, dass mir das leid tut und dass das mein Fehler war, weil ich ja William gefragt hatte, ob wir dort in den Raum gehen können. Nein, nein, Alexander winkt ab, das war nicht mein Fehler, William hätte das wissen müssen. Und dann hätten wir noch die Tür zugemacht, das würde auch nicht gehen. Ich sage, dass das auch meine Schuld gewesen sei, weil ich ja ein Interview mit William gemacht hätte und das aufnehmen wollte. Das beruhigt Alexander aber nicht, sondern macht ihn nur noch wütender: Was, ein Interview mit William? Wieso? Was hätte er mir zu erzählen, er sei ja nur ein normalerer »affiliate« und er sei der Manager. William müsste immer so tun als ob…. Alexander regt sich echt auf und hibbelt auch die ganze Zeit hin und her, so dass ich mir während unseres »Gesprächs« die ganze Zeit unsicher bin, ob unser Gespräch gleich beendet ist oder nicht. Ich versuche wieder zu besänftigen und sage, nee, nee, ich hätte ihn ja gefragt, weil ich daran interessiert bin, was alle so zu ihrem Club zu sagen hätten. Alexander winkt wieder ab, nein, das sei nicht meine Schuld gewesen, William habe das wissen müssen. Wir wären doch schon längst fertig gewesen, als er das erste Mal hereingekommen wäre und gesagt habe, dass wir jetzt noch 10 Minuten hätten und trotzdem wären wir einfach sitzen geblieben. Und dann, nebenbei, sei der Raum um 4, äh, halb 4 korrigiert er sich, gebucht gewesen (Protokoll 05.12.2012, Zeile 32-51). Auf der einen Seite steht Alexander, der hier wiederum in seiner Logik des bezahlten Mitarbeiters agiert und gemäß seinem Verständnis seiner Funktion (to control the club) sich hier erneut vehement als gatekeeper inszeniert,

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

der hier eben den Karaokeraum kontrolliert. Und wiederholt zeigt sich hier, dass Alexander eine umfassende Kontrolle über den Raum reklamiert, denn er ist nicht nur der Wächter über den Karaokeraum in dem Sinne, dass er über den Zugang zum Raum entscheidet, sondern des Weiteren muss er seinem Verständnis nach die Kontrolle darüber behalten, was in dem Karaokeraum vor sich geht. Sinnbild für diese Interpretation ist dabei die verschlossene Tür, die ihm eben die Übersicht darüber nimmt, was im Raum geschieht. Auf der anderen Seite steht nun William als »normales« Clubmitglied, das hier ebenso in einer anderen Logik agiert, ebenso in einer demokratischen Logik, so lässt sich vermuten. Diese Vermutung speist sich aus der Analyse eines Kommentars Williams, den er gegenüber Summer tätigt, die ihm von der Auseinandersetzung mit Alexander berichtet. Er ermutigt sie, sich bei Evelyn über den Vorfall zu beschweren, denn er sieht die Entwicklung des Clubs durch das Agieren Alexanders folgendermaßen: This has, uh, become a private club already (Interview Summer III, Zeile 199). Dieser Entwicklung hin zu einem privaten Club – im Gegensatz zu einem demokratischen Community-Club – will auch er entgegensteuern. William agiert hier nun zumindest nicht in der Logik Alexanders, eines Managers, der hier eine Kontrollfunktion innehat, denn diese Funktion akzeptiert William nicht. Obwohl ein allgemein geteiltes Wissen unter den Clubmitgliedern vorzuliegen scheint, dass Alexander eben aus seiner Funktion heraus den Raum kontrollieren will oder muss – was sich zum einen daraus deuten lässt, dass Alexander hier Wissende (William) und Nichtwissende (die Beobachterin) sortiert und den Wissenden als Eingeweihten über die Regeln als Schuldigen entwirft, und was sich zum anderen aus dem Widerspruch interpretieren lässt, dass William sagt, dass ja nun alle Räume besetzt wären, der Raum ja aber faktisch frei ist, er also darum weiß, dass man ihn nicht einfach so nutzen kann –, akzeptiert William Alexander in seiner Kontrollfunktion und seine darauf basierende Inszenierung als Wächter nicht. Trotz seines Wissens um die Regeln unterläuft er sie vielmehr in seinem Tun, indem er eben den Karaokeraum frei nutzt und sich über Verbote, die das Dasein im Raum regeln, hinwegsetzt. Dabei zeigt sich wie in der vorangegangenen Szene, dass auch hier keine der Logiken mit einer höheren Macht ausgestattet scheint. William und die Beobachterin können sich auf der einen Seite über das Verbot Alexanders letztlich nicht hinwegsetzen, sondern werden schlussendlich ziemlich unsanft aus dem Karaokeraum geschmissen und müssen den Raum eben verlassen. Alexander auf der anderen Seite kann William und die Beobachterin, die den Karaokeraum mit der Interviewsituation gewissermaßen besetzt haben, nicht einfach so aus dem Karaokeraum »schmeißen«, sondern er muss sukzessive die Kontrolle über den Karaokereaum (zurück-) erobern. Die Zurückeroberung des Raumes geschieht hier in einem ersten Schritt durch seine Blicke: Als er uns im Karaokeraum sieht, sieht er uns skeptisch an. In einem zweiten Schritt nimmt Alexander bereits ein Stück mehr Kont-

165

166

Wanna go Clubbing?

rolle über den Raum, indem er schon einmal ein Limit setzt, 10 Minuten, das reguliert, wie lange William und die Beobachterin den Raum noch besetzen dürfen, wobei er auf eine allgemein akzeptierte Begründung verweist, weil der Raum dann wieder für Karaoke um halb vier gebucht sei. Diese zweite Intervention lässt sich bereits als die subtil gesendete Nachricht verstehen: Raus aus dem Raum! Denn die Angabe von 10 Minuten scheint wenig Substanz zu besitzen, schließlich müssen William und die Beobachterin bereits vor Ablauf dieser Zeitangabe den Raum verlassen. Während die Beobachterin diese subtile Nachricht nicht entschlüsseln kann – sie lässt sich nicht beirren und stellt, da die 10 Minuten noch nicht um sind und es auch noch nicht halb ist, noch ein paar Fragen –, hat William die Nachricht verstanden und wird währenddessen schon etwas nervös. Schließlich folgt der dritte Schritt, das direkte Senden der Nachricht: Raus aus dem Raum! Diese Nachricht übermittelt Alexander nun auch durch seine Körpersprache (da rauscht auf einmal wieder Alexander in den Raum hinein) und seine Intonation (und mault uns richtig an), sodass nun, obwohl nur auf Chinesisch gesprochen wird, auch endlich die Beobachterin begreift. Während auf der Basis dieses Konflikts, der eben das Zusammenprallen unterschiedlicher Orientierungen an ihren Grenzen beschreibt, in der obigen Szene eine besondere Form der Bearbeitung – Kompromisse aushandeln – beschrieben wurde, soll hier auf eine andere Form der Bearbeitung verwiesen werden, die Alexander hier leistet. Alexanders Logik und Orientierung, so wird mehr als deutlich, werden hier nicht akzeptiert. Er besitzt keine Autorität. Die Clubmitglieder verwehren ihm seine eingeforderte Autorität, akzeptieren seine Funktion nicht und nehmen ihn in seiner Funktion nicht ernst. Trotz des Wissens um seinen Anspruch an seine Funktion unterlaufen sie diese ständig und gehen in den Karaokeraum. Sie unterlaufen seine Positionierung, und zwar immer wieder, denn es scheint sich in den Wahrnehmungen Alexanders nicht um eine einmalige Unterwanderung seiner Position zu handeln. Durch seinen Zusatz William müsste immer so tun, als ob … geht es nun nicht mehr nur um die konkrete Situation, sondern es wird ein sich wiederholendes Muster, immer, angesprochen. In dieser allgemeinen Situation »arbeitet Alexander nun hart«, indem er seine Logiken und Orientierungen immer wieder hervorbringt und stabilisiert. Er macht immer wieder sichtbare Unterscheidungen, dass er anders ist. Er entwirft sich als statushöhere Figur als die »normalen« Mitglieder. Zum einen tut er dies, indem er die Kontrolle über die Räume immer wieder vehement einfordert, hier nicht aufgibt. Zum anderen macht er dies gegenüber anderen Akteuren, wie der Beobachterin, deutlich: Was, ein Interview mit William? Wieso? Was hätte er mir zu erzählen, er sei ja nur ein normalerer »affiliate« und er sei der Manager. William müsste immer so tun, als ob … Alexander macht hier einen Statusunterschied auf, indem er zwischen sich als Manager und William als normalem »affiliate« differenziert. Damit verdeutlicht er, dass er im Gegensatz

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

zu William eine Funktion und Position im Club innehat, und konzeptioniert die Figur des Managers als Wissenden und Sprachrohr nach außen, die eben z.B. in einer Interviewsituation den Club repräsentieren sollte. Demgegenüber ist William normal, nicht besonders, gar nur ein »affiliate«, also nur angebunden, angeschlossen und Unwissender, denn Was hätte er mir zu erzählen?

5.3 »S he bites you for bre akfast and e ats you for lunch . D ie beiden M änner l achen « – D iskreditieren Unter der Überschrift »She bites you for breakfast and eats you for lunch. Die beiden Männer lachen – Diskreditieren« soll im Folgenden erneut zum einen das Zusammenprallen verschiedener Clublogiken beschrieben und zum anderen aufgezeigt werden, wie hier eine weitere Form von Bearbeitung geleistet wird: das Diskreditieren. Zum einen existiert, wie nun schon oft beschrieben, die Logik »Club als Arbeitsstätte«, in der ein Mitarbeiterverhältnis existiert, wobei hier ein gewisses Maß an Autorität nötig ist und eingefordert wird, um die übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Nun impliziert jedoch zum anderen auch die demokratische Clublogik, dass eine Reihe weiterer formeller und gestalterischer Funktionen im Club existiert, die ebenso eine Form von Autorität einfordert und zudem, da demokratisch legitimiert, eine höhere Autorität als die Funktion des bezahlten Mitarbeiters im Club zu besitzen scheint. Diese unterschiedlichen Logiken werden dabei durch die Figuren Alexanders als Clubmanager sowie Evelyn, die ihre Funktion ebenso als Managementaufgabe versteht (siehe Kapitel 4.2.1), verkörpert. Im Gesamtkorpus des ethnografischen Materials zeigt sich, dass aus der Perspektive Alexanders Evelyn immer wieder relevant gemacht wird, da sie, so lässt sich aus den Textstellen deuten, seine Funktion und Autorität zu bedrohen scheint. Ich erzähle ihm, dass als ich letztes Mal wieder zurück nach Deutschland gekommen sei, mein Professor ganz beeindruckt von dem Club gewesen sei und ich jetzt meine ganze Arbeit über senior citizens clubs schreiben würde. Ja, sagt er, zum letzten Mal würde es jetzt aber eine Menge an »differences« geben. Ich frage, inwiefern? Naja, es würde jetzt ja einen neuen Präsidenten und eine neue secretary geben. »Very professional«, sagt er. Evelyn z.B. sei »very professional«. Sie sei früher Architektin und Designerin gewesen. Die Neuen seien »very energetic« people. Sei ja auch gut, dass Neue kommen würden. Würden jetzt viel machen, er habe auch viel zu tun, z.B gebe es immer »noisy problems« mit den Nachbarn. Solle daher eine renovation geben »to improve and to extend the porch«. Ich frage noch einmal nach, ob z.B. Evelyn auch ein volunteer sei. Jaja, volunteer (Protokoll 21.11.2012, Zeile 116-124).

167

168

Wanna go Clubbing?

Der Protokollausschnitt beschreibt ein erstes Zusammentreffen zwischen der Beobachterin und dem Manager Alexander in der zweiten Beobachtungsphase – ein Wiedersehen, das fast 1,5 Jahre auf sich hat warten lassen. Deutlich wird im Protokoll, dass es zwischen dem Damals, dem letzten Mal, und dem Heute, dem Jetzt, einen Einschnitt im Club gegeben hat. Dieser Einschnitt wird auch von Alexander benannt. Er beläuft sich darauf, dass die Führungsriege des Clubs ausgetauscht wurde: Es würde jetzt ja einen neuen Präsidenten und eine neue secretary geben. Die Folge hiervon schien und scheint dabei zu sein, dass eben eine Menge an differences daraus resultierte. Der Beobachterin gegenüber, als Externe, belegt Alexander dabei, zumindest an der Oberfläche, diesen Einschnitt sowie die Konsequenzen zunächst mit einer positiven Kommentierung: Sei ja auch gut, dass Neue kommen würden. Und er führt das »Gute« daran auch näher aus: very professional und very energetic people. So scheint er mit den »Neuen« besondere Qualitäten, Qualifikationen, Verlässlichkeiten sowie Tatendrang und Aktivität zu verbinden. Und obwohl Alexander diese positiven Beschreibungen der externen Beobachterin gegenüber hervorbringt, ist gleichsam aus dem Protokollausschnitt auch ein anderer Tenor heraus zu interpretieren. Diese Interpretation lässt dabei die Eingangssequenz dieses Abschnittes zu. Die Beobachterin leitet das Gespräch mit einer nahezu überschwänglichen Schmeichelei ein: Mein Professor sei ganz beeindruckt von dem Club gewesen und ich würde jetzt meine ganze Arbeit über senior citizens clubs schreiben. Alexander seinerseits steigt jedoch nicht in dieses Kompliment ein nach dem Motto: »Ja und jetzt haben wir sogar noch die Neuen.« Vielmehr erwidert Alexander darauf ein »Ja, aber«. Er bringt damit zum Ausdruck, dass es zu der Begeisterung vom letzten Mal Einwände und Einschränkungen gibt – und der Grund für diese Einschränkungen belaufe sich dabei auf die »Neuen«, wobei interessanterweise Evelyn im Fokus steht und nicht der Präsident. Was Alexanders Begeisterung daran genau zügelt, wird dabei aus dem Protokollausschnitt nicht offensichtlich. Als These lässt sich jedoch formulieren, dass sich mit einer neuen, demokratisch gewählten Führung auch neue Machtkonstellationen und Verantwortlichkeiten ergeben, die ihn als Manager des Clubs nicht unberührt lassen. Als Hinweis auf diese These lässt sich lesen, dass er benennt, dass die Neuen nun viel machen würden und er gleich meint, hinterherschieben zu müssen, dass er aber nun auch wirklich viel zu tun habe. Weitere Textstellen, die die »Bedrohung« Alexanders durch Evelyn aufzeigen, sind dabei die folgenden: Im Auto regt er sich noch einmal über Evelyn auf: Sie sei nun noch gar nicht so lange da, aber würde alles bestimmen wollen. Sie sei zwar sehr professional, habe aber ja keine Erfahrungen, wie man einen senior citizens club »runnen« würde. Die Älteren hier seien sehr konservativ, das müsse sie beachten…(Protokoll 23.11.2012, Zeile 114-117).

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

Die folgenden Protokollausschnitte zeigen weiterführend auf, wie Alexander mit der Bedrohung seiner Logik und seiner Position im Club durch Evelyn umgeht: durch Diskreditierungen Evelyns. Auf der Autofahrt sitze ich hinten und die beiden Männer vorne. Sie unterhalten sich dann auch noch über andere Dinge. Eines finde ich besonders interessant: Es geht mal wieder um Evelyn. Es kommt aus den Gesprächen immer heraus, dass hoher Respekt, aber auch ein wenig Angst vor ihr herrscht. Respekt kommt daher, da man beeindruckt von ihrer Karriere ist: Evelyn habe Design in London studiert. Dann habe sie hier ihr eigenes Business gehabt und z.B. auch den Palast des Königs von Malaysia von innen designt. Die »Angst« kommt aber auch durch: »She bites you for breakfast and eats you for lunch«. Die beiden Männer lachen. Evelyn sei ja Single. Jaja, sagt Adam, sie habe mal zu ihm gesagt »I am a single mother«, und er habe gesagt »I am single father and available«. Sie lachen wieder. Alexander vermutet, dass Evelyn kein Interesse daran habe, einen Mann zu haben, oder? Adam weiß nicht, solche Fragen habe er noch nie mit ihr angesprochen. Alexander glaubt nicht, dass sie Interesse habe (Protokoll 22.11.2012, Zeile 202-212). Die vorangegangene Szene stellt eine Szenerie während einer Autofahrt dar, während der die Beobachterin, hinten sitzend, ein Gespräch mit anhört, das nicht unbedingt für ihre Ohren bestimmt war. Es handelt sich also nicht um ein Dreiergespräch, in das die Beobachterin irgendwie involviert gewesen wäre, sondern um ein Zweiergespräch unter Clubmitgliedern. Es geht in dieser Szenerie also nicht um eine Darstellung gegenüber Externen, sondern an der Szene lässt sich vielmehr ablesen, wie ein besonderes Clubthema intern verhandelt wird. Dieses besondere Thema ist hier die Positionierung Evelyns, wobei erneut deutlich wird, dass es sich hierbei um ein Thema handelt, das sehr zu beschäftigen und das immer ähnlich verhandelt zu werden scheint, denn, so der Eindruck der Beobachterin: Es geht mal wieder um Evelyn und Es kommt aus den Gesprächen immer heraus. Interessanterweise wird Evelyn in ihrer Positionierung im Club in zweierlei Manier hergestellt. Auf der einen Seite wird Evelyn in ihrer hohen Funktion als Sekretärin als Respektsperson, als erfolgreiche Karrierefrau aufgebaut, die studiert ist, die internationale Erfahrungen hat (sie hat in London studiert), die mutig, risikofreudig, durchsetzungsfähig, selbstständig ist (sie hat sogar ihr eigenes Business betrieben), und schließlich so ambitioniert, produktiv, strebsam, anspruchsvoll und ehrgeizig zu sein scheint, dass ihre Karriere sogar davon gekennzeichnet ist, dass sie den Palast des Königs von Malaysia von innen designt habe. Auf der anderen Seite kippt dieser Tenor jedoch dann im Gespräch unter Männern, denn so scheint es, dass die erfolgrei-

169

170

Wanna go Clubbing?

che Karrierefrau Evelyn in dieser Form nicht akzeptiert werden kann. Weil sie eine Bedrohung darstellt? Und so wird nun Evelyns Geschlecht, ihre Weiblichkeit, wie in Anlehnung an Morgan zu formulieren ist, zu einem »Faktor beim Auf bau von Machtbeziehungen« (Morgan 1997, S.  265), und ihr Geschlecht wird genutzt, um sie zu diskreditieren, herabzusetzen und abzuwerten. Alexander und auch Adam werden nun zu Chauvis, eine Rollenübernahme, die Morgan allgemein als »Strategie für das Management von Geschlechterbeziehungen« (vgl. Morgan 1997, S. 264) beschreibt und konkret wie folgt definiert: »Wird oft von Männern übernommen, auf die die Anwesenheit von Frauen bedrohlich wirkt. Kennzeichen ist der Einsatz verschiedener ›Demütigungsrituale‹, die den Status von Frauen und ihre Beiträge untergraben sollen« (Morgan 1997, S. 264). Und so geht es hier, abermals in Anlehnung an Morgan, um ein allgemeines Gespräch, das zum Ausschließen dient und vielleicht sogar zu diesem Zweck geschaffen wurde (vgl. Morgan 1997, S. 261). Denn nun werden die ihr zugeschriebenen männlich konnotierten Attribute wie erfolgreich, mutig, risikofreudig, durchsetzungsfähig, selbstständig, ambitioniert, produktiv, strebsam, anspruchsvoll und ehrgeizig zu sein, nicht mehr als ihre ureigenen positiv konnotierten Qualitäten gewertet. Vielmehr rücken diese Eigenschaften sie nun in Richtung einer Hexe, erinnert der Ausspruch She bites you for breakfast and eats you for lunch doch an die Hexe aus Hänsel und Gretel, die Hänsel einsperrt, ihn sich so gefügig macht, weil sie ihn später verspeisen möchte. Zudem wird nun in dem machistischen Gespräch, in dem Mann erst einmal über Evelyn lacht, Abhilfe suggeriert – die Hexe Evelyn könnte wieder zu einem schnurrenden Kätzchen werden, das dann in der Form nicht mehr den Club führen würde. Denn ein solches Verhalten bei einer Frau scheint auf einen bestimmten Grund zurückzuführen sein: Evelyn scheint sexuell frustriert zu sein. So bringt Alexander fast wie selbstverständlich als Erklärung hervor: Evelyn sei ja Single, und Adam stimmt dieser »logischen« und »naheliegenden« Darstellung ebenso selbstverständlich zu mit Jaja. Die Abhilfe könne auch direkt Adam liefern: Er habe gesagt »I am single father and available.« In dieser Manier geht es im Gespräch zwischen Alexander und Adam weiter: Wir steigen ins Auto. Adam fragt Alexander, ob er noch Zeit hätte, dass wir noch ein bisschen herumfahren, damit sie mir PJ zeigen können, oder ob er sofort zum Club zurück müsse. Nee, er habe noch Zeit. Sonst, so Adam, wenn Evelyn etwas sagen würde, könne er ja sagen, dass er Schuld sei. Nee, nee, sagt Alexander, schon in Ordnung. Adam weiter: Man müsse die ladys zum Lachen bringen, dann wären sie auch nicht so abweisend. Als er Evelyn getroffen habe, habe er sie in den Arm genommen und zweimal auf die Wange geküsst. Sie habe gesagt: »Oh, zweimal«. Und er: »Ja, weil ich Dich mag«(Protokoll 22.11.2012, Zeile 223-230).

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

Im Protokollausschnitt wird zum einen ersichtlich, dass Evelyn eine Form von Autorität gegenüber Alexander im Club besitzt. Sie ist in der Position, einfordern zu können, dass er zu einer bestimmten Zeit, nach der Mittagspause, im Club zurück erscheint. Er als Pendant scheint ihr gegenüber Rechenschaft über seine An- und Abwesenheitszeiten schuldig zu sein. Im Protokollausschnitt wird aber auch zum anderen ersichtlich, dass die Männer ihre Autorität abermals nicht ernst nehmen. Alexander, der eigentlich darum weiß, dass er zurück müsste, übergeht Evelyns Autorität, indem er ihre Forderungen einfach ignoriert und sich über sie hinwegsetzt mit den lapidaren Worten: Nee, nee, schon in Ordnung. Adam, der eigentlich ebenso darum weiß, dass Alexander zurück müsste, hebelt Evelyns Autorität aus, indem er sich verschiedene Strategien, wie z.B. Evelyn zu belügen oder – wieder sexistisch – Evelyn zu umgarnen, überlegt. So schlägt er zum einen vor, Evelyn hinters Licht zu führen, indem er die Schuld für das Zuspätkommen Alexanders auf sich nimmt. Da Evelyn ihm gegenüber keine Forderungen scheint stellen zu dürfen, würden ihr Ärger, ihre Sanktionsmöglichkeiten und auch ihre Autorität sodann in dieser Situation verpuffen. Zum anderen schlägt Adam als Strategie vor, Evelyn zu umgarnen, sie um den Finger zu wickeln, mit ihr zu flirten. Dann, so Adams Überlegungen, würden Forderungen, Regelungen sowie Autorität, Ärger, Sanktionen außer Kraft gesetzt bzw. verpuffen, da Evelyn dann zahm werden und sich auch noch freuen würde.

5.4 »A ctually, I shouldn ’ t be talking about this … H e ’s doing a lot for the club« – R el ativieren , legitimieren , K ompromisse schliessen Auch im Club in Taman Ampola zeigt sich das Zusammenstoßen zweier Orientierungen: Yeah, (CLEARS THROAT) well, this I don’t know. Actually, I shouldn’t be talking about this. But, never mind. Uh, we have got a very hardworking president. Huh? But, uh, at the same time, he has a very short ha=short temper. (LAUGHTER) Lots of members do complain, huh, about our president. (LAUGHTER) Very, very short temper. Yeah? Lots of, uh, ideas are forwarded to him. But, uh, it’s, it’s not to his favor, like no? Yeah? Yeah. And, uh, (CLEARS THROAT) I mean, he’s doing, he’s doing a lot for the club. He’s doing a lot for the club (Interview Grace II, Zeile 163-170). Der hier abgetragene Abschnitt stellt einen Interviewausschnitt mit einem der Clubmitglieder dar, der ganz am Ende des Interviews auftaucht und auf die Frage folgt, ob die Interviewte noch etwas hinzuzufügen hat. Die Interviewte

171

172

Wanna go Clubbing?

überlegt hier kurz, well, this * --I don’t know. * Actually, I shouldn’t be talking about this. But, never mind, und entscheidet sich dann dafür, einen allgemeinen Konflikt im Club zu thematisieren. In abstrahierter Form lässt sich der Dissens, den sie dabei beschreibt, als Konflikt zweier sich gegenüberstehender Orientierungen oder Konstruktionen der Organisation »Club« deuten. Auf der einen Seite die Konstruktion des Clubs als demokratische Organisation, in der die Mitglieder einen Mitgestaltungswillen haben und ihre Ideen umgesetzt wissen wollen: Lots of, uh, ideas * are forwarded to him. Auf der anderen Seite die Konstruktion des Clubs als autoritär geführte Organisation, die sich zum einen darin zeigt, dass der Präsident einen solchen Mitgestaltungswillen nicht gutheißt, But, uh, it’s, it’s not to his favor, like no?, und zum anderen sich auch im Stil seiner »Regentschaft« offenbart: He has a very short ha=short temper. Neben der Schilderung dieses Konflikts lässt sich aus diesem Abschnitt des Weiteren deuten, dass dieser Konflikt einer Bearbeitung bedarf – und auch bearbeitet wird. So überlegt die Interviewte in dem gesamten Abschnitt, wie sie sich zu diesem Konflikt verhalten soll. Ihre Optionen bzw. möglichen Strategien der Bearbeitung werden bereits zu Beginn des Abschnitts zum Ausdruck gebracht: Actually, I shouldn’t be talking about this. But, never mind. Soll sie den Konflikt offen aussprechen und thematisieren, sich ebenfalls beschweren oder sich solidarisch mit dem Präsidenten zeigen? Letztlich lässt sich der Abschnitt dahingehend deuten, dass die Interviewte hier in der Form eine Bearbeitung leistet, indem sie das Agieren des Präsidenten relativiert, legitimiert und einen Kompromiss für sich selbst schließt. Diese Form der Bearbeitung zeigt sich in ihrer inhaltlichen Argumentation: So setzt sie den Verdienst des Präsidenten für den Club in eine Beziehung zu seinem anderweitigen Verhalten. Dabei scheint der Verdienst höher zu wiegen als sein kritikwürdiges Schalten und Walten, sodass die Interviewte das Handeln des Präsidenten ein Stück weit abschwächt, eben relativiert. Weiterhin lässt sich ihre Argumentation als Legitimation der Herrschaft des Präsidenten fast im Weber’schen Sinn lesen (vgl. Müller 2007, S. 130ff.), wobei diese Legitimation sich mit zweierlei Typen einer legitimen Herrschaft verbinden lässt. Zum einen legitimiert die Interviewte den Präsidenten im Sinne seiner legalen Herrschaft, spricht sie von der Person doch in seiner Funktion. Zum anderen wird der Präsident schon fast als charismatischer »Herrscher« hergestellt, der außergewöhnliche Qualitäten in der Gestaltung und Führung des Clubs an den Tag legt und ohne den es den Club in dieser Form wahrscheinlich gar nicht geben würde. Und so scheint die Interviewte sich zu arrangieren, für sich einen Kompromiss zu schließen, nach dem Motto: Lieber einen solchen Präsidenten als gar keinen Club. Ähnliches findet sich in folgendem Protokollausschnitt: Matthew sagt dann etwas zu Jack und ich merke, dass es ein bisschen Ärger gibt. Es geht irgendwie um das Wasser in den Wasserkochern in der Küche.

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

Jack sagt, warum er das ihm sage, denn »it’s everybody’s responsibility«. Ich glaube, dass Matthew sich gar nicht selbst darüber beschwert, sondern dass er eine Beschwerde darüber weitergibt. Im Kontext dieses Gespräches lehnt sich Sam zu mir rüber und sagt zu mir, dass der Präsident, Mr. Chu, very strict sei. Er würde seine duties gut fulfillen, aber er sei eben sehr streng. Es würde hier einige Regeln geben, und wenn sich einer nicht daran halten würde, dann würde es auch Ärger von Mr. Chu geben. Er würde dann den oder die Betreffende zu sich rufen – Sam macht eine heranrufende Handbewegung – und zurechtweisen. Einige würden sich dann schlecht fühlen, »feel ashamed«, sagt Sam. Am nächsten Tag sei es dann aber vergessen. Er sei der Präsident und habe Power. Eigentlich dürfe man hier alles machen, sagt er, solange man sich eben an die regulations halten würde. Für ihn sei das so ok, aber er habe schon mitbekommen, dass einige der Älteren mit dieser Art nicht zurechtkämen und daher nicht mehr kommen würden. Ich frage, dass sie also ganz wegbleiben würden? Und Sam bejaht (Protokoll 24.10.2012, Zeile 103-115). In dem Protokollabschnitt zeigt sich nun eine Situation des Dissens, die eine kleine Störung des Alltags beschreibt. Eine solche Störung des Alltags scheint dabei zunächst einmal der Selbstregulierung unter den Clubmitgliedern zu unterliegen. Zum einen sprechen sie hier das Problem unter sich an, um es bewusst zu machen, und formulieren die Regel dazu, »it’s everybody’s responsibility«. In diese Selbstregulierung scheint jedoch ebenso eine wahrgenommene notwendige Selbstdisziplinierung eingelagert zu sein. Es wird ein weiterer Regulationsmechanismus formuliert, der eine zunehmende Eskalationsstufe zu beschreiben scheint, wenn man sich nicht unter sich einigen kann. Denn nun wird Mr. Chu in die Erklärung zur Regelung von Konflikten eingeführt. Mr. Chu – ohne in der Situation überhaupt anwesend zu sein – tritt sodann hier als regelnde Instanz in Erscheinung, denn besser, man einigt sich hier unter sich, bevor man zum strengen Mr. Chu gerufen wird und sich ausschimpfen lassen muss (Mr. Chu hier abermals in der Konstruktion eines strengen Schulleiters, siehe Kapitel 4.2.1). Im Kontext dieses Kapitels ist nun interessant, dass sich mit dem Herüberlehnen Sams das Protokoll von der konkreten Situation abhebt und nun das stattzufinden scheint, was Hammersley/Atkinson folgendermaßen beschreiben: »Indeed, especially in the early stages of fieldwork, participants may be intent upon making sure that the researcher understands the situation ›correctly‹. Very often, the aim is to counteract what it is assumed others have been saying, or what are presumed to be the ethnographer’s likely interpretations of what has been observed« (Hammersley/Atkinson 2007, S. 99).

173

174

Wanna go Clubbing?

So scheint hier Sam nun der Beobachterin gegenüber, der die Ordnungsstrukturen des Clubs nicht unmittelbar zugänglich sein können, erklären zu müssen. D.h., er muss nun das Bild, das die Beobachterin vom Club haben könnte – was für eine hierarchische Organisation! –, zurechtrücken. Und so bringt er ihr gegenüber hervor, dass zwei Logiken im Club existieren, was besonders deutlich an dem widersprüchlichen und spannungsreichen Ausspruch Eigentlich dürfe man hier alles machen, sagt er, solange man sich eben an die regulations halten würde deutlich wird: Ja, Beobachterin, es gibt hier hierarchische Strukturen, regulations, an die sich zu halten sind, sonst gibt es Ärger. Aber, Beobachterin, bitte sieh auch, dass wir hier auch demokratisch sind und man hier alles machen kann, was man will. Diese Logiken bringt Sam nun für sich und auch für die Beobachterin in Einklang, indem er, wie Grace, legitimiert, relativiert und für sich Kompromisse schließt. So legitimiert er die autoritäre Logik des Präsidenten mit seiner offiziellen Funktion: Er sei der Präsident und habe Power. Er relativiert und nimmt die Logik des Präsidenten in Kauf, da er seine duties gut fulfillen würde. Er relativiert ferner, da es zwar einen großen Knall gebe, am nächsten Tag sei es dann aber vergessen. Schließlich formuliert er eben den Kompromiss: Gut, es gibt regulations, die autoritär durchgesetzt werden, aber innerhalb dieser kann jeder machen, was er will. Für ihn sei das so ok. Gleichsam zeigt hier der Protokollausschnitt, dass, wer nicht an diesen Grenzen, an denen Logiken aufeinandertreffen, arbeitet, wer eben nicht daran arbeitet, eine Logik eines demokratischen Freizeitclubs von erwachsenen Menschen mit einer Logik eines autoritären Unternehmens oder einer Schule hier zusammenzubringen, für den bleibt nur der Exit.

5.5 »D ass A le x ander ihn wohl auf seine S eite ziehen wolle . These are the kinds of politics , sagt er und l acht« – K oalitionen schaffen Wegen des »zu sehr Involviert-Seins« sage ich zu ihm, dass ich bemerkt habe, dass diejenigen, die eben sehr in den Club involviert seien, manches sehr ernst, vielleicht zu ernst nehmen würden. Er sagt, ja, ich müsse nur mal Alexander sprechen, der sich immer bei ihm ausweinen würde, wenn er die Gelegenheit dazu habe. Dieser würde ja dort arbeiten und 1500 Ringgit im Monat verdienen. Er sei damals eingesetzt worden von dem alten Präsidenten, der ihn nicht besonders gut behandelt habe, aber er habe kostenlos in dem Zimmer oben wohnen können. Nun sei es aber so, dass Alexander eine junge Freundin habe, die auch bei ihm übernachten würde. Viele der älteren ladys würden sich nun wiederum darüber beschweren, da dies kein angemessenes Verhalten sei. So hätten sie sich mehr und mehr beschwert und nach und nach den Raum eingefordert/erobert, der ja jetzt wahrscheinlich auch

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

ein Karaokeraum werden würde (es fällt auch das Wort »conquer« in diesem Zusammenhang). Alexander müsse dann ausziehen. Für ihn sei das ein Problem, da ein Zimmer so um die 800 Ringgit koste und er ja nur 1500 verdiene. Er sage zu den Leuten immer, warum sie sich um so etwas kümmern würden – »why do you trouble yourself« –, sie seien doch alt und er würde sagen »just enjoy«! Adam erzählt weiter, dass am Anfang, als er in den Club gekommen sei, er immer mit Alexander zum lunch gefahren sei. Die anderen hätten ihn dann mal zur Seite genommen und gesagt, dass Alexander ihn wohl auf seine Seite ziehen wolle. »These are the kinds of politics«, sagt er und lacht (Protokoll 28.11.2012, Zeile 180-197). Das Thema dieses Protokollausschnitts resümiert Adam hier am Ende treffend mit »These are the kinds of politics«, und er verweist damit der originären Bedeutung von politics entsprechend darauf, dass es im Club mal wieder darum geht, wie »Interessengruppen ihre Anliegen durchzusetzen suchen«1 bei Dissens. Anders, in diesem Kontext formuliert: Es geht erneut um eine Bearbeitung von Konflikten, weil sich unterschiedliche Orientierungen, in denen der Club hergestellt wird, gegenüberstehen. Während in den oben genannten Beispielen unmittelbar hierarchische Ordnungen verhandelt und ausgehandelt wurden, geht es hier zwar auch implizit um den Aspekt von Hierarchie, im Mittelpunkt stehen hier nun jedoch zwei weitere Logiken, deren Zusammentreffen Spannungen erzeugen, wobei sich dieser Konflikt auch wieder an einer Raumfrage abzeichnet. Auf der einen Seite steht Alexander, der nun den Club in einer Logik von Privatheit konstruiert. So nutzt er den Club, genauer das Zimmer oben, legitimiert durch den alten Präsidenten, als Privatraum, in dem er wohnt. Diese Konstruktion scheint er dabei auf die Spitze zu treiben, indem nun auch Intimitäten in diesem Zimmer stattzufinden scheinen. Auf der anderen Seite stehen die ladys, die eine solche Konstruktion ihres Clubs als nicht angemessen empfinden. Eine derartige Privatheit scheint im Club nichts verloren zu haben, zumal es sich dabei eben nicht um Privatraum handelt, sondern vielmehr die Ordnung von Gemeinschafts(-eigentum) vorzuliegen scheint, denn schließlich soll der Raum wieder zu einem Karaokeraum werden. Nun scheint also der Kampf um die Definitionsmacht des Raumes, und zwar nicht nur des Raumes oben, sondern des gesamten Raumes des Clubs (Privat vs. Gemeinschaft), begünstigt durch neue Machtkonstellationen – der alte Präsident, der die Logik von Privatheit mit legitimiert hat, ist nicht mehr im Amt – eröffnet. Anders ausgedrückt: Es wird nun von beiden Seiten daran gearbeitet, ihre Logik durchzusetzen. Von der einen Seite soll die Logik der Privatheit ganz verschwinden, von der anderen Seite muss die Logik der Privatheit verteidigt wer1 | www.politischebildung.ch/grundlagen/didaktik/polity-policy-politics/?details=1& cHash=c30579d6a20ee8b98e9f708375b5a677

175

176

Wanna go Clubbing?

den. Diese Arbeit findet dabei insofern statt, als Koalitionen geschaffen werden als »Strategie für die Durchsetzung der eigenen Interessen innerhalb einer Organisation« (Morgan 1997, S. 222), was sich an Adam, dem Neuen, manifestiert. Auf der einen Seite versucht Alexander ihn für sich einzunehmen, der sich immer bei ihm ausweinen würde, wenn es die Gelegenheit dazu habe. Auf der anderen Seite stellen die anderen Adam zur Rede, hetzen hinter Alexanders Rücken und machen ihm deutlich, dass es hier zwei Seiten gibt und man sich eben auf die eine oder andere Seite ziehen lassen kann.2

5.6 C lubbing = D oing M icropolitics In den Analysen in Kapitel 4 wurde zunächst der Frage nachgegangen, welche Art von sozialer Ordnung in den Organisationen der senior citizens clubs hergestellt wird. In dieser Analyse konnte rekonstruiert werden, dass die senior citizens clubs als hybride Organisationen konstruiert werden, in denen auf mannigfaltige Logiken und Orientierungen zum Teil divergierender Teilsysteme zurückgegriffen wird. So: Everything is possible!…but… Die Analyse des gesamten empirischen Materials zeigt nun auf der einen Seite, dass diese verschiedenen Logiken und Orientierungen zwar sozusagen auch »friedlich koexistieren« können; die Analyse in Kapitel 5 verweist jedoch gleichsam auf der anderen Seite darauf, dass die hybride Konstruktion nicht immer konfliktfrei verläuft, sondern dass das alltägliche Clubbing zudem durchaus von kontroversen Auseinandersetzungen durchzogen wird. Wenn nun in der Interpretation dieser Kontroversen auf Morgan und Neuberger rekurriert wird, die Konflikte in dem Sinne verstehen, dass sie »ihren Ursprung in vermeintlich oder tatsächlich widerstreitenden Interessen« (Morgan 1997, S.  223) haben oder dass es zu einer Situation kommt, in der sich »alternative oder sogar antagonistische Handlungsorientierungen gegenüberstehen« (Neuberger 1995, S.  5), so lässt sich argumentieren, dass derartige Konflikte im Club, wie sie in diesem Kapitel beschrieben wurden, nicht auf einer individuellen Ebene etwa als persönliche Aversionen zu verstehen sind. Schließlich, um eines der viel zitierten Beispiele, Alexander, heranzuziehen, tanzt man in anderen Kontexten miteinander und hat großen Spaß zusammen. Diese Konflikte lassen sich vielmehr auf einer organisationellen Ebene, verwoben in die Konstruktion einer hybriden Organisation, erklären. 2 | Koalitionsbildung findet sich auch bereits in den vorangegangenen Beispielen, wenn etwa Summer versucht, mit der Beobachterin zu koalieren und sie sich mit bei Evelyn beschweren soll (siehe Kapitel 5.1), oder wenn Alexander versucht, die Beobachterin auf seine Seite zu ziehen, indem er sein Verhalten legitimiert und Williams Verhalten kritisiert (vgl. Kapitel 5.2).

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

Glänzel/Schmitz formulieren beispielsweise, dass es sich bei hybriden Organisationen um höchst komplexe Organisationsformen handelt (vgl. Glänzel/ Schmitz 2012, S. 196) und dass »die Hauptaufgabe und Kernkompetenz von hybriden Organisationen darin [besteht], die zugrunde liegenden Logiken zu integrieren und zwischen verschiedenartigen Interessen zu vermitteln« (Glänzel/Schmitz 2012, S. 195) – zumal es sich häufig, wie hier, auch um Verflechtungen widersprechender Orientierungen handelt. Abstrakter lässt sich mit Lewis, der von hybriden Organisationen inhärenten Grenzen ausgeht, darlegen: »A body of ›boundary theory‹ within organizational studies and geography suggests that boundaries are ›highly-charged‹ sites where differences meet. Exchanges between people at boundaries may generate friction, creating conditions for both conflict and creativity« (Lewis 2010, S. 222).

Reibungen und Konflikte entstehen nach ihm sodann in hybriden Organisationen an »inneren Grenzen« daraus, dass Menschen hier aus verschiedenen Logiken und Orientierungen heraus unterschiedliche Annahmen und Erwartungen mit sich tragen, wie Dinge zu laufen haben (vgl. Lewis 2010, S. 223).34 Es zeigt sich auch im empirischen Material, dass Konflikte vornehmlich dann entstehen, wenn verschiedene Orientierungen und Logiken darüber, »wie Club zu laufen hat« bzw. was Club sein soll, an ihren Grenzen aufeinandertreffen. Im Club in Taman Ampola stehen auf der einen Seite zum einen die »normalen« Clubmitglieder wie Summer, William und die ladys, die, gemäß It is your Club in einer Logik gleichberechtigter Clubmitglieder handeln, die ihrerseits den Club repräsentieren, diesen als Gemeinschaftseigentum verstehen und hier gestalten, schalten und walten möchten. Zum anderen ist da auch Evelyn als Geschäftsführerin, die ihre Rolle in dem Sinne versteht, den Club zu managen, sprich: nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Auf der anderen Seite steht Alexander, der den Club zum einen in der Logik des bezahlten Managers konstruiert, der für die Erfüllung seiner Aufgaben Autorität einfordert. Zum anderen handelt er aus der Logik einer privaten Sphäre heraus, und zwar 3 | Lewis argumentiert aus dem Kontext von Sektorengrenzen heraus und formuliert explizit: »The boundary between the third sector and the public sector is both ›real‹ in the sense that it is governed by specific rules and ›perceived‹ in the sense that people carry with them a set of assumptions and expectations – both accurate and imagined – about how things should operate in each sector« (Lewis 2010, S. 223). 4 | Auch empirisch zeigen sich in organisationalen Kontexten derartig theoretisch formulierte Spannungen und Reibungen, welche vor allem in der Konstellation des Zusammentreffens einer Logik von paid staff und volunteers herausgearbeitet worden sind (vgl. hierzu Paine/Ockenden/Stuart 2010; Billis 2010², S. 59; allgemeiner Aiken 2010).

177

178

Wanna go Clubbing?

in dem Sinne, dass er Club als privaten Raum konstruiert, in dem private Intimitäten stattfinden. Diese Logiken stehen sich nun gegenüber. Die »normalen« Clubmitglieder sehen ihre Logik und ihre Interessen durch Alexanders Logik – zumal nicht demokratisch legitimiert – bedroht. Alexander wiederum sieht seine Logik und seine Interessen durch die anderen Clubmitglieder und Evelyn unterlaufen. Im Club in Taman Flula zeigt sich Ähnliches. Auf der einen Seite formulieren auch Grace und Sam die Logik der demokratischen Ordnung, in der die Clubmitglieder gestalten wollen und alles je nach Gusto machen können. Auf der anderen Seite steht aber Mr. Chu, der in der Logik des autoritär geführten Unternehmens sowie des strengen Schulleiters handelt, der im Club entscheidet und diesen maßgeblich gestalten will. Und so formulieren sowohl Grace als auch Sam beide diesen Konflikt sich »widerstreitende[r] Interessen« (Morgan 1997, S. 223) sowie »alternative[r] […] Handlungsorientierungen« (Neuberger 1995, S. 5) – auch wenn dieser Konflikt hier im Gegensatz zum Club in Taman Ampola nicht offen ausgetragen wird. Dabei lässt sich sagen, dass es gerade immer dann zu Konflikten zu kommen scheint, wenn die demokratische Ordnung – und damit das Grundprinzip von freier Gestaltung des Clubs durch die Clubmitglieder – bedroht wird. Denn trotz aller Hybridität scheint dieses demokratische Moment das Herzstück der Organisation zu sein. Mit den Worten Glänzel/Schmitz nach Billis: »So auch David Billis, der argumentiert, dass Organisationen Wurzeln, womit er Prinzipien und das Folgen von Spielregeln meint, in genau einem Sektor aufweisen […]. Diese Wurzeln mögen sich vielleicht nicht im Alltagsgeschäft zeigen, doch sie werden offenbar, wenn Krisenphasen der Organisation auftreten und die HO sich ›bekennen‹ muss« (Glänzel/Schmitz 2012, S. 184).

»Everything is possible! As long as you work hard on it«! Nun zeigt die Analyse weiterführend, dass die Clubber ihre soziale Ordnung der Hybridität aufrechterhalten können, dass sie es schaffen, »die zugrunde liegenden Logiken zu integrieren und zwischen verschiedenartigen Interessen zu vermitteln« (Glänzel/Schmitz 2012, S.  195), indem sie hart daran arbeiten, indem sie hart an den Grenzen, an denen die unterschiedlichen Orientierungen aufeinandertreffen, arbeiten. Und zwar wie? »Kompromisse aushandeln«, »sich selbst ins rechte Licht rücken – andere in den Schatten stellen«, »Diskreditierungen«, »relativieren, legitimieren, Kompromisse schließen«, »Koalitionen schaffen« –, als solche lassen sich die Bearbeitungsmodi herausarbeiten, womit hier auf mikropolitische Aushandlungsprozesse verwiesen ist. In einer Erklärung dieser lässt sich nun ebenso wenig auf einer individuellen Ebene argumentieren, indem etwa Mikropolitik in einem Verständnis betrachtet wird, das sich mit einem Machiavellismus verbindet (vgl. Bosetzky 1972, S.  382) und derartige Prozesse allzu leicht personalisiert und als Störgrößen interpretiert (vgl. Neu-

5. Everything is possible! As long as you work hard on it!

berger 1995, S. 25, S. 110f.). Vielmehr ist hier auf einer organisationellen Ebene zu argumentieren, und zwar mit einer Ausbuchstabierung von Mikropolitik, die mikropolitische Prozesse als produktive Kraft versteht, um soziale Ordnung auszuhandeln und zu stabilisieren (vgl. Morgan 1997, S. 283) – und die gerade dann ihre Zuspitzung erfahren, wenn Mehrdeutigkeiten, Komplexität, Instabilität (vgl. Neuberger 1995, S. 93), verschiedene Logiken (vgl. Neuberger 1995, S 47) in Organisationen existieren. So Morgan hierzu, zunächst im Kontext der ursprünglichen Idee von Politik: »In diesem Zusammenhang sollte man daran erinnern, daß Politik in ihrer ursprünglichen Bedeutung dazu gedacht war, daß die Gesellschaft bei divergierenden Interessen Mittel zur Verfügung stellen sollte, die es den Individuen erlauben, ihre Meinungsverschiedenheiten durch Beratung und Verhandlung aus der Welt zu schaffen. Zum Beispiel war Aristoteles im alten Griechenland ein Verfechter von Politik als Mittel, um das Bedürfnis nach Einheit in der griechischen Polis (Stadtstaat) mit der Tatsache zu versöhnen, daß die Polis eine ›Ansammlung von vielen Mitgliedern‹ war. Für ihn war Politik ein Weg, aus der Vielfalt heraus Ordnung zu schaffen und gleichzeitig Formen totalitärer Herrschaft zu verhindern. Die politische Wissenschaft und viele Regierungssysteme basieren auf dieser Grundidee und empfehlen Politik und die Anerkennung und das Zusammenspiel konkurrierende Interessen, um die es in der Politik geht, als Weg, eine zwangsfreie Form sozialer Ordnung zu schaffen« (Morgan 1997, S. 203).

Während Morgan hier zunächst von einem allgemeinen Verständnis von Politik spricht, so überträgt er seine Argumentation auch gleichsam auf Organisationen. Organisationen werden bei ihm auch als ein Konstrukt, zusammengesetzt aus pluralistischen Bezugssystemen, betrachtet. D.h., dass die Organisationsdynamik von der »plurale[n] Natur der Interessen, Konflikte[n] und Machtquellen« (Morgan 1997, S. 270) geprägt wird. Organisationspolitik entstehe daraus, »wenn Menschen verschieden denken und unterschiedlich handeln wollen« (Morgan 1997, S.  212). Morgan weiter: »Diese Unterschiede erzeugen eine Spannung, die mit politischen Mitteln aufgehoben werden muß. Wie wir schon gesehen haben, gibt es viele Wege, dies zu tun […]« (Morgan 1997, S. 212). Clubbing bedeutet also auch, dass die hybride Ordnung der Organisation immer wieder neu ausgehandelt werden muss. Da wenig »gesetzte Ordnung« (Weber; hier nach Strübing 2007, S. 26; Rüb/Platzer/Müller 2011, S. 38) existiert, sondern vielmehr Mehrdeutigkeiten, Komplexität (vgl. Neuberger 1995, S. 93) und verschiedene Logiken (vgl. Neuberger 1995, S. 47), bedeutet Clubbing also auch, im Sinne einer verhandelten Ordnung (vgl. Strauss 1978; Strauss/ Schatzmann/Bucher/Ehrlich/Sabshin 19645) die hybride Ordnung des Clubs 5 | Hier auch nach Strübing 2007, S. 26, und nach Rüb/Platzer/Müller 2011, S. 38ff.

179

180

Wanna go Clubbing?

alltäglich neu auszumachen. So zeigt die Analyse, dass die hybride Ordnung immer wieder neu ausgehandelt werden muss, wenn die verschiedenen Logiken und Orientierungen der Clubber aufeinanderprallen. Und dies geschieht sodann zumeist nicht etwa in einem einvernehmlichen, seriösen Aushandlungsprozess, vielmehr zeigt die Analyse, dass dieser Aushandlungsprozess mit Positionierungen, Positionierungskämpfen, einhergeht, da die Clubber versuchen, ihre Interessen, ihre Vorstellungen und Logiken davon, was Club ist, gegenüber anderen Vorstellungen und Logiken zu verteidigen und durchzudrücken. Der fast allgegenwärtige Konflikt um die physischen Räume lässt sich schon fast sinnbildlich verstehen, indem sich deuten lässt, dass es hier darum geht, welchen Raum welche soziale Orientierung hier eigentlich einnimmt und wo die Grenzen dieses Raums verlaufen. Denn immer dann, wenn die sich widerstreitenden Logiken und Orientierungen Spannungen erzeugen, gilt es neu auszuloten und auszukämpfen, welche Logik und welche Orientierung welchen Raum im Club einnehmen darf. So geht es sodann darum, Grenzen neu zu definieren, und damit den Raum, der der jeweiligen Ordnung zugebilligt wird. Dies kann bedeuten – wie die Analyse zeigt –, dass gewisse Logiken gänzlich verschwinden sollen, wie die Logik von Privatheit, wie sie Alexander in den Club integrieren möchte. Hier werden Koalitionen geschlossen, um diesen Raum (ganz bildlich siehe Kapitel 5.5) zurückzuerobern. Dies kann ferner bedeuteten, die eigene Logik verteidigen zu wollen und anderen Logiken weniger Raum zu gewähren, wenn Alexander etwa sich selbst als Manager ins rechte Licht rückt, andere in den Schatten stellt sowie andere club members wie Evelyn in chauvinistischer Weise diskreditiert. Daneben können diese Aushandlungsprozesse aber auch bedeuten, beide Logiken gleichwertig nebeneinander existieren zu lassen bzw. existieren lassen zu müssen, was erfordert, immer wieder Kompromisse aushandeln zu müssen, wie das Beispiel um die Nutzung des Karaokeraums und den Kompromiss von Alexander und Summer zeigt. Letztlich zeigt die Analyse auch, dass es auch die Variante gibt, die eigene Logik zurückzunehmen und anderen Logiken mehr Raum zu gewähren, wenn etwa Grace und Sam die Logik Mr. Chus legitimieren, hier relativieren und schließlich für sich einen Kompromiss eingehen. Also: Clubbing = doing micropolitics!

6. Is really anything possible?

Clubbing = Doing Boundary Work und Clubbing = Doing New Images and Forms of Ageing

»But it is not the proper place for him here« (Protokoll 31.10.2012, Zeile 259). Nicht der richtige Ort für ihn hier? Und für wen? Galt doch bisher der Grundsatz: Everything is possible! As long as you work hard on it! Ist vielleicht doch nicht alles möglich im Club? Gibt es Logiken und Orientierungen, die im Club doch keinen Platz haben? Anders gefragt: Gegen welche Logiken und Orientierungen grenzen die Clubber ihren Club ab?

6.1 »A ber , aber , aber « – U ndoing C are I nstitutions Care? Und damit assoziierte negative Altersbilder? Bitte draußen bleiben! Auf eine solch einfache Formel lässt sich die Grenzarbeit bringen, die die SeniorClubber hier leisten. Diese Form der Grenzarbeit zeigt sich dabei vor allem im Club in Taman Flula. Den Hintergrund der scheinbaren Notwendigkeit einer solchen Grenzarbeit stellt die Tatsache dar, dass die Clubber immer wieder damit konfrontiert sind, dass von außen diese Care-Logik in den Club gebracht wird – wenn etwa erwachsene Kinder ihre Eltern zum Club als verstandene Care-Einrichtung, als day care center, bringen wollen. So arbeiten sich die Senior-Citizens-Clubber immer wieder auf einer organisationellen Ebene ab, indem sie die Idee eines day care centers jener eines Clubs gegenüberstellen und deutlich machen, dass alle Elemente, die an ein day care center erinnern, im Club keinen Platz haben.

182

Wanna go Clubbing?

6.1.1 »Hier seien aber immer viele Aktivitäten und insgesamt dann zu wenig Platz« – Action statt Befriedigung elementarer menschlicher Bedürfnisse Ich setze mich und er [der Präsident] fragt, was ich denn wissen wolle. Ich sage, dass ich alles über den Club wissen wolle. Er fängt dann aber an, mir über sein neues Projekt zu berichten: Er habe ein Gebäude, das frei geworden sei, im Auge, um dort ein day care center einzurichten. Die Idee sei aufgekommen, weil er in letzter Zeit viele Anfragen von Kindern bekommen hätte, die ihre Eltern zu einem day care center bringen wollten. Ein day care center würde aber beinhalten, dass es z.B. auch Orte geben würde zum Ausruhen, wo man mal ein Schläfchen machen könne. Die Kinder hätten wenig Zeit, sie würden arbeiten, und wenn sie abends nach Hause kommen würden, würden sie die Zeit mit der Frau und den eigenen Kindern verbringen. […] Hier könne aber z.B. kein Essen provided werden, müsse man im day care center irgendwie organisieren. Ich frage, ob es denn dort auch staff geben solle, und er sagt, ja, eine Person. Es hätten sich aber auch schon einige ladys angeboten, dies als ehrenamtliche Tätigkeit zu machen. So wie der Herr, sagt Mr. Chu und meint den Mann, der vor dem Haus sitzt, er könne hier zwar herkommen, hier seien aber immer viele Aktivitäten und insgesamt dann zu wenig Platz (Protokoll 22.10.2012, Zeile 273-287). Dieser Protokollausschnitt beschreibt ein Gespräch zwischen dem Präsidenten des senior citizens club in Taman Flula und der Beobachterin. Anlass der Konversation ist eigentlich, dass die Beobachterin alles über den Club wissen wolle, woraufhin der Präsident jedoch anfängt, über sein neues Projekt zu berichten: die Errichtung eines day care centers. In seinem Berichten beginnt der Präsident zunächst mit der Erläuterung des Grundes für sein neues Projekt – weil er in letzter Zeit viele Anfragen von Kindern bekommen hätten, die ihre Eltern zu einem day care center bringen wollten. Damit verweist er auf einen angestiegenen Bedarf, der an ihn als Präsident und Repräsentant einer bestimmten Organisationsform, nämlich eines senior citizens clubs, herangetragen wird. Gleichzeitig zeigt er aber auch im Folgenden auf, dass dieser Bedarf durch einen senior citizens club nicht zu decken ist, da es sich bei einem day care center und einem senior citizens club schließlich um völlig unterschiedliche Konzepte handelt. Dabei werden beide Konzepte gegenübergestellt, voneinander abgegrenzt und somit definiert. Diese Gegenüberstellung sowie Abgrenzung erfolgt durch die wiederkehrenden »Aber«-Konstruktionen, die sich hier als Ausdruck eines Gegensatzes lesen lassen, durch die Kontrastierungen von hier (Club) vs. dort (day care center) sowie durch die Zuweisung von Charakteristika zum Konzept eines day care centers, die aber hier (im Club) auf keinen Fall zu finden sind. So ist ein day care center im Gegensatz zum Club dadurch gekenn-

6. Is really anything possible?

zeichnet, dass es dort um die Versorgung im Hinblick auf elementare menschliche Bedürfnisse geht – Ausruhen, Schlafen, Essen –, denn schließlich müsse es dort auch Orte geben zum Ausruhen, wo man mal ein Schläfchen machen könne und es müsse Essen provided werden. Im Gegensatz zum Club geht es zudem um Betreuung, denn es muss staff geben, also jemand Ausgewiesenes, der eine Form von Hilfestellung und Unterstützung für die Älteren bietet. Diese Betreuungsleistungen werden interessanterweise von den Clubmitgliedern übernommen. Clubmitglieder werden also als solche konstruiert, die aktiv anderen helfen, während zur Klientel eines day care centers solche gehören, die passiv unterstützt werden müssen und der Hilfe bedürfen. Das, was in einem day care center passiert, wird dabei als Ersatz für Sorgeleistungen konstruiert, die eigentlich in der Familie stattfinden. Die Kinder allerdings scheinen aus beruflichen und anderweitig familiären Verpflichtungen keine Zeit hierfür zu haben. Ausruhen, Schlafen, mit Essen versorgen, Betreuung – auf eine Formel gebracht: Care – für derartige Charakteristika ist im Club absolut kein Platz. Die Abgrenzung geht dabei gar so weit, dass es eben auch einer räumlichen Trennung bedarf: Hier ist kein Platz dafür, es bedarf eines anderen Gebäudes.

6.1.2 »One day, we gotta go there! Alle lachen« – Jung statt alt Danach geht es aber mit dem Thema weiter, dass ja geplant ist, ein day care center zu errichten […]. Mr. Chu erzählt: Es gebe da ein small piece of land, das dafür geeignet sei. Parken sei gut dort, gut public transport, full time staff sei geplant. Er würde nach Sponsoren suchen und habe schon einen Brief an JUHO geschrieben und man warte jetzt auf the second stage. Der Club und NGOs würden Geld geben. Mr. Chu: »Any questions on that«? Zuerst nicht. Dann fragt Sofia: »How much will you charge?« 150-200 Ringgit im Monat. Wird jemand da sein, »to look after«? Ja, das day care center soll entweder von 8-5 oder 9-5 geöffnet sein. Würde aber später noch diskutiert werden. Für die old people to spend their time there. Mr. Chu: »One day, we gotta go there«! Alle lachen. Die Jüngeren, also hier die Club members – so ermutigt Mr. Chu – sollten dann doch auch dort hingehen »to pass time and to chitchat with them«. Es gibt eine kurze Diskussion on »improve to make them happy« (Protokoll 31.10.2012, Zeile 193-203). Bei diesem Protokollausschnitt handelt es sich um einen Auszug aus einem Board-of-Directors-Meeting, bei dem sich der Präsident, der Vize-Präsident, treasurer und das committee zusammenfinden, um über wichtige Clubangelegenheiten zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. In dieser Situation gibt Mr. Chu, der Präsident, dem Rest des Boards einen Überblick über das Projekt des day care centers (Es gebe da ein »small piece of land«, das dafür geeignet sei. Parken sei gut dort, gut public transport, full time staff sei geplant), berichtet

183

184

Wanna go Clubbing?

über dessen Status (Habe schon einen Brief an JUHO geschrieben und man warte jetzt auf the second stage) und gibt die Gelegenheit, Fragen hierzu zu stellen, woraufhin Aspekte wie Gebühren und Betreuung abgefragt werden. Im letzten Drittel dieser Sequenz wird sodann eine Abgrenzung der Klientel eines day care centers von der eines Clubs vorgenommen, indem für beide Einrichtungen zwei Alterskategorien eröffnet werden – old people there und die jüngeren hier –, denen in der Gesamtschau der Sequenz verschiedene Charakteristika zugeordnet werden. So sind es auf der einen Seite im day care center die old people, die dort ihre Zeit verbringen, die aber einer Betreuung bedürfen und die hier eben eine Dienstleistung der Versorgung in Anspruch nehmen, für die auch Gebühren zu entrichten sind. Auf der anderen Seite werden im Club die Jüngeren verortet, die sich eben nicht durch soeben genannte Attribute auszeichnen, sondern die hier vielmehr als Unterstützer und Entertainer der Klientel eines day care centers konstruiert werden. Die Abgrenzung beider Klientelen wird zudem durch den Ausspruch »One day, we gotta go there«! sowie das darauffolgende Lachen (Alle lachen) augenscheinlich. So lassen sich diese Aussage sowie die Reaktion hierauf in die Richtung deuten, dass hier zunächst eine altersbedingte Entwicklung aufgezeigt wird, die den irgendwann auftretenden Bedarf an Unterstützung und Versorgung, für die das day care center steht, als unausweichlich beschreibt: One day we gotta go there«! Allerdings wird zum Ersten bereits in dieser Aussage erneut die Differenz zwischen dem we, den jungen Clubbenden, sowie dem there, den alten Unterstützungsbedürftigen, deutlich. Zum Zweiten zeigt auch das Lachen an, dass man sich dieser Entwicklung durchaus bewusst ist, dass die Vorstellung, zu der Klientel eines day care centers zu gehören, jedoch so weit in die Zukunft verortet wird – One day – und als noch so absurd angesehen wird, dass sie ein kollektives Lachen provoziert.

6.1.3 »But it is not the proper place for him here« – Aktivität und Unabhängigkeit statt Passivität und Abhängigkeit Auffällig ist in den Protokollausschnitten, dass von den Clubbern immer wieder Bezug auf einen bestimmten Herrn, Mr. Feng, genommen wird. In dieser Bezugnahme wird immer wieder deutlich, dass die Clubmitglieder ihn als besonders konstruieren, ihn als anders kategorisieren, ihn mit bestimmten Attributen belegen, und seine Person immer wieder mit einem day care center verknüpfen – und damit insgesamt die Abgrenzung von day care center vs. senior citizens club über diesen Mr. Feng deutlich machen. Anders ausgedrückt: Mr. Feng ist fast wie ein Sinnbild für ein day care center, von dem man sich aber abgrenzen muss. Die Clubber arbeiten sich an ihm ab und zeigen an, wer im Club einen Platz hat und wer nicht.

6. Is really anything possible?

Ich frage, ob er [Mr. Kao] hier auch an den Aktivitäten teilnehmen würde. Und er antwortet: Nein, er komme nur her »to pass time«, um die Zeitung zu lesen und Freunde zu treffen, »to chit chat and to discuss things«. Ich frage weiter, ob er jeden Tag herkomme. Nein, antwortet er wieder, nur, wenn er Zeit hätte, um eben Freunde zu treffen. […] Er nickt dann und zeigt damit auf den älteren Herren, der vor dem Haus sitzt. Ich solle mal ihn interviewen. Der Mann würde jeden Morgen von seinen Kindern gebracht und mittags wieder abgeholt (Protokoll 22.10.2012, Zeile 177-183). Dann wird er etwas philosophischer, es geht um ein friedliches Zusammenleben. Jack sagt, dass wenn sich jeder um seine Sachen kümmern würde und sich nicht einmischen würde, wäre doch gut. Also jetzt nicht, wenn jemand z.B. nichts zu essen habe, dann müsse man teilen. Aber nicht »to quarrel«. So, wie z.B. mit dem älteren Herrn, der dort vor dem Haus sitze. Er würde sie nicht »joinen« wollen, aber so säße er halt »peaceful« dort vorne (Protokoll 24.10.2012, Zeile 193-197). So wie der Herr, sagt Mr. Chu und meint den Mann, der vor dem Haus sitzt, er könne hier zwar herkommen, hier seien aber immer viele Aktivitäten und insgesamt dann zu wenig Platz (Protokoll, 22.10.2012, Zeile 285-287). Ich schaue mir noch einmal die Organigramme vom Club an und Grace kommt dazu und zeigt mir beim Organigramm vom Club noch einmal, wer wer ist. […] Dann erklärt sie mir zu dem Organigramm […] dass diese es dann seien, die sich um das day care center kümmern würden, von dem Mr. Chu vorhin erzählt habe. Das wäre dann etwas für Mr. Feng, der hier immer vor dem Haus sitzen würde. »But it is not the proper place for him here«, sagt sie (Protokoll 31.10.2012, Zeile 253-259). Es handelt sich hierbei um eine Auswahl an Protokollausschnitten aus dem senior citizens club in Taman Flula, in denen Mr. Feng, der ältere Herr, der vor dem Haus sitzt, immer wieder thematisiert wird. In der ersten Szene erläutert das Clubmitglied Mr. Kao sein eigenes Clubben im senior citizens club: Er nehme an keinen Aktivitäten teil, komme aber her »to pass time«, um die Zeitung zu lesen, Freunde zu treffen, »to chit chat and to discuss things«, komme, wann immer er Zeit habe. Auf diese Erläuterung hin folgen nun der Verweis auf den älteren Herrn, der vor dem Haus sitzt, sowie die Aufforderung, ihn zu interviewen. Dieser Verweis sowie die Aufforderung Mr. Kaos lassen sich dabei als Hinweis für die Beobachterin verstehen, hier einen besonderen Fall zu haben, dessen Erhebung sich lohnt, wobei der Fall des älteren Herrn nur durch einen Satz beschrieben wird: Der Mann würde jeden Morgen von seinen Kindern gebracht und mittags wieder abgeholt. Indem Mr. Kao

185

186

Wanna go Clubbing?

hier jedoch den Fall Mr. Fengs als besonders oder anders hervorhebt, zeigt er die Abgrenzung zwischen seiner eigenen Daseinsform und jener Mr. Fengs im Club auf: Während sein Clubben gekennzeichnet ist durch eine gewisse Lässigkeit und sich durch Freiwilligkeit, Selbstbestimmung, Freiheit, Gemeinschaft bzw. gemeinschaftliche Tätigkeiten und einen Austausch auszeichnet, wird die Daseinsform Mr. Fengs charakterisiert durch Passivität (gebracht werden), durch Fremdbestimmung durch die Kinder und durch Zwang und Abhängigkeit im Rhythmus seines Daseins im Club (jeden Tag, von morgens bis mittags). Die zweite Szene beschreibt eine Situation, in der mehrere Clubmitglieder und die Beobachterin zusammensitzen und sich unterhalten. Jack »philosophiert« über ein friedliches Zusammenleben und dass man sich nicht in die Angelegenheiten anderer einmische, um Streit und Konflikt zu vermeiden. In diesem Kontext nimmt er Bezug auf den älteren Herrn, der dort vor dem Haus sitze, um ihn als Beispiel zu nutzen und seinen Punkt zu verdeutlichen. Damit nimmt auch er eine Abgrenzung zu dem älteren Herrn vor, da er mit seiner beispielhaften Bezugnahme verdeutlicht, dass es sich bei dessen und ihrem Dasein im Club um zwei unterschiedliche Angelegenheiten handelt. Diese unterschiedlichen Angelegenheiten konstruiert er dabei zum einen darüber, dass er den älteren Mann als Einzelnen ihnen als Gruppe gegenüberstellt, und zum anderen dahingehend, dass er beschreibt, dass sich der ältere Mann ihrer Form des Clubbens nicht anschließen wolle. Während für sie Clubben Gemeinschaft bedeutet, säße er halt »peaceful« dort vorne – und zwar passiv und allein. Da man sich aber nicht gegenseitig einmischt, so koexistiere man friedlich nebeneinander in seinen unterschiedlichen Daseinsformen im Club. Während bis dato noch kein Verweis auf ein day care center erschien, so wird jedoch an anderen Stellen deutlich, dass jemand, der eine Daseinsform wie Mr. Feng sie im Club an den Tag legt – und sich eben durch Passivität, Abhängigkeit, Isolation auszeichnet –, eigentlich nicht in einem Club, sondern vielmehr in einem day care center verortet wird. Auch bei Mr. Chu bleibt der Verweis auf Mr. Feng nicht aus, wie die dritte Szene zeigt, die noch einmal aus dem Gespräch zwischen ihm und der Beobachterin entnommen ist (Kapitel 6.1.1). Nachdem er seinen Punkt gegenüber der Beobachterin deutlich gemacht hat, was ein day care center und was ein senior citizens club ist, folgt der Bezug auf Mr. Feng: So wie der Herr, sagt Mr. Chu und meint den Mann, der vor dem Haus sitzt, er könne hier zwar herkommen, hier seien aber immer viele Aktivitäten und insgesamt dann zu wenig Platz. Und so macht er auch hier, abschließend nach seinem Monolog, über Mr. Feng noch einmal eine Differenz sichtbar. Für Mr. Fengs dominante Tätigkeit, das passiv anmutende »Sitzen«, sowie für die dominante Tätigkeit der anderen Clubmitglieder, die fast überschäumende Aktivität, ist insgesamt kein Platz im Club. Oder anders ausgedrückt: Seine

6. Is really anything possible?

Passivität passt nicht ins Konzept des Clubs, da es im Gegensatz zur Aktivität steht; für Passivität ist kein Platz im Club, sondern in einem day care center. Zu der vierten Szene schließlich ist nicht mehr viel zu sagen, nur, dass Grace es letztlich auf den Punkt bringt: »But it is not the proper place for him here.« Wer immer nur vor dem Haus sitzt, wer sich also stets durch Passivität auszeichnet, für den ist der Club nicht der richtige Ort.

6.1.4 »Früher, im anderen Haus sei auch immer jemand als ›DayCare-Center-Gast‹ dort gewesen« – Mitglied statt Gast Dann geht sie ein paar Schritte und dreht sich zu den Schildern, die hier am Eingang zum Clubhaus hängen. Auf einem der Schilder steht »Taman Flula Day Center« und Grace erklärt, dass das hier eigentlich als day center geplant gewesen sei. Früher, im anderen Haus sei auch immer jemand als »Day-Care--Center-Gast« dort gewesen. Hier nun nicht mehr so, nur er, sagt sie und zeigt auf den älteren Herrn, der immer vor dem Haus sitzt. Sie hätten die Organisation dann umbenannt in »Club« (Protokoll 24.10.2012, Zeile 321-325). Bei diesem Protokollausschnitt handelt es sich um eine Erzählung des Clubmitglieds Grace. Der Kontext ihrer Schilderungen ist dabei, dass sie und die Beobachterin gemeinsam das Clubareal und seine Ausstattung betrachten. Ein Schild, nämlich jenes mit der Aufschrift »Taman Flula Day Center«, scheint ihr dabei erklärungsbedürftig, sodass sie den Grund für diesen Schriftzug und die Bezeichnung »day center« liefert. In ihren Erklärungen wird das Schild zu einer Art Relikt aus früheren Zeiten, wenn sie erläutert, dass das hier eigentlich als day center geplant gewesen sei und früher, im anderen Haus sei auch immer jemand als »Day-Care-Center-Gast« dort gewesen. Diesem früheren Status stellt sie nun die aktuelle Situation gegenüber. Die Unterscheidung zwischen früher und hier liegt dabei darin, dass die Klientel eines day care centers heute gar nicht mehr vorhanden ist – bis auf eine einzige Ausnahme, nämlich den älteren Herrn, der immer vor dem Haus sitzt –, sondern eine andere Klientel hier zu verkehren scheint bzw. diejenigen, die das »hier« konstituieren, sich nicht als Day-Care-Center-Gäste verstehen. In der Konsequenz wurde die Organisation einer Umbenennung unterzogen und fortan Club genannt. Dabei ist es hier vor allem die Verleihung eines anderen Namens, die die Abgrenzung der Konzepte von einem day care center und einem Club sowie die Wichtigkeit dieser Differenzierung verdeutlicht. So verleiht der Name der Organisation zum einen eine Identität, die nach innen für die Organisationsmitglieder wirkt. Nach außen vermittelt der Name zum anderen ein Bild und ein Verständnis über das Konzept der Organisation. Die Umbenennung zeigt an, dass die Bezeichnung day center und das damit verbundene Konzept weder als Identifizie-

187

188

Wanna go Clubbing?

rung der Clubmitglieder mit ihrer Organisation nach innen dienen konnten, noch dass der Name nach außen das Verständnis von Organisation herstellt, das von den Clubmitgliedern transportiert werden möchte bzw. mit dem sie gelabelt werden möchten. Ferner ist an diesem Abschnitt interessant, dass Grace hier den Status von Gast dem von Mitglied gegenüberstellt. Trotz der großen Bandbreite an Formen, seine Mitgliedschaft im Club zu verstehen und zu inszenieren, wie in Kapitel 4.2 beschrieben wurde, kann jemand wie Mr. Feng, der sich nur durch das passive Sitzen auszeichnet, nicht als Mitglied in den Club integriert werden, sondern lediglich über den Status eines Gastes. Wer nur passiv vor dem Haus sitzt, kann nicht als Mitglied konstitutiver Bestandteil des Clubs sein, er kann lediglich temporär, als Gast im Club, toleriert werden.

6.2 »W enn sie nur zu H ause sit zen würden und F ernsehen schauen , dann würde es immer mehr › bergab gehen ‹« – U ndoing H ome and F amily Home and family? Ebenso bitte draußen bleiben! Die Sphären von »Zuhause« und »Familie« sind im Club ebenso immer wieder Thema. Auch in Bezug auf diese Sphären mit ihren Ordnungen, Logiken, Orientierungen sowie Handlungsmustern und -praktiken leisten die Clubber eine Form von Grenzarbeit, indem sie den Raum Club und den Raum »Zuhause« und »Familie« nahezu als entgegensetzte Räume konstruieren. Dabei lässt sich interessanterweise eine Differenz zwischen jenen Clubbern ausmachen, die nicht mit ihren Kindern zusammenleben, und jenen, die mit ihren Kindern zusammenleben – beide Gruppen leisten diese Grenzarbeit, jedoch aus ihren je unterschiedlichen Perspektiven heraus.

6.2.1 »When they all flew off from the nest at home« – Bewegung und Entwicklung statt Leere und Stillstand Diejenigen, die also nicht mit ihren Kindern und Enkelkindern zusammenleben, konstruieren die Räume »Home« und »Club« auf die folgende Art und Weise: »When they all flew off from the nest at home« – Entwicklung statt Leere

And, uh, after when they all flew off from the nest at home, I, meaning that they went for their studies in overseas, yes, then I was, uh, totally lost. I felt totally lost because, all the time, I’d been having kids and taking care of them.

6. Is really anything possible?

And suddenly, I was left very alone. It’s like empty nest, that kind of thing. […] So, I tell myself, uh, I shouldn’t be at home all the time. And I was that at that time, I was in my early 50s already. I should learn to go out and mix and meet more people and learn to have a life of my own after you know, after taking care of the children, I have to learn to, to have some time for myself. Yes. And that’s where I, went round looking for clubs and senior citizen community places, to, to try and spend my time. (Interview Summer I, Zeile 44-55).[…] And I think it will really greatly help them a lot for the senior people, you know? I: Why help? R: Well, help them in the sense of, uh, ageing gracefully, not ageing at home, you know, and be I mean, if you don’t have this kind of club to enjoy with people and make friends, you’ll be ageing at home alone, isn’t it? Huh? So, I think that this sort of club is good to help you to age gracefully, and meet more friends (Interview Summer II, Zeile 305-314). Der oben dargestellte Ausschnitt stellt einen Teil eines Interviews mit Summer, einem Clubmitglied dar. Auch sie konstruiert, interessant auch aus der Genderperspektive, hier die weibliche Perspektive, die Räume home und Club. Durch die Zuweisung dichotomer Begriffspaare – für Andere vs. für sich bzw. die Anderen vs. das Eigene, Stillstand vs. Entwicklung, Einsamkeit vs. Gemeinschaft, würdeloses und wertloses Altern vs. würdevolles und wertvolles Altern – stellt sie home und Club als nahezu entgegengesetzte Räume her. Zunächst einmal lässt sich die Konstruktion des Raumes »Home« rekonstruieren, der zudem eine zeitliche Dimension innewohnt. Summer verwendet dabei die Metapher des nest und verdeutlicht damit, dass home für sie zunächst ein Raum ist, der sich durch Sorgetätigkeiten auszeichnet, in dem sie, um in der Metapher zu bleiben, als Vogelmutter die alleinige Aufgabe hat, für ihre Brut da zu sein und diese zu versorgen. Es ist damit ein Ort, um für Andere da zu sein. Mit dem Auszug der Küken, und nun kommt die zeitliche Dimension ins Spiel, wird dieser Raum, ganz wie ein Nest, zu einem Raum, der seine Funktion verliert. Wie ein Nest wird dieser Raum zu einem Raum der Sinnlosigkeit und Nutzlosigkeit und, so lässt sich hinzufügen, ein Ort des Stillstandes (der Raum scheint, ganz wie ein Nest, nicht anders zu füllen zu sein), der Leere und der Einsamkeit. Darüber hinaus fügt Summer hinzu, dass mit diesem Raum in dieser Form – geformt durch Sinnlosigkeit und Nutzlosigkeit sowie Stillstand, Leere und Einsamkeit – nur ein würdeloses Altern, d.h. ein Altern ohne Wert, einhergehen kann: Well, help them in the sense of, uh, ageing gracefully, not ageing at home.

189

190

Wanna go Clubbing?

Mit dem Auszug der Küken, an diesem Zeitpunkt im Leben, so beschreibt es Summer im Interview zudem, da sie nicht in diesem Raum des homes altern wollte, bedurfte es für sie eines out, was für sie clubs and senior citizen community places sind. Diese clubs and senior citizen community places werden sodann als nahezu entgegengesetzte Räume zum home hergestellt. Hier findet man statt Stillstand Entwicklung. So ist der Raum des Clubs ein Raum, der neue Lernprozesse eröffnet und unterstützt, nämlich nun zum einen, das Eigene zu lernen, d.h. zu lernen, ein eigenes Leben zu haben, zu lernen, eigene Zeit zu haben, und zum anderen zu lernen, sich auch neuen Gemeinschaften, nicht nur der Familie, anzuschließen. Damit wird der Raum des Clubs ein Raum, der eben nicht Einsamkeit (Familie ist weggefallen), sondern vielmehr Gemeinsamkeit und Gemeinschaft bedeutet. Darüber hinaus wird damit der Raum des Clubs ein Raum, der nun neu gefüllt ist, mit neuen Freunden und Spaß. Schließlich das Resümee: Das bedeutet ein würdevolles Altern. »Wenn man dann retired sei, dann würde das auf einmal alles wegfallen« – Fülle statt Leere

Wir sitzen nun also da und ich komme zumindest mit dem Präsidenten ein bisschen ins Gespräch und er erzählt mir etwas über den Club: Er sagt, dass es so wäre, dass wenn man arbeiten würde, so sei der »circle of life«, dann würde man da jeden Tag hingehen, sei frustriert oder gut drauf dabei, hätte seine Kollegen, neue Kollegen kommen, andere gehen weg usw. Ob man nun dabei eben frustriert sei oder sich wohlfühlen würde, wenn man dann retired sei, dann würde das auf einmal alles wegfallen. So also, hier im Club, wäre das Ziel, die Leute zusammenzubringen. Ich solle mal sehen, die Leute die hier wären, hätten sich vielleicht vorher noch nie gesehen, kommen dann hierher, können plaudern und dann wieder nach Hause gehen oder eben an anderen Aktivitäten teilnehmen. »They have at least a place to go« (Protokoll 05.12.2012, Zeile 67-75). Der vorangegangene Protokollausschnitt stellt ein Gespräch mit dem Präsidenten eines der senior citizens clubs dar. Auch aus einer Genderperspektive ist dieses Gespräch interessant, da nun aus der männlichen Perspektive das Leben in bestimmten Räumen, nun klassisch die männliche Perspektive, Arbeitsstätte vs. home bzw. nach der Pensionierung Club vs. home, nahezu als Gegensatz hergestellt wird. Der Präsident beginnt damit, das Leben im Raum der Arbeit zu konstruieren. Im oder durch den Raum der Arbeit wird das Leben ausgestattet durch unterschiedlichste Elemente. So hat der Raum der Arbeit eine strukturgebende Kraft, evoziert durch den »circle of life«, eine Abfolge wiederkehrender Ereignisse bzw. Routinen – der tägliche Arbeitsweg, der Wechsel von Kollegen,

6. Is really anything possible?

der Wechsel von Emotionen. Leben im Raum der Arbeit bedeutet Bewegung (hingehen, kommen, gehen weg), Emotionen und damit Leben ( frustriert sein oder sich wohl fühlen würde), sowie Gemeinschaft oder soziale Kontakte allgemein (hätte seine Kollegen) bzw. die Gelegenheit, neue Gemeinschaften oder neue soziale Kontakte zu haben (neue Kollegen kommen, andere gehen weg usw.). Dann, so stellt es der Präsident dar, kommt die einschneidende Marke: Wenn man dann retired sei. Dies stellt insofern eine einschneidende und entscheidende Marke dar, als die damit verbunde Folge sich auf die radikale Formel zuspitzen lässt: Dann würde das auf einmal alles wegfallen. Ohne Arbeit, zurückgeworfen auf den Raum des homes, so lässt sich interpretieren, ist dieser Raum nun ein Raum des Nichts und der Leere, denn das alles, Struktur, Routinen, Bewegung, Emotionen, Gemeinschaft, soziale Kontakte, fällt in seiner Radikalität auf einmal weg. Alles fällt weg, ohne dass man etwas dagegen tun könnte, und man bleibt mit dem Nichts zurück. Nun kommt in den Konstruktionen des Präsidenten ein neuer Raum ins Spiel: der Club. Ein Raum, der schließlich wieder gefüllt ist und der nahezu als ein den Arbeitsraum ersetzender Raum, wenn auch in abgeschwächter Form, konstruiert wird. Zumindest werden mit ihm Elemente verbunden, die zuvor für den Raum der Arbeit beschrieben wurden. Zunächst einmal ist es ein Ort, um aus dem Raum des Nichts und der Leere hinauszugelangen (»They have at least a place to go«). Es ist also ein Raum, den man jeden Tag, wie den Arbeitsraum, ansteuern kann und der somit Bewegung verspricht (kommen dann hierher, gehen, to go). Es ist ein Ort, der Struktur und Routinen beinhalten kann (kommen, plaudern, wieder gehen, kommen, plaudern, wieder gehen). Es ist ein Ort, der Gemeinschaft und neue soziale Kontakte eröffnet, d.h. durch den Beziehungen mit ähnlicher Qualität wie die zu Kollegen entstehen können (das Ziel, die Leute zusammenzubringen. Ich solle mal sehen, die Leute die hier wären, hätten sich vielleicht vorher noch nie gesehen…). »Wenn sie nur zu Hause sitzen würden und Fernsehen schauen, dann würde es immer mehr ›bergab gehen‹« – Bergauf statt begab

Dabei sei es wichtig, dass die Alten hierherkommen und an den Aktivitäten teilnehmen. Wenn sie nur zu Hause sitzen würden und Fernsehen schauen, dann würde es immer mehr »bergab gehen« – dies zeigt er mit einer Geste an, die von oben nach unten zeigt. Aktivitäten seien wichtig, ob nun zum Beispiel singen, tanzen oder volunteering. Wenn die Älteren hier Karaoke singen würden, sei das auch gut für den Körper, dass sich beim Singen die inneren Organe bewegen würden. Und beim Tanzen die Arme und die Beine (Protokoll 24.5.2011, Zeile 34-39).

191

192

Wanna go Clubbing?

Er sage immer zu den senior citizens, sie sollen doch in den Club kommen, wenn sie immer nur zu Hause sitzen würden, dann hätten sie auch irgendwann »loss of memory«. Er sage immer zu ihnen: Ihr seid nicht alt, ihr seid noch jung und könnt so viel machen. Es gebe so viele Aktivitäten, die man machen könne. Die Kinder hingegen würden oft sagen: Ihr seid alt, bleibt lieber zu Hause. Ja, sie würden sich halt Sorgen machen …(Protokoll 25.5.2011, Zeile 222-226). Auch Theo beschreibt zwei Räume und zwei verschiedene Formen des Alterns, die diesen Räumen zugeordnet werden: zum einen ein verhäuslichtes Altern, zum anderen ein nach außen gerichtetes Altern, wie z.B. im Club. Das verhäuslichte Altern auf der einen Seite wird als ein Altern dargestellt, das zunächst einmal eine Art gesellschaftliche Norm zu sein scheint, die hier durch die wohl gängige Aussage der Kinder Ihr seid alt, bleibt lieber zu Hause repräsentiert wird. Altern findet besser im häuslichen Raum statt. Diese Art und Weise des Alterns wird ferner als eine Form konzeptioniert, die durch Passivität markiert ist, finden hier doch nur passive Daseinsformen wie »sitzen« und »Fernsehen schauen« statt. Diese Form nimmt wie eine fast natürliche Kausalkette eine negative Entwicklung – es geht bergab –, denn Passivität bedeutet Verfall und zwar sowohl körperlich als auch geistig. Diese Daseinsform von Passivität im häuslichen Raum bedeutet, »wirklich« alt zu sein, lässt sich Theos Aussage Ihr seid nicht alt, ihr seid noch jung und könnt so viel machen doch dahingehend umformulieren und damit deuten: Verhaltet euch nicht wie Alte und bewegt euch nur passiv im häuslichen Raum, seid externalisiert! Der Club auf der anderen Seite – als eine Idee des nach außen gerichteten externalisierten Alterns – wird einer verhäuslichten Form des Alterns entgegengesetzt konstruiert. Es mutet dabei wie etwas Progressives an, fast ein wenig wie eine Rebellion, wehrt man sich doch gegen traditionelle und normative Vorgaben sowie Erwartungen an das Altern. Ein solch externalisiertes Altern steht sodann, nimmt man die Metapher des Berges in Augenschein, zumindest nicht für Verfall, bleibt man doch wenigstens auf gleicher Höhe, kann aber auch eine positive Entwicklung, nämlich nach oben, bergauf, bedeuten. Im Alter kann es noch einmal bergauf gehen, dem Leben kann noch einmal eine neue Wendung gegeben werden, es kann Neues ausprobiert werden. Bergauf bedeutet also gerade eben nicht »alt sein«, sondern vielmehr »jung sein«. Und der Schlüssel dafür ist Aktivität. Aktivität, egal in welcher Form, ob nun zum Beispiel singen, tanzen oder volunteering, Hauptsache Aktivität, und zwar in aller Konsequenz, sodass auch jede einzelne Faser des Körpers erfasst wird: dass sich beim Singen die inneren Organe bewegen würden. Und beim Tanzen die Arme und die Beine.

6. Is really anything possible? »No, I am done … Sie habe dann hier eine Menge gelernt« – Entwicklung statt Ende

Dann erzählt sie, dass sie hier zum Club komme, weil es zu Hause boring sei. »Boring?«, frage ich. »Yes, boring«, weil niemand zu Hause sei. Die Kinder würden arbeiten, die Enkelkinder seien in der Schule. Sie würde ansonsten zu Hause nur Fernsehen schauen, Kochen und ein bisschen im Garten machen. […] Sie sei schon 15 Jahre ein member vom Club. Ich frage sie, wann sie denn nach KL gekommen sei. Ja, so vor 15 Jahren. Auch sie sei allein gewesen. Dann hätte sie eine indische Dame getroffen, die zu ihr gesagt hätte, sie solle doch zum Club gehen. Dort könne sie viele andere Leute treffen und viel lernen. Zuerst habe sie gesagt »No, I am done«. Sie habe auch nichts über den Club gewusst. »Never mind« habe die Dame zu ihr gesagt und so sei sie dann in den Club gekommen. Sie habe dann hier eine Menge gelernt. Sie habe immer nur chinesisch gesprochen, kein Bahasa und kein Englisch, »English very bad«, sagt sie. Hier seien viele verschiedene »races«, so müsste man Englisch sprechen, um sich zu verstehen, und so habe sie auch Englisch sprechen gelernt (Protokoll 30.10.2012, Zeile 31-62). Ganz ähnlich wie Theo konstruiert auch Molly zwei Räume – innerhalb des »Zuhause« sowie im Club –, in denen zwei ganz andere, fast entgegengesetzte Formen des Alterns stattfinden. Auf der der einen Seite steht also das »Zuhause«, das durch Leere/Einsamkeit, Langeweile und, wie es auch Theo beschreibt, durch Passivität, oder recht rudimentäre Aktivität (bisschen im Garten machen), markiert ist. In diesem Raum wird Alter als eine Lebensphase konzeptioniert, die auf ein Ende hin ausgerichtet ist: No, I am done. Bereits zu einem, zumindest chronologisch recht jungen, Alter – immerhin ist dieser Ausspruch bereits 15 Jahre her – hat Molly also die Lebensphase Alter als etwas verstanden, in der man »fertig« ist, in der etwas beendet ist, in der nicht mehr viel kommt, in der nicht mehr viel zu erwarten ist. Club hingegen und das Altern, das in diesem Raum stattfindet, steht gerade nicht für ein Ende, sondern vielmehr für Entwicklung. Club bedeutet für Molly, sich noch einmal in einen ganz neuen, für sie bis dahin unbekannten Raum hineinzubegeben und sich hierfür zu öffnen: Sie habe auch nichts über den Club gewusst. Und in diesem Raum scheinen Entwicklung und Lernen einfach so zu geschehen. Das, was man sein ganzes Leben nicht getan oder gelernt hat – wie z.B. Englisch zu sprechen –, wird hier noch einmal angegangen. Um in den Club integriert zu sein, so packt man es nochmal an und lernt ohne große Anstrengung, eben noch einmal eine neue Sprache.

193

194

Wanna go Clubbing?

6.2.2 »Because you bring shame« – Harmonie, Unabhängigkeit, Verständnis und Me-Time statt Konflikt, Abhängigkeit, Unverständnis und Verpflichtungen Jene Älteren nun, die mit ihren Kindern und Enkelkindern zusammenleben, konstruieren die Räume »zu Hause« und »Familie« wiederum auf eine bestimmte Art und Weise und stellen diese dem Club gegenüber. »He thinks only family, so he will make trouble for the elderly people« – Harmonie und Unabhängigkeit statt Konflikt und Abhängigkeit

Otherwise, the elderly people are. If you have no place for them to, uh, go, huh, they sit in the house. If they don’t do something, as you say, uh, if I’m lucky, I get you a good family, a good daughter-in-law, something like that, okay, very happy. If I get a, a daughter-in-law or son-in-law which is, uh, no heart for the elderly, he thinks only family, so he will make trouble for the elderly people, or you go somewhere, uh, you go somewhere, find someplace to stay. That’s how we feel very bad. That’s why I say always be happy, no stresses. Get out of the family, uh, together with the other don’t mix, don’t mix together with your friend or your son family or your daughter in family to be together. You might have no misunderstanding because you are from a different mother. I’m from a different mother, different family. That must be something, uh-uh, that’s why I can see his ideal is, no, you have a place to go. You have a club, elderly club you go (Interview William II, Zeile 20-31). Auch William konstruiert diese zwei Räume – auf der einen Seite die Familie mit ihren Verwandtschaftsbeziehungen, auf der anderen Seite den Club mit seinen Peerbeziehungen. Für William handelt es sich gewissermaßen um zwei unterschiedliche Welten, die er auch nicht vermischt wissen möchte, was sich aus seinem sich wiederholenden don’t mix, don’t mix together with your friend or your son family or your daughter in family to be together deuten lässt. Die Familie auf der einen Seite beschreibt er allgemein als potenziellen Konfliktherd. Diese Interpretation speist sich daraus, seine im übertragenen Sinne getätigte Aussage You might have no misunderstanding because you are from a different mother. I’m from a different mother, different family mit umgekehrten Vorzeichen zu lesen. William spezifiziert zudem, welche Konflikte sich für die älteren Leute in der Familie, und zwar im Kontext einer Koresidenz, ergeben können. So beschreibt er einen Wendepunkt innerhalb der Familie, der sich mit der Hochzeit der eigenen Kinder und damit der Bildung einer neuen Kernfamilie ergibt. An diesem Punkt scheint das System Familie neu geordnet zu werden, was für die Älteren allgemein eine Herabsetzung zu bedeuten scheint. Neue Regeln, unter die es sich unterzuordnen gilt, neue Abhängigkei-

6. Is really anything possible?

ten von dem Gutdünken der neuen Kernfamilie. Dabei kann es gut laufen – if I’m lucky, I get you a good family, a good daughter-in-law […] okay, very happy –, aber auch schlecht. Zu Konflikten kommt es dann, wenn die neue Kernfamilie so sehr auf sich bezogen ist (he thinks only family) oder kein Verständnis für die Älteren herrscht (no heart for the elderly), sodass kein Platz mehr für die Bedürfnisse, Belange und Wünsche der Älteren zu sein scheint. Die Folge: Trouble for the elderly people, That’s how we feel very bad, stresses. Dieses neue Familienarrangement scheint für William gesetzt und wenig veränderbar zu sein. Die einzige Lösung besteht darin: Get out of the family. Es bedarf für William also eines »Out«, eines Raumes außerhalb der Familie. Ein mögliches und dabei das Beste, ein »Ideal«, ist der Club. Club ist ein gänzlich anderer Raum als die Familie. Er steht zum einen für Unabhängigkeit. Und zwar für Unabhängigkeit von dem Raum der Familie: if you have no place for them to, uh, go, huh, they sit in the house. Und er steht zum anderen für Harmonie. Denn hier trifft man sich auf anderer Ebene. Allein aufgrund der Tatsache, dass dieser Raum frei von Verwandtschaftsbeziehungen ist, sondern vielmehr durch die Peerbeziehungen geprägt ist, sollte es hier nicht zu Konflikten und Missverständnissen kommen: You might have no misunderstanding because you are from a different mother. I’m from a different mother, different family. »Dass man das sein lassen solle, ›because you bring shame‹« – Harmonie statt Konflikt und Unterordnung

In dem folgenden Protokollausschnitt zeigt sich in den Erzählungen Johns ein ähnliches Muster wie im Interview mit William. Auch hier wird ein Bezug auf die Familie genommen, der Club als Gegenraum dazu konstruiert und damit die Bedeutung, die der Club für die Clubber hat, hervorgehoben. Über das Essen kommt er auf Folgendes zu sprechen, was er aber nur mir erzählt: Es sei schön, mit den anderen Essen zu fahren, denn… würde man mit den Kindern, mit dem Sohn, der Schwiegertochter und anderen Verwandten Essen gehen, dann müsse man dort so am Tisch sitzen: Dies macht er vor, er setzt sich eingefallen, aber ordentlich an den Tisch und legt beide Hände auf den Tisch. Wäre man zu laut oder würde zu viel erzählen, dann würde der Sohn einen anstupsen – dies tut er jetzt bei mir – so nach dem Motto, dass man das sein lassen solle, »because you bring shame«. Die Schwiegertochter würde auch oft dann den Älteren das Essen zuteilen und man könne nicht einfach was und wie viel man wolle nehmen. […] Wenn die Älteren zusammen seien, dann sei das anders, weil jeder »equal« sei und man so sein könne, wie man wolle und sich so viel zu essen nehmen könne, wie man wolle. So wie hier, hier könne jeder machen, was er wolle. Er, er selbst würde sich mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter ja gut verstehen, viele

195

196

Wanna go Clubbing?

aber auch nicht. Der Sohn z.B., man würde sich gut mit ihm verstehen, und wenn er dann heirate, dann ändere sich das oft. Die Schwiegertochter würde dann z.B. sagen, warum der Sohn dem Vater so viel Geld geben würde. Viele hier im Club hätten Probleme, würden hierherkommen und gar nicht nach Hause gehen wollen. Er schätze mal, dass vielleicht 40 % hier glücklich seien, die anderen 60 % hätten Probleme. Würde oft ja keiner zugeben, weil alle vorgeben würden, dass sie sich gut mit ihrem Sohn und ihren Kindern verstehen würden (Protokoll 30.10.2012, Zeile 237-254). Auch John beschreibt hier das generationale Verhältnis innerhalb der Familie als problembehaftet und spricht damit ein Phänomen an, das keinen Einzelfall darstellt, sondern seiner Einschätzung nach für mehr als die Hälfte der Clubbesucher zutrifft (Er schätze mal, dass vielleicht 40  % hier glücklich seien, die anderen 60 % hätten Probleme). Dabei entwirft er ein Bild der Familie als hierarchisches System. Gerade wenn es hier zu neuen Konstellationen kommt, wenn etwa der Sohn heiratet, entstehen problematische Rollenmuster, da ältere Familienmitglieder dann eine untergeordnete Rolle spielen und andere über sie bestimmen. In diesem System herrschen sodann bestimmte Regeln und Normen, wie etwa die von ihm beschriebenen Benimmregeln am Tisch, denen er sich als älterer Herr zu fügen hat. Tut er dies nicht, so folgen Konsequenzen und Sanktionen, indem er für sein Verhalten am Tisch von den Kindern gemaßregelt und herabgesetzt wird. Schließlich beschreibt er innerhalb dieses Systems klare finanzielle Abhängigkeitsstrukturen, wenn es etwa darum geht, dass der Sohn dem Vater Geld geben würde, dieser Betrag jedoch limitiert sein solle. Um diese Abhängigkeit möglichst gering zu halten, so berät er die anderen Älteren dahingehend, einen Teil ihres Besitzes zu behalten und nicht den Kindern zu geben – auch als eine Art Druckmittel, dass sich die Kinder weiter um sie kümmern. Im Gegensatz zu diesem Bild wird der Club nun als völlig konträr gezeichnet. Handelt es sich bei der Familie um ein hierarchisches System, lösen sich derartige hierarchische Strukturen im Club innerhalb der Peergroup auf, denn Wenn die Älteren zusammen seien, dann sei das anders, weil jeder »equal« sei. So herrscht hier eine Gleichheit in den Beziehungen vor und es gibt somit auch keine »übergestülpten« Regeln und Normen, denen sich im eigenen Dasein unterzuordnen ist. Vielmehr regiert im Club die Freiheit, dass man so sein könne, wie man wolle (…) und jeder machen (könne), was er wolle. Ist man in der Familie fremdbestimmt – wie John am Beispiel des Essens deutlich macht, wenn einem etwa das Essen zugeteilt wird –, so fühlt man sich im Club selbstbestimmt, frei, den eigenen Willen auszuleben, wie John abermals am Beispiel des Essens deutlich macht, da man […] sich so viel zu essen nehmen könne, wie man wolle.

6. Is really anything possible?

Wurde bisher davon gesprochen, dass es sich beim Club um einen Gegenentwurf zum Ort der Familie handelt, so lässt sich zugespitzter unter Verweis der Aussage Viele hier im Club hätten Probleme, würden hierherkommen und gar nicht nach Hause gehen wollen formulieren, dass der Club nicht nur einen Gegenentwurf darstellt, sondern auch mit der Bedeutung eines Zufluchtsortes belegt wird. So scheinen die familiären Strukturen, hier gekennzeichnet durch Hierarchie, Unterordnung, Maßreglung, Fremdbestimmung, als derart problematisch und belastend empfunden zu werden, dass es eines Ortes wie den des Clubs bedarf, an dem eine Auszeit und Gegenteiliges zum Ort der Familie zu finden ist. »And you feel so much better when you cough it all out« – Erleichterung, Unabhängigkeit und Verständnis statt Konflikt, Abhängigkeit und Unverständnis

When you interact with people of the same age group, we understand each other because we are in a situation, you know? Our children have no time for us. And then, maybe our, uh, intelligent level is a little bit lower now. We can’t remember things so easily. We forget. Memory is no good. So, we understand one another. And, uh, children having no time to take us out, at least now we have a club we belong to, and Mr. Chu makes sure that every two, or at the worst three months, there is one trip (Interview Maya II, Zeile 185-189). But, I think when I come, uh, it’s nice to, to, to chit-chat with, uh, people of your same age group, you know, to interact. And I was thinking last night, uh, about the two things you said that you will, you will be asking me, why I come to the club, when I joined the club. I was thinking, uh, when I come here and then we exchange ideas with people of the same age group, then you find that whatever, uhhhh, misunderstandings or whatever little quarrels you have with your children, you’re not the only one going through the same thing. Other people are also going through the same thing, maybe even worse. So, you can help one another by advising. And you feel so much better when you cough it all out (Interview Maya II, Zeile 299-307). You know, maybe they think that they are the only one facing the prob=the kind of problem they are facing at home with their children? So, when they come to the club, they, they can, uh, get the, the lump off their chest. They can tell others about their problem. And then, when they find out that their friends are also facing the same problem or something similar to it, they feel so much at ease that they are not the only person, uh, facing such a problem.

197

198

Wanna go Clubbing?

And it is just, and it is also a relief to get it off your chest (Interview Maya II, Zeile 707-713). Auch bei dem Clubmitglied Maya wird die Familie als Thema immer wieder hervorgebracht. So kommt sie im Interview – und das ist bemerkenswert in Hinsicht auf die Relevanz, die dem Thema zugeschrieben wird – bei den verschiedensten Interviewfragen immer wieder auf die »Problematik Familie« zurück (Interviewfragen: 1. So, imagine I’m an elderly friend of yours who doesn’t know anything about the club. What would you tell me to describe it? 2. And can you tell me why do you come to the club? 3. Can you explain to me again why do you think it’s so important that elderly people gather?). Genau wie William konstruiert sie zwei verschiedene Räume – Familie und Club –, die sie gegenüberstellt, wobei der Raum Familie für Spannung und Konflikt durch Unverständnis und Abhängigkeit und der Raum Club für Erleichterung durch Verständnis und Unabhängigkeit stehen. Wann immer Maya im Interview also auf die Familie zu sprechen kommt, wird dieser Raum nicht etwa, wie man gerade in asiatischen Kulturen mit ihrer hochgehaltenen Norm der »filial piety«1 (vgl. Hashimoto/Ikels 2005, S.  437; Natividad 2008, S.  163) annehmen könnte, durch Harmonie, Respekt oder Unterstützung charakterisiert, vielmehr wird er als spannungsreiches und konfliktbeladenes System beschrieben: Whatever, uhhhh, misunderstandings or whatever little quarrels you have with your children, kind of problem they are facing at home with their children. Maya greift auf ein negativ konnotiertes Bild zurück und metaphorisiert die Situation in der Familie mit einem Konzept von Krankheit. Der familiäre Kontext ist für sie ein krankmachender Fremdkörper, den es auszuhusten gilt (you cough it all out), ein krankmachender, fast schon zerstörerischer Knoten in der Brust (the lump off their chest), der Druck erzeugt (to get it off your chest). Der Club hingegen ist ein Raum, der Erleichterung erzeugt, der Heilung verspricht, der fast als heilende Medizin metaphorisiert wird, denn er hilft, den lästigen und krankhaften Fremdkörper loszuwerden und den Druck von der Brust zu nehmen. Spannung, Konflikt und Krankheit auf der einen Seite, Erleichterung und Heilung auf der anderen Seite werden allgemein erklärt durch Unverständ1 | »Filial piety refers to the practice of respecting and caring for one’s parents in old age, based on a moral obligation that children owe their parents. […] Historically, respect for elders has been an integral part of the practice of ancestor reverence in the traditional family systems in East Asia. In the moral order of the ›traditional‹ family, the elderly held higher spiritual status with advancing age. Children, in turn, were to fulfill their duties properly – providing care to elders, continuing the family line by bearing sons, and bringing prosperity and prestige to the family through hard work – which also affected the spiritual reward given to the ancestors« (Hashimoto/Ikels 2005,S. 437).

6. Is really anything possible?

nis und Abhängigkeit in der Familie und Verständnis und Unabhängigkeit im Club bzw. unter den Clubpeers. Unverständnis bzw. Verständnis werden von Maya über die Alterskategorie erklärt. Während Missverständnisse in der Familie herrschen, weil man altersbedingt auf verschiedenen Ebenen kommuniziert – sowohl kognitiv (intelligent level) als auch sozial (unterschiedliche Lebenssituationen: auf der einen Seite Einforderung von Zeit, die die Kinder auf der anderen Seite nicht erfüllen wollen oder können) –, herrscht im Club Verständnis, da man sich auf der gleichen Ebene, ebenso sowohl kognitiv als auch sozial, trifft: People of the same age group, we understand each other because we are in a situation, you’re not the only one going through the same thing. Hier versteht man sich, weil alle auf einem gleichen »intelligent level« kommunizieren; hier versteht man sich, weil man sich in der gleichen Lebenssituation befindet und ähnliche familiäre und soziale Probleme zu bewältigen hat. Letztlich entstehen Spannung, Konflikt und Krankheit dort und Erleichterung und Gesundheit hier, weil die unterschiedlichen Räume durch Abhängigkeit und zumindest ein Stück Unabhängigkeit gekennzeichnet sind. Allein in der Familie integriert, sind die Älteren abhängig von der Zeit der Kinder, um einmal aus ihren eigenen vier Wänden herauszukommen. Club ist hingegen zumindest ein Raum, der eine weitere Form von Zugehörigkeit neben der Familie bietet und damit Unabhängigkeit von dieser und der Zeit der Kinder verspricht. »Hey, why waste money buying? The children will tell them« – Harmonie statt Konflikt und Verpflichtung

Now, a good example is my family. They are very good to me. But, then, uhhhh, when follow, follow them, the grandchildren wants to eat things they like to eat. So, I got to be able to also follow. So, we elderly people eat food stuff that are t//totally different from young. Youngsters, they want to--spaghetti. They want some burger. So, which we--uh, especially--you know, sometimes, I got to also to comply with them. And then, uhhhh, a lot of older people, I--from what I hear, they go the//th//the//they//they with, uh, in their own children, one, to take advantage of, uh, that person to look after the grandchildren. I’ve seen people, husband and wife, walking around on their own, the grandmother carrying the child. Right? And feel the//the//the parent, the//the father or mother must look after their child. They leave the grandmother as if the grandmother is, uh, maid like that. So, that’s what a lot of elderly people don’t want to follow them. Follow them, uh, uh, their ideas that husband look after child. And one of the few, the place they go, the//the shopping centers they visit are not what all elderly people like. And then they go with them. They cannot do things as they--what they want, buy anything what they want. You buy something. »Hey, why waste

199

200

Wanna go Clubbing?

money buying?« The children will tell them. Following these grow people so much to talk, to talk, same within their own groups, same type of problems you have and something you don’t, […] So, they feel happy, you see, because same line of communication, same level from the same age. And then especially, I can tell you a lot of elderly people when they see the past, huh, something--you overheard the conversation, ah, they feel so sad. My daughter-inlaw is doing this to me. My son is doing this to me. And then they so--feel so sad. S=you know, I come down here so, so feel so happy because all of us same group of people (Interview Mr. Chu Zeile 589-619). Mr. Chu macht hier ebenso zwei »Beziehungsentitäten« auf, die über das Alter definiert werden – auf der einen Seite die Familie mit ihren Generationenbeziehungen und auf der anderen Seite die Clubleute mit ihren Peerbeziehungen. Wenn Mr. Chu die Beziehungsentität der Familie beschreibt, so wird aus dem Interviewausschnitt nicht in letzter Konsequenz offensichtlich, ob er sich hier im Kontext einer Koresidenz bewegt, die Vermutung liegt jedoch nahe. Er schildert den Alltag von älteren Leuten im Rahmen der Familie. Wenn Mr. Chu also die Familie beschreibt bzw. die Rolle und Position, die die Älteren hier einnehmen, so zeichnet er hier eine Beziehung, die zunächst einmal durch die Unterordnung der Älteren gekennzeichnet ist, und zwar in dem Sinne, dass sich die Älteren den Regeln und Lebensstilen der nachfolgenden Generationen zu fügen haben, was Mr. Chu an den Beispielen des Essens – das für Malaysier eine enorme Bedeutung einnimmt 2 – und der Ausflüge verdeutlicht. Mr. Chu zeigt auf, dass die Großkinder hier einen anderen, modernisierten, Lebensstil an den Tag legen, der sich hier wortwörtlich in ihrem Geschmack offenbart. Die Generationen haben unterschiedliche kulinarische Vorlieben. Für die Älteren bedeutet dies im Alltag, sich hier dem Lebensstil der jüngeren Generationen unterzuordnen, da für die Bedürfnisse und Wünsche der älteren Generation kein Raum mehr zu sein scheint. Ähnliches zeigt sich für die Ausflüge: In Anbetracht vorangegangener Analysen, in denen offenbar wurde, dass die Älteren darauf angewiesen zu sein scheinen, dass sie für ein »take out« abhängig von den Kindern sind, ist es für sie enttäuschend, dass sie sich auch hier stets den Vorlieben und Bedürfnissen der Kinder zu fügen haben. Daneben beschreibt Mr. Chu die Beziehung innerhalb der Familie als eine solche, die durch Verpflichtung gekennzeichnet ist – und zwar vor allem die Verpflichtung der Älteren, Sorgearbeiten für die eigenen Großkinder überneh2 | So heißt es beispielsweise in einem der Beobachtungsprotokolle: Sie erzählt mir weiter, dass das Essen in Malaysia eine große Rolle spielen würde. Treffe man jemanden, frage man nicht, wie es geht, oder man unterhalte sich nicht über das Wetter, sondern man frage als Allererstes, ob man schon gegessen habe. Wenn nicht, dann sage man »come with me« (Protokoll 28.04.2011).

6. Is really anything possible?

men zu müssen. Interessant ist, dass er dabei das Bild der »maid« aufmacht und damit die Beziehung innerhalb der Familie in besonderer Art und Weise qualifiziert. Mit diesem Vergleich, der eine Arbeitsbeziehung beschreibt, macht er deutlich, dass die Älteren sich oftmals außerhalb der intimen familiären Beziehung gesetzt sehen und eben nur noch verpflichtende Aufgaben zu erledigen haben. Mit dem Vergleich einer solchen Arbeitsbeziehung wird sodann auch das hierarchische Verhältnis innerhalb der Familie noch einmal verdeutlicht, beschreibt doch ein Arbeitsverhältnis die Pflichterfüllung des Arbeitnehmers gegenüber einem Chef, da ansonsten auch Sanktionen folgen können. Letztlich beschreibt Mr. Chu eine Abhängigkeit, und zwar eine finanzielle Abhängigkeit innerhalb der Familie. Die Älteren scheinen hier nicht autonom über ein gewisses Budget verfügen zu können: You buy something. »Hey, why waste money buying?« The children will tell them. Insgesamt wird in der gesamten Interviewpassage deutlich, dass die Älteren in der Familie völlig fremdbestimmt sind. Denn bei allem, was Mr. Chu hier beschreibt, wird deutlich, dass diese Gestaltung des Alltags außerhalb des Willens der Älteren liegt, sie sich aber dem anscheinend auch nicht zur Wehr setzen können. So ist bei jeder Beschreibung der Zusatz des »Nicht-Wollens«, aber auch des »Folgen-Müssens«, des »Gehorsam-Seins« zu finden: I got to be able to also follow, I got to also to comply with them; so, that’s what a lot of elderly people don’t want to follow them; the shopping centers they visit are not what all elderly people like. In der letzten Passage kommt Mr. Chu auf den Club und die Peerbeziehungen zu sprechen. Interessant ist zum einen, dass diese Entität als their own groups im Gegensatz zur Familie konzeptioniert wird, wodurch sich eine größere Nähe innerhalb dieser Gruppe als in jener der Familie ausdrückt. Zum anderen wird immer wieder deutlich, dass man sich hier auf einer anderen Ebene trifft, die eben nicht durch Unterordnung, Verpflichtung und Abhängigkeit charakterisiert ist. So ist auffällig, dass Mr. Chu immer wieder dieses »Gleiche« in den Peerbeziehungen in den Vordergrund stellt: Same within their own groups, same type of problems; because same line of communication, same level from the same age, because all of us same group of people. »And, uh, most of the time, they have to look after the grandchildren at home« – Me-Time und Unabhängigkeit statt Verpflichtung und Abhängigkeit

And that was the second or third time they have taken a busload of, uh, senior citizens. And, uh, Carolin, every time an announcement is made about a trip coming up, the places get snapped up very fast. So, that, uh, that clearly shows that most of these elderly people ha=their children have no time for--to take them out, you know? Maybe if the children are good, they might take them out for a birthday dinner. And, uh, most of the time, they have to look after the grandchildren at home. The children come back from work. Everyt-

201

202

Wanna go Clubbing?

hing is cooked. Dinner is prepared. So, they have no time. So, I think these elderly people, when they come here, you see in the morning some of them come. They read newspapers. They share ideas. They tell each other about what is happening. So, if I were to introduce, uh, my club to senior citizens, I would tell them mostly about activities. So, they have to come here to see (Interview Maya II, Zeile 198-210). Ähnlich wie Mr. Chu beschreibt auch Maya den Raum der Familie als einen Ort, der für die Älteren zunächst einmal durch Verpflichtungen und Abhängigkeiten gekennzeichnet ist. So, they have no time. Ähnlich wie bei Mr. Chu, der das Bild der »maid« aufmacht, erinnern auch Mayas Beschreibungen hier fast an ein Arbeitsverhältnis mit verpflichtenden – they have to look after – Sorgetätigkeiten für die Enkelkinder und Haushaltstätigkeiten für die gesamte Familie. Wie eben im Erwerbsleben scheinen somit auch nahezu der gesamte Tagesablauf der Älteren und die Gestaltung ihrer Zeit durch diese verpflichtenden Aufgaben, von anderen auferlegt, strukturiert. Und auch in ihrer »Freizeitgestaltung« – interessant, dass einem hier der Begriff der Freizeitgestaltung in den Sinn kommt, was den Eindruck eines verpflichtenden Arbeitsverhältnisses verstärkt – sind die Älteren abhängig von ihren Kindern; sei es von ihrer Zeit oder von ihrem good-will. Club hingegen bedeutet nun für die Älteren ein Stück Freiheit, zumindest die Freiheit, wenigstens am Morgen, wenn sie gerade keine Verpflichtungen haben, das zu tun, wonach ihnen der Sinn steht: Zeitung lesen, quatschen, sich austauschen, an Aktivitäten teilnehmen, denen sie ganz selbstbestimmt nachgehen möchten. Zudem bedeutet Club ein Stück Unabhängigkeit von der Familie. Nicht nur im Alltag – mal rauskommen aus dem Haus –, sondern vor allem eben auch, wenn es um die »Freizeitgestaltung« geht. Eben nicht mehr abhängig sein von der Zeit und von dem Wohlwollen der eigenen Kinder. »Guten Morgen, wie geht’s …und das wars« – Interesse statt Desinteresse

Jack gießt uns am Tisch immer Tee nach. Ob ich den Tee mögen würde? Ich sage ja, obwohl das nicht stimmt. Ich frage die Herren dann, warum sie hier eigentlich herkommen würden. Warum? Jack antwortet. »Very simple«, sagt er. Seine Kinder würden nicht mit ihm reden. Morgens würden sie guten Morgen sagen, wie geht’s und dann dass sie jetzt zur Arbeit fahren würden. Und das war’s. Hier würden sie herkommen, andere treffen – er zeigt um den Tisch –, Nonsens erzählen und zusammen Tee trinken. Das »NonsensWort« ist das Stichwort, um jetzt Späße und Faxen zu machen. Die Stimmung ist gut am Tisch und es wird viel gelacht und eben gescherzt (Protokoll 24.10.2012, Zeile 171-177).

6. Is really anything possible?

Der Protokollausschnitt beschreibt den Cluballtag, an dem mehrere Clubmitglieder in geselliger Runde gemeinsam Tee trinken. Die Beobachterin hat sich dazugesetzt und stellt nun die Frage nach dem Grund – nach den subjektiven Bedeutungen – Warum sie hier eigentlich herkommen würden. Auf diese recht offen gestellte Frage der Beobachterin gibt es für Jack nun sofort eine einfache, eindeutige Antwort – »Very simple« –, mit der er sein familiäres System dem Clubsystem gegenüberstellt und beschreibt, was der Club ihm im Gegensatz zu seiner Familie geben kann. So entwirft er auf der einen Seite seine Familie mit den Worten »Seine Kinder würden nicht mit ihm reden. Morgens würden sie guten Morgen sagen, wie geht’s und dann dass sie jetzt zur Arbeit fahren würden. Und das war’s« als einen Ort, der für ihn eine problematische Rahmung besitzt. Die Stimmung scheint eher distanziert, unnahbar, eisig, und man scheint sich auch gerne aus dem Weg zu gehen. Wenn eine Interaktion stattfindet, so ist diese auf ein Mindestmaß reduziert und besteht aus alltäglichen routinierten, eher notgedrungen hervorgebrachten Floskeln, die weit entfernt von einem interessierten oder tiefer gehenden Gespräch auf Augenhöhe liegen. Die Familie wird damit charakterisiert als Ort, in dem wenig Beschäftigung, zumindest zwischen den Generationen, erfolgt, in dem wenig Kommunikation stattfindet, in dem keine Zeit für den älteren Herrn da ist, in dem er wenig Aufmerksamkeit erfährt und in dem ihm eher Desinteresse als Interesse entgegengebracht wird. Im Gegensatz dazu beschreibt er den Club mit den Worten »Hier würden sie herkommen, andere treffen – er zeigt um den Tisch –, Nonsens erzählen und zusammen Tee trinken«, und damit als einen Ort, in der er das bekommt, was ihm in der Familie verwehrt wird. So ist der Club ein Ort, an dem eine lockere, ungezwungene Atmosphäre herrscht (Die Stimmung ist gut). Der Club wird als Ort konstruiert, an dem immer eine Gemeinschaft vorzufinden ist und in der auch gemeinschaftlich Interaktionen stattfinden. Hier hat man Zeit füreinander, auch für Belanglosigkeiten und Nebensächlichkeiten wie Tee trinken und Sinnlosigkeiten erzählen. Im Club beschäftigen sich die Leute miteinander, man kommuniziert auf gleicher Augenhöhe, hat die gleiche Wellenlänge, Interesse aneinander und Spaß miteinander.

6.2.3 »That’s old old old time thinking today I think we should not think of that« – Modernität statt Traditionalität 3 Die folgenden Interviewausschnitte beschreiben noch einmal in der Zusammenschau, wie die Räume des »Verhäuslichten« sowie der Familie dem Raum des Club entgegengesetzt werden. Anders als die vorangegangen Abschnitte 3 | Dieser Abschnitt wurde in ähnlicher Weise bereits veröffentlicht in Oppermann, Carolin (2014): »Because we are so Modern«. Dynamische Ökonomien, dynamische Gesellschaften, dynamische Lebensalter und Lebensphasen und soziale Einrichtungen –

203

204

Wanna go Clubbing?

folgen sie jedoch einer etwas anderen Logik, da die Passagen zum einen auf die Frage »Do you think there is a difference in getting older in a big city like Kuala Lumpur or in the countryside?« folgen. Die Bezugspunkte sind hier also zunächst ein Altern auf dem Land und in der Stadt. Altern auf dem Land und in der Stadt stellen sie in der Konstruktion eines »In« sowie eines »Out« gegenüber (siehe näher unten), wobei das »Out« immer auch den Raum des Clubs umfasst. In beiden Räumen findet ihren Interpretationen nach ein unterschiedliches Altern statt. Zum anderen folgt dieser Abschnitt einer anderen Logik – und das ist das Interessante –, da hier eine zeitliche Dimension wiederzufinden ist, sodass sich hier die Differenz von Altern und Modernität vs. Altern und Traditionalität ausmachen lässt. Interview mit William III4

W: Of course there is. You see in Kuala Lumpur the senior or the age people they are more active* they are more active. […] but if you go back to your hometown or village they are more like M: Very slow. W: Slow and I like to stay at home. What they are thinking is I am getting old so what. What I will do, think I am going to do, I am happy, so I am happy in my village. So something like waiting for a time to come. Sorry to say that. You know this is so, but maybe some people might have land a small piece of land in their garden […] so you like you go and stay there and do your own flowering that’s much better there for them to stay in the house doing nothing and äh maybe is culture for our own age people women or men they will look after their grandchildren which I think should not. That let the children do all that, we brought them up so they should take care of their children and let the father and mother be free. We can help of course we can help but not by then, but even saturday or sunday like today we have activity allow them to come out you know be happy. So in the kampung 5 is like that. Kampung is different. Now of course. M: Kampung general the old people spend more time helping to take care of their grandchildren. W: So maybe the culture say, I think also das Beispiel Altern. In: Bähr, Christiane/Homfeldt, Hans Günther/Schröder, Christian/ Schröer, Wolfgang/Schweppe, Cornelia (Hg.): Weltatlas Soziale Arbeit. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 126-143. 4 | M ist hier Miss Wang, jene Kontaktperson, die für die Beobachterin den Kontakt zu den senior citizens clubs hergestellt hat. Sie ist in beiden Interviews anwesend und diskutiert mit. 5 | Kampung bedeutet Dorf.

6. Is really anything possible?

M: It’s the outskirt, kampung is outskirt W: Outskirt, so outskirt. […] better stay in the house waiting for the time to come right. This is a wrong thinking. That’s is old old old time thinking today I think we should not think of that we should come out to be more social. […] rather than think oh I am going to stay tomorrow I don’t know what is tomorrow. [laughing] this I think this is no good. Should be more active. That’s why I say the ** äh time have * gone no more no those days is ok you stay in a house but today I think is different. […] M: They have their own agenda. There are things they wanna do, how they wanna live you know. They have a choice now. Especially in the city. Interview mit Ella

E: One thing in a in a big there are a lot of opportunities. So I [?] when you grow old there’s no end to let learning. […] in a big city M: You have to learn. E: There are a lot of of opportunities that i can still go to better myself even in my age. M: Computer. E: In the age 65 I learn computer. I am 66 this year. So and I am I went to learn this this here just about two months ago. And I am anything if I see that I like I have a passion for it I want learn. But in the rural areas… M: More available, learning experiences are available. E: Learning experiences are available and then if you […] because we are more open to many things. You know ya. Because we are so modern. But we are actually in a way. So I took a computer course, […]. You see. And then at least there are a lot of things, and I I am glad I took a computer. And then is in the rural area but in the city but there again there are also many educated grand-parents how you say. Once they grow old they are tied down by grandchildren. Tied down by grandchildren, because their siblings are working. Nobody look after grandchildren. The most convenient babysitters are the grandparents. M: Do you think that’s disadvantage? Is there a disadvantage? E: […] there are. Because that’s we once we are old I think we need some time for us. M: I think the the rural people don’t mind so much. E: Ah they don’t mind so much. M: You are not, they are bored. E: Nothing nothing nothing there much to do. In the city it’s different. There are so many things. M: I I need time to do my own thing right. Something for you to do.

205

206

Wanna go Clubbing?

E: I I really when my grandchildren come to stay with me occasionally they come down for holiday. I will stressed up for two weeks. Really. I love them very much. But once they are with me I find that äh for me my time will be restricted I have to make time for them, so I am thank I am glad they will come once in a while [all laughing]. Long hours, longs hours. M.: You can see that the city folks are more individual. E: Ya, we we we are M: We really looking for something myself, my things, my time, you know, there are things to do for yourself. E: Ya ya that’s right. M: Own time. My self-time. So in rural I think is more family time. E: Ya, it’s true, it’s true. Aus den Interviews lassen sich nun drei wesentliche Aspekte herausarbeiten: 1. Aus der Interviewfrage evoziert, sind die Bezugspunkte beider Passagen die zwei Räume »Land« und »Stadt«. Über diese Räume vermittelt stellen die Interviewten zwei nahezu entgegengesetzte Formen des Alterns her, indem sie spannungsreiche Kategorien von verhäuslicht vs. öffentlich, familiäre Community vs. Individualität und Stillstand vs. Bewegung hervorbringen und den jeweiligen Räumen von Land vs. Stadt, teilweise in personalisierter Form von einem they vs. we (die Interviewten ordnen sich selbst in den Raum Stadt ein), zuordnen. 2. Quer zu diesen spannungsreich hergestellten Formen des Alterns verläuft eine zeitliche Differenzierung, indem die Interviewten die zeitliche Kategorie von Vergangenheit/Traditionalität (old old old time thinking; those days) der Kategorie von Gegenwart/Modernität (today I think we should not think of that; they have a choice now. because we are so modern) gegenüberstellen. Dabei verknüpfen sie die Kategorie von Vergangenheit/Traditionalität mit dem Raum Land und die Kategorie von Gegenwart/Modernität mit dem Raum Stadt. Sie stellen damit nicht nur eine traditionelle Form des Alterns einer modernisierten Form des Alterns gegenüber, sondern sie stellen ebenso einen Wandel von Formen des Alterns her, der sich für sie im Raum der Stadt vollzogen hat. 3. Ferner verwenden die Interviewten eine verneinende Bewertungskategorie (wrong thinking, no good; disadvantage; they don’t mind so much), mit der sie deutlich machen, welche Form des Alterns sie sich selbst zuschreiben (das, was sie als städtisches modernes Altern herstellen). Die beiden Formen des traditionellen vs. des modernisierten Alterns, die die Interviewten herstellen, sollen im Folgenden näher erläutert werden.

6. Is really anything possible?

Verhäuslicht vs. öffentlich Deutlich wird anhand des Interviews mit William, dass hier die traditionelle Form des Alterns als eine verhäuslichte hergestellt wird. Dies geschieht zum einen dadurch, dass er, über den personalisierten Raum Land (they, you) vermittelt, Altern hier als ein nach innen gerichtetes sowie im Privaten stattfindendes – und damit verhäuslichtes – Altern konzeptionalisiert, indem er in seinen Beschreibungen direkt auf ein »In« sowie die Bilder des »houses« und des »homes« rekurriert: They are more like […] and I like to stay at home; no those days is ok you stay in a house. Dem entgegengesetzt entwirft er ein modernisiertes Altern als ein nach außen gerichtetes Altern, das jenseits des häuslichen Bereichs in einem öffentlichen Raum, in einem »Out« verortet wird: Today i think we should not think of that we should come out to be more social; like today we have activity allow them to come out.

Familiäre Community vs. Individualität Anhand beider Interviews lässt sich ferner feststellen, dass die traditionelle Form des Alterns als eine über die familiäre Community definierte Form hergestellt wird und dort familiale Sorgetätigkeiten von den Älteren erwartet werden. William nimmt auf diesen Aspekt zunächst allgemein mit der Aussage Maybe is culture for our own age people women or men they will look after their grandchildren Bezug. Dass dies dem traditionellen Altern zugerechnet wird, wird dann jedoch im Verlauf durch dreierlei verdeutlicht. Zum Ersten belegt er diesen Aspekt mit der Bewertung »should not«, weist damit diesen Aspekt von sich und klammert ihn zugleich aus einem modernisierten städtischen Altern, dem er sich selbst zuordnet, aus. Zum Zweiten bedeutet das von ihm modernisierte, städtische und nach außen gerichtete Altern, das »Out«, eine Entbindung aus bzw. Freiheit von dem familiären Zusammenhang und der damit verbundenen Sorgetätigkeit für die Enkelkinder: Let the father and mother be free. We can help of course we can help but not by then, but even saturday or sunday like today we have activity allow them to come out. Zum Dritten fasst Miss Wang zudem prägnant zusammen: Kampung general the old people spend more time helping to take care of their grandchildren, woraufhin William noch einmal bekräftigend zustimmt mit So maybe the culture say, I think also. Im Interview mit Ella zeigt sich ein ähnliches Muster. Auch sie nimmt zunächst allgemein Bezug auf die familiäre Community und damit verbundene Sorgetätigkeiten. Sie stellt diese ebenfalls in den Kontext von normativen Erwartungen, was durch die Passivformulierung they are tied down by grand children verdeutlicht wird. Damit wird der aktive Teil dieser Rollendefinition als außerhalb der älteren Menschen verortet. Obwohl Ella diese Erwartungen zunächst als allgemeine Erwartungen berichtet – zumindest bezieht sie sich auf ältere Leute sowohl auf dem Land als auch in der Stadt –, so wird später doch wieder zwischen dem traditionellen und dem modernisierten Altern dif-

207

208

Wanna go Clubbing?

ferenziert. In dieser Differenzierung wird verdeutlicht, dass bei Ersterem diese Rolle angenommen wird: Miss Wang: I think the the rural people don’t mind so much, Ella: Ah they don’t mind so much, während in der Konzeption einer modernisierten Form des Alterns, der sich Ella selbst zuordnet, diese Rolle nicht mehr ohne Weiteres von ihr bedient werden möchte. Dies wird an folgender Gesprächssequenz deutlich: Miss Wang: Do you think that’s disadvantage? Ella: There are. Because that’s we once we are old I think we need some time for us. Miss Wang: I think the the rural people don’t mind so much. Ella: Ah they don’t mind so much. Wie in dem Interview mit William fasst auch hier Miss Wang noch einmal zusammen: So in rural I think is more family time, und Ella stimmt zu: Ya, it’s true. Im Gegensatz dazu wird eine modernisierte Form des Alterns als ein auf sich selbst bezogenes Altern – mit individuellen Plänen, dem Ausleben individueller Bedürfnisse und eine auf sich selbst bezogene Zeitgestaltung – hergestellt. Dies wird durch Aussagen deutlich, die, mit dem Raum der Stadt und der zeitlichen Kategorie von Gegenwart/Modernität verknüpft, sich in der Kategorie von Individualität fassen lassen: They have their own agenda. Tere are things they wanna do, how they wanna live you know. They have a choice now. You can see that the city folks are more individual. We really looking for something myself, my things, my time, you know, there are things to do for yourself.

Stillstand vs. Bewegung Weitere Aussagen, anhand derer in den Gesprächen beide Altersformen gezeichnet und entgegengesetzt werden, lassen sich unter die Kategorien von Stillstand vs. Bewegung subsumieren. So wird das traditionelle, nach innen gerichtete und über die familiäre Gemeinschaft definierte Altern mit folgenden Schlagworten beschrieben: slow, stay, waiting, doing nothing, bored, nothing nothing nothing there much to do. Altern wird in dieser Perspektive als eine Lebensphase gekennzeichnet, die Langsamkeit, Langeweile, Stagnation sowie eben Stillstand bedeutet und auf ein Ende hin ausgerichtet ist: So something like waiting for a time to come. Sorry to say that. Dem entgegensetzt wird das modernisierte, städtische, nach außen und auf sich selbst gerichtete Altern mit folgenden Losungen versehen: more active, agenda, there are things they wanna do, how they wanna live, opportunities, better myself, learning experiences, many things. Die Lebensphase Alter wird hier nicht vom Ende her gedacht – so sagt Ella bezeichnenderweise: When you grow old there’s no end to let learning –, sondern vielmehr vom Anfang her. Sie wird als Phase verstanden, die neue Erfahrungen eröffnet, die Entwicklungen einschließt, learning, better myself, und das Ausleben von eigenen Plänen und Lebensvorstellungen, they have their own agenda. there are things they wanna do, how they wanna live, beinhaltet. Auch wenn hier der Club nicht unmittelbar Erwähnung findet, so konstruieren hier die beiden Interviewten ebenso zwei Räume, die sie jeweils mit den

6. Is really anything possible?

gleichen Attributen belegen, wie bereits in den vorangegangenen Analysen herausgearbeitet wurde. Auf der einen Seite ein verhäuslichtes Altern, charakterisiert durch Verpflichtungen und Stillstand, und auf der anderen Seite ein nach außen gerichtetes Altern, gekennzeichnet durch Individualität, Freiheit, Bewegung und Entwicklung. Als wesentliches, erweitertes Ergebnis lässt sich eben hinzufügen, dass eine zeitliche Dimension mit verwoben ist, sodass eben auch ein traditionelles vs. ein modernes Altern gegenübergestellt wird.

6.3 C lubbing = D oing B oundary W ork , und C lubbing = D oing N e w I mages and F orms of A geing In der Analyse in Kapitel 4 konnte rekonstruiert werden, dass die senior citizens clubs als hybride Organisationen von den Clubmitgliedern hergestellt werden, in die mannigfaltige Logiken, Orientierungen, Interessen, Handlungsmusterund -praktiken integriert werden können – everything is possible! Im darauffolgenden Kapitel wurde analysiert, dass ein solches Konstrukt Spannungen bereithält, da und wenn diese unterschiedlichen Logiken und Orientierungen an ihren Grenzen aufeinanderprallen. Des Weiteren wurde gleichsam herausgearbeitet, dass sodann unter mikropolitischen Prozessen die hybride Ordnung der Clubs immer wieder ausgehandelt wird, indem immer wieder ausgelotet wird, welche Ordnung welchen Raum im Club erhält – Everything is possible! As long as you work hard on it! Really anything possible? Der Korpus des empirischen Materials zeigt nun darüber hinaus, dass die Clubs zwar auf der einen Seite als solch offene Konstrukte hergestellt werden, dass die Clubmitglieder auf der anderen Seite jedoch auch klare Grenzen setzen – im Sinne von Markierungen und Bekräftigungen von Differenzen (vgl. Mayer-Tasch 2013, S. 42) –, welche Logiken und Orientierungen in den senior citizens clubs absolut keinen Platz haben. Sprich: Sie leisten Grenzarbeit. Also: Senior-Citizens-Clubbing = doing boundary work. Die Vorstellung von Grenzarbeit ist ein Konzept, das auf Gieryn zurückgeht und von ihm eingeführt wurde, um aufzuzeigen, wie Wissenschaftler das Demarkationsproblem lösen, die Sphäre der Wissenschaft von anderen Sphären der Wissensproduktion abzugrenzen. Gieryn identifiziert dabei als Mechanismus der Grenzarbeit die Zuweisung bestimmter Charakteristika zu der Sphäre der Wissenschaft im Kontrast zur Zuschreibung wiederum anderer, bestmöglich abgrenzender Charakteristika zu anderen Sphären (vgl. Giery 1983, S. 783ff.). Diese Zuweisung und damit Grenzziehung ist dabei, so Gieryn, variabel, flexibel, mehrdeutig und beliebig (vgl. Gieryn 1983, S. 792), denn »Properties attributed to science on any occasion depend largely on the specifics of its ›other‹, on who or what is being excluded from the cultural space of ›science‹« (Gieryn 1999, S. 22).

209

210

Wanna go Clubbing?

Ähnliches zeigt sich in den vorangegangenen Analysen: Die Clubber ziehen klare Grenzen zu der Sphäre von Care, am Beispiel des day care centers, sowie zu den Sphären von home und family, und leisten damit Grenzarbeit. Die Sphäre von Care betrachtend zeigt sich, dass diese Grenzziehung auf verschiedenen Ebenen stattfindet: sowohl auf einer ganz konkreten Ebene, indem eben Älteren, die einer Unterstützung bedürften, der Zugang zum senior citizens club verwehrt wird – allenfalls kann man als Gast inkludiert werden, aber keinesfalls als Mitglied –, als auch auf einer symbolischen Ebene durch die Namensgebung sowie – so wie es auch Gieryn als Mechanismus der Grenzarbeit beschreibt – durch die Zuweisung fast schon entgegengesetzter Charakteristika zu den jeweiligen Räumen. Dort die Sphäre von Care, die beschrieben wird durch Attribute wie Befriedigung basaler menschlicher Bedürfnisse, alt zu sein, Abhängigkeit und Passivität, hier die Sphäre des Clubs, die für Action, Jugendlichkeit, Unabhängigkeit und Aktivität steht. Gleichsam zeigt es sich auch für die Sphäre von home und family. Auch hier leisten die Clubber Grenzarbeit und zeigen damit an, was Club ist und was Club eben gerade nicht ist, indem sie beide Sphären durch die Zuweisung fast schon dichotomer Kennzeichen definieren. So steht auf der einen Seite der Raum home, gekennzeichnet durch Langeweile, Leere, Stillstand, »bergab«, Endlichkeit, sowie der Raum family, markiert durch Konflikt, Abhängigkeit, Unverständnis und Verpflichtungen, und auf der anderen Seite der Raum Club, im Gegensatz zu vorigen Räumen beschrieben durch Bewegung, Entwicklung, Freiheit, Harmonie und Unabhängigkeit. Dabei zeigt sich, was auch Gieryn formuliert, dass nämlich die Zuweisung von Charakteristika zu den jeweiligen Sphären flexibel, mehrdeutig, auch beliebig sein kann. Denn, so haben die vorangegangenen Analysen gezeigt, ist der Club nicht immer voll Harmonie, Freiheit und Unabhängigkeit – um ihn jedoch von der Sphäre Familie und Home abzugrenzen, wird er in dieser Situation als ein solches Konstrukt hergestellt. Weiterführend lässt sich über die bisherigen Interpretationen hinausgehend deuten, dass die Clubber nicht nur Grenzarbeit in Bezug auf die Sphären von care und home sowie family machen, sondern in Bezug auf mit diesen Sphären verbundene Altersbilder und Altersformen oder genauer: in Bezug auf damit verbundene negative Altersbilder sowie traditionelle Altersformen. Noch einmal die Sphären von Care vs. Club betrachtend, lässt sich interpretieren, dass gesellschaftlich nicht selten ein negatives Altersbild vorzuliegen scheint, gerade wenn es um die Verbindung von Alter und Organisationen geht. Dies lässt sich daraus deuten, dass von außen, von den Kindern der Älteren, fast wie selbstverständlich die senior citizens clubs als eine Care-Institution verstanden werden. So auch Theo: Er sagt, dass sie auch gerade eine Umfrage machen würden, denn sie hätten ein großes Problem. Die Kinder der seniors würden immer denken, dass es

6. Is really anything possible?

sich bei dem senior citizens club um ein old folks home handele, sei er ja aber gar nicht (Protokoll 24.05.2011, Zeile 28-31). Ähnliches wird von Phillips/Chan/Cheng formuliert: »In spite of traditional Asian reverence for age, it seems that negative stereotypes of older persons are unfortunately rather common in the region […]« (Phillips/Chan/Cheng 2010, S. 441). Gegen ein solches negatives Stereotyp, das eben mit einem Versorgtwerden-Müssen, mit Abhängigkeit, Passivität und Altsein assoziiert wird, wehren sich die Clubber. Sie konstruieren den Club als einen Raum, in dem eben für solche Attribute kein Platz ist. Vielmehr ist der Club ein Raum, in dem ein Altersbild von Jugendlichkeit, Aktivität, Unabhängigkeit, Spaß und auch Produktivität konstruiert wird – und damit der Diskurs um ein active ageing, der als transnationale Idee vom Altern auch in den Regionen Asiens und Südostasiens angekommen ist (vgl. Thang/Mehta 2012, S. 153), aufgegriffen ist. Nun noch einmal die Sphäre von home betrachtend: Auf der einen Seite wird von den Clubbern ein verhäuslichtes Altern konstruiert, das eben durch Langeweile, Stillstand, eine negative Entwicklung und Passivität gekennzeichnet ist. Von den Clubbern, dies wird vor allem in Kapitel 6.2.3 deutlich, wird ein solches Altern gleichsam als ein traditionelles Altern hergestellt, denn that’s old old old time thinking. In diesem Kontext konstatieren auch ähnlich Thang sowie Park: »In Asian societies – and particular among the Chinese 6 […] – the ideal retiree lifestyle is traditionally conceived in the concept xiang qin fu, which literally means ›enjoying the fortune of doing nothing‹« (Thang 2005, S. 307); »Unlike the traditional image of older Koreans being passive and highly dependent upon basic living support and housing arrangements, these seniors now seek independence and involvement in terms of finance, housing, and social activities« (Park 2008, S. 71).

Nun weiter die Sphäre von family betrachtend, so ist ähnlich auszuführen: Neben dem Ideal von xiang qin fu lässt sich ein weiteres traditionelles Konzept vom Altern sowohl aus dem Material als auch aus weiteren Studien herausinterpretieren: das traditionelle Altern in der familiären Community. Ein solch traditionelles Altern manifestiert sich zum einen in der in asiatischen Gesellschaften gelebten »co-residence« (vgl. Mehta/Thang 2012, S. 7), mit der nicht selten, so wie es auch die Clubber beschreiben, Spannungen und Konflikte (vgl. Thang 2010, S. 206) sowie (finanzielle) Abhängigkeiten einhergehen (vgl.

6 | Wie bereits beschrieben, sind die Mitglieder der senior citizens clubs vor allem die chinesischstämmigen Malaysier.

211

212

Wanna go Clubbing?

Usui/Tsuruwaka 2012, S. 36; S. 43), sowie zum anderen in der traditionellen Vergesellschaftung des Alterns über die Großelternrolle. So Mehta/Thang: »Contrary to the Western perspective of what constitutes a ›traditional‹ grandparent and the motivations for becoming one, in Asian societies, older persons are traditionally said to look forward to achieving the status of grandparent because it defines their contributions, value and central position within the family. Guided by Confucius’ teachings of status accorded through seniority in age, and of the cultural norm of filial piety especially emphasized in East Asian cultures, the older generation is venerated and enjoys a high status in the traditional family. […] The teaching and care of grandchildren are […] expected responsibilities of a traditional grandparent […]. The most common role expected of grandparents in Asian families seems to be as provider of care to their grandchildren« (Mehta/Thang 2012, S. 4f.).

Nun zeigt sich des Weiteren im empirischen Material sowie in weiteren Studien, dass ein solch traditionelles Altern – sowohl das verhäuslichte als auch jenes ausschließlich in der familiären Community – zumindest ins Wanken geraten ist. »Ins Wanken« in dem Sinne, dass auf der einen Seite durchaus viele der Älteren ein solch traditionelles Altern weiterhin leben möchten (vgl. Lou/Chi 2012, S. 56; vgl. David/Hei 2012, S. 140), dass auf der anderen Seite aber viele der Älteren ein anderes, modernes, so wie sie selbst formulieren, Altern leben möchten. So auch die Interviewten: This is a wrong thinking. That’s is old old old time thinking. Diese Interpretation wird auch durch Thangs sowie Mehta/Thangs Studien bestätigt, wenn es heißt: »In a society faced with rapid aging and extended life expantancy, older persons in Singapore are just beginning to see retirement as a new era in their lives that can be quite different from the later life experiences of their own parents« (Thang 2005, S. 307) […] »The cultural ideal of xiang qin fu is no longer sufficient when one is faced with a possible 20 more years – largely with good health – of life after retirement« (vgl. Thang 2005, S. 317). »Teo et al. observed from a study of older persons in Singapore ›that the earlier generations of self-sacrificial grandparents who see the care of grand-children as expected responsibility is giving way to modern-day grandparents who stress their own freedom and space‹« (Mehta/Thang 2012, S. 13). »It was also found that there is more likelihood for grandparents from the more industrialised societies amongst the five nations 7 in the study to illustrate the characteristics of a traditional American grandparent who cherishes individual autonomy and generation7 | Japan, Singapur, Thailand, Malaysia und Hong Kong.

6. Is really anything possible? al independence. […] They differ from the image of a traditional Asian grandparent […] by desiring independence and the freedom to lead their own social lives […]« (Thang/ Mehta 2012, S. 145f.).

Der Club wird in diesem Sinne nun als ein Raum der Clubber konstruiert, der eben ein anderes, modernes Altern verkörpert, bzw. als ein Raum, in dem ein solches Altern stattfinden kann. Es ist ein »Out« im Gegensatz zum »In«, das eben zum einen gerade nicht durch ein traditionelles »nothing« (vgl. Thang 2005, S. 307), sondern vielmehr durch eben eine positive Entwicklung, Aktivität und Unabhängigkeit gekennzeichnet ist. Und es ist ein Out, in dem Altern eben nicht über die familiäre Community sowie damit assoziierte Konflikte, Abhängigkeiten und Verpflichtungen stattfindet, sondern es ist ein Out, in dem ein Altern über Individualität, die Peers, Verständnis und Unabhängigkeiten konstruiert wird. Also: Clubbing = doing new images and forms of ageing.

213

7. »Because we are so modern«

Clubbing als moderne Form sozialer Altenarbeit

Clubbing = doing hybrid organizations, doing micropolitics, doing boundar y work und doing new images and forms of ageing Mit dieser Arbeit wurde der Frage nachgegangen, wie senior citizens clubs alltäglich hergestellt werden, wie diese besondere Form von Sozialität als geteilte Realität durch die sozialen Praktiken der Clubber konstruiert wird und welches Bild des Alterns damit einhergehend konstruiert wird. Als Ergebnis lässt sich für die beiden untersuchten Fälle festhalten, dass Senior-Citizens-Clubbing sich in drei Momenten manifestiert. Senior Citizens Clubbing bedeutet: doing hybrid organizations, doing micropolitics und doing boundary work. Begonnen wurde die Analyse – unter der Annahme, dass auch der Raum etwas über die sozialen Praktiken des Clubbings mitteilen kann – mit einer Raumanalyse. Diese Raumanalyse hat bereits erste Hinweise auf die Momente doing hybrid organizations, doing micropolitics und doing boundary work gegeben, da der Raum zum einen zwischen einer Offenheit – doing hybrid organizations – und einer Geschlossenheit – doing boundary work – oszillierte. Darüber hinaus zeigt sich, dass der Raum u.a. durch das mobile Mobiliar so offen gestaltet war, dass hier vielfältige Settings – doing hybrid organizations, die es miteinander zu arrangieren gilt – doing micropolitics – vorstellbar waren. Im darauffolgenden Kapitel 4 wurden sodann die senior citizens clubs als hybride Organisationen rekonstruiert, wie sie alltäglich von den Clubbern interaktiv und andauernd – »doing« – hergestellt werden. Diese hybride Konstruktion, die Hervorbringung eines offenen Konstrukts, in dem verschiedene Logiken, Orientierungen, Interessen, Handlungsorientierungen, -muster und -praktiken in ein und derselben Organisation existieren, trat dabei auf den verschiedenen Ebenen, die gleichzeitig die wesentlichen Merkmale einer Organisation beschreiben, in Erscheinung: auf den Ebenen Mitgliedschaft, Hierarchien und Finanzierungen. Auf der Ebene der Mitgliedschaft konnte zum einen eine lange Liste an verschiedenen Arten, wie die Clubmitglieder

216

Wanna go Clubbing?

sich selbst inszenieren und in gleichem Maße von den anderen Mitgliedern inszeniert werden, hervorgebracht werden. Zum anderen konnte rekonstruiert werden, dass die Hybridität in ein und derselben Person aufscheint und die verschiedenen Mitgliedschaftsrollen sich ziemlich schnell von Situation verändern. Auf den Ebenen der Hierarchien sowie der Finanzierung konnte ebenso aufgezeigt werden, dass sich hier verschiedene Ordnungen miteinander vermischen. Des Weiteren zeigt sich im darauffolgenden Kapitel 5, dass die Konstruktion dieser hybriden Organisation nicht ohne Konflikte vonstattengeht. Vielmehr offenbart sich, dass kontroverse Debatten wesentlicher Bestandteil des Senior-Citizens-Clubbing-Events sind. Diese Konflikte wurden dabei nicht auf einer individuellen Ebene erklärt, sondern vielmehr auf einer organisationalen Ebene aus der Tatsache heraus, dass hybride Organisationen komplexe Konstrukte sind, da aufgrund der verschiedenen Logiken und Orientierungen, die die Clubber einbringen, auch verschiedene Erwartungen und Annahmen darüber existieren, wie die Dinge zu laufen haben, bzw. ganz basal darüber, was Club eigentlich ist – und diese verschiedenen Orientierungen, Logiken, Annahmen und Erwartungen nicht selten an ihren Grenzen aufeinanderstoßen. Die Analyse zeigte des Weiteren, dass die Clubmitglieder an diesen Grenzen unter mikropolitischen Prozessen immer wieder aushandeln, welche Logiken und Orientierungen im Club welchen Raum zugestanden bekommen. Auf der einen Seite also ein solch offenes Konstrukt, in das vielfältige Orientierungen, Logiken und Interessen integriert werden können, so zeigte sich auf der anderen Seite jedoch auch, dass die Clubmitglieder klare Grenzen ziehen, welche Ordnungen und Logiken in ihrem Club nichts zu suchen haben – und damit eine Form von Grenzarbeit leisten. Dabei handelte es sich um Ordnungen von care und family/home, die wiederum traditionelle und stereotype Altersbilder und Formen des Alterns beschreiben, womit im Umkehrschluss geschlussfolgert wurde, dass die Clubber hier »new images and forms of ageing« herstellen.

Clubbing = eine Form moderner sozialer Altenarbeit In der Einleitung dieser Arbeit wurde davon gesprochen, dass es sich beim Clubbing nicht nur um ein transgenerationales, sondern ebenso um ein transnationales Phänomen handelt. So clubben seniors nahezu überall auf der Welt, ohne dass diese Form der organisierten Freizeitgestaltung aus einem nationalen Kontext heraus zu erklären wäre.1 Wurde nun hier explizit die Region 1 | Der folgende Absatz wurde in ähnlicher Weise bereits veröffentlicht in Oppermann, Carolin (2014): »Because we are so Modern«. Dynamische Ökonomien, dynamische Gesellschaften, dynamische Lebensalter und Lebensphasen und soziale Einrichtungen –

7. »Because we are so modern«

Malaysias in den Blick genommen, so ließe sich an dieser Stelle die Diskussion um eine soziale Arbeit weiterführend in eine ebenso transnationale Perspektive einbetten. Denn es – so lässt sich konstatieren – zeichnen sich transnational Prozesse ab, wie sie klassische Fragen einer Zweiten Moderne berühren. Ohne dabei von kongruenten Prozessen und Konstellationen auszugehen, die global-universelle Gültigkeit beanspruchen könnten, in dem Maße, dass sich Charakteristika der Zweiten Moderne in Europa gänzlich identisch mit jenen in Asien zeigen, sondern diese vielmehr historisch und kulturell vermittelt und beeinflusst sind (zu dieser Diskussion Han/Shim 2010; Beck/Bonß/Lau 2001, S.  24), so lassen sich doch transnational Prozesse beobachten, wie sie z.B. unter dem Schlagwort »Individualisierungsprozesse« verhandelt werden. Individualisierung ist die »›Herauslösung aus historisch vorgegebenen Sozialformen und -bindungen im Sinne traditionaler Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge Freisetzungsdimension‹), [der] Verlust von traditionalen Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswissen, Glauben und leitende Normen Entzauberungsdimension‹) und – womit die Bedeutung des Begriffs gleichsam in ihr Gegenteil verkehrt wird – eine neue Art der sozialen Einbindung (›Kontroll- bzw. Reintegrationsdimension‹)‹« (Beck, zitiert nach Backes 1998, S. 7f.).

Wenn Schweppe nun formuliert, dass »Prozesse der Individualisierung und Biographisierung […] vor dem Alter nicht Halt [machen]« (Schweppe 2005, S. 35), so lässt sich die Argumentation der Individualisierungsthese folgendermaßen unter zweierlei, miteinander verwobenen, Argumentationslinien auf das Alter(n) übertragen. Erstens: Anhand der Analyse, insbesondere in Kapitel 6, lässt sich eindeutig interpretieren, dass die älteren Leute vor allem im städtischen Raum aus allzu oft in asiatischen Gesellschaften idealisierten Familienbindungen (Mehta/Thang 2012, S.  4ff.) – Stichwort: filial piety – freigesetzt sind. Dies kann zum einen bedeuten, dass sie aus diesen Bindungen herausgelöst werden, da sich etwa Einstellungen von Kindern und Enkelkindern gegenüber traditionellen Rollendefinitionen von älteren Menschen ändern (vgl. Lou/ Chi 2012), oder angesichts einer modernisierten Arbeitswelt und einer z.B. daraus folgenden zunehmenden Mobilität der eigenen Kinder traditionelle Rollen und Formen des Alters innerhalb der Familie nicht mehr lebbar sind. Dies kann zum anderen aber auch bedeuten, dass die älteren Menschen sich aktiv aus diesen Bindungen herauslösen wollen und ein verändertes Altern einfordern. Damit werden jedoch auch neue – analytisch gesprochen – Formen der das Beispiel Altern. In: Bähr, Christiane/Homfeldt, Hans Günther/Schröder, Christian/ Schröer, Wolfgang/Schweppe, Cornelia (Hg.): Weltatlas Soziale Arbeit. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 126-143 sowie in Oppermann, Carolin (2012): EinFaltigkeiten, VielFaltigkeiten, EntFaltung: Alter(n) und Diversity. In: neue praxis 4, S. 386-407.

217

218

Wanna go Clubbing?

sozialen Einbindung notwendig bzw. gesucht. Zweitens lässt sich die Individualisierungsthese folgendermaßen auf das Altern übertragen: Innerhalb begrenzender Strukturen – Institutionen sowie Ungleichheiten evozierende Verhältnisse (vgl. Backes 1998, S. 8f.) – entstehen neue Gestaltungsräume für die Lebensphase Alter. Durch Freisetzungsprozesse aus althergebrachten Versorgungszusammenhängen sowie traditionellen Rollenvorgaben ist »das Leben im Alter nicht mehr auf einen standardisierten und abhängigen Lebensentwurf festgelegt« (Schweppe 2005, S. 35); »Alter ist gestaltbar und gestaltungsnotwendig geworden« (Schweppe 2005, S. 35). Alte Menschen haben nun die Möglichkeit, unterliegen aber gleichzeitig auch dem Zwang, ihre Biografie zu entwerfen (vgl. Schweppe 2005, S. 35; Backes 1998, S. 12). Damit ist Abschied zu nehmen von der Annahme von sogenannten Normalbiografien, die die Lebensphase des Alters kennzeichnen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich das Alter(n) als pluralisiert und differenziert offenbart. Auf derartige Prozesse machen z.B. auch Park und Metha/Thang für den asiatischen Raum aufmerksam, wenn sie formulieren: »Recognizing the diversity and complexity of the older group’s characteristics and circumstances is more crucial than ever as seniors’ independent lifestyle is spreading, economic participation increasing, and expectations of later life quality rising« (Park 2008, S. 82). »Asia in the twenty-first century has experienced rapid sociocultural, economic and family transformations as a result of modernisation, urbanisation and demographic ageing. The interaction of these forces has led to dramatic consequences and is ›redefining what it means to grow old in Asia‹« (Metha/Thang 2012, S. 6; zum unmittelbaren Bezug zur Individualisierungsthese siehe Metha/Thang 2012, S. 9).

Nicht zuletzt lässt sich zudem auch die Interviewaussage »Because we are so modern« in diesem Kontext lesen (vgl. hierzu weiter Oppermann 2014). Während also auf einer analytischen Ebene, d.h. in einem analytischen Zugang, die Sache klar zu sein scheint, dass es neue Arten der sozialen Einbindung (Kontroll- bzw. Reintegrationsdimension) geben muss, die wiederum einer Vielfalt an Altersformen Rechnung tragen muss, scheint auf anderen Ebenen mit dieser Entwicklung – ebenso in transnationaler Perspektive – bis dato selten Schritt gehalten worden zu sein. Dies lässt sich mit Böhnisch nicht nur für die gesellschaftliche Ebene in der »anomische[n] Spannung zwischen System- und Sozialintegration« (Böhnisch 2012, S. 272) konstatierten, sondern ebenso auf einer explizit organisational-programmatischen Ebene, wenn es etwa darum geht, wie Freizeitorganisationen für ältere Menschen ausgestaltet sein könnten. Auf dieser Ebene sind immer noch nicht selten homologisierende, stereotypisierende und stigmatisierende Altersbilder am Werk, die die An-

7. »Because we are so modern«

gebote leiten und die alte Menschen als einheitliche Gruppe mit den gleichen Bedürfnissen wahrnehmen, die bestimmte Eigenschaften und Verhaltenserwartungen, die mit dem Alter assoziiert werden, automatisch und ungeprüft auf ältere Menschen übertragen (vgl. Clemens 2004, S. 18; Filipp/Mayer 2005, S. 26) und »alle[…] individuellen Merkmale unter das mit alt verbundene Deutungs- und Bewertungssystem« (Backes/Clemens 2013, S. 150) unterordnen. Diese herrschenden Altersbilder lassen sich auf zwei nahezu entgegengesetzten Polen verorten: auf der einen Seite das negative Bild, wonach alte Menschen krank, gebrechlich und defizitär sind, und auf der anderen Seite das positive Bild, das alte Menschen als fit, aktiv, produktiv und frei beschreibt. Diese beschränkende Herangehensweise lässt sich z.B. in dem in der Einleitung abgetragenen Diskurs um senior citizens clubs und center konstatieren, wenn es etwa auf der einen Seite immer wieder um die Bedeutung der senior citizens clubs und center als wesentliche präventive Maßnahme zur Vermeidung einer Pflegebedürftigkeit geht, da die Clubs und center angenommene altersspezifische Defizite kompensieren können; und wenn auf der anderen Seite hingegen nun angesichts des Alterns der sogenannten Babyboomer, die nun als aktiv, unabhängig, produktiv und jung homologisiert werden, der Ruf nach eine Neugestaltung der Clubs und center laut wird, da diese neue Gruppe der Älteren ja nun einmal gänzlich andere Bedürfnisse hat. Für eine programmatische Ebene im Kontext einer hiesigen sozialen Altenarbeit formulieren auch Otto/Schweppe: »Die bisherige Altenarbeit hat es versäumt, auf die mit den gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen verbundenen qualitativen und quantitativen Veränderungen, die neuen Anforderungen, denen die heutigen Altengenerationen gegenüber gestellt sind und die Heterogenisierung der Altersphase zu reagieren. […] Eine Neuorientierung ist gefragt, […] will sie nicht anachronistisch bleiben und ihre Maßnahmen auf eine kleine Zielgruppe reduzieren.« (Otto/Schweppe 1996, S. 54f.).

So konstatiert Schweppe weiterführend, dass in diesem Versäumnis das Leitbild auf der einen Seite eben das Defizitmodell des Alters ist und die soziale Altenarbeit, die damit einhergeht, sich nach der Idee eines »›betreuten Alters‹« (Schweppe 2012, S. 507) richtet: »In Situationen liebevollen Umsorgtseins mittels organisierter Geselligkeit und Angeboten der Unterhaltung und Zerstreuung sollten Abwechslung und Lebensfreude in den Alltag alter Menschen gebracht werden. […] Der Diavortrag verbunden mit dem gemeinsamen Kaffeetrinken ist der Inbegriff einer so verstandenen Altenarbeit« (Schweppe 2012, S. 507).

219

220

Wanna go Clubbing?

Auf der anderen Seite orientiere man sich an dem aus der Aktivitätstheorie abgeleiteten Leitbild des aktiven Seniors (vgl. Schweppe 2012, S.  507). Das Mantra sei hier: Aktivität um jeden Preis! So Schweppe: »Angesichts der neu entdeckten Potenzialitäten des Alters sollen alte Menschen (grenzenlos) motiviert und aktiviert werden […]. Altenarbeit versteht sich nach diesem Modell als eine Art ›Animationsagentur‹ […], die die Alten auf die Jagd zu immer Neuem schickt« (Schweppe 2012, S. 507). Ein dritter Weg, der diskutiert wird, und der den Vielfältigkeiten des Alter(n)s Rechnung tragen soll, kristallisiert sich zunehmend heraus. Dabei handelt es sich zum einen um eine biografieorientierte Altenarbeit, bei der es um ein »methodisch-kontrollierte[s] Fremdverstehen« (Schweppe 1996, S.  256) geht. Biografieorientierung wird nach Schweppe als ein Leitprinzip formuliert, das »gewissermaßen quer zu allen anderen [liegt], […] ihnen übergeordnet [ist], und […] allen weiteren Überlegungen als Ausgangs- und Orientierungspunkt [dient]« (Schweppe 1998, S. 328). Biografieorientierung impliziert des Weiteren: »Biographieorientierung bedeutet zum einen, Zugang zu dem von älteren Menschen individuell erzeugten Lebenssinn, zu ihren Deutungs- und Handlungsmustern, ihrem Eigensinn zu finden. Biographieorientierung bedeutet zum anderen, die Subjekte für sich sprechen zu lassen, d.h. ihre jeweilige Lebenssituation aus ihrer Sicht nachzuvollziehen, zu rekonstruieren und Zugang zu den unter der Erscheinungsebene liegenden biographischen Mustern und Strukturen, die das Handeln der Betroffenen leiten und durch die erklärbar wird, warum sie so und nicht anders handeln, zu bekommen« (Schweppe 1998, S. 328).

Zum anderen werden neben dieser pädagogisch-geleiteten Biografieorientierung in der Debatte um eine freizeitorientierte Altenarbeit weitere, jedoch mehr allgemein gehaltene Forderungen formuliert, um den Vielfältigkeiten des Alterns Rechnung zu tragen. So formuliert Kolland: »Präventive Altenarbeit sollte – auch angesichts der Heterogenität der älteren Menschen – Situationen schaffen, Gelegenheiten eröffnen und Kontakte ermöglichen, ohne sich des älteren Menschen zu bemächtigen« (Kolland 2000, S. 182). Es gehe darum, Orte zu schaffen, in denen alte Menschen in ihrer alltäglichen Lebensführung nicht nur zu Anpassung an Organisationen und ihre Abläufe gezwungen werden (vgl. Böhnisch 1999, S. 130). Und Karl/Kolland geben in der akteursbezogenen Bestimmung von Freizeit zudem zu bedenken, dass es ohnehin geradezu unmöglich sei, Freizeitangebote von der Angebotsseite aus zu bestimmen, und hinterfragen eine soziale Altenarbeit, die oftmals von den institutionellen Bedingungen gesteuert wird, denen sich die alten Leute zu unterwerfen haben (vgl. Karl/Kolland 2010, S. 79).

7. »Because we are so modern«

Innerhalb dieser Debatte kann nun die vorliegende Arbeit um ein SeniorCitizens-Clubbing, in der nun konsequent die Perspektive der alten Menschen eingenommen und analysiert wurde, wie sie gemeinsam eine organisierte Freizeit gestalten, sowohl in einer transnationalen Perspektive als auch für die hiesige Diskussion eine erweiterte Perspektive und weitere Impulse dahingehend liefern, wie eine soziale Altenarbeit, die neue Formen einer sozialen Einbindung bietet, gleichzeitig homologisierende, stereotypisierende und stigmatisierende Altersbilder überwindet und den Vielfältigkeiten des Alter(n)s Rechnung trägt, konkret ausgestaltet sein könnte. Denn Senior-Citizens-Clubbing, wie es hier rekonstruiert werden konnte, stellt dafür ein exzellentes Beispiel dar und lässt sich innerhalb der diskutierten Individualisierungsprozesse als eine moderne Form der sozialen Arbeit verstehen. Wäre es daran, hier ein pädagogisches Programm zu formulieren, so ließe sich dieses in Analogie zu Böhnischs/Münchmeiers Überlegungen zu Jugendhäusern und Jugendclubs konsequent und allein auf die Formel bringen: »Räume zur Verfügung stellen« (Böhnisch/Münchmeier 1990, S. 121ff.). Es ginge darum, Räume zur Verfügung zu stellen, in denen sich die älteren Menschen selbst eine neue Form der sozialen Einbindung schaffen, indem sie diese nach ihren je individuellen Bedürfnissen, Wünschen, Ideen und biografieorientiert gestalten können. Es ginge damit darum – wie oben beschrieben – Gelegenheiten zu schaffen, ohne sich der älteren Menschen zu bemächtigen, ohne sie institutionellen Zwängen und Vorgaben auszusetzen, ohne sie an die Anpassung an organisationale Abläufe und Gegebenheiten zu zwingen, sondern sie vielmehr, anders als es Zeman formuliert, in diesen Räumen »einfach ›Gewährenlassen‹« (Zeman 1998, S. 315). Mag sein, dass, so wie es Böhnisch/Münchmeier für die Jugendarbeit formulieren, dann die Häme auch für die soziale Altenarbeit gewiss wäre: »Wollt Ihr Euch zu bloßen Raumwärtern degradieren lassen, Räume den Gruppen überlassen, die sonst nichts miteinander zu tun haben und auch nicht wissen, was sie damit anfangen sollen?« (Böhnisch/Münchmeier 1990, S.  123). Wenn Böhnisch/Münchmeier als Antwort auf diese Frage die neue Frage formulieren »Was kann sich mit der Zeit aus einer solchen scheinbar nur funktionalen Raumnutzung entwickeln?« (Böhnisch/Münchmeier 1990, S. 124), so gibt diese Arbeit eine Antwort darauf. Als Ergebnis, darauf verweist die Analyse, offenbart sich die Konstruktion einer hybriden Organisation. Auf der Ebene »Mitgliedschaft« zeigt sich, dass die älteren Menschen eben nicht in vordefinierten Rollen – etwa als zu umsorgender alter Mensch, der Kaffee trinkt und Dias anschaut oder als stets zu aktivierender Senior – Mitglieder des senior citizens clubs sind, sondern sich vielmehr auf ihre individuellen Weisen und ihren Wünschen gemäß integrieren (können). Dies kann bedeuten, in einem individuellen Wunsch nach Kontinuität bereits bekannte Rollen in einem neuen Kontext zu leben, wie die Beispiele um den Senior Executive Manager Mr. Chu, die Workaholic Grace, den

221

222

Wanna go Clubbing?

Organisationsberater Aang oder die Managerin Evelyn zeigen. Es kann aber auch in einem individuellen Wunsch nach Wandel bedeuten, etwas ganz Neues auszuprobieren, wie z.B. nun die Rolle eines development officers auszuführen, eine zweite Karriere als Reporterin hinzulegen oder »Train the Trainer« zu werden (vgl. Böhnisch 2012, S. 283f.). Und Clubbing kann ebenso bedeuten, heute dem Wunsch nach »selbstbestimmter Aktivität« (Böhnisch 2012, S. 283) nachzugehen und seine Rollen zu leben bzw. sich seine Rollen zu schaffen, und morgen dem Wunsch nach »selbstgewähltem Rückzug« (Böhnisch 2012, S. 283) nachzugehen, »nur« offen zu clubben oder gar nicht zu kommen. Auf der Ebene »Hierarchie« zeigt sich ebenso, dass die älteren Menschen sich hier nicht bereits vordefinierten institutionalisierten Strukturen zu unterwerfen haben. Vielmehr konstruieren sie gemeinsam, wenn auch unter Aushandlungsprozessen, eine für ihre Organisation passende hierarchische Ordnung. Und auf der Ebene der Finanzierung zeigt sich, dass hier abermals die älteren Menschen eben nicht »institutionellen Bedingungen bzw. (nicht) vorhandene[n] Ressourcen, die das Angebot steuern« (Karl/Kolland 2010, S. 79), unterliegen; vielmehr schafft das offene Konzept die Möglichkeit (aber wohl auch den Zwang), den Club mithilfe vielfältiger Ideen gemeinsam zu finanzieren. Weiterhin lässt sich aus der Analyse der mikropolitischen Aushandlungsprozesse weiterführend formulieren, dass die senior citizens clubs eben keine Konstrukte sind, in denen von vornherein glasklar ist, was hier möglich bzw. unmöglich ist. Vielmehr können vielfältige Logiken, Interessen und Ideen darüber, was Club sein soll, zunächst eingebracht werden, woraufhin die älteren Menschen selbst aushandeln, ob und welchen Raum diese Logiken, Interessen und Ideen im Club erhalten. Und schließlich lässt sich sagen, dass die senior citizens clubs solche Konzepte sind, in denen die älteren Menschen gemeinsam zusammen bestimmen, welche Orientierungen und Logiken im Club ihren Raum haben und welche nicht – while doing boundary work. Dass hier mit der Formulierung »Räume zur Verfügung stellen« (Böhnisch/Münchmeier 1990, S. 121) abermals eine Parallelität zu einem Clubbing in der Lebensphase der Jugend gezogen wird, scheint dabei kein Zufall. Denn wenn Saake die Fragen aufwirft: »Oder gibt es auch Situationen, in denen alte Menschen genau das tun, was junge Menschen oder gesellschaftlich integrierte Menschen auch tun? […] Welche Parallelen gibt es zwischen den alten Menschen der Altersforschung mit ihren ›klassischen Problemen‹ (Funktionslosigkeit, Ausgrenzung, unklare Identität) und anderen am Arbeitsmarkt systematisch nicht inkludierten Personengruppen?« (Saake, zitiert nach Böhnisch 2010, S. 193),

so lässt sich wie folgt weiter ausführen: Während die Lebensphase des Erwachsenenalters deutlich durch Funktionen und Rollen und weniger durch

7. »Because we are so modern«

sozialräumliche Kontexte geprägt ist (vgl. Böhnisch/Schröer 2010), so ist eine Parallelität zwischen Kindheit, Jugend und Alter darin zu sehen, dass für die Lebensphasen, »die noch nicht oder nicht mehr durch institutionalisierte Rollen und Funktionen strukturiert und positioniert sind, die soziale Verfügung über Räume entwicklungsnotwenig ist« (Böhnisch 2012, S. 277). Eine Differenz formuliert Böhnisch jedoch gleichsam: »Was das Kindes- und Jugendalter und die ihnen zugeordnete Sozialpädagogik anbelangt, so ist diese Erkenntnis fachliches Allgemeingut geworden. Beim Alter tut man sich da vor allem deshalb schwerer, weil der Zusammenhang von Alter und Entwicklung […] zwar inzwischen wissenschaftlich bestätigt […], sozial und gesellschaftlich aber noch längst nicht anerkannt, geschweige denn in unser Alltagsverständnis übergegangen ist« (Böhnisch 2012, S. 277).

Wenn nun Jugendzentren und Jugendclubs in diesem Zusammenhang als Räume »im sozialräumlich erweiterten Lebenszusammenhang von Familie und Schule, in dem Verhalten und Erleben über das dort Mögliche oder Zugelassene hinaus realisierbar ist« (Böhnisch/Münchmeier 1990, S. 120), gedeutet werden, so ließe sich in Analogie dazu auch für die Lebensphase Alter – obwohl selbstverständlich ist, dass Kindheit, Jugend und Alter unterschiedliche Entwicklungen erleben und bearbeiten – formulieren, dass es darum geht, Räume zur Verfügung zu stellen, in denen zum einen Verhalten und Erleben über das Mögliche und Zugelassene in Familie, Häuslichkeit oder stereotypisierenden Alteneinrichtungen realisierbar ist, und in denen zum anderen – auf die Spitze getrieben – Verhalten und Erleben über das für das Alter gesellschaftlich Mögliche und Zugelassene hinaus realisierbar ist – wie etwa Räume und Organisationen selbstbestimmt zu gestalten und sich in selbst gewählten Rollen, die so gesellschaftlich nicht mehr ohne Weiteres lebbar wären, zu integrieren. Abschießend lässt sich damit formulieren, dass sich – und damit wird zur Einleitung zurückgekehrt – senior citizens clubs, wenn sie nicht von vornherein durch eine Altersbrille betrachtet werden und damit nicht nur als Konstrukte verstanden werden, die entweder auf stereotypisierende altersspezifische Defizite reagieren und damit scheinbar hilfsbedürftigen Alten Hilfe bieten oder stereotypisierende altersspezifische Aktivitätssehnsüchte bedienen, hier noch einmal ganz neu verstehen lassen. Senior citizens clubs sind – so, wie sie hier rekonstruiert werden konnten – vielmehr Konstrukte, die sowohl die Notwendigkeit neuer sozialer Einbindungen als auch die entwicklungsbezoge Raumnotwenigkeit als Form der Lebenserweiterung, die sich für das Alter ergeben, als auch die Vielfältigkeiten, die das individualisierte Altern hervorbringt, miteinander verknüpfen. Senior-Citizens-Clubbing lässt sich damit als eine Form der Lebensstilaktivierung, so wie es Böhnisch benennt (vgl. Böhnisch 2012, S. 283), deuten. Lebensstilaktivierung lässt sich als genuiner Bestandteil einer

223

224

Wanna go Clubbing?

sozialen Arbeit verstehen, denn: »Lebensstile symbolisieren Teilhabe und Zugehörigkeit zum Gesellschaftlichen von unter her, vor allem dann, wenn von der Gesellschaft über ihre starren und defizitär formulierten Altersrollen keine sozialintegrativen Impulse für das Alter ausgehen« (Böhnisch 2012, S. 285). Die letzten Worte meiner Arbeit sollen nun »meinen« Clubbern sowie mir auf einer persönlichen Ebene gehören. Auch wenn es etwas rührselig anmutet, so sei dies doch an dieser Stelle erlaubt: This club has done--is, is, is--has, uh, done a lot for me, my personal life. Und für mich persönlich auch.

8. Dank

In den letzten vier Jahren habe ich mich nicht nur wissenschaftlich mit dem Thema »Soziale Unterstützung« auseinandergesetzt. Vielmehr habe ich auch alltäglich aufs Eindrücklichste erfahren dürfen, was »soziale Unterstützung« bedeutet. Und so möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, mich bei all den Menschen zu bedanken, ohne deren Unterstützung diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Als Erstes bedanke ich mich ganz herzlich bei »meinen Clubbern«. Ich danke dafür, dass ich so herzlich aufgenommen wurde, für die Gastfreundschaft, für die Offenheit und dafür, dass ich alle Facetten des Clublebens kennenlernen durfte. Der letzte Satz meiner Arbeit ist keine leere Formel – es waren tolle Erfahrungen im Club, die mich immer wieder zum Lachen und zum Nachdenken gebracht und zur Selbstreflexion angehalten haben. Des Weiteren möchte ich meinen beiden Betreuern Wolfgang Schröer und Cornelia Schweppe aus ganzen Herzen bedanken. Danke, dass ich bei Euch diese Arbeit schreiben durfte, danke für anregende und weiterführende Diskussionen und Beratungen und den steten Rückhalt. Einen großen Beitrag zur Entstehung dieser Dissertation haben zudem zahlreiche Kollegen geleistet, die in anregenden Interpretationsgruppen und Gesprächen wesentliche Ideen geliefert haben, ohne die ich oft verzweifelt wäre. Danke meinem Hildesheimer Kolleg, Stephan Wolff, Hanna Rettig, Rajalakshmi Kanagavel, Lucia Artner, Alice Altissimo, Annett Bochmann, Elke Kaufmann, Andreas Herz und den Mainzer Kollegen. Danke ebenso meiner IGruppe, bestehend aus Julia Schröder, Christiane Bähr, Fabian Brückner und Britta Karner. Rajee, Julia, Hanna: Ich danke Euch vor allem für Eure emotionale Unterstützung. Große Unterstützung habe ich zudem von meinen Freunden erhalten: von Johanna Wolf, Monika Kowalak, Janka Lampe, Diana Delelis, Jolanta Voß, Christina Michael und meinen Mädels Annika Egbers, Annika Hegmanns, Kathrin Vogel, Melanie Buskohl, Britta Seeberger und Simone Matz. Besonderer Dank gilt Britta, Melanie und Simone, die mir mit ihrer Englisch-Expertise mehr als einmal weiter geholfen haben, die Dinge richtig zu verstehen. Euch

226

Wanna go Clubbing?

allen insgesamt: Danke, dass ihr Euch immer meine Clubgeschichten angehört habt, danke für den guten Zuspruch – danke für Eure Freundschaft. Der größte Dank gilt meiner Familie Dorothea und Klaus Oppermann, Stephanie, Robert und Amelie Michael, Rudolph und Frieda Siekmeier, Ulrich und Astrid Ritter, Renate und Michael Seizinger, Sina Ritter und Malte Scholz. Ihr habt mir immer den Rücken freigehalten und immer an mich geglaubt. Ich bin sehr froh, dass ich Euch habe. Ohne Eure Unterstützung, ohne Euer Interesse, ohne Eure Motivation würde es diese Arbeit nicht geben. Danke Mama und Papa, dass ich diese Arbeit schreiben konnte. André, Charlotte und Anna Sophie Ritter: Was soll ich sagen. Was wäre ich ohne Euch. Ich liebe Euch.

9. Bibliografie

Aday, Ronald H./Kehoe, Gayle C./Farney, Lori A. (2006): Impact of Senior Center Friendships on Aging Women Who Live Alone. In: Journal of Women & Aging 18 (1), S. 57-73. Adler, Patricia A./Adler, Peter (1994): Observational Techniques. In: Denzin, Norman K./Lincoln, Yvonna S. (Hg.): Handbook of Qualitative Research. Thousand Oaks/London/New Delhi: Sage, S. 377-392. Adloff, Frank (2005): Zivilgesellschaft. Theorie und politische Praxis. Frankfurt/New York: Campus Verlag. Aiken, Mike (2010): Social enterprises: Challenges from the field. In: Billis, David (Hg.): Hybrid Organizations and the Third Sector. Challenges for Practice, Theory and Policy. Hampshire: Palgrave, S. 153-174. Amann, Klaus/Hirschauer, Stefan (1997): Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Programm. In: Amann, Klaus/Hirschauer, Stefan (Hg.): Die Befremdung der eigenen Kultur. Zur ethnographischen Herausforderung soziologischer Empirie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 7-52. Anheier, Helmut K. (1992): Voluntary Associations in den Vereinigten Staaten. In: Zimmer, Annette (Hg.): Vereine heute – zwischen Tradition und Innovation. Ein Beitrag zur Dritten-Sektor-Forschung. Basel/Boston/Berlin: Birkhäuser Verlag, S. 257-275. Apelt, Maja/Tacke, Veronika (2012): Handbuch Organisationstypen. Wiesbaden: Springer. Atkinson, Paul/Hammersley, Martyn (1994): Ethnography and Participant Observation. In: Denzin, Norman K./Lincoln, Yvonna S. (Hg.): Handbook of Qualitative Research. Thousand Oaks/London/New Delhi: Sage, S. 248261. Backes, Gertrud M./Clemens, Wolfgang (2013): Lebensphase Alter. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Alternsforschung. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. Backes, Gertrud M. (1998): Individualisierung und Pluralisierung der Lebensverhältnisse: Familie und Alter im Kontext der Modernisierung. In: Zeitschrift für Familienforschung 10 (2), S. 5-29.

228

Wanna go Clubbing?

Beck, Ulrich/Bonß, Wolfgang/Lau, Christoph (2001): Theorie reflexiver Modernisierung – Fragestellungen, Hypothesen, Forschungsprogramme. In: Beck, Ulrich/Bonß, Wolfgang (Hg.): Die Modernisierung der Moderne. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 11-59. Bergmann, Jörg R. (1985): Flüchtigkeit und methodische Fixierung sozialer Wirklichkeit. In: Bonß, Wolfgang/Hartmann, Heinz (Hg.): Entzauberte Wissenschaft. Zur Relativität und Geltung soziologischer Forschung. Göttingen: Verlag Otto Schwartz & Co., S. 299-320. Bergner, Elisabeth (2002): »Ich war da« – Überlegungen zur Authentizität von Daten teilnehmender Beobachtung. In: Schaeffer, Doris/Müller-Mundt, Gabriele (Hg.): Qualitative Gesundheits- und Pflegeforschung. Bern/Göttingen/Toronto/Seattle: Verlag Hans Huber, S. 375-389. Billis, David (2010): From welfare bureaucracies to welfare hybrids. In: Billis, David (Hg.): Hybrid Organizations and the Third Sector. Challenges for Practice, Theory and Policy. Palgrave: Hampshire, S. 3-24. Billis, David (2010)²: Towards a theory of hybrid organizations. In: Billis, David (Hg.): Hybrid Organizations and the Third Sector. Challenges for Practice, Theory and Policy. Hampshire: Palgrave, S. 46-69. Böhnisch, Lothar (2012): Sozialpädagogik der Lebensalter. Eine Einführung. Weinheim/Basel: Beltz Juventa. Böhnisch, Lothar (2010): Alter, Altern und Soziale Arbeit – ein sozialisatorischer Bezugsrahmen. In: Aner, Kirsten/Karl, Ute (Hg.): Handbuch Soziale Arbeit und Alter. Wiesbaden: VS Verlag, S. 187-193. Böhnisch, Lothar (1999): Altern als biographischer Prozeß. In: Lenz, Karl/Rudolph, Martin/Sickendiek, Ursel (Hg.): Die alternde Gesellschaft. Problemfelder gesellschaftlichen Umgangs mit dem Altern und Alter. Weinheim/ München: Juventa, S. 121-135. Böhnisch, Lothar/Münchmeier, Richard (1990): Pädagogik des Jugendraums. Zur Begründung und Praxis einer sozialräumlichen Jugendpädagogik. Weinheim/München: Juventa. Böhnisch, Lothar/Schröer, Wolfgang (2010): Soziale Räume im Lebenslauf. In: sozialraum.de 2 (1), URL: www.sozialraum.de/soziale-raeume-im-lebenslauf.php, Datum des Zugriffs: 11.05.2015. Borggrefe, Carmen/Cachay, Klaus/Thiel, Ansgar (2012): Der Sportverein als Organisation. In: Apelt, Maja/Tacke, Veronika (Hg.): Handbuch Organisationstypen. Wiesbaden: Springer VS, S. 307-325. Bortz, Jürgen/Döring, Nicola (2002): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin/Heidelberg/New York/Barcelona/Hongkong/London/Mailand/Paris/Tokio: Springer. Bosetzky, Heinrich (1972): Die instrumentelle Funktion der Beförderung. In: Verwaltungsarchiv 63 (4), S. 372-384.

9. Bibliografie

Brandsen, Taco/Karré, Philip Marcel (2013): The Inexorable Rise of Hybrid Organizations in The Netherlands. In: Zimmer, Annette (Hg.): Civil Societies Compared: Germany and the Netherlands. Baden-Baden: Nomos, S.  177195. Brandsen, Taco/van de Donk, Wim/Putters, Kim (2005): Griffins or Chameleons? Hybridity as a Permanent and Inevitable Characteristic of the Third Sector. In: International Journal of Public Administration 28 (9/10), S. 749765. Clemens, Wolfgang (2004): Alter. In: Krüger, Heinz-Hermann/Grunert, Cathleen (Hg.): Wörterbuch Erziehungswissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag, S. 17-22. Cloos, Peter/Schulz, Marc (2011): Forschende Zugänge zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit. In: Schmidt, Holger (Hg.): Empirie der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 239-268. Cloos, Peter/Köngeter, Stefan/Müller, Burkhard/Thole, Werner (2007): Die Pädagogik der Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Cloos, Peter/Thole, Werner (2005): Qualitativ-rekonstruktive Forschung im Kontext der Sozialpädagogik. In: Schweppe, Cornelia/Thole, Werner (Hg.): Sozialpädagogik als forschende Disziplin. Theorie, Methode, Empirie. Weinheim/München. Juventa Verlag, S. 71-95. Corbin, Juliet M. (2002): Participant Observations of a Participant Observer. In: Rowles, Graham D./Schoenberg, Nancy E. (Hg.): Qualitative Gerontology. A Contemporary Perspective. New York: Springer, S. 93-108. Cornforth, Chris/Spear, Roger (2010): The governance of hybrid organizations. In: Billis, David (Hg.): Hybrid Organizations and the Third Sector. Challenges for Practice, Theory and Policy. Hampshire: Palgrave, S. 70-90. David, Maya Khemlani/Hei, Kuang Ching (2012): Empowering Self-disclosure: The Active Post-retiree Life Accounts of Malaysian and Singaporean Senior Citizens. In: Mehta, Kalyani K./Thang, Leng Leng (Hg.): Experiencing Grandparenthood. An Asian Perspective. Dordrecht/Heidelberg/London/ New York: Springer, S. 129-143. Deinet Ulrich (2009): Der offene Bereich als Aneignungs- und Bildungsraum. In: sozialraum.de 1 (2), URL: www.sozialraum.de/der-offene-bereich-alsaneignungs-und-bildungsraum.php, Datum des Zugriffs: 17.06.2015 Deinet, Ulrich/Sturzenhecker, Benedikt (2005) (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Delamont, Sara (2010): Ethnography and Participant Observation. In: Seale, Clive/Gobo, Giampietro/Gubrium, Jaber F./Silverman, David (Hg.): Qualitative Research Practice. Los Angeles/London/New Delhi/Singapore/Washington D.C.: Sage, S. 205-217.

229

230

Wanna go Clubbing?

Dellwing, Michael/Prus, Robert (2012): Einführung in die interaktionistische Ethnografie. Soziologie im Außendienst. Wiesbaden: Springer VS Verlag für Sozialwissenschaften. Eigmüller, Monika (2006): Der duale Charakter der Grenze. Bedingungen einer aktuellen Grenztheorie. In: Eigmüller, Monika/Vobruba, Georg (Hg.): Grenzsoziologie. Die politische Strukturierung des Raumes. Wiesbaden: VS Verlag, S. 55-73. Ellis, Carolyn/Adams, Tony E./Bochner, Arthur P. (2010): Autoethnografie. In: Mey, Günter/Mruck, Katja (Hg.): Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Wiesbaden: VS Verlag, S. 345-357. Emerson, Robert M./Fretz, Rachel I./Shaw, Linda L. (2001): Participant Observation and Fieldnotes. In: Atkinson, Paul/Coffey, Amanda/Delamont, Sara/ Lofland, John/Lofland, Lyn (Hg.): Handbook of Ethnography. London/ Thousand Oaks/New Delhi: Sage, S. 352-368. Evers, Adalbert/Ewert, Benjamin (2010): Hybride Organisationen im Bereich sozialer Dienste. Ein Konzept, sein Hintergrund und seine Implikationen. In: Klatetzki, Thomas (Hg.): Soziale personenbezogene Dienstleistungsorganisationen. Soziologische Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag, S. 103128. Evers, Adalbert/Laville, Jean-Luois (2005): Social services by social enterprises: on the possible contributions of hybrid organizations and a civil society. In: Evers, Adalbert/Laville, Jean-Louis (Hg.): The Third Sector in Europe. Cheltenham/Northampton: Edward Elgar, S. 237-255. Evers, Adalbert/Rauch, Ulrich, Stitz, Uta (2002): Von öffentlichen Einrichtungen zu sozialen Unternehmen. Hybride Organisationsformen im Bereich sozialer Dienstleistungen. Berlin: Sigma. Filipp, Sigrun-Heide/Mayer, Anne-Kathrin (2005): Zur Bedeutung von Altersstereotypen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 49-50, S. 25-31. Fitzpatrick, Tanya R./McCabe, James (2008): Future Challenges for Senior Center Programming to Serve Younger and More Active Baby Boomers. In: Activities, Adaptation & Aging 32 (3/4), S. 198-213. Flick, Uwe (2010): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek: Rowohlt. Flick, Uwe (1995): Triangulation. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Keupp, Heiner/von Rosenstiel, Lutz/Wolff, Stephan (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz, S. 432-434. Froschauer, Ulrike (2002): Artefaktanalyse. In: Kühl, Stefan/Strodtholz, Petra (Hg.): Methoden der Organisationsforschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 361-395. Gans, Herbert J. (1999): The Participant-Observer as a Human Being: Observations on the Personal Aspects of Field Work. In: Bryman, Alan/Robert

9. Bibliografie

Burgess G. (Hg.): Qualitative Research II. London/Thousand Oaks/New Delhi: Sage, S. 39-54. Gieryn, Thomas F. (1983): Boundary-Work and the Demarcation of Science from Non-Science: Strains and Interests in Professional Ideologies of Scientists. In: American Sociological Review 48 (6), S. 781-795. Gieryn, Thomas F. (1999): Cultural Boundaries of Science. Credibility on the Line. Chicago/London: The University of Chicago Press. Gildemeister, Regine (2010): Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Becker, Ruth/Kortendieck, Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. Wiesbaden: VS Verlag, S. 137-145. Glänzel, Gunnar/Schmitz, Björn (2012): Hybride Organisationen – Spezialoder Regelfall? In: Anheier, Helmut K./Schröer, Andreas/Then, Volker (Hg.): Soziale Investitionen. Interdisziplinäre Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag, S. 181-203. Goffman, Erving (1989): On fieldwork. In: Journal of Contemporary Ethnography 18 (2), S. 123-132. Goffman, Erving (1971): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Grundei, Jens (2004): Top Management (Vorstand). In: Schreyögg, Georg/Werder, Axel v. (Hg.): Handbuch Unternehmensführung und Organisation. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 1441-1449. Gubrium, Jaber F. (1997): Living and Dying at Murray Manor. The University Press of Virginia. Hammersley, Martyn/Atkinson, Paul (2007): Ethnography. Principles in practice. London/New York: Routledge. Han, Sang-Jin/Shim, Young-Hee (2010): Redefining second modernity for East Asia: a critical assessment. In: The British Journal of Sociology 61, H. 3, S. 465-488. Hashimoto, Akiko/Ikels, Charlotte. (2005): Filial Piety in Changing Asian Societies. In: Johnson, Malcom L. (Hg.): The Cambridge Handbook of Age and Ageing. Cambridge: University Press, S. 437442. Hasmanová Marhánková, Jaroslava (2011): Leisure in Old Age: Disciplinary Practices Surrounding the Discourse of Actice Ageing. In: International Journal of Ageing and Later Life 6 (1), S. 5-32. Heinze, Rolf G./Schneiders, Katrin/Grohs Stephan (2011): Social Entrepreneurship im deutschen Wohlfahrtsstaat – Hybride Organisationen zwischen Markt, Staat und Gemeinschaft. In: Hackenberg, Helga/Empter, Stefan (Hg.): Social Entrepreneurship – Social Business: Für die Gesellschaft unternehmen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 86-102. Hirschauer, Stefan (2002): Grundzüge der Ethnographie und die Grenzen verbaler Daten. In: Schaeffer, Doris/Müller-Mundt, Gabriele (Hg.): Qualitative

231

232

Wanna go Clubbing?

Gesundheits- und Pflegeforschung. Bern/Göttingen/Toronto/Seattle: Verlag Hans Huber, S. 35-46. Hirsch-Kreinsen, Hartmut (2005): Wirtschafts- und Industriesoziologie. Grundlagen, Fragestellungen, Themenbereiche. Weinheim/München: Juventa. Hitzler, Ronald (2006): Ethnografie. In: Bohnsack, Ralf/Marotzki, Winfried/ Meuser, Michael (Hg.): Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich, S. 48-51. Honer, Anne (1994): Einige Probleme lebensweltlicher Ethnographie. In: Schröer, Norbert (Hg.): Interpretative Sozialforschung. Auf dem Weg zu einer hermeneutischen Wissenssoziologie. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 85-106. Hopf, Christel (2009): Qualitative Interviews – ein Überblick. In: Flick, Uwe/ von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, S. 349-360. Hostetler, Andrew J. (2011): Senior Centers in the Era of the »Third Age«: Country Clubs, Community centers, or Something Else? In: Journal of Aging Studies 25 (2), S. 166-176. Jäger, Wieland/Schimank, Uwe (2005) (Hg.): Organisationsgesellschaft. Facetten und Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag. Karl, Ute/Kolland, Franz (2010): Freizeitorientierte Soziale Arbeit mit älteren und alten Menschen. In: Aner, Kirsten/Karl, Ute (Hg.): Handbuch Soziale Arbeit und Alter. Wiesbaden: VS Verlag, S. 77-85. Kette, Sven (2012): Das Unternehmen als Organisation. In: Apelt, Maja/Tacke, Veronika (Hg.): Handbuch Organisationstypen. Wiesbaden: Springer VS, S. 21-42. Kirchner, Christian (2004): Managerialismus. In: Schreyögg, Georg/Werder, Axel v. (Hg.): Handbuch Unternehmensführung und Organisation. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 805-813. Koch-Straube, Ursula (1997): Fremde Welt Pflegeheim. Eine ethnologische Studie. Bern/Göttingen/Toronto/Seatle: Verlag Hans Huber. Kolland, Franz (2000): Freizeit. In: Wahl, Hans-Werner/Tesch-Römer, Clemens (Hg.): Angewandte Gerontologie in Schlüsselbegriffen. Stuttgart/ Berlin/Köln: Verlag W. Kohlhammer, S. 178-183. Kosnick, Kira (2014): Out on the Scene: Queer Migrant Clubbing and Urban Diversity. In: Stahl, Geoff (Hg.): Poor, but Sexy. Reflections on Berlin Scenes. Bern/Berlin/Frankfurt a.M./New York/Oxford/Wien: Peter Lang, S. 27-41. Kosnick, Kira (2012): »Utopien des Sozialen. Das Nachtleben als Sozialisationsinstanz und Spiegel von Gesellschaft?«, Vortrag auf der Konferenz Safer Nightlife Schweiz, Biel, 19. September 2012,www.infodrog.ch/tl_files/ templates/InfoDrog/user_upload/tagungen_de/SNS_2012_Vortrag%20 Safer %20Nightlife %20Biel.pdf.

9. Bibliografie

Kosnick, Kira (2008): Out on the Scene. Queer Migrant Clubbing and Urban Diversity. In: Ethnologia Europaea 38 (2), S. 19-30. Krout, John A. (1985): Senior Center Activities and Services. Findings from a National Study. In: Research on Aging 7 (3), S. 455-471. Krout, John A. (1984): The Organizational Characteristics of Senior Centers in America. In: Journal of Applied Gerontology 3 (2), S. 192-205. Krout, John A. (1984¹): Knowledge of Senior Center Activities among Elderly. In: Journal of Applied Gerontology 3 (1), S. 71-81. Krout, John A. (1983): Correlates of Senior Center Utilization. In: Research on Aging 5, S. 339-352. Lamb, Sarah (2009): Aging and the Indian Diaspora: Cosmopolitan Families in India and Abroad. Bloomington: Indiana University Press. Legewie, Heiner (1995): Feldforschung und teilnehmende Beobachtung. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Keupp, Heiner/von Rosenstiel, Lutz/Wolff, Stephan (Hg.): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz, S. 189-193. Lewis, David (2010): Encountering hybridity: Lessons from individual experiences. In: Billis, David (Hg.): Hybrid Organizations and the Third Sector. Challenges for Practice, Theory and Policy. Hampshire: Palgrave, S.  219239. Lofland, John/Snow, David A./Anderson, Leon/Lofland, Lyn H. (2006): Analyzing Social Settings. A Guide to Qualitative Observation and Aanalysis. Belmont: Wadsworth: Cengage Learning. Lofland, John (1979): Feld-Notizen. In: Gerdes, Klaus (Hg.): Explorative Sozialforschung. Einführende Beiträge aus »Natural Sociology« und Feldforschung in den USA. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag, S. 110-120. Löw, Martina (2001): Raumsoziologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Lou, Vivian W.Q./Chi, Iris (2012): Grandparenting Roles and Functions. In: Mehta, Kalyani K./Thang, Leng Leng (Hg.): Experiencing Grandparenthood. An Asian Perspective. Dordrecht/Heidelberg/London/New York: Springer, S. 47-59. Lüders, Christian (2009): Beobachten im Feld und Ethnographie. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, S. 384-401. Lüders, Christian (2006): Teilnehmende Beobachtung. In: Bohnsack, Ralf/ Marotzki, Winfried/Meuser, Michael (Hg.): Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich, S. 151-153. Malbon, Ben (1998): The Club. Clubbing: Consumption, Identity and the Spatial Practices of Every-Night Life. In: Skelton, Tracey/Valentine, Gill (Hg.): Cool Places. Geographies of Youth Culture. London/New York: Routledge, S. 266-286. Mayer-Tasch, Peter Cornelius (2013): Raum und Grenze. Wiesbaden: Springer.

233

234

Wanna go Clubbing?

Mayntz, Renate (1988): Funktionelle Teilsysteme in der Theorie sozialer Differenzierung. In: Mayntz, Renate/Rosewitz, Bernd/Schimank, Uwe/Stichweh, Rudolf (Hg.): Differenzierung und Verselbständigung. Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme. Frankfurt/New York: Campus, S. 11-44. Mehta, Kalyani K./Thang, Leng Leng (2012): Introduction: Grandparenthood in Asia. In: Mehta, Kalyani K./Thang, Leng Leng (Hg.): Experiencing Grandparenthood. An Asian Perspective. Heidelberg/London/New York: Springer, S. 1-19. Merkens, Hans (2009): Auswahlverfahren, Sampling, Fallkonstruktion. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, S. 286-299. Meuser, Michael (2006): Rekonstruktive Sozialforschung. In: Bohnsack, Ralf/ Marotzki, Winfried/Meuser, Michael (Hg.): Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung. Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich, S. 140-142. Morgan, Gareth (1997): Bilder der Organisation. Stuttgart: Klett-Cotta. Müller, Hans-Peter (2007): Max Weber. Köln/Weimar/Wien: Böhlau. Müller-Jentsch, Walther (2008): Der Verein – ein blinder Fleck der Organisationssoziologie. In: Berliner Journal für Soziologie 18 (3), S, 476-502. Natividad, Josefina N. (2008): Family and Housing Conditions of the Elderly in Southeast Asia: Living Arrangement as Social Support. In: Guan, Lee Hock (Hg.): Ageing in Southeast and East Asia. Family, Social Protection and Policy Challenges. Singapore: Institute of Southeast Asian Studies, S. 155167. Neuberger, Oswald (1995): Mikropolitik. Der alltägliche Auf bau und Einsatz von Macht in Organisationen. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag. Offe, Claus (2002): Staat, Markt und Gemeinschaft. Gestaltungsoptionen im Spannungsfeld dreier politischer Ordnungsprinzipien. In: Meyer, Thomas/ Weil, Reinhard (Hg.): Die Bürgergesellschaft. Perspektiven für Bürgerbeteiligung und Bürgerkommunikation. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz, S. 65-84. Oppermann, Carolin (2014): »Because we are so modern«. Dynamische Ökonomien, dynamische Gesellschaften, dynamische Lebensalter und Lebensphasen und soziale Einrichtungen – das Beispiel Altern. In: Bähr, Christiane/Homfeldt, Hans Günther/Schröder, Christian/Schröer, Wolfgang/ Schweppe, Christiane (Hg.): Weltatlas Soziale Arbeit. Jenseits aller Vermessungen. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, S. 126-143. Oppermann, Carolin (2012): EinFaltigkeiten, VielFaltigkeiten, EntFaltung: Alter(n) und Diversity. In: neue praxis 4, S. 386-407. Oppermann, Carolin (2012): Subjektive Gefühle als Erkenntnismittel in transnationaler ethnographischer Forschung. In: Transnational Social Review – A Social Work Journal 2 (2), S. 40-62. Otto, Ulrich/Schweppe, Cornelia (1996): Individualisierung ermöglichen – Individualisierung begrenzen. In: Schweppe, Cornelia (Hg.): Soziale Alten-

9. Bibliografie

arbeit. Pädagogische Arbeitsansätze und die Gestaltung von Lebensentwürfen im Alter. Weinheim/München: Juventa Verlag, S. 53-72. Paine, Angela Ellis/Ockenden, Nick/Stuart, Joanna (2010): Volunteers in hybrid organizations: A marginalised majority? In: Billis, David (Hg.): Hybrid Organizations and the Third Sector. Challenges for Practice, Theory and Policy. Hampshire: Palgrave, S. 93-113. Pardasani, Manoj/Sackman, Bobbie (2014): New York City Senior Centers: A Unique, Grassroots, Collaborative Advocacy Effort. In: Activities, Adaptation & Aging 38 (3), S. 200-219. Pardasani, Manoj/Goldkind, Lauri (2012): Senior Centers and Policy Advocacy: Changing Public Perceptions. In: Educational Gerontology 38 (6), S.  375390. Pardasani, Manoj/Thompson, Peter (2012): Senior Centers: Innovative and Emerging Models. In: Journal of Applied Gerontology 31 (1), S. 52-77. Pardasani, Manoj (2010): Senior Centers: Characteristics of Participants and Nonparticipants. In: Activities, Adaptation & Aging 34 (1), S. 48-70. Pardasani, Manoj P. (2004): Senior Centers: Focal Points of Community-Based Services for the Elderly. In: Activities, Adaptation &Aging 28 (4), S. 27-44. Pardasani, Manoj P. (2004¹): Senior Centers: Increasing Minority Participation Through Diversification. In: Journal of Gerontological Social Work 43 (2/3), S. 41-56. Park, Youn-Min (2008): Leisure Opportunities and Inequality: Senior Welfare Center Programs in South Korea. In: International Review of Public Administration 13 (1), S. 71-84. Patford, Janet/Breen, Helen (2009): Homes Away from Home: Registered Clubs as Leisure Providers for Older People Living in the Tweed Heads Region of Australia. In: Annals of Leisure Research, 12 (2), S. 216-235. Phillips, David R./Chan, Alfred C.M./Cheng, Sheung-Tak (2010): Ageing in a Global Context: The Asia-Pacific Region. In: Dannefer, Dale/Phillipson, Chris (Hg.): The SAGE Handbook of Social Gerontology. Los Angeles/London/New Delhi/Singapur/Washington DC: SAGE, S. 430-446. Pries, Ludger (2008): Die Transnationalisierung der sozialen Welt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Rhynes, Latrica/Hayslip, Jr., Bert/Caballero, Daniela/Ingman, Stan (2013): The Beneficial Effects of Senior Center Attendance on Grandparents Raising Grandchildren. In: Journal of Intergenerational Relationships 11 (2), S. 162175. Rief, Silvia (2011): Ordnungen der Nacht. Clubkulturen, Stadtentwicklung und Erlebnisökonomie. In: Reitsamer, Rosa/Fichna, Wolfgang (Hg.): »They Say I’m Different…«. Popularmusik, Szenen und ihre Akteur_innen. Wien: Erhard Löcker, S. 37-58.

235

236

Wanna go Clubbing?

Rief, Silvia (2009): Club Cultures. Boundaries, Identities, and Otherness. New York/London: Routledge. Rief, Silvia (2007): Club-Kulturen, Identitätsprojekte und soziale Positionierung. In: Göttlich, Udo/Müller, Renate/Rhein, Stefanie/Calmbach, Marc (Hg.): Arbeit, Politik und Religion in Jugendkulturen. Engagement und Vergnügen. Weinheim/München: Juventa, S. 179-192. Rosenthal. Gabriele (2008): Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. Weinheim/München: Juventa Verlag. Rüb, Stefan/Platzer, Hans-Wolfgang/Müller, Torsten (2011): Transnationale Unternehmensvereinbarungen. Zur Neuordnung der Arbeitsbeziehungen in Europa. Berlin: edition sigma. Salari, Sonia/Brown, Barbara B./Eaton, Jacqueline (2006): Conflicts, Friendship Cliques and Territorial Displays in Senior Center Environments. In: Journal of Aging Studies 20, S. 237-252. Scheffer, Thomas (2002): Das Beobachten als sozialwissenschaftliche Methode – Von den Grenzen der Beobachtbarkeit und ihrer methodischen Bearbeitung. In: Schaeffer, Doris/Müller-Mundt, Gabriele (Hg.): Qualitative Gesundheits- und Pflegeforschung. Bern/Göttingen/Toronto/Seattle: Verlag Hans Huber, S. 351-374. Schirmer, Frank (2004): Managerrollen und Managerverhalten. In: Schreyögg, Georg/Werder, Axel v. (Hg.): Handbuch Unternehmensführung und Organisation. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, S. 813-820. Schmid, Josef (1995): Expertenbefragung und Informationsgespräch in der Parteienforschung: Wie föderalistisch ist die CDU? In: Alemann, Ulrich von (Hg.): Politikwissenschaftliche Methoden. Grundriß für Studium und Forschung. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 293-326. Schmidt, Roland (1992): Sind Clubs und Tagesstätten noch zu retten? In: Evangelische Impulse 1, S. 4-6. Schnell, Rainer/Hill, Paul B./Esser, Elke (2005): Methoden der empirischen Sozialforschung. München: Oldenbourg Verlag. Schulz, Marc (2009): Mikroanalyse des Raums – Die Bedeutung räumlicher Präskripte am Beispiel der Offenen Jugendarbeit. In: Deinet, Ulrich (Hg.): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden: VS Verlag, S. 95-107. Schweppe, Cornelia (2012): Soziale Altenarbeit. In: Thole, Werner (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag, S. 505-521. Schweppe, Cornelia (2005): Alter und Sozialpädagogik – Überlegungen zu einem anschlussfähigen Verhältnis. In: Schweppe, Cornelia (Hg.): Alter und Soziale Arbeit. Theoretische Zusammenhänge, Aufgaben- und Arbeitsfelder. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 32-46. Schweppe, Cornelia (1998): Biographisierung der Altersphase und Biographieorientierung in der Sozialen Altenarbeit. In: Zeitschrift für Gerontologische Geriatrie 31, S. 325-330.

9. Bibliografie

Schweppe, Cornelia (1996): ›Biographie‹ als Grundkategorie der Theorie und Praxis sozialer Altenarbeit. In: Schweppe, Cornelia (Hg.): Soziale Altenarbeit. Pädagogische Arbeitsansätze und die Gestaltung von Lebensentwürfen im Alter. Weinheim/München: Juventa Verlag, S. 249-259. Silverman, David (2001): Interpreting Qualitative Data. Methods for Analysing Talk, Text and Interaction. London/Thousan Oaks/New Delhi: Sage. Simmel, Georg (2006): Der Raum und die räumlichen Ordnungen der Gesellschaft. In: Eigmüller, Monika/Vobruba, Georg (Hg.): Grenzsoziologie. Die politische Strukturierung des Raumes. Wiesbaden: VS Verlag, S. 15-23. Simpson-Young, Virginia/Russell, Cherry (2009): The Licensed Social Club: A Resource for Independence in Later Lafe. In: Ageing International 34, S. 216-236. Strain, Laurel A. (2001): Senior Centres: Who Participates? In: Canadian Journal on Aging 20 (4), S. 471-491. Strauss, Anselm L. (1994): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen soziologischen Forschung. München: Wilhelm Fink Verlag. Strauss, Anselm L. (1978): Negotiations: Varieties, Contexts, Processes and Social Order. San Francisco/Washington/London: Jossey-Bass. Strauss, Anselm L/Schatzman, Leonard/Bucher, Rue/Ehrlich, Danuta/Sabshin, Melvin (1964): Psychiatric Ideologies and Institutions. London: Free Press of Glencoe. Strodtholz, Petra/Kühl, Stefan (2002): Qualitative Methoden der Organisationsforschung – ein Überblick. In: Kühl, Stefan/Strodtholz, Petra (Hg.): Methoden der Organisationsforschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 7-29. Strübing, Jörg (2013): Qualitative Sozialforschung. Eine komprimierte Einführung für Studierende. München: Oldenbourg. Strübing, Jörg (2007): Anselm Strauss. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft. Taietz, Philip (1976): Two Conceptual Models of the Senior Center. In: Journal of Gerontology 31 (2), S. 219-222. Thang, Leng Leng/Mehta, Kalyani K. (2012): Conclusion: Change and Continuity of Grandparenting in Contemporary Asia. In: Mehta, Kalyani K./ Thang, Leng Leng (Hg.): Experiencing Grandparenthood. An Asian Perspective. Dordrecht/Heidelberg/London/New York: Springer, S. 145-157. Thang, Leng Leng (2010): Intergenerational Relations: Asian Perspectives. In: Dannefer, Dale/Phillipson, Chris (Hg.): The SAGE Handbook of Social Gerontology. Los Angeles/London/New Delhi/Singapur/Washington DC: SAGE, S. 202-214. Thang, Leng Leng (2005): Experiencing Leisure in Later Life: A Study of Retirees and Activity in Singapore. In: Journal of Cross Cultural Gerontology 20, S. 307-318.

237

238

Wanna go Clubbing?

Thornton, Sarah (1996): Club Cultures. Music, Media and Subcultural Capital. Hanover/London: Wesleyan University Press. Tsuji, Yohko (1997): An Organization for the Elderly, by the Elderly: A Senior Center in the United States. In: Sokolovsky, Jay (Hg.): The Cultural Context of Aging: Worldwide Perspectives. Westport/Connecticut: Greenwood, S. 350-363. Turner, K. Whisnant (2004): Senior Citizens Centers: What They Offer, Who Participates, and What They Gain. In: Journal of Gerontological Social Work 43 (1), S. 37-47. Usui, Tsuneo/Tsuruwaka, Mari (2012): Changing Social and Demographic Characteristics in Asia. In: Mehta, Kalyani K./Thang, Leng Leng (Hg.): Experiencing Grandparenthood. An Asian Perspective. Dordrecht/Heidelberg/London/New York: Springer, S. 21-45. Walker, Jan/Bisbee, Carol/Porter, Russell/Flanders, Joanne (2004): Increasing Practitioners’ Knowledge of Participation Among Elderly Adults in Senior Center Activities. In: Educational Gerontology 30 (5), S. 353-366. Wolff, Stephan (2009): Wege ins Feld und ihre Varianten. In: Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, S. 334-349. Wolff, Stephan (2009¹): Dokumenten- und Aktenanalyse. Flick, Uwe/von Kardorff, Ernst/Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, S. 502-513. Wolff, Stephan (2005): Standards für die sozialpädagogische Forschung. In: Schweppe, Cornelia/Thole, Werner (Hg.): Sozialpädagogik als forschende Disziplin. Theorie, Methode, Empirie. Weinheim/München. Juventa Verlag, S. 115-133. Zeman, Peter (1998): Soziale Altenarbeit – Aktuelle Orientierungen und Strategien. In: Zeitschrift für Gerontologische Geriatrie 31, S. 313-318.

I nterne tseiten www.politischebildung.ch/grundlagen/didaktik/polity-policy-politics/?details= 1&cHash=c30579d6a20ee8b98e9f708375b5a677, angesehen am 27.03.2015. www.bild.de/news/ausland/party/bild-beim-pre-work-clubbing-37892970. bild.html, angesehen am 17.03.2015. www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Malaysia_node.html, angesehen am 19.06.2017. www.dwds.de/?qu=Klub, angesehen am 20.05.2015.

Ethnologie und Kulturanthropologie Martina Kleinert

Weltumsegler Ethnographie eines mobilen Lebensstils zwischen Abenteuer, Ausstieg und Auswanderung 2015, 364 S., kart., zahlr. Abb. 29,99 E (DE), 978-3-8376-2882-1 E-Book PDF: 26,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-2882-5

Francis Müller

Mit Behinderung in Angola leben Eine ethnografische Spurensuche in einer von Tretminen verletzten Gesellschaft 2016, 152 S., kart., zahlr. Abb. 24,99 E (DE), 978-3-8376-3480-8

Dieter Haller

Tanger Der Hafen, die Geister, die Lust. Eine Ethnographie 2016, 356 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 E (DE), 978-3-8376-3338-2 E-Book PDF: 34,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3338-6

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Ethnologie und Kulturanthropologie Marcus Andreas

Vom neuen guten Leben Ethnographie eines Ökodorfes 2015, 306 S., kart., zahlr. Abb. 27,99 E (DE), 978-3-8376-2828-9 E-Book PDF: 24,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-2828-3

Jenny Schreiber

Politics, Piety, and Biomedicine The Malaysian Transplant Venture March 2017, 298 p., pb. 44,99 E (DE), 978-3-8376-3702-1 E-Book PDF: 44,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3702-5

Thomas Stodulka

Coming of Age on the Streets of Java Coping with Marginality, Stigma and Illness January 2017, 286 p., pb., numerous partly col. ill. 39,99 E (DE), 978-3-8376-3608-6 E-Book PDF: 39,99 E (DE), ISBN 978-3-8394-3608-0

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de