Walter Gropius: Bauten und Projekte 9783035617375, 9783035617276

Walter Gropius (1883–1969) gehört als Begründer des Bauhauses zu den Ikonen der Architektur des 20. Jahrhunderts. Währen

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German Pages 208 Year 2019

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Haus Metzler
Gut Janikow
Gut von Brockhausen
Haus von Arnim
Haus Golzengut
Stärkefabrik Kleffel
Fagus-Werk
Wohnhäuser Bernburger Maschinenfabrik
Getreidespeicher und Wohnbebauung
Siedlung „Eigene Scholle“
Musterfabrik Werkbundausstellung
Denkmal der Märzgefallenen
Haus Sommerfeld
Reihenhäuser Sommerfeld
Haus Mendel
Haus Stoeckle
Haus Otte
Stadttheater Jena
Lagerhaus Kappe
Hannoversche Papierfabrik
Grabmal Mendel
Direktorenzimmer Bauhaus
Haus Auerbach
Fabrik Müller
Bauhaus
Meisterhäuser
Haus Gropius
Siedlung Törten
Häuser Weißenhofsiedlung
Arbeitsamt Dessau
Haus Zuckerkandl
AHAG-Sommerfeld-Ausstellung
Haus Lewin
Siedlung Dammerstock
Siedlung Am Lindenbaum
Wohnbauten Siedlung Siemensstadt
Kupferhäuser
Das wachsende Haus
Haus Bahner
Haus Maurer
Haus Levy
Mortimer Gall Electrical Centre
Denham Filmlaboratorien
Haus Donaldson
Impington Village College
Haus Gropius
Haus Hagerty
Haus Breuer
Haus Ford
Haus Frank
Haus Chamberlain
Haus Abele
Aluminum City Terrace
Packaged House System
Fabrik der Container Corporation of America
Fabrik Cartón de Colombia
Haus Howlett
Michael-Reese-Krankenhaus
Peter Thacher Junior High School
Harvard Graduate Center
Haus Stichweh
Overholt-Klinik
Wohnblock Hansaviertel
US-Botschaft Athen
Oheb-Shalom-Synagoge
Universität Bagdad
Pan Am Building
Gropiusstadt
John F. Kennedy Federal Building
Schule und Kindergarten Gropiusstadt
Tower East
Bauhaus-Archiv
Porzellanfabrik Rosenthal
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Porzellanfabrik Rosenthal
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Walter Gropius: Bauten und Projekte
 9783035617375, 9783035617276

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Walter Gropius

Bauten und Projekte

Walter Gropius

Bauten und Projekte Carsten Krohn

Birkhäuser Basel

Layout, Umschlaggestaltung und Satz Annette Kern, Berlin Lektorat und Projektkoordination Henriette Mueller-Stahl, Berlin Produktion Heike Strempel, Berlin Lithografie bildpunkt Druckvorstufen GmbH, Berlin Papier 135 g/m² Condat Matt Perigord Druck Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe Library of Congress Control Number: 2019936658

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISBN 978-3-0356-1727-6 e-ISBN (PDF) 978-3-0356-1737-5 Englisch Print-ISBN 978-3-0356-1728-3

© 2019 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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www.birkhauser.com

Inhalt

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20 22 24 25 26 27 28 34 36 38 40 44 46 48 50 51 52 54 56 58 59 60 62 65 66

Einleitung

Haus Metzler Dramburg/Pommern, heute Polen, 1905–06 Gut Janikow bei Dramburg/Pommern, heute Polen, 1906–09 Gut von Brockhausen Mittelfelde/Pommern, heute Polen, 1907–14 Haus von Arnim Falkenhagen/Pommern, heute Polen, 1910–11 Haus Golzengut Dramburg/Pommern, heute Polen, 1910–11 Stärkefabrik Kleffel bei Dramburg/Pommern, heute Polen, 1911 Fagus-Werk Alfeld, Deutschland, 1911–15, 1921–25 Wohnhäuser Bernburger Maschinenfabrik Alfeld, Deutschland, 1912–13 Getreidespeicher und Wohnbebauung Märkisch Friedland/Pommern, heute Polen, 1913–14 Siedlung „Eigene Scholle“ Wittenberge, Deutschland, 1913–14 Musterfabrik Werkbundausstellung Köln, Deutschland, 1913–14 Denkmal der Märzgefallenen Weimar, Deutschland, 1920–22 Haus Sommerfeld Berlin-Lichterfelde, Deutschland, 1920–22 Reihenhäuser Sommerfeld Berlin-Lichterfelde, Deutschland, 1920–22 Haus Mendel Berlin-Wannsee, Deutschland, 1921 Haus Stoeckle Berlin-Zehlendorf, Deutschland, 1921–22 Haus Otte Berlin-Zehlendorf, Deutschland, 1921–22 Stadttheater Jena Jena, Deutschland, 1921–22 Lagerhaus Kappe Alfeld, Deutschland, 1922–24 Hannoversche Papierfabrik Alfeld, Deutschland, 1922–24 Grabmal Mendel Berlin-Weißensee, Deutschland, 1923 Direktorenzimmer Bauhaus Weimar, Deutschland, 1923 Haus Auerbach Jena, Deutschland, 1924 Fabrik Müller Kirchbrak, Deutschland, 1925–26 Bauhaus Dessau, Deutschland, 1925–26

Inhalt

78 84 86 92 94 100 101 102 104 108 110 114 115 116 118 119 121 122 124 125 128 132 134 136 138 143

Meisterhäuser Dessau, Deutschland, 1925–26 Haus Gropius Dessau, Deutschland, 1925–26 Siedlung Törten Dessau, Deutschland, 1926–28 Häuser Weißenhofsiedlung Stuttgart, Deutschland, 1927 Arbeitsamt Dessau Dessau, Deutschland, 1927–29 Haus Zuckerkandl Jena, Deutschland, 1927–29 AHAG-Sommerfeld-Ausstellung Berlin-Zehlendorf, Deutschland, 1928 Haus Lewin Berlin-Zehlendorf, Deutschland, 1928–29 Siedlung Dammerstock Karlsruhe, Deutschland, 1928–29 Siedlung Am Lindenbaum Frankfurt am Main, Deutschland, 1929–30 Wohnbauten Siedlung Siemensstadt Berlin-Siemensstadt, Deutschland, 1929–30 Kupferhäuser Finow und Potsdam, Deutschland, 1931–32 Das wachsende Haus Berlin-Westend, Deutschland, 1932 Haus Bahner Kleinmachnow, Deutschland, 1933 Haus Maurer Berlin-Dahlem, Deutschland, 1933 Haus Levy London, Großbritannien, 1935–36 Mortimer Gall Electrical Centre London, Großbritannien, 1936 Denham Filmlaboratorien Denham, Großbritannien, 1936 Haus Donaldson Shipbourne, Großbritannien, 1936–37 Impington Village College Impington, Großbritannien, 1936–39 Haus Gropius Lincoln, Massachusetts, USA, 1938 Haus Hagerty Cohasset, Massachusetts, USA, 1938 Haus Breuer Lincoln, Massachusetts, USA, 1938–39 Haus Ford Lincoln, Massachusetts, USA, 1938–39 Haus Frank Pittsburgh, Pennsylvania, USA, 1939–40 Haus Chamberlain Wayland, Massachusetts, USA, 1940–41

144 145 149 150 151 152 153 154 156 160 162 164 168 171 172 175 178 181 186 190 192 195 198 200

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Haus Abele Framingham, Massachusetts, USA, 1940–41 Aluminum City Terrace New Kensington, Pennsylvania, USA, 1941–42 Packaged House System Burbank, Kalifornien, USA, 1942–52 Fabrik der Container Corporation of America Greensboro, North Carolina, USA, 1944–46 Fabrik Cartón de Colombia Yumbo, Kolumbien, 1945–48 Haus Howlett Belmont, Massachusetts, USA, 1945–48 Michael-Reese-Krankenhaus Chicago, Illinois, USA, 1945–59 Peter Thacher Junior High School Attleboro, Massachusetts, USA, 1947–51 Harvard Graduate Center Cambridge, Massachusetts, USA, 1948–50 Haus Stichweh Hannover, Deutschland, 1951–53 Overholt-Klinik Boston, Massachusetts, USA, 1953–55 Wohnblock Hansaviertel Berlin-Hansaviertel, Deutschland, 1955–57 US-Botschaft Athen Athen, Griechenland, 1956–61 Oheb-Shalom-Synagoge Baltimore, Maryland, USA, 1957–60 Universität Bagdad Bagdad, Irak, 1957–83 Pan Am Building New York, USA, 1958–63 Gropiusstadt Berlin-Gropiusstadt, Deutschland, 1959–72 John F. Kennedy Federal Building Boston, Massachusetts, USA, 1961–66 Schule und Kindergarten Gropiusstadt Berlin-Gropiusstadt, Deutschland, 1962–68 Tower East Shaker Heights, Ohio, USA, 1964–68 Bauhaus-Archiv Berlin-Tiergarten, Deutschland, 1964–79 Porzellanfabrik Rosenthal Selb, Deutschland, 1965–67 Huntington Galleries Huntington, West Virginia, USA, 1967–70 Glaswerk Amberg Amberg, Deutschland, 1967–70 Literaturverzeichnis Sachregister Bildnachweis Über den Autor

Einleitung

Mehr noch als durch seine Bauten wurde Walter Gropius als Gründer­ des Bauhauses bekannt. Er hatte die Vision, dass ein neuartiges Ausbildungssystem stärker auf die gebaute Umwelt einwirken könne als einzelne Bauwerke. Zu Lebzeiten wurde er neben Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier und Frank Lloyd Wright als einer der größten ­Architekten des Jahrhunderts genannt, doch er konnte nicht zeichnen. So waren die Partnerschaften mit anderen Architekten für ihn essentiell, und es werden in diesem Buch, dessen Ziel es ist, sein gebautes Gesamtwerk darzustellen, auch Bauten dokumentiert, die er nicht selbst entworfen hat.1 Walter Gropius wurde 1883 in Berlin geboren. Über seinen Vater, der ebenfalls Architekt war, sagte er: „Er war ein ziemlich zurückhaltender und furchtsamer Mensch ohne genügend Selbstsicherheit, weshalb er auch niemals bis in die erste Reihe vorstieß. Er hat nur im ersten Teil ­seiner Laufbahn, bevor er städtischer Angestellter wurde, einige ­Gebäude entworfen und gebaut. [...] Beim Nachdenken über die ­Tradition unserer Familie und ihre moralische Temperatur im Vergleich zu denen der mehr konservativen Onkels schneiden unsere Eltern mit ihrer liberalen Breite und ihrer unzerstörbaren Güte und Toleranz gut ab. Ihre Haltung lies eben Spielraum für ungehinderte Entwicklung.“2 Allerdings brach Gropius sein Architekturstudium in München und ­Berlin ab. „Meine absolute Unfähigkeit auch nur das einfachste aufs ­Papier zu bringen, [...] lässt mich oft mit Sorgen auf meinen zukünftigen ­Beruf sehen“, schrieb er an seine Mutter. „Es scheint mir fast eine physische Unmöglichkeit bei mir zu sein, denn ich bekomme sofort einen Krampf in der Hand.“3 Schon als Student beschäftigte er einen Zeichner, und während seiner anschließenden Mitarbeit im Atelier von Peter Behrens war er insbesondere mit der Bauleitung befasst. In Sigfried Giedions grundlegender Monografie von 1953 war Gropius’ Position bei B ­ ehrens als „Bürochef“ bezeichnet, und dass dies eine Übertreibung war, wurde lange nicht bemerkt.4 „Jahr und Tag war ich ständig bei Behrens abends im Hause und identifizierte mich mit allen seinen Arbeiten,“5 erklärte Gropius. „Sein umfassendes und gründliches Interesse an der Gestaltung der gesamten Umwelt, das sich nicht nur auf Architektur, sondern auch auf Malerei,­ Bühne, Industrieprodukte und Typographie erstreckte, hatte große Anziehungskraft für mich. [...] Ich verdanke ihm viel, vor allem die Gewohnheit, in Prinzipien zu denken.“6 Zusammen mit einem weiteren ­Behrens-Mitarbeiter, mit Adolf Meyer, eröffnete er ein Büro, doch die Partnerschaft der beiden war nicht gleichberechtigt, obwohl die Entwürfe als eine ­Gemeinschaftsleistung präsentiert wurden. Gropius ­akquirierte die Aufträge oder bekam sie über seine Familie vermittelt und konnte Meyer bezahlen. Die frühen Bauten und Projekte von ihnen waren stark von ­Behrens geprägt, dessen Architektursprache sich zu dieser Zeit wiederum eng an Karl Friedrich Schinkel anlehnte. Gropius selbst betonte, dass er „aus einer preußischen Familie stamme und zu einer l­angen Reihe von Architekten in der Tradition von Schinkel gehöre“.7 Einer der ersten Aufträge war eine Schuhleistenfabrik, mit der Gropius schlagartig berühmt wurde. Über die Bauten des Fagus-Werks schrieb

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Einleitung

Reyner Banham 1960: „Ohne Zweifel verdanken sie diese hohe Wertschätzung zum Teil der Tatsache, dass Gropius selbst gute Kontakte zu den Historikern der Moderne hatte, und zum Teil auch der photografischen Auswahl – man kann nämlich durch eine böswillige Auswahl der Photos bewirken, dass sie nicht ,moderner‘ erscheinen“ als ­Bauten von Behrens. „Das moderne dieser Gebäudegruppen ist tatsächlich nur an Teilstücken auf zwei Seiten erkennbar“8, erklärte Banham und bezog sich auf die verglasten Gebäudeecken. Mit welcher Unsicherheit Gropius und Meyer damals entwarfen, zeigt sich an e ­ inem Projekt für ein Krankenhaus (Abb. 1), das nach dem Fagus-Werk konzipiert wurde. Die strenge neoklassizistische Formensprache ist ganz auf der Linie von Behrens, und offensichtlich konnte sich Gropius damals noch nicht vorstellen, seine radikalen Industriebaulösungen auf repräsentative Bauaufgaben zu übertragen. Im Rückblick bezeichnete er seine frühesten Bauten als „Jugend­ sünden“9 und war nicht an einer Veröffentlichung interessiert. Ihm nahestehende Architekturhistoriker und auch er selbst haben durch Ausblenden eine Gradlinigkeit des Werks konstruiert. Das Ziel dieses Buchs ist es hingegen, die Entwicklung mitsamt der Brüche Bau für Bau nachzuzeichnen. Wenn die hier gezeigten Fotos Diskontinuitäten im Werk zeigen, geschieht dies nicht aufgrund der Auswahl, sondern da die Evolution der modernen Architektur immer auch ambivalent war und nicht stringent verlief. Die Entwicklung des Werks zeigt sich wie bei den anderen Protagonisten der Bewegung als ein mäandernder Weg, als ein Prozess des Suchens. Kaum dass es Gropius und Meyer nach der politischen Revolution in Deutschland von 1918 gelungen war, sich vom Klassizismus zu lösen, indem sie analog des Zeitgeistes eine expressionistische Architektursprache erprobten, wie sie sich am Sommerfeld-Verwaltungsgebäude zeigt (Abb. 2), sahen sie sich sehr bald wieder in einer Sackgasse. 1919 hatte Gropius noch gefordert: „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!“10 Und das Verwaltungsgebäude sollte aus Holz gebaut werden mit fernöstlich anmutenden Dächern. Doch auch wenn der romantische Geist dieser Anlage in den Arbeiten der folgenden Jahre einer sachlichen Haltung weicht, wurden nicht alle architektonischen Prinzipien überworfen. Beim Bauhaus-Gebäude in Dessau werden ebenfalls zwei Baukörper durch einen Brückenbau miteinander verbunden, so dass sich das Bauwerk über den öffent­ lichen Straßenraum erstreckt. Wie bei anderen Architekten seiner Generation führten auch bei G ­ ropius die traumatischen Erfahrungen des Krieges zu einem politischen Umdenken. Im utopischen Sinne glaubte er, mit einer grundlegenden Veränderung des Berufsstandes am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitzuwirken. „Kapitalismus und Machtpolitik haben unser Geschlecht träge gemacht“, erklärte Gropius und forderte wie Behrens die Einheit der Künste unter der Leitung der Architektur. „Denn nur durch ­inniges Mit- und Ineinanderwirken aller künstlerischen Disziplinen kann eine Zeit jenes vielstimmige Orchester erzeugen, das allein den Namen der Kunst verdient. Der berufene Dirigent dieses Orchesters war von alters her der Architekt. Architekt, das heißt: Führer der Kunst.“11

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1 Walter Gropius mit Adolf Meyer, Projekt für ein Krankenhaus, Alfeld 1912

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2 Walter Gropius mit Adolf Meyer, Projekt für ein Verwaltungsgebäude für Adolf Sommerfeld, Berlin 1920 3 Walter Gropius mit Adolf Meyer, „Baukasten im Großen“, Typenhäuser für eine Bauhaus-Siedlung in Weimar, 1922

Einleitung

Mit dieser Devise einer umfassenden Gestaltung gründete Gropius 1919 das Staatliche Bauhaus in Weimar, bei dem die Architektur ­allerdings noch nicht Teil des Lehrplans war. Die Studierenden wurden in handwerklicher Hinsicht von Technikern und zugleich von Künstlern ausgebildet. Es war das Prinzip der Kombination von „Werklehre“ und „Formlehre“. Auch wenn Gropius die Ziele des Bauhauses manifestartig verkündete, veränderten sich diese. Während der neun Jahre, in denen er das Bauhaus als Direktor leitete, spannten die Ideologien des Lehrkörpers ein breites Spektrum auf – von der mystischen Haltung Johannes Ittens bis zur kollektivistischen Position Hannes Meyers –, und dies spiegelt sich in Gropius’ eigenem architektonischen Werk. Noch vor Einführung der Baulehre plante er eine Bauhaus-Siedlung, an deren Realisierung die Studierenden mitwirken sollten. Zusammen mit Adolf Meyer entwickelte er ein als „Wabenbau“ bezeichnetes Modul­ bausystem, bei dem ein Grundtypus (G in Abb. 3) durch das Aneinanderfügen von unterschiedlichen Raumzellen variiert werden sollte. Das auf Addition basierende Entwurfsprinzip nannte Gropius „Baukasten im Großen“. Die Idee, industriell vorfabrizierte Bauelemente zu kombinieren, um eine Variabilität zu ermöglichen, hatte er bereits mit 26 Jahren in seiner Schrift Programm zur Gründung einer allgemeinen Hausbaugesellschaft auf künstlerisch einheitlicher Grundlage formuliert. Während die privaten Wohnhäuser, die Gropius um 1920 baute, noch symmetrische Fassaden und konventionelle Dächer aufwiesen,­ zeigen­die Modelle der Bauhaus-Siedlung bereits reine abstrakte ­Kuben mit jener Tendenz zur asymmetrischen Komposition, die von der ­holländischen De-Stijl-Bewegung proklamiert wurde. Diese Tendenz findet einen monumentalen Ausdruck im Entwurf für das Chicago-­ Tribune-Hochhaus (Abb. 4). Wie im Industriebau und im Gegensatz zu den Preisträgern des Wettbewerbs beließen Gropius und Meyer die Skelettstruktur des Gebäudes unverkleidet und verliehen dem Bau ­einen tektonischen Ausdruck. Dennoch ist der Bau nicht frei von ­Dekoration, denn für die künstlerisch komponierte Anordnung der Balkone findet sich keine funktionale Legitimation. Als eine asymmetrische Komposition war auch das Dessauer Bauhaus-Gebäude angelegt, mit dem Gropius nicht nur eine neuartige Raumkonzeption demonstrierte, sondern auch jene fünf Punkte ­einer neuen Architektur – Säule, Dachgärten, freier Grundriss, langes F­ enster und freie Fassade –, mit denen Le Corbusier argumentierte: „Es bleibt nichts mehr von vergangener Architektur.“12 Bevor das Bauhaus aufgrund eines immer stärkeren Drucks der konservativen Politik­1925/26 von Weimar nach Dessau umzog, hatte Adolf Meyer mit einem eigenen Büro begonnen, unabhängig von Gropius zu arbeiten.13 Seitdem bewegte sich Gropius’ Architektur in eine konstruktivistische Richtung. Während die architektonische Dynamik am Bauhaus-­Gebäude durch eine asymmetrische Komposition bildhaft zum Ausdruck gebracht wurde, folgte eine Architektur, die sich gleich einer mechanischen Apparatur tatsächlich permanent verändern sollte. Gropius’ Theater­ projekt für ­Erwin Piscator mit der Bezeichnung „Totaltheater“ basiert auf einem System von drehbaren Bühnen im Zentrum des Gebäudes, die vom Zuschauerraum umklammert werden (Abb. 5). Es sollten unterschiedliche Typen von Bühnen auch während einer Vorstellung

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4 Walter Gropius mit Adolf Meyer, Wettbewerb Hochhaus der Chicago Tribune, 1922

eingerichtet und kombiniert werden können. Das Ziel war es, den Zuschauer in einer maximalen Weise in das Geschehen hineinzuziehen. Die Trennung von Bühne und Zuschauerraum sollte auch durch Tonund Lichtinstallationen überwunden werden sowie durch Filmprojektionen, für die geplant war, von den zwölf umlaufenden Stützen Leinwände abzuspannen. Zu der Zeit, als Gropius mit dem Projekt des Totaltheaters befasst war, holte er den Schweizer Architekten Hannes Meyer für die beginnende Architekturausbildung an das Bauhaus. In seiner Tendenz einer immer stärkeren Versachlichung des Bauens stand Gropius zu diesem Zeitpunkt Hannes Meyer ideologisch nahe, was sich an Gropius’ Wettbewerbsentwurf für einen Gebäudekomplex aus Stadthalle, Museum und Sportforum zeigt (Abb. 6). Mit akustischen Berechnungen wurde die Form des Auditoriums ermittelt, das von einer Megastruktur aus ­Eisen und Glas abgehängt sein sollte. Auch wenn Hannes Meyer G ­ ropius gegenüber eingeräumt hatte, dass er vielem am Bauhaus kritisch gegenüberstehe, mit der Ausnahme der Bühnenexperimente, schlug ­Gropius ihn als seinen Nachfolger vor.14 Obwohl Gropius bemüht war, die von ihm patentierte, avantgardistische Konzeption des Totaltheaters im Rahmen von Wettbewerben ­einer ­Realisierung zuzuführen, stellten die Beiträge Kompromisse mit konventionellen Raumtypen dar. Für die zwei sowjetischen Wettbewerbe, für das ukrainische Staatstheater (Abb. 7) und für den Palast der Sowjets (Abb. 9), plante Gropius ebenfalls veränderbare Bühnensysteme mit Filmprojektionsflächen an den Wänden und Decken, doch anstatt e ­ iner Verschmelzung von Bühnen- und Zuschauerraum konnten die Resultate das klassische Gegenüber nicht überwinden. Mittler­ weile hatte Gropius die De-Stijl-inspirierte Asymmetrie verlassen und schlug klar geordnete, streng symmetrische Grundrisse mit einer Verwandtschaft zur École de Beaux-Arts vor. Konstruktivistisch war beim Staatstheater die membranartige Glasfassade, die eine räumliche Einheit von Vorplatz und Eingangsfoyer geschaffen hätte, während die geschwungenen Rampen zum Rang von Le Corbusier inspiriert zu sein scheinen. Die Fassaden des Sowjetpalasts sollten mit Naturstein verkleidet sein, mit Fensterprofilen aus Bronze, während die Platzanlagen vor den Bauten für Massenkundgebungen dimensioniert waren, für die auch Redner­tribünentürme entworfen wurden. Gropius teilte 1929 die sozialistische Kritik an privatem Grundeigentum, als er auf dem CIAM-Kongress (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) in Frankfurt am Main erklärte: „Für die Verwirklichung der ­Minimalwohnung zu erschwinglichen Mietsätzen ist daher an den Staat die Forderung zu richten, daß er [...] Bauland bereitstellt und es der ­Bodenspekulation entzieht.“15 In dieser Hinsicht betrachtete er Russland als ein Vorbild, wenn er erklärte: „Die schlimmste Fessel bleibt das ­unsittliche Recht des privaten Eigentums am Boden. Ohne die Befreiung des Bodens aus dieser privaten Versklavung kann niemals ein gesunder, entwicklungsfähiger und im Sinne der Allgemeinheit wirtschaftlicher Städtebau entstehen. Diese wichtigste Grund­forderung hat allein und ohne Einschränkung die USSR erfüllt und damit den Weg zum modernen Städtebau freigemacht.“16

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5 Walter Gropius, Projekt für ein Totaltheater, Berlin 1927, Isometrie und Möglichkeiten der Bühnendrehung

Einleitung

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6 Walter Gropius, Wettbewerb Stadthalle, Museum und Sportforum, Halle 1927–28, Perspektive und Diagramm zur Prüfung der Akustik

Den Weg zum „modernen Städtebau“ sah Gropius im Wohnhochhaus und argumentierte in Vorträgen mit Diagrammen und Berechnungen für die Vorteile hinsichtlich Belichtung und Belüftung der Wohnungen. Er forderte eine Minimierung der Wohneinheiten und rechtfertigte dies mit weiträumigen Gemeinschaftseinrichtungen, die er in Ausstellungen als Installationen zusammen mit möblierten Musterwohnungen präsentierte, um das Projekt zu propagieren. Als mit der Weltwirtschaftskrise die Hoffnungen auf staatliche Subventionen schwanden, schnitt ­Gropius das Vorhaben auf private Investoren zu und schlug am Ufer des Wannsees eine Kette von Hochhausscheiben vor (Abb. 8), nun aber nicht mehr, um dem Existenzminimum gerecht zu werden, vielmehr sollten große, luxuriöse Wohnungen entstehen, denen Clubräume, Restaurantetagen und Dachterrassen mit Gymnastikräumen und Sonnendecks angegliedert werden sollten. Winfried Nerdinger sah darin eine „beliebige Auswechselbarkeit an inhaltlicher Konzeption“17 und erklärte: „Schon aus England hatte Gropius 1935 an Giedion geschrieben, daß er in Deutschland versucht habe, zuerst die Arbeiter für die neue Architektur zu gewinnen, das sei der falsche Weg gewesen. Nun wolle er mit den Häusern der Reichen beginnen und gleichsam von oben nach unten wirken.“18  Bevor Gropius 1934 erst nach England und dann in die USA emigrierte, um einen Lehrstuhl an der Harvard-Universität anzutreten, b ­ eteiligte er sich noch an einem Wettbewerb für ein „Haus der Arbeit“ (Abb. 10). Mit dem Gebäudekomplex inmitten des Berliner Tiergartens demonstrierte er eine Kontinuität der architektonischen und städtebaulichen Prinzipien aus der Zeit der Weimarer Republik, nun allerdings mit einem­ monumentalen Aufmarschplatz, gesäumt von Hakenkreuz­fahnen. „Es wäre ein Unglück für die deutsche Kultur, wenn unsere neue deutsche Baubewegung [...] für Deutschland verloren gehen soll“,19 schrieb er 1934 an den Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste und klagte: „Sie fordern den deutschen Menschen. Ich fühle mich sehr deutsch und wer kann sich zum Richter darüber machen, was an meinen Ideen und denen meiner geistigen Brüder deutscher Herkunft deutsch ist oder nicht?“20 Knapp drei Jahre später schrieb er ihm erneut, nun aus dem Exil, dass es weiterhin seine Mission sei, „der deutschen Kultur zu dienen“, schließlich habe „ich mich mit Entschiedenheit dagegen gewendet [...], dass eine Zeitung versuchte, meinen Namen in Verbindung mit einer Kritik der deutschen Verhältnisse zu bringen“.21 Gropius blieb diplomatisch in seiner Rolle als Missionar einer „objektiven Gestaltung“, von der er überzeugt war, dass sie zu einer Verbesserung des Lebensumfelds der Menschen führen werde – auch nachdem die Bewohner der von ihm geplanten Siedlung Törten begannen, die Häuser in Eigenregie umzubauen. Aufgrund seiner mangelnden Fähigkeit zu zeichnen, vermittelte er seine Entwurfsideen verbal und delegierte die Schritte der Überarbeitungen. Aus dieser Perspektive erklärte er, „das ziel des architektenberufes ist das eines zusammenfassenden organisators“ 22, und gewährte seinen Partnern Eigenständigkeit im Entwerfen. Bevor er 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm und im Jahr darauf mit sieben jüngeren Partnern das Architektenkollektiv TAC – The Architects Collaborative gründete, hatte er in Büropartnerschaften mit Maxwell Fry, Marcel Breuer

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7 Walter Gropius, Wettbewerb ukrainisches Staatstheater, Charkow 1930–31 8 Walter Gropius, Projekt für Wohnhochhäuser am Wannsee, Berlin 1930–31

Einleitung

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9 Walter Gropius, Wettbewerb Palast der Sowjets, Moskau 1931, Grundrisse, Modell

und Konrad Wachsmann zusammengearbeitet. Später schrieb sich Breuer allerdings den Entwurf für die Mehrzahl der gemeinsamen Bauten und Projekte selbst zu, wie auch für das ­Projekt der Kunstschule Black Mountain College (Abb. 11). 23 Den Auftrag für den Entwurf erhielt Gropius durch Vermittlung der Bauhäusler Josef und Anni Albers, die dort unterrichteten und die Weiterführung der Bauhaus-Lehre in den USA initiierten. Die abgeknickte Form des Gebäudes zeichnet die Uferlinie nach, während Teile des Bauwerks auf Pfeilern im Wasser stehen. Mit dem Bau sollte eine unmittelbare und intensive Wahrnehmung der Natur erzielt werden, und in der Anpassung der Bebauung an die Topografie der Landschaft erkannten Gropius und Breuer auch ein städtebauliches Potenzial, wie sie es in der Siedlung Aluminum City Terrace demonstrierten. Wie sehr sich Gropius von der Bezeichnung International Style zu distanzieren suchte, zeigen zwei weitere Hochschulprojekte. Ebenfalls als eine enge Verbindung mit der Landschaft war der Campus der Universität Hua Tung in China (Abb.12) geplant, bei der in Gruppen angeordnete und durch überdachte Gänge miteinander verbundene Pavillons eine orthogonale Bebauungsstruktur bilden, die in einen Dialog mit einer künstlichen Seenlandschaft tritt. Dieser Entwurf belege die Fähigkeit der Anpassung an die Verhältnisse anderer Länder, erklärte Gropius, um sich für den Bau der Universität in Bagdad zu empfehlen, und betonte, dass er erst die Bedingungen einer Region begreifen wolle, um auf dieser Grundlage zu entwerfen.24 Während das Projekt für das Black Mountain College aufgrund einer nicht ausreichenden Finanzierung scheiterte, wurde das chinesische Vorhaben durch die Maoistische Revolution gestoppt, und auch in Bagdad führten politische Umbrüche zum zwischen­zeitlichen Erliegen der Planung der Universität (Abb.13, Lageplan auf S. 172). Diese war mit fast 300 Gebäuden „als eine kleine Stadt“25 geplant, doch umgesetzt wurde lediglich ein Fragment, so dass die Dichte und der labyrinthische Charakter der Bebauungsstruktur, die das Muster der traditionellen arabischen Stadt mit einem Netz aus engen Freiräumen aufgreift, verlorengingen. Nicht r­ ealisiert wurde das zentrale Auditorium, das allerdings zuvor für einen anderen Ort entworfen war: für Florida, ebenfalls in einem subtropischen Klima. Trotz Gropius’ Behauptung eines regionalistischen Ansatzes erscheinen die zahlreichen von The Architects Collaborative weltweit realisierten Bauten aus heutiger Perspektive in einem hohen Maße gleichartig. Eine spezifisch südamerikanische architektonische Geste konnte Gropius noch zuletzt in Zusammenarbeit mit dem argentinischen Architekten Amancio Williams demonstrieren, als sie für ein Botschaftsgebäude in einem Park (Abb.15) die r­epräsentativen Räume im Sockelbereich und die privaten Wohnräume aufgeständert in sieben Meter Höhe, nach dem Prinzip ­einer Megastruktur, planten. Wie das Wohnhaus, das Williams 1945 im a­ rgentinischen Mar del Plata als eine Betonbrücke über einen Fluss baute, sollte auch die Botschaftsresidenz mit weiten Aus­ kragungen konstruiert werden.26 Obwohl dieses Buch den Anspruch erhebt, das gebaute Gesamtwerk von Gropius zu zeigen, werden nicht alle Bauten präsentiert, die im „Verzeichnis der Werke von Walter Gropius“ in der Monografie

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 10 Walter Gropius mit Rudolf Hillebrecht, Wettbewerb Haus der Arbeit, Berlin 1934 11 Walter Gropius mit Marcel Breuer, Projekt für das Black Mountain College, Lake Eden/North Carolina 1938–39

Einleitung

von Sigfried Giedion aufgelistet wurden, denn dort tauchen auch jene zahlreichen TAC-Bauten und Projekte auf, für die Gropius nicht verantwortlich war. In Anlehnung an die Werkverzeichnisse von Hartmut Probst und Christian Schädlich sowie von Winfried Nerdinger von 1985 werden hier nur jene TAC-Bauten aufgeführt, für die ­G ropius hauptverantwortlich oder neben anderen Partnern mitverantwortlich war. 27 Die Farbfotos in diesem Buch stammen alle vom Autor, der sie in den letzten zehn Jahren aufnahm, und auch die Grundrisse wurden vom Autor neu gezeichnet, in den Maßstäben 1:300 und 1:500 und bei den Lageplänen im Maßstab 1:4000.28 Die Schwarzweißaufnahmen stammen zum Großteil aus dem Berliner Bauhaus-Archiv. Behandelt werden in diesem Buch weitestgehend Bauwerke. Von den Ausstellungsinstallationen und Inneneinrichtungen werden lediglich exemplarische Beispiele gezeigt. Nicht behandelt werden Möbel und Produktgestaltungen. In seinem umfassenden Anspruch an Architektur und Design entwarf Gropius neben Türgriffen und Geschirr auch Eisenbahnwagen und Autos, von denen Prototypen realisiert wurden. Gropius trug entscheidend zur Medialisierung der modernen Architektur bei. Er publizierte viel und fand neue Wege, Bauwerke und Fertigungsmethoden in Büchern mit Fotosequenzen als Bewegungsabläufe zu vermitteln. Zudem fotografierte er und kuratierte Ausstellungen. Von den städtebaulichen Projekten war Gropius die Berliner Großsiedlung Britz-Buckow-Rudow am wichtigsten. The Architects Collaborative entwickelten einen Masterplan (Abb. 14), der bei der Umsetzung jedoch kaum Beachtung fand. Gropius betrachtete es als sein ­Lebenswerk, der verlorenen Einheitlichkeit der Städte entgegen­ zuwirken, doch die Berliner Siedlung erscheint aus heutiger Sicht sehr viel uneinheitlicher als die Stadt der Gründerzeit. „Ich muß gestehen, daß dieses Unternehmen das enttäuschendste ist, mit dem ich je zu tun hatte“29, resümierte Gropius, seinen mangelnden Einfluss erkennend, bevor der Stadtteil ironischerweise posthum nach ihm benannt wurde.  „Die Verwirklichung des aufgestellten Zieles einer ‚totalen’ Architektur,­ die die gesamte sichtbare Umwelt, vom einfachen Hausgerät bis zur komplizierten Stadt umfaßt, forderte immer erneutes Experimentieren und Suchen“30, erklärte Walter Gropius die Idee des Bauhauses. „Wir lieben das Wort ‚Design’ nicht“, argumentierte hingegen Mies. „Es bedeutet alles und nichts. Viele glauben, sie könnten alles: einen Kamm gestalten und einen Bahnhof planen – das Resultat: nichts ist gut. Uns geht es nur um das Bauen.“31 Auch wenn er später selbst das Bauhaus leitete, war Mies’ Gestaltungsanspruch weniger umfassend als der von Gropius. Mies bezeichnete Walter Gropius als ­einen „der größten Architekten unserer Zeit“ und sagte: „Er ist gleichzeitig der größte Erzieher in unserem Fach. [...] Die Ursache für den ungeheuren Einfluß, den das Bauhaus auf jede fortschrittliche Schule in der Welt gehabt hat, [ist] in der Tatsache zu suchen, daß es eine Idee war. Eine solche Resonanz kann man nicht mit Organisation erreichen und nicht mit Propaganda. Nur eine Idee hat die Kraft, sich soweit zu verbreiten.“32

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12 Walter Gropius mit TAC und I. M. Pei, Projekt für die Christliche Universität Hua Tung, Schanghai 1948 13 Walter Gropius mit TAC, Universität Bagdad 1957–83, Modell des zweiten Masterplans von 1960 mit unrealisiertem Auditorium

1 Beispielsweise wurde das Wohnhaus seines Büropartners Marcel Breuer von diesem selbst entworfen. Dennoch gilt der Bau als ein Gemeinschaftswerk der Büropartnerschaft. 2 Walter Gropius in Briefen an Klaus Karbe vom 05.05.1967 und an seine Schwester Manon Burchard vom 16.02.1967, zitiert in: Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1983, S. 38, 42. 3 Walter Gropius in einem Brief an seine Mutter vom 21.10.1907, zitiert in: ebda., S. 91. 4 Der Atelierchef war Jean Krämer. Vgl. Stanford Anderson, Karen Grunow und Carsten Krohn, Jean Krämer – Architekt und das Atelier von Peter Behrens, Weimar 2015. 5 Walter Gropius in einem Brief an Georg Hoeltje vom 05.06.1958, publiziert in: Helmut Weber, Walter Gropius und das Faguswerk, München 1961, S. 23. 6 Walter Gropius, „Grußworte zur Ausstellung“, in: Peter Behrens, Ausstellungskatalog Pfalzgalerie Kaiserslautern 1966, S. 5. 7 Walter Gropius, Die neue Architektur und das Bauhaus – Grundzüge und Entwicklung einer Konzeption, Mainz 1965, S. 74, ursprünglich London 1935. 8 Reyner Banham, Die Revolution in der Architektur – Theorie und Gestaltung im Ersten Maschinenzeitalter, Braunschweig, Wiesbaden 1990, S. 60, ursprünglich London 1960. 9 Vgl. S. 20 in diesem Buch. 10 Walter Gropius in: „Ja! Stimmen des Arbeitsrates für Kunst in Berlin“, Berlin 1919. In: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 69. 11 Walter Gropius in: Deutscher Revolutionsalmanach für das Jahr 1919, Berlin 1919. In: ebda., S. 65. 12 Le Corbusier und Pierre Jeanneret, „Die fünf Punkte zu einer neuen Architektur“, in: Le ­­ Corbusier und Pierre Jeanneret – Ihr gesamtes Werk von 1910–1929, Zürich 1930, S. 126. 13 Den bedeutenden Beitrag von Adolf Meyer (1881–1929) in der Partnerschaft stellte Annemarie Jaeggi heraus in: Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994. 14 Später distanzierte sich Gropius von Hannes Meyer, insbesondere aufgrund von dessen linkspolitischen Aktivitäten am Bauhaus. 15 Walter Gropius, „Die soziologischen Grundlagen der Minimalwohnung für die städtische Industriebevölkerung“, in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 137, ursprünglich in: Die Justiz, 8, 1930. 16 Walter Gropius, „Was erhoffen wir vom russischen Städtebau?”, in: ebda., S. 144, ­ursprünglich in: Das Neue Russland, 6/7, 1931. 17 Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 156. 18 Winfried Nerdinger, „Walter Gropius’ Beitrag zur Architektur“, in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 1: Der Architekt und Theoretiker, Berlin 1985, S. 53. 19 Walter Gropius in einem Brief an Eugen Hönig vom 27.03.1934, in: Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 651. 20 Ebda., S. 652. 21 Walter Gropius in einem Brief an Eugen Hönig aus London vom 31.12.1936, in: ebda., S. 803. In demselben Brief erklärte Gropius: „Nach meiner Überzeugung hat die Entwicklung der modernen Architektur nichts, aber auch garnichts mit irgendeinem politischen System zu tun.“ 22 Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, München 1930, S. 216. 23 Vgl. Joachim Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 102. 24 Vgl. Eduard Kögel, „Nützliche Tradition? Walter Gropius trifft auf China (oder I. M. Pei)“, in: Marion von Osten und Grant Watson (Hrsg.), bauhaus imaginista – Die globale Rezeption bis heute, Zürich 2019, S. 206–211. 25 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 124. 26 Über Gropius’ Aktivität in Argentinien, die Anfang der 1930er Jahre begann, siehe: ­Joaquín Medina Warmburg (Hrsg.), Walter Gropius proclamas de modernidad – Escritos y conferencias, 1908–1934, Barcelona 2018. 27 Als Grundlage diente das Buch The Architects Collaborative TAC 1945–1965, vgl. ebda. 28 Im Maßstab 1:500 sind die Pläne wiedergegeben auf den Seiten 30, 42, 43, 70, 71, 126, 155, 170, 173, 174, 176 und 192. 29 Walter Gropius in einem Brief an Rolf Schwedler vom 19.04.1966, in: Hans Bandel und Dittmar Machule, Die Gropiusstadt – Der städtebauliche Planungs- und Entscheidungsvorgang, Berlin 1974, S. 112. 30 Walter Gropius in einem Vortrag in Hamburg 1956, in: Apollo in der Demokratie, Mainz 1967, S. 15. 31 Ludwig Mies van der Rohe in: Baukunst und Werkform, Heft 6, 1958, S. 616. 32 Mies van der Rohe in einer Rede am 18.05.1953 zum 70. Geburtstag von Walter ­Gropius in Chicago, zitiert in: Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, ­Stuttgart 1954, S. 21, 22.

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14 Walter Gropius mit TAC, Berlin-Gropiusstadt 1959–72, Modell des ersten Masterplans von 1960 15 Walter Gropius mit TAC und Amancio Williams, Deutsche Botschaft in Buenos Aires, Projekt für die Residenz, 1968–69

Haus Metzler

Dramburg/Pommern, heute Polen 1905–06

Das „Landhaus“1 mit einem weit hinuntergezogenen Walmdach, einem Bruchsteinsockel und geböschten Eckverstärkungen liegt an der Mündung eines kleinen Flusses am Rande eines Parks. Der Kontakt zu den Bauherrn Elisabeth und Otto Metzler,2 Letzterer ein Leutnant a. D., kam auf Empfehlung von Gropius’ Onkel zustande, dessen Gutshaus ein paar Kilometer entfernt lag und als gestalterisches Vorbild diente. Die Villa von Erich Gropius wurde vom Berliner Architekturbüro Solf & Wichards geplant, in dem Gropius 1903–04 ein einjähriges Praktikum absolvierte. Gropius war noch Student, als er das Haus Metzler entwarf, und er kopierte den romantischen Fachwerkstil des Wohnhauses seines Onkels. Jedoch platzierte er den Eingang an der Gebäudeecke mit dem Resultat einer unsystematischen Grundrissorganisation. Auch die Achsmaße der Fachwerkkonstruktion sind uneinheitlich. Später erschien Gropius der Bau offenbar nicht klar genug, denn er bezeichnete ihn, wie auch das gleichzeitig von ihm erbaute Speichergebäude auf der Gutsanlage seines Onkels, als seine „Jugendsünden“.3 1 So war der Grundrissplan beschriftet, abgebildet in: Małgorzata Omilanowska, „Das Frühwerk von Walter Gropius in Hinterpommern“, in: Birte Pusback (Hrsg.), Landgüter in den Regionen des gemeinsamen Kulturerbes von Deutschen und Polen, Warschau 2007, S. 151. 2 Ebda., S. 139. In älteren Publikationen steht fälschlicherweise Metzner. 3 Zitiert in: Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, ­Berlin 1983, S. 68.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss

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Ansicht vom Fluss Gartenseite

Gut Janikow

bei Dramburg/Pommern, heute Polen 1906–09

Für das Gut seines Onkels begann Gropius noch als Student einen Getreidespeicher, ein Schmiede- und Waschhaus sowie Arbeiterwohnhäuser zu bauen. Während die Gutsanlage heute weitgehend zerstört ist, blieb der Speicher erhalten. Gropius baute das Speichergebäude 1906 neben Erich Gropius’ Villa und passte sich stilistisch an die Wohnhausarchitektur an. Er schuf ebenfalls eine asymmetrischmalerische Komposition aus Sichtmauerwerk, Fachwerkgiebel, Walmdach und Bruchsteinsockel. Das ein paar Jahre später entstandene und ebenfalls aus Backstein ­errichtete Doppelhaus für Landarbeiter war hingegen klassizistisch streng gestaltet. Das klare, symmetrische und wie ein Industriebau systematisch organisierte Gebäude entstand, nachdem Gropius 1908 im A ­ telier von Peter Behrens zu arbeiten begonnen hatte. Der Bau­ körper ist in der Ansicht und im Grundriss in den Verhältnissen des Goldenen Schnitts proportioniert.1 Die geometrische Abstraktion des Gebäudevolumens wird durch die Platzierung der Eingänge in den seitlichen Anbauten betont sowie durch die rhythmische ­Reihung von einheit­lichen Fensteröffnungen. Während eine Fensterreihe bei ­Behrens gewöhnlich eine ungerade Anzahl von Öffnungen zeigt, ist es hier – bedingt durch die Spiegelung des Grundrisses – hingegen eine gerade Zahl. Die Horizontale wird durch ein Gesims- und ein S ­ ockelband betont. Der Baukörper ist zudem an der Eingangsseite auf halber Höhe mit ­einer horizontalen Fuge unterteilt, während auf der hinteren Gebäude­ seite das Obergeschoss etwas zurückversetzt ist. Da ­Gropius die meisten seiner frühen Bauten nicht publizierte, galt dieses, in ­Sigfried Giedions ­Gropius-Monografie abgebildete Arbeiterhaus lange als sein Erstlingswerk. 1 Vgl. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 237, 238. Hier wird zwar der Entwurf des Doppelwohnhauses für Arbeiter auf Golzengut analysiert, doch beide Bauten sind fast identisch und nach gleicher Systematik gestaltet. Jaeggi belegt eine Proportionierung nach dem Goldenen Schnitt. Der hier gezeigte Grundriss ist eine Rekonstruktion auf der Grundlage der bei Jaeggi abgebildeten Pläne für Golzengut. ­

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Doppelhaus für Landarbeiter, Eingangsseite Doppelhaus für Landarbeiter, Gartenseite

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Getreidespeicher Getreidespeicher, Detail

Gut von Brockhausen

Mittelfelde/Pommern, heute Polen 1907–14

Auf der Gutsanlage von Heinrich Eugen von Brockhausen errichtete Gropius 1907 zunächst ein von ihm als „ziemlich opulent“1 beschriebenes Vierfamilienhaus. Das symmetrisch aufgebaute Haus setzt sich aus vier gleichen Gebäudeteilen zusammen, so dass die Nord- und die Südseite des Bauwerks identisch sind. Wie zu dieser Zeit bei Gropius üblich, sind die Eckpfeiler geböscht, während ein großes steiles Dach mit Vor- und Rücksprüngen die Baumasse zusammenfasst. Wie beim Haus Metzler und beim Getreidespeicher auf dem Gut Janikow verwendete Gropius auch hier unterschiedliche Fensterformate. Aufgrund der Spiegelung der Fassaden wirkt der Bau dennoch systematisch. Neben diesem Wohngebäude für Landarbeiter wurde Gropius auch mit der umfassenden Neugestaltung des Hofs beauftragt. Er änderte die Vorfahrt mit großen Mauern und Toranlagen. Die mittlerweile eingefallenen und stark überwucherten Mauern sind mit grün glasierten Ziegeln abgedeckt. 1913–14 errichtete Gropius weitere Bauten auf dem Gut, von denen lediglich ein heute zerstörtes Gewächshaus durch ­Fotos im Nachlass von Gropius dokumentiert ist.2 1 Walter Gropius in einem Brief an seine Mutter vom 15.02.1907, in: Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1983, S. 77. 2 Annemarie Jaeggi spekulierte, ob ein noch erhaltenes Transformatorenhäuschen ­Gropius und Meyer zuzuschreiben sei. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 268.

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Vierfamilienhaus, Südseite Vierfamilienhaus, Nordseite

Haus von Arnim

Falkenhagen/Pommern, heute Polen 1910–11

Das Gutshaus von Friedrich Wilhelm von Arnim liegt in der Guts­ anlage etwa hundert Meter von der Straße entfernt. Die Zufahrt läuft axial auf die symmetrisch angelegte Fassade zu und gabelt sich zu einer geböschten Auffahrt. Die etwas erhöhte Position des Hauses ist mit einem Bruchsteinsockel betont, während ein angegliederter Wintergarten sowie eine Überdachung der Vorfahrt als leichte EisenGlas-Konstruktionen ausgebildet sind. Auf der Gartenseite führt eine Treppenanlage kaskadenartig zu einem Park hinab. Bei dem Entwurf orientierte sich Gropius am Haus Schroeder, das Peter Behrens zuvor in Hagen gebaut hatte und das Gropius als Mitarbeiter „fast allein durchdetaillierte“1. Gropius war bei diesem Bauvorhaben allerdings mit Behrens in Streit geraten, da dieser keinen Dachüberstand wollte. Und dies führte auch tatsächlich zu bauphysikalischen Problemen. Beim Haus von Arnim versuchte Gropius mit einem Mansarddach Behrens’ Architektur zu verbessern, mit der er sich ansonsten aber identifizierte.2 Gropius integrierte, wie bei Behrens üblich, die Fallrohre der Regenrinnen in die Wand und wählte für den Wintergarten einen Linoleumbelag mit einem von Behrens gestalteten Ornament. Wie beim ockerfarbig verputzten Haus Schroeder war die Eingangshalle­ auch hier in „einer pompejanischen Stimmung“3 rot verputzt. Das Haus wurde innen und außen stark verändert, und der gläserne Anbau ist zerstört. 1 Walter Gropius in einem Brief an Georg Hoeltje vom 05.06.1958, publiziert in: ­Helmut Weber, Walter Gropius und das Faguswerk, München 1961, S. 23. 2 Ebda. Gropius erklärte: „Jahr und Tag war ich ständig bei Behrens abends im ­Hause und identifizierte mich mit allen seinen Arbeiten.“ 3 Fritz Hoeber, Peter Behrens, München 1913, S. 89. Annemarie Jaeggi beschreibt den Putz der Eingangshalle des Hauses von Arnim ebenfalls als rot und die Farbe des Außenputzes als gelblichen Ton. Zur Farbigkeit eines Details des Hauses zitiert sie eine Notiz von Gropius: „crème Grund / schwarzbraune Bänder / etwas melachitgrün“. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 236.

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Eingangsseite Gartenseite Wintergarten

Haus Golzengut

Dramburg/Pommern, heute Polen 1910–11, Umbau, zerstört

Gropius’ Onkel erwarb das an sein Landgut Janikow angrenzende ­Golzengut und beauftragte seinen Neffen, das Herrenhaus zu renovieren und umzubauen.1 Zudem entwarf Gropius ein Arbeiterwohnhaus.2 Inwieweit er die Fassade des Herrenhauses neu gestaltete, ist nicht belegt. Die Rustizierung des Putzes, die Profilierung des Gesimses sowie die Detaillierung der Fensterumrahmungen finden sich auch am ­angrenzenden Gebäude aus der Zeit um 1800, so dass Gropius möglicherweise nur die Mittelrisaliten und den Mittelteil der Schmalseite mit halbrundem Erker entwarf. Der Stil lehnt sich an der Architektur von Karl Friedrich Schinkel an. Eine ähnliche neoklassizistische Architektur­sprache zeigen Gropius’ nicht realisierte Entwürfe für ein Krankenhaus und ein Landratsamt von 1912–13. Die Schmalseite des Hauses ­Golzengut wies zur Hauptstraße, von der die Gutsanlage erschlossen wurde, und der Hauseingang befand sich in einem eingeschossigen Anbau mit einer Dachterrasse. An der Gartenseite war dem Haus ein zwei Treppenstufen hohes Podium vorgelagert, das als Terrasse diente. Das Bauwerk wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört. 1 Vgl. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 236–239. 2 Reginald R. Isaacs schreibt, dass Gropius für Golzengut mehrere Häuser dieses Typs errichtete. Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, ­Berlin 1983, S. 77.

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Ansicht von der Straße Eingangsseite

Stärkefabrik Kleffel

Gut Baumgarten, bei Dramburg/Pommern, heute Polen 1911 (mit Adolf Meyer), zerstört

Das Bauwerk wurde in eine bestehende Gutsanlage integriert. 1 Wie bei den angrenzenden Bauten wechseln sich verputzte Wandoberflächen und Sichtmauerwerk ab, so dass sich das Gebäude mit den landwirtschaftlichen Bauten zu einer Einheit verbindet. Während die Sockelzone durch ein Band aus Mauerwerk artikuliert ist, ist die Gebäudemitte durch einen Turmaufbau sowie einen hervortretenden, vertikal gegliederten Mittelrisaliten betont, der wie bei den Industriebauten von Peter Behrens der Architektur einen monumentalen Ausdruck verleiht. Das Prinzip, in vertikalen Schlitzen in der Wand schmale Fenster­zu ­verstecken, um so mehrere Geschosse zu einer Einheit zusammen­ zufassen, haben Gropius und sein Mitarbeiter Adolf Meyer, der ebenfalls im Atelier von Behrens arbeitete, später an der Fassade der Musterfabrik der Kölner Werkbundausstellung wiederholt. Die vertikalen Mauervorlagen erscheinen als Kolossalpilaster, die ein Architrav tragen. Die tatsächliche Tragstruktur des Gebäudes ist eine Eisenskelettkonstruktion, und die Decken sind als preußische Kappengewölbe gebaut. Das Bauwerk, in dem Kartoffeln zu Stärkemehl verarbeitet wurden, wurde 2014 abgerissen. 1 Als Entstehungsjahr wird im Werkverzeichnis (Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 233) zwar 1913–14 genannt, doch in einem Brief an Gropius vom 24.10.1957 (Bauhaus-Archiv Berlin, Inv.-Nr. 6124/1) datierte die ­Tochter des Bauherrn Hildegard Kleffel den Bau drei Jahre früher.

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Ansicht vom Hof

Fagus-Werk

Alfeld, Deutschland 1911–15, 1921–25 (mit Adolf Meyer)

„Dieses Bauwerk war so hervorragend, daß Gropius mit einem Schlage einer der führenden europäischen Architekten wurde,“ 1 bemerkte Mies von der Rohe. Daß der 28-jährige Gropius den Auftrag erhielt, eine Fabrik für Schuhleisten zu bauen, hängt auch mit seiner Hartnäckigkeit zusammen, denn er hatte sich damals in Hunderten von Briefen um Bauaufträge beworben. Der Bauherr Carl Benscheidt ging das Risiko mit einem jungen unbekannten ­A rchitekten ein, da er offenbar nicht von der konventionellen Gestaltung eines bereits existierenden Entwurfs des Architekten Eduard­ Werner überzeugt war. Er beauftragte Gropius mit der Gestaltung der Fassaden, während der geplante Grundriss beibehalten bleiben sollte. Gropius­ erklärte rück­b lickend: „Überzeugt, daß die neuen architektonischen Möglichkeiten, mit Stahl, Beton und Glas zu bauen, noch gar nicht voll erkannt waren und zu viel kühneren Lösungen gesteigert werden könnten, versuchte ich kompromißlos eine Radikal­ lösung zu finden.“ 2 Gropius gelang es zwar, den Grundriss noch zu modifizieren, doch lag die architektonische Innovation von ihm und seinem Mitarbeiter Adolf Meyer insbesondere in der Gestaltung des Hauptgebäudes mit einer vorgehängten Glasfassade und einer transparenten Gebäude­ ecke. Die Fassade ist allerdings nicht komplett vor die Tragstruktur des Gebäudes gehängt, sie ist also kein reiner curtain wall, doch wurde hier eine architektonische Lösung demonstriert, welche die Entwicklung der ­A rchitektur insgesamt beeinflusste. Die Tragstruktur des Gebäudes zeigt sich in gemauerten Backsteinpfeilern, die leicht geböscht sind. Im Gegensatz zu Peter Behrens’ AEG-Turbinenfabrik, an der Gropius mitarbeitete und bei der die Glaswand leicht nach innen geneigt ist, während die Skelettkonstruktion lotrecht steht, ist es hier umgekehrt: Beim Fagus-Werk sind die Glasfelder lotrecht, während die gemauerte Fläche geneigt ist, so dass sich die Pfeiler nach oben hin verjüngen und eine Schattenwirkung entsteht. Mit einem sehr dunklen Sockel wollte Gropius „den Gebäuden etwas Schwebendes, vom Boden Losgelöstes“ geben. Über das Prinzip, mit großen Glasfeldern mehrere Geschosse zusammenzufassen, erklärte er: „Meine Alfelder Außenwandlösung entsprang wohl meiner Neigung, zwecks immer weitergehender Vereinfachung Formen oder Bauteile zusammenzuziehen. Ich habe später immer meinen Schülern geraten, wenn sie die Möglichkeit sehen, aus zwei oder drei Bauteilen einen zu machen, sollten sie nie zögern, denn ein solcher Entwurfsprozeß vergrößert den Maßstab und vermeidet Kleinlichkeit und das ‚zuviel‘.“3 Der Komplex wurde in mehreren Bauabschnitten, hauptsächlich 1911–14, realisiert. Danach folgten Nebenbauten, Ergänzungen sowie Innenausbauten. 1 Ludwig Mies van der Rohe in einer Rede zum 70. Geburtstag von Walter Gropius am 18.05.1953 in Chicago, zitiert in: Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 21. 2 Walter Gropius, „Vor 50 Jahren“, in: Helmut Weber, Walter Gropius und das Faguswerk, München 1961, S. 7. 3 Walter Gropius in einem Brief vom 10.05.1959 an Helmut Weber, in: ebda., S. 60.

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Treppenhaus

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Gesamtanlage Hauptgebäude, Ansicht von Südwest

Fagus-Werk

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Grundriss Erdgeschoss

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Hauptgebäude, Ansicht von Nordost Ansicht von Süden Kohlen- und Spänehaus

Fagus-Werk

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Lagergebäude

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Hauptgebäude, Detail Haupteingang Hauptgebäude, Vestibül

Hauptgebäude, Südecke Südwestfassade, Detail Treppendetail

Wohnhäuser Bernburger Maschinenfabrik

Alfeld, Deutschland 1912–13 (mit Adolf Meyer)

Für die Arbeiter der Bernburger Maschinenfabrik ist eine Wohnanlage mit drei Doppelhäusern mit insgesamt zwölf Wohnungen entstanden. An das Doppelhaus an der Hauptstraße waren zwei flankierende Anbauten mit Ställen zur Selbstversorgung angegliedert, während bei den anderen zwei Häusern Ställe in einem separaten Baukörper unter­ gebracht waren. Die Toiletten waren von außen erschlossen. Mit den einfachsten Mitteln wurden die Fassaden und Baukörper variiert. Die Bauten stellen eine Weiterentwicklung des bereits erprobten Typus­ ­­des Doppelhauses für Landarbeiter in Janikow dar. Übernommen wurde die rhythmische Reihung von einheitlichen vertikalen Fensteröffnungen in den Proportionen von 1:2. In einem Brief an Karl Ernst ­Osthaus hatte Gropius 1911 geschrieben, dass offenbar eine Realisierung seiner­„Typenhaus-Idee“ bevorstehe. 1 Das Typenhauskonzept ent­wickelte Gropius später am Bauhaus weiter zu einer Baukasten­ systembauweise, die auf der Variation von einheitlichen Elementen beruht, doch hatte er sich nach 1918 von der Gestaltung dieser frühen Bauten vollkommen distanziert.2 Mittlerweile wurden sämtliche Fassaden komplett verändert, so dass von der ursprünglichen architektonischen Gestaltung heute nichts mehr zu erkennen ist. 1 Walter Gropius in einem Brief vom 13.11.1911, zitiert in: Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 266. 2 Walter Gropius in einem Brief vom 23.12.1918 an Karl Ernst Osthaus: „Wohnhäuser habe ich in den letzten Jahren nicht gebaut und die älteren sind ein solcher Dreck, daß ich sie gar nicht ansehen mag“, zitiert in: Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter ­Gropius, ­Berlin 1985, S. 38.

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Lageplan Doppelhaus Typ 1 Doppelhaus Typ 2

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Grundrisse Obergeschoss Grundrisse Erdgeschoss

Getreidespeicher und Wohnbebauung

Märkisch Friedland/Pommern, heute Polen 1913–14

Das Speichergebäude mit der Inschrift des Bauherrn „Landwirtschaft­ licher Ein- & Verkaufsverein“ und der angegliederte Wohnbau stehen in einem architektonischen Dialog. Während beim Speicher der Mittelteil zurückspringt, tritt dieser beim Wohnbau leicht hervor. Und während die verputzte Wandoberfläche des Speichers mit horizontalen Ziegelbändern untergliedert ist, ist die Backsteinoberfläche des Wohnbaus mit einem verputzten Band unter der Traufkante kombiniert. Wie beim Speichergebäude des Fagus-Werks verlaufen die horizontalen Bänder ober- und unterhalb der Fensteröffnungen. Da die Anlage in einem frühen Werkverzeichnis mit „Getreidespeicher und Wohnhäuser“1 bezeichnet ist, kann vermutet werden, dass mindestens noch ein weiterer Wohnbau geplant oder realisiert war, der an einer Position dem Wohnhaus gegenüber eine symmetrische Gesamtanlage geschaffen hätte. Wohnbebauung und Lagerhaus bilden eine architektonische Einheit. Die unterschiedlichen Baukörper sind im Grundriss jedoch gleich proportioniert, und bei beiden Bauten kragen oberhalb derjenigen Wandflächen, die in der Fassade zurückspringen, Bauteile aus: ein zentraler Giebel und zwei exponierte Eckgauben. Die Wohnbebauung ist mittlerweile zerstört, und die Fassade des Getreidespeichers wurde stark verändert, so dass nur noch einzelne Ausschnitte dem Originalzustand entsprechen. 1 Vgl. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 281.

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Grundriss Speichergebäude Wohngebäude

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Speichergebäude Speichergebäude, Detail

Siedlung „Eigene Scholle“

Wittenberge, Deutschland 1913–14 (mit Adolf Meyer)

Die Siedlung für Arbeiter der anliegenden Industriebetriebe setzt sich aus unterschiedlichen Gebäudetypen zusammen.1 Während sich entlang einer mit Linden bepflanzten Allee im Süden Doppelhäuser mit seitlich angegliederten Ställen gleichförmig aneinanderreihen, ist die Reihung der Einfamilienhäuser entlang eines Kastanienwäldchens im Westen und entlang der im Osten begrenzenden Straße rhythmisiert, so dass die Baukörper hofartige Räume bilden. Als städtebaulichräumlicher Abschluss nördlich des Kastanienwäldchens ist ein Doppelhaus von zwei Einzelhäusern flankiert. Die Bebauungstypen spiegeln sowohl den linearen Charakter der Allee als auch den aufgelockerten Charakter des Wäldchens wider. Im Osten bilden zwei etwas größere und gegenüberliegende Häuser eine Torsituation. Auch den Einzelhäusern sind jeweils Stallanbauten mit Außentoiletten angegliedert. Die Häuser, die dichter an der Straße liegen, wurden mit einer repräsentativen Fassade versehen. Die abstrahierten klassizistischen Formen sind aber nicht auf die Wandoberfläche appliziert, sondern aus der verputzten Wand herausgearbeitet. Die Wand springt in mehreren Stufen leicht zurück, so dass sich Sockel, Pilaster­und Gebälk als ein Relief abzeichnen. Auch wenn einige Häuser mittlerweile komplett zerstört sind, blieb die städtebauliche Anlage um das Kastanien­wäldchen herum erhalten. Allerdings wurden sämtliche Bauten verändert, so dass sich heute kein Haus mehr im Original­zustand befindet. 1 Die Häuser waren von der „Landgesellschaft Eigene Scholle“ für Arbeiter der ­Singer-Werke sowie der Deutschen Reichsbahn gebaut. Während sich die Doppel­ häuser und die größeren Einfamilienhäuser gut verkaufen ließen, war der am häufigsten verwendete Gebäudetyp des kleineren Einfamilienhauses offenbar zu teuer und demnach sehr schwer verkäuflich. Vgl. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann –­ Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 276–280.

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Lageplan Grundriss großes Einzelhaus Grundriss Einzelhaus Einzelhaus mit Stallanbau

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Grundriss Doppelhaus Obergeschoss Grundriss Doppelhaus Erdgeschoss Kastanienwäldchen Doppelhaus mit Stallanbauten

Musterfabrik Werkbundausstellung

Köln, Deutschland 1913–14 (mit Adolf Meyer), zerstört

Auf der Werkbundausstellung 1914 in Köln baute Gropius zusammen mit Adolf Meyer eine Musterfabrik, die im Gegensatz zu den meisten­ anderen Ausstellungsgebäuden nicht aus provisorischen, sondern „echten“ Baumaterialien gefertigt wurde, die sie sich von den Firmen sponsern ließen. Ursprünglich war Hans Poelzig für den Bau vorgesehen, der aber absagte. Auch wenn Gropius und Meyer lieber eine „Anlage aus einem Guß“1 gestaltet hätten, mussten sie eine bereits existierende, vom Ingenieur Hans Schmuckler entwickelte demontierbare Maschinenhalle in den Komplex integrieren, deren Gestaltung sie ­lediglich abwandelten. Auch wenn sie die Halle dahingehend veränderten, dass die Massenwirkung des Bauwerks verstärkt wurde, hielt ­Gropius die Konstruktion der Halle für „ausgezeichnet“, „da sie ­formal das Beste mir bekannte dieser Art darstellt“. 2 Die Gesamt­­anlage schloss im Süden mit einem schmalen Kopfbau mit Büroräumen und im Norden mit einem angegliederten Pavillon für die Gasmotoren­fabrik Deutz ab. Das streng symmetrische und an Frank Lloyd Wrights Architektur ­erinnernde Bürogebäude mit großer Dachterrasse war mit hellen gelb­ lichen sowie sehr dunklen Ziegeln verkleidet und an den Treppen­ häusern, den Schmalseiten sowie der Nordseite mit einer vorgehängten Glaswand umhüllt. Die kontinuierliche Glashaut umschloss die exponierten runden Treppenläufe membranartig mit ebenfalls gerundeten Scheiben. Während die repräsentative öffentliche Seite des Gebäudes mit monumentalem Eingangsportal und langem Erschließungsflur im Obergeschoss durch eine monolithische Fassade abgeschottet wurde, öffnete sich der Bau mit den privateren, extrem hohen Arbeitsräumen in einer maximalen Weise. Der Weg der Besucher von sehr dunklen und mit Wand- und Deckenbildern sowie Figurenreliefs3 geschmückten Bereichen hin zu den lichtdurchfluteten „sachlichen“ ­Arbeitssälen war dramatisch inszeniert. Wie bei der Maschinenhalle wurde auch beim Deutz-Pavillon die Eisen­ konstruktion umhüllt. Die leichte Fachwerkstruktur der Träger wurde so ummantelt, dass vollwandige Träger suggeriert wurden, um im Sinne von Peter Behrens die Körperhaftigkeit des Bauwerks zu betonen. Die Wände des Pavilloninnenraums waren mit Keramikplatten ornamental verkleidet. 1 Walter Gropius in einem Brief an Karl Ernst Osthaus vom 15.07.2013, zitiert in: ­Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 270. 2 Ebda. 3 Beteiligt war auch der spätere Bauhaus-Lehrer Gerhard Marcks.

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Deutz-Pavillon, Innenraum

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Eingangsseite Bürogebäude Seitenansicht Hofseite Bürogebäude

Musterfabrik Werkbundausstellung

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Grundriss Gesamtanlage Erdgeschoss

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Grundriss Bürogebäude Dachgeschoss Grundriss Bürogebäude Obergeschoss Gesamtanlage

Denkmal der Märzgefallenen

Weimar, Deutschland 1920–22, rekonstruiert

Das Denkmal entstand zur Erinnerung der Opfer des rechtsr­adikalen Kapp-Putsches gegen die neue demokratische Weimarer Republik­. Im März 1920 wurden in Weimar zehn junge Arbeiter während eines Streiks getötet. Die Gewerkschaft lobte einen Wettbewerb für ein Denkmal neben den Grabmälern auf dem Weimarer Hauptfriedhof aus, den Gropius gewann. Er schuf eine kristalline Betonskulptur, die Grabplatte und Wahrzeichen vereint, so dass ein dynamisches Objekt einen Raum umgreift, der „offen für Jedermann“1 sein sollte. Es sollte kein abgezäuntes Feld entstehen. Gropius erklärte: „Der Blitz-strahl aus dem Grabes­boden als Wahrzeichen des lebendigen Geistes!!“ 2 Es war seine Idee, „ein Symbol zu errichten, das den Geist der Freiheit“3 zum Ausdruck bringe, und er bemerkte rückblickend: „Ich ­zögere, irgendeine literarische Erklärung für das Denkmal zu geben. Es muß der Vorstellung des Betrachters überlassen bleiben, wie er es interpretieren will.“4 Das ursprünglich in Kalkstein geplante Denkmal wurde schließlich in Beton ausgeführt, jedoch mit dem Zusatz von Muschelkalk sowie schwarzer und weißer Terrazzokörnung,5 und die Oberfläche wurde bearbeitet. Gropius war seit 1919 Direktor des Staatlichen Bauhauses in Weimar und arbeitete bei diesem Entwurf mit der Bildhauerwerkstatt des Bauhauses zusammen, in der ein Gipsmodell gefertigt wurde. Der blitzartige Teil des Denkmals wurde 1936 von den Nationalsozialisten gesprengt, aber bereits 1946 wurde das Denkmal in leicht veränderter, etwas weniger spitzer Form rekonstruiert. 1 Walter Gropius im Erläuterungstext vom Dez. 1920. Vgl. Klaus-Jürgen Winkler und Herman van Bergeijk, Das Märzgefallenen-Denkmal in Weimar, Weimar 2004, S. 29. 2 Ebda. 3 Walter Gropius in einem Brief an Dietrich Clarenbach vom 01.08.1968, zitiert in: ­Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1983, S. 465. 4 Walter Gropius in einem Brief an Dietrich Clarenbach vom 24.12.1968, zitiert in: ebda. 5 Wie Anm. 1., S. 45.

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Aufsicht Denkmal nach Fertigstellung

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Rekonstruiertes Denkmal Grabplatte

Haus Sommerfeld

Berlin-Lichterfelde, Deutschland 1920–22 (mit Adolf Meyer), größtenteils zerstört

Gropius arbeitete bei diesem Bau nicht nur sehr eng mit Adolf Meyer zusammen, sondern auch mit zahlreichen Bauhaus-Werkstätten. Josef Albers schuf ein farbiges Glasfenster über dem Hauseingang, Marcel Breuer Möbel, Joost Schmidt Schnitzereien der Holzelemente, und an der Farbigkeit der Innenräume arbeitete Hinnerk Scheper.1 Auch Metallarbeiten und Textilien waren zusammen mit den Bauhaus-Werkstätten entstanden. „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück“, hatte Gropius im Programm des Bauhauses 1919 gefordert. „Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik­ und Malerei.“2 Gefördert wurde das Gemeinschaftswerk vom Bauherrn, dem jüdischen Holz- und Bauunternehmer Adolf Sommerfeld. Die Gestaltung des streng symmetrischen und im Grundriss konventionell organisierten Hauses war offensichtlich von Frank Lloyd Wright inspiriert. Die zweischalige Holzblockkonstruktion war von Sommerfeld entwickelt, der für die Innenausstattung Teakholzpaneele aus einem abgewra­ckten Schiff recycelte. „Holz ist der Baustoff der Gegenwart“, proklamierte Gropius 1920. „Holz ist der Urbaustoff der Menschen, der allen tektonischen Gliedern des Baus genügt: Wand, Boden, ­Decke, Dach, Säule und Balken.“3 Aus Holz hatte Gropius zuvor die Tragwerke der Speichergebäude in Märkisch Friedland und des Fagus-Werks konstruiert, doch ist der Geist dieses Hauses – ähnlich wie die gleichzeitig von Peter Behrens erbaute „Dombauhütte“ – eher expressionistisch und mystisch als sachlich und technisch. Wie Behrens kehrte sich auch Gropius nach 1918 stilistisch vom Klassizismus ab, während die Grundrisse einer Kontinuität verhaftet blieben. Adolf Sommerfeld emigrierte 1933 nach Palästina und später nach England. Während des Krieges wurde das Haus zerstört. Erhalten blieb lediglich das Chauffeurshaus und das Gartentor. 1 Celina Kress, Adolf Sommerfeld/Andrew Sommerfield – Bauen für Berlin 1910–1970, Berlin 2011, S. 104–105. 2 Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 72. 3 Walter Gropius, „Neues Bauen“, in: Der Holzbau – Mitteilungen des Deutschen Holzbau-Vereins, Beilage zu: Deutsche Bauzeitung, 1920, Heft 2, S. 5.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Eingangstor Chauffeurshaus, Fassadendetail

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Eingangsseite Vestibül

Reihenhäuser Sommerfeld

Berlin-Lichterfelde, Deutschland 1920–22 (mit Adolf Meyer)

Die vier aneinandergereihten Einfamilienhäuser für Angestellte des Sommerfeld-Konzerns sind durch Vor- und Rücksprünge so gestaffelt, dass ein großes Einzelhaus suggeriert wird. Diese Wirkung entstand nicht nur durch die Spiegelung des Grundrisses und durch die Betonung der Mitte, in der zwei Hauseingänge in einem Vorbau zusammengefasst sind, sondern auch durch das einheitliche Dach, das, wie beim frühen Vierfamilienhaus in Mittelfelde, vier Häuser zu einem Bauvolumen zusammenbindet. Das Gebäude wurde auf dem Areal der Sommerfeld-Villa errichtet, und auch hier wird das Baumaterial Holz in der Fassade offen gezeigt. Ebenso steht hier der Bau auf einem rustikalen Steinsockel, während das Obergeschoss wie bei einem traditionellen Fachwerkhaus auskragt – der Giebel des Dachgeschosses kragt sogar noch weiter aus. Und ebenfalls wie bei einem historischen Fachwerkhaus sind die tektonisch in Erscheinung tretenden Balkenköpfe durch Schnitzereien verziert. Gropius sah sich durch historische Beispiele inspiriert, wenn er erklärte: „Die mittelalterlichen Fachwerkbauten in Deutschland und Frankreich, die Holzbauten in Tirol, in Litauen, in den Baltenländern, Rußland und Skandinavien sind beredte Zeugen für die unbegrenzten Möglichkeiten, das Holz künstlerisch zu formen.“ 1 Bei der Renovierung des Bauwerks gingen Details verloren, wie das leichte nach oben Ausschweifen der Dachkante an den Ecken, so wie bei einem chinesischen oder japanischen Tempel. Ursprünglich waren auf dem Areal noch weitere Wohnhäuser geplant sowie ein brückenartig sich über die Straße erstreckender Verwaltungsbau. 1 Walter Gropius, „Neues Bauen“, in: Der Holzbau – Mitteilungen des Deutschen Holzbau-Vereins, Beilage zu: Deutsche Bauzeitung, 1920, Heft 2, S. 5.

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Straßenansicht

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Gartenseite Stirnseite

Haus Mendel

Berlin-Wannsee, Deutschland 1921, Umbau (mit Adolf Meyer)

Es handelt sich hier um den Umbau der Gründerzeitvilla des Textil­ unternehmers Albert Mendel auf einem großen Grundstück am Wannsee. Gropius hatte bereits 1913 Möbel und Räume für Mendels Stadtwohnung gestaltet. Da Mendel 1921 ganz in den Sommerwohnsitz umzog, wurden mehrere Räume des Hauses sowie die Veranda radikal umgebaut und die Möblierung integriert. „Den annähernd quadratischen Windfang bauten Gropius/Meyer zu ­einem Achteck um und fügten eine aus spitzen Dreiecksflächen gebildete zeltdachartige Decke ein. In den Scheitelpunkt hängten sie eine Opalglaslampe, die der Form einer Pyramide entspricht und mit der Spitze nach unten zeigt. Über mehrere Stufen gelangt man vom Windfang in das höher gelegene Vestibül, dem innenarchitektonischen Prunkstück der umgestalteten Villa.“1 Annemarie Jaeggi beschrieb ­ferner einen „Kamin aus Messing, dessen Schnabelhaube wiederum aus Dreiecksflächen zusammengesetzt ist und die über dem Achteck ausgebildete Zeltdachform des Windfangs im kleinen wiederholt“. 2 Das Dreiecksmotiv bestimmt auch die Gestaltung der Decke, der Treppen­brüstung und des oberen Abschlusses des Fensters im ­Vestibül. An der Decke des Vestibüls zeichnen nackte Glühbirnen die zackenförmige Stuckornamentik nach. Offensichtlich distanzierte sich Gropius später von seiner expressionistischen Werkphase, denn im Werkverzeichnis sind keine der Berliner Arbeiten aus der Zeit von 1920 bis 1922 aufgeführt.3 Der Bauherr starb kurz nach der Fertigstellung des Umbaus, und Gropius entwarf das Grabmal auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. 1 Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der Zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 404–405. 2 Ebda., S. 405. 3 Vgl. Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 233.

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Treppenhaus Detail

Haus Stoeckle

Berlin-Zehlendorf, Deutschland 1921–22 (mit Adolf Meyer), zerstört

Der Bauunternehmer Adolf Sommerfeld war nicht nur für die Aus­ führung des Gebäudes verantwortlich, auch das Grundstück gehörte seiner Terraingesellschaft.1 Wie bei den gleichzeitig von ­Gropius für Sommerfeld erbauten Reihenhäusern war die Holzverkleidung des ­Giebels in einem diagonalen Muster ausgebildet. Im Gegensatz zu diesem expressionistischen Dekor wurde wie bei einem Haus von ­Heinrich Tessenow jede individuelle Extravaganz vermieden – es zeigt sich ein bescheiden auftretendes, aber handwerklich solide konstruiertes Haus mit steilem Dach und Fensterläden.2 Die Farbgestaltung der Innenräume war von der Bauhaus-Werkstatt für Wandmalerei entworfen und ausgeführt, und aus der Bauhaus-Weberei stammt ein Teppich. 3 An der Gartenseite war eine Terrasse mit einem zentralen Balkon überdacht. Wie bei den Einfamilienhausentwürfen von Gropius und Meyer üblich, wurde auf diese Weise an der Gartenfassade die Mitte des Gebäudes betont. Das Haus wurde im Krieg stark zerstört und 1959 schließlich komplett abgerissen. 1 Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 144–146, 302–304. 2 Der Mitarbeiter an diesem Projekt Fred Forbát schrieb in einem Brief an Wolfgang Pehnt vom 24.07.1969, das Haus sei „fast wie von Tessenow“. Wolfgang Pehnt, „­ Gropius the Romantic“, in: The Art Bulletin, Sep. 1971, S. 383. 3 Die Farbgestaltung wurde von Hinnerk Scheper entwickelt, vgl. Anm. 1, S. 303.

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Grundriss Erdgeschoss Ansicht von der Straße

Haus Otte

Berlin-Zehlendorf, Deutschland 1921–22 (mit Adolf Meyer)

Das Haus ist vom Typus mit dem Haus Sommerfeld verwandt. Mit dem Entwurf des Hauses Otte wurde begonnen, als das Haus Sommerfeld fast fertiggestellt war. In beiden Fällen ist einer zweigeschossigen Villa an der Eingangsseite ein Vorbau vorgelagert, der die Gesamtform des Hauses im Kleinen wiederholt. In beiden Fällen war oberhalb des Eingangs ein großes, von Josef Albers gestaltetes, farbiges Glasfenster platziert, das einem hohen Vestibül mit dunklen Wänden eine sakrale Atmosphäre verlieh. Das hier abgebildete Foto des Vestibüls zeigt eine helle Wandgestaltung, die von den Eigentümern veranlasst wurde, da sie die mystische Lichtstimmung offenbar nicht schätzten.1 Während die tektonische Blockhauskonstruktion des Hauses Sommerfeld das frühe Bauhaus-Ideal eines handwerklich orientierten Bauwerks widerspiegelt, zeigt sich an der glatt verputzten, membran­artigen Wandoberfläche des Hauses Otte bereits die Sachlichkeit vom späteren Bauhaus. Die rostrot lackierten Holzfenster und die Dachform waren traditionell, auch wenn die Traufkante an der Eingangsseite aufgebrochen war. Der Grundriss mit einer angegliederten, den Garten umgreifenden Pergola folgt ebenfalls einem konventionellen Typus. Das zwischenzeitlich stark veränderte Haus wurde mittlerweile wieder in den Originalzustand zurückgebaut. An der Stelle des zerstörten Glas­ fensters von Josef Albers befindet sich heute ein farbiges Fenster von Gerhard Richter. 1 Vgl. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 309. Auch bei diesem Haus erfolgte die Wand­ bemalung durch die Bauhaus-Werkstatt.

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Grundriss Erdgeschoss Eingangshalle

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Eingangsseite Gartenseite

Stadttheater Jena

Jena, Deutschland 1921–22, Umbau (mit Adolf Meyer), zerstört

Das 1872 erbaute Theater wurde in einer radikalen Weise umgestaltet. Sowohl die klassizistische Fassade mit zentralem Dreiecksgiebel als auch der gesamte öffentliche Bereich im Inneren wurden umgebaut, während das Bühnenhaus und der Gebäudegrundriss erhalten blieben. Gropius hatte in das Bauvorhaben die Bauhaus-Werkstätten mit einbezogen, die eine dekorative Holzornamentik anfertigten. Im Laufe der Arbeiten entstand jedoch ein „vollständig“1 neuer Gesamtentwurf. Dieser Wandel spiegelt offenbar auch die veränderte Gestaltungsauffassung wider, die sich damals am Bauhaus vollzogen hatte. Während die zentrale Öffnung in der Fassade erst doppelgeschossig, mit klassisch proportionierten Pfeilern geplant war, wurde schließlich eine komplett geschlossene Wandfläche in der oberen Fassadenhälfte realisiert. Dass Gropius ein bereits ausgeführtes figürliches Deckengemälde von Oskar Schlemmer monochrom übermalen ließ, geht möglicherweise auf die scharfe Kritik Theo van Doesburgs an dem Gemälde zurück, dem Sprecher der Künstlergruppe De Stijl, der das Theater besichtigte. Ausgeführt wurde der Bau schließlich mit sehr kräftigen Farben im ­Inneren. „Als Schmuck des Hauses dient lediglich die Farbe“, stand in einem zeitgenössischen Bericht, in dem die Farbigkeit des Zuschauer­ raums beschrieben wurde: „Ein dunkles Grau lässt den unverhältnis­ mäßig großen Balkon zurücktreten, ein leuchtendes Lachsrot hebt den Mittelraum hervor, von dem sich wieder in einem Grau die Bühne scheidet. [...] Mit erlesenem Geschmack sind die einzelnen Räume in ihrer Farbigkeit aufeinander abgestimmt, intime Beziehungen, wie zwischen dem Blau des Vorhangs werden geschaffen.“2 In einem weiteren Bericht wurden die zwei Windfänge als blau, das Foyer als hellgelb, die Kleiderablagen als violett, die Treppenhäuser als terrakottafarben und der Vorhang als tiefblau beschrieben.3 Die geometrische Abstraktion der Architektur setzte sich in den kubischen Beleuchtungselementen im Gebäude und im Portal am Eingang des Grundstücks fort. 1948 wurde der Bau abermals komplett umgebaut, so dass Gropius’ ­Gestaltung verloren ging. 1 Adolf Meyer in einem Brief vom 04.12.1921 an Fred Forbát, zitiert in: Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 305. 2 R. Seubert, „Theater der Stadt Jena“, in: Das Volk, 26.09.1922. 3 Oskar Rhode, „Das neue Theater der Stadt Jena”, Jenaische Zeitung, 02.10.1922, zitiert in: Ulrich Müller, Walter Gropius – Das Jenaer Theater, Köln 2006.

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Grundriss Eingangsfassade

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Zuschauerraum

Lagerhaus Kappe

Alfeld, Deutschland 1922–24 (mit Adolf Meyer)

In dem Gebäude wurden landwirtschaftliche Maschinen der Fabrik Gebr. Kappe & Co. gelagert und ausgestellt. Das Landmaschinenwerk liegt in der Nähe des Fagus-Werks und war ebenfalls mit einer Laderampe direkt an das Eisenbahnnetz angebunden. Der Bau ist komplett aus Eisenbeton gefertigt, sowohl die Skelettkonstruktion mit Unter­zügen als auch die Decken und Wände. Die Eisenprofile der Fenster waren rot lackiert.1 Verputzt wurde der Bau erst nachträglich, und später wurde auch der südliche Kopfbau umgestaltet. Über den Entwurfsprozess des Gebäudes, das Gropius später als „gradlinig“, aber „ohne spezielle Bedeutung“2 beschrieb, erklärte der Mitarbeiter Ernst ­Neufert: „Dieser Bau war ein typisches Ergebnis der Zusammen­ arbeit von Adolf Meyer und Gropius. Adolf Meyer kam fast jeden Tag mit neuen Entwürfen des Gesamtkonzepts bis schließlich Gropius erschien, und das ihm Zutreffende aussuchte. Aber auch in der Folge wurde das Projekt noch dauernd revidiert.“3 1 In einer Notiz aus dem Büro von 1923 steht: „Beton naturgrau / Dachrinne schwarz /­ Fensterrahmen menningerot / Türen schwarz (Eisenblech)“. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 314. 2 Walter Gropius in einem Brief an Helmut Weber vom 18.04.1960, zitiert in :ebda. 3 Ernst Neufert in einem Manuskript vom 12.05.1976, zitiert in: ebda., S. 314–315. Der Mitarbeiter Fred Forbát erklärte, auch er habe am Entwurf mitwirken können. ­Vgl.­ ebda., S. 313.

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Grundriss Ansicht von Nordost

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Westseite Fassadendetail

Hannoversche Papierfabrik

Alfeld, Deutschland 1922–24, Umbau (mit Adolf Meyer)

Für die Hannoversche Papierfabrik hat Gropius einen Erweiterungsbau geplant, der nur teilweise realisiert wurde. Der direkt an einem Wasser­lauf gelegene Bau verblieb lange unverputzt und wurde später derart stark verändert, dass heute nichts mehr von der ursprünglichen ­architektonischen Gestaltung zu erkennen ist.1 In den Plänen waren die Fassaden hell und die Türen rot dargestellt. Die Wandfelder zwischen den oberen und den unteren Fenstern sind leicht zurück­ gesetzt, so dass die verputzte Wand wie bei dem in der Nähe gelegenen Fagus-Werk vertikal gegliedert ist. Die Betonskelettkonstruktion ist an den Außen­wänden ausgemauert, während sich auf dem Dach tonnenförmige Aufbauten zeigen. Mit dem Haus Otte und diesem Bau führte Gropius erstmals Bauwerke ohne einen architektonisch artikulierten Sockel aus. Anhand der sachlichen Industriearchitektur gelangte er in dieser Zeit immer stärker zu einer Architektur der geometrischen Abstraktion, bei der weiß verputzte Kuben entsprechend den inneren Funktions­abläufen so gestaffelt sind, dass sie sich zu durchdringen scheinen und allein die klar proportionierten Volumen mit den eingeschnittenen Öffnungen den architektonischen Ausdruck bestimmen. 1 Das noch immer als Papierfabrik genutzte Gebäude wurde bereits nach wenigen ­Jahren – ohne die Planung von Gropius – aufgestockt und die großen Fenster stark verkleinert. Vgl. Karin Wilhelm, Walter Gropius Industriearchitekt, Braunschweig, ­W iesbaden 1983, S. 107.

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Ansicht von Osten

Grabmal Mendel

Berlin-Weißensee, Deutschland 1923

Das Grabmal von Albert Mendel, dessen Berliner Wohnhaus Gropius 1921 umgebaut hatte, befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee.1 Es ist aus Travertin gebaut, während die Inschrift und der Davidstern auf dem Sarkophag aus Bronze gefertigt sind. Der im Querschnitt fünfeckige monolithische Travertinblock des stilisierten Sarkophags ist in eine asymmetrische Gesamtkomposition eingebunden. Als ein mäanderndes Band setzt sich die Rahmung der Rückwand im Bodenbereich fort. Im Gegensatz zum klassischen kubischen Grabmal von Laura Perls, das Ludwig Mies van der Rohe 1919 auf dem gleichen Friedhof entworfen hat, wird hier mit einer konstruktivistischen Formensprache ein architektonischer Raum gebildet, der auch das expressionistische Dreiecksmotiv integriert, das die Innenraum­ gestaltung des Hauses Mendel bestimmte. Die Bauleitung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Werkstatt für Steinbildhauerei.2 1 Landesdenkmalamt Berlin und Technische Universität Berlin (Hrsg.), 115.628 Berliner –­ Der Jüdische Friedhof Weißensee – Dokumentation der flächendeckenden Erfassung der Grabstätten, Berlin 2013, S. 54–55. 2 Vgl. Annemarie Jaeggi, Adolf Meyer – Der zweite Mann – Ein Architekt im Schatten von Walter Gropius, Berlin 1994, S. 417. Annemarie Jaeggi weist zwar nach, dass Adolf Meyer an diesem Projekt beteiligt war, aber im Werkverzeichnis (Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 233) wird das Grabmal als eine Arbeit von Gropius allein aufgeführt.

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Grabmal

Direktorenzimmer Bauhaus

Weimar, Deutschland 1923, rekonstruiert

Für die große Bauhaus-Ausstellung von 1923 konzipierte Gropius als Direktor ein Musterbüro, an dessen Gestaltung und Herstellung die verschiedenen Bauhaus-Werkstätten mitwirkten. Zu seinem eigenen ­Arbeitszimmer wurde der Raum, den Gropius in das von Henry van de Velde entworfene Ateliergebäude der Hochschule einbaute, erst später. Architektur und Möbelgestaltung wurden im Sinne der Idee des Gesamtkunstwerks als eine Einheit begriffen. „Das Bauhaus erstrebt die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile. Das letzte, wenn auch ferne Ziel des Bauhauses ist das Einheitskunstwerk“,1 erklärte Gropius, der sich ebenfalls als Künstler begriff.2 In dem rechteckigen Raum ist ein imaginärer Kubus von 5 x 5 x 5 Metern durch einen abstrakten Beleuchtungskörper, eine Wandbespannung und einen Teppich als Raum im Raum eingeschrieben. Die Unter­ teilung des Raums erfolgte in den Proportionen des Goldenen Schnitts. Am konstruktivistischen Lichtobjekt zeigt sich der Einfluss der Künstler­ gruppe De Stijl.3 Quadratisch und würfelförmig sind auch der zentrale Tisch und die Sessel geformt. An den Schreibtisch ist eine Akten­­ ablage angegliedert, die genau in der Blickachse zwischen dem am Schreibtisch Sitzenden und dem in den Raum Eintretenden platziert ist und diese zur Bewegung im Raum animiert. Der Schreibtisch ist mit einem dunklen Mäanderband umrahmt, das asymmetrisch um den Tisch herumläuft und an dem die gläsernen Regalebenen der Aktenablage aufgehängt sind. Mit dem späteren Umzug des Bauhauses nach Dessau nahm ­Gropius auch die Möblierung mit und integrierte sie teilweise in sein neues Büro, das er in einem sachlicheren Stil entwarf. 1997 wurde das Direktoren­zimmer rekonstruiert, während der originale Schreibtisch heute in ­Gropius’ ehemaligem Wohnhaus in Lincoln in den USA steht. 1 Walter Gropius, Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses Weimar, München 1923, S. 3. 2 Vgl. Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1983, S. 249. 3 Gerrit Rietveld hatte dieses Lampenkonzept entwickelt, das Gropius bereits für die Eingangshalle des Hauses Otte modifizierte. Auch die grafische, isometrische Darstellung des Raums von Herbert Bayer ist von der De-Stijl-Gestaltung beeinflusst.

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Rekonstruiertes Direktorenzimmer

Haus Auerbach

Jena, Deutschland 1924 (mit Adolf Meyer)

Der Bau setzt sich aus zwei unterschiedlich großen kubischen Baukörpern zusammen, die – versetzt aneinandergefügt – sich zu durchdringen scheinen. Während in dem zum öffentlichen Raum weisenden Körper die dienenden Räume wie Küche, Bad, Flur und Treppenhaus untergebracht sind, befinden sind im Volumen, das nach Süden, Richtung Garten weist, die bedienten Räume, die Wohn- und Schlafräume. Die klare Trennung der privaten und öffentlichen Zonen im Haus ist am Außenbau nicht ablesbar. Rhythmisiert wird die umlaufende Fassade durch das Zusammenfassen der Fenster zu Zweier-, Dreier- und Vierer­ gruppen. Wie bei den bisherigen Wohnhäusern von Gropius und Meyer üblich, wurde auch hier die klassische Organisation des Grundrisses fortgesetzt, aber dennoch eine dynamische Asymmetrie erlebbar gemacht, indem der Austritt in den Garten sowie die Treppe zu den Obergeschossen in den Gebäudeecken angeordnet sind. Der dynamische Charakter der Raumfolgen wird durch die Farbgebung betont. Während der glatt verputzte Bau außen homogen weiß ist, von dem sich nur die blauen Fensterprofile und rot lackierten Eisen­ brüstungen abheben, sind die Wände der Innenräume farbig gestrichen. Bei der umfassenden Renovierung des Hauses 1995 wurde das originale Farbkonzept des Bauhäuslers Alfred Arndt wiederhergestellt. 1 Über 30 unterschiedliche Farbtöne, meist helle Pastelltöne, aber auch ein dunkles Rot an den Handläufen und ein dunkles Blau in den räumlich engen Bereichen, schaffen eine Polychromie, welche die Unterschiedlichkeit der architektonischen Elemente betont. Teilweise werden diese Elemente aber auch durch gleiche Farbtöne zusammengefasst, wie bei aneinandergrenzenden Wand- und Deckenfeldern. Mit diesem letzten Bau, den Gropius in Zusammenarbeit mit Adolf Meyer realisierte,2 wurde die expressionistische Ausdrucksweise überwunden. Der kompromisslos orthogonale Bau mit flachen Dächern, die teilweise zu Dachterrassen ausgebildet sind, erscheint vom B ­ oden abgelöst, da das Untergeschoss zurücktritt. Betreten wird das an e ­ inem Hang gelegene Haus über einen Steg. Die Außenwände des Hauses bestehen aus porösen Schlackensteinen, die an der Baustelle mit ­Zement gefertigt wurden. Die Innenwände sind meist zweischalig und mit eingebauten Schränken und Regalen wie Möbel konzipiert. Das Wohn- und Esszimmer trennt eine verschiebbare und in die Wand einfahrbare Glaswand. Der Bauherr Felix Auerbauch, ein renommierter Professor für Physik an der Universität Jena, und seine Frau Anne waren jüdischer Herkunft und wählten kurz nach der Machtergreifung der Nazis 1933 den Freitod.

1 Die neuen Eigentümer des Hauses beschrieben das Bauwerk und die Renovierung in einem Buch: Barbara Happe und Martin S. Fischer, Haus Auerbach von Walter Gropius mit Adolf Meyer, Tübingen 2003. 2 Über die Hintergründe der Trennung der beiden Architekten ist wenig bekannt. Nach der Schließung des Bauhauses in Weimar und dem Umzug des Büros nach Dessau entschloss sich Meyer, in Weimar ein eigenes Büro weiterzuführen. Gropius hatte ihm offenbar nie eine gleichberechtigte Partnerschaft angeboten.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss

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Ansicht von Südost Ansicht von Osten

Haus Auerbach

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Sockelbereich Tür zum Wintergarten Eingangsbereich

Treppenlauf Schrankwand Schiebetür zwischen Wohn- und Essraum

Fabrik Müller

Kirchbrak, Deutschland 1925–26

Der erste Auftrag für Gropius nach dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau kam auf Vermittlung von Carl Benscheidt zustande, dem Bauherrn des Fagus-Werks. Es handelt sich um ­einen Erweiterungsbau der Holzwarenfabrik August Müller & Co.1 Für die Herstellung von Möbeleinzelteilen wurde ein Eisenbeton­skelettbau mit weiß verputztem Mauerwerk und blau lackierten Fensterprofilen als Ausfachung errichtet. An einen Hauptbaukörper mit einem Grundriss in den Proportionen des Goldenen Schnitts ist neben einem Erschließungsturm mit Aufzug, Treppenhaus und Sanitärräumen auch ein eingeschossiger Flachbau angegliedert. Die Selbstständigkeit, mit der Ernst Neufert als Mitarbeiter das Bauvorhaben bearbeitete, zeigt sich daran, dass er die Baueingabepläne im Auftrag für Gropius unterschrieb. Mittlerweile wurde das Gebäude mehrfach umgebaut. Der Entwurf ist sachlich in einem programmatischen Sinne. Ein Bau „hat Anspruch auf Schönheit nur, sofern er sachlich ist“,2 forderte ­Gropius damals und strebte mit bündig glatten Flächen nicht nach ­einem tektonischen Ausdruck, sondern nach einer geometrischen Klarheit des Baukörpers. „Die Flächenwirkung ist überwältigend, weil die sparsame Gliederung keine Licht- und Schattenkontraste erzeugt.“3 In diesem Abstraktionsprozess spielt die Proportion eine zentrale Rolle, in der Gropius ebenso wie Mies van der Rohe einen geistigen Wert erkannte: „Die Proportion ist eine Angelegenheit der geistigen Welt, Stoff und Konstruktion erscheinen als ihre Träger. Die Proportion, gebunden an die Funktion des Dinges, sagt über sein Wesen aus; ja es gibt ihm die Spannung, das eigene geistige Leben über seinen Nützlichkeits-Wert hinaus.“4 1 Karin Wilhelm, Walter Gropius Industriearchitekt, Braunschweig, Wiesbaden 1983, S. 107–111. 2 Walter Gropius, „Grundlagen für Neues Bauen“, in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 109, ­ursprünglich in: Bau- und Werkkunst, 1925–26, S. 134–147. 3 Ebda., S. 108. Gropius bezog sich hier auf den amerikanischen Wolkenkratzer. 4 Walter Gropius, „Die neue Baugesinnung“, in ebda., S. 95, ursprünglich in: Innen­ dekoration, Nr. 36, 1925, S. 134–137.

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Grundriss Obergeschoss Ansicht von Norden

Bauhaus

Dessau, Deutschland 1925–26

Das Bauhaus-Gebäude setzt sich aus drei Teilen zusammen: dem Werkstatttrakt, dem Atelierhaus mit den Studentenwohnungen und Dachterrasse sowie dem Flügel der Berufsschule. Die wie Arme in die Landschaft ausgreifenden Gebäudeteile sind zwar sehr unterschiedlich gestaltet, erscheinen aber dennoch als eine Einheit. Der fast komplett verglaste Werkstatttrakt mit dem Haupteingang erstreckt sich sowohl mit einem brückenartigen Verwaltungsbereich über den Straßenraum als auch mit einem eingeschossigen Baukörper zum Atelierhaus. In dem Flachbau befinden sich die gemeinschaftlich genutzten Räume wie die Aula mit angegliederter Theaterbühne, die sich ebenfalls zum Speisesaal öffnen lässt. Gropius präsentierte das Gebäude mit Luftaufnahmen und betonte, dass es auch aus dieser Perspektive bewusst gestaltet erscheinen solle. „man muß rund um diesen bau herumgehen, um seine körperlichkeit und die funktion seiner glieder zu erfassen.“1 Die Gestaltung und Herstellung der Möblierung, der Beleuchtung und der Farbigkeit der Innenräume erfolgte durch die Bauhaus-Werk­stätten. Gropius übernahm zahlreiche konstruktive Details von seinen Industrie­ bauten. So ist die exponierte Betonkonstruktion, die den Gebäudeteil

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Lageplan Gesamtanlage mit Werkstatttrakt und Ateliergebäude

über der Straße trägt, ähnlich detailliert wie bei seinen Fabrik­bauten aus dieser Zeit. Auch hier weiten sich die Betonunterzüge an den Stützen zu abgeschrägten Konsolen auf.2 Im Gegensatz zu den Fabrik­bauten ist die Betonoberfläche allerdings handwerklich bearbeitet. Auch sind die Stützen kreuzförmig mit zurückspringenden Ecken ausgebildet und verjüngen sich nach unten hin. Obwohl die Architektur die industriell technische Form zelebriert, ist sie nicht frei von klassischen Elementen, wie das repräsentative Treppenhaus und der ­artikulierte Sockel des Gebäudes. Während Gropius ein paar Jahre zuvor noch eine romantische Rückkehr zum Handwerk forderte, erklärte er nun die handwerkliche Form als überwunden: „die moderne baukunst hat hand in hand mit der technik ein charakteristisches gesicht entwickelt, das von dem der alten handwerklichen baukunst erheblich abweicht. seine typischen kennzeichen sind klare, aller unnötigen zutaten bare, wohl proportionierte züge.“3 Gropius nannte als Kriterien eines „guten grundrisses“ die klare Trennung der unterschiedlichen Funktionsbereiche sowie eine, durch die Skelettkonstruktion ermöglichte, Veränderbarkeit.4 Eine Kontinuität zur expressionistischen Aufbruchsphase der Nachkriegsjahre ist die exzessive – klimatechnisch allerdings nicht sehr funktionale – Verwendung von Glas. „die glasarchitektur, vor kurzem noch eine dichterische utopie, wird hemmungslos zur wirklichkeit“5, erklärte Gropius. Später sagte er: „Diese Transparenz sucht die Vorstellung ­eines fließenden Raumkontinuums zu erzeugen. Das Gebäude scheint zu schweben und der Raum hindurchzuströmen.“6 Die Skelett­ konstruktion mit auskragenden Deckenebenen ermöglichte ­vertikale Fensterbänder und eine gläserne Vorhangfassade mit transparenten Glasecken. 1 Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, München 1930, S. 19. 2 Diese effiziente Konstruktion findet sich bereits bei der Hannoverschen Papierfabrik, dem Lagerhaus Kappe und der Fabrik Müller. 3 Wie Anm. 1, S. 83. 4 Ebda., S. 20. 5 Walter Gropius, „glasbau“, in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 103, 105, ursprünglich in: Die Bauzeitung, Mai 1926, S. 159–162. 6 Walter Gropius, Architektur – Wege zu einer optischen Kultur, Frankfurt am Main, Hamburg 1956, S. 39.

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Bauhaus

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Werkstatttrakt, Ansicht von Süden

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Nördlicher Gebäudeflügel Fassade der Berufsschule

Bauhaus

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Grundriss Erdgeschoss

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Grundriss Obergeschoss

Bauhaus

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Überbauung der Straße Südlicher und östlicher Gebäudeflügel

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Werkstatttrakt Vorhangfassade

Bauhaus

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Gebäudeecke Verbindungsgang

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Ateliergebäude Ostfassade

Bauhaus

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Eingangshalle Ateliergebäude Haupttreppenhaus Beleuchtung von László Moholy-Nagy

Treppenhaus Ateliergebäude Zugang zur Aula Aula mit Möblierung von Marcel Breuer

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Direktorenzimmer

Meisterhäuser

Dessau, Deutschland 1925–26

In der Nähe des Bauhaus-Gebäudes konnte Gropius auf einem mit Kiefern bewachsenen Grundstück auch Wohnhäuser für die BauhausMeister realisieren. Neben drei Doppelhäusern für László Moholy-Nagy, Lyonel Feininger, Georg Muche, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und Paul Klee entwarf er ebenfalls das Direktorenhaus, das er selbst bezog. Die Mieten und Betriebskosten waren überdurchschnittlich hoch, und es erzeugte zudem Unmut, dass Wohnraum lediglich für die älteren Bauhaus-Meister geschaffen wurde. An der farbigen Gestaltung der Innenräume waren die Künstler, die mit ihren Familien die Gebäude bezogen, beteiligt. „alle sechs wohnungen in den drei doppelhäusern sind gleich bis ins detail und dennoch verschieden in der wirkung“,1 erklärte Gropius. Die asymmetrische Komposition der verschachtelten Baukörper ergab sich aus der Spiegelung sowie 90-Grad-Drehung des Grundrisses der einen Haushälfte. Bei den Bauten kragen nicht nur Balkone und Dachplatten aus, sondern auch das Obergeschoss, das wie bei früheren Bauten von Gropius größer als das Erdgeschoss dimensioniert ist.2 Den zentralen Bereich des Hauses stellt das Atelier im Obergeschoss dar, das höher als die übrigen Räume ausgebildet ist. Beim Betreten erscheint das Haus kleinteilig und verwinkelt. Die Anzahl der Türen erzeugt eine zunächst unübersichtliche Situation, die im Kontrast zur Weiträumigkeit des raumhoch verglasten Ateliers steht. Wie bei keinem anderen Bau lehnt sich Gropius hier an die Gestaltungskonzepte des De Stijl an, die Theo van Doesburg 1924 in dem Manifest „16 Punkte für eine plastische Architektur“ proklamierte. 3 Eine spiegelbildliche Anordnung ist ebenso vermieden wie eine kompakte Blockhaftigkeit. Plastisch hervortretende Elemente der Bauten sind in den Primärfarben Rot, Gelb und Blau gestrichen. Das östliche Haus für Moholy-Nagy wurde 1945 zerstört, während die übrigen fünf Häuser zwischenzeitlich stark verändert wurden. Mittler­ weile sind die Bauten wiederhergestellt, und das Haus für MoholyNagy wurde wie das benachbarte Haus Gropius durch die Architekten Bruno Fioretti Marquez 2010 als ein abstraktes Modell im Maßstab 1:1 rekonstruiert. 1 Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, München 1930, S. 86. 2 Sowohl beim Haus Sommerfeld, den Reihenhäusern Sommerfeld, dem Haus Stoeckle als auch beim nicht realisierten Projekt der Siedlung Berlin-Haselhorst von 1929 kragt das Obergeschoss aus. 3 Publiziert in: De Stijl, Nr. 6/7, 1924.

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Grundriss Dachgeschoss Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Lageplan

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Ostansicht eines Doppelhauses Haus László Moholy-Nagy

Meisterhäuser

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Doppelhaus Georg Muche/Oskar Schlemmer Ansicht von Südost

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Ansicht von Norden Ansicht von Nordost

Meisterhäuser

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Haus Paul Klee, Obergeschoss Haus Paul Klee, Erdgeschoss

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Haus Paul Klee, Schlafzimmer Haus Paul Klee, Treppe zum Dachgeschoss Haus Wassily Kandinsky

Haus Gropius

Dessau, Deutschland 1925–26, rekonstruiert

Gropius konzipierte das Haus als östlichen Abschluss der Reihe der Meisterhäuser in seiner Funktion als Bauhaus-Direktor. Während die Doppelhäuser auf einer nicht eingezäunten, glatten Rasenfläche stehen, ist der Garten bei diesem Haus von einer Mauer umgeben.1 Wie bei den Doppelhäusern scheinen sich auch hier verschiedene Kuben zu durchdringen. Das Obergeschoss kragt zwar nicht frei aus, doch wird durch die dunkle und spiegelnde Verkleidung der Eckpfeiler eine Auskragung suggeriert. Ein schwebender Effekt entsteht auch durch einen dunklen Sockel an einigen Bereichen des Gebäudes. Während bei den Doppelhäusern das Erdgeschoss nur minimal vom Garten­ niveau angehoben ist, liegt es hier deutlich erhöht. Der Grundriss des Hauses ist sehr klar in verschiedene Funktions­ bereiche untergliedert. Die dienenden Räume – Bad, WC, Speisekammer und Küche – weisen zum öffentlichen Straßenraum, während Wohn- und Speiseraum nach Süden und die Schlafzimmer nach Westen orientiert sind. Wie bei einer großbürgerlichen Villa damals üblich, waren auch hier Räume für Dienstpersonal integriert. Als Trennwände im Inneren fungierten Schrankelemente, die wie auch die Stahlmöbel und die farbliche Wandgestaltung von Marcel Breuer entwickelt waren,2 mit dem Gropius später eine Bürogemeinschaft einging. In der Tradition des Gesamtkunstwerks wurde die Architektur als eine Einheit mit der Möbelgestaltung konzipiert. „die auflösung der tragenden wände in pfeiler ermöglicht die ausnutzung der wandstärke durch eingebaute wandschränke.“3 Die Farbigkeit des Wohnraums war dezent, während die Vorhänge der Dachterrasse orangefarben waren.4 Mit einem Vorhang waren auch der Wohn- und der Essbereich voneinander getrennt. Gropius’ Devise, bei den Doppelhäusern „austrittsmöglichkeit

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Rekonstruiertes Haus

ins freie von fast allen räumen aus“5 zu schaffen, hat er auch hier angestrebt. Eine starke Verbindung von Innen- und Außenraum e­rreichte er mit einer Verglasung einer Terrassenseite, so dass ein Zimmer im Freien entstand. Gropius stellte in dem Buch Bauhausbauten Dessau das Haus in zahlreichen Filmsequenzen dar, in denen die Benutzbarkeit und Veränderbarkeit der baulichen Elemente vorgeführt wird, wie das Aufklappen und Aufschieben von Schranktüren, das Zusammenschieben eines Doppelsofas und das Hantieren im begehbaren Kleiderschrank. Damit wollte er einen Funktionalismus demonstrieren: „bauen bedeutet gestalten von lebensvorgängen. der organismus eines hauses ergibt sich aus dem ablauf der vorgänge, die sich in ihm abspielen. in ­einem wohnhaus sind es die funktionen des wohnens, schlafens, badens, kochens, essens, die dem gesamten hausgebilde zwangsläufig die gestalt verleihen.“6 Das Haus wurde 1945 zerstört und 2010 durch die Architekten Bruno Fioretti Marquez in einer abstrahierten Weise wiederaufgebaut. Dabei wurde das Bauvolumen auf den originalen Sockelmauern aus Sicht­ beton rekonstruiert, während der Innenraum als Ausstellungshalle dient. 1 2 3 4 5 6

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Später baute Mies van der Rohe einen Kiosk, die „Trinkhalle“, in die Mauer ein. Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, München 1930, S. 102. Ebda. Ebda., S. 97. Ebda., S. 134. Ebda., S. 92.

Eingangsseite Gartenseite

Siedlung Törten

Dessau, Deutschland 1926–28

Obwohl Gropius bereits Erfahrungen mit dem Bau von Arbeiterhäusern hatte, waren die Häuser dieser Siedlung experimentelle Prototypen, denn der Anspruch war radikal: „die aufgabe hatte zum ziel, die mieten der häuser unter zusammenfassung aller rationalisierungsmöglichkeiten herabzudrücken.“1 Für das Existenzminimum waren die Grundrisse derart kompakt konzipiert, dass sogar eine Sitzbadewanne in der Küche platziert war. Dies wurde im überarbeiteten und vergrößerten Typ von 1927 geändert. Die Toiletten waren wie bei Gropius’ Arbeiterhäusern zuvor ebenfalls nicht an die Kanalisation angeschlossen. Er rechtfertigte dies mit dem Konzept der Selbstversorgung: „da es sich um halbländliche siedlungen handelt mit je 350–400 qm grundstück pro hauseinheit wurden nur die küchen- und dachwässer kanalisiert, die klosettanlage dagegen als torfklosett angelegt, um die fäkalien für die grundstücke zu verwerten.“2 Wie bei den Arbeiterhäusern zuvor waren auch hier Ställe, um Tiere zu halten, angegliedert. Einen Schwerpunkt der Kosteneinsparung durch Rationalisierung ­bildete der wie am Fließband organisierte Bauprozess. Während im Gründungsmanifest des Bauhauses noch das Wiederaufleben des Handwerks beschworen wurde, erklärte Gropius in Bezug auf die Siedlung Törten: „der bisherige handwerkliche charakter des baugewerbes wandelt sich allmählich nach der industriellen seite hin.“3 In der Publikation Bauhausbauten Dessau präsentierte er den Bauprozess in Filmsequenzen und zeigte einen Baustellenplan, der die lineare Anordnung der Häuser mit einem auf Schienen fahrenden Kran rechtfertigt. Wie bei den Meisterhäusern wurden großformatige Schlackenbetonsteine verwendet. Die Deckenbalken sind Betonfertigteile, an denen Stahl­fenster aufgehängt wurden, bevor die nichttragenden Wände ausgemauert wurden. In einem modifizierten Typ von 1927 wurden die Fensterbänder verlängert. So konnten in nur 88 Arbeitstagen 130 ­fertig verputzte Häuser hergestellt werden: „d. h. 0,67 tag pro hauseinheit oder je 5 ½ arbeitsstunden pro hauseinheit.“4 Wie die Meisterhäuser standen die Bauten auf einer glatten Rasen­ fläche, während eine farbliche Gestaltung der Innenwände am Bauhaus entwickelt wurde und Marcel Breuer eine Mustermöblierung entwarf. Ergänzt wurde die Siedlung durch ein turmartiges Mehrfamilienhaus mit angegliederter Ladenzeile, dem „Konsumverein“. Mittlerweile ­haben die Bewohner fast alle Häuser so grundlegend umgebaut, dass die ursprüngliche Gestaltung der Siedlung verloren ging. Allein einige Häuser wurden denkmalgerecht restauriert oder in den Originalzustand zurückgebaut. 1 2 3 4

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Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, München 1930, S. 153. Ebda., S. 155. Ebda., S. 158. Ebda., S. 155.

Grundriss Typ 1927, Obergeschoss Grundriss Typ 1927, Erdgeschoss Häuser des Typs 1927

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Lageplan

Siedlung Törten

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Haustyp 1928, Straßenseite Haustyp 1928, Gartenseite

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Grundriss Typ 1928, Erdgeschoss Grundriss Typ 1926, Obergeschoss Grundriss Typ 1926, Erdgeschoss Haustyp 1926 Haustyp 1926, Eingang

Siedlung Törten

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Grundriss Konsumverein, Dachgeschoss Obergeschoss Erdgeschoss

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Gebäude für den Konsumverein, Ansicht von Nordost Ansicht von Südwest

Häuser Weißenhofsiedlung

Stuttgart, Deutschland 1927, zerstört

Auf der von Mies van der Rohe organisierten Bauausstellung des Deutschen Werkbunds realisierte Gropius zwei Häuser, die Mies als „die interessantesten Bauten der Ausstellung“1 bezeichnete. Wie Mies ­experimentierte auch Gropius mit einer Eisenskelettkonstruktion. Während das südliche Haus 16 gemauert und konventionell verputzt war, ist das von der Straße abgerückte und tiefer gelegene Haus 17 als ­Trockenmontagebau konzipiert. Bei diesem „Versuchshaus“2 wurde das Tragwerk mit Eternitplatten verkleidet und mit Kork gedämmt, so dass die Wände sehr viel dünner als bei einem konventionell gebauten Haus ausgebildet werden konnten. Die Stahlrohrmöbel waren von Marcel Breuer entworfen. Während Gropius ein paar Jahre zuvor noch sein Konzept des „Baukastens im Großen“ mit dem „planmäßigen An- und Aufbau angegliederter Raumzellen“3 definierte, um eine maximale Variabilität zu erzielen, fügte sich bei diesen Häusern alles in den reinen Kubus, von dem lediglich eine Ecke als Dachterrasse ausgespart blieb. Das von Theo van Doesburg und De Stijl abgelehnte Einzwängen unterschiedlicher Raumzellen in einen Kubus ist hier das Resultat einer effizienten Tragstruktur, deren Raster von 1,06 Meter so kalkuliert wurde, dass ­normierte Türen eingesetzt werden konnten. Die Fensterprofile waren aus Metall. Der Charakter des Hauses 17 als Leichtbau zeigt sich an der innen und außen sichtbaren Plattenverkleidung sowie der Plat­­­z­ierung eines Fensters an der Ecke der Fassade. 1 Ludwig Mies van der Rohe in einer Rede am 18.05.1953 in Chicago, in: Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 21. 2 Walter Gropius, „wege zur fabrikatorischen hausherstellung“, in: Deutscher Werkbund (Hrsg.), Bau und Wohnung, Stuttgart 1927, S. 60. 3 Walter Gropius, Beschreibung des „Wabenbaus“ auf einem Ausstellungsplakat von 1923, siehe: Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 59.

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Grundrisse der zwei Häuser, Obergeschoss Erdgeschoss

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Haus 16, Straßenansicht Haus 16, Wohn- und Essraum

Arbeitsamt Dessau

Dessau, Deutschland 1927–29

An der Außenmauer des freistehenden Baus sind zahlreiche Türen angeordnet. Die dezentrale Erschließung und die Halbkreisform des Grundrisses resultieren aus der Aufgabe, „die arbeitsvermittlung für eine große anzahl arbeitssuchender verschiedener berufsgebiete mit einer möglichst geringen anzahl von beamten zu bewältigen“.1 Während die Warteräume für die unterschiedlichen Berufsgruppen segmentförmig an der Peripherie des Gebäudes angeordnet sind, liegen die Einzelberatungsräume im Inneren. „die halbkreisform hatte zur folge, daß die belichtung der im innern liegenden räume mit hilfe konzentrisch angeordneter shedringe gelöst wurde,“ 2 erklärte Gropius und beschrieb den Architekten als einen „zusammenfassenden organisator“, der „alle wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und gestalterischen probleme des bauens zu sammeln und in gemeinschaftsarbeit mit zahlreichen spezialisten und arbeitern planvoll zu einem einheit­lichen werk zu verschmelzen hat“.3 Den Grundriss begriff er als Abbildung von Lebensvorgängen. Dem Flachbau ist ein für das Publikum unzugänglicher Verwaltungsbau angegliedert. Durch eine Vertiefung vor dem Gebäude ist auch das Unter­g eschoss belichtet. Der in Eisenskelettkonstruktion ausgeführte Bau, dessen konzentrische Innenwände mit weiß glasierten Ziegeln verkleidet sind, ist mit einer durchgehenden Glasdecke versehen. Zusätzliche Beleuchtungskörper wurden von Marianne Brandt am Bauhaus entworfen. Auch die Möblierung wie die farbige Gestaltung der Räume erfolgte durch die Bauhaus-Werkstätten, allerdings unter der Leitung von Hannes Meyer, den Gropius 1928 als Nach­ folger empfahl. Als neuer Bauhaus-Direktor forderte Meyer, Bauen müsse „zu einer kollektiven angelegenheit“4 werden. Während der Realisierung dieses Gebäudes schienen sich die ideologischen Posi­ tionen von Gropius und Meyer nahezustehen, denn auch Meyer hatte erklärt: „bauen ist nur organisation: soziale, technische, ökonomische, psychische organisation.“5 Das Bauwerk wurde mittlerweile restauriert, doch durch den Einbau von Fenstern in der runden Außenwand ist der monumentale Charakter der abstrakten Geometrie des Baukörpers beeinträchtigt. 1 2 3 4 5

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Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, München 1930, S. 202. Ebda. Ebda., S. 216. Hannes Meyer, „bauen“, in: Bauhaus, Heft 2, 1928, S. 12–13. Ebda.

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Ansicht von Norden Ansicht von Süden

Arbeitsamt Dessau

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Grundriss Erdgeschoss

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Grundriss Obergeschoss

Arbeitsamt Dessau

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Südseite Nordseite

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Innerer Umgang Zentraler Kassenbereich

Haus Zuckerkandl

Jena, Deutschland 1927–29

Der weiß verputzte Baukörper ruht auf einem dunklen Sockel­geschoss, in dem sich der Eingang zum Haus befindet. Wie bei dem in der Nähe gebauten und ebenfalls am Hang gelegenen Haus Auerbach ließ ­Gropius auch diesen Bau mit einem gläsernen Wintergarten über den Sockel auskragen, so dass ein schwebender Effekt entsteht. Auch hier ergeben unterschiedliche aneinandergegliederte Volumen mit Dachterrassen eine asymmetrische Komposition. Die geometrische Klarheit der abstrakten kubischen Volumen wird erst durch die damals kontro­ vers diskutierten Flachdächer ermöglicht. Die Innenwände sind als Wandschränke ausgebildet, zwischen Anrichte und Esszimmer lassen sich Schubladen und Schrankfächer in der Wand beidseitig öffnen. Während der Boden mit einem hellen Linoleum­belag ausge­stattet ist, sind andere Elemente farbig, wie die rot lacki­erte Metallbrüstung der Treppenläufe. „Wir wollen den klaren organischen Bauleib schaffen, nackt und strahlend aus innerem Gesetz heraus ohne Lügen und Verspieltheiten, [...] der seinen Sinn und Zweck aus sich selbst heraus durch die Spannung seiner Baumassen zueinander funktionell verdeutlicht und alles Entbehrliche abstößt, das die absolute Gestalt des Baues verschleiert.“ Das gestalterische Ziel war für Gropius ein „Ausgleich der Gegen­sätze“ durch eine „unsymmetrische, aber rhythmische Balance“.1 Die Bauherrin war die Witwe des aus einer jüdischen Familie stammenden Professors Robert Zuckerkandl, der in Wien und Prag wirkte. Als Therese Zuckerkandl 1942 einen Deportationsbescheid erhielt, nahm sie sich das Leben.2 1 Walter Gropius, Die neue Architektur und das Bauhaus, Mainz 1965, S. 56, ursprünglich: The New Architecture and the Bauhaus, London 1935. 2 Thorsten Büker, „Jenaer Bauhaus-Villa steht zum Verkauf für zehn Millionen“, in: Ostthüringer Zeitung, 24.10.2017.

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Grundriss Dachgeschoss Grundriss Obergeschoss Vorderseite mit Wintergarten Ansicht von der Straße

AHAG-Sommerfeld-Ausstellung

Berlin-Zehlendorf, Deutschland 1928 (mit László Moholy-Nagy), zerstört

Als Gropius 1928 das Bauhaus verließ, beauftragte ihn Adolf ­Sommerfeld, der kontinuierlich das Bauhaus finanziell unterstützte, ­eine­Ausstellung über die Berliner Wohnraumsituation und den gemein­nützigen Wohnungsbau in Berlin-Zehlendorf zu konzipieren. Dort war Sommerfeld mit seinem Unternehmen, der Allgemeinen Häuserbau A. G., in den Wohnungsbau stark involviert. Die Ausstellungsleitung übernahm László Moholy-Nagy, dessen künstlerische Vielseitig­keit Gropius schätzte und dessen konstruktivistische Position sich in der Architektur widerspiegelt. Der Ausstellungspavillon war zum Hof hin offen. Eine lineare Abfolge von Kojen öffnete sich abwechselnd zum Hof und zur Straße. Ebenfalls als eine temporäre Holzkonstruktion war das Dach über dem Garten­ café gestaltet. Große Schriftzüge wie „Licht Luft Sonne“ waren Bestandteil der Gestaltung und verliehen der Anlage den Charakter e ­ ines Bauwerks des russischen Konstruktivismus. „Die Ausstellung der AHAG“, schrieb Adolf Behne, „ist ein neuer Typ der Ausstellung. Hier ist [...] die Ausstellung der organisierte Weg des aufmerksamen Besuchers, und dieser Weg an bestimmten Objekten in bestimmter eindeutiger Führung und Folge entlang, ist identisch mit dem Gedankengang der Aussteller. Die Prinzipien einer ­modernen Buch-Regie sind hier zum ersten Male auf eine Ausstellung angewandt.“1 1 Adolf Behne, „AHAG-Ausstellung“, in: Internationale Revue i10, Heft 17–18, 1928, S. 94.

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Gartencafé Eingangsbereich

Haus Lewin

Berlin-Zehlendorf, Deutschland 1928–29

Den Auftrag, das Wohnhaus für den Verlagsdirektor Josef Lewin zu bauen, erhielt Gropius durch Vermittlung Adolf Sommerfelds.1 Das ursprünglich als Skelettkonstruktion geplante, aber schließlich als konventioneller Mauerwerksbau ausgeführte Bauwerk zeichnet sich durch eine Aneinandergliederung unterschiedlich hoher Baukörper, durch ein dunkles Sockelband sowie auskragende Ecken aus.2 Die horizontalen Fenster mit Metallprofilen sind nach einheitlichen Modulen dimensioniert. Als zentraler Raum des Hauses öffnet sich das Wohn- und Esszimmer nach Osten und zu einer Terrasse nach Süden. Der lediglich mit Wassily-Stühlen möblierte Wohnbereich ließ sich durch einen Vorhang vom Essbereich trennen, der ebenfalls mit Stühlen von Marcel­ Breuer ausgestattet war. Der Boden ist mit rotem Linoleum belegt, während die Oberfläche der in die Wand integrierten Schränke die gleiche Holzmaserung der Türen aufweist. Die Klarheit des Raums basiert auf der Bündigkeit von Tür und Schrankwand mit einheitlichem Furnier. 1933 musste Josef Lewin aus Deutschland fliehen, und das Haus wurde enteignet. Später wurde die Kubatur des Hauses durch einen seitlichen Anbau verändert. 1 Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 110. 2 Der fertiggestellte Bau wurde mit einer nicht ausgeführten Grundrissvariante publiziert, die ein Stützenraster und veränderbare Trennwände zeigt. Vgl.: „Ein Wohnhaus in ­Berlin-Zehlendorf“, in: Die Form, Heft 18, September 1929, S. 496–499.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Gartenseite

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Ansicht von der Straße Eingangsfassade

Siedlung Dammerstock

Karlsruhe, Deutschland 1928–29

Der radikale Zeilenbau war Vorgabe des Wettbewerbs. Mit dem Bebauungsplan wurde Gropius beauftragt, da er dieses Prinzip in seinem Entwurf am konsequentesten umgesetzt hatte. Er baute selbst ein Laubenganghaus, ein Mehrfamilienhaus sowie eine Reihenhauszeile, während die anderen Bauten von unterschiedlichen Architekten, u. a. von Otto Haesler und Wilhelm Riphahn, realisiert wurden. Ein zweiter Bauabschnitt im Anschluss wurde aufgrund der Weltwirtschaftskrise nicht ausgeführt. Gropius’ städtebauliche Konzeption sah eine Erschließung der Reihenhäuser durch Fußgängerwege zwischen jeder zweiten Zeile vor. So sind die Grundrisse gespiegelt mit den Hauseingängen mal im Westen und mal im Osten. Dieses von Gropius als „Nachteil“1 betrachtete Schema ermöglicht eine private Gartenzone zwischen den Zeilen, die jeweils in konsequenter Nord-Süd-Ausrichtung angelegt ist. Der Schema­tismus dieses Prinzips, das keine Orientierung von Räumen nach Süden zulässt, war umstritten. „Die Methode Dammerstock ist die diktatorische Methode“, kritisierte Adolf Behne nach Fertigstellung. „Die Ausgangspunkte des Zeilenbaus sind ausgezeichnet und sollten weiterhin nutzbar gemacht werden. Aber er kann Städtebau nur sein, wenn er ein Mittel des Städtebaus wird, nicht aber, wenn er an die Stelle des Städte­baus treten will.“2 Auch wenn das Planungsziel mit Grundrissen nach den Normen der Reichsbauforschung eine bauwirtschaftliche Effizienz war, lagen die Baukosten dennoch über dem Standard.3 Wie bei der Stuttgarte­r ­Weißenhofsiedlung von 1927 konnten auch hier unterschiedliche ­möblierte Musterwohnungen als Bauausstellung vom allgemeinen ­Publikum besichtigt werden. 1 Walter Gropius, „bebauungsplan und wohnformen der dammerstock-siedlung“, in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 138, ursprünglich in: Ausstellung Karlsruhe Dammerstock-Siedlung „Die Gebrauchswohnung“, Karlsruhe 1929, S. 8–9. 2 Adolf Behne, „Dammerstock“, in: Die Form, Heft 6, 1930, S. 165. 3 Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 112–114.

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Lageplan Grundriss Mehrfamilienhaus Gesamtanlage des ersten Bauabschnitts

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Mehrfamilienhaus Westseite

Siedlung Dammerstock

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Laubenganghaus, Ostseite Fassadendetail Westseite

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Grundriss Reihenhauszeile, Erdgeschoss Obergeschoss Grundriss Laubenganghaus Reihenhauszeile, Ostseite Westseite

Siedlung Am Lindenbaum

Frankfurt am Main, Deutschland 1929–30

Die Siedlung entlang der Straße Am Lindenbaum ist Bestandteil des Stadtplanungsprogramms „Das Neue Frankfurt“ des Stadtbaurats Ernst May. Den Zeilenbauten sind quergelagerte Baukörper ange­ gliedert, so dass begrünte Freiräume U-förmig umschlossen werden. „der zeilenbau hat gegenüber der blockbebauung den unstreitigen vorteil“, schrieb Gropius, „daß die schlecht durchlüfteten eckwohnungen fortfallen.“1 Zeilen- und Blockrandbebauung werden hier kombiniert, während die Ecken aus „hygienischen“ Gründen ausgespart bleiben. Die ursprünglich weiß gestrichenen Bauten, deren Sockelzone mit dunkelroten Ziegeln verblendet ist, weisen unterschiedliche Typen von „Mi­nimalwohnungen“ auf. Auf dem zweiten Kongress der CIAM (Congrès internationaux d’architecture moderne) 1929 in Frankfurt zum Thema „Die Wohnung für das Existenzminimum“ erläuterte Gropius die Überzeugung, dass „ein kleinerer aber vorzüglich disponierter grundriss für den bewohner höheren wohnwert als ein größerer unrationeller grundriss alter art“2 habe. „Wenn die Zuführung von Licht, Sonne, Luft und Wärme aber kulturell wichtiger und bei normalen Bodenpreisen auch ökonomischer ist, als die Vermehrung an Raum, so lautet das Gebot: vergrößert die Fenster, verkleinert die Räume“3, erklärte Gropius.

1 Walter Gropius, „bebauungsplan und wohnformen der dammerstock-siedlung“, in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 138, ursprünglich in: Ausstellung Karlsruhe Dammerstock-Siedlung „Die Gebrauchswohnung“, Karlsruhe 1929, S. 8–9. 2 Ebda., S. 140. 3 Walter Gropius, „Die soziologischen Grundlagen der Minimalwohnung für die städtische Industriebevölkerung“, in: ebda., S. 134.

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Lageplan Wohnungsgrundriss Vogelschau von Osten

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Ansicht von Süden Ansicht von Osten Nordöstliche Gebäudezeile

Wohnbauten Siedlung Siemensstadt

Berlin-Siemensstadt, Deutschland 1929–30

In der Siedlung Siemensstadt, dessen städtebaulicher Entwurf von Hans Scharoun stammt, baute Gropius zwei Gebäudezeilen in NordSüd-Ausrichtung mit begrünten Dachgärten sowie ein angegliedertes, quer liegendes Laubenganghaus. Wie in der Frankfurter Siedlung Am Lindenbaum blieb auch hier die Blockecke ausgespart. Lediglich ein eingeschossiges Ladengeschäft wurde in der Ecke gebaut. Jede Gebäudezeile mit rhythmisch gegliederten Fassaden und verschieden­ farbigen Treppenhäusern ist unterschiedlich gestaltet. Auch wenn die Gestaltung äußerst sachlich erscheint, sind die Fensteröffnungen komponiert, wie es sich an der klassischen Gruppierung der Fenster an der Laubengangfassade zeigt. Während Gropius in Bezug auf die F ­ otos der Dammerstock-Siedlung noch die Anweisung gab: „die weißen pfeilerpaare der großen fenstergruppen sind dunkel weg zu retouchieren! fast so dunkel wie die fenster selbst“1, ließ er die Pfeiler hier mit den gleichen dunklen Ziegeln der Sockel verkleiden. So wurden horizontale Fensterbänder suggeriert und der Kleinteiligkeit der minimalen Wohnungen entgegengewirkt. Die Ausrichtung der Schlafräume nach Osten und der Wohnräume nach Westen ist bei beiden Nord-Süd-Zeilen identisch, auch wenn das Schlafzimmer so einmal zum begrünten Hof und einmal zur Straße weist. „Was ist nun für den Durchschnittsmenschen wichtiger: die absolute nächtliche Ruhe oder die nachmittägliche und abendliche Besonnung auf dem Balkon,“2 fragte sich Gropius. Auch beim Laubenganghaus öffnen sich die Wohnungen zur Straße, während sie sich vom großen parkartigen Freiraum abschotten.3 1 Handschriftlicher Vermerk auf der Rückseite des Fotos 6740/5 im Bauhaus-Archiv Berlin. Vgl. Annemarie Jaeggi, „‚brauchbare typen sind ständig zu verbessern’ – Die Dammerstocksiedlung im Werk von Walter Gropius“, in: Brigitte Franzen, Peter Schmitt, Neues Bauen der 20er Jahre – Gropius, Haesler, Schwitters und die Dammerstock­ siedlung in Karlsruhe 1929, Karlsruhe 1997, S. 97. 2 Ebda., S. 95, zitiert in: Ise Gropius, „Die Gebrauchswohnung“, in: Neue Hauswirtschaft, 11, 1929, S. 180. 3 Günstiger ist die Situation auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auf der Hans Scharoun später ein Laubenganghaus baute. Dort weisen die Wohnungen allerdings zum Grünraum und schotten sich von der befahrenen Straße ab.

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Lageplan Grundriss Laubenganghaus

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Laubenganghaus, Nordseite Laubenganghaus, Treppenhaus

Wohnbauten Siedlung Siemensstadt

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Westfassade mit Gebäudeeingängen Ostfassade

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Nord-Süd-Zeile, Eingangsseite Nord-Süd-Zeile, Westfassade

Kupferhäuser

Finow und Potsdam, Deutschland 1931–32

Gropius kam in Kontakt mit den Hirsch Kupfer- und Messingwerken, nachdem diese auf der Berliner Bauausstellung 1931 zwei Prototypen von industriell vorfabrizierten Kupferhäusern präsentierten. Das Patent für das Plattenbausystem, das für eine Serienfertigung entwickelt war, stammt von Friedrich Förster und Robert Kraft. Gropius trat zunächst durch ein Gutachten in eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Unternehmen ein, doch schon bald wurde er Leiter der architektonischen Entwicklungsabteilung. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Experten konzipierte er einen kleineren vereinfachten Kupferhaustyp, der als ein Versuchshaus neben dem Werk in Eberswalde-Finow errichtet wurde. Dieser in Gropius’ Büro als „Experimentierobjekt“1 bezeichnete Bau weist einen quadratischen Grundriss von 6,30 Meter Länge auf. Die mit einer dünnen Kupferhaut überzogenen Platten mit einer Holzrahmenkonstruktion waren sehr leicht und konnten innerhalb eines ­Tages zusammenmontiert werden. Die Platten, in die Fenster und T­ üren ­bereits eingebaut waren, wurden aneinandergeschraubt, und für die Gebäudeecke wurde ein mit Kupfer verkleidetes abgerundetes Bauteil entwickelt. Isoliert waren die Platten mit Luftkammern in Aluminium­ folie. Auch wenn die industrielle Massenproduktion das Ziel war, ist von dem Haus nur ein einziges weiteres Exemplar in Potsdam nachweisbar, denn das Unternehmen verfolgte die Gropius-Typen ab 1932 nicht weiter. Später verkauften die jüdischen Eigentümer des Unternehmens noch Kupferhäuser an Flüchtlinge, die sie als „Umzugsgut“ mit nach Palästina nahmen, wo heute noch welche stehen – allerdings nicht der Gropius-Typ.2 1 Aktennotiz der Büros von Walter Gropius vom 19.11.1931, Bauhaus-Archiv Berlin, vgl.: Karsten Thieme, Kupferhäuser in Berlin und Brandenburg und der Einfluss von Walter Gropius auf ihre Entwicklung, Dissertation Technische Universität Berlin 2012, S. 79. 2 Friedrich von Borries und Jens-Uwe Fischer, Heimatcontainer – Deutsche Fertighäuser in Israel, Frankfurt am Main 2009.

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Grundriss Versuchshaus Typ K in Finow Haus vom Typ K in Potsdam

Das wachsende Haus

Berlin-Westend, Deutschland 1932, zerstört

Für die Ausstellung „Sonne, Luft und Haus für Alle!“ entstanden auf dem Berliner Messegelände zwei vorfabrizierte Häuser aus Kupfer.1 Gropius arbeitete hier mit den Hirsch Kupfer- und Messingwerken zusammen, und er präsentierte ein sich aus Modulen zusammen­setzendes Baukastensystem, das eine schrittweise Erweiterung ermöglicht. Das größere der beiden Häuser stellt eine um 180 Grad rotierte und erweiterte Variante des kleineren Hauses dar, so dass die Terrasse nun im Südwesten liegt. An der Südseite des größeren Typs ist wie bei dem ebenfalls in Berlin ausgestellten „wachsenden Haus“ von Hans S ­ charoun ein Gewächshaus mit geneigter Verglasung angegliedert. Eine Weiterentwicklung des vorangegangenen Kupferhaustyps war eine horizontal geriffelte Kupferhaut sowie ein Flachdach. Auch wenn die industrielle Massenproduktion das Ziel war, wurden die Häuser nicht in Serie gefertigt, doch Gropius gab die von ihm bereits 1910 formulierte Idee, normierte Häuser in Fabriken zu bauen, nicht auf. „Nur durch das Prinzip der Massenherstellung kann überhaupt ganz gute Ware geschaffen werden“2, schrieb er damals. 1 Die Häuser sind dokumentiert u. a. in: Martin Wagner, Das wachsende Haus – ein ­Beitrag zur Lösung der städtischen Wohnungsfrage, Berlin 1932, S. 65–68, und ­Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 1: Der Architekt und Theoretiker, Berlin 1985, S. 155–157. 2 Walter Gropius, „Programm zur Gründung einer allgemeinen Hausbaugesellschaft mit künstlerisch einheitlichen Grundlagen m.b.H.“, Manuskript im Bauhaus-Archiv Berlin. ­Publiziert in: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 3: Ausgewählte Schriften, Berlin 1987, S. 19.

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Grundrisse der zwei sich gegenüberstehenden Häuser Blick vom kleineren zum großen Haus mit Wintergarten Terrasse

Haus Bahner

Kleinmachnow, Deutschland 1933

Das Erdgeschoss des Hauses liegt um ein halbes Geschoss vom Straßen­niveau erhöht. Eine auskragende Treppe führt zum Eingang ­hinauf und eine Rampe zur Garage hinab. Das Haus für den Fabrikanten Johannes Bahner1 steht unmittelbar an der Geländestufe, dicht an der Straße, und öffnet sich mit großen Fenstern auf der Südseite zum Garten. Die Fenster setzen sich aus gleich großen Elementen zusammen, so dass eine Modulbauweise zum Ausdruck gebracht wird. Zudem werden die Fenster durch ein durchlaufendes Fenstergesims zu horizontalen Bändern zusammengefasst, und auch die Mauerpfeiler zwischen den Fensteröffnungen springen leicht zurück. Einen dynamischen Charakter erhält der Bau, indem am Eingang aus dem klaren kubischen Volumen ein Bereich ausgespart ist, so dass die darüber­ liegende Gebäudeecke auskragt. Auch wenn das konventionell konstruierte Haus mit einem überstehenden Walmdach versehen ist, erscheint dieses, aufgrund der flachen Neigung und analog der Dachplatte über dem Eingang, wie ein Flachdach. Wenn Sigfried Giedion die historische Bedeutung von Gropius’ Wohnhäusern in der „Einheit von Bau und Innenausbau“2 sah, bezog er sich zwar insbesondere auf die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Bauhaus-Werkstätten, aber auch für dieses Haus wurden Schränke, Garderoben, Türbeschläge und Möbel als eine Einheit mit entworfen. 1 Die Entwurfsgeschichte ist unklar, denn die Vorentwürfe laufen unter der Bezeichnung Haus Gass. Vgl. Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 182, und Hartmut­Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 1: Der Architekt und ­Theoretiker, Berlin 1985, S. 194. 2 Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 70.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss

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Straßenfassade Eingangsbereich

Haus Maurer

Berlin-Dahlem, Deutschland 1933

Da der Zugang zum Haus von Süden erfolgt, ist es von der Straße abgerückt mit einem seitlich angeordneten Eingang. Das Haus für den Rechtsanwalt Otto Heinrich Maurer liegt gegenüber einem Park, doch im Vergleich mit den benachbarten repräsentativen Villen erscheint der Bau bescheiden. Der Baukörper ist äußerst schlicht gestaltet,1 und wie bei dem gleichzeitig erbauten Haus Bahner tritt die von den Nationalsozialisten geforderte Dachschräge aufgrund der sehr flachen ­Neigung nicht in Erscheinung. Auch durch den komplizierten Einbau der Dachrinne in das Dach wird ein Flachdach suggeriert. Mit viel Aufwand wurde die Wirkung einer maximalen Einfachheit erzielt. ­ In dem L-förmigen Grundriss sind die dienenden Räume wie Vestibül, Küche und „Mädchenzimmer“ minimiert, während sich der Wohnraum –­ ­ urch eine Schiebetür mit dem Esszimmer verbunden – durch eine d Weiträumigkeit auszeichnet. Anstelle der Dynamik der früheren Wohnhäuser, die sich aus der Durchdringung unterschiedlicher Bauvolumen ergab, tritt nun die „klassische“ Ruhe einer symmetrischen Front. Dieser Bau ist der letzte, den Gropius in Deutschland realisierte, bevor er 1934 nach England und anschließend in die USA emigrierte. Aus dem Exil wehrte er sich gegen den Vorwurf, seine Architektur sei anti-traditionell, denn er begreife sich in der Tradition von Karl F ­ riedrich Schinkel.2 1 Die Klarheit des Baukörpers ergab sich aus einem Prozess, denn eine frühe Entwurfsvariante zeigt noch einen auskragenden Erker, eine angegliederte Pergola sowie einen Garagenanbau. Abgebildet in: Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, ­Berlin 1985, S. 183. 2 Walter Gropius, Die neue Architektur und das Bauhaus – Grundzüge und Entwicklung einer Konzeption, Mainz 1965, S. 74, ursprünglich: The New Architecture and the Bauhaus, London 1935.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Straßenansicht

Haus Levy

London, Großbritannien 1935–36 (mit Edwin Maxwell Fry)

Das Haus für den Bühnenautor Benn Levy1 und die Schauspielerin Constance Cummings bildet mit dem von Erich Mendelsohn entworfenen Nachbarhaus eine gestalterische Einheit. Die zwei Häuser sind aneinandergebaut, und die Architekten stimmten sich bezüglich der Gebäudehöhen, der Fassadengestaltung und der Gebäuderücksprünge ab. Während der Mendelsohn-Bau für Levys Neffen Dennis Cohen parallel zur Straße angeordnet ist und von dort aus streng orthogonal in Erscheinung tritt, steht das Haus Levy quer zur Straße und weist Rundungen des Baukörpers auch auf der Straßenseite auf. Das Haus Levy, mit zahlreichen Räumen für Dienstpersonal, öffnet sich im Erdgeschoss durch große verschiebbare Glaswände Richtung Südosten zu einem gemeinsamen Garten. Durch Schiebetüren lassen sich auch Ess- und Wohnzimmer zu einer Einheit verbinden. Später wurde das Haus aufgestockt und die Dachterrasse geschlossen. Zudem wurde das Haus aufgrund der starken Luftverschmutzung im Zentrum Londons dunkel verkleidet. Gropius erklärte, er habe den Bauherrn auf das Problem der Fassadenverfärbung aufmerksam gemacht. „Ich war für ein Backsteingebäude, aber Levy wollte ein weißes Haus.“2 1 Benn Levy schrieb die Dialoge des ersten britischen Tonfilms unter der Regie von Alfred Hitchcock, der wiederum einen Film produzierte, bei dem Levy Regie führte. Levy war auch Labour-Abgeordneter im britischen Parlament. 2 „I was in favour of a brick building but Levy wanted to have a white house.“ Walter Gropius in einem Brief an Edwin Maxwell Fry am 25.04.1938, RIBA Archive, zitiert in: Ian Jackson und Jessica Holland, The Architecture of Edwin Maxwell Fry and Jane Drew – Twentieth Century Architecture, Pioneer Modernism and the Tropics, Farnham 2014, S. 73.

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Grundriss zweites Obergeschoss Grundriss erstes Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Straßenseite, Detail

Haus Levy

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Ansicht von der Straße Ansicht vom Garten

Mortimer Gall Electrical Centre

London, Großbritannien 1936, Umbau (mit Edwin Maxwell Fry)

Der Umbau eines Ladengeschäfts in der Cannon Street bildet einen­ Kontrast zur historistischen Säulenfassade des fünfgeschossigen Hauses.1 Die Front eines zweiten Geschäfts in diesem Haus blieb mit ­korinthischen Pilastern erhalten. Die Fassade des Gebäudes wurde mit einem Unterzug abgefangen, der auf einer schlanken Eisensäule ruht. Die neu geschaffene, bündig detaillierte Wandober­fläche verläuft mit einer Rundung zum zurückgesetzten Hauseingang. In der Wand ­liegen schwarzes Glas, Glasbausteine und eine gebogene Schaufensterscheibe in gleicher Ebene, so dass die Wand als eine dünne Membran­ haut in Erscheinung tritt. Der nichttragende Charakter der Wand zeigt sich auch an der abgerückten, freistehenden Stütze. In dem als Vitrine gestalteten Showroom wurden wie bei den von Pete­r Behrens­in Berlin entworfenen Geschäften für die AEG-Produkte Elektro­geräte präsentiert, und wie bei den Behrens-Geschäften bilden auch hier Architektur und grafische Behandlung der Beschriftung eine gestalterische Einheit.2 1 Der Showroom wurde publiziert in Architect’s Journal, 05.08.1937, S. 229–230, als Gropius bereits England Richtung USA verlassen hatte. Auch wenn Gropius und Maxwell Fry, mit dem er eine Büropartnerschaft unterhielt, beide als Architekten genannt werden, wird die Arbeit im Werkverzeichnis bei Giedion 1954 nicht aufgeführt. Im Buch von Ian Jackson und Jessica Holland, The Architecture of Edwin Maxwell Fry and Jane Drew – Twentieth Century Architecture, Pioneer Modernism and the Tropics, Farnham 2014, S. 336, wird hingegen noch ein weiterer 1937 in der Londoner Regent Street realisierter „Electricity Showroom“ Gropius zugeschrieben, zusammen mit Maxwell Fry und László Moholy-Nagy. 2 Die Beschriftung ist nicht mehr erhalten.

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Ansicht des Geschäfts Fassadendetails

Denham Filmlaboratorien

Denham, Großbritannien 1936 (mit Edwin Maxwell Fry)

Als Teil des umfangreichen Komplexes der Denham Film Studios ­bauten Gropius und Maxwell Fry ein Laborgebäude für die Film­ entwicklung. Allerdings wurden sie erst beauftragt, nachdem die Ausführung schon begonnen hatte. Die Tragstruktur war in Skelettbauweise bereits errichtet.1 So war die Kubatur des Gebäudes vorgegeben, und auch bei der Fassadengestaltung hatten die Architekten keine freie Hand, denn außenliegende Fluchtwege mit Feuertreppen waren vorgeschrieben. Gropius veröffentlichte diesen Bau nicht, der für ihn „in künstlerischer Hinsicht wenig hergegeben“2 habe. Wie alle anderen Bauten von Gropius in England und im Gegensatz zu seinen Bauten der Jahre zuvor in Deutschland ist auch dieses Gebäude mit markanten Rundungen gestaltet. Die abgerundeten Ecken verleihen dem Bau ebenso wie die Detaillierung der Fassaden den Charakter eines Schiffs mit begehbaren Decks. Mittlerweile wurde das umliegende Gelände in eine Wohnanlage umgewandelt, und in das entkernte Laborgebäude wurden Apartments eingebaut. 1 Ich danke dem Architekten John Pardey für die Bauaufnahmepläne, auf deren Grundlage der hier gezeigte Grundriss gezeichnet wurde. 2 Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 774. Der Mitarbeiter Jack Howe schildert den Auftrag in einem Brief an Jack Pitchard vom 12.07.1969 als einen Broterwerbsjob und berichtet von Gropius’ Verärgerung über den Bauherrn, in: ebda., S. 773.

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Ansicht von Südwest

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Grundriss Obergeschoss

Haus Donaldson

Shipbourne, Großbritannien 1936–37 (mit Edwin Maxwell Fry)

Der als Wood House bezeichnete L-förmige Bau steht frei in der Landschaft mit dem Eingang im Westen.1 Der Wohnbereich liegt im südlichen Gebäudeflügel, während die privaten Schlafräume im nörd­ lichen Flügel sowie im Obergeschoss angeordnet sind. Der östliche Abschluss des Obergeschosses ist als ein „Schlafzimmer im Freien“2 ausgebildet. Wie beim Haus Gropius in Dessau sind auch hier F­ en­ster im Außenbereich eingebaut, die den Raum vor Wind schützen und ihm den Charakter eines Zimmers geben. So ist der Übergang von innen nach außen fließend. Aus der Perspektive der Bauherrin beschrieb Frances Donaldson Gropius als einen Architekten, der „die Wünsche der Bewohner exakt herausfinden und das Haus entsprechend entwerfen will“.3 Die Holzskelettkonstruktion ist mit horizontalen Zedernholzpaneelen verkleidet, während die Fensterbänder bündig in der Außenhaut l­iegen. Die Strenge des klaren Baukörpers, der mit einem Pultdach abgeschlossen ist, wird durch eine freistehende, gebogene Glas­wand gebrochen, die als Windschutz die Terrasse umgreift. Da das ­Gelände nach Süden hin abfällt, erhebt sich die Terrasse als ein steinernes ­Podium über dem Garten und erscheint als ein Sockel, auf dem die leichte Pavillonarchitektur steht. 1 „A Timber House in Kent“, in: Architectural Review, Feb. 1938, S. 61–63. 2 Ebda., S. 61. „open air bedroom”. 3 Frances Donaldson, A Twentieth-Century Life, London 1992. „Gropius was [...] anxious to find out exactly what one wanted and to design the house accordingly.“

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Ansicht von Süden

Impington Village College

Impington, Großbritannien 1936–39 (mit Edwin Maxwell Fry)

Mit dem Bau wurde das Ziel verfolgt, in einer ländlichen Region eine Schule mit einem Kulturzentrum zu vereinen.1 Neben den Klassen­ räumen sind in dem Bau auch Räume für die Erwachsenenbildung unter­gebracht, und es ist ein multifunktionales Auditorium mit Theaterbühne angegliedert. Wie beim Bauhaus-Gebäude greifen die je nach Funktion unterschiedlich ausgebildeten Gebäudeflügel in verschiedene Himmelsrichtungen aus. Der Bau steht am Rande des Ortes mit Ausblicken in die Landschaft, und der öffentliche Charakter des Bauwerks wird betont, indem es in eine bestehende Parkanlage eingefügt wurde. Dabei ist der Baukörper so gestaltet, dass der Baumbestand weitestgehend erhalten blieb. Der Zugang zum Gebäude erfolgt von Nordwesten auf das fächerförmige Auditorium zu, und der Eingang neben dem Auditorium führt in eine als Promenade bezeichnete Halle, die den Flügel der Klassenräume und den Flügel der Gemeinschaftseinrichtungen verbindet. Einige Räume werden sowohl von der Schule als auch abends außerschulisch genutzt. Die Klassenräume öffnen sich durch eine komplett verglaste Wand Richtung Südosten mit Ausblick über die Felder. Verschiebbare Wand­ elemente ermöglichen eine Art Freiluftunterricht. Die Gemeinschaftsräume sind hingegen mit typischen englischen bay windows ver­sehen. Gelbe und dunkelbraune Ziegel mit einer sehr rauen Textur bilden die Wandoberfläche nicht nur außen, sondern auch in einigen Bereichen im Inneren. In den Innenräumen sind bauliche Elemente in Blau und Wände in einem hellen Graugrün gestrichen, während die Vorhänge „schwefelgelb“ sind.2 Als Wandverkleidung wurden zudem MahagoniPaneele verwendet. Auch wenn der Bau damals in England als radikal modern begriffen wurde, ist er rückblickend ebenso durch regionale Gestaltungs­ elemente geprägt. Während der Ausführungsplanung lebte Gropius bereits in den USA und errichtete dort sein eigenes Wohnhaus, dessen Architektur Sigfried Giedion als „Neuen Regionalismus“ bezeichnete.3 1 Das Konzept des Village College wurde in den 1920er Jahren von Henry Morris ­entwickelt, der in Cambridgeshire für das Schulwesen verantwortlich war. So sollte der Abwanderung von den ländlichen Regionen in die Städte entgegengewirkt werden. V ­ gl. „The Village College Idea“, in: Architectural Review, Dez. 1939, S. 225–226. 2 „Impington Village College“, in: ebda., S. 234. 3 Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 70.

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Impington Village College

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Grundriss Erdgeschoss

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Gebäudeflügel mit den Gemeinschaftsräumen und Auditorium Gebäudeflügel mit den Klassenräumen, Ansicht von Süden

Haus Gropius

Lincoln, Massachusetts, USA 1938 (mit Marcel Breuer)

Zum zweiten Mal konnte Gropius ein Haus für sich bauen, ohne die ­Finanzierung aufbringen zu müssen, denn eine Mäzenin hatte ihm diesen Bau ermöglicht.1 Wie bei seinem Haus in Dessau arbeitete er mit Marcel Breuer zusammen, mit dem er nun eine Büropartnerschaft einging. Gropius wählte einen Ort im Umland von Boston, denn er hatte eine Professur an der Harvard University angetreten. Der frei in der Landschaft stehende Bau bekrönt einen Hügel in der Nähe des Sees Walden Pond, den der Schriftsteller Henry David Thoreau berühmt gemacht hatte. Von der Eingangsseite erscheint der Bau als ein reiner weißer Kubus mit horizontalen Fensterbändern, ähnlich den Gropius-Bauten der späten 1920er Jahre. Doch beim Betreten zeigt sich ein Charakter, der mehr mit jenem Haus verwandt ist, das sich Alvar Aalto zuvor in Finnland baute, als mit der in Amerika als International Style propagierten Neuen Sachlichkeit. Das Haus ist aus Holz konstruiert, und die l­ackierte Holzverkleidung zeigt sich sowohl außen als auch innen. „Vom Inneren des Gropius-Hauses kann gesagt werden“, schrieb Sigfried ­Giedion, „daß es nirgends seine Modernität betont. Das Wohnen wird in einem neuen Sinn behaglich, denn der eigentliche Wohnteil im Erdgeschoß, in dem Studio, Wohnzimmer und Eßraum ineinanderfließen, strömt eine wohltuende Entspanntheit aus.“2 Gropius erklärte, dass er mit diesem Haus die architektonische Tradition Neu-Englands aufgegriffen habe: „Diese Verschmelzung des ­genius loci mit meiner modernen Bauauffassung ließ ein Haus entstehen­, das ich in Europa mit seinen klimatisch, technisch und psychologisch ­völlig andersartigen Bedingungen niemals so gebaut haben würde.“3 In e ­ inem Brief an Breuer schilderte er seine Begeisterung für die historischen Häuser in dieser Gegend. Diese Häuser seien „in Einfachheit, Funk­tionalität und Einheitlichkeit ganz auf unserer Linie“.4 Gropius griff nicht nur die traditionellen Konstruktionsmethoden auf, sondern auch typologische Elemente, wie die vorgelagerte Veranda, die er neu interpretierte. Während er in seiner Zeit am Bauhaus mit dem Prinzip des „Baukastens im Großen“ unterschiedliche Volumen an­einanderfügte, kann der Entwurfsprozess hier als subtraktiv bezeichnet werden, denn aus einem primären Baukörper wurden unterschiedliche Volumen herausgenommen mit dem Resultat einer leichten, „aufgelockerten“5 Architektur. 1 Helen Storrow hatte das Grundstück und die Baukosten zur Verfügung gestellt. Sie vermietete das Haus an Gropius und gewährte ihm die Option, es später zu erwerben. 2 Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 72. 3 Walter Gropius, Architektur – Wege zu einer optischen Tradition, Frankfurt am Main, Hamburg 1956, S. 11. 4 Walter Gropius in einem Brief an Marcel Breuer vom 17.04.1937, zitiert in: Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 194. 5 Mit diesem Ausdruck charakterisierte Sigfried Giedion die Architektur. Wie Anm. 2.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss

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Eingangsseite Ansicht von Westen

Haus Gropius

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Ansicht von Westen Ansicht von Südwest

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Blick vom Essbereich in den Wohnbereich Blick in den Essbereich

Haus Hagerty

Cohasset, Massachusetts, USA 1938 (mit Marcel Breuer)

Der Bau erscheint von jeder Seite unterschiedlich. Von der Eingangsseite präsentiert er sich als ein weißes, kubisches Volumen, während er sich zum Meer hin öffnet. Er ist teilweise aufgeständert, aber ­zugleich auch eng mit dem Boden verankert. Durch Mauern aus groben Steinen gliedert sich das Haus in die felsige Küstenlandschaft ein. Die schweren Mauern stehen in einem Spannungsverhältnis zur leichten Holzbauweise der membranhaften Wand. Durch die Detaillierung erinnern einige Elemente des Gebäudes an eine Schiffsarchitektur, während andere einen äußerst archaischen Charakter zeigen. Marcel Breuer, der die primäre Entwurfstätigkeit für sich proklamierte,1 hatte mit derart rustikalen Mauern zuvor einen Pavillon in England und ein Hotel in Österreich gestaltet. Auch wenn die Bauherrin Josephine Hagerty den Architekten vorwarf, ihre eigenen Vorlieben übergangen zu haben,2 waren Gropius und Breuer bemüht, ihre Prinzipien an den regionalen Kontext anzupassen. 1 Marcel Breuer in einem Brief an Walter Gropius vom 10.09.1946, zitiert in: ­Joachim ­Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 102. Dieses Haus wurde 1938 fertig­gestellt, siehe: „Hagerty Completion Statement“ vom 05.12.1938, Marcel Breuer Archive, ­Syracuse University, ID 11319-001. 2 Josephine Hagerty in einem Brief an Walter Gropius und Marcel Breuer vom 26.01.1939, Marcel Breuer Archive, Syracuse University, ID 11329-008. „You insisted on your own preconceived ideas without considering their adaptability to the exi­sting conditions or the likes and dislikes of your client.“

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Grundriss zweites Obergeschoss Grundriss erstes Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss

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Westseite Ostseite

Haus Breuer

Lincoln, Massachusetts, USA 1938–39 (mit Marcel Breuer)

Das Haus liegt in Sichtweite des Hauses Gropius, und wie Gropius erhielt auch Marcel Breuer von der Eigentümerin des Areals die Möglichkeit, ein Haus für sich zu entwerfen, ohne es selbst finanzieren zu müssen.1 Obwohl Breuer das Haus eigenständig entwarf, wird es ebenfalls im Werkverzeichnis von Gropius aufgeführt, da es in der Büro­ partnerschaft beider Architekten entstand. Das offene Zentrum des Hauses bildet ein trapezförmiger, doppel­ geschossiger Wohnraum, an den sich weitere Räume angliedern: ein etwas tiefer gelegenes Esszimmer, eine nach Westen ausgerichtete Veranda sowie ein lediglich durch einen Vorhang abgetrenntes Schlafzimmer. Breuer wählte unterschiedliche Materialien für die Wände und entwarf ebenfalls die Möbel. Wie beim Hagerty-Haus ist auch hier ein Kamin in eine Mauer aus groben Steinen integriert, dessen raue Oberfläche sowohl außen als auch innen in Erscheinung tritt und den Charakter des Hauses prägt. Die als Anker der leichten Holzkonstruktion des Gebäudes dienende schwere Wandscheibe ist wie die Sperrholz­ elemente der Möbel gebogen. Im Gegensatz zum kubischen Volumen des Hauses Gropius erscheint dieser Bau als eine Addition verschiedener Baukörper, welche die Unter­schiedlichkeit der Funktionsbereiche widerspiegelt.2 Später wurde das Haus erweitert. 1 Joachim Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 124–131. 2 Die Grundrissfiguren der einzelnen Baukörper sind klar proportioniert. Der östliche ­Bereich ist in den Proportionen von 1:2 konzipiert, siehe: ebda., S. 131.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Blick von Süden Wohnraum

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Blick von Osten

Haus Ford

Lincoln, Massachusetts, USA 1938–39 (mit Marcel Breuer)

Das Haus liegt umgeben von Bäumen an einem Teich auf dem gleichen Areal wie die Häuser von Gropius und Breuer. Der schlichte Bau, an dessen Entwurf Breuer keinen Anteil hatte,1 öffnet sich nach ­Süden zum Wasser. Erschlossen wird der Bau über ein angegliedertes Treppen­haus im Norden, während sich der kubische Haupt­baukörper im Süden durch einen eingeschossigen Anbau mit dem Ess­bereich erweitert. Der Grundriss ist in den Proportionen des Goldenen Schnitts komponiert, und der Weg durch das Haus verläuft vom Eingang zur Terrasse in einer S-Form. Wie im benachbarten Haus Gropius führt dieser Weg um eine diagonal angeordnete Glaswand herum, die hier Wohn- und Essbereich räumlich voneinander trennt und optisch miteinander verbindet. Die vorgelagerte Terrasse wird von einer gebogenen, in Trockenmauer­ werk ausgeführten Feldsteinmauer umfasst. Die Holzverschalung der Fassade verläuft, wie bei den anderen Häusern von Gropius und Breuer aus dieser Zeit und im Gegensatz zur Tradition in Neuengland, vertikal. Im Unterschied zur konventionellen Technik der Überlappung von horizontal angeordneten Verschalungsbrettern stoßen die Hölzer hier bündig aneinander und betonen durch eine glatte Wandoberfläche die geometrische Abstraktion des Baukörpers. 1 Vgl. Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 271, und ­Joachim Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 102. Der in der Büropartnerschaft mit Marcel Breuer entstandene Bau wurde später durch einen Anbau erweitert.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Ansicht von Südwest

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Ansicht von Nordwest Ansicht von Südwest

Haus Frank

Pittsburgh, Pennsylvania, USA 1939–40 (mit Marcel Breuer)

Der extrem luxuriöse Bau erstreckt sich über vier Etagen, welche mit einem Aufzug miteinander verbunden sind sowie mit einer Treppenanlage, die in der Fassade in Erscheinung tritt. Das Haus liegt an einem Hang mit dem Eingang im unteren Bereich, von wo sich nicht nur die zentrale Treppenanlage hinter einer gewölbten Glaswand zeigt, sondern auch eine weitere Treppe, die zu einer Terrasse hinaufführt. Die überbaute Terrasse liegt über einem in das Gebäude integrierten Schwimmbad und ist mit dem Garten verbunden. Während die Kubatur des Bauwerks analog zur Stahlskelettkonstruktion streng orthogonal organisiert ist, ist der Charakter der zentralen ­Innenräume durch gekurvte Wände geprägt. Mit Rundungen sind auch die auskragenden und mit braunem Teppich überzogenen Treppenstufen sowie die zahlreichen von Marcel Breuer entworfenen Möbel gestaltet. In der gleichen organischen, für das Bauhaus untypischen Formensprache der Sperrholzteile der Sessel ist auch das Wasser­ becken im Garten gestaltet, so dass sich sämtliche Bereiche des Gebäudes – von der Detaillierung der Möbel bis zu den Beleuchtungskörpern und der landschaftlichen Einbettung – zu einer gestalterischen Einheit verbinden. Im Sinne der Idee des Gesamtkunstwerks wurde eine umfassende Synthese der Gestaltung geschaffen, die sich allerdings von den Bauten der 1920er Jahre, etwa der Meisterhäuser in Dessau, unterscheidet. Hier sind die Wände holzvertäfelt, wie in Schiffskajüten, oder mit Travertin verkleidet. Für die Wandbespannungen entwarf Anni A ­ lbers eine Textur mit Kupferfäden, während die Seidenvorhänge in ihrer ­natürlichen hellbeigen Farbigkeit belassen wurden. „Im gesamten Haus werden die Materialien in ihrer natürlichen Farbigkeit verwendet, unbehandelt und ohne Anstrich “1,erklärten Gropius und Breuer. „Die Intention der Entwerfer war es, das Interieur als einen ruhigen Hintergrund der unzähligen Formen und Farben des sich permanent verändernden täglichen Lebens zu arrangieren.“2 Auch wenn ein neutraler Rahmen angestrebt wurde, laufe die totale Gestaltung dennoch hier Gefahr, so eine Kritik in der Zeitschrift The Architectural Forum, „in modische ­Manierismen zu verfallen“.3 Gropius und Breuer sahen sich andererseits der Kritik ausgesetzt, mit dem extremen Luxus ihre sozialen ­Ideale verraten zu haben.4 1 Walter Gropius und Marcel Breuer in einem Manuskript, Marcel Breuer Archive, Syracuse­ University, ID 04476-003. „Throughout the house materials are used in their natural ­color, without stain or painting.“ 2 Ebda., ID 04476-002. „The intention of the designers was to arrange the interior as a quite background for the innumerable forms and colors of the constantly changing daily life.“ 3 „House in Pittsburgh, PA. – Walter Gropius and Marcel Breuer, Architects“, in: The ­Architectural Forum, März 1941, S. 162. „relapse into fashionable mannerisms“. 4 Vgl. Joachim Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 132–137.

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Grundriss unteres Geschoss mit Eingang Ansicht vom Garten

Haus Frank

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Grundriss Dachgeschoss Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Gartenniveau

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Ansicht vom Garten Südfassade

Haus Frank

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Hauseingang Hauseingang, Detail

Haus Chamberlain

Wayland, Massachusetts, USA 1940–41 (mit Marcel Breuer)

Der in der Nähe eines Flusses, „inmitten des Waldes“1 gelegene Bau setzt sich aus unterschiedlichen kubischen Volumen zusammen. Über einem mit Feldsteinen umfassten Raum, der als Unterstand eines ­Kanus dient und als ein massiver Sockel in Erscheinung tritt, ruht ein ­leichter Baukörper aus Holz. Dieser Körper liegt auf dem kleineren Sockel auf, mit einer Auskragung von über zwei Metern. Auch weitere Elemente des Gebäudes kragen aus: die Eingangstreppe und das Vordach sowie ein Teil der Veranda. Im Zentrum des Hauses dient ein frei im Raum ­stehender, steinerner Kamin als räumliche Trennung zwischen Eingangszone und Wohnbereich. Die Auskragung des Baukörpers wurde durch eine geschichtete Wandkonstruktion aus drei Lagen der Verschalung ermöglicht, bei denen die Bretter außen vertikal, innen horizontal und dazwischen diagonal angeordnet sind. „Die Holzwände wirken in der Konstruktion als versteifte Platten“, erklärte Marcel Breuer, „wie eine Stahlbetonwand“2. Unmittelbar nach Fertigstellung schrieb er als der Entwerfer des Gebäudes an Gropius, dass er nach den zwei noch laufenden gemeinsamen Projekten zukünftig selbstständig arbeiten wolle, da sie ihre ­jeweils eigenen Ideen hätten.3 1 Marcel Breuer in einem Brief an Francis Reginald Stevens Yorke vom 08.03.1943, zitiert in: Joachim Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 240. „in the middle of the woods“. 2 Marcel Breuer in einem Brief an George Nelson vom 15.10.1942, Marcel Breuer Archive, Syracuse University, ID 00138-001. „the wooden walls are considered in the construction as stiff slabs“, „like a reinforced concrete wall“. 3 Marcel Breuer in einem Brief an Walter Gropius vom 23.05.1941: „I am now convinced that our partnership is objectively and personally possible no longer. As to the reasons, we each certainly have our own ideas, which I feel it would not help to analyze.“ Marcel Breuer Archive, Syracuse University, ID bMS_Ger_208_folder_518_0024.

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Grundriss Erdgeschoss Grundriss Untergeschoss Eingangsseite

Haus Abele

Framingham, Massachusetts, USA 1940–41 (mit Marcel Breuer)

Das an einem Stausee gelegene Haus wird nach dem gleichen Prinzip erschlossen wie Gropius’ eigenes Haus in Lincoln. Auch hier liegt der Eingang in einem Vorbau an der Nordseite des Gebäudes mit ­einem schräg verlaufenden Vordach. Obwohl sich die Wohnräume in einem kompakten Block konzentrieren, kragt der Bau mit niedrigen Mauern und leichten Gitterkonstruktionen ebenso in die Landschaft aus. Die angegliederte Garage ist durch das Dach mit dem Baukörper des Hauses verbunden und zugleich von ihm abgerückt, denn ein offener Durchgang trennt die beiden Volumen. Auch wenn Marcel Breuer bei diesem Haus keine primäre Autorschaft für sich erklärte,1 ist wie bei seinem Haus in Lincoln hier ebenfalls ein offener Kamin in eine leicht gebogene massive Steinmauer integriert, dessen grobe Oberflächenstruktur einen Kontrast zur weiß lackierten Holzkonstruktion bildet. Richtung Süden und Westen ist das Haus über die gesamte Länge der Fassade verglast, so dass sich durch die Fenster­b änder von fast allen Räumen weite Panoramaausblicke ­bieten. In einer maximalen Weise ist die Öffnung des Bauwerks zur Landschaft erlebbar in einem vollkommen verglasten Raum an der Südwestecke des Gebäudes. 1 Breuer führte dieses Haus in seiner Auflistung der Bauwerke, die er während der Büropartnerschaft mit Gropius maßgeblich entworfen hatte, nicht auf. Vgl. seinen Brief an Gropius vom 10.09.1946, zitiert in: Joachim Driller, Breuer Houses, London 2000, S. 102.

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Eingangsseite Gartenseite

Aluminum City Terrace

New Kensington, Pennsylvania, USA 1941–42 (mit Marcel Breuer)

Die für Arbeiter einer kriegswichtigen Aluminiumfabrik entworfene Siedlung fügt sich organisch in die hügelige Landschaft ein. Indem die Gebäudezeilen entlang der Höhenlinien der Topografie und gleichzeitig mit ihren Wohnräumen weitgehend nach Süden ausgerichtet sind, entstand eine unregelmäßige Anordnung, die sich deutlich von der stringenten Nord-Süd-Ausrichtung des Zeilenbaus der 1920er Jahre in Deutschland unterscheidet. Da die Hauseingänge weitgehend im Norden liegen, sind die Bauten teilweise mit der Zugangsseite und teilweise mit der privaten Gartenseite zur Straße orientiert, was zu einer scharfen Kritik und schweren Vermietbarkeit führte.1 Die Bebauung setzt sich aus ein- und zweigeschossigen Gebäuden zusammen, mit Einzimmerwohnungen in den flachen Bauten. Hier verbinden sich Wohnbereich, Schlafzimmer und Küche zu einer einzigen Raumeinheit. Neben Gebäudezeilen wurden auch Doppelhäuser realisiert, die teilweise aufgeständert am Hang liegen und über Rampen erschlossen werden. Die Holzkonstruktion der Bauten ist mit gelben Ziegeln und mit Zedern­ holz verkleidet. Nach einem Besuch der fertiggestellten Siedlung räumte Marcel Breuer ein: „Die Mieter haben sich über das natur­ belassene Holz an den Außenwänden beschwert, weil dies, wie sie denken, zeige, dass es nicht genug Geld für Ziegel gegeben habe. Es­ist darum vorzuschlagen, dass das Holz angestrichen werde.“2 Die Sonnenschutzelemente aus Holz über den langen Fensterbändern wurden mittlerweile durch Elemente aus Aluminium ersetzt. 1 Vgl. „Aluminum City Terrace Housing“, in: The Architectural Forum, Jul. 1944, S. 65–76. 2 Marcel Breuer in: Architectural Review, Sep. 1944, S. 74. „Tenants [...] object to the natural wood on the exteriors which, they think, indicates that there was not enough ­money for brick. It is therefore suggested that the wood should be painted.“

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Zweigeschossige Gebäudezeile, Eingangsseite Vorbau mit Schlafräumen

Aluminum City Terrace

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Lageplan Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss Grundriss Doppelhaus

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Zweigeschossige Gebäudezeile, Eingangsseite Vorbau mit Schlafräumen

Aluminum City Terrace

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Eingeschossige Gebäudezeile, Eingangsseite

Packaged House System

Burbank, Kalifornien, USA 1942–52 (mit Konrad Wachsmann), zerstört

Das Fertighaussystem General Panel System war für die Massen­ fabrikation geplant, doch es wurden nur relativ wenige Häuser reali­ siert.1 Die vorfabrizierten, leichten Bauelemente aus Holz wurden in einem Paket angeliefert und in sehr kurzer Zeit auf der Baustelle zusammenmontiert. Für die Systembauweise entwickelte Konrad Wachsmann einen konstruktiven Knoten mit Verbindungselementen aus Stahl, der es ermöglichte, Platten im Modulmaß von ungefähr einem Meter vertikal wie horizontal aneinanderzufügen.2 Dieses Prinzip stellte eine deutliche Vereinfachung gegenüber dem Bausystem der Kupfer­häuser dar, denn die Verbindungen von Wand-, Boden- und Deckenplatten waren nun vereinheitlicht. Im Gegensatz zu Richard Buckminster Fuller, der zur gleichen Zeit in einer Flugzeugfabrik identische Häuser wie Industrieprodukte herstellte – ebenfalls nur wenige Exemplare einer geplanten Serien­ fertigung –, war das Ziel von Gropius und Wachsmann die gestalterische Variabilität. Aus gleichartigen Elementen sollten zahlreiche unterschiedliche Lösungen geschaffen werden. Eines der realisierten Häuser entstand als Musterhaus neben der Fabrik der General Panel Corporation in Burbank, Kalifornien. Wachsmann, mit dem Gropius für dieses Projekt eine Partnerschaft einging, entwickelte nicht nur das Konstruktionssystem des Hauses eigenständig, sondern auch den Produktionsablauf der Fabrik. 1 Nach Winfried Nerdinger wurden bis 1952, als das Unternehmen General Package Corporation in Konkurs ging, lediglich 150–200 Häuser realisiert. Der erste Prototyp wurde am 23.02.1943 in Somerville, Massachusetts, dem Publikum und dem Militär präsentiert. Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 204–206. 2 Das Modul beträgt drei Fuß und vier Inches, vgl. ebda., S. 204, und Gilbert Herbert, The Dream of the Factory-Made House – Walter Gropius and Konrad Wachsmann, Cambridge MA 1984.

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Grundriss Musterhaus Musterhaus neben der Fabrik

Fabrik der Container Corporation of America

Greensboro, North Carolina, USA 1944–46 (mit dem Büro Bellinger)

Gropius erhielt diesen Auftrag der Container Corporation of America, da er mit dem Firmenchef Walter Paepcke befreundet war.1 Paepcke unterstützte das von László Moholy-Nagy geleitete New Bauhaus in ­Chicago und engagierte auf Empfehlung von Gropius auch den Bauhäusler Herbert Bayer für die grafische Gestaltung im Unternehmen, das Kartons, Papier und Verpackungen produzierte. Gropius wurde beratender Architekt und gestaltete die Fabrikanlage in Greensboro. Die Planung und Ausführung erfolgte im Architektur- und Ingenieurbüro Bellinger.2 Das zwischen einer Bahnlinie und der Straße gelegene Fabrikgebäude ist wie der angegliederte Bürotrakt mit gelben und roten Ziegeln verkleidet, während der architektonische Ausdruck insbesondere durch horizontale Fensterbänder geprägt ist. Ebenfalls betont wird die H ­ orizontale durch die Sockelzone aus dunklen Ziegeln und indem jede neunte Ziegel­schicht mit den Bindern in der ansonsten mit einem Läufer­ verband verblendeten Fassade in Erscheinung tritt. 1 Walter Paepcke war der Vorsitzende im Direktorium des Unternehmens. Vgl. ­Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 927–928. 2 Winfried Nerdinger erwähnt, dass Gropius auch für Änderungen der Fabrik in ­Fernandina, Florida, beratend tätig war, von der sich im Gropius-Nachlass im Berliner Bauhaus-Archiv zwar zahlreiche Fotos befinden, aber keine Zeichnungen. Winfried ­Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, Berlin 1985, S. 278.

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Straßenansicht mit Bürotrakt

Fabrik Cartón de Colombia

Yumbo, Kolumbien 1945–48

Die nördlich von Cali am Río Cauca gelegene Karton- und Papierfabrik wurde in mehreren Bauabschnitten realisiert.1 Analog zu der gleichzeitig entstandenen Fabrik in Greensboro in den USA ist der Fabrikhalle an der Straßenseite ein zweigeschossiger Bürobau vorgelagert, auf dessen Dach später, wie von Gropius konzipiert, der Schriftzug „Cartón de Colombia“ montiert wurde. Wie in Greensboro verläuft auch hier die großflächige Verglasung des fünfachsigen Bürogebäudes entlang der gesamten Fassade, unterbrochen lediglich durch die außenliegenden Stützen der Skelettkonstruktion, während die seitlichen Wände geschlossen sind. Der Bau wurde wie geplant später nach Südwesten um weitere Hallenschiffe mit konventionellen Satteldächern und Oberlichtern erweitert. Mittlerweile erfolgten allerdings zahlreiche bauliche Veränderungen. Heute steht das Bauwerk nicht mehr frei, sondern ist in einen dicht bebauten Industriekomplex eingebunden. 1 Während sich die Entwurfspläne im Gropius-Archiv im Busch-Reisinger Museum der Harvard University befinden, stammt die hier abgebildete Luftaufnahme aus dem Berliner Bauhaus-Archiv, dort allerdings fälschlicherweise als „Büro- und Fabrikgebäude der ­Container Corporation of America, Greensboro/ N.C.“ bezeichnet (Inv.-Nr. 6792/23). Für Hinweise zur Lokalisierung des Bauwerks danke ich Liliana Naranjo Merino. Heute wird der Bau ­von Smurfit Kappa Cartón de Colombia S. A. weiterhin als Papierfabrik betrieben.

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Lageplan Erster Bauabschnitt der Fabrikanlage am Río Cauca

Haus Howlett

Belmont, Massachusetts, USA 1945–48 (mit TAC)

Das Haus für Clarence und Jeannette Howlett erstreckt sich wie ­Marcel Breuers Wohnhaus in Lincoln über drei Ebenen, wobei Treppen von e ­ inem hohen Wohnraum zu niedrigeren, übereinanderliegenden ­Räumen hinauf- und hinabführen. Es war der erste ausgeführte Bau des 1945 formierten Architektenkollektivs TAC – The Architects Collaborative, bei dem sich Gropius mit sieben jüngeren Partnern zusammenschloss.1 Sämtliche weitere Bauten realisierte er in Zusammenarbeit mit TAC. Der verantwortliche Partner bei diesem Haus war Benjamin Thompson, mit dem Gropius einen Vorentwurf komplett überarbeitete. Der Zugang zum Haus erfolgt über einen nach Norden weisenden ­Gebäudeflügel mit offenem Carport und der Küche. Die Eingangstür zum Haus führt unmittelbar in einen offenen Universalraum, den „Wohn/ Ess- und Spielraum“2, den ein freistehender Kamin sowie ein Regalund Sofaelement als Raumteiler untergliedern. Der Boden des nach Süden vollkommen verglasten Raums ist ein gewachster Steinfuß­ boden, während die Holzkonstruktion des Gebäudes außen mit geöltem Zypressenholz verkleidet ist, und auch einige Wände im Inneren sind mit Holz vertäfelt, so dass eine Kontinuität von Innen- und Außenraum geschaffen wird. Der Entwurf reicht von der Auswahl der Möbel bis zur Gartengestaltung. 1 Mitbegründer waren die Partner Jean B. Fletcher, Norman C. Fletcher, John C. Harkness, Sarah P. Harkness, Louis A. McMillen, Robert S. McMillan und Benjamin Thompson. 2 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 54.

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Grundriss Erdgeschoss Grundriss Untergeschoss Ansicht vom Garten

Michael-Reese-Krankenhaus

Chicago, Illinois, USA 1945–59 (mit TAC, Reginald R. Isaacs und Loebl, Schlossman & Bennett), größtenteils zerstört1

Auch wenn Gropius nicht als hauptverantwortlicher Architekt, sondern lediglich als architektonischer Berater eines Planungsstabs am Projekt mitwirkte, prägte er die Gestaltung des Komplexes. Sein Einfluss war am Masterplan, der parkartigen Anlage sowie der architektonischen Gestaltung zahlreicher Bauten spürbar.2 Wie beim benachbarten Campus des Illinois Institute of Technology IIT, den Ludwig Mies van der Rohe zur gleichen Zeit baute, waren die Gebäude hier ebenfalls einheitlich mit gelben Ziegeln verblendet. Die Kraftzentralen beider Komplexe ähneln sich im architektonischen Ausdruck. Anders als bei Mies’ IIT waren die Pavillonbauten des Krankenhauses jedoch nicht analog des Straßenrasters streng orthogonal angelegt, sondern der erste Bau, an dem Gropius mitwirkte, das 1946–48 realisierte Singer Building, weist einen Y-förmigen Grundriss auf. Gropius selbst relativierte seinen Einfluss: „Weitgehend sind Empfehlungen, die auf gute architektonische Gestaltung abzielten, nicht befolgt worden.“3 Der Abriss der Krankenhausbauten 2009–10 wurde von Protesten begleitet. 1 Der Krankenhauskomplex wurde 2009–10 abgerissen. Erhalten blieb lediglich der Singer Pavillon von 1946–48. 2 Gropius beriet den architektonischen Entwurf der Bauten: Singer Pavilion, Laundry Building, Serum Center, Power Plant, Friend Convalescent Home, Linear Accelerator, Kaplan Pavilion und Cummings Pavilion. 3 Walter Gropius in einem Brief an Ferd Kramer vom 08.01.1951, zitiert in: Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 984.

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Kraftwerk, entworfen von Reginald R. Isaacs

Peter Thacher Junior High School

Attleboro, Massachusetts, USA 1947–51 (mit TAC)

Die Peter Thacher Junior High School setzt sich aus vier unterschiedlichen Gebäudeflügeln zusammen, die sich um einen zentralen Hof gruppieren.1 In der Eingangshalle führt eine offene Rampenanlage zur Cafeteria und weiter zum Auditorium mit Theaterbühne hinauf. Die in einem separaten Gebäudeflügel angeordneten und nach Süden orientierten Klassenräume werden über verglaste Wandelgänge erschlossen, während im Osten eine Turnhalle an den Komplex angegliedert ist. Die Werkstätten, naturwissenschaftlichen Räume und Büros sind im zweigeschossigen Hauptgebäude untergebracht. Die freie Anordnung der Gebäudeflügel variiert das Entwurfskonzept des Impington Village College von einem Jahrzehnt zuvor. Auch diese Schule ist außen sowie in einigen Bereichen im Inneren mit gelben Ziegeln verkleidet. Mittlerweile ist der Flügel mit den Klassenräumen abgerissen, und die übrigen Gebäudeteile wurden fast vollkommen umbaut. Auch die Eingangssituation ist verändert, so dass das primäre Entwurfskonzept verloren ging, das Sigfried Giedion als ein „entspanntes Ausbreiten in der Landschaft“ mit einem „frei angeordneten Grundriss“2 beschrieb. 1 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 32–36. Die verantwortlichen TAC-Partner waren John C. Harkness und Louis A. McMillen. 2 Sigfried Giedion, Walter Gropius – Mensch und Werk, Stuttgart 1954, S. 59.

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Eingangsseite

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Grundriss Erdgeschoss

Harvard Graduate Center

Cambridge, Massachusetts, USA 1948–50 (mit TAC)

Für den Campus der Harvard University entwarfen die Partner von TAC (The Architects Collaborative) unter Leitung von Gropius eine Gruppe von Wohnbauten für knapp 600 Studierende mit einem angegliederten zweigeschossigen Gemeinschaftszentrum. Die beiden Geschosse dieses zentralen Gebäudes mit Aufenthaltsräumen und einer Mensa werden über eine Rampenanlage miteinander verbunden, und auf Anregung von Gropius wurden bei diesem Bau auch Werke von Künstlern in die Architektur integriert, wie die Wandarbeiten der Bauhäusler Josef Albers und Herbert Bayer.1 Auch wenn die Architektursprache einen Gegensatz zu den umliegenden Bauten bildet, betrachtete Gropius den neuen Gebäudekomplex in einer Kontinuität mit der architektonischen Tradition des Harvard-Campus, deren Wesen er in der Raumbildung durch ein Hofsystem begriff. „Eine Reihe begrünter Höfe verschiedener Größe und begrenzt von den unterschiedlichsten Gebäuden, bietet eine architektonische Folge räumlicher Überraschungen.“2 Bei den neuen Gebäuden war es das Ziel, „die gleichen standardisierten Bauteile immer wieder zu verwenden, sie aber so zu kombinieren, daß sie verschiedenartig wirken. Im Graduate Center habe ich versucht, die Monotonie der gleichen ­Fenster durch Richtungswechsel der Gebäude­blöcke sowie durch ­Variierung ihrer Stirnseiten und Verbindungsbauten zu unterbrechen. Das Ergebnis ist eine Folge sehr verschiedener Aspekte für den Betrachter.“3 Obwohl sich die Farbigkeit der Bauten an der Kalksteinverkleidung und den Betonsäulen des Gemeinschaftsgebäudes anlehnt, werden in den Fassaden auch die Primärfarben Rot, Blau und Gelb verwendet. Trotz des industriellen Charakters der sehr sachlichen Wohnbau­fassaden mit einheitlichen Fensterbändern mit Stahlprofilen sollte durch ­Balkone, die wie Schubladen ausgreifen, sowie durch großflächige Treppen­ hausverglasungen, welche die angrenzenden Backstein- und Natursteinflächen als homogene Wandscheiben in Erscheinung treten lassen, eine gestalterische Vielfalt erzeugt werden. 1 Zu den beteiligten Künstlern zählen auch Hans Arp, Richard Lippold und Joan Miró. Vgl.: Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, ­Teufen 1966, S. 71. 2 Walter Gropius, Architektur – Wege zu einer optischen Kultur, Frankfurt am Main, Hamburg 1956, S. 63. Ursprünglich veröffentlicht am 23.10.1949 im New York Times Magazine. 3 Ebda., S. 64.

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Lageplan

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Gemeinschaftszentrum Gemeinschaftszentrum, Ansicht von Südwest

Harvard Graduate Center

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Wohngebäude, Hofseite Wohngebäude, Stirnseite mit Treppenhaus

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Wohnbauten, Ansicht vom Hof Fassadendetail Fensterbänder mit Klappflügeln

Haus Stichweh

Hannover, Deutschland 1951–53 (mit TAC)

Bei dem Haus ist einem kubischen Baukörper auf einem Grundriss in der Proportion von 3:4 eine Veranda angegliedert.1 Der Abstand der ­filigranen Metallstützen der Veranda entspricht ihrer Höhe, so dass sich in der Ansicht quadratische Felder abzeichnen, die dem Bau den Charakter einer geometrischen Abstraktion verleihen. Abstrahiert wird ein in den USA üblicher Gebäudetyp mit vorgelagerter Veranda, die hier allerdings zur privaten Gartenseite orientiert ist. Das Haus ist an der Straßenseite mit einem Vordach versehen, das nicht nur zum Eingang weist, sondern auch den Bau mit der Garage verbindet. Betreten wird das Haus über eine großflächig verglaste Eingangshalle mit einer Blickachse über die gesamte Länge des Gebäudes, während sich vom anschließenden Wohn- und Essraum weitere diagonale Blickachsen bis in den Außenraum öffnen, so dass eine maximale Weiträumigkeit erzielt wurde. Die Tür zu diesem zentralen L-förmigen Raum ist wie die Wand holzvertäfelt, und eine frei im Raum platzierte Wendeltreppe führt zur Bibliothek hinauf. „Aus der Ferne sollte die Silhouette des Bauwerks ganz einfach sein“, erläuterte Gropius seine damalige Auffassung. „Und wenn wir schließlich dicht davorstehen und nicht länger das ganze Gebäude über­ blicken können, muß das Auge von neuen Überraschungen angezogen werden, in der Form kunstvoller Oberflächenbehandlung.“2 Bei den gemauerten Wandscheiben, die sich an der Außenwand mit verputzten und in der Fassade zurückspringenden Flächen abwechseln, werfen lediglich die horizontalen Fugen Schatten, da die vertikalen Fugen bündig mit der Ziegeloberfläche ausgebildet sind. Durch das Zurückspringen der verputzten Felder wird der Scheibencharakter der Backsteinflächen betont. Später wurde die Kubatur des Hauses durch ­einen eingeschossigen Anbau verändert.3 1 Die Bauherren waren Wilhelm und Margret Stichweh, ein Unternehmer und eine ­Ärztin. „Kleines Wohnhaus in Hannover“, in: Bauen + Wohnen, 8/1953, S. 450–452. 2 Walter Gropius, Architektur – Wege zu einer optischen Kultur, Frankfurt am Main, Hamburg 1956, S. 34. Ursprünglich „Design Topics“, in: Magazine of Art, Dez. 1947. 3 Die Erweiterung von 1974 stammt von der Architektengemeinschaft Hübotter L­ edeboer Busch. Heute wird das Haus vom Bund Deutscher Architekten BDA genutzt.

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Grundriss Erdgeschoss Eingangsseite

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Gartenseite

Overholt-Klinik

Boston, Massachusetts, USA 1953–55 (mit TAC), zerstört

Die an das New England Deaconess Hospital angegliederte Herz- und Lungenklinik war über eine Brücke mit dem Krankenhaus verbunden.1 Der Baukörper war aufgeständert, so dass unter ihm geparkt werden konnte, und wurde über eine verglaste Eingangshalle erschlossen. Im Erdgeschoss waren zudem Technikräume und ein Aufenthaltsraum für Mitarbeiter angeordnet, von dem eine weitere Treppe zum oberen Geschoss führte. Die Büros, Sprechzimmer und Laboratorien im Obergeschoss waren separiert durch leichte und versetzbare Trennwände,2 so dass eine bauliche Flexibilität geschaffen wurde, die ebenfalls erreicht wurde, indem die Stahlskelettkonstruktion so dimensioniert war, dass der Bau aufgestockt werden konnte. Das Gebäude wurde mit vorfabrizierten Bauelementen fast vollkommen in Trockenbauweise gefertigt. Die 2,50 Meter breiten, mit drei verschiedenen Fenstergrößen hergestellten Fassadenelemente wurden als Sandwichplatten in einer Modulbauweise montiert. Für die Böden und Decken wurden ebenfalls Betonfertigteile verwendet. Lediglich im Erdgeschoss waren einige Außenwände mit Ziegeln verblendet. 1 Das Krankenhaus ist heute Teil des Beth Israel Deaconess Medical Center. Vgl.: „Thor­ acic Clinic / Thorax-Klinik“, in: Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 90–93. Der verantwortliche TAC-Partner war John C. Harkness. 2 Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 1032.

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Eingangsseite

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Grundriss Obergeschoss Grundriss Erdgeschoss

Wohnblock Hansaviertel

Berlin-Hansaviertel, Deutschland 1955–57 (mit TAC und Wils Ebert)

Für die Internationale Bauausstellung Interbau 1957 entwickelte Gropius in Zusammenarbeit mit seinem TAC-Partner Norman C. Fletcher einen Wohnblock, der sich mit einer konkaven Fassade nach Süden zum Tiergarten orientiert.1 Der Bau liegt direkt am Park in der Nachbarschaft der Blöcke von Pierre Vago und Alvar Aalto. Gropius verfolgte mit dem Bau das Ziel einer „Weiterentwicklung des typischen Berliner Wohnhauses“2, während er das städtebauliche Konzept von individuellen Solitären kritisierte. „Die Koordination ist schlecht, eher wie ein Musterbuch der Architekten denn ein organisches Ganzes“3. Die Wohnungsgrundrisse folgen dem Typus der Siedlungen Siemensstadt und Dammerstock der 1920er Jahre, auch wenn die Skelettkonstruktion hier freiere Grundrisse ermöglichte.4 Die Wohnungen sind in acht Geschossen vom Schema her gleich, nur dass die Balkone teilweise vor den Wohnzimmern und teilweise seitlich der Wohnzimmer angeordnet sind, so dass eine schachbrettartige Rhythmisierung der Fassade einer Monotonie entgegengewirkt. Nikolaus Pevsner sah darin allerdings einen Formalismus: „Die Anordnung der Balkone erscheint mir mehr vom Wunsch nach einem Oberflächenmuster diktiert als von Planungsüberlegungen.“5 Im Dachgeschoss wurden Atelierwohnungen mit Dachterrassen und im Erdgeschoss des nicht unterkellerten Gebäudes Abstellräume realisiert. Die vier Treppenhäuser sind wie in der Siedlung Siemensstadt durch verschiedene Farben voneinander abgesetzt. Eine differenzierte Oberflächenbehandlung der Fassade zeigt sich auch in blau gestrichenen Balkonunterseiten sowie unterschiedlichen Putzstrukturen. Durch die Unterscheidung von rauen und glatten Oberflächen wird in der Fassade im tektonischen Sinne die Konstruktion artikuliert. 1 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 94–97. Wils Ebert war als Berliner Kontaktarchitekt beteiligt. 2 Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 1073. 3 Walter Gropius in einem Brief an Ise Gropius vom 23.09.1955, in: ebda., S. 1068. 4 Insbesondere im Gegensatz zum Wohnblock Alvar Aaltos sind die Wohnungsgrundrisse konventionell. 5 Nikolaus Pevsner, „Berlin: City of Tomorrow“, in: The Listener, 08.08.1957, S. 197–199.

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Konkave Südfassade zum Park

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Grundriss Dachgeschoss Grundriss Erdgeschoss

Wohnblock Hansaviertel

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Ansicht von Südost Ansicht von Nordwest

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Gebäudeecke mit Dachterrasse Sockelzone

US-Botschaft Athen

Athen, Griechenland 1956–61 (mit TAC und Perikles Sakellarios)

Das Bauwerk interpretiert die Architektur der nahe gelegenen Akropolis. Auf einer erhöhten Plattform steht eine klar proportionierte Säulenarchitektur aus Marmor, einem Material, das hier jedoch eine Stahlbetonkonstruktion ummantelt.1 Wie beim klassischen Tempel sind Vorder- und Rückseite gleich, und auch hier ist es möglich, durch die Säulen­reihung hindurchzuschreiten. „Man wird gleichsam in den Innen­hof gezogen“2, bemerkte Sigfried Giedion. „Die architektonische Struktur bleibt auf allen Seiten des Baues, innen und außen, gleich.“3 Bereits während seiner Mitarbeit im Atelier von Peter Behrens hatte sich Gropius mit der klassischen Architektur Griechenlands auseinander­gesetzt. „Er führte mich [...] in die geometrischen Regeln der ­griechischen Architektur ein“, sagte Gropius über Behrens: „ich [...] lernte von seiner systematischen Entwurfsmethode und von seiner ­Beherrschung der Technik der räumlichen Beziehungen und der ­Proportionslehre“.4 Nach einem Besuch der Akropolis erklärte Gropius 1957: „Der Parthenon hält sein ewiges Versprechen.“5 Bei dem Botschaftsgebäude bilden die monumentalen Pfeiler eine Rahmen­konstruktion, an deren weit auskragenden Trägern die membran­ artige Glasfassade der Büroräume sowie ein Marmor­gesims aufgehängt sind. Durch die Auskragung wird ein umlaufendes Sonnenschutz­ element geschaffen, das vom Baukörper abgerückt ist, so dass die ­Öffnungen im Dach eine Ventilation ermöglichen.6 Auch wenn ein derartiger Gebäudetyp ein Hochsicherheitsbauwerk darstellt, war die ­Architektur bestrebt, durch eine offene Struktur eine einladende Geste zu schaffen. Der Bau ist modular angelegt, und wie bei einer Mega­ struktur war die Veränderbarkeit mitgeplant. Mittlerweile wurden Räume im Erdgeschoss ergänzt, so dass sich der Bau nicht mehr ganz so ­offen zeigt wie nach der Fertigstellung. 1 Die Botschaft ist mit dem gleichen pentelischen Marmor verkleidet, mit dem der ­Parthenon gebaut wurde. Vgl. Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 105. 2 Sigfried Giedion, Raum, Zeit, Architektur – Die Entstehung einer neuen Tradition, ­Basel, Boston, Berlin 2015, S. 325–326. 3 Ebda., S. 325. 4 Walter Gropius in: Peter Behrens, Ausstellungskatalog Pfalzgalerie Kaiserslautern 1966, S. 5. 5 Walter Gropius auf einer Postkarte an Reginald R. Isaacs vom 14.06.1957, in: ­Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 1032. 6 „Amerikanische Botschaft in Athen“, in: Bauen + Wohnen, Heft 12, 1959, S. 412.

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Straßenansicht

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Treppenanlage zum Gebäude Innenhof

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Grundriss Erdgeschoss

Oheb-Shalom-Synagoge

Baltimore, Maryland, USA 1957–60 (mit TAC und Leavitt Associates)

An die Synagoge gliedern sich ein Gemeindezentrum und eine Schule an, und verbunden werden die unterschiedlichen Gebäudeteile durch eine zentrale Erschließungsachse. Die links des Eingangs gelegene Halle der Synagoge und ein rechts angeordneter Gemeinschaftssaal ließen sich zusammen mit der Eingangshalle bei besonderen Ver­ anstaltungen zu einem großen Raum verbinden, der Platz für 2000 Menschen bot.1 Der Baukörper der Synagoge wurde im Gebäudekomplex durch vier quergelagerte, zwölf Meter hohe Tonnengewölbe zum Ausdruck gebracht. An der Nordseite der Gewölbe sind Oberlichter platziert, die zusammen mit farbigen Glasfenstern den Saal belichten.2 Der mit Kalkstein und roten Ziegeln verkleidete Bau wurde später ­außen wie innen verändert. Während die zwei Längsseiten der Synagoge mit ihrer rhythmisierten Bogenstruktur ursprünglich identisch waren, ist aufgrund von Anbauten lediglich die Fassade neben dem Haupt­eingang erhalten geblieben. Vollkommen umgestaltet wurde der Innen­raum der Synagoge. Während der Raum mit einem Gefälle nach Süden ursprünglich von Norden betreten wurde, ist er heute in die entgegengesetzte Richtung orientiert. 1 Die Schmalseiten der beiden Hallen ließen sich durch große Falttüren öffnen. Vgl.: Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 106–109. 2 Die Glasfenster entwarf György Kepes, der auch die zentrale Bundeslade gestaltete.

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Lageplan Ansicht von Norden Innenraum der Synagoge

Universität Bagdad

Bagdad, Irak 1957–83 (mit TAC und Kisham A. Munir)

Den Auftrag, eine Universität mit 273 Bauten am Ufer des Tigris „als eine kleine Stadt“1 zu bauen, erhielt Gropius auf Vermittlung eines ehemaligen Studenten, dessen Vater 1957 Ministerpräsident des Irak wurde.2 The Architects Collaborative öffneten für dieses Projekt ein ­weiteres Büro in Rom mit zwischenzeitlich 150 Mitarbeitern,3 doch aufgrund von politischen Umwälzungen in den folgenden Jahren im Irak verzögerte sich die Ausführung, und bis heute wurde lediglich ein Teil des Entwurfs realisiert. Als eine symbolische Geste wurden zuerst ein monumentales Eingangstor sowie auf Wunsch des Bauherrn ein Hochhausturm gebaut, der im ursprünglichen Masterplan der Architekten nicht vorgesehen war. Dem Architektenteam, das ebenfalls das umfangreiche Raumprogramm der Institution entwickelte, schwebte eine flache und dichte Bebauung, wie in der traditionellen arabischen Stadt, vor. „Der Entwurf wird beherrscht von der Idee des Ausgleichs zwischen Einheit und Verschiedenheit, Integration und Differenzierung“4, bemerkte Gropius. Um den zentralen Campus innerhalb einer Ringstraße gruppieren sich Studentenwohnanlagen und eine als runder Kuppelbau konzipierte Moschee. „Alle Bauten umfassen ‚Patios‘ verschiedener Größen, die mit Pflanzen bewachsen sind und Wasserbassins und Springbrunnen enthalten“, erläuterte Gropius. „Die Ineinanderschachtelung der einzelnen Gebäude und ihre Verbundenheit mit den gartenartig gestalteten Außenflächen mit den Springbrunnen und die von Auskragungen und Überschneidungen verursachten Schlagschatten des Sonnen­lichtes werden der ganzen Anlage den besonderen Rhythmus verleihen.“5 Die Bebauungsstruktur der Wohneinheiten basiert auf einem System­ ­von acht miteinander verbundenen Baukörpern, die sich um e ­ inen zentralen Hof gruppieren und weitere Höfe umschließen mit den Treppen­häusern zwischen den Baukörpern. Aufgrund von Gemeinschafts­küchen in ­separaten Gebäuden sind die Zimmer ohne Kochgelegenheiten ausgestattet. Obwohl die Anordnung der Bauten variiert, wiederholt sich der gleiche Typus.6 1 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 124. 2 Nizar Ali Jawdat und dessen Frau Ellen, die ebenfalls bei Gropius studierte, trafen ihn 1954 in Bagdad und brachten ihn mit führenden Personen des Landes in Verbindung. Vgl.: Regina Göckede, Spätkoloniale Moderne – Le Corbusier, Ernst May, Frank Lloyd Wright, The Architects Collaborative und die Globalisierung der Architekturmoderne, ­Basel, Boston, Berlin 2016, S. 352. 3 Diese Angaben stammen aus: Winfried Nerdinger, Der Architekt Walter Gropius, ­Berlin 1985, S. 288. 4 Walter Gropius, „Universität in Bagdad“, in: Bauen + Wohnen, Heft 11, 1959, S. 392. 5 Ebda. 6 In jedem der drei Cluster der Wohnanlagen wiederholt sich das in der TAC-Publikation von 1966 (Anm.1) gezeigte Bebauungsschema vier Mal, teilweise in gespiegelter Anordnung, während sich das nördliche Cluster im Süden, ebenfalls in gespiegelter Anordnung, wiederholt. In städtebaulicher Hinsicht lehnt sich die Wohnbebauung allerdings nur an den ursprünglichen Masterplan an.

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Masterplan von 1960, anders ausgeführt Eingangspavillon

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Grundriss Wohnbebauung, Obergeschoss Wohnbebauung

Universität Bagdad

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Grundriss Hochhausturm, Regelgeschoss Grundriss Hochhausturm, erstes Obergeschoss Hochhausturm

Pan Am Building

New York, USA 1958–63 (mit TAC, Emery Roth & Sons und Pietro Belluschi)

Als einziges Hochhaus in New York steht der Bau über der Kreuzung zweier Straßenläufe. Zwar wurde schon 1929 ein Turm auf der Park Avenue, ebenfalls über den unterirdischen Gleisen des Bahnhofs Grand Central Station, errichtet, doch liegt das Pan Am Building zudem auf der Achse einer Querstraße. Zu den ausführenden Architekten, dem Büro Emery Roth & Sons, wurden Gropius und Pietro ­Belluschi als beratende Architekten für den Entwurf hinzugezogen. Auf Gropius und Belluschi ist die äußere Gestalt des Baukörpers, die quergelagerte Achteckform und die Detaillierung der Fassade zurückzuführen. Wenn dies das „umstrittenste Projekt“ wurde, „an dem Walter Gropius jemals beteiligt war“1, lag es weniger an der Gestaltung als an der gigantischen Baumasse an diesem Ort, und Gropius sah sich einer massiven Kritik ausgesetzt.2 Die Bebauung rechtfertigten Gropius und The Architects Collaborative mit einer anzustrebenden Verdichtung der Stadt: „Es hat sich ­erwiesen, dass die Konzentration eng zusammenstehender hoher Gebäude – eine Anordnung, wie sie für Wohngebiete höchst unerwünscht wäre – den Geschäftsverkehr dadurch vereinfacht, dass der horizontale Fahrzeugverkehr durch vertikale Verkehrsmittel ersetzt wird (im Pan American Building durch 64 Aufzüge und 18 Rolltreppen).“3 Mit der Lage der Aufzüge im Zentrum des Turms wurde dessen prismatische Form begründet. Der Turm bekrönt einen neungeschossigen Gebäudeblock und ist direkt mit dem unterirdischen Bahnhof verbunden, während vom Dach eine Hubschrauberverbindung zu den New Yorker Flughäfen bestand. Wie der Turm ist auch der Baukörper des Sockelgebäudes mit einer Fassade aus Betonfertigteilen verkleidet. Durch die Beimengung von weißem Quarz erhält der Beton den Charakter von Stein, eine Erscheinung, die im Sockel ebenso durch einen klassisch tektonischen Fassadenaufbau zum Ausdruck gebracht wird. Insbesondere an der Gebäude­ecke wird suggeriert, dass schwere Blöcke übereinandergestapelt seien, während die Betonfertigteile an der Turmfassade einen vorgehängten Charakter erhalten. 1 Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 1050. 2 Philip Johnson schlug für diesen Ort einen Park vor, und Frank Lloyd Wright soll den Taxifahrern verboten haben, die Park Avenue zu benutzen, um den Bau nicht sehen zu müssen. Dieser Bau der Fluggesellschaft Pan Am wurde sogar zum Symbol des Scheiterns der modernen Architektur erklärt. Zur kontroversen Rezeptionsgeschichte siehe: Meredith L. Clausen, The Pan Am Building and the Shattering of the Modernist Dream, Cambridge MA 2004. 3 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 152–160.

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Ansicht vom Norden der Park Avenue

Pan Am Building

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Grundriss Turm

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Fassade Hochhausturm Übergang Sockelgebäude und Turm Ecke Sockelgebäude und Turm

Gropiusstadt

Berlin-Gropiusstadt, Deutschland 1959–72 (mit TAC und Wils Ebert)

In Gropius’ Büro wurde ein komplett neuer Stadtteil am Rande von Berlin für knapp 50.000 Menschen entworfen. In der Großsiedlung BritzBuckow-Rudow sollten die Wege der Fußgänger und der Autos getrennt verlaufen. Der städtebauliche Gesamtplan von 1960 lehnt sich an der benachbarten Hufeisensiedlung von Bruno Taut an, indem sich ebenfalls eine aufgelockerte Zeilenbebauung um ringförmige Gebäudeanlagen mit begrünten Höfen gruppieren. Doch der Entwurf wurde, wie ein überarbeiteter Plan aus dem folgenden Jahr, von der Wohnungsbaugesellschaft und dem West-Berliner Senat abgelehnt. Unmittelbar nach der Projektvorstellung wurde die Berliner Mauer gebaut, und da sich West-Berlin nicht mehr ins Umland erweitern konnte, war plötzlich eine höhere Dichte gefordert. Mit der Überarbeitung wurde Gropius’ Berliner Kontaktarchitekt Wils Ebert beauftragt, der als künstlerischer Leiter nun aber einen eigenen Entwurf mit höheren Gebäuden entwickelte. In seiner Rede zur Grundsteinlegung der Siedlung erklärte Gropius zwar: „Den modernsten Forschungen entsprechend ist – wenn nötig – eine größere Verdichtung der Baumassen wünschenswert“1 – doch seine ursprüngliche Rolle als Koordinator des Ganzen begann ihm zu entgleiten. In einem Brief an den Senat beklagte er: Ebert „hat den Grundgedanken meines Bebauungsplans [...] ignoriert“, er folge einer in den 1920er Jahren entwickelten städtebaulichen Ideologie einer strengen Nord-Süd-Ausrichtung der Häuserblocks, die aber „jetzt überholt ist“.2 Auch wenn Gropius später beauftragt wurde, für einen Teil der Siedlung eine Gruppe programmatischer Bauten zu realisieren, resümierte er: „Ich muß gestehen, daß dieses Unternehmen das enttäuschendste ist, mit dem ich je zu tun hatte.“3 Von den zahlreichen ringförmigen Gebäudeanlagen, die er für die Siedlung vorsah, wurde lediglich eine einzige realisiert, und diese auch nur mit einem etwa halb so großen Radius wie ursprünglich vorgesehen. Zudem entwarfen Gropius und The Architects Collaborative eine in unterschiedlichen Variationen realisierte Bebauungsstruktur sowie einen Hochhausturm, auch wenn er damals erklärte: „Ich befinde mich in einer merkwürdigen Lage. In den dreißiger Jahren habe ich in Berlin das Wohnhochhaus propagiert und wurde von der gesamten Presse und [dem Stadtbaurat] Martin Wagner verhöhnt. Heute neige ich dazu, eine zu große Dichte zu bremsen, wo ich kann.“4 Gropius erlebte weder die Fertigstellung des Gebäudeensembles 1972 noch die Benennung des gesamten Stadtteils nach seinem Namen im selben Jahr. 1 Walter Gropius, Rede zur Grundsteinlegung der Siedlung am 12.11.1962, in: Hans Bandel und Dittmar Machule, Die Gropiusstadt – Der städtebauliche Planungs- und Entscheidungsvorgang, Berlin 1974, S. 76. 2 Walter Gropius in einem Brief an Rolf Schwedler vom 21.06.1966, in: ebda., S. 114. 3 Walter Gropius in einem Brief an Rolf Schwedler vom 19.04.1966, in: ebda., S. 112. 4 Walter Gropius in einem Brief an Hans Bandel vom 25.10.1966, in: ebda., S. 111.

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Lageplan

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Grundriss Hochhausturm Hochhausturm Fassade mit auskragenden Elementen

Gropiusstadt

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Ringförmige Gebäudeanlage, Südseite Nordseite

John F. Kennedy Federal Building

Boston, Massachusetts, USA 1961–66 (mit TAC und Samuel Glaser Associates)

Der Gebäudekomplex entstand gegenüber des gleichzeitig erbauten neuen Rathauses von Boston mit einem gepflasterten Platz zwischen den Bauten. Der sich aus einem Hochhaus und einem viergeschossigen Gebäude zusammensetzende Verwaltungskomplex liegt auf einer Plattform, zu der unterschiedliche Treppenanlagen hinaufführen. Wie bei den Bauten von Mies van der Rohe bilden auch hier das Podium und das bekrönende Bauwerk eine architektonische Einheit. Das vom Dreischeibenhaus in Düsseldorf übernommene Konzept, ein Hochhaus in versetzt angeordnete Scheiben zu untergliedern, verleiht dem Bau eine schlanke Erscheinung.1 Die in den Fugen der Gebäudescheiben platzierten, verglasten Treppenhäuser betonen diese Idee, während die horizontale Ausrichtung des niedrigen Baukörpers durch einen aus­ kragenden Gebäudeteil unterstrichen wird. Die an ­einer Skelettkon­ struktion aufgehängte Fassade aus Betonfertigteilen ist einheitlich gestaltet, während der Gebäudesockel mit dunklen Granitplatten verkleidet ist. Den Charakter einer umlaufenden Haut erhält die Fassade zudem durch abgerundete Gebäudeecken. 1 Der für das Projekt verantwortliche TAC-Partner Norman C. Fletcher erklärte, dass die Entwurfsidee unmittelbar vom 1960 fertiggestellten Düsseldorfer Bau stamme. ­N orman C. Fletcher, „The John F. Kennedy Federal Office Building in Boston“, in: ­N ational ­G allery of Art (Hrsg.), Symposium Papers XXX: Federal Buildings in Context, ­New Haven 1995, S. 41.

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Ansicht vom Platz

John F. Kennedy Federal Building

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Turmgrundriss Erdgeschoss

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Hochhausturm

John F. Kennedy Federal Building

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Gebäudeecke Erdgeschoss Zone unter dem Hochhausturm

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Hochhausscheiben mit verglastem Treppenhaus Betonrelief der Fassade

Schule und Kindergarten Gropiusstadt

Berlin-Gropiusstadt, Deutschland 1962–68 (mit TAC und Wils Ebert)

Die Schule setzt sich aus pavillonartigen Bauten zusammen, die durch einen verglasten Gang miteinander verbunden sind. In den Pavillons gruppieren sich die Klassenräume nach einem modularen Prinzip um einen zentralen Gemeinschaftsraum, indem sie sechseckig aus­ gebildet sind. Erschlossen werden die Klassenräume sowohl über den multifunktionalen Gemeinschaftsraum als auch über außenliegende Treppenhäuser, und entstanden ist eine strukturalistische Architektur. Während die Betonoberfläche teilweise mit einer geriffelten Struktur ausgebildet wurde, sind die Innenräume nach einem Entwurf der Bauhäuslerin Lou Scheper-Berkenkamp farblich gestaltet. Gropius bezeichnete den Bau als „Experimentierschule“1 und regte ­einen neuartigen Schulplan an.2 Realisiert wurde die erste Gesamtschule der Bundesrepublik mit einem angegliederten Kindergarten und einer Kindertagesstätte. Maßgeblich beteiligt am Entwurf war ­Alexander Cvijanovic, der auch bei den folgenden Bauten von Gropius in Deutschland als Entwurfsarchitekt im TAC-Büro agierte.3 1 Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945–1965, Teufen 1966, S. 197. 2 Bauhaus-Archiv Berlin (Hrsg.), Walter Gropius – Bauten und Projekte 1906–1969, Berlin 1980, S. 24. 3 Der aus Jugoslawien stammende Alexander Cvijanovic sprach deutsch und wurde Partner des Büros. Wils Ebert fungierte bei diesem Bau als Berliner Kontaktarchitekt.

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Lageplan Pavillon mit Klassenräumen Typ 2

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Grundriss Pavillon Typ 1 Grundriss Pavillon Typ 2

Schule und Kindergarten Gropiusstadt

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Pavillons Typ 1

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Wandelgang Turnhalle, Eingang

Tower East

Shaker Heights, Ohio, USA 1964–68 (mit TAC)

Bei dem Verwaltungsgebäude sind zwei Baukörper so aneinander­ gefügt, als sei der eine Körper unter den anderen geschoben. Die beiden Gebäudevolumen sind visuell voneinander getrennt, indem die Stützen des Hochhauses vor dem flachen Baukörper stehen und eine Fuge zwischen den zwei Volumen ausgebildet ist. 1 Das Hochhaus, ­­das zusammen mit einem separaten Parkhaus entstand, bildet in der niedrigen Vorstadtbebauung Clevelands ein Solitär. Der Bau ist mit einer plastisch ausgeformten Betonfassade umhüllt, deren tiefes Relief durch die Schattenwirkung betont wird. Die plastische Erscheinung entstand durch eine zurückgesetzte Fensterebene aus dunkel getöntem Glas sowie geneigten Sonnenschutzelementen und auskragenden Gebäudeecken. Die glatte Betonoberfläche wurde durch Schalungselemente aus Fieberglas erzielt, während die helle Farbe des Betons durch die Beimischung von Quarz erreicht wurde.2 Die Oberflächen der Stützen und der horizontalen Deckenplatten im Sockelbereich sind hingegen rau, da der Beton hier sandgestrahlt ist. Wie in der klassischen Architektur ist der Sockelbereich rustikaler ­gestaltet als der obere Teil des Bauwerks, während die Sichtbeton­ oberflächen der Wände dem Bau auch in der Eingangslobby einen brutalistischen Charakter verleihen. 1 Bauhaus-Archiv Berlin (Hrsg.), Walter Gropius – Bauten und Projekte 1906–1969, Berlin 1980, S. 26–27. 2 „A Suburban Office Building by TAC – Designed as Focal Point and Landmark“, in: ­Architectural Record, März 1969, S. 129–134.

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Lageplan Ansicht von Osten

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Grundriss Turm

Bauhaus-Archiv

Berlin-Tiergarten, Deutschland 1964–79 (mit TAC und Hans Bandel)

Der ausgeführte Bau ist ein Entwurf des Architekten Alexander ­Cvijanovic.1 Zwar hatte dieser zusammen mit Gropius 1964 ein ­Gebäude für das Bauhaus-Archiv für einen Standort in Darmstadt entworfen, doch wurde nach Gropius’ Tod entschieden, den Bau am Berliner Landwehrkanal zu realisieren. Cvijanovic plante für das Büro The Architects Collaborative das Projekt 1976 weitreichend um, behielt aber die Grundstruktur sowie zentrale Elemente des Entwurfs bei, wie die gerundeten Sheddächer, die sich nun allerdings in die ent­ gegengesetzte Richtung der Anlage orientieren. Die Ausrichtung der gesamten Anlage wurde für den neuen Standort um 180 Grad gedreht, so dass sich die großflächige Verglasung des zentralen Ausstellungsraums nicht mehr nach Norden, sondern nach Süden zum Wasser hin öffnet. Aus museumstechnischen Gründen blieb sie dann allerdings meist geschlossen. Cvijanovic plante zudem einen Rampenweg durch die Anlage, der nicht Teil des Ursprungsentwurfs war. Zudem führte die Konstruktion mit Betonfertigteilen zu ebenfalls ursprünglich nicht geplanten stark in Erscheinung tretenden Fugen in der Fassade. Eine im Zentrum des Gebäudes liegende Halle für Wechselausstellungen blieb hingegen beibehalten. 1 Ausgeführt wurde der Bau vom Berliner Kontaktarchitekten Hans Bandel. Vgl.: Bauhaus-Archiv Berlin (Hrsg.), Walter Gropius – Bauten und Projekte 1906–1969, Berlin 1980, S. 24–25, und Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1987, S. 1096–1100.

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Grundriss Erdgeschoss

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Ansicht von Südwest Ansicht von Osten

Bauhaus-Archiv

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Ansicht vom Landwehrkanal Rampenweg durch die Anlage

Porzellanfabrik Rosenthal

Selb, Deutschland 1965–67 (mit TAC)

Die Fabrikanlage setzt sich aus mehreren Bauten zusammen, die sich um einen zentralen Hof gruppieren.1 Während zwei Gebäudeflügel mit Garagen und Büros den Werkseingang flankieren, wird der Hof zudem durch ein Silobauwerk und ein Gebäude für Gemeinschaftsaktivitäten umschlossen. Für Gropius war es wie für den Bauherrn Philip Rosenthal ein Ziel, „arbeitspsychologisch und soziologisch zu einer Vermenschlichung des Arbeitsplatzes beizutragen“2. In die Fabrikhalle sind nicht nur Fenster mit Ausblicken in die Landschaft integriert, sondern auch ein tropisches Gewächshaus, in dem Flamingos leben. Die Tragstruktur der Fabrikhalle basiert auf einem System von T-förmi­ gen, speziell für diesen Bau entwickelten Betonstützen. Auf den hammer­artigen Köpfen der Stützen, die in einem Raster von zehn Metern angeordnet sind, wurden nach einem Baukastenprinzip Binder aufgelegt, die ebenfalls als Betonfertigteile vorgefertigt waren. An den Gebäudefassaden kam eine Unterscheidung zwischen Tragwerk und nichttragender Ausfachung der Wand durch unterschiedliche Ober­ flächenbehandlungen zum Ausdruck. Gropius‘ Tätigkeit für das Unternehmen ging über den Bau der Fabrik hinaus, denn er entwarf auch eine Geschirrserie und entwickelte ­einen städtebaulichen Entwicklungsplan für die Stadt. 1 Der für den Entwurf verantwortliche Architekt im TAC-Büro war Alexander Cvijanovic. Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 1: Der Architekt und Theoretiker, Berlin 1985, S. 288–289. 2 Walter Gropius zitiert in: Reginald R. Isaacs, Walter Gropius – Der Mensch und sein Werk, Berlin 1984, S. 1101.

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Lageplan Gewächshaus

Porzellanfabrik Rosenthal

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Lagergebäude Werkseingang Silo

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„Feierabendhaus“, Ansicht von der Straße Eingang vom Hof

Huntington Galleries

Huntington, West Virginia, USA 1967–70 (mit TAC)

Gropius schuf einen Erweiterungsbau für ein bestehendes Museum sowie angegliederte Ateliers.1 An der Ostseite des Gebäudes wurde ein Vortragssaal angeordnet, dessen Wandscheiben aus akustischen Gründen diagonal verlaufen. Neben einem Ausstellungssaal umfasst das Raumprogramm zudem eine Bibliothek. Der Neubau fügt sich ­U-förmig an das Bestandsgebäude an, so dass ein zentraler Innenhof entstand, zu dem sich raumhohe Verglasungen öffnen. Vom Hof führt eine Treppenanlage unter dem Bau hindurch zu einem Skulpturen­ garten, so dass die Innen- und Außenräume miteinander in Beziehung treten. Gropius erklärte, dass er für einen Museumsbau eine natürliche Belichtung gegenüber Kunstlicht bevorzuge, das sich nicht verändere. Um eine monotone Raumwirkung zu vermeiden, müsse eine Folge abwechslungsreicher, visueller Eindrücke mit einer dynamischen anstatt statischen Belichtung erzielt werden.2 Da das Bauwerk auf einer ­Anhöhe vor der Stadt inmitten einer bewaldeten Landschaft liegt, wurden weitere große Öffnungen mit Ausblicken in die Natur geschaffen. Belichtet wird der Ausstellungssaal zudem mit einem Oberlichtband nach dem System des Halbtonnengewölbes wie beim Bauhaus-­Archiv. Das Resultat war eine uneinheitliche – aus heutiger, museumstechnischer Hinsicht problematische – Lichtsituation. In der Wabendecke aus Beton sind zusätzlich Strahler installiert. Die Textilbespannung der Wände der Ausstellungshalle ist in Anlehnung an den Parkettboden beige getönt, während sich die Außenwände an den bestehenden Bau anpassen, indem die Farbe und Oberfläche der Ziegel übernommen wurde. Von den fünf angegliederten Ateliers wurden nur drei nach der Planung­ von The Architects Collaborative realisiert. Das südliche Gebäude wurde später in veränderter Form ausgeführt. Auch die Ateliers werden mit den Halbtonnenoberlichtern wie beim Museum belichtet. Für Gropius waren diese Räume, die für Erwachsenenfortbildungen und von Kindern genutzt werden, ein zentraler Bestandteil der Gesamt­ konzeption, da hier, wie er in seiner Rede zur Grundsteinlegung erklärte, der zukünftigen Generation das Sehen vermittelt werde.3 1 Gropius arbeitete beim Entwurf im TAC-Büro mit Malcom Ticknor zusammen. Der Ursprungsbau des Museums von 1950–52 stammt von den Architekten Small, Smith & Reeb. Vgl. das Kapitel „Walter Gropius and the Huntigton Galleries“, in: John Coolidge, Patrons and Architects – Designing Art Museums in the Twentieth Century, Fort Worth 1989, S. 59–68. 2 Ebda., S. 61. 3 Ebda., S. 62.

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Lageplan Innenhof Oberlicht im Ausstellungsbereich

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Grundriss Erdgeschoss

Glaswerk Amberg

Amberg, Deutschland 1967–70 (mit TAC)

Nach dem Bau der Porzellanfabrik in Selb wurde Gropius vom gleichen Bauherrn mit einem weiteren Fabrikbau beauftragt.1 Bei dem Glaswerk stellte sich die Aufgabe, eine architektonische Lösung gegen die ­extreme Hitzeentwicklung in der Halle zu finden. In der Halle stehen nicht nur die Schmelzöfen, sondern es arbeiten auch Hunderte von Menschen dort, die das Glas ursprünglich mit dem Mund geblasen haben. Durch die Form und die Konstruktion des Dachs wurde eine natürliche Ventilation ohne Klimaanlage ermöglicht. Die Luft ­zirkuliert, indem die heiße Luft am Dachfirst austritt und frische Luft im unteren Bereich des Gebäudes eingesogen wird.2 Verglaste Wände im Erdgeschoss bieten Ausblicke in begrünte Höfe. Durch die monumentale Betonkonstruktion wurde ein Raum in den Dimensionen einer Kathedrale geschaffen. The Architects Collaborative planten auch Wohngebäude für die Anlage, in der noch immer Glas produziert wird. 1 Philip Rosenthal beauftragte Gropius, für das Tochterunternehmen, die Thomas Glas- und Porzellan AG, zu bauen. Beim Entwurf arbeitete Gropius wieder mit Alexander ­Cvijanovic zusammen. Bauhaus-Archiv Berlin (Hrsg.), Walter Gropius – Bauten und Projekte 1906– 1969, Berlin 1980, S. 26, und: Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius –­­ Band 1: Der Architekt und Theoretiker, Berlin 1985, S. 290–291. 2 Für die heutige maschinelle Produktion ist das System der permanenten Luftzirkulation nicht mehr ideal.

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Lageplan Ansicht von Nordwest

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Ansicht von Nordost Ansicht von Nordwest

Glaswerk Amberg

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Innenhof Innenraum

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Ira Mazzoni, Walter Gropius – Glaswerk Amberg, Amberg 2015 Monika Markgraf, Die Dessauer Bauhausbauten, Leipzig 2016 Regina Göckede, Spätkoloniale Moderne – Le Corbusier, Ernst May, Frank Lloyd Wright, The Architects Collaborative und die Globalisierung der Architekturmoderne, Basel, Boston, Berlin 2016 Ursula Muscheler, Mutter, Muse und Frau Bauhaus – Die Frauen um Walter Gropius, Berlin 2018 Joaquín Medina Warmburg (Hrsg.), Walter Gropius proclamas de ­modernidad – Escritos y conferencias, 1908–1934, Barcelona 2018 Arnold Körte, Begegnungen mit Walter Gropius in „The Architects Collaborative“ TAC, Berlin 2019 Fiona MacCarthy, Walter Gropius – Visionary Founder of the Bauhaus, London 2019 Bernd Polster, Walter Gropius – Der Architekt seines Ruhms, ­München 2019

Sachregister

Abstraktion 12, 22, 38, 54, 58, 60, 65, 78, 85, 94, 100, 136, 160 Ausblick 125, 144, 160, 195, 198, 200 Ausstellung 15, 18, 27, 40, 60, 85, 92, 101, 104, 114, 115, 164, 192, 198 Backstein 22, 24, 28, 36, 40, 94, 108, 110, 119, 125, 145, 150, 153, 154, 156, 160, 162, 171, 198 Baukörper 10, 22, 34, 36, 38, 58, 62, 65, 66, 78, 85, 94, 100, 102, 108, 116, 118, 119, 124, 125, 128, 132, 134, 136, 143, 144, 160, 162, 168, 171, 172, 175, 181, 190 Bebauungsstruktur 17, 38, 108, 145, 172, 178, 186 Beton 17, 28, 44, 56, 58, 65, 66, 67, 85, 86, 143, 154, 162, 168, 175, 181, 186, 190, 192, 195, 198, 200 Dachterrasse 15, 26, 40, 62, 66, 84, 92, 100, 119, 138, 164 Detaillierung 25, 26, 48, 66, 67, 78, 121, 122, 132, 138, 175 Ecke 10, 20, 24, 28, 36, 48, 62, 67, 84, 92, 94, 102, 108, 110, 114, 116, 122, 144, 175, 181, 190 Einheit 10, 12, 18, 27, 36, 60, 66, 94, 116, 119, 121, 128, 138, 145, 149, 172, 181 Farbe 25, 40, 46, 51, 52, 54, 56, 58, 62, 65, 66, 78, 84, 86, 94, 100, 102, 108, 110, 125, 138, 145, 150, 153, 154, 156, 164, 171, 186, 198 Funktion 12, 58, 65, 66, 67, 84, 85, 125, 128, 134, 186 Halle 13, 25, 40, 50, 52, 60, 85, 125, 151, 154, 160, 162, 171, 190, 192, 195, 198, 200 Holz 10, 46, 48, 51, 52, 54, 65, 101, 102, 114, 124, 128, 132, 134, 136, 138, 143, 144, 145, 149, 152, 160 Landschaft 17, 66, 125, 128, 132, 138, 144, 145, 152, 154, 172, 195, 198 Licht 13, 15, 40, 50, 52, 54, 60, 65, 66, 94, 101, 108, 138, 151, 171, 172, 198 Mauer 22, 24, 27, 28, 58, 65, 84, 85, 86, 92, 94, 102, 116, 132, 134, 136, 144, 160 Membran 13, 40, 52, 114, 115, 121, 124, 132, 168, 181 Modul 12, 34, 102, 115, 116, 149, 162, 168, 171, 172, 186, 190, 195 Möblierung 15, 18, 46, 50, 60, 62, 66, 84, 85, 86, 92, 94, 100, 102, 104, 116,

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134, 138, 152 Monument 12, 15, 27, 40, 94, 168, 172, 200 Oberfläche 13, 27, 28, 36, 38, 44, 50, 52, 54, 65, 67, 102, 121, 125, 136, 144, 156, 160, 164, 186, 190, 198 Podium 26, 124, 143, 168, 175, 181 Proportion 22, 34, 54, 58, 60, 65, 67, 134, 136, 160, 168 Raumabfolge 54, 62, 67, 84, 101, 118, 128, 134, 143, 145, 152, 156, 160, 162, 171, 186, 198 Raumkonzept 12, 13, 60, 62, 66, 67, 92, 101, 108, 134, 143, 145, 156, 171, 172, 186, 200 Rekonstruktion 22, 44, 60, 78, 84, 85 Rhythmus 22, 34, 38, 62, 100, 110, 164, 171, 172 Sachlichkeit 10, 13, 40, 46, 52, 58, 60, 65, 110, 128, 156 Skelettbau 12, 28, 56, 58, 65, 67, 92, 94, 102, 122, 124, 138, 151, 162, 164, 181 Sockel 17, 20, 22, 25, 27, 28, 38, 48, 58, 84, 85, 100, 102, 108, 110, 124, 143, 150, 175, 181, 190 Städtebau 13, 15, 17, 18, 19, 38, 104, 108, 110, 164, 172, 178, 195 Stein 13, 20, 22, 25, 44, 48, 59, 124, 132, 134, 136, 138, 143, 144, 152, 156, 168, 171, 175 Tektonik 12, 46, 48, 52, 65, 164, 175 Tragwerk 12, 20, 27, 28, 40, 46, 52, 56, 58, 65, 66, 67, 92, 94, 101, 102, 114, 122, 124, 138, 143, 149, 151, 162, 164, 192, 181, 195, 200 Treppe 25, 26, 28, 40, 50, 54, 62, 65, 67, 100, 110, 116, 122, 136, 138, 143, 152, 156, 160, 162, 164, 172, 175, 181, 186, 198 Typus 12, 13, 18, 34, 38, 52, 86, 101, 108, 114, 115, 149, 160, 164, 168, 172 Umbau 26, 50, 54, 58, 121, 154, 160 Variabilität 12, 34, 92, 114, 115, 149, 178 Verkleidung 40, 51, 84, 92, 94, 110, 114, 119, 124, 125, 128, 138, 145, 150, 152, 154, 156, 168, 171, 175 Wegeführung 40, 101, 136, 156, 171, 192

Bildnachweis

Alle Farbfotos und neu gezeichneten Pläne stammen von ­Carsten Krohn. Architect’s Journal, Aug. 1937: 121 oben Architectural Review, Dez. 1939: 127 oben Giulio Carlo Argan, Walter Gropius e la Bauhaus, Turin 1951: 115 links James Marston Fitch, Walter Gropius, New York 1960: 18 unten, 19 oben Walter Gropius, u. a. (Hrsg.), The Architects Collaborative TAC 1945– 1965, Teufen 1966: 19 oben, 152, 172 Walter Gropius, Apollo in der Demokratie, Mainz 1967: 13 unten Walter Gropius 1907/1934, Rassegna 15, 1983: 51 John C. Harkness (Hrsg.), The Walter Gropius Archive – the Work of the Architects Collaborative, New York 1991: 193, 194, 198 unten Hartmut Probst und Christian Schädlich, Walter Gropius – Band 1: Der Architekt und Theoretiker, Berlin 1985: 11 unten Martin Wagner, Das wachsende Haus – ein Beitrag zur Lösung der städtischen Wohnungsfrage, Berlin 1932: 115 rechts Wikimedia Commons: 198 oben Hans Maria Wingler, Walter Gropius – Das Spätwerk, Darmstadt 1970: 19 unten Alle weiteren Abbildungen stammen aus dem Bauhaus-Archiv Berlin. Folgende Fotografen sind bekannt: I. L. Allwork: 124 Atelier Helene Hüttich – Susanne Oemler: 63 oben Baubüro Gropius: 86 Bayer & Schmölz: 40–43 Annelise Bousset: 101 links British Council: 127 unten Daderot: 198 oben Paul Davis: 133, 134 Herrmann Eckner: 54, 55 Gottscho-Schleisner: 145 Walter Gropius: 56, 58 Haskell: 136 Louis Held: 100 links Keystone View Company: 66 Edmund Lill: 28 Dr. Lossen & Co: 93 Meriman Photo Art: 149 Lucia Moholy: 79, 85 rechts, 101 rechts Joseph W. Molitor: 171 rechts, 175 Sidney W. Newbery: 120 oben Louis Reens: 169, 171 links, 198 unten Carl Rogge: 47 oben, 102 Stefan Rosenbauer: 108, 109 oben Rosenthal GmbH: 195 Ezra Stoller: 139, 152, 154, 190 Fred Stone: 157 Adolf K. Fr. Supper: 105 oben Emil Theis: 95 Otto Wedekind: 85 rechts

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Über den Autor

Carsten Krohn ist in Hamburg geboren und studierte Architektur, Stadtplanung und Kunstgeschichte an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und der Universität Hamburg sowie an der Columbia ­Universität in New York. Er promovierte in Kunstgeschichte über die Wirkungsgeschichte von Buckminster Fuller in der Architektur. Carsten Krohn arbeitete als Architekt in den Berliner Büros von Daniel L­ ibeskind und Norman Foster und unterrichtete am Karlsruher Institut für Technologie, der Technischen Universität Berlin, der Humboldt-Universität Berlin und als Professor an der Universität Anáhuac sowie dem ­Tecnológico de Monterrey in Mexiko. Er ist Autor von B ­ üchern über das Werk von Peter Behrens, Mies van der Rohe und Hans Scharoun, kuratierte die Ausstellung Das ungebaute Berlin und arbeitete mit Knut Klaßen an Video–Projekten. Seine Fotografien wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt.

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