Walter Eucken: Ein Leben Fur Menschenwurde Und Wettbewerb (German Edition) [2 ed.] 3161633261, 9783161633263


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German Pages 380 [383] Year 2023

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Table of contents :
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Titel
Dank
Vorwort von Lars P. Feld
Inhalt
Einführung: Walter Eucken – nach wie vor aktuell
I. Jena 1891–1918: Kindheit, Studium, Kriegseinsatz
1. Geburt in Jena
2. Elternhaus in Jena
3. Schulzeit in Jena
4. Jenaer Prägungen des Gymnasiasten
5. Studienzeit mit Abschluss in Bonn
5.1. Student in Kiel
5.2. Mitglied im Corps Saxonia Kiel
5.3. Student in Bonn und Jena
5.4. Promotion in Bonn
6. Freundschaft mit dem Maler August Macke
7. Soldatenzeit
7.1. Militärdienst in Erlangen
7.2. Frontoffizier im Ersten Weltkrieg
II. Berlin und Tübingen 1918–1927: Vom Assistenten zum Professor
8. Assistent in Berlin
9. Heirat mit Edith Erdsiek
10. Privatdozent in Berlin
11. Professor in Tübingen
12. Engagement für die Lebensphilosophie Rudolf Euckens
III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime
13. Berufung nach Freiburg
14. Freundschaft mit dem Historiker Gerhard Ritter
15. Freundschaft mit dem Philosophen Edmund Husserl
16. Freundschaft mit dem Ökonomen Alexander Rüstow
17. Wirken als Hochschullehrer: Lehrgemeinschaft mit Juristen
17.1. Lehrveranstaltungen in Freiburg: „Der Kampf der Wissenschaft“
17.2. Erinnerungsbilder der Eucken-Schüler
18. Wirken als Forscher: Forschungsgemeinschaft mit Juristen
18.1. Gründung der Freiburger Schule
18.2. Das wissenschaftliche Hauptwerk
19. Akademische Selbstverwaltung – Widerpart des Rektors Martin Heidegger
19.1. Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät
19.2. Mitglied des Senats und Widerpart des Rektors Martin Heidegger
19.3. Engagement für die Universität Freiburg nach Kriegsende
20. Widerstand gegen die NS-Diktatur in den Freiburger Kreisen
20.1. Gegner des Nationalsozialismus von Anfang an
20.2. Teilnahme am Diehl-Seminar
20.3. Mitwirkung im Freiburger Konzil
20.4. Kontakt zu Akteuren der Widerstandsbewegung
20.5. Mitarbeit im Freiburger Bonhoeffer-Kreis
20.6. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath
IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung
21. Heimat in Freiburg
21.1. Familienvater und familiäre Freundschaften
21.2. Mitglied im Rotary Club Freiburg
21.3. Freundschaft mit dem Bildhauer Richard Engelmann
22. Politikberatung im Nachkriegsdeutschland
22.1. Gutachter für die amerikanische Militärregierung
22.2. Gutachter für die französische Militärregierung
22.3. Gründungsmitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone
22.4. Mitglied im Deutschen Forschungsrat
23. Freundschaft mit dem Ökonomen Friedrich August von Hayek
24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen
24.1. Gründungsmitglied der Mont Pèlerin Society
24.2. Mitherausgeber von KYKLOS
24.3. Gründung des Jahrbuchs ORDO
24.4. Vortragsreise nach Spanien
24.5. Gastvorträge in London
25. Tod in London – Grab in Freiburg
Epilog: Ein Leben für Menschenwürde und Wettbewerb
Literaturverzeichnis
Lebensdaten von Walter Eucken
Lehrveranstaltungen von Walter Eucken 1927–1950 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise
Abbildungen
Namensregister
Sachregister
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Walter Eucken: Ein Leben Fur Menschenwurde Und Wettbewerb (German Edition) [2 ed.]
 3161633261, 9783161633263

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Wendula Gräfin von Klinckowstroem

Walter Eucken Ein Leben für Menschenwürde und Wettbewerb

Wendula Gräfin von Klinckowstroem

Walter Eucken Ein Leben für Menschenwürde und Wettbewerb 2. Auflage

Mohr Siebeck

Wendula Gräfin von Klinckowstroem, geboren 1949; Studium der Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; 1974 Diplom-Volkswirt; Fakultätsassistentin an der Fakultät für Mathematik und Physik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Bereich Publikationen) am Walter Eucken Institut (1977–2015); seither Projektmitarbeit am Walter Eucken Institut und Mitglied im Beirat des ­Aktionskreises Freiburger Schule.

1. Auflage 2023 2. Auflage 2024 ISBN 978-3-16-163326-3 / eISBN 978-3-16-163327-0 DOI 10.1628/978-3-16-163327-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati­onal­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2024 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Bodelshausen aus der Minion gesetzt. Printed in Germany.

Dank Für die Anregung und stete Ermutigung zu dieser biographischen Studie bedanke ich mich sehr bei Margot Selz, Vorsitzende des Aktionskreises Freiburger Schule, und bei Prof. Dr. Dr. h. c. Lars P. Feld, Professor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Direktor des Walter Eucken Instituts. Dem Aktionskreis Freiburger Schule und dem Walter Eucken Institut gilt außerdem mein herzlicher Dank für die großzügige finanzielle Unterstützung dieser Studie. Prof. Dr. Christoph Eucken, Universität Bern, danke ich für die freundliche Erlaubnis, den Nachlass seiner Eltern zu nutzen. Zudem danke ich ihm und seinen Schwestern, Dr. Irene Oswalt und Marianne Eucken, für das wohlwollende Interesse am Entstehen dieser Studie. Dankbar erinnere ich das informative Gespräch mit Dr. Walter Oswalt, dem 2018 verstorbenen Enkel Walter Euckens. Dr. Uwe Dathe, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, danke ich für die überaus hilfreiche Unterstützung bei der Einsichtnahme in die für diese Studie relevanten Unterlagen im archivalisch noch nicht erschlossenen Nachlass von Walter Eucken in der Handschriftenabteilung der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Aus Briefen Walter Euckens, die in dem von Uwe Dathe und Walter Oswalt † herausgegebenen Band III.1 Briefe 1907– 1932 in den Gesammelten Schriften von Walter Eucken (abgekürzt zitiert als: Eucken GS, Band III.1) im Verlag Mohr Siebeck, Tübingen, erscheinen werden, durfte ich dankenswerter Weise bereits zitieren. Helga Serrano-Miksch danke ich für die gewährte Einsichtnahme in ihre privaten Aufzeichnungen zu ihren Erinnerungen an ihren Vater Leonhard Miksch. Für hilfreiche Auskünfte danke ich Dr. Thomas Becker, Universitätsarchiv Bonn, Dr. Uwe Dathe, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Judith Hanft, Konzernarchiv Schott AG, Prof. Dr. Karen Horn, Zürich, und Prof. Dr. Hansjörg Klausinger, Wirtschaftsuniversität Wien. Für die Erlaubnis aus weiteren Nachlässen zu zitieren geht mein Dank an Prof. David S. Bieri, Virginia Polytechnic Institute and State University (Nachlass August Lösch), Prof. Bruce Caldwell, Duke University (Nachlass Friedrich August von Hayek) und Prof. Dr. Steffen J. Roth, Universität zu Köln (Nachlass Albert Hunold und Nachlass Wilhelm Röpke). Für die Überlassung von Kopien von Korrespondenz aus den von ihnen besuchten Archiven bedanke ich mich sehr bei Dr. Lachezar Grudev, Univer-

VI

Dank

sität Freiburg und Universität Siegen (Eucken-Lutz-Korrespondenz im Nachlass Walter Eucken), Prof. Dr. Hansjörg Klausinger (Nachlass Albert Hunold im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln), Dr. Ekkehard A. Köhler, Walter Eucken Institut und Universität Siegen (Hoover Institution Archives, Stanford University), Prof. Dr. Stefan Kolev, Westsächsische Hochschule Z ­ wickau (Hoover Institution Archives, Stanford University, und Nachlass ­Wilhelm Röpke im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln), Dr. Daniel Nientiedt, New York University (Bundesarchiv Koblenz) und Johannes K. Staudt, Universität Freiburg (Universitätsarchiv Freiburg). Adrian Riess und Johannes K. Staudt danke ich für die Überlassung ihrer unveröffentlichten Bachelorarbeiten. Dr. Lachezar Grudev danke ich besonders für die sorgfältige Durchsicht des Literaturverzeichnisses im Hinblick auf formale Vereinheitlichung. Ganz herzlichen Dank sage ich Prof. Dr. Stefan Kolev und Dr. Daniel Nientiedt für die akribische Durchsicht verschiedener Fassungen des Manuskripts dieser Studie und ihre wertvollen Hinweise. Eventuell verbliebene Fehler gehen zu Lasten der Autorin. Freiburg im Breisgau, im August 2022

Wendula Gräfin von Klinckowstroem

Vorwort Die Soziale Marktwirtschaft gilt in Deutschland weithin als identitätsstiftende Wirtschaftsordnung und ist seit einiger Zeit in den europäischen Verträgen verankert. Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien bekennen sich explizit zur Sozialen Marktwirtschaft; freilich versteht jede Partei etwas anderes darunter. Die Rolle Walter Euckens für die Gestaltung dieses Wirtschaftssystems ist dabei den wenigsten bekannt oder gar bewusst. Zuweilen wird auf die Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft rekurriert und Walter Eucken in diesem Zusammenhang gewürdigt. Sein tatsächliches Wirken erschließt sich breiten Bevölkerungsschichten jedoch nicht. Menschen mögen Geschichten. Sie sind an biographischen Einzelheiten interessiert, die das Leben von Persönlichkeiten kennzeichnen. Sie wollen einen Blick auf die Person hinter den Kulissen werfen. Nicht selten erschließen sie sich das Denken und die Ideen von Personen durch diese Blicke auf die Persönlichkeit. Eine autoritative Biographie Walter Euckens hat bislang nicht vorgelegen, und so ist manchem der Zugang zu einem der Väter der Sozialen Marktwirtschaft nicht gelungen. Mit ihrer Biographie Euckens schließt Wendula von Klinckowstroem somit eine wichtige Lücke. Sie legt die erste autoritative Biographie Euckens vor, beleuchtet das Leben und Denken eines der bedeutendsten deutschen Ökonomen des 20. Jahrhunderts und erlaubt auf diese Weise einer neuen Leserschaft einen Blick auf diese bedeutende Persönlichkeit. Dadurch erleichtert sie zugleich das Verständnis für die Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft. Walter Eucken kam am 17. Januar 1891 in Jena als drittes Kind Rudolf Euckens (1846–1926) und Irene Euckens, geb. Passow (1863–1941) zur Welt. Rudolf Eucken war Ordinarius für Philosophie an der Universität Jena auf dem vormaligen Fichte-Lehrstuhl. Im Jahr 1908 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet „in recognition of his earnest search for truth, his penetrating power of thought, his wide range of vision, and the warmth and strength in presentation with which in his numerous works he has vindicated and developed an idealistic philosophy of life”, wie es auf der Website des schwedischen Nobelpreises heißt. Irene Eucken war Malerin, gestaltete aber auch kunstgewerbliche Arbeiten. In der Kunstszene des frühen 20. Jahrhunderts war Irene Eucken bestens integriert und vernetzt.

VIII

Vorwort von Lars P. Feld

Walter Euckens Eltern führten einen künstlerisch-philosophischen Salon in Jena, in dem herausragende Persönlichkeiten der damaligen Zeit, von Ernst Cassirer und Max Scheler über Gerhart Hauptmann bis Ernst Ludwig Kirchner und Emil Nolde die Abende mit ihren Impulsen und Beiträgen bereicherten. Ferdinand Hodler stand der junge Walter Eucken Modell für die Mittelfigur seines Wandgemäldes „Aufbruch der Jenenser Studenten in den Befreiungskrieg 1813“, das in der Aula der Universität Jena hängt. Von 1909 bis 1910 studierte Walter Eucken Neuere Geschichte und Nationalökonomie an der Universität Kiel, von 1910 bis 1913 Nationalökonomie an der Universität Bonn, unterbrochen durch ein Semester an seiner Heimatuniversität in Jena im Sommersemester 1911 und einen kurzen Auslandsaufenthalt in England. Ab dem Wintersemester 1911/12 war Eucken wieder an der Universität Bonn immatrikuliert und steuerte auf eine ökonomische Dissertation bei Hermann Schumacher zu. Am 5. März 1913 promovierte Walter Eucken an der Universität Bonn bei Schumacher zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt. Nach seiner Promotion trat Eucken im Oktober 1913 seinen Militärdienst an und wollte anschließend ab Herbst 1914 einen Auslandsaufenthalt an der Columbia University in New York beginnen. Stattdessen musste er in den Krieg an der Westfront ziehen und diente bis zum Ende des Ersten Weltkriegs an verschiedenen Fronten als Frontoffizier. Aus dem Krieg zurückgekehrt, nahm Walter Eucken seine wissenschaftliche Karriere wieder auf. Noch im Dezember 1918 begann er als Assistent von Hermann Schumacher an der Universität Berlin und habilitierte sich dort am 7. März 1921 mit einer Schrift zum Thema Die Stickstoffversorgung der Welt. Eine volkswirtschaftliche Untersuchung. Für Walter Eucken war dies seine letzte, der Historischen Schule der Nationalökonomie zuzuordnende Arbeit. Es zog ihn stärker hin zu theoretischen Analysen, die er zunächst als Privatdozent in Berlin, dann von April 1925 bis Herbst 1927 als Ordinarius für Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Tübingen und schließlich von Oktober 1927 bis zu seinem Tod am 20. März 1950 als Ordinarius für Nationalökonomie an der Universität Freiburg weiterverfolgte. Bereits im Dezember 1920 hatte Walter Eucken die Studentin der Nationalökonomie und Philosophie Edith Erdsiek (1896–1985) geheiratet und in ihr eine kongeniale Partnerin für seine Forschung gefunden. In vielerlei Hinsicht war sie – selbst publizistisch aktiv – seine wichtigste Beraterin und zugleich sein Rückhalt in einer für die Familie schwierigen Zeit des wirtschaftlichen und politischen Umbruchs. Das Paar hatte drei Kinder, Irene, Marianne und Christoph, die sich zu dritt bis heute darum kümmern, die wissenschaftliche Erschließung des Nachlasses Walter Euckens zu sichern. Aus Walter Euckens wissenschaftlichem Werk stechen vor allem zwei Hauptwerke hervor. In den Grundlagen der Nationalökonomie lieferte er einerseits eine



Vorwort von Lars P. Feld 

IX

methodologische Begründung ökonomischen Denkens und beförderte andererseits eine stärker theoretische Fundierung ökonomischer Forschung. Er bereitete damit den Weg für die Hinwendung der deutschen Volkswirtschaftslehre zur damals etwa im angelsächsischen Raum oder in der Österreichischen Schule der Nationalökonomie vorherrschenden theoretischen Ausrichtung. Dies war zugleich eine Abwendung vom deutschen Sonderweg der Historischen Schule der Nationalökonomie, ohne dass Eucken einen Bruch beabsichtigt hätte. Als zweites Hauptwerk gelten die Grundsätze der Wirtschaftspolitik, in denen Eucken die Vorzüge einer Wettbewerbswirtschaft skizzierte, in welcher der Staat im Gegensatz zum altliberalen Denken des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle einnimmt und durch wirtschaftspolitische Eingriffe Marktversagen korrigieren kann. Ein solches Marktversagen identifizierte Eucken vor allem in der Tendenz von Unternehmen, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zu treffen oder marktbeherrschende Stellungen zu festigen. Seine Analyse mündete in den heute noch häufig herangezogenen konstituierenden und regulierenden Prinzipien einer Wettbewerbsordnung. Zusammen mit den Juristen Franz Böhm und Hans Großmann-Doerth begründete Walter Eucken an der Universität Freiburg eine interdisziplinäre wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Forschungsgemeinschaft, die als Freiburger Schule bekannt wurde. Als Geburtsstunde gilt ein erstes Gemeinschaftsseminar im Wintersemester 1933/34 zum Thema „Grundlagen und Ziele einer rechtlichen Neugestaltung der Wirtschaftsordnung“. Die regelmäßigen Seminare in den folgenden Jahren bildeten zugleich die Grundlage für ein wachsendes Vertrauensverhältnis unter den Beteiligten und brachten eine Vielzahl von Schülern hervor, die später selbst akademische Karrieren verfolgten, darunter Friedrich A. Lutz, Leonhard Miksch, Karl Paul Hensel, Joseph Höffner, Elisabeth Liefmann-Keil oder Fritz W. Meyer. Die Bedeutung Walter Euckens über seine rein wissenschaftlichen Aktivitäten hinaus wird durch sein Wirken im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur deutlich. Eucken war im akademischen Senat der wichtigste Gegenspieler Martin Heideggers, der als Rektor die Universität Freiburg nach dem Führerprinzip umgestalten wollte. Nach der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 gehörte Eucken zu den Freiburger Kreisen, die mit der Bekennenden Kirche und später mit dem konservativen Widerstand um Carl Goerdeler in Verbindung standen. Walter Eucken gehörte zu den Autoren der Freiburger Denkschrift, in der eine Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung für die Zeit nach dem verlorenen Krieg entworfen wurde. Nach dem 20. Juli 1944 entging Walter Eucken nur knapp einer Verhaftung. Die Entstehungsgeschichte der Sozialen Marktwirtschaft wird vor allem mit Ludwig Erhard in Verbindung gebracht. In der Tat war es Erhard, der als Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in der britisch-amerikanischen Bizone, später der Trizone, die Wirtschafts- und Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg

X

Vorwort von Lars P. Feld

verantwortete. Die Einführung der D-Mark war indes von einer Gruppe von emigrierten deutschen und von amerikanischen Ökonomen vorbereitet worden. Erst relativ spät, im April 1948, wurden deutsche Sachverständige, darunter Erhard, auf dem geheimen Konklave von Rothwesten bei Kassel hinzugezogen. Die logistische Umsetzung der Währungsreform war vor allem eine Meisterleistung der amerikanischen Besatzungsmacht. Hingegen übernahm Erhard die volle Verantwortung für die weitgehende Beseitigung der Preisbewirtschaftung durch das Leitsätzegesetz. Damit endete die Kriegsverwaltungswirtschaft, die Marktwirtschaft zog in der Trizone ein, und es kam in der weiteren Folge zum sogenannten Wirtschaftswunder. Der Referentenentwurf für das Leitsätzegesetz stammte von Leonhard Miksch, einem Schüler Walter Euckens, der in seinem Tagebuch die schwierigen Verhandlungen um das Leitsätzegesetz dokumentierte. Es ist vor diesem Hintergrund schwer vorstellbar, dass die Wiedereinführung marktwirtschaftlicher Prinzipien ohne die Arbeit der Freiburger Forschungsgemeinschaft und das Wirken Walter Euckens vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg möglich gewesen wäre. Ähnliches lässt sich über die Festigung der Wettbewerbswirtschaft durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aus dem Jahr 1958 sagen. Walter Eucken war dann schon acht Jahre tot. Aber sein Mitstreiter aus Freiburger Zeiten, Franz Böhm, verhalf dem GWB gegen erbitterten Widerstand der deutschen Industrie zur Geburt. Es gilt bis heute als Grundgesetz der Sozialen Marktwirtschaft und als Vermächtnis Walter Euckens. Was in diesem Vorwort an dürren biographischen Fakten und knappen Einordnungen zur Bedeutung Walter Euckens aufscheint, füllt Wendula Gräfin von Klinckowstroem in ihrer Biographie Walter Euckens mit Leben. Sie gewährt tiefe Einblicke in Kindheit und Jugend Euckens im Jenaer Elternhaus, seine Studienzeit, sein Privatleben und seine Freundschaften – mit August Macke, Alexander Rüstow, Edmund Husserl und vielen anderen. Ihre Biographie lässt den Wissenschaftler Walter Eucken in neuem Licht erscheinen. Intensiv beschäftigt sich Wendula von Klinckowstroem mit seiner Rolle im Widerstand. Akribisch zeichnet diese Biographie das Leben Walter Euckens nach. Detailreich und kundig sind die vielfältigen Verknüpfungen seines Lebens mit der so ereignisreichen ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wendula von Klinckowstroem greift dabei auf ihren reichen Erfahrungsschatz als Mitarbeiterin des Walter Eucken Instituts zurück, dem sie seit August 1977 treu geblieben ist. Sie legt hiermit in der Tat die erste autoritative Biographie Walter Euckens vor. Ihre Biographie Euckens wird die Forschung zum Ordoliberalismus, insbesondere zur Freiburger Schule, bereichern und befruchten, ihr neue Impulse verleihen, in einer Zeit, in der sich eine neue Weltordnung entwickelt, von der niemand wissen kann, wo sie uns hinführt. Freiburg im Breisgau, Februar 2023 

Lars P. Feld

Inhalt Dank   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  V Vorwort von Lars P. Feld   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII

Einführung: Walter Eucken – nach wie vor aktuell  . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I.

Jena 1891–1918: Kindheit, Studium, Kriegseinsatz  . . . . . . . . . . . . 7

1. Geburt in Jena  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Elternhaus in Jena  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schulzeit in Jena  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Jenaer Prägungen des Gymnasiasten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Studienzeit mit Abschluss in Bonn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Student in Kiel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Mitglied im Corps Saxonia Kiel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Student in Bonn und Jena  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Promotion in Bonn  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Freundschaft mit dem Maler August Macke  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Soldatenzeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1. Militärdienst in Erlangen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2. Frontoffizier im Ersten Weltkrieg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 8 13 18 30 30 31 33 34 38 42 42 43

II. Berlin und Tübingen 1918–1927: Vom Assistenten zum Professor  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 8. 9. 10. 11. 12.

Assistent in Berlin  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heirat mit Edith Erdsiek  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Privatdozent in Berlin  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Professor in Tübingen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Engagement für die Lebensphilosophie Rudolf Euckens  . . . . . . . . . . . . . . .

48 54 58 68 77

III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 13. Berufung nach Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 14. Freundschaft mit dem Historiker Gerhard Ritter  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

XII

Inhalt

15. Freundschaft mit dem Philosophen Edmund Husserl  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Freundschaft mit dem Ökonomen Alexander Rüstow  . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Wirken als Hochschullehrer: Lehrgemeinschaft mit Juristen  . . . . . . . . . . . . 17.1. Lehrveranstaltungen in Freiburg: „Der Kampf der Wissenschaft“  . . . . . . . 17.2. Erinnerungsbilder der Eucken-Schüler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Wirken als Forscher: Forschungsgemeinschaft mit Juristen  . . . . . . . . . . . . . 18.1. Gründung der Freiburger Schule  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2. Das wissenschaftliche Hauptwerk  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Akademische Selbstverwaltung – Widerpart des Rektors Martin Heidegger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1. Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät  . . . . . . . . . . . . . . 19.2. Mitglied des Senats und Widerpart des Rektors Martin Heidegger  . . . . . . 19.3. Engagement für die Universität Freiburg nach Kriegsende  . . . . . . . . . . . . . 20. Widerstand gegen die NS-Diktatur in den Freiburger Kreisen  . . . . . . . . . . 20.1. Gegner des Nationalsozialismus von Anfang an  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2. Teilnahme am Diehl-Seminar  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.3. Mitwirkung im Freiburger Konzil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4. Kontakt zu Akteuren der Widerstandsbewegung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5. Mitarbeit im Freiburger Bonhoeffer-Kreis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.6. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath  . . . . . . . . . . . . . . . .

100 109 122 122 136 142 142 148 161 161 162 171 174 174 176 177 182 191 196

IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung  203 21. Heimat in Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1. Familienvater und familiäre Freundschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2. Mitglied im Rotary Club Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3. Freundschaft mit dem Bildhauer Richard Engelmann  . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Politikberatung im Nachkriegsdeutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.1. Gutachter für die amerikanische Militärregierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2. Gutachter für die französische Militärregierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3. Gründungsmitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4. Mitglied im Deutschen Forschungsrat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23. Freundschaft mit dem Ökonomen Friedrich August von Hayek  . . . . . . . . . 24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.1. Gründungsmitglied der Mont Pèlerin Society  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.2. Mitherausgeber von KYKLOS  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.3. Gründung des Jahrbuchs ORDO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.4. Vortragsreise nach Spanien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24.5. Gastvorträge in London  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Tod in London – Grab in Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203 203 211 214 216 216 218 223 232 235 247 247 260 262 263 269 271

Epilog: Ein Leben für Menschenwürde und Wettbewerb  . . . . . . . . . . . 274



Inhalt

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Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Lebensdaten von Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Lehrveranstaltungen von Walter Eucken 1927–1950 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Abbildungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Namensregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Sachregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Einführung Walter Eucken – nach wie vor aktuell Wirtschaft und Gesellschaft sehen sich vielfältigen Herausforderungen gegenüber  – Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel, Finanzkrise und neuerdings Pandemie und Inflation –, die in vielen Bereichen in rasantem Tempo zu gravierenden Veränderungen geführt haben und noch führen werden. Eine zentrale Frage, vor die sich bereits Walter E ­ ucken gestellt sah, ist damit wieder hoch aktuell: In welcher Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung wollen wir leben?1 Heute ist es die Frage nach der Anpassungsfähigkeit und Zukunftstauglichkeit jenes ordnungspolitischen Konzepts einer freien, menschenwürdigen und funktionsfähigen Wettbewerbsordnung, das sich auf die Ideen der Freiburger Schule um Walter E ­ ucken gründet und zu Wohlstand und sozialer Sicherheit geführt hat. Es ist die aktuelle Frage nach einer zeitgemäßen wirtschaftspolitischen und wirtschaftsrechtlichen Gestaltung des Ordnungsrahmens, der nicht allein an wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit ausgerichtet, sondern auch der Menschenwürde verpflichtet ist. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, das Leben von Walter Eucken, der zu den bedeutendsten Ökonomen des zwanzigsten Jahrhunderts zählt, näher in den Blick zu nehmen. Unerwartet früh ist E ­ ucken 1950 im Alter von neunundfünfzig Jahren verstorben. Obgleich er sein wissenschaftliches Werk nicht abschließen konnte, war es einflussreich. Das Erbe von Walter E ­ ucken lebt, und zwar diesseits und jenseits des Atlantiks, und es wird, was noch wichtiger ist, in jüngster Zeit als eine Inspiration zu neuen Forschungsprogrammen wiederentdeckt.2 Beim Festakt zu Euckens 125. Geburtstag im Jahr 2016 betonte die Bundeskanzlerin Angela Merkel in Freiburg, fairer Wettbewerb, offene Märkte, Geldwertstabilität und konstante Politik seien die Erfolgsfaktoren für eine funktionsfähige und menschenwürdige Wirtschaftsordnung. Dieser Grundsatz von Walter E ­ ucken habe nichts an Aktualität verloren.3 »­Eucken muss nach Ame4 rika«  – dieser Ruf wird immer wieder laut seit der verheerenden internationalen 1 

Vgl. Aktionskreis Freiburger Schule (2021). Dazu weiterführend Zweynert/Kolev/Goldschmidt (2016). 3  Vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/erfolgsfaktor-ordnungspoli​ tik-​320982 (abgerufen am 22.11.2021) und Merkel (2016). 4  Vgl. Sinn (2009: 40). Siehe auch Köhler (2010) und Kolev/Köhler (2022). 2 

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Finanzmarktkrise, die 2008 in Amerika ihren Ausgang genommen hatte. Er wird mit der Forderung verbunden, dass Märkte und besonders Finanzmärkte nur mit einem starken Ordnungsrahmen funktionieren können, der Euckens Haftungsprinzip Geltung verschafft.5 »In vielerlei Hinsicht brauchen wir sicherlich mehr Eucken«6, so hieß es unlängst angesichts von nicht mehr zu übersehenden negativen Folgen einer schrankenlosen Wirtschaftspolitik. Wer war Walter Eucken, was prägte ihn, wie dachte er? Dafür interessieren sich mittlerweile vermehrt auch Politiker und Wissenschaftler aus dem Ausland, weil ein Einfluss des Ordoliberalismus auf die deutsche Politik in der Eurokrise vermutet wird7, und weil man verstehen will, wie Deutschland tickt. ­ ucken in der Handschriftenabteilung Seit 2013 ist der Nachlass8 von Walter E der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) verwahrt. Er stößt auf zunehmendes Forschungsinteresse, obgleich seine archivalische Erschließung noch nicht abgeschlossen ist. Die Arbeiten für eine Gesamtausgabe von Euckens Werk haben begonnen. Für die hier vorgelegte biographische Studie  – eine überarbeitete und erheblich erweiterte Fassung der im Jahr 2000 publizierten biographischen Skizze9  – konnte ein beträchtlicher Teil der Korrespondenz zwischen Walter ­Eucken und seiner Ehefrau aus dem Eucken-Nachlass sowie eine Auswahl von Eucken-Korrespondenz aus anderen Nachlässen und ein Großteil der seither neu erschienenen Sekundärliteratur ausgewertet werden. In dieser Studie geht es um die Darstellung der prägenden Einflüsse und Stationen in Euckens Leben. Eine umfassende wissenschaftliche Biographie steht freilich immer noch aus.10 Ziel dieser Studie ist es, dazu einen weiteren Baustein beizutragen. In dieser Studie steht der Mensch Walter E ­ ucken im Mittelpunkt: Ein Mann, der in einen großen, vielfältigen Familien-, Freundes-, Kollegen- und Schülerkreis eingebunden war, ein Wissenschaftler und unangepasster Denker, für den die kritische Diskussion bei der Erkenntnisgewinnung von elementarer Bedeutung war und für den im wissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Streit eine andere Position Ansporn war, selbst schärfer zu denken und besser zu argumentieren. Ein Gelehrter, der mit Selbstbewusstsein und freiem Geist 5  Mittlerweile hat E ­ ucken gewissermaßen bereits einen Fuß in Amerika und dort neue Forschungsprogramme inspiriert, wie Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 455) mit Verweis auf Arbeiten der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom darlegen. 6  Feld (2016). 7  Siehe dazu Dold/Krieger (2020). 8  Das sind 60 Umzugskisten mit Briefen, Manuskripten, Fotos und Materialsammlungen – insgesamt rund 450.000 Blatt –, die seit 2013 von Uwe Dathe an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) erschlossen und sukzessive der Forschung zugänglich gemacht werden. Vgl. Dathe (2018b: 122). 9  Klinckowstroem (2000). 10  Vgl. den Hinweis in Goldschmidt (2005b: 294 f.).

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neue Wege bahnte. Ein Ökonom, dessen Lebenswerk das Ganze im Blick hat: die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Politik, Recht, Kultur und Religion, die »Interdependenz der Ordnungen«11 des modernen Lebens. ­Eucken war ein Wirtschaftswissenschaftler, der sich »in seinen ökonomischen Schriften ganz bewusst als ein ökonomischer Fachgelehrter präsentierte«12, der aber »weit mehr als ein Ökonom war.«13 Er war – so hat der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Friedrich August von Hayek ­Eucken rückblickend charakterisiert  – der »wahrscheinlich ernsteste Denker auf sozialphilosophischem Gebiet, den Deutschland in den letzten hundert Jahren hervorgebracht hat.«14 Zudem war ­Eucken ein Mann mit Zivilcourage. Er duckte sich nicht weg, als er die Freiheit in Universität, Kirche und Staat bedroht sah, sondern er bezog öffentlich Opposition und war letztlich auch zu aktivem Widerstand bereit, als er gemeinsam mit verlässlichen Mitstreitern das Grundkonzept einer menschenwürdigen Nachkriegsordnung formulierte – im NS-Regime ein Akt des Hochverrats, der das Leben kosten konnte. Es gilt hier, den Beziehungen, Begegnungen, Prägungen und Wirkungen seines arbeitsreichen Lebens nachzuspüren, um mehr über den Menschen Walter E ­ ucken zu erfahren. Auf sein Umfeld hat er als »geistiger Ermutiger«15 gewirkt, als ein integrer Charakter, der Orientierung gab. Seinen Schülern hat er die »Leidenschaft nüchternen Denkens, die Leidenschaft unbeirrbaren Suchens nach Wahrheit«16 vorgelebt. Es lohnt sich, die Erinnerung an ihn lebendig zu halten. Prägend für Euckens Leben wurde ein breites Spektrum von Persönlichkeiten, das die kulturellen und geistigen Strömungen seiner Zeit wie im Brennglas zeigt. Allen voran ist Euckens Vater zu nennen, der Philosoph und Literaturnobelpreisträger Rudolf Eucken, dessen Suche nach einer neuen geistigen Lebensordnung den ethisch-philosophischen Hintergrund bildet für Walter Euckens ordnungsethisches und ordnungsökonomisches Denken, für sein Ringen um die Gestaltung einer funktionsfähigen und menschenwürdigen Wirtschafts- und Sozialordnung. Des Weiteren sind beispielhaft folgende Namen anzuführen: Im Elternhaus begegnete E ­ ucken den Philosophen Ernst Cassirer und Max Scheler, dem Historiker Friedrich Meinecke, dem Dichter Stefan George, dem Kom11 ­Eucken

([1952] 2004: 183). Vgl. dazu auch Dathe (2014a: 85). Zweynert (2007: 7). 13  Zweynert (2007: 7). 14  Hayek ([1983] 2017: 288). 15  Böhm ([1950] 1960: 176) sowie Franz Böhm, Gedenkworte am Grab Walter Euckens am 30. Mai 1976, Typoskript, Anlage zum Rundbrief des Vorsitzenden des EuckenKreises, Günther Heinicke, 20.12.1976, ThULB, Nachlass Walter ­Eucken (abgekürzt: NL WE). 16  Freyberg (1950). 12 

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ponisten Max Reger, dem Maler Ferdinand Hodler und dem Kunsthistoriker Botho Graef. Persönliche Freundschaft verband ­ Eucken mit dem Unternehmer Erich Schott, dem Maler August Macke, dem Historiker Gerhard Ritter, dem Philosophen Edmund Husserl, dem Rechtswissenschaftler Franz Böhm, dem Bildhauer Richard Engelmann sowie mit den Ökonomen Paul Hermberg, Hans Gestrich, Otto Veit und Heinrich Freiherr von Stackelberg. Durch Husserl lernte ­Eucken den spanischen Philosophen José Ortega y Gasset persönlich kennen. Auf kulturphilosophischem Gebiet betätigte sich E ­ ucken in dem an der Lebensphilosophie seines Vaters orientierten Euckenbund. Mit theologischen und ethischen Fragen setzte er sich gemeinsam mit seinen Freiburger Kollegen Gerhard Ritter, Constantin von Dietze und Adolf Lampe im Rahmen des Engagements für die Bekennende Kirche und die oppositionellen Freiburger Kreise auseinander. An der Universität Freiburg stellte sich ­Eucken dem »Führer-Rektor« Martin Heidegger entschlossen entgegen. Die aktive Beteiligung im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime brachte E ­ ucken in persönlichen Kontakt zu Akteuren der geheimen Widerstandsbewegung wie Dietrich Bonhoeffer, Carl Goerdeler, Jens Jessen und Peter Graf Yorck von Wartenburg, die später hingerichtet wurden. Freundschaftlichen wissenschaftlichen Austausch pflegte ­Eucken mit den Ökonomen Alexander Rüstow, Joseph A. Schumpeter, Wilhelm Röpke und Friedrich August von Hayek. Mit dem Physiknobelpreisträger Werner Heisenberg kam ­Eucken durch die Zusammenarbeit im 1949 gegründeten Deutschen Forschungsrat in persönlichen Kontakt. Als nach Kriegsende internationale wissenschaftliche Begegnungen wieder möglich wurden, traf ­Eucken in der Schweiz unter anderen den britischen Ökonomen Lionel Robbins, den französischen Ökonomen Bertrand de Jouvenel, die amerikanischen Ökonomen Frank Knight, Aaron Director, Milton Friedman und George Stigler, den Philosophen Karl Popper und die Historikerin Veronica Wedgwood. In Freiburg hatte er die Ökonomen Wilhelm Röpke aus Genf, Edgar Salin aus Basel, François Perroux aus Paris und Karl Brandt aus Stanford zu Gast. Er selbst folgte Vortragseinladungen in die Schweiz, nach Spanien und an die London School of Economics. Will man die prägenden Stationen von Euckens Lebensweg auf der Landkarte markieren, liegt der Ausgangspunkt in Jena, von dort geht es über Kiel, Bonn und Erlangen – gefolgt vom Einsatz an den Fronten des Ersten Weltkriegs – nach Berlin und schließlich über Tübingen nach Freiburg im Breisgau. Ein Fixpunkt, vor allem während der 1920er und 1930er Jahre, ist die Sommerfrische in Baabe auf der Ostseeinsel Rügen. Zum Endpunkt hat ihm das Schicksal London bestimmt, wo er während einer Vortragsreise unerwartet verstarb. Auf dem Friedhof im Freiburger Stadtteil Günterstal ist E ­ ucken begraben.



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Zeitlich umspannt Walter Euckens Leben die Jahre 1891 bis 1950, eine historische Epoche tiefgreifender gesellschaftlicher und politischer Umbrüche: Euckens Jugend- und Studienjahre liegen im Deutschen Kaiserreich Wilhelms II. Ihnen folgen Militärdienst und Fronteinsatz als Offizier im Ersten Weltkrieg. Seine wissenschaftliche Laufbahn beginnt in den revolutionären Anfangsjahren der Weimarer Republik. Die ersten Jahre seines Wirkens als Hochschullehrer fallen in die Jahre von Hyperinflation, Massenarbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise. Sein wissenschaftliches Hauptwerk entsteht in der Zeit des »Dritten Reichs« und während des Zweiten Weltkriegs bei gleichzeitigem Engagement im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur. In den Wiederaufbaujahren im besetzten Nachkriegsdeutschland und in den ersten Monaten der jungen Bundesrepublik Deutschland wirkt Walter E ­ ucken als Ideengeber und unermüdlicher Berater für eine Politik der freiheitlichen, menschenwürdigen Ordnung und des Wettbewerbs.

I. Jena 1891–1918 Kindheit, Studium, Kriegseinsatz 1. Geburt in Jena Walter1 ­Eucken kam am 17. Januar 1891 in Jena zur Welt, in der Villa Zeine im Forstweg 22, die bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr sein Elternhaus war und heute, als Blomeyer’sche Villa bekannt, mit einer Gedenktafel an ihn erinnert. Als ­Eucken geboren wurde, war Jena noch – wie es seine spätere Ehefrau Edith Eucken-Erdsiek einmal beschrieben hat – das »charaktervolle kleine alte Jena, seiner klassischen Epoche noch idyllisch nah, […] das Jena […] Ernst Haeckels, Otto Schotts, Max Regers  – um nur einige Namen zu nennen.«2 Es war die Universitätsstadt im Saaletal, die sich im Ruhm ihrer Professoren aus klassischromantischer Zeit – Schiller, Hegel, Fichte und Schelling – sonnen konnte, zu Anfang der 1890er Jahre rund 13.000 Einwohner3 zählte und sich dank der von dem Mechaniker Carl Zeiß und dem Physiker Ernst Abbe errichteten ZeissWerke und der von dem Chemiker Otto Schott begründeten Jenaer Glaswerke in einem rasanten industriellen Aufschwung befand, der das reiche Musik- und Kulturleben beflügelte, so dass Jena sich bald auch zu einem Zentrum der Avantgardekunst entwickelte.4 Als Walter E ­ ucken anderthalb Jahre alt war, fand in seiner Geburtsstadt ein Ereignis5 statt, das deutschlandweit Aufsehen erregte: Der zwei Jahre zuvor von dem jungen Kaiser Wilhelm II. zum Rücktritt gezwungene Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck war nach Jena gekommen und hielt am 31. Juli 1892 auf dem Marktplatz eine flammende Rede, die bei den rund 8.000 Zuhörern Begeisterungsstürme hervorrief. Die politisch wichtigste Aussage seiner Rede 1  Seine

beiden weiteren Vornamen  – Kurt Heinrich  – sollte er später als Pseudonym für einige Beiträge in der Zeitschrift Die Tatwelt verwenden, die er als »Dr. Kurt Heinrich« veröffentlichte. 2  Eucken-Erdsiek (1942: 61). 3  John/Wahl (1995: 369). 4 In Euckens Geburtsjahr 1891 wurde Euckens späterer Doktorvater und wissenschaftlicher Mentor, der Nationalökonom Hermann Schumacher (1868–1952), an der Universität Jena zum Dr. jur. promoviert. Vgl. Goldschmidt (2005a: 56). 5  Siehe dazu Fesser (1996).

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lautete, dass es auf eine stärkere Verantwortung des Parlaments ankomme, auch der Krone gegenüber – eine Erkenntnis, die, wie Edith Eucken-Erdsiek es später in ihrem Bismarck-Porträt auf den Punkt bringen sollte, in diametralem Gegensatz zu Bismarcks Bestrebungen während seiner Kanzlerschaft stand, nämlich dem Parlament möglichst wenig Macht einzuräumen.6 Bismarcks politisch brisanter Auftritt in Jena erfolgte auf Einladung einer vom Jenaer Bürgermeister angeführten Delegation, die dem gestürzten Reichskanzler weiterhin »Treue und Ergebenheit«7 bezeugen wollte. Der Kaiser sah in Bismarcks Jenaer Rede einen Affront, den er der Stadt Jena nicht vergaß. Unter den Jenaer Intellektuellen soll Bismarcks Besuch ein geteiltes Echo gehabt haben. Die Reaktionen reichten von dezidierter Ablehnung (z. B. bei Ernst Abbe) über kritische Distanz (z. B. bei Rudolf Eucken) bis hin zu bewundernder Zustimmung (z. B. bei Ernst Haeckel ­ ucken damals die Bisund dem Verleger Gustav Fischer).8 Auch wenn Walter E marck-Rede nicht bewusst miterlebt hat, wird ihm diese spektakuläre historische Episode seiner Geburtsstadt als Schüler eindringlich vor Augen geführt worden sein, zumal seit 1894 der Bismarck-Brunnen auf dem Marktplatz daran erinnert.

2. Elternhaus in Jena Walter Euckens Vater, der Professor Dr. phil. D. theol. und Geheime Hofrat Rudolf ­Eucken (1846–1926), war bei der Geburt seines dritten Kindes Walter fünfundvierzig Jahre alt und bereits angesehener Ordinarius für Philosophie an der Universität Jena, an die er 1874 im Alter von achtundzwanzig Jahren als Nachfolger auf den Fichte-Lehrstuhl berufen worden war.9 Seine Universitätskollegen, mit denen er bald auch freundschaftlich verkehrte, waren unter anderem der im Haus gegenüber, im Forstweg 29, wohnende Mathematiker und Logiker Gottlob Frege (1848–1925), der für Rudolf ­Eucken zu einem wichtigen Gesprächspartner wurde und ihm lange Zeit »in allen Fragen, die die Grundlagen der Logik und die Philosophie der Mathematik betrafen, als die Autorität schlechthin«10 galt; der Zoologe und Anhänger der Darwin’schen Evolutionstheorie Ernst Haeckel (1834–1919) und der Psychiater und Neurologe Otto Binswanger (1852–1929), zu dessen prominenten Patienten Ende der 1890er Jahre Friedrich Nietzsche (1844–1900) gehörte, der wiederum in den Jahren 1871 bis 1874 Rudolf Euckens Professorenkollege an der Universität Basel gewesen war. 6 

Eucken-Erdsiek (1980: 34). Werner (2003: 59). 8  Vgl. Werner (2003: 59). 9  Zuvor lehrte Rudolf ­Eucken von 1871 bis 1874 als Ordinarius der Philosophie und Pädagogik an der Universität Basel, nachdem er 1867 bis 1871 als Gymnasiallehrer in Husum, Berlin und Frankfurt am Main unterrichtet hatte. Vgl. Raeber (1959). 10  Dathe (2009a: 20). 7 

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Rudolf ­Eucken hatte gegen Ende der 1880er Jahre begonnen, sich mit seinen Büchern an ein breiteres, nicht nur fachphilosophisches Publikum zu wenden, und hatte 1890, im Jahr vor der Geburt seines Sohnes Walter, in erster Auflage sein Buch Die Lebensanschauungen der großen Denker. Eine Entwicklungsgeschichte des Lebensproblems der Menschheit von Platon bis zur Gegenwart herausgebracht, das zu »seinem erfolgreichsten Buch überhaupt«11 werden sollte. Im Vorwort zu dessen 20. Auflage im Jahr 1950 erinnerte sein Sohn Walter ­Eucken daran, dass Rudolf ­Eucken die Ambivalenzen der beginnenden politischen, ökonomischen und kulturellen Modernisierungen bereits als Vorboten für krisenhafte Erschütterungen wahrgenommen hatte: »Er sah, daß seine Epoche die Maßstäbe verloren hatte. Er spürte die Erde beben – in einer Zeit, in welcher die meisten Menschen glaubten, sie stünde fester als je.«12 Um seine Auffassungen einem breiten Publikum darzubieten, begann Rudolf ­Eucken auch regelmäßig in großen Tageszeitungen zu veröffentlichen. So wurde am 2. und 3. Januar 1891 in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung sein »Jenenser Rosenvortrag« über »Die Lebensideale zu Beginn und am Schluß des 19. Jahrhunderts« abgedruckt. In den vollbesetzten Rosensälen legte Rudolf E ­ ucken dem Jenaer Bildungs- und Wirtschaftsbürgertum dar, wie sich die Lebensideale verändert haben. Sein Resümee lautete: »[D]as künstlerisch-literarische Zeitalter ist durch ein exact-technisches verdrängt.«13 Erfolge in Industrie, Politik, Sozialwesen und Wissenschaft hätten, wie er schilderte, wesentlich zur Befreiung und Erleichterung des äußeren Lebens beigetragen, andererseits seien damit Beschädigungen des inneren Lebens einhergegangen, die nicht vernachlässigt werden dürften. Mit dieser Diagnose einer beginnenden Sinnkrise wollte er indes keine Angst vor der Moderne schüren, sondern darauf hinweisen, dass jeder Mensch aufgerufen sei, sich in und neben seiner äußeren Arbeit einen geistigen Lebensinhalt zu erschließen. Rudolf E ­ ucken äußerte sich zuversichtlich, dass es zu einem neuen Aufschwung der geistigen Kräfte des Menschen kommen werde. Als Philosoph sah er seinen Beitrag darin, krisenhafte Strukturen aufzudecken und ein philosophisch-weltanschauliches Programm bereitzustellen, »dass es den Menschen ermöglichen sollte, die technisch-naturwissenschaftlichen Errungenschaften der Moderne zu bewahren, gleichzeitig aber in ewigen, allgemein verbindlichen Werten Halt zu finden.«14 Der Titel seines nächsten Buches wurde Programm: Der Kampf um einen geistigen Lebensinhalt. Neue Grundlegung einer Weltanschauung. Es erschien 1896 und markierte den Beginn von Rudolf Euckens Aufstieg zu einem der prominentesten Philosophen des 11 

Dathe (2000: 54). (1950: V ). 13  Eucken, R. (1891a: 1), zit. nach Dathe (2000: 55). 14  Dathe (2014a: 86). 12 ­Eucken

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Kaiserreichs, der in breiten bildungsbürgerlichen Kreisen des In- und Auslands gelesen wurde.15 Damit ist die väterliche Gedankenwelt umrissen, in die Walter ­Eucken hineingeboren wurde. Sie sollte ihn fürs Leben prägen. Walter Euckens Mutter, Irene Eucken, geborene Passow (1863–1941), war bei seiner Geburt achtundzwanzig Jahre alt. Mit dem neugeborenen Walter, seiner drei Jahre älteren Schwester Ida Maria (1888–1943)16 und seinem sieben Jahre älteren Bruder Arnold (1884–1950)17 gehörten nun drei Kinder zu dem großen, für seine Gastlichkeit gerühmten Professorenhaushalt, den sie führte. Irene hatte als Neunzehnjährige den siebzehn Jahre älteren Philosophieprofessor Rudolf E ­ ucken geheiratet. Beide hatten früh den Vater verloren: Rudolf Eucken, als er fünf Jahre alt war18, Irene Passow, als sie sieben war.19 Sie war 15 

Vgl. Dathe (2014a: 86). Maria E ­ ucken absolvierte in Dresden eine Ausbildung in Musik und Gesang und bildete sich anschließend während mehrerer Auslandsaufenthalte zur Konzertsängerin »in der Richtung Bachs« aus. Ab 1913 begann sie öffentlich aufzutreten, konzertierte u. a. mit Max Reger und gab gemeinsam mit dem Pianisten und Komponisten Walt Jäger, ihrem späteren Verlobten, zahlreiche Konzerte, beispielsweise in Hannover und Bremen. Ab 1919 arbeitete sie mit in der Geschäftsstelle des Euckenbundes, ab 1928 im Kuratorium des Rudolf-Eucken-Hauses sowie nach 1934 bei der Herausgabe der Zeitschrift Die Tatwelt. Vgl. Eucken, R. (1922: 103, 118), Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 8, 57), Jäger (1995). 17  Arnold E ­ ucken studierte ab 1902 Mathematik, Physik und Chemie in Kiel und ab 1904 in Jena, legte 1905 in Jena das Chemische Verbandsexamen ab, wurde am 20.12.1906 bei Walther Nernst in Berlin promoviert mit einer Dissertation Über den stationären Zustand zwischen polarisierten Wasserstoffelektroden und habilitierte sich 1911 in Berlin für das Fach Chemie mit einer Habilitationsschrift Über die Temperaturabhängigkeit der Wärmeleitfähigkeit fester Nichtmetalle. 1914 bis 1918 diente er als Artillerieoffizier, 1919 bis 1930 lehrte er als Professor für Physikalische Chemie in Breslau und von 1930 bis 1950 als Professor für Physikalische Chemie in Göttingen. Zu Arnold ­Eucken siehe Becke-Goehring/Eucken, M. (1995). 18 Rudolf Euckens Vater Ammo B. ­ Eucken (1792–1851), der einem ostfriesischen Bauerngeschlecht entstammte und – nachdem die Familie bei der Sturmflut von 1825 ihr Land verloren hatte – als Vorstand des Hauptpostamtes in Aurich tätig war, verstarb im Alter von 59 Jahren unerwartet während eines Ferienaufenthaltes auf der Insel Norderney. Mit Unterstützung der Gittermann’schen Verwandten wurde Rudolf von seiner Mutter Ida Maria Eucken, geborene Gittermann (1814–1872), Tochter des Pastors und Schriftstellers Rudolf Christoph Gittermann (1776–1848) aus Stedesdorf, allein großgezogen. Sie prägte ihn mit ihrer tiefen Religiosität. Nachdem er am Ulriceum in Aurich Abitur gemacht hatte, führte sie ihm den Haushalt während seiner Studienjahre in Göttingen und während seiner ersten Berufsjahre in Husum, Berlin, Frankfurt am Main und schließlich Basel, wo sie 1872 verstarb, bevor er 1874 den Ruf nach Jena annahm. Zur Biographie Rudolf Euckens siehe u. a. Eucken, R. (1922), Erdsiek (1927), Raeber (1959), Schäfer, M. (2020: 21–41). 19  Irene Euckens Vater Arnold Passow (1829–1870) war Gymnasialdirektor in Lingen und starb 1870 im Alter von 41 Jahren. Vgl. Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 10). 16  Ida

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dann zunächst mit ihren beiden Brüdern in Bremen, der Heimatstadt ihrer verwitweten Mutter Athenäa Passow, geborene Ulrichs (1839–1913), aufgewachsen. Nachdem ihr vier Jahre älterer Bruder Adolf Passow (1859–1926)20 dort 1879 Abitur gemacht und zum Medizinstudium nach Berlin gegangen war, übersiedelte ihre Mutter mit ihr und dem zwei Jahre jüngeren Bruder Hermann Passow (1865–1919) nach Jena. Dort lebte Moritz Seebeck (1805–1884), der Bruder von Irenes Großmutter Sidonie Passow.21 Moritz Seebeck war in den Jahren 1851 bis 1877 Kurator der Universität Jena und hatte die Berufungsverhandlungen mit Rudolf ­Eucken geführt. Im Haus von Moritz Seebeck hatten sich Rudolf und Irene E ­ ucken kennengelernt. Am 14. September 1882 vermählten sie sich. Zu ihren Hochzeitsgästen gehörte der preußische Kronprinz Friedrich (1831–1888), der spätere »99-Tage-Kaiser« Friedrich III., der Irenes Vater Arnold Passow aus Jugendtagen freundschaftlich verbunden war.22 Beide waren als Dreizehn-, Vierzehnjährige gemeinsam privat von Hauslehrern unterrichtet worden, zu denen auch Irenes Großvater Karl Friedrich Passow gehörte, der als Lehrer am Königlich Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin wirkte, an dem Irenes Vater später als Externer die Reifeprüfung ablegte. Rudolf und Irene E ­ ucken hatten sich im Jahr 1886, als der erstgeborene Sohn Arnold zwei Jahre alt war, in der Villa Zeine im Forstweg eingemietet.23 Das Haus lag oberhalb der Stadt mit einem »herrlichen Blick auf Jena und das Saaletal«, wo – wie es Rudolf ­Eucken in seinen Lebenserinnerungen schildert – »unsere Kinder sich in voller Freiheit bewegen und doch zugleich die Güter der nahen Stadt genießen«24 konnten. Erst im Herbst 1910 – die drei Kinder befanden sich bereits im Studium – erwarb Rudolf ­Eucken das zweieinhalbstöckige Haus mit großem Garten in der Botzstraße 5, das der Jenaer Architekt Ludwig Hirsch 1897 erbaut hatte.25 Rudolf ­Eucken ließ es modernisieren, das heißt mit Elektrizität, Zentralheizung, fließend warmem Wasser und einem Wintergarten ausstatten, und zog Mitte Februar 1911 mit seiner Familie in das Haus ein26, das heute als Villa E ­ ucken in der Liste der Kulturdenkmale der Stadt Jena geführt wird. 20  Adolf

Passow war später der erste Ordinarius für Ohrenheilkunde Deutschlands und ab 1907 Direktor der Ohrenklinik der Charité in Berlin. Vgl. Voswinckel (2001: 92 f.). 21  Sidonie Passow, geborene Seebeck (1801–1886), Ehefrau von Irene Euckens Großvater väterlicherseits, dem Philologen und Pädagogen Karl Friedrich Passow (1798–1860). 22  Ein im Nachlass Walter Euckens vorhandenes Foto zeigt fünf Jugendgespielen Kaiser Friedrichs aus dem Jahr 1844: Arnold Passow, Adolf Graf Königsmarck, Friedrich von Salpius, Rudolf von Zastrow, Robert von Dobeneck, ThULB, NL WE. Siehe auch Eucken, R. (1922: 73, 76) sowie die Familienstammtafel in Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 8). 23  Vgl. Eucken, R. (1922: 73) und Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 9). 24  Eucken, R. (1922: 73). 25  Vgl. Jäger (1995) und Eucken-Erdsiek (1942: 64). 26  Vgl. Schäfer, M. (2020: 69).

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I. Jena 1891–1918

Walter Euckens Mutter war – so hat sein Vater sie beschrieben – »voll geistiger Interessen und von einer ausgeprägten künstlerischen Begabung. Mit diesen verband sie ein großes praktisches und organisatorisches Geschick.«27 Als die Kinder größer wurden, – so schildert es rückblickend ihre spätere Schwiegertochter Edith Eucken-Erdsiek  – brach »die alte Jugendsehnsucht nach künstlerischer Betätigung durch. Irene ­Eucken wurde Malerin. Jahrelang gehörten nun ihre Vormittage […] der Ausbildung an der Kunsthochschule Weimar, die übrige Zeit dem Haushalt und der Familie. […] Sie arbeitete […] mit wachsendem Erfolg. Stilleben entstanden, Landschaften, Porträts – Bilder, mit denen sie allmählich das Lob wirklicher Kenner errang, daneben aber auch kunstgewerbliche Arbeiten.«28 Angeregt von den Ideen Henry van de Veldes, der 1902 seinen Aufsatz »Das neue Kunst-Prinzip in der modernen Frauen-Kleidung« veröffentlicht hatte, begann Irene E ­ ucken aparte Muster für »gestickte Toilettensachen« zu entwerfen und damit Kleider, Blusen, Mäntel und Mode-Accessoires zu gestalten, die sie erstmals im Sommer 1908 in einer Kunstgewerbe-Ausstellung in Erfurt präsentierte.29 Als eine der ersten trug Nietzsches Schwester, Elisabeth FörsterNietzsche, »Eucken-Kleider«, und Irene ­Eucken schrieb ihr: »Sie können sich denken, welche Freude es mir bereitete, als erste Kundin unserer kleinen Industrie gerade Sie […] begrüßen zu können.«30 In der Weihnachtsausstellung 1908 im Großherzoglichen Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar wurden Irene Euckens Kleiderentwürfe neben den Arbeiten der van-de-VeldeSchule gezeigt und in der Weimarischen Landeszeitung als künstlerisch von »allergrößte[r] Bedeutung« hervorgehoben.31 Im November 1910 zeigte der Jenaer Kunstverein kunstgewerbliche Arbeiten von Irene ­ Eucken und Ada Nolde.32 Für ihre Modenschau im Oktober 1916 in Bremen gestaltete Ernst Ludwig Kirchner den Katalog Ausstellung v. Kleidern aus der Stickstube von Frau Eucken.33 Kirchner fand auch anerkennende Worte für ihre Malerei: »Gestern kamen die Photos Ihrer Bilder«, schrieb er im April 1918 aus dem Sanatorium in Kreuzlingen, »[s]ie sind alle ganz erstaunlich stark im Ausdruck für Aquarelle. 27 

Eucken, R. (1922: 73). Eucken-Erdsiek (1942: 63 f.). Irene E ­ ucken hat um 1900 Rudolf E ­ ucken gemalt. Das Bild hing später bei ihrem Sohn Arnold ­Eucken im Göttinger Physikalisch-Chemischen Institut. Vgl. Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 11 f.). 29  Vgl. Wahl (2009: 311). 30  Irene E ­ ucken an Elisabeth Förster-Nietzsche, 28.8.1908, Goethe- und Schiller-Archiv Weimar, Nachlass Elisabeth Förster-Nietzsche Nr. 127h, zit. nach Wahl (2009: 311). 31  Weimarische Landeszeitung Deutschland Nr. 346/1908 vom 16. Dezember 1908, zit. nach Wahl (2009: 311, 327). 32  Wahl (1988: 264). 33  Ausführlich dazu und zum Briefwechsel Kirchners mit Irene E ­ ucken siehe Wahl (2009). 28 

3. Schulzeit in Jena



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Besonders gefällt mir das Bildnis Ihres älteren Sohnes […] Das Bildnis Ihrer Frl. Tochter hat fast musikalische Linienführung […] Einen merkwürdig schweren ornamentalen Rhythmus hat das Aquarell der im Lehnstuhl sitzenden Dame.«34 Aufgrund der Erfahrungen mit ihrer Stickstube sollte Irene E ­ ucken dann 1921 die Textil- und Kunstwerkstätten Jena G. m. b. H. gründen und damit Arbeitsplätze schaffen für Frauen und Mädchen, die nach ihren Entwürfen Stickereien, Stoffdrucke und Näharbeiten ausführten. Das dazu erforderliche technische Gerät ließ sie im ersten Stock des Hauses in der Botzstraße installieren.35 Mit diesem kleinen Betrieb schuf sie auch ein »finanzielles Standbein« für sich und ihre im Elternhaus lebende Tochter, die die kaufmännischen Arbeiten übernahm.36 Zudem engagierte sich Walter Euckens Mutter als Geschäftsführerin der 1904 von ihr mitgegründeten Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar und gehörte zusammen mit dem Jenaer Kunsthistoriker Botho Graef, der Geschäftsführerin des 1903 gegründeten Jenaer Kunstvereins, Margarethe Wagenmann, und Klara Rosenthal, der Ehefrau des Jenaer Rechtsprofessors Eduard Rosenthal, sowie dem Maler Hans Olde, Direktor der Weimarer Kunstschule, dem Maler Ludwig von Hofmann, dem Designer und Architekten Henry van de Velde, Leiter des Weimarer Kunstgewerblichen Seminars, und Harry Graf Kessler, Leiter des Großherzoglichen Museums für Kunst und Kunstgewerbe, zum achtköpfigen Vorstand der Gesellschaft, die zu Beginn etwa 75 Mitglieder hatte. Ziel war, durch Veranstaltung von Sonderausstellungen und geselligen Abenden »das allgemeine Interesse für Kunst, an erster Stelle für bildende Kunst, zu pflegen und zu heben.«37

3. Schulzeit in Jena Zu Ostern 1897 kam Walter E ­ ucken in die Schule, und zwar in die Alte Bürgerschule in Jena. Beinahe wäre er bereits zu dieser Zeit in Freiburg gelandet, da sein Vater 1896 einen Ruf an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg erhalten hatte. Indes, sein Vater lehnte den Ruf ab, denn er konnte sich »trotz der Reize jenes Ortes […] nicht entschließen, Jena zu verlassen«, wo er sich eingelebt hatte und seine »Kinder prächtig gediehen.«38 Seine Studenten dankten es ihm mit einem Fackelzug. 34 

Kirchner an Irene Eucken, 14.4.1918, ThULB, Nachlass Rudolf ­Eucken (abgekürzt: NL RE), abgedruckt in Wahl (2009: 322). 35  Vgl. Eucken-Erdsiek (1942: 64) und Jäger (1995). 36  Vgl. Schäfer, M. (2020: 293). 37  Wahl (1988: 111). 38  Eucken, R. (1922: 77).

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I. Jena 1891–1918

Bereits im Alter von acht Jahren bestand Walter am 10. April 1899 die Aufnahmeprüfung zum Gymnasium und wechselte auf das Großherzoglich-Sächsische Gymnasium Carolo-Alexandrinum zu Jena39. Mit ihm in der Sexta40 saßen 23 Jungen, darunter auch der gleichaltrige Erich Schott (1891–1989), mit dem sich ­Eucken anfreundete. Im Schuljahr 1899/1900 hatte das humanistische Jungen-Gymnasium Carolo-Alexandrinum insgesamt 253 Schüler.41 Einer davon war Walters Bruder Arnold Eucken, der bereits die Unterprima besuchte. Auf dem wöchentlichen Stundenplan des Sextaners Walter E ­ ucken standen neun Stunden Latein, drei Stunden Deutsch, drei Stunden Rechnen, zwei Stunden Religion, zwei Stunden Schreiben, zwei Stunden Zeichnen, zwei Stunden Naturkunde und schließlich Turnen. Euckens Turnlehrer war der Jenaer Sportpionier Hermann Peter (1856– 1928), der 1890 den »Fußballverein Jena« gegründet und 1893 die Jenaer Regeln für den Fußballsport verfasst hatte, die erste Sammlung allgemein gültiger Fußball-Regeln im Deutschen Kaiserreich, die neben den Cambridge-Richtlinien zu den weltweit ältesten Regularien zählen und noch heute in den Statuten des Fußball-Weltverbandes FIFA verankert sind.42 Unterstützt wurde Peter durch den Engländer Joseph John Findlay, den Leiter einer Knabenschule in England, der seine dortigen Schüler bereits das Fußballspielen gelehrt hatte und der 1893 an die Universität Jena gekommen war, um bei Rudolf ­Eucken Philosophie und bei Wilhelm Rein (1847–1929) Pädagogik zu studieren. Euckens Gymnasialjahre erhielten ihren Rhythmus durch die alljährlich wiederkehrenden Schulfeste: am 27. Januar das Fest zum Geburtstag Sr. Majestät des Deutschen Kaisers, am 25. Juni die Feier zum Geburtstag Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach, am 2. September das Sedansfest zur Erinnerung an den deutschen Sieg über Napoleon III. in der Schlacht von Sedan während des Deutsch-Französischen Krieges 1870, das mit einem Schauturnen in der Turnhalle und einer »vaterländischen Ansprache« eines Oberprimaners begangen wurde, und schließlich am 31. Oktober das Reformationsfest, an dem ein ausgewählter Oberprimaner zu einem Thema über Martin Luther sprach.43 39  Das Carolo-Alexandrinum lag an der Schillerstraße, musste jedoch 1914 den Industriebauten der Firma Carl Zeiss weichen. Vgl. John/Wahl (1995: 3, Anm. 10). 40  Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1899/1900: 3, 15). 41  Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1899/1900: 12). 42  Vgl. dazu Kremer (2015). Zur Beschaffenheit des Fußballplatzes hieß es in den Regeln: »Der Spielplatz sei von Bäumen und Steinen frei und mit niedrigem Gras bewachsen. Das Spielfeld ist doppelt so lang als breit und muss eine zugfreie Lage haben.« Das erste Fußballspiel Jena gegen Leipzig organisierten Peter und Findlay 1893 auf den Wiesen im Jenaer Paradies. 43  Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1899/1900: 3).

3. Schulzeit in Jena



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Am 27. Januar 1900 lauschte der Sextaner ­Eucken im Kreis seiner Mitschüler und Lehrer der Festrede von Lehrer Dr. W. Reichardt, die in den Worten gipfelte, dass »wir uns an der Wende des Jahrhunderts mit Stolz Glieder eines mächtigen deutschen Reiches nennen dürfen«, dass der Fürsorge des Kaisers eine Stärkung von Deutschlands Machtstellung zur See zu verdanken sei und dass den Kolonien für das wirtschaftliche und politische Leben eine besondere Bedeutung zukomme.44 In der Festrede der Universität zur Jahrhundertwende, die Euckens Vater übernommen hatte, wurde demgegenüber Militärisches so gut wie nicht erwähnt. Den festlich gekleideten Zuhörern  – die Einladung hatte Frack, weiße Krawatte und Orden vorgeschrieben –, die sich am 12. Januar 1900 mittags in der Kollegkirche versammelt hatten, bot Rudolf ­Eucken vielmehr einen philosophischen Rückblick auf das 19. Jahrhundert, in dem er den Wandel in der Form der Arbeit in den Mittelpunkt stellte und bei der Schilderung der politischen, ökonomischen und sozialen Fortschritte des 19. Jahrhunderts besonders auf die unternommenen Schritte zur Entschärfung der sozialen Spannungen und die zunehmenden Möglichkeiten zur politischen Betätigung einging. Auch die Leistungen der Universität hob er hervor, insbesondere würdigte er  – wenn auch ohne Namensnennung – Haeckels Etablierung der Evolutionstheorie und Ernst Abbes Lebenswerk in Physik und Technik. Abschließend mahnte er seine Zuhörer, sich trotz aller äußeren Erfolge vor Augen zu halten, dass alle Fortschritte allein nicht ausreichten, um dem Leben Sinn und Wert zu geben.45 In Rudolf Euckens Rede herrschte, wie Uwe Dathe es zusammenfasst, der liberale Geist eines durch Unternehmensgründer wie Carl Zeiß, Ernst Abbe und Otto Schott geprägten Jenaer Bürgertums.46 An Ostern 1902  – Walter E ­ ucken war in die Untertertia gekommen  – bestand sein Bruder Arnold das Abitur. Zur Auszeichnung erhielt Arnold aus der Sturdza-Bücher-Stiftung für Abiturienten die Reden und Aufsätze des großen Physikers Hermann von Helmholtz – für ihn ein zukunftsweisendes Geschenk, denn Arnold E ­ ucken hatte als angestrebtes Studienfach Mathematik und Naturwissenschaft genannt und wirkte später als Professor für Physikalische Chemie in Breslau und zuletzt in Göttingen, wo er den späteren Nobelpreisträger Manfred Eigen zu einem seiner letzten Doktoranden zählen konnte. Auf der Abschiedsfeier seines Abiturjahrgangs hielt der achtzehnjährige Arnold E ­ ucken die Abschiedsrede. Er sprach über »den Seelenkampf des Neoptolemos im Philoktet des Sophokles im Vergleich zu dem der Iphigenie in Goethes Dichtung« und schloss mit »herzlichen Dankes- und Abschiedsworten an Lehrer und Mitschüler.« Schuldirektor Dr. Gustav Richter ging in seiner anschließenden Ent44 

Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1899/1900: 3). Vgl. Dathe (2000: 58). 46  Vgl. Dathe (2000: 59). 45 

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lassungsrede »auf das Wesen der geistigen Arbeit und ihr Verhältnis zur Charakterbildung ein.«47 Als Walter ­Eucken zu Ostern 1904 in die Obertertia kam, erhielt das CaroloAlexandrinum mit dem Pädagogen und klassischen Philologen Dr. Otto Apelt (1845–1932) einen neuen Direktor, der in seiner Antrittsrede am 12. April 1904 vor den festlich versammelten Schülern, Eltern und Lehrern sein Bildungskonzept folgendermaßen erläuterte: »Ich bekenne mich, […] zu der Ansicht, dass es nach wie vor vorwiegende Aufgabe des Gymnasiums ist, den Bildung suchenden Jüngling an diejenige Werke und Leistungen des Altertums zur aufklärenden Betrachtung heranzuführen, die wegen ihrer inneren Vortrefflichkeit einen vom Wandel der Zeiten unabhängigen Wert besitzen.«48 Und er fährt fort: »Ihr geniesst, liebe Schüler, den Vorzug, in einer Universitätsstadt zu leben. Wie man im Mittelalter sagte, ›Stadtluft macht frei‹, so könnte man heutzutage sagen ›Universitätsluft macht frei‹.« Aber, so wandte er dann ein, »glaubt nicht, dass […] die wahre Freiheit in Ungebundenheit und Zügellosigkeit bestehe. Der ist der grösste Sklav’ […] der den augenblicklichen Trieben der sinnlichen Regung am willigsten folgt. […] Wahrhaft frei ist nur der, der sich die Widerstandskraft zu stählen weiss […] und welcher der unbestechlichen Stimme des Gewissens, dieses lebendigen Zeugen unseres besseren Ich, zu folgen den Mut hat. ›Aude sapere‹, habe den Mut verständig zu sein. […] Denn wer den Spruch des Gewissens dauernd missachtet, der gerät notwendig mit sich selbst in Zwiespalt und verfällt schliesslich einem dumpfen Gefühl der Selbstverachtung.«49 An die anwesenden Eltern gewandt fuhr er fort: »An Sie, die Eltern, wende ich mich […] mit der herzlichen Bitte, das Werk der Schule nach Kräften zu unterstützen. […] Aber erwartet nicht, dass die Schule im stande sei, ihrerseits gut zu machen, was im Hause versäumt worden. Wer daheim nicht davor bewahrt worden ist, leichtfertige Reden, lieblose Urteile über andere, Spöttereien über Religion und Tugend zu hören, […] wird durch keine Schule zum charaktervollen Jüngling gebildet werden.«50 Wie mögen diese Worte auf den dreizehnjährigen Walter E ­ ucken gewirkt haben? Jedenfalls blieb ihm sein Lehrer Otto Apelt, der sich als bedeutender Plotin-Übersetzer einen Namen gemacht hatte und in der Oberprima Euckens Klassenlehrer wurde, unvergessen. Gut zwanzig Jahre später war es ­Eucken wichtig, seine Mutter zu erinnern: »Am 29.12. feiert Geheimrat Apelt […] seinen 80. Geburtstag. Vielleicht könnte Vater gratulieren.«51 47 

Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1901/1902: 4). Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1904/1905: 5). 49  Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1904/1905: 7 f.). 50  Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1904/1905: S. 8 f.). 51 ­Eucken an Irene Eucken, 26.12.1925, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 187, in ­Eucken GS, Band III.1. 48 

3. Schulzeit in Jena



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Einen Eindruck von dem Schüler Walter E ­ ucken überliefern die Schilderungen von Benno von Hagen (1883–1961)52, der 1903 als Student im dritten Semester nach Jena gekommen war, um neben philologischen und historischen Kollegs auch Philosophie bei Rudolf ­Eucken zu hören. Am 30. April 1903 machte von Hagen erstmals bei Rudolf E ­ ucken im Forstweg Besuch, und vermutlich nahm er von da an häufig an den all-sonntäglichen Teenachmittagen teil, zu denen Rudolf E ­ ucken während der Semesterzeit etwa zwanzig Studierende – im Sommer, wenn der Aufenthalt im Garten möglich war, auch dreißig – einzuladen pflegte, und zwar Studierende beiderlei Geschlechts, was damals, wie von Hagen betont, ein Novum war. Walter Eucken, so erinnert sich von Hagen, »war ein 12-jähriger Junge, als ich ihn kennenlernte. Schon damals hochaufgeschossen, mit ungewöhnlich langen Beinen und Armen, fiel er mir auf der Straße durch einen etwas eigenartigen Gang und in der Unterhaltung durch seltsame Sprache auf. […] In der Schule […] galt er eher als Durchschnittsschüler. […] Im Gespräch überraschte er durch sehr kluge Fragestellung und ein erstaunlich selbständiges Urteil. Schon an dem 16-jährigen fiel mir angenehm auf, daß er nicht etwa Gehörtes nachbetete oder auf die Philosophie des Vaters eingeschworen war. Ein Interesse für Philosophie war aber vorhanden.«53 Ferner erinnert von Hagen: »Rudolf ­Eucken hatte mich gebeten, dem Sohne jede Woche 2 Privatstunden zu geben. Nicht weil Walter E ­ ucken in irgendeinem Fach der ›Nachhilfe‹ bedurft hätte, […] der 17-jährige sollte in seiner Freizeit etwas Nützliches treiben, um immer beschäftigt zu sein und nicht auf dumme Gedanken zu kommen.«54 Mit von Hagen las Walter griechische Texte, die in der Schule nicht behandelt wurden; so interessierten ihn besonders die Historiker Thukydides und Polybios und die von ihnen beschriebenen Machtkonflikte. Jahrzehnte später sollte ­Eucken festhalten, was er an der Art der Geschichtsbetrachtung von Thukydides schätzte: »Obwohl Thukydides ein leidenschaftlicher Politiker war und aktiv handelnd auf athenischer Seite mitkämpfte, untersuchte er den großen Machtkampf zwischen Sparta und Athen mit der Sachlichkeit des Naturforschers.«55 Es ging ihm um »die Erfassung der Sache selbst.«56 Seine Absicht war »die Erfassung des Machtkampfes in seinen wahren Ursachen und in seinen zufälligen Symptomen, der handelnden Menschen, wie sie wirklich waren […]. Wirklichkeitsnähe verbindet sich mit Distanz zu den Meinungen des Tages.«57 52 

Vgl. Hagen (o. J.: 41–45). Hagen (o. J.: 41). 54  Hagen (o. J.: 41). 55 ­Eucken (1940: 482 f.). 56 ­Eucken (1940: 483). 57 ­Eucken (1940: 483). 53 

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Zu den Themen, die von Hagen und ­Eucken bei ihren Treffen diskutierten, notierte von Hagen: »Gerade die Liberalität, mit der ich verfuhr, zog Walter­ Eucken an. Freiheit im Geistigen bedeutete dem Sohn Rudolf Euckens einfach alles. […] Auch Spaziergänge in den Forst haben wir gelegentlich gemacht, auf denen sich der junge Feuerkopf  besonders erschloss, und in langen Diskussionen haben wir Probleme gewälzt.«58 Vom Schuljahr 1907/08 an unterrichtete von Hagen die Fächer Griechisch, Latein und Deutsch am Carolo-Alexandrinum, allerdings nicht in Walter Euckens Klasse. Walter lud ihn dann im März 1909 zur Feier seines Abiturs ins Elternhaus ein, und von Hagen erinnert: »Rudolf E ­ ucken [war] mit seiner Tochter gerade in Uppsala zu einer Vortragsreise. […] Die grosse Selbständigkeit und Selbstsicherheit des jungen Mannes war mir gerade bei jener Abschlussfeier im Heime am Forstweg verblüffend.«59 Zu Benno von Hagen blieb Walter E ­ ucken sein Leben lang in freundschaftlichem Kontakt. »Ihnen, lieber Herr Doktor, herzliche Grüße aus dem Schnee in den Hochvogesen. Lassen Sie auch einmal etwas von sich hören. In steter Freundschaft, Ihr Walter Eucken«, so schrieb er ihm aus dem Krieg auf einer am 11. März 1915 versandten Feldpostkarte, die den Ort Stossweier im Elsass zeigt, in dessen Nähe E ­ ucken damals mit seiner 3. Batterie des FeldartillerieRegiments der 8. Bayerischen Reserve-Division stationiert war.60 Benno von Hagen war es dann auch, der von 1936 bis 1943 die Herausgeberschaft der Zeitschrift Die Tatwelt gemeinsam mit Euckens Schwester Ida ­Eucken weiterführte61, nachdem Ida und ihre Mutter sie Anfang 1935 von Euckens Ehefrau Edith Eucken-Erdsiek übernommen hatten, die sie Ende 1934 aus politischen Gründen aufgeben musste.62 Und es waren Benno von Hagen und dessen Frau, die Ida auf ihrem Krankenlager bis zum Tod pflegten, und die Walter ­Eucken nach dem Tod seiner Schwester im Oktober 1943 für alle das Haus in der Botzstraße in Jena betreffende Angelegenheiten zu Bevollmächtigten einsetzte.63

4. Jenaer Prägungen des Gymnasiasten Das letzte Schuljahr 1908/09 hielt für den siebzehnjährigen Walter ­Eucken unvergessliche Ereignisse bereit: Im Frühjahr 1908 stand er dem Maler Ferdinand Hodler Modell, im Dezember wurde seinem Vater Rudolf ­Eucken der Nobelpreis für Literatur verliehen. Mit Blick auf dieses Jahr lassen sich beispielhaft die 58 

Hagen (o. J.: 43). Hagen (o. J.: 43). 60 ­Eucken an von Hagen, 11.3.1915, ThULB, NL WE. 61  Vgl. Hagen (o. J.: 36). 62  Vgl. Klinckowstroem (2008: 397 f.). 63  Vgl. Hagen (o. J.: 33, 44 f.). 59 

4. Jenaer Prägungen des Gymnasiasten



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Prägungen aufzeigen, die E ­ ucken im Jena seiner Jugend in Schule, Elternhaus und geistig-kulturellem Umfeld seiner Familie erhalten hat. An Ostern 1908 kam Walter E ­ ucken in die Oberprima. Der Schuljahrsbericht 1908/0964 gibt detailliert Auskunft über sein Lernpensum im letzten Schuljahr: Klassenlehrer war der Direktor Dr. Otto Apelt, der Latein (7 Stunden) und Griechisch (6 Stunden) unterrichtete. Auf dem Lehrplan standen Tacitus’ Historien sowie wöchentliche Klassenarbeiten im Anschluss an Tacitus, Cicero, Horaz mit grammatischen Wiederholungen, zudem Horaz’ Ars poetica. In Griechisch wurde Sophokles’ Antigone gelesen, außerdem kursorisch Euripides’ Phoenisses und Platons Gorgias, alle vierzehn Tage stand eine Übersetzung aus dem Griechischen an. Im Fach Deutsch (3 Stunden) beschäftigte sich Walter bei Prof. Dr. Otto Schrader mit Goethes Lyrik und Dichtung und Wahrheit, im 2. Halbjahr dann mit Schillers Wallenstein. Insgesamt hatte er sieben Aufsätze zu schreiben. In Französisch (2 Stunden) bei Prof. Dr. Otto Unrein, dem Schwiegersohn von Ernst Abbe, standen Darnys Histoire de France; Corneilles Le Cid; Mirabeaus Discours choisies auf dem Plan, außerdem waren von Stunde zu Stunde schriftliche Übungen zur Formenlehre abzuliefern und alle drei Wochen fand eine Klassenarbeit statt. Im Wahlfach Englisch (2 Stunden) bei Dr. Wicklein ging es um Gedichte und Dickens’ Christmas Carol, begleitet von grammatischen Besprechungen und Konversation. Im Fach Religion (2 Stunden) bei Prof. Dr. H. Hilgenfeld waren die Grundzüge der protestantischen Religionslehre nach Mehlhorns Leitfaden dran, außerdem eine Auswahl der Briefe des Paulus an die Galater und die Römer im Urtext. Im Fach Mathematik (4 Stunden) bei Dr. O. Wagner ging es in der Oberprima um »Kegelschnitte in analytischer Behandlung, Rotationskörper; Einfache unendliche Reihen sowie zusammenfassende Wiederholungen und Aufgaben aus allen Gebieten«. Im Fach Physik (2 Stunden), auch bei Dr. Wagner, war die Mechanik an der Reihe sowie »Einiges aus der mathematischen Geographie und aus der Astronomie.« Im Fach Geschichte und Erdkunde (3 Stunden) bei Prof. Dr. O. Dobenecker befasste sich Walter ­Eucken mit der neueren und neuesten Geschichte von 1648 bis 1871 sowie – in der Erdkunde – mit den Britischen Inseln und dem britischen Weltreich. Während der Schulferien im August 1908 machte Walter mit seinem Bruder Arnold, der mittlerweile als promovierter Physikochemiker in Berlin an seiner Habilitation arbeitete, eine dreiwöchige Bergtour. Sie starteten in Oberstdorf im Allgäu und bestiegen den Hochvogel. Danach »durchwanderten und durchkletterten« sie die Parseieralpen und »[v]on dem Parseiergebiet aus wandten wir uns den Oetztalern zu, und haben auch dort die meisten höchsten Gipfel erstiegen. So auch als höchsten Punkt die Wildspitze (3774). […] Die große Anstrengung, die herrliche Natur und nicht zuletzt auch das Leben auf den Hütten, 64 

Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1908/1909: 5).

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kurz das ganze Milieu wirkt so wunderbar erfrischend […]«, berichtete Walter seiner Großmutter, nachdem er »wieder vergnügt und braungebrannt in Jena angekommen«65 war. Auf der Schulfeier zum Reformationsfest am 31. Oktober 1908 war es der siebzehnjährige Walter Eucken, der die Luther-Rede hielt und sich dafür das Thema »Luther auf der Veste Coburg«66 gewählt hatte, sich also mit jenen fünf Monaten befasste, die der mit Reichsacht und Kirchenbann belegte Reformator im Jahr 1530 dank der Toleranz und freiheitlichen Gesinnung der Coburger Herzöge an diesem sicheren Zufluchtsort verbringen konnte, während in Augsburg der Reichstag stattfand, auf dem das Augsburger Bekenntnis verlesen wurde. Jahrzehnte später indes vertraute ­Eucken seinem Freund Rüstow an, Luther stehe ihm fern, und konstatierte: »Mein Christentum ist das […] eines Leibniz oder Kant.«67 Das beträchtliche Schulpensum scheint E ­ ucken nicht ausgelastet zu haben, denn seiner Großmutter klagte er im Dezember 1908: »[G]erade jetzt ist das Gymnasium wirklich sehr langweilig.«68 Seinen 18. Geburtstag feierte ­Eucken im Januar 1909 als »ein frohes und vergnügtes Fest […] – das letzte im Elternhause«, wie er seiner Großmutter noch am gleichen Tag berichtete und zum Dank für ihr Geburtstagsgeschenk schrieb: »Habe vielen herzlichen Dank für das schöne Geschenk. Gerade dieses Weihnachten hatte Arnold mir ein Cigarettenetui geschenkt. Das war ja schön und gut; aber nur eins fehlte: die Cigaretten. Die Lücke, liebe Großmutter, hast Du jetzt ausgefüllt; und es ist wirklich so angenehm und ausruhend nach der Arbeit sich eine Cigarette anzubrennen. Wie oft hatte ich es bis jetzt vermißt.«69

Im Februar 1909 trat ­Eucken in den Tagen vom 4. bis 9. Februar zur schriftlichen Reifeprüfung an. Am 9. Februar konnte er erleichtert berichten: »Heute habe ich das Schriftliche nun vollendet, ich hoffe glücklich. Einige wenige Stunden haben wir jetzt noch, die einem wohl mehr als Colleg vorkommen, und dabei ist hier so schönes Winterwetter, daß man mit Rodeln und Eislauf sich prächtig vergnügen kann.«70 65 ­Eucken an Athenäa Passow, 30.8.1908. ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 11–12a, in ­Eucken GS, B III.1. 66  Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1908/1909: 4). 67 ­Eucken an Rüstow, März 1944, zit. nach Lenel (1991: 12). Siehe dazu auch Blümle/ Goldschmidt (2000: 38, Anm. 156). 68 ­Eucken an Athenäa Passow, 28.12.1908, ThULB, NL RE, zit. nach Hüfner (1995: 19). 69 ­Eucken an Athenäa Passow, 17.1.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 1 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 70 ­Eucken an Athenäa Passow, 9.2.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 3–6, in E ­ ucken GS, Band III.1.



4. Jenaer Prägungen des Gymnasiasten

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Die mündlichen Prüfungen waren auf den 12. und 13. März festgesetzt, doch ­Eucken gehörte zu den neun Abiturienten, die davon befreit waren.71 Gleich am 14. März 1909 berichtete er seiner Großmutter nach Blankenese bei Hamburg mit den besten Grüßen auch an Onkel Hermann72, Tante Dora und seinen drei Jahre jüngeren Vetter Alexander Passow, bei denen sie inzwischen wohnte: »Man fühlt sich doch sehr erleichtert, wenn man die Prüfung intus hat.« Im Hinblick auf seine bevorstehende Studienwahl ließ er sie wissen: »Noch bin ich unsicher, wohin ich mich in meinem ersten Semester wenden werde, aber wahrscheinlich werde ich weder nach Kiel noch nach Freiburg gehen, sondern nach Tübingen. Und das hat folgenden Grund: Im letzten Jahre haben sich meine wissenschaftlichen Interessen wesentlich verschoben. Hatte ich nämlich früher mich hauptsächlich für die Wirtschaftsgeschichte des Altertums interessiert, so kam mir erklärlicherweise es oft vor, mich in nationalökonomischen Werken über manches zu unterrichten. Diese Wissenschaft – die Nationalökonomie – zog mich nun so an, daß ich mich ganz in ihre Entwicklung – die ja von der Aufklärung an beginnt – vertiefte. Also habe ich als mein Studium angegeben: Geschichte (und zwar neuere) und Staatswissenschaften. Da es nun in Kiel und Freiburg gerade an einführenden Kollegs fehlt, so habe ich mich nach langen Erwägungen entschieden, Tübingen vorerst in Aussicht zu nehmen.«73

Das Reifezeugnis wurde ­Eucken auf der Abiturfeier der Schule am 18. März 1909 ausgehändigt. Wie der Schuljahrsbericht vermerkt, hielt Schuldirektor Apelt eine Ansprache »in der er das gegenseitige Verhältnis von Einseitigkeit und Vielseitigkeit zu kennzeichnen versuchte.«74 Aus der Sturdza-Bücherstiftung wurde E ­ ucken zur Auszeichnung »mit einem größeren Werk«  – welches, ist nicht vermerkt – bedacht.75 Die Studienwünsche von Euckens Abiturjahrgang sind dank der Auflistung ­ ucken hatte die Beschäftigung im Schuljahrsbericht überliefert:76 Bei Walter E mit der Wirtschaftsgeschichte des Altertums ungewöhnlich früh das Interesse für Wirtschaftsfragen geweckt. Bereits als Siebzehnjähriger hatte er sich mit Begeisterung in das Werk des klassischen Nationalökonomen Adam Smith und dessen Theorie der Arbeitsteilung vertieft.77 So ist im Schuljahrsbericht als Studienwunsch von E ­ ucken angegeben: »studiert Geschichte und Staatswissen71 ­Eucken an Athenäa Passow vom 14.3.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 8 f., in ­Eucken

GS, Band III.1. Vgl. dazu auch Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1908/1909: 4). 72 Hermann Passow (1865–1919) leitete als studierter Baustoff-Chemiker ein Versuchsinstitut zur Herstellung von Zement aus Hochofenschlacke in Blankenese bei Hamburg. 73 ­ Eucken an Athenäa Passow vom 14.03.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 8 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 74  Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1908/1909: 4). 75  Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1908/1909: 10). 76  Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1908/1909: 12). 77  Vgl. Hagen (o. J.: 42).

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schaften.« Bei den anderen 26 Abiturienten seines Jahrgangs werden folgende Studienwünsche aufgeführt: Medizin (fünf Mal), Nationalökonomie (zwei Mal), klassische Philologie (vier Mal), Mathematik und Naturwissenschaften (ein Mal), Mathematik und Physik (ein Mal), Rechte (sechs Mal), Chemie (ein Mal), Tierarzneikunde (ein Mal), Bankfach (ein Mal), Kaufmann (ein Mal), Marine (ein Mal), Heer (ein Mal) und Kunstgeschichte (ein Mal). Ein Jahr später, zu Ostern 1910, legte auch Euckens Freund Erich Schott das Abitur ab, gemeinsam mit dem späteren Mathematiker und Philosophen Rudolf Carnap (1891–1970).78 Neben der Schule bot das Elternhaus dem jungen E ­ ucken vielfältige geistige Anregungen. So übersetzte der Vater mit ihm die Schriften des Aristoteles.79 Dabei ging es Rudolf E ­ ucken wohl vor allem darum, den lebendigen Geist der klassischen Texte anschaulich zu machen und dafür Begeisterung zu wecken, nicht um die Vermittlung von bloßem Fachwissen.80 Auch hat Rudolf ­Eucken sicherlich seinen Sohn Walter bereits während der Gymnasialzeit mit Platon und Kant – für ihn die »großen Helden des Denkens« – vertraut gemacht, wie es ihm in seinen Reformvorschlägen für einen Philosophie-Unterricht im Gymnasium vorschwebte: Die Ideenlehre Platons hielt Rudolf ­Eucken für besonders geeignet für den Bildungsprozess von Jugendlichen, da sie »mit wunderbarer Kraft« die »Überlegenheit der Denkarbeit über alles menschliche Meinen und Mögen« verkörpere. Sie kämpfe »für eine Unabhängigkeit des Menschen von Schicksal und Umgebung, für ein Wurzeln des Lebens in der eigenen Kraft.« Kant mache den Jugendlichen bewusst, dass wir die Dinge nicht unmittelbar sehen, sondern »durch unsere eigene Organisation hindurch.« Wichtig erschien es Rudolf E ­ ucken zudem zu vermitteln, dass Kant die moralische Handlung als einen Wert in sich selbst versteht, dass so eine neue Welt »von der moralischen Persönlichkeit aus«81 entworfen werde. Auch mit Erziehungsfragen hatte sich Euckens Vater intensiv beschäftigt und dazu publiziert. So plädierte er bereits im Vorgriff auf später aufkommende reformpädagogische Anschauungen »für eine freie Entwicklung der Individualität der Schüler und die Erziehung zu geistiger Selbständigkeit und ›Selbsttätigkeit‹« sowie für »die Erweckung intrinsischer Lernmotivationen.«82 Auf die Erziehung von Walter und seinen Geschwistern hatten die pädagogischen Anschauungen ihres Vaters sicherlich Einfluss. Die Lebenseinstellung, die sein Vater ihm vermittelte, war für Walter E ­ ucken prägend: Die Ablehnung einer »nach außen gerichtete[n], einseitig technische[n] und materielle[n] Kultur«  – einer »bloßen Arbeitskultur«, die Überzeugung »daß die Arbeit nur eine Seite des […] Lebens bilde, daß sie durch eine Geistes78 

Vgl. Jahresbericht Carolo-Alexandrinum (Schuljahr 1909/1910: 37). Vgl. Lenel (1990: 15). 80  Vgl. Eucken, R. (1891b: 52 f., 55 f.) und Schäfer, M. (2020: 116). 81  Eucken, R. (1903: 234 ff.), zit. nach Schäfer, M. (2020: 120). 82  Vgl. Schäfer, M. (2020: 117). 79 

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kultur ergänzt werden müsse, wenn nicht das Ganze und Innere des Menschen herabgedrückt werden sollte«83, und das, was der Vater für besonders wichtig hielt: »Volle Wahrhaftigkeit und einen ehrlichen Kampf zwischen dem kleinen Menschen und der großen Geisteswelt, zwischen Zeit und Ewigkeit.«84 Prägend für den jungen E ­ ucken war außerdem seine Freundschaft mit Erich Schott, dem zweitältesten Sohn des Direktors der Jenaer Glaswerke, der mit seinen Eltern und vier Geschwistern in einer auf dem Werksgelände errichteten Villa lebte.85 Unvergessen blieben ­Eucken die gemeinsamen Erlebnisse in der Tanzstunde, in der Sommerfrische im Thüringer Wald, bei einer Harzreise und besonders bei Experimenten im Keller von Schotts Elternhaus.86 Schott – und wohl auch sein Schulfreund Eucken  – erhielt frühzeitig Einblick in den Glashüttenbetrieb, dessen Mitarbeiterzahl während ihrer Schulzeit von 450 im Jahr 1900 auf rund 1100 im Jahr 1909 anstieg.87 In Erich Schott, der nach Studium der Chemie und Physik und anschließender Promotion 1927 seinem Vater in der Geschäftsleitung nachfolgte, sollte E ­ ucken einen lebenslangen Freund und Diskussionspartner haben. Sehr beeindruckt war E ­ ucken von Schotts Vater, dem Chemiker und Glastechniker Otto Schott, dem – wie ­Eucken ihn später erinnern sollte – »berühmten Schöpfer des Glaswerkes Schott und Gen. in Jena«, eine »ungewöhnliche Persönlichkeit«, die »auf seine Kinder sehr stark gewirkt« habe. Im Rückblick hielt ­Eucken fest: »Otto Schott war politisch Demokrat. Er stand den Auffassungen von Ernst Abbe nahe. Ich erinnere mich deutlich, wie wir als junge Leute seinen klaren und überzeugenden Darlegungen über politische Fragen zuhörten und uns beeinflussen ließen.«88 Zudem profitierte ­Eucken auch davon, dass er bei Diskussionen seines eigenen Vaters mit Universitätskollegen sowie Unternehmern und leitenden Angestellten der Firmen Zeiss und Schott – Ernst Abbe (1840–1905), Otto Schott (1851–1935), Siegfried Czapski (1861–1907) und Rudolf Straubel (1864–1943) – dabei sein durfte, bei denen es angesichts der anwachsenden Zahl von Industriearbeitern vor allem um die soziale Frage ging. Dabei lernte ­Eucken die von den Jenaer Unternehmern vertretene Einstellung eines sozialen Liberalismus kennen, der sie veranlasste, frühzeitig den Acht-Stunden-Tag einzuführen und große Teile des Unternehmensgewinns in soziale Projekte und die Förderung von Bildung, Wissenschaft, Kunst und Sport zu investieren.89 83 

Eucken, R. (1922: 93). Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 10). 85  Vgl. Steiner (1991: 65). 86 ­Eucken an Erich Schott, 9.1.1947, SCHOTT Archiv, IV/1.57. 87  Vgl. Steiner (1991: 65). 88  Eucken, Gutachten betr. Erich Schott, 9.1.1947, ThULB, NL WE. 89  Vgl. dazu Dathe (2014a: 88). 84 

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Womöglich wurde damit bereits der Grund dafür gelegt, dass E ­ ucken Jahrzehnte später im ersten Kapitel seiner Grundsätze der Wirtschaftspolitik feststellen sollte: »Soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit sind die großen Anliegen der Zeit. Die soziale Frage ist seit Beginn der Industrialisierung mehr und mehr zur Zentralfrage menschlichen Daseins geworden. Sie hat eine eminente geschichtliche Kraft. Auf ihre Lösung müssen Denken und Handeln vor allem gerichtet sein.«90 Auch sollte ­Eucken den dritten seiner Londoner Vorträge – den letzten, den er vor seinem plötzlichen Tod selbst vortrug – der sozialen Frage widmen und mit Bezug auf den »Kernpunkt der sozialen Frage: Die Freiheit«91 feststellen: »Die Unfreiheit ermöglichte den Druck auf die Daseinsbedingungen. Die Herrschaft privater oder öffentlicher Machtkörper gefährdete die Durchsetzung der Gerechtigkeit; und mangelnde Sicherheit entsprang aus mangelnder Freiheit. Ohne Freiheit der Person ist die soziale Frage nicht zu lösen.«92 Zur Familie ­Eucken gehörte ein »immer liebevoll angeredeter Hund, Strick genannt«, der bei den vom Vater zuhause abgehaltenen Plotin-Seminaren, wie Benno von Hagen aus dem Wintersemester 1907/08 erinnert, »unter dem Tische liegen durfte«, und »dem Seminar einen überaus behaglichen Charakter«93 verlieh. Auch exotische Vögel wurden gehalten, seit Walter Euckens Bruder Arnold 1898 mit vierzehn Jahren Mitglied des Ornithologischen Vereins in Jena geworden war und Singvögel zu züchten versuchte.94 In der Familie wurden private Theateraufführungen veranstaltet, und es wurde viel musiziert, vor allem Klavier gespielt und gesungen. Euckens Schwester Ida bildete sich zur Konzertsängerin aus und konzertierte später unter anderen mit Max Reger. Walter E ­ ucken entwickelte eine schöne Bassstimme95 und sang in privater Runde gern Opernarien. Ernst Ludwig Kirchner hat in seinem Gemälde »Musikzimmer II«96 die Atmosphäre eingefangen, wie er Irene ­Eucken schrieb: »Ich sah Sie beide in dem Musik[zimmer. Ihre] Tochter stand am Klavier u. sang. Sie selbst lagen auf dem Divan u. regten sie an.«97 In Erinnerung an seinen Aufenthalt im Hause E ­ ucken schrieb er: »Für mich ist der freiheitliche Geist des Hauses E ­ ucken […] eine schönste Erinnerung. Dieser Geist ist der stärkste Schutz der akademischen Freiheit in Jena.«98 90 ­Eucken

([1952] 2004: 1). (1951: 39). 92 ­Eucken (1951: 39 f.). 93  Hagen (o. J.: 8). 94  Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 10). 95  Vgl. Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 11). 96  Das 1915 in Jena begonnene Gemälde hat Kirchner erst 1920 vollendet. Vgl. Wahl (2009: 313). 97  Kirchner an Irene Eucken, 6.1.1918, in Wahl (2009: 321). 98  Kirchner an Irene Eucken, 5.2.1920, in Wahl (2009: 326). 91 ­Eucken

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Vielfältige Anregungen erhielt der Schüler Walter ­Eucken auch von seiner Großmutter mütterlicherseits, der Publizistin Athenäa Passow. Rudolf ­Eucken charakterisierte sie als »eine sehr geistvolle und unermüdlich tätige Frau.«99 Die ersten vier Lebensjahre hatte Euckens Großmutter in Athen verbracht, denn ihr aus Bremen gebürtiger Vater Heinrich N. Ulrichs (1807–1843) hatte als klassischer Philologe und Archäologe zu den Gründungsprofessoren der Universität Athen gehört. Als im Jahr 1909 diskutiert wurde, ihn mit einem Denkmal zu ehren, schlug der achtzehnjährige ­Eucken seiner Großmutter vor, stattdessen eine »Ulrichsstiftung« zu errichten, »dann könnte vielleicht jährlich ein jüngerer Archäologe 3–400 Mark bekommen. […] Wie oft würde dann jener Name genannt, wie dankbar würde sich dann auch die jüngere Generation jenes Mannes erinnern!«100 Dem jungen E ­ ucken eröffnete die Großmutter die »Liebe zum klassischen Altertum«101 und den Zugang zur Literatur. Mit ihr diskutierte Walter beispielsweise die Geschichte der verschiedenen Bearbeitungen Goethes zum Götz von Berlichingen102 oder Dramen von Henrik Ibsen, die er im Jenaer Theater gesehen hatte. Das Ibsen-Stück John Gabriel Borkmann habe er gelesen und zunächst als ganz packend empfunden, berichtete er ihr im Januar 1909, stellte dann aber fest: »[…] daß ich dieses Stück für ganz überspannt halte. Am schlimmsten ist, daß Ibsens Gestalten ganz der eigne Wille fehlt. Ihre Anlage schreibt ihnen alles vor. Und diese Anlage ist vollständig hysterisch. […] Die Reflexion nimmt in diesem psychologischen Drama wohl einen zu großen Raum ein.«103 Euckens erste Publikation überhaupt war seine Rezension zu dem von seiner Großmutter veröffentlichten Buch über Jean Pauls Siebenkäs.104 Der von seinen Eltern geführte philosophisch-künstlerische Salon, die von ihnen zuhause veranstalteten Lesungen, Vorträge, Konzerte und Gesprächsabende und überhaupt die elterliche Gastfreundschaft ermöglichten bereits dem Gymnasiasten ­Eucken die Begegnung mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten des geistigen und künstlerischen Lebens der damaligen Zeit: mit Philosophen wie Ernst Cassirer, Max Scheler, Julius Goldstein; mit Theologen wie dem in London lebenden katholischen Religionsphilosophen Friedrich von Hügel und dem lutherischen Theologen Nathan Söderblom aus Schweden; mit Historikern wie Friedrich Meinecke und Hermann Oncken, die der Einladung des Vaters 99 

Eucken, R. (1922: 73). an Athenäa Passow, 14.3.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 8 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 101  Eucken, R. (1922: 73). 102 ­Eucken an Athenäa Passow, 9.2.1909. ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 3–6, in ­Eucken GS, Band III.1. 103 ­ Eucken an Athenäa Passow, 17. Januar 1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 1 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 104 ­Eucken (1912). 100 ­Eucken

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folgten; zudem mit Gästen der Mutter, zu denen Schriftsteller und Dichter wie Gerhart Hauptmann, Theodor Däubler, Stefan George, Hugo von Hofmannsthal, Maler wie Ferdinand Hodler, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Edvard Munch, Ludwig von Hofmann, Hans Olde oder der Bildhauer Richard Engelmann, der Architekt Henry van de Velde, der Musikwissenschaftler Hugo Daffner oder der den Eltern besonders freundschaftlich verbundene Komponist Max Reger zählten.105 Unvergessen blieb ­Eucken die Begegnung mit dem Dichter Stefan George106, der im Dezember 1905 von Euckens Mutter auf Vermittlung von Ludwig von Hofmann und Botho Graef, dessen Schwester Sabine Lepsius George aus Berlin kannte, im Elternhaus zu einer Lesung eingeladen war.107 ­Eucken beschäftigte sich daraufhin eingehend mit dem Werk Georges.108 Zwanzig Jahre später machte ­Eucken den Vorschlag, für die Tatwelt einen Autor zu gewinnen, der sich in einem Aufsatz vergleichend mit Stefan George und Rudolf E ­ ucken befasst, anstatt  – wie es der Euckenbund erwog  – einen 1925 von George in Kiel gehaltenen Vortrag in der Tatwelt abzudrucken. ­Eucken schwebte dabei ein Aufsatz zum Thema »George und ­Eucken in ihrem Verhältnis zum Griechentum« vor, denn – so erläuterte er seinen Vorschlag: »Was George anlangt, so muß man m. E. davon ausgehen, daß er eine ganz andere Philosophie vertritt, als Eucken. Jeder Aktivismus ist ihm natürlich unsympathisch. Er ist ein Aristokrat, ehrlich aber stark aesthetisierend. Ich glaube, am stärksten prägt sich der Unterschied zu ­Eucken im Verhältnis zur Antike aus.«109 Indes, es fand sich dafür kein Autor. 1930 hat sich dann Edith Eucken-Erdsiek in der Tatwelt kritisch mit George und seinem Kreis auseinandergesetzt.110 Der Begeisterung seiner Mutter für die Kunst verdankte Walter ­Eucken im Frühjahr 1908 eine Episode, die ihm unvergesslich bleiben und die in die Kunstgeschichte eingehen sollte: Als siebzehnjähriger Gymnasiast stand er dem Maler Ferdinand Hodler (1853–1918) Modell für die Mittelfigur – den sogenannten »Rockanzieher«  – des Wandbildes »Aufbruch der Jenenser Studenten in den Befreiungskrieg 1813«111, das heute in der Aula der Friedrich-Schiller-Univer105 

Vgl. Dathe (2014a: 87). Begegnung mit George rief ­Eucken anlässlich der Eröffnung der Richard Engelmann-Ausstellung am 2. Dezember 1945 in Freiburg in Erinnerung. Vgl. ­Eucken ([1945] 1968: 12). 107  Vgl. Karlauf (2007: 755, Anm. 33). Thomas Karlauf verweist hier auf den Aufsatz Erdsiek (1930), bezieht indes den Autorennamen E. Erdsiek irrtümlicherweise auf Euckens Mutter Irene Eucken; Autorin ist jedoch Euckens Ehefrau Edith Eucken-Erdsiek. 108 Wie aus Briefen an seine Großmutter Athenäa Passow zu entnehmen ist. Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 52). 109 ­ Eucken an Sekretariat des Euckenbundes, 9.5.1925. ThULB NL RE, VI, 1, in ­Eucken GS, Band III.1. 110  Erdsiek (1930). 111 Neben diesem Wandbild  – Ferdinand Hodler (1909): Aufbruch der Jenenser 106 Die



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sität Jena hängt. Benno von Hagen berichtete später: »Ich erinnere mich noch der ein wenig zwiespältigen Haltung des jungen ›Freiheitskämpfers‹, der vom Plan und Wirken seiner kunstbegeisterten Mutter durchaus erfüllt war, aber die ›Prozeduren‹ jungenhaft ablehnte, die Hodler beim Malen von seinem ›Objekt‹ verlangte.«112 ­Eucken selbst schilderte seine Begegnung mit Hodler fast vierzig Jahre später, im August 1947, in einem Brief 113 an den in St. Gallen lehrenden Ökonomen Walter Adolf Jöhr (1910–1987), der ihn als Sammler von Hodler-Bildern darum gebeten hatte. »Obwohl mir die Ereignisse sehr deutlich vor Augen stehen, ist es nicht ganz einfach für mich, die Zeit zu bestimmen«, räumte E ­ ucken ein und meinte zu erinnern, die Begegnung habe »Ende August und Anfang September 1908«114 stattgefunden. Tatsächlich wohnte Hodler jedoch in der Zeit vom 15. April bis 2. Mai 1908 als Gast in Euckens Elternhaus, um Vorstudien anzufertigen.115 Euckens Mutter hatte als Geschäftsführerin der Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar, die das Bild für den Universitätsneubau stiften wollte, im Juli 1907 brieflich bei Hodler angefragt, ob er den Auftrag übernehmen wolle. Die Finanzierung von Hodlers Honorar sicherte eine großzügige Spende des mit Euckens Eltern befreundeten Jenaer Psychiaters Otto ­ ucken um Binswanger.116 Im Hinblick auf Hodlers Zusage bemühte sich Irene E die Beschaffung historischer Studentenkleidung sowie zeitgenössischer Darstellungen aus der Zeit der Befreiungskriege117 und lud Hodler nach Jena ein. »Hodler wohnte bei uns im Hause und wir waren natürlich sehr viel mit ihm zusammen«118, so erinnerte es Walter Eucken. Es habe viele Unterhaltungen und Spaziergänge gegeben. Eines Tages habe Hodler ihn gefragt, ob er ihm Modell stehen wolle zu einer Figur dieses großen Bildes. Studenten in den Befreiungskrieg 1813. Mittelfigur Walter Eucken. Gemälde, FriedrichSchiller-Universität Jena  – entstanden Vorstudien dazu, so u. a. ein Bild, das später die Staatsgalerie in München kaufte. Von dem Münchner Bild habe Hodler die Figur auf das Wandbild in Jena übertragen und davon dann eine Lithographie hergestellt. Siehe dazu auch Wahl (1988:125). Vorbereitend entstand auch die Studie: Ferdinand Hodler (1908). Jenenser Student, rockanziehend, Studie zur Mittelfigur des Gemäldes Aufbruch der Jenenser Studenten in den Befreiungskrieg 1813. Bleistift und Tusche laviert auf Papier, 55,8 × 25,7 cm. Privatbesitz, Schweiz, abgebildet in: Ordnung in Freiheit (1992: I). 112  Hagen (o. J.: 44). 113 Eucken, Typoskript [Erinnerungen an Ferdinand Hodler], Anlage zum Brief ­Eucken an Jöhr, 8.8.1947, ThULB, NL WE, veröffentlicht als E ­ ucken ([1953] 1992: 123 f.). Siehe dazu die Erläuterung von Uwe Dathe auf der Webseite der ThULB Jena unter der Rubrik »Objekt des Monats: Januar 2017«. 114 ­Eucken ([1953] 1992: 123). 115  Vgl. Wahl (1988: 124). Siehe auch die Erläuterung von Uwe Dathe auf der Webseite der ThULB Jena unter der Rubrik »Objekt des Monats: Januar 2017«. 116  Vgl. Wahl (1988: 112 f.) und ­Eucken ([1953] 1992: 123). 117  Vgl. Wahl (1988: 119). 118 ­Eucken ([1953] 1992: 123).

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»Ich war damals siebzehn Jahre alt. Da ich Zeit genug hatte – ich war Oberprimaner –, stimmte ich zu. […] Die Arbeitsweise Hodlers war folgende: Er stellte zunächst vor sich ein Stativ, auf dem sich eine Glasscheibe befand. Durch diese Glasscheibe hindurch betrachtete er den Gegenstand und skizzierte mit weißer Tusche die Umrisse. Dann zeichnete er von dem Glas auf Pauspapier die Figur nach. Auf diese Weise hatte er Dutzende von verschiedenen Stellungen rasch festgehalten. Er legte dann verschiedene […] Skizzen nebeneinander und wählte nach langem Überlegen eine aus, die dann maßgebend blieb. Nun malte er das Bild, und zwar ist es das Bild, das später die Staatsgalerie München kaufte. Alles vollzog sich im Freien auf dem Rasen unseres Gartens. Weil es bisweilen schon etwas kalt war und wir beide froren, haben wir uns häufig durch einen Boxkampf gewärmt. Überhaupt war die Beziehung zwischen uns herzlich. […] Wir sind auch weiterhin noch in Verbindung geblieben und meine Eltern, meine Schwester und ich haben ihn 1913 in Genf besucht.«119

Der Besuch bei Hodler im Jahr 1913 erfolgte, wie Rudolf E ­ ucken festgehalten hat, nachdem Walter seine Eltern und Schwester im Hafen von Genua nach der Rückkehr von deren Amerika-Reise in Empfang genommen hatte und mit ihnen dann »eine herrliche Reise über die Riviera, den Mont Cenis, Montreux und nach Genf« machte. »In Genf war alle Zeit Hodler gewidmet, der uns seine künstlerischen Entwürfe zeigte und sich geistvoll über seine Kunst aussprach […]. [D]ann ging es über Basel nach Hause.«120 Erich Welter121 und Walter Adolf Jöhr122 sahen in diesem Bild des jungen ­Eucken bereits einen Hinweis auf Charakterzüge, die für den späteren Ökonomen E ­ ucken bestimmend gewesen seien: Nachdenklichkeit und Entschlossenheit im Aufbruch. Euckens späterer Kollege und Freund Franz Böhm sah darin »auch eine ruhige Gelassenheit, wie wir sie bei Menschen finden, die sich auch als Einzelperson ihrer Haut zu wehren wissen und es verstehen, sich in Respekt zu setzen, wenn es notwendig ist.«123 Walter Euckens älteste Tochter hat es unlängst präzisiert: »Das Bild zeigt Wesentliches, das ihn ein Leben lang charakterisierte: Innerlichkeit, die zu entschlossenem Aufbruch führt.« Indes, so betont sie, sei es ein Fehlschluss, wollte man glauben, »hier trete ein entschlossener Einzelgänger der Welt entgegen. Der Austausch mit anderen war für ihn von elementarer Bedeutung.«124 Das Jahr 1908 brachte dem siebzehnjährigen E ­ ucken ein weiteres unvergessliches Ereignis: Am 10. Dezember 1908 wurde Rudolf ­Eucken in Stockholm der 119 ­Eucken

([1953] 1992: 123 f.). Eucken, R. (1922: 92). 121  Welter (1957: 500). 122  Jöhr (1950: 259). 123 Franz Böhm, Gedenkworte am Grab Walter Euckens am 30.5.1976, Typoskript, Anlage zum Rundbrief des Vorsitzenden des Eucken-Kreises, Günther Heinicke, 20.12.1976, ThULB, NL WE. 124  [Oswalt-]­Eucken (2014: 73). 120 

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Nobelpreis für Literatur verliehen.125 Der wachsende Erfolg seines Vaters hatte sich bereits angekündigt. Ein im Oktober 1908 in Dresden gehaltener Vortrag des Vaters hatte »ein Publikum von gewiss 3500 Köpfen, dazu mussten Hunderte wegen Überfüllung des Saales zurückkehren.«126 Der Nobelpreis war der Auftakt dafür, dass die Lebensphilosophie Rudolf Euckens in den kommenden Jahren weltweite Anerkennung fand. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt – so u. a. ins Englische, Russische, Finnische, Französische, bald auch ins Spanische und Japanische. Das weltweite Renommee des Vaters zog »aus den verschiedensten Ländern Besucher ins Haus« und führte zu zahlreichen Vortragseinladungen aus dem In- und Ausland. So fuhren Euckens Eltern »zu Besuch in die Welt, in die nordischen Länder, nach England, Frankreich, Italien«127 und schließlich im Wintersemester 1912/13 zusammen mit Euckens Schwester Ida nach Amerika. Als Kaiser-Wilhelm-Austauschprofessor hielt Rudolf E ­ ucken dort Vorlesungen an der Harvard University in Cambridge (Mass.), zudem Vorträge in New York, Boston, Baltimore, Philadelphia, Syracuse und Northhampton128, erhielt Ehrendoktorwürden der University of Syracuse, der Columbia University New York und der New York University und wurde unter anderem auch mit Theodore Roosevelt sowie mit dem Stahlmagnaten und Philanthropen Andrew Carnegie persönlich bekannt.129 Eine danach bereits bis ins Einzelne geplante Vortragsreise durch Russland und Korea nach Tokio und Kyoto, von da in die großen Städte Chinas und zurück durch den Indischen Ozean und über Ägypten konnten Rudolf und Irene ­Eucken aufgrund des Kriegsausbruchs 1914 nicht antreten.130 Indes, zu Beginn des Jahres 1920 erhielt Rudolf ­Eucken in Jena Besuch aus China: Der vormalige chinesische Finanzminister und Philosoph Liang Chi Chao alias Liang Qui Chao (1873–1929), der als Berater der chinesischen Delegation bei der Friedenskonferenz in Versailles zugegen gewesen war, kam in Begleitung zweier chinesischer Professoren zu Besuch, um Näheres über Rudolf Euckens philosophischen Idealismus und Aktivismus zu erfahren.131 Einer der Begleiter war der junge, des Deutschen kundige chinesische Staatsrechtler und Philosoph Carsun Chang alias Zhang Junmai (1887–1969), der anschließend bis 1922 bei Rudolf ­Eucken in Jena studierte und mit ihm gemeinsam publizierte. Als Carsun Chang 1929 wegen zunehmender Repressalien des KuomintangRegimes China verließ und erneut nach Jena kam, hielt er dort bis Herbst 1931 125 

Siehe dazu ausführlich Dathe (2009c). Dathe (2009c: 275). 127  Eucken-Erdsiek (1942: 64). 128  Vgl. Dathe (2009c: 280). 129  Vgl. Eucken, R. (1922: 90). 130  Vgl. Eucken, R. (1922: 96). 131  Vgl. Eucken, R. (1922: 113). 126 

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Gastvorlesungen über chinesische Philosophie132 und wurde von Walter und Edith E ­ ucken 1930 als Autor eines Beitrags für Die Tatwelt gewonnen. Die vielfältigen internationalen Kontakte des Vaters prägten auch die Kinder: Ida E ­ ucken engagierte sich nach dem Tod des Vaters im Rahmen des Rudolf-Eucken-Hauses für die Betreuung ausländischer Studenten und Dozenten in Jena und gab u. a. Deutschkurse für ostasiatische Studenten. Für Walter ­Eucken waren Aufgeschlossenheit für internationale Beziehungen und Einsatz für Studierende aus dem Ausland eine selbstverständliche Haltung.

5. Studienzeit mit Abschluss in Bonn 5.1. Student in Kiel Im Sommersemester 1909 ging ­Eucken zum Studium nach Kiel133, wo von 1902 bis 1904 auch sein Bruder Arnold studiert hatte.134 In seinem ersten Kieler Semester belegte E ­ ucken Neuere Geschichte bei Felix Rachfahl (1867–1925) und das gerade neu eingerichtete Studienfach Nationalökonomie bei Bernhard Harms (1876–1939), der zuvor von 1906 bis 1908 an der Universität Jena ein von der Carl-Zeiss-Stiftung finanziertes Extraordinariat für Sozialpolitik135 innehatte und fünf Jahre später das Kieler Institut für Weltwirtschaft gründen sollte. »Harms ist ein sehr junger Mann. […] Er spricht sehr fascinierend und eindringlich, doch ist er wohl nicht so gründlich wie Professor Rachfahl«, berichtete der Studienanfänger ­Eucken seiner Großmutter Anfang Mai 1909.136 Indes, rund zwanzig Jahre später sah E ­ ucken Harms in anderem Licht, wie aus der Korrespondenz mit seinem wissenschaftlichen Freund Rüstow hervorgeht: »Harms«, meinte ­Eucken nun, »der […] im Übrigen völlig unfähig ist, auch nur den bescheidensten theoretischen Gedanken zu verstehen.«137 Andererseits sei Harms »sicher ein Mann, der wichtige Probleme [sehe] […] und der die richtigen Leute heranzieh[e]«138, und deshalb, so meinte E ­ ucken 1929, ein geeigneter Kandidat für den Vorsitz des Vereins für Sozialpolitik. 132 

Vgl. Schäfer, M. (2020: 328 f.). In Kiel wohnte E ­ ucken unter folgenden Adressen: Beselerallee 48, Parterre (Sommersemester 1909); Muhliustraße 6 (Wintersemester 1909/10); Feldstraße 7 (Sommersemester 1910). Vgl. Hüfner (1995: 22, Anm. 70). 134  Vgl. Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 10 f.). 135  Vgl. Dathe (2014a: 88). 136 ­Eucken an Athenäa Passow, 3.5.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 19 f., in Eucken GS, Band III.1. 137 ­Eucken an Rüstow, 19.5.1928, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 357 f., in Eucken GS, Band III.1. 138 ­Eucken an Rüstow, 21.1.1929, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 296, in Eucken GS, Band III.1. 133 



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Nachdem ­ Eucken die Pfingsttage 1909 bei seiner Großmutter und der Familie seines Onkels Hermann Passow in Blankenese bei Hamburg verbracht hatte, erwähnte er in seinem Dankesbrief, dass er vorhabe, im Corps Saxonia zu Kiel »activ zu werden.«139 Die 1838 gestiftete Saxonia Kiel gehörte zum Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV ) und war eine pflichtschlagende, farbentragende Studentenverbindung, die damals ein schönes Verbindungshaus neben dem Kieler Yachtclub am Hindenburgufer besaß. Im Juni 1909 schwärmte ­Eucken vom Besuch des Flottenvereins in Kiel: »An all’ diesen schwimmenden Festungen vorbeizufahren ist wirklich ein schönes Vergnügen hauptsächlich im Segelboot«140, und im Juli 1909 berichtete er von der Kieler Woche: »Professor Baumgarten hatte die Liebenswürdigkeit mich zu einer Begleitdampferfahrt […] einzuladen. Es war sehr gemütlich und wir sahen das Rennen der großen Yachten ausgezeichnet.«141 Sein Resümee zum ersten Sommersemester in Kiel lautete: »[I]st es einmal schönes Wetter dann sind die Kollegs nur noch von wenigen besucht. Es ist eben auch wirklich zu verlockend, dann zu segeln oder ­ ucken in Kiel. Ab hinauszufahren, um zu baden.«142 Drei Semester lang blieb E dem zweiten Semester war er nur noch für Nationalökonomie eingeschrieben und hörte möglicherweise auch Vorlesungen bei dem Sozialwissenschaftler Ferdinand Tönnies (1855–1936), der zu dieser Zeit in Kiel Nationalökonomie lehrte.143 5.2. Mitglied im Corps Saxonia Kiel Euckens Entscheidung, als Corpsstudent aktiv zu werden, war womöglich dadurch beeinflusst, dass auch sein Bruder Arnold seit 1903 der Saxonia Kiel angehörte144 und dass sein Onkel Hermann Passow seit 1887145, als er Chemiestudent in Jena war, dem Corps Saxonia Jena angehörte, einer ebenfalls pflichtschlagenden Studentenverbindung. Im Januar 1910 wurde Euckens Studienfreund Kurt Mook als 161. Mitglied und anschließend Walter ­Eucken als 162. 139 ­Eucken an Athenäa Passow, 3.5.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 19 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 140 ­Eucken an Athenäa Passow, 8.6.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 25 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 141 ­Eucken an Athenäa Passow, 18.07.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 16 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 142 ­Eucken an Athenäa Passow, 18.07.1909, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 16 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 143  Vgl. Hüfner (1995: 22). 144  Arnold E ­ ucken wurde im Jahr 1903 als 141. Mitglied der Saxonia Kiel rezipiert. Vgl. Rügemer (1910: 592). 145  Hermann Passow wurde im Jahr 1887 als 471. Mitglied der Saxonia Jena rezipiert. Vgl. Rügemer (1910: 559).

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Mitglied ins Corps Saxonia Kiel rezipiert.146 Von da an durfte E ­ ucken das grünweiß-bordeauxrote Band tragen, war auf dem Paukboden aktiv und trainierte das Säbelfechten im Hinblick auf die Mensur, bei der es dann darauf ankam, die Kampfsituation den Regeln entsprechend diszipliniert und ohne äußere Anzeichen von Furcht durchzustehen, sich also in Tapferkeit zu üben. Als Mitglied der »Kieler Sachsen«, wie sie auch genannt wurden, galt auch für ­Eucken deren Wahlspruch »virtuti semper corona!« Die mit den »virtutes« angesprochenen Kardinaltugenden  – Tapferkeit, Klugheit, Mäßigkeit, Gerechtigkeit – dürften ihm noch aus seiner Cicero-Lektüre am humanistischen Gymnasium geläufig gewesen sein. Als Andenken an die Mensuren seiner aktiven Corpsstudentenzeit in Kiel blieb E ­ ucken ein unübersehbarer Schmiss auf der linken Wange. Als er sein Studium ab dem Wintersemester 1910/11 in Bonn fortsetzte, wurde er zum inaktiven Corpsmitglied mit Band. Indes, gut zwanzig Jahre später, im Juli 1934, gab ­Eucken das Band zurück und beauftragte seinen Corpsbruder, den Kieler Rechtsanwalt und Notar Hans Kröger, mit der Abgabe seiner Austrittserklärung aus der Saxonia Kiel.147 Aus der erhaltenen Korrespondenz erschließt sich nicht, was E ­ ucken an seinem Corps Saxonia Kiel konkret missfallen hat. In einem Briefentwurf vom August 1934 an seinen Corpsbruder Kröger findet sich als Begründung lediglich Euckens Feststellung: »Das Grundprinzip des Corpsstudententums war das Prinzip der Treue. Dieser Grundsatz ist 1933 von allen Corps (mit Ausnahme der suspendierten) durch die Tat in radikaler Weise verletzt worden. Indem dies geschah wurde die corpsstud. Idee aufgegeben.«148 ­Eucken zog daraufhin, wie er Kröger mitteilte, für sich die Konsequenz, »daß ich dem Corps nie mehr wieder angehören kann.«149 Ergänzend stellte ­Eucken fest: »Sollte später einmal die Ariergesetzgebung geändert werden, so würde ich die Wiederannahme des Bandes unter keinen Umständen in Erwägung ziehen. Mein Ausscheiden aus der Saxonia ist endgültig und unwiderruflich.«150 Auch als Kröger nach Kriegsende vorschlug, die Beziehung zum Corps wiederaufzunehmen, lehnte ­Eucken einen Wiedereintritt in die Saxonia Kiel entschieden ab und ließ Kröger 1946 wissen: »Im übrigen sind die Erfahrungen, die man inzwischen persönlich gemacht hat, so, daß man keine Neigung besitzt, wieder in eine nähere Beziehung zum Corps zu treten.«151

146 

Vgl. Rügemer (1910: 592). Brieftelegramm E ­ ucken an Kröger, 27.7.1934, auf das im Brief Kröger an Eucken, 28.7.1934, ThULB, NL WE, verwiesen wird. 148 ­Eucken an Kröger, 12.8.1934 (handschriftlicher Entwurf ), ThULB, NL WE. 149 ­Eucken an Kröger, 12.8.1934 (handschriftlicher Entwurf ), ThULB, NL WE. 150 ­Eucken an Kröger, 12.8.1934 (handschriftlicher Entwurf ), ThULB, NL WE. 151 ­Eucken an Kröger, 14.4.1946, ThULB, NL WE. 147 

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5.3. Student in Bonn und Jena Zum Wintersemester 1910/11 wechselte ­Eucken nach Bonn, wo er – mit Ausnahme des in Jena verbrachten Sommersemesters 1911 – bis zur Promotion im März 1913 blieb. Auch sein Kieler Freund Kurt Mook hatte sich zum Wintersemester 1910/11 an der Universität Bonn eingeschrieben. Er wohnte mit seinem ebenfalls nach Bonn gewechselten Bruder Herbert Mook in der Endenicherstraße 10a, in der Nachbarschaft von Walter Eucken, der in der Endenicherstraße 10c152 eine Wohnung bezogen hatte. Das darauffolgende Sommersemester 1911 verbrachte ­Eucken im heimatlichen Jena. Im Frühjahr 1911 hatten Euckens Eltern in Jena das neu erworbene Haus in der Botzstraße 5 bezogen. Im Mai 1911 zog auch Walter E ­ ucken dort ein und immatrikulierte sich für das Sommersemester 1911 in der Universität Jena.153 Seine Eltern waren im Sommer nach England gereist, wo Rudolf ­Eucken auf Einladung der British and Foreign Unitarian Association am 7. Juni 1911 in London im Rahmen der renommierten Essex Hall Lectures einen Vortrag über »Religion and Life« hielt, den er dann zwei Tage später am Manchester College, Oxford, wiederholte.154 Auch Walter ­Eucken reiste 1911 ein erstes Mal nach England, um Material für seine geplante Doktorarbeit zu sammeln. Am 14. September 1911 war er aus England nach Jena zurückgekehrt und berichtete seiner Großmutter: »Interessant ist übrigens jetzt der socialistische Parteitag hier. Es sind ausgezeichnete Redner unter den Vertretern.«155 Im Jenaer Volkshaus tagte vom 10. bis 16. September 1911 der Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und einige der Debatten waren öffentlich, so dass der Student ­Eucken womöglich an jenem vierten Verhandlungstag im Volkshaus auf der Tribüne saß und die Rede von August Bebel (1840–1913) zu der seit Juli 1911 schwelenden Marokkokrise verfolgte.156 Vermutlich interessierten ihn auch Bebels Rede und die anschließenden Debatten zu den im Januar 1912 anstehenden Reichstagswahlen, denn am 20. Januar 1912 sollte E ­ ucken dann aus Bonn berichten: »Hier ist sonst wenig passiert. Auch die Reichstagswahl verlief hier wenig aufregend, denn alles ist hier so schwarz Centrum, daß irgendwelche Aussichten für die anderen Parteien gar nicht bestehen. 152 

Vgl. Hüfner (1995: 24). Die Adresse der Brüder Mook verdanke ich Uwe Dathe. acta academica, betr. Immatrikulationen im Sommersemester 1911, Universitätsarchiv Jena, Bestand BA 888, Bl. 96v–97r, Eintrag Nr. 654: Tag der Aufnahme: 15.5.11, Bemerkung über Abgang 31.X. Für diese Angaben danke ich Uwe Dathe. 154  Eucken, R. (1922: 85). Siehe dazu auch Schäfer, M. (2020: 151). 155 ­Eucken an Athenäa Passow, 14.9.1911, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 297 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 156  Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Abgehalten in Jena vom 10. bis 16. September 1911, Vierter Verhandlungstag, Vormittagssitzung, S. 333–348, http://library.fes.de/parteitage/pdf/pt-jahr/pt-1911. pdf (abgerufen am 18.8.2020). 153 Vgl.

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Auf dem Lande besonders ist es sogar unmöglich, einen Versammlungssaal für die anderen Parteien zu bekommen. Es sind wirklich unglaubliche Zustände.«157 Bei den SPD-Parteitagsdebatten in Jena am 16. September 1911 wurde auch Euckens Vater erwähnt: Als Karl Liebknecht (1871–1919) vehement für einen Protest gegen die Finnlandpolitik des zaristischen Russlands plädierte, nahm er Bezug auf »Professor Rudolf ­Eucken aus Jena, der in einem Artikel der ›Frankfurter Zeitung‹ vom 17. Dezember 1909 den ersten Anstoß zu dieser neueren ­ ucken hatte sich in der Tat für das Protestbewegung gegeben hat.«158 Rudolf E Zustandekommen einer erneuten profinnischen Petition engagiert, die letztlich von 67 Vertretern aus Wissenschaft und Kunst in Deutschland und Österreich – darunter Ernst Haeckel aus Jena, der Historiker Georg Kaufmann (1842–1919) aus Breslau, der Komponist Max Reger (1873–1916) aus Leipzig und Henry van de Velde (1863–1957), der Direktor der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule Weimar  – unterzeichnet und am 25. Januar 1910 in der Presse veröffentlicht worden war. Für die Organisation einer profinnischen Stellungnahme von Mitgliedern des deutschen Reichstags wollte sich Rudolf ­Eucken indes nicht einsetzen, da er glaubte, dass fast nur Vertreter der Sozialdemokratie teilnehmen würden, und er eine solche Beschränkung auf nur eine Partei für nicht der Sache dienlich hielt.159 5.4. Promotion in Bonn Am 8. November 1911 immatrikulierte sich Walter ­Eucken erneut an der Universität Bonn für Geschichte, Staatswissenschaften und Jura und schrieb seiner Großmutter zwei Tage später: »Ich arbeite bei Schumacher und hoffe nun so allmählich auf mein Doctorexamen zuzusteuern.« Bonn gefiel ihm. Er wohnte nun in der Moltkestraße 19 und traf sich wieder mit seinem Freund Kurt Mook.160 »Mook ist immer noch hier und arbeitet auch tüchtig«, berichtete er, aber über das Bonner Wetter konnte er nur stöhnen: »Es ist [hier] ziemlich feucht, doch manchmal sehr kalt und windig. Das ist eigentlich schade, denn die Umgebung ist so schön, gerade im Herbst, wenn das ganze Siebengebirge überdeckt mit den bunten Bäumen sich prächtig ausnimmt. Aber wir haben hier nie blauem Himmel. Immer neblig oder bewölkt. Dafür ist ja allerdings das, was 157 ­Eucken

an Athenäa Passow, 20.1.1912, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 29 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 158 Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschland. Abgehalten in Jena vom 10. bis 16. September 1911, Sechster Verhandlungstag, Vormittagssitzung, S.  406, http://library.fes.de/parteitage/pdf/pt-jahr/ pt-1911.pdf (abgerufen am 18.8.2020). 159  Vgl. Wenzel (2010: 52 f.). 160  Herbert und Kurt Mook hatten sich am 20. Oktober 1910 an der Universität Bonn für Jura immatrikuliert. Für diese Angaben zu den Brüdern Mook danke ich Uwe Dathe.

5. Studienzeit mit Abschluss in Bonn



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an künstlerischen Genüssen hier geboten wird, zweifellos erstklassig. Einmal in Bonn selbst, wo doch ein sehr wohlhabendes Publikum lebt, gibt es stets eine Fülle von Vorträgen, Conzerten u. s. f. Und dann eben Cöln. Immerzu, alle halbe Stunde kann man herüberfahren in nur 45 Minuten. Mook und ich fahren so oft in’s Theater, Concerte u. s. f.«161

Zum Skilaufen hatte E ­ ucken nur in den Semesterferien Zeit. So berichtete er wenige Tage nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag: »Die Eltern schenkten mir eine Reise im März zum Skilaufen in den Alpen. Arnold wird mich dann in Jena abholen und zusammen machen wir die Tour wahrscheinlich in die Niederen Tauern.«162 In Bonn konzentrierte sich ­Eucken auf das Studium der Nationalökonomie und besuchte die Seminare und Vorlesungen von Hermann Schumacher (1868–1952) und Heinrich Dietzel (1857–1935), bei denen er später das mündliche Doktorexamen ablegte.163 Bei Schumacher, bei dem er seine Doktorarbeit schreiben wollte, belegte er die Vorlesungen »Allgemeine Volkswirtschaftslehre«, »Ostasiatische Wirtschaftsprobleme« und »Handel und Verkehr«, bei Dietzel die Vorlesungen »Soziale Ideale und Wirtschaftssysteme« und »Finanzwissenschaft«, dazu noch bei Karl Kumpmann (1883–1963) die Vorlesungen »Bismarck als Volkswirt« und »Geld- und Bankwesen« sowie bei Willy Wygodzinski (1869–1921) »Agrarpolitik«. Als weiteren Schwerpunkt hatte ­Eucken das Fach Philosophie gewählt. Bei Adolf Dyroff (1866–1943), dem Professor für katholische Philosophie, bei dem er später die dritte mündliche Doktorprüfung ablegte, besuchte er drei philosophische Seminare – zur »Lektüre Comtes«, zu »Leibniz’ Monadologie« und zur »Lektüre mittelalterlicher Texte«  – sowie die Vorlesungen »Grundfragen der Weltanschauung« und »Psychologie«. Wie Uwe Dathe darlegt, setzte sich Dyroff mit der christlichen Philosophie von Augustinus bis Dante und in diesem Zusammenhang insbesondere mit dem Begriff »ordo« auseinander. Walter ­Eucken sollte dem Begriff »ordo« später im Rahmen seines Konzepts des Ordoliberalismus eine neue Bedeutung geben.164 Zu Euckens Bonner Studienprogramm gehörten darüber hinaus die Vorlesungen »Geschichte der Rechtsphilosophie« bei dem Staatsrechtler und Rechtsphilosophen Karl Bergbohm (1849–1927) und »Geschichte der neueren Philosophie von der Renaissance bis Kant« bei dem Professor für Philosophie und Pädagogik Max Wentscher (1862–1942). Auch Euckens kunstgeschichtliche und literarische Interessen kamen nicht zu kurz: Bei dem Kunsthistoriker Paul 161 ­Eucken

an Athenäa Passow, 10.11.1911, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 39 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 162 ­Eucken an Athenäa Passow, 20.1.1912, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 29 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 163  Grundlegend zu Euckens Bonner Lehrern siehe Goldschmidt (2002). 164  Dathe (2014a: 88 f.).

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I. Jena 1891–1918

Clemen (1866–1947) hörte E ­ ucken im Wintersemester 1911/12 die Vorlesungen über »Die französische Kunst des 19. Jahrhunderts« und über »Das Technische in Malerei und Plastik«. Bei dem Anglisten Karl Bülbring (1863–1917) hörte er im Sommersemester 1912 die Vorlesung zu »Life and works of Robert Burns«, des schottischen Poeten des 18. Jahrhunderts. Während der Bonner Studienzeit unternahm E ­ ucken 1911 und 1912 mehrwöchige Studienreisen nach England, um vor allem in der Bibliothek des Britischen Museums in London für seine Doktorarbeit Material zu sammeln.165 Auch Euckens Schwester Ida hielt sich in England auf, »wo sie zwei Jahre lang ernsthafte Musikstudierende gewesen war.«166 Von seinem zweiten England-Aufenthalt nach Bonn zurückgekehrt, berichtete E ­ ucken im November 1912: »Der Aufenthalt in England ist im ganzen sehr nach Wunsch verlaufen. Die größte Zeit war ich in London, um dort im britischen Museum zu arbeiten. […] Einige Male war ich auch bei Hügels167 eingeladen. […] Einen sehr netten Tag brachte ich in Cambridge zu, wo ich den jungen Tennyson168, der uns im Sommer besuchte, aufsuchte. Der Fluß mit den alten Colleges ist wirklich ganz wunderbar schön. […] Solche und ähnliche kleine Exkursionen aus London waren immer besonders nett, weil in London so oft der berüchtigte dunkle Nebel lag.«169

Auch bei Tennysons Eltern war ­Eucken zu Besuch. Sie wohnten in Aldworth House, dem Sommersitz, den sich Tennysons Großvater, Alfred Lord Tennyson (1809–1892), einer der bedeutendsten britischen Dichter der Viktorianischen Zeit, in West-Sussex hatte errichten lassen. Am 5. März 1913 schloss Walter ­Eucken als 22-Jähriger sein Studium in Bonn mit der Promotion zum Dr. phil. ab  – dem damals ersten akademischen Abschluss – und berichtete anderntags seiner Mutter: »Also gestern ist auch Dein jüngster Sohn in den Doktorstande eingetreten. Das Ziel also, das ich mir dieses Jahr steckte, ist erreicht und zwar erreicht ebenso wie bei Vater und Bruder summa cum laude. Und daß man dann gerade an die Menschen denkt, die einem zu dieser Staffel geholfen haben, das ist verständlich und richtig. Daß ich damit in aller erster Linie Euch beide meine und daß ich gerade Euch so dankbar sein muß und wirklich bin, auch das ist so selbstverständlich, daß mehr zu schreiben darüber zwecklos wäre. […] 165  Lebenslauf von Walter Eucken, Archiv der Humboldt-Universität Berlin (HUB), Phil. Fak. Nr. 1237, Bl. 154, zit. nach Hüfner (1995: 39). 166  Hagen (o. J.: 33). 167 Baron Friedrich von Hügel (1852–1925), katholischer Laientheologe und Religionsphilosoph, der mit seiner Familie in London lebte und mit Rudolf E ­ ucken seit 1896 in freundschaftlicher Beziehung stand. Vgl. Eucken, R. (1922: 79) und Schäfer, M. (2020: 102 ff.). 168  Lionel Tennyson, Student am Trinity College, Cambridge. 169 ­Eucken an Athenäa Passow, 14.11.1912, ThULB NL RE, V, 11, Bl. 295 f., in E ­ ucken GS, Band III.1.



5. Studienzeit mit Abschluss in Bonn

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Am Freitag d. 28. wurde ich von Dietzel geprüft, am Mittwoch den 5. von Dyroff 170 und Schumacher. Bei den beiden letzteren ging es besonders gut.«171

­ ucken wurde im Rigorosum in den Fächern Nationalökonomie, FinanzwissenE schaft und Philosophie geprüft. Seine bei Hermann Schumacher geschriebene Dissertation über Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt wurde als »opus eximium«172  – also mit »ausgezeichnet« – bewertet und im Jahr 1914 in erweiterter Fassung veröffentlicht.173 In ihr befasst sich E ­ ucken mit einem verkehrs- und weltwirtschaftlichen Thema aus dem damaligen Forschungsgebiet seines Doktorvaters unter dem Gesichtspunkt der Marktorganisation und betrachtet dabei besonders die Kartellproblematik, die für ihn später noch besondere Bedeutung erlangen sollte. Ganz in der Tradition der Historischen Schule zeichnet E ­ ucken anhand von umfangreichem, auch in persönlichen Gesprächen mit Reedern und Kaufleuten zusammengetragenem Datenmaterial die historische Herausbildung von Konzentrations- und Kartellierungsbestrebungen in der Seeschiffahrt nach und zielt methodisch darauf ab, »in dem Strom der flüchtigen Ereignisse das wesentliche zu erkennen« und so »die allgemeine Entwicklung aufzuklären.«174 Die für seine spätere wissenschaftliche Entwicklung entscheidende Prägung erhielt Walter ­Eucken durch seinen zweiten Bonner Lehrer Heinrich Dietzel (1857–1935), »der seiner theoretischen Neigung entsprach.«175 Dietzel war einer der wenigen theoretischen Nationalökonomen an den deutschen Hochschulen der damaligen Zeit. Er stand in der Tradition der klassischen britischen Ökonomen und sah seinen theoretischen Ansatz als Ergänzung zu den Forschungen der jüngeren Historischen Schule. Er trat ein für das Konkurrenzprinzip, das Recht auf Privateigentum sowie für eine Wirtschaftspolitik, die den Wettbewerb sichere und technischen Fortschritt ermögliche. Als E ­ ucken bei ihm studierte, skizzierte Dietzel in einem Beitrag über Individualismus im Handwörterbuch der Staatswissenschaften von 1910176 die Ideen des politisch-rechtsstaatlichen und wirtschaftlichen Liberalismus und plädierte für einen Liberalismus als 170  Adolf Dyroff (1866–1943) lehrte von 1903 bis zu seiner Zwangsemeritierung 1934 katholische Philosophie an der Universität Bonn. 171 ­Eucken an Irene Eucken, 6.3.1913, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 33–35, in E ­ ucken GS, Band III.1. 172 Das Promotionsalbum der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn vermerkt unter dem Datum vom 22. Mai 1914 unter der Nr. 2056.: Bewertung der Dissertation als »opus eximium«, Gesamtnote der Promotion »summa cum laude«, Datum der mündlichen Prüfung am 5.3.1913 in den Fächern »Nationalökonomie, Finanzwissenschaft und Philosophie«, wobei die Namen der Prüfer nicht vermerkt sind. Für diese Auskunft vom 4.1.2018 danke ich Thomas Becker, Universitätsarchiv Bonn. 173 ­Eucken (1914). 174 ­Eucken (1914: VII). 175  Jöhr (1950: 260). Zu Euckens Lehrer Dietzel siehe Goldschmidt (2002: 144–163). 176  Dietzel (1910). Vgl. dazu Dathe (2014a: 90).

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Rechtsdoktrin, der Machtgebilde einzuschränken weiß, und gegen einen Liberalismus als Machtdoktrin. ­Eucken schätzte diesen Beitrag sehr und empfahl ihn später seinem Vater zur Lektüre.177 Dietzel gehörte auch zu denjenigen, die sich als erste mit Fragen von Ordnungssystemen auseinandergesetzt haben, dennoch – zu dem Fazit gelangt Nils Goldschmidt nach einem systematischen Vergleich des Werkes von Dietzel mit dem von Eucken: Als wesentlicher ökonomischer Ideengeber Euckens kann Dietzel nicht angesehen werden.178 Gleichwohl hat die Persönlichkeit Dietzels den jungen ­Eucken beeindruckt. Heinrich Dietzel war  – wie es 1923 einer seiner ehemaligen Studienkollegen, der Schriftsteller Hermann Bahr, festgehalten hat  – »gelassen korrekt, selbstbeherrscht und selbstverwahrt, von zugeknöpfter Höflichkeit, Distanz nehmend und Distanz haltend zu Menschen wie zu Dingen, […] spöttisch, doch ohne Stachel, so hochgesinnt, daß er zuweilen fast hochmütig scheinen konnte, lieber oberflächlich wirkend, als seine Tiefe zu verraten, von einer Klarheit des Verstandes nicht bloß, sondern seines ganzen kristallenen Wesens […].«179

6. Freundschaft mit dem Maler August Macke »August Macke, der 1914 im Alter von 27 Jahren fiel, war mein Freund. Seine Bilder haben mir nicht nur als Kunstwerke viel gegeben, sondern über den Zeugnissen seines künstlerischen Schaffens liegt für mich auch der Erinnerungsglanz einer gemeinsam verbrachten, glücklichen Bonner Zeit«180, schrieb Walter ­Eucken in seinem Artikel über die Mannheimer Macke-Gedächtnis-Ausstellung, der am 23. Oktober 1935 in der Frankfurter Zeitung erschien. Nach Jena berichtete er über sein Wiedersehen mit Bildern August Mackes in Mannheim: »Beim Ansehen der Bilder, beim Hören des Erdmannschen Einführungs-Vortrags […] wurde mir die Zeit zwischen [19]10 und [19]14 so recht lebendig. Wieviel geistige Bewegung damals, wieviel Streben. Mir kommt diese Zeit immer so vor, als ob sie von der Sonne beschienen war.«181 Walter E ­ ucken gehörte, so hielt es Mackes Witwe, Elisabeth ErdmannMacke, geborene Gerhardt (1888–1978), später fest, »zu unserem Kreis junger Menschen, die sich des öfteren bei uns im Haus trafen, wozu mein Bruder Walter, Lothar Erdmann, Arthur Samuel und Erich Reinau gehörten.«182 »Eine schöne 177 ­Eucken

an Rudolf Eucken, 26.2.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 66, in ­Eucken GS, Band III.1. Vgl. auch Dathe (2014a: 90). 178  Vgl. Goldschmidt (2002: 163). 179  Zit. nach Goldschmidt (2002: 144 f., Anm. 20). 180 ­Eucken (1935: 10). 181 ­Eucken an Irene Eucken, 1.11.1935, zit. nach Hüfner (1995: 21). 182 Erdmann-Macke (2009: 155). Mackes Schwager Walter Gerhardt, Leiter der väterlichen Firma für Laborgeräte, und Erich Reinau waren Studienfreunde und hatten beide in Bonn in Chemie promoviert; Lothar Erdmann, Sohn des Bonner Philosophie-



6. Freundschaft mit dem Maler August Macke

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Freundschaft bahnte sich damals an mit Walter ­Eucken […] [E]r studierte in Bonn und hatte sehr viel Interesse für Kunst.«183 Der junge Familienvater August Macke (1887–1914) war während Euckens Bonner Studienzeit bereits ein äußerst produktiver Maler, der sich zudem intensiv dafür engagierte, neuen künstlerischen Ausdrucksformen ein Forum zu schaffen: Er arbeitete mit an dem von Wassily Kandinsky und Franz Marc 1912 herausgegebenen Almanach Der Blaue Reiter, organisierte 1912 die »Sonderbund-Ausstellung« in Köln und initiierte 1913 in Bonn die »Ausstellung Rheinischer Expressionisten« sowie in Berlin gemeinsam mit Franz Marc und dem Galeristen Herwarth Walden die internationale Ausstellung »Erster Deutscher Herbstsalon«. Im Herbst 1935, mittlerweile rund zwei Jahrzehnte später, stand es ­Eucken noch immer lebhaft vor Augen, wie er als zwanzigjähriger Student erstmals mit dem vierundzwanzigjährigen August Macke zusammentraf: »Charakteristisch war bereits die erste Begegnung im Herbst 1911: Wie […] der schon damals in der Vollkraft seines Schaffens stehende junge Maler den ihm unbekannten Studenten der Nationalökonomie […], der ihm nur eine kurze Nachricht überbringen wollte […], mit der ihm eigenen Impulsivität sofort in das Haus hineinzog und ihn von diesem Moment so lange festhielt, daß über dem Zeigen von Bildern und über Kunstgesprächen nicht nur alle meine Kollegs vergessen waren, sondern Mitternacht bereits hinter uns lag, als wir uns schließlich trennten. Aber nur, um sobald wie möglich jene Gespräche über Cézanne, Manet, die Japaner und viele andere Maler, die ihn damals beschäftigten, wieder aufzunehmen. […] Sein Haus, die Stätte eines ungewöhnlich glücklichen und fröhlichen Familienlebens, strahlte – bis in den letzten Winkel mit Bildern angefüllt – vom Leuchten heller Farben.«184

Mackes Witwe schildert später eine Episode mit ­Eucken aus dem März 1913: »Als er sein Doktorexamen bestanden hatte, kam er (wie es damals üblich war) mit der Pferdekutsche im Zylinder feierlich vorgefahren, um seine Visitenkarte abzugeben. Aber wir luden ihn ein, und da es gerade um Mittag war, blieb er gleich zum Essen, legte sofort alles Offizielle ab und es wurde ein sehr vergnügtes Zusammensein.«185 Der Eintrag »Walter Eucken, Dr. phil., 9.III.13«186 im Gästebuch der Familie Macke zeugt von diesem sonntäglichen Besuch des frisch promovierten Walter Eucken, der am 5. März 1913 seine Doktorprüfung bestanden hatte. professors Benno Erdmann, war ein Schulfreund Mackes und betätigte sich nach einem abgebrochenen Studium der Geschichte, Philosophie und Nationalökonomie als Schriftsteller und Journalist; Arthur Samuel war ein Mediziner und Cellospieler aus Bonn, der mit Elisabeth und August Macke befreundet war und mit ihnen musizierte. Vgl. ErdmannMacke (2009: 197 ff., 349 f.). 183  Erdmann-Macke (2015: 262 f.). 184 ­Eucken (1935: 10). 185  Erdmann-Macke (2009: 155). 186  Vgl. Faksimile von Euckens Eintrag im Gästebuch der Familie Macke vom 9. März 1913, in Erdmann-Macke (2009: 156).

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In der Mannheimer Retrospektive von Mackes Bildern sah E ­ ucken »viele gute alte Bekannte« wieder, »darunter auch einige, deren Entstehung ich persönlich miterlebt habe.«187 Oft habe er Macke zugesehen, wenn er arbeitete. »Wenn er sich begeistert auf eine weiße Leinwand stürzte […]; wenn er sich immer wieder mit den Dingen seiner nächsten Umwelt auseinandersetzte, fern aller Reflexion, ganz hingegeben an die Eindrücke, die diese Welt, die andere stumpf durchmessen, täglich neu in seiner Seele weckte.« Deutlich bewusst wurde E ­ ucken dabei der Unterschied zur Arbeitsweise von Ferdinand Hodler, für den er als Gymnasiast Modell gestanden und dessen künstlerische Herangehensweise er genau beobachtet hatte.188 Während er Hodler beim Malen »viel grübelnder, viel berechnender, viel mehr prüfend und sichtend« erlebt hatte, war Macke für ­Eucken »der aus dem Unbewußten gestaltende Künstler; das Malen war ihm ein Musizieren in Farben.«189 Und ­Eucken erinnerte: »Noch sehe ich uns aus langen, weißen, holländischen Tonpfeifen rauchend einander gegenübersitzen und zwischen ausgedehnten Diskussionen über Malerei und Maler auch das Problem der Verwandtschaft von Musik und Malerei erörtern, das ihm besonders am Herzen lag.«190 Tritt man vor Mackes Bilder, so Euckens Eindruck, meine man in einen Zaubergarten versetzt zu sein, so dass »man jedes Gefühl von Wirklichkeit zu verlieren glaubt.« Aber – und das sei das größte Geheimnis der Kunst ­Mackes – »[d]ie Realität, die scheinbar verlorene wird uns – auf einer neuen Stufe – wiedergeschenkt. Die Welt ist erhöht, verzaubert, aber sie bleibt doch unsere Welt. Was wir vor uns haben […] ist die eigene voll erlebte Wirklichkeit. […] Der Alltag, der so gepackt wird, hört auf Alltag zu sein.«191 Aus dem Abstand von mehr als zwei Jahrzehnten – aus dem Bonner Studenten war mittlerweile der Freiburger Professor für Nationalökonomie geworden, der sich als Forschungsziel gesetzt hatte »durch Analyse von Tatbeständen zu einer wirklichkeitsnahen Theorie zu kommen und diese Theorie dauernd wieder auf ­ ucken zu der Erkenntnis: konkrete Probleme anzuwenden«192 – kam E »Und jetzt wird es ganz klar, was es im letzten war, das damals den jungen Studenten zu dem Maler hinzog, was uns in gemeinsamem Suchen verband, was ihm als Forderung der Kunst, was uns anderen als Aufgabe der Wissenschaft vorschwebte und was auch heute in der besten Jugend mehr oder weniger bewußt in die gleiche Richtung drängt: Es ist das Streben nach Wirklichkeit. Rücksichtsloses Herangehen an die Gegenstände, um allen 187 ­Eucken

(1935: 10). Siehe dazu ­Eucken ([1953] 1992: 123 f.). 189 ­Eucken (1935: 10). 190 ­Eucken (1935: 10). 191 ­Eucken (1935: 10; Hervorhebung im Original). 192  Wie E ­ ucken es in einem Brief an Alexander Rüstow im März 1929 formulierte, zit. nach Lenel (1991: 11). 188 

6. Freundschaft mit dem Maler August Macke



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Täuschungen der Oberflächenschicht zum Trotz zum eigentlichen Wesensgehalt durchzudringen.«193

Eine weitere Erkenntnis, die ­Eucken seiner Beschäftigung mit der Malerei verdankte, sollte ihm ebenfalls in Erinnerung bleiben und später für seine Grundsätze der Wirtschaftspolitik wichtig werden, nämlich der Ratschlag eines, wie er schrieb, bedeutenden Malers – womöglich seines Freundes Macke: »Vor allem dieses«, habe jener seinen Schülern gesagt, »nie einen Strich machen, ohne das Ganze zu sehen und mit dem Ganzen in Übereinstimmung zu bleiben.«194 Ähnliches, so konstatierte Eucken, gelte auch in der Wirtschaftspolitik: »Nie eine Maßnahme  – ohne in Übereinstimmung mit dem Ganzen der gewollten Ordnung zu bleiben«195, das heißt, ohne die wirtschaftliche Gesamtordnung im Blick zu haben. Mit einigen Bildern Mackes konnte sich ­Eucken während seiner Studienzeit besonders anfreunden: »Macke gab sie mir mit, als ich mich einmal über die Kahlheit meiner Studentenbude beklagte, und so wurden diese fünf oder sechs Bilder […] Zeugen meiner Examensvorbereitungen und haben sich mit den Erinnerungen an meine Arbeit besonders eng verknüpft.«196 Elisabeth Erdmann-Macke zufolge kaufte ­Eucken damals als Student »schon ein Bild, ›Blühender Garten in der Vorstadt‹«, das sie »später in seinem Heim in Freiburg […] wiedersah.«197 Zuvor hatte dieses Bild in Euckens Jenaer Elternhaus Platz gefunden. Unvergessen blieb ­Eucken eine Unterhaltung zwischen seinen Eltern, dem Bildhauer Richard Engelmann und dem Komponisten Max Reger, die sich um dieses Macke-Bild drehte und die ­Eucken gut drei Jahrzehnte später in Freiburg in Erinnerung rief: »Macke war – wie sein ganzer Kreis – revolutionär«, so hätten es damals er selbst und Engelmann empfunden und »bereits die Bedeutung Mackes und der neuen Bewegung, die so machtvoll werden sollte, erkannt.«198 Reger habe das ebenfalls empfunden, aber die gesamte neue Malerei abgelehnt. Daraufhin habe Engelmann Reger die Bedeutung der neuen Sehweise erklärt und ihm klar gemacht, dass gerade er sich nicht so dem Neuen verschließen dürfe. Engelmanns Worte hätten Reger so beeindruckt, dass er versprach, über die neue Kunst näher nachzudenken.199 Aus Elisabeth Erdmann-Mackes Erinnerungen geht hervor, dass anlässlich eines Besuches, den sie und ihre Mutter im Kriegsjahr 1916 bei Euckens Eltern in Jena gemacht hatten, Rudolf E ­ ucken davon gesprochen habe, »wie Reger August Mackes Bilder betrachtete, sie nicht 193 ­Eucken

(1935; Hervorhebung im Original). ([1952] 2004: 345). 195 ­Eucken ([1952] 2004: 345). 196 ­Eucken (1935: 10). 197  Erdmann-Macke (2015: 263). 198 ­Eucken ([1945] 1968: 12). 199  Vgl. ­Eucken ([1945] 1968: 12). 194 ­Eucken

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verstand und immer wieder sagte, daß es solche Wolken und solch einen Himmel doch gar nicht gäbe.«200 Reger hätte sich dann aber tagelang damit beschäftigt und soll auf einem Spaziergang auf einmal zu seiner Frau gesagt haben: »Sieh diese Bäume und Häuser und der Himmel, das ist doch gerade so wie auf dem Bild von Macke!«201 Mit Mackes Witwe und deren zweitem Mann, Mackes Jugendfreund Lothar Erdmann (1888–1939), blieb E ­ ucken in Verbindung. So bedankte er sich 1926 bei Erdmann für die Übersendung dessen Aufsatzes über Franz Marc und fügte hinzu: »Es wäre wirklich ungemein wichtig, wenn die Briefe, die Marc an Macke und Macke an Marc gerichtet hat, veröffentlicht würden, denn in der Kunst beider kommt doch ein ganz neues und eigentümliches Lebensgefühl zum Ausdruck, das wirklich den Naturalismus überwindet. Dabei ist es ja so besonders eindrucksvoll, daß beide Freunde, bei aller grundsätzlichen Verwandtschaft doch durchaus ihre persönliche Eigentümlichkeit bewahren. […] [I]ch glaube, daß die Bedeutung von Marc und Macke erst in Jahrzehnten richtig anerkannt wird, und daß sie eine vertiefte Wirkung ausüben werden.«202 In dem später veröffentlichten Briefwechsel zwischen Macke und Marc aus den Jahren 1910 bis 1914 sowie zwischen Marc und Lisbeth Macke aus den Jahren 1914 bis 1916 wird auch E ­ ucken erwähnt: So schrieb Marc im November 1915 von der Front an Mackes Witwe: »Herrn ­Eucken zu treffen, ist jetzt gar keine Gelegenheit; wir stehen vor St. Mihiel in der Strantz-Armee, er ist im Elsass bei Gaede.203 Wenn wir je in seine Nähe kommen, werde ich ihn aber sicher aufsuchen.«204 Ob Marc und ­Eucken sich an der Front begegnet waren, bevor Franz Marc am 4. März 1916 bei Verdun fiel, ist nicht bekannt.

7. Soldatenzeit 7.1. Militärdienst in Erlangen Am 1. Oktober 1913 trat Walter ­Eucken gemeinsam mit seinem Jenaer Jugendfreund Erich Schott, der mittlerweile Chemie studiert hatte205, seinen Militär200 

Erdmann-Macke (2009: 157). Erdmann-Macke (2009: 157). 202 ­Eucken an Lothar Erdmann, 10.9.1926, ThULB, NL RE, VI, 30, in ­Eucken GS, Band III.1. 203 Gemeint ist hier General Hans Gaede, Oberkommandierender der nach ihm benannten Armeeabteilung im südlichen Oberelsass. 204  Franz Marc an Lisbeth Macke, 8.11.1915, in Briefwechsel Macke–Marc, Marc–Lisbeth Macke (1964: 217). 205  Erich Schott legte dann 1917, nach zweijährigem Fronteinsatz, das chemische Verbandsexamen ab und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter im väterlichen Unternehmen. Parallel studierte er Physik, wurde 1921 in Jena promoviert und zum 1.1.1927 in die Ge201 



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dienst als Einjährig-Freiwilliger beim Königlich Bayerischen 10. Feldartillerie-Regiment in Erlangen an. Beide hatten sich bewusst dafür entschieden, den Dienst in Bayern abzuleisten, weil »wir eine gewisse Abneigung gegen den preußischen Militärdienst hatten.«206 In Euckens Nachlass erhaltene Fotografien geben einen Eindruck von seinem Militärdienst: ­Eucken lernte beim Reiten fest im Sattel zu sitzen, auch wenn es einen steilen Abhang hinunter geht, den Säbel vorschriftsmäßig zu präsentieren oder die Ballonabwehrkanone zu bedienen. Bisweilen gab es festliche Anlässe, bei denen er mit den Kameraden die Champagnergläser klingen ließ. Einer der Anlässe war der Geburtstag von Kaiser Wilhelm II. am 27. Januar 1914, an dem ­Eucken und Schott »herzliche Grüße vom Kaiserdiner«207 an Schotts Schwager, den Jenaer Rechtswissenschaftler Heinz Gerland, sandten, und zwar auf einer Ansichtskarte, die sie beide im Kreis von Kameraden der »5. Batt[erie] beim Königsessen« zeigt, das wohl Anfang Januar anlässlich des Geburtstags von König Ludwig III. von Bayern stattgefunden hatte. Kurz vor der Mobilmachung  – so geht es aus der Beschriftung eines überlieferten Gruppenbildes hervor – machte Euckens Jahrgang der EinjährigFreiwilligen einen Ausflug nach Bamberg. Im Anschluss an den Militärdienst hatte Walter ­Eucken vor, die im Sommer 1914 – wohl auf Vermittlung seines Mentors Schumacher208 – an ihn ergangene Einladung an die Columbia University New York anzunehmen und »ein Jahr hindurch über die Hauptfragen der deutschen Sozialpolitik als Glied des Lehrkörpers dort zu sprechen«, wie sein Vater erinnerte und festhielt: »[W]ir hatten schon für den 3. Oktober 1914 einen Platz auf dem Dampfer Columbia für ihn belegt, als der Krieg alle Pläne umwarf.«209 7.2. Frontoffizier im Ersten Weltkrieg In den ersten Augusttagen 1914, kurz vor der Mobilmachung, erhielt Walter ­Eucken in Erlangen Besuch von seinen Eltern. Sie hatten die Reise auf sich genommen, um von ihm Abschied zu nehmen, bevor er mit dem 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiment in den Krieg an der Westfront zog.210 »[S]tolz und froh, schäftsleitung des seit 1891 zur Carl-Zeiss-Stiftung gehörenden Jenaer Glaswerks Schott & Gen. berufen. 1933 übernahm er neben der technischen auch die kaufmännische Geschäftsleitung. Vgl. Steiner (1991: 66). 206  Eucken, Gutachten betr. Erich Schott, 9.1.1947, ThULB, NL WE. 207  Erich Schott und Walter ­Eucken an Heinz Gerland, 27.1.1914, UAJ, Teilnachlass Heinrich Gerland, Bestand V Abt. XXXI, Nr. 48. 208  Hermann Schumacher war im akademischen Jahr 1906/07 im Rahmen der sog. Kaiser-Wilhelm-Professur der erste Austauschprofessor an der Columbia University New York. Vgl. Goldschmidt (2005a: 57). 209  Eucken, R. (1922: 93). 210  Vgl. Hagen (o. J.: 18).

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für die grosse Sache kämpfen zu dürfen«, seien seine beiden Söhne »in den Kampf gezogen«211, berichtete Rudolf ­Eucken daraufhin seinem schwedischen Kollegen Vitalis Norström in Göteborg, mit dem er seit 1906 in freundschaftlicher Verbindung stand und der ihn für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen hatte. Zwischen seinem 23. und 27. Lebensjahr diente Walter ­Eucken zunächst als Ordonnanzoffizier und Adjutant beim 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiment, ab Anfang 1915 bis Ende 1918 beim 9. Bayerischen Reserve-Feldartillerie-Regiment, zuletzt als Batteriechef. 1914 begann es für E ­ ucken mit der Schlacht bei Nancy212, 1915 folgten Stellungskämpfe in den Vogesen im Oberelsass. Von dort meldete er im März 1915 aus Ampfersbach im Münstertal auf einer Feldpostkarte an seine Mutter, die während des Krieges die Küche eines großen Lazaretts in Jena leitete213: »Nach wie vor wohlauf. Die Franzosen haben schwerste Verluste gehabt. Wir schiessen fast täglich.«214 1916 kämpfte er in der Schlacht an der Somme. Im Oktober und November 1916 war ­Eucken in Siebenbürgen stationiert. Ein erhaltenes Fotoalbum zeigt dortige Dörfer und das Trotustal. 1917 befand er sich in Verfolgungskämpfen in Ost-Galizien, 1918 in Stellungskämpfen in Flandern und im Artois. Sein oberster Vorgesetzter, General Karl Haushofer, sollte später bei einem Regimentswiedersehenstreffen, an dem Eucken jedoch nicht teilnahm, alles nochmals in Erinnerung rufen: »die Vogesenkämpfe, die Fahrt von der Westzur Ostfront, die Strapazen in Galizien, die erneuten Kämpfe um die uns bekannten Vogesenberge, hierauf die mörderischen Wochen an der Somme, die strapazenreichen Märsche und Kämpfe in Ungarn und Rumänien.«215 In einem Brief an Rudolf ­Eucken vom Mai 1925 bedankte sich Haushofer für die Übermittlung der Empfehlungen von Walter, »an dessen prächtige Dienste im Felde ich mich immer wieder erinnere« und erinnerte auch an das »Kameradschaftswunder in höchster Anspannung und Opferbereitschaft […] für uns ist es fast vier Jahre lang Alltag gewesen.«216 Noch im zweiten Kriegsjahr, Ende 1915, hatte Rudolf E ­ ucken dem Freund Norström mit väterlichem Stolz berichtet, sein Sohn Walter habe »entschiedene Freude an der kriegerischen Tätigkeit und ist wegen erwiesener Tapferkeit und 211  Rudolf

­Eucken an Vitalis Norström, 11.8.1914, ThULB NL RE, I, 30, Bl. 393, zit. nach Schäfer, M. (2020: 168). Zu Rudolf ­Eucken und Norström vgl. Schäfer, M. (2020: 1–3). 212  Vgl. Angaben zu den Kriegseinsätzen Euckens in der Personalakte Walter Euckens, StAF C25/2 Nr. 84, Bl. 101 und 111. 213  Vgl. Eucken-Erdsiek (1942: 64). 214 ­Eucken an Irene Eucken, 25.3.1915, ThULB, NL WE. 215  Vgl. Bericht von Leo Kröger über eine Rede von General Haushofer anlässlich des ersten Regimentswiedersehens in Nürnberg am 29./30.1.1938, Typoskript, ThULB, NL WE. 216  Haushofer an Rudolf Eucken, 29.5.1925, ThULB, NL RE, I, 11, H 146, zit. nach Dathe (2010: 4).



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Einsicht mit drei Orden geschmückt (natürlich darunter das eiserne Kreuz), für einen noch höheren, selten vergebenen ist er vorgeschlagen.«217 Als jedoch im März 1918 Ida Euckens Verlobter, der »geliebte Schwiegersohn«, in Frankreich fiel, gerieten die Eltern E ­ ucken in große Sorge um den an vorderster Front kämpfenden jüngsten Sohn.218 Euckens Mutter wandte sich an ihren Bruder Adolf Passow in Berlin und bat ihn, bei den »zuständigen Stellen« zu eruieren, wie ein Abzug Walters von der Front zu bewerkstelligen sei. Indes erhielt sie im Mai 1918 zur Antwort, da sei augenblicklich beim besten Willen nichts zu machen. Man könne nur hoffen, dass der günstige Stern, der über Walter ­Eucken gewacht habe, »ihm auch fernerhin hold bleibt.«219 Nachdem die große Gegenoffensive der Alliierten im August 1918 die deutsche Frontlinie durchbrochen und den deutschen Truppen erhebliche Verluste zugefügt hatte, erkannte der Frontkämpfer Eucken, dass die Siegesstimmung in die Erwartung einer bevorstehenden Niederlage umgeschlagen sei. »Seit meinem Weggang von Euch«, so schrieb er im September 1918 nach Hause, »hat sich ja so vieles trauriges ereignet […] Damals waren wir alle doch wirklich siegesbewußt. Und nun in dieser kurzen Zeit dieser traurige Umschwung […] Man fragt sich wirklich, wofür kämpfen wir?«220 Am meisten erzürnten ihn dabei »die Jammerlappen zu Hause«, die bereits »die Flinte in’s Korn« geworfen hätten, und es wurde ihm klar, dass es für ihn »ein Aufgehen im Dienst für das Vaterland« nicht geben könne, da er für sein Vaterland keinen Stolz mehr fühle, sondern es für ihn »zu erbärmlich ist.«221 ­Eucken kam zu dem Schluss: »Immer wieder lernt man, daß man seine Arbeit nie auf die Menge, in die Weite gründen darf. Das ist ein falscher Trieb der Menschen. Die Sache, einige liebe Menschen – in diesem Milieu soll man arbeiten.«222 Die Zeit als Frontoffizier prägte Walter Euckens Persönlichkeit entscheidend: »Liebe, teure Kameraden, mit denen man eben noch sprach, sie liegen wenige Stunden später tot oder verstümmelt vor einem«223  – diese Kriegserfahrung 217  Rudolf ­Eucken an Vitalis Norström, 30.11.1915 und 3.12.1915, ThULB, NL RE I 30, Bl. 401 f., zit. nach Schäfer, M. (2020: 209). 218  Walters Bruder Arnold ­Eucken war seit Herbst 1916 als Dozent im Schallmessdienst an der Artilleriemessschule in Köln-Wahn tätig und damit nicht mehr unmittelbar im Fronteinsatz. Vgl. Schäfer, M. (2020: 208). 219  Adolf Passow an Irene Eucken, 13.5.1918, zit. nach Schäfer, M. (2020: 209). 220 ­Eucken an Irene Eucken, 10.9.1918, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 47 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 221 ­Eucken an Irene Eucken, 10.9.1918, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 47 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 222 ­Eucken an Irene Eucken, 10.9.1918, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 47 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 223 ­Eucken an Irene Eucken, 1.8.1919. ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 108 f., in ­Eucken GS, Band III.1.

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war ihm lange Zeit nach Kriegsende noch gegenwärtig und habe ihn, wie aus einem Brief vom August 1919 hervorgeht, wohl »im Krieg etwas anders« werden lassen, als die »reinen Friedensmenschen.«224 Auch die militärischen Rückzugsgefechte im letzten Kriegsjahr sollten ­Eucken im Gedächtnis bleiben und ihm als Metapher für das Bestehen anders gearteter Kämpfe dienen, in die er sich Jahrzehnte später gestellt sah. So schrieb er im Herbst 1934: »Immer wieder muß ich auch an die Herbsttage 1918 denken, in denen wir in heftigen Nachhutkämpfen mit den Franzosen lagen. Nein, wir haben sie verhältnismäßig anständig durchgepaukt. Heute fühlt man sich auch im Rückzug, den anständig zu führen unsere Hauptaufgabe bleibt.«225 Als Frontoffizier lernte ­Eucken in militärisch-strategischen Kategorien zu denken, und aus vielen Formulierungen in Briefen und Randbemerkungen seines Werkes wird erkennbar, dass E ­ ucken ein Faible für militärische Fragen hatte. Dies gründete sich jedoch nicht auf das Kameradschaftserlebnis an der Front, sondern auf die charakterbildende Herausforderung, rasch Entscheidungen fällen und das eigene Handeln verantworten zu müssen.226 Im Krieg erwarb E ­ ucken höchste Auszeichnungen für erwiesene Tapferkeit: So war er Träger des Eisernen Kreuzes 1. Klasse und 2. Klasse, des Bayerischen Militär-Verdienstordens 4. Klasse mit Krone und Schwertern, der Silbernen Bayerischen Tapferkeitsmedaille227, des Österreichischen Militär-Verdienstkreuzes III. Klasse und des Ritterkreuzes des großherzoglich-sächsischen Hausordens.228 Der Krieg brachte ihm auch schmerzlichen Verlust: Euckens Freund August Macke fiel bereits am 26. September 1914 bei Perthes-les-Hurlus in der Champagne. Rolf Schott, der zwei Jahre ältere Bruder von Euckens Freund Erich Schott, fiel am 23. September 1915 bei Saint-Mihiel.229 Der Verlobte von Euckens Schwester Ida, der aus Bremen stammende Pianist und Komponist Walt Jäger, erlag im März 1918 in Frankreich seiner Kriegsverwundung.230 Gleichwohl brachte der Krieg ­Eucken auch Begegnungen, aus denen sich langjährige Freundschaften entwickeln sollten: So das erste Zusammentreffen mit Alexander Rüstow (1885–1963)231, dem späteren lebenslangen wissenschaft224 ­Eucken

an Irene Eucken, 1.8.1919. ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 108 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 225 ­Eucken an Irene Eucken, 17.9.1934, zit. nach Hüfner (1995: 41). 226  Vgl. dazu Dathe (2010: 4). 227  Vgl. Kalb (1934: 363). 228  Walter Eucken, Angaben im Fragebogen vom 2.12.1936, Personalakte, StAF, C 25/2 Nr. 84, Bl. 121. 229  Vgl. Kalb (1934: 92 f., 339). 230  Vgl. Eucken, R. (1922: 103 f.) und Schäfer, M. (2020: 209). 231 So habe Rüstow bei einem Treffen mit Eucken-Schülern am 5./6. Juli 1952 in Heidelberg berichtet, er und ­Eucken seien sich erstmals als junge Reserveoffiziere in einer angespannten Kampflage im Westen während des Ersten Weltkriegs begegnet. Vgl. Brief



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lichen Korrespondenzpartner, Mitstreiter und Freund. Außerdem die Freundschaft mit dem Ökonomen Paul Hermberg (1888–1969), der zeitweise neben Walter E ­ ucken der einzige Leutnant in der 3. Batterie des 9. Bayerischen ReserveFeldartillerie-Regiments gewesen war232, später ab 1929 Professor für Statistik in Jena wurde, bis er 1933 aufgrund seiner SPD-Mitgliedschaft aus der Universität ausschied, sozialdemokratischen Widerstandsgruppen angehörte und 1936 über Kolumbien in die USA emigrierte, von wo er 1946 als Angestellter der Abteilung für Handel und Industrie der amerikanischen Militärverwaltung OMGUS nach Deutschland zurückkehrte und E ­ ucken bei Besprechungen mit dem Wissenschaftlichen Beirat der Verwaltung für Wirtschaft wiederbegegnete.233

Günter Heinicke betr. Gründung des Eucken-Kreises, Weihnachten 1952, S. 6, ThULB, NL WE. Vgl. auch Lenel (1991: 11). 232  Vgl. Beschriftung von Walter ­Eucken auf der Rückseite eines Fotos der Brüder Edzard und Paul Hermberg, ThULB, NL WE. 233 Zur Wiederbegegnung mit Hermberg siehe E ­ ucken an Hayek, 2.3.1950. HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Zur Freundschaft zwischen ­Eucken und Hermberg siehe die Erläuterungen von Uwe Dathe zum Kondolenzbrief Hermbergs an Edith ­Eucken vom 26.3.1950, ThULB, NL WE, auf den erstmals Uwe Dathe unter der Rubrik »Objekt des Monats: März 2020« auf der Webseite der ThULB Jena aufmerksam gemacht hat.

II. Berlin und Tübingen 1918–1927 Vom Assistenten zum Professor 8. Assistent in Berlin »Hoffentlich haben Sie nun von Ihrem jüngsten Sohne Nachricht; es ist schwer, die Warterei und so quälend und dazu die Zeit mit ihren Ungewissheiten. Man merkt selbst hier den Sturm der Welt in dieser Abgeschiedenheit«, schrieb ErnstLudwig Kirchner noch am 5. Dezember 1918 aus Frauenkirch bei Davos an Euckens Mutter.1 Indes war Walter ­Eucken im Zuge der allgemeinen Demobilmachung wohlbehalten aus dem Krieg nach Jena zurückgekehrt, wenn auch in ein verändertes Land: Am 9. November 1918 hatte der deutsche Kaiser Wilhelm II. abgedankt, und die Weimarer Republik war ausgerufen worden. Bereits 1917 hatte ­Eucken im Hinblick auf seine berufliche Zukunft mit dem Industriellen Hugo Stinnes Kontakt aufgenommen, der ihm im Rahmen eines geplanten Ausbaus seines wissenschaftlichen Sekretariats eine Beschäftigung in Aussicht stellte. Indes, Ende Dezember 1918 erreichte E ­ ucken die Mitteilung des Generalbevollmächtigten von Stinnes, dass »infolge des Umsturzes« der Ausbau des Sekretariats und damit die Beschäftigung Euckens in der Firma Hugo Stinnes nicht möglich sei und dass Herr Stinnes es außerordentlich bedaure, dass die Dinge diese Wendung genommen haben.2 Im November 1918 hatte ­Eucken seinem Doktorvater Hermann Schumacher geschrieben: »Die Zwischenzeit benutze ich jetzt zu ordentlicher Arbeit, vor allem Nachholen der im Kriege versäumten in der Bibliothek des Seminars. Sollte mich Herr Geheimrat aber brauchen können, so stehe ich natürlich stets zur Verfügung.«3 Im Dezember 1918 begann der mittlerweile siebenundzwanzigjährige E ­ ucken seine wissenschaftliche Laufbahn als Assistent Schumachers an der Universität Berlin.4 1 

Kirchner an Irene Eucken, 5.12.1918, zit. nach Wahl (2009: 324). Stinnes an Eucken, 27.12.1918, ThULB, NL WE. 3 ­Eucken an Schumacher, November 1918, LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 362, 341: 1, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 53, Anm. 13). 4  Während seiner Assistentenzeit wohnte ­Eucken in der Babelsbergstraße 9 in BerlinWilmersdorf  bei einer Wirtin, die mit Nachnamen auch Schumacher hieß. Vgl. ­Eucken an Rudolf Eucken, 23.2.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 63 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 2 

8. Assistent in Berlin



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Schumacher gehörte zu den herausragenden und bestimmenden Persönlichkeiten der Volkswirtschaftslehre zu Beginn des 20. Jahrhunderts und bekleidete mittlerweile als renommierter Ordinarius in der Reichshauptstadt auch eine einflussreiche Position im Wissenschaftsmanagement, was sich auch an seiner Funktion als Herausgeber – gemeinsam mit Arthur Spiethoff – von Schmollers Jahrbuch und seinen zahlreichen Stellungnahmen zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen zeigte. Er konnte seinen Schülern ein Umfeld bieten, das neben der wissenschaftlichen Erörterung auch aktuelle soziale und politische Prozesse in den Blick nahm. Dies war möglicherweise ein weiterer Grund für Eucken, in Schumacher den idealen Mentor zu sehen.5 So berichtete ­ Eucken im Februar 1919 begeistert nach Hause: »Meine Tätigkeit hier ist recht interessant. Einerseits  – und das ist die Hauptbeschäftigung – ist mancherlei als Redaktionssekretär von Schmollers Jahrbüchern zu tun. Vielerlei Manuskripte sind zu lesen, Aufforderungen zu schreiben usw. Als Assistent andererseits ist vorläufig noch nicht viel zu tun. […] Sehr erfreulich ist das Verhältnis zu Schumacher. Wir kommen gut miteinander aus und ich lerne viel von ihm. Es ist eben das Glücklichste, dass sich wissenschaftliche Bedeutung und persönliche Vorzüge in so ungewöhnlichem Maße bei ihm verbinden.«6 Euckens Anstellung als Redaktionssekretär und damit verantwortlicher Schriftleiter von Schmollers Jahrbuch7 bezeugt die fachliche Wertschätzung, die ihm Schumacher entgegenbrachte. Für E ­ ucken hatte die redaktionelle Arbeit den Vorteil, dass er sich intensiv mit der aktuellen Forschung in ihrer ganzen Breite auseinandersetzen musste. Dabei war Eucken ­­ in seiner Beurteilung von eingereichten Manuskripten nicht zimperlich. So äußerte er sich zu einem von Robert Liefmann (1874–1941), seinem späteren Freiburger Kollegen, eingereichten Aufsatz im November 1919 ziemlich vernichtend gegenüber Spiethoff: »Ich persönlich muß sagen, dass ich selten einen derartig erbärmlichen Aufsatz gelesen habe, wie den Liefmanns. Da mich seine Theorie interessierte, hoffte ich einige Belehrung aus ihm zu gewinnen. Das scheint mir aber überhaupt ausgeschlossen. Deshalb freue ich mich, dass wir nur einige Seiten von ihm erhalten, in denen dasselbe steht, wie in dem grossen Aufsatz.«8 5 

Vgl. dazu Goldschmidt (2002: 167, Anm. 137; 185).

6 ­Eucken an Rudolf Eucken, 23.2.1919. ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 108 f., in ­Eucken GS,

Band III.1. 7  Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, eine der Fachzeitschriften für Ökonomen, wurde zu Euckens Zeit als Redaktionssekretär gemeinsam herausgegeben von Hermann Schumacher und Arthur Spiethoff (1873–1957), ab 1924 dann allein von Spiethoff, Bonn, und ab 1939 von Jens Jessen (1895–1944), Berlin. Vgl. Goldschmidt (2005a: 65 ff.) und Schlüter-Ahrens (2001: 70). 8 ­Eucken an Spiethoff, 19.11.1919, LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 362, 1661: 33, in ­Eucken GS, Band III.1. Vgl. auch Goldschmidt (2002: 167).

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II. Berlin und Tübingen 1918–1927

Im Zentrum von Euckens akademischer Tätigkeit stand die Arbeit an seiner Habilitationsschrift, in der er sich entsprechend der Methodik der Historischen Schule mit den volkswirtschaftlichen Zusammenhängen der Stickstoffversorgung der Welt befasste und, wie bereits in seiner Dissertation, Fragen der Konzentration und Kartellierung aufgriff.9 Euckens Themenwahl wurde vermutlich davon beeinflusst, dass er – worauf er in seiner Arbeit hinweist – zuvor im Auftrag der von dem Berliner Agrarökonomen Max Sering (1858–1939) geleiteten Wissenschaftlichen Kommission des preußischen Kriegsministeriums »die deutsche Stickstoffversorgung im Kriege eingehend untersucht«10 hatte. Sering war es dann auch, der 1921 neben Schumacher als Zweitgutachter in Euckens Habilitationsverfahren fungierte. Bei Sering hatte im November 1920 der mit ­Eucken nahezu gleichaltrige Constantin von Dietze (1891–1973) – Promovend von Adolf Weber (1876–1963) in Breslau – als Assistent angefangen, um sich dann 1922 bei ihm zu habilitieren.11 ­Eucken war seinem späteren Freiburger Kollegen somit bereits während der gemeinsamen Privatdozentenzeit in Berlin begegnet. Das Leben in Berlin zu Beginn der 1920er Jahre war durch politische Unruhe, Generalstreiks und Versorgungsengpässe geprägt. So schrieb E ­ ucken im Februar 1919 nach Jena: »Schumachers leiden ziemlich unter Lebensmittelnot, hauptsächlich die Kinder. Sie können alles brauchen. Natürlich nur gegen Bezahlung. Am liebsten haben sie Hülsenfrüchte.«12 Im März 1919 ließ er seine Mutter wissen: »Wie Du beurteile ich auch unsere Zukunft pessimistisch. Zwar nicht ganz so, wie es fast alle Leute hier tuen, die meinen, der Bolschewismus käme notwendig auch für Deutschland. Aber eine unabhängige Regierung werden wir wohl bekommen. Die jetzige ist ja auch wirklich recht erbärmlich.«13 Als Eucken am 28. Mai 1919 die Berliner Kunstausstellung der Freien Secession besuchte, empfand er sie als ein »typisches Zeichen unserer Zeit: einfach ein Chaos. Ein wüstes Durcheinander. Der eine hat starke Formen, der andere überhaupt keine, der eine ist Naturalist, der andere will Ausdruck, der dritte reinen Rhythmus. Und das schlimmste, daß eigentlich keiner wirklich gut ist, ausser etwa Marc. Mir wurde klar, daß doch der ganze Kubismus, Expressionismus u. s. w. im Wesentlichen alte Werte zerstört hat. Etwas positives hat er eigentlich kaum, d. h. nichts Einheitliches.«14 9 

Vgl. Goldschmidt (2002: 164, Anm. 131). Vgl. ­Eucken (1921a: 85, Anm. 1). Siehe dazu auch Hüfner (1995: 55–57). 11  Vgl. Blesgen (2005: 69 f.). Zu von Dietzes Leben und Weg in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus siehe Dathe (2018a). 12 ­Eucken an Irene Eucken, 13.2.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 59 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 13 ­Eucken an Irene Eucken, 27.3.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 79 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 14 ­Eucken an Irene ­Eucken vom 29.5.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 92–95, in ­Eucken GS, Band III.1. 10 

8. Assistent in Berlin



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Anfang 1919 hatte E ­ ucken auf Vermittlung Schumachers15, der wie die Gildemeisters, Euckens Bremer Vorfahren mütterlicherseits, aus einer alteingesessenen Bremer Senatorenfamilie stammte, zudem eine Nebentätigkeit beim liberal orientierten Bremer Bürgerausschuss übernommen, die ihm »300 M. monatlich Gehalt, ausserdem Spesen«16 einbrachte, was ihm zusätzlich zum Gehalt als Redaktionssekretär von Schmollers Jahrbuch und zum Assistentengehalt ein befriedigendes Auskommen sicherte. Er hatte in dieser Funktion unter anderem mehrmals zu Sitzungen nach Bremen zu reisen und auch den Bremer Bürgerausschuss im März 1919 beim Reichsbürgertag in Leipzig und im Mai 1919 beim Präsidialbeirat der Bürgerausschüsse in Berlin zu vertreten. Noch im Mai 1919 empfand ­Eucken die allgemeine politische Lage als so unsicher, dass er den Eltern von einer Reise in den Schwarzwald abriet, mit der Begründung: »Schwarzwald ist glaube ich zu weit. Denn man weiß einmal nie, was in Jena vorkommt und dann kann ja der Schwarzwald leicht vom Feind besetzt werden.«17 Nach dem Rücktritt der Regierung Scheidemann und der Unterzeichnung des Versailler Vertrags durch die Nachfolge-Regierung konstatierte Eucken: »Nun ist also dieses traurige Dokument angenommen. Fast so traurig, wie die Revolution.«18 Nach wie vor sah ­Eucken den Kriegsausgang und die Novemberrevolution als Schande. Im Juni 1919 stellte er fest: »Aber man kann jetzt nichts tun als einerseits zu sorgen, daß Ruhe im Lande bleibt. Zu diesem Zweck habe ich mich zeitfreiwillig gemeldet. D. h. man wird nur im Notfall einberufen, wenn wirklich Unruhen hier sind. Andererseits kann man durch Einwirkung auf die Studenten wirken. Das geschieht auch. Wir werden hier eine große Kundgebung machen.«19 Im Juli 1919 berichtete ­Eucken aus Berlin nach Hause: »Hier ist ja alles ruhig. Aber es gehen keine Straßenbahnen u. Untergrundbahnen. Das ist natürlich sehr übel; viel muß gelaufen werden und das Fahren auf dem Wagen – manchmal mit 50 Menschen  – ist zwar sehr lustig, aber auch teuer. Es kostet immer so 2 M.«20 15 

Zu Hermann Schumacher siehe Goldschmidt (2005a). an Irene Eucken, 18.3.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 72 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 17 ­Eucken an Irene Eucken, 29.5.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 92–95, in E ­ ucken GS, Band III.1. 18 ­Eucken an Irene Eucken, 25.6.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 99, in ­Eucken GS, Band III.1. 19 ­Eucken an Irene Eucken, 26.6.1919. ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 100 f., in ­Eucken GS, Band III.1. Ein im Nachlass erhaltener, am 16. März 1920 in Charlottenburg ausgestellter, handgeschriebener Ausweis bezeugt: »Der Leutnant d. R. Walter E ­ ucken gehört dem Schutzregiment Groß-Berlin, Camp Oranien an«, ThULB, NL WE. 20 ­Eucken an Irene Eucken, 6.7.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 104 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 16 ­Eucken

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II. Berlin und Tübingen 1918–1927

Die Zeiten blieben unruhig und turbulent: Am 13. März 1920 fand in Berlin der Kapp-Putsch statt, gefolgt von einem Generalstreik in Berlin, schweren Kämpfen im Ruhrgebiet zwischen kommunistischen Aufständischen und Reichswehr sowie der Umbildung der Reichsregierung am 27. März 1920. Bereits Anfang 1919 hatte E ­ ucken begonnen, sich neben seiner wissenschaftlichen Arbeit politisch zu engagieren. Er war der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) beigetreten21, in deren Jenaer Jugendorganisation auch seine Schwester Ida aktiv war. Euckens Mitarbeit in der DNVP beschränkte sich allerdings auf »sporadische Aktionen« und seine Mitgliedschaft dauerte nur rund anderthalb Jahre. Bereits Ende 1919 oder Mitte 1920 trat E ­ ucken wieder aus der DNVP aus, weil er – wie Uwe Dathe vermutet22 – sich mit dem antiliberalen Gemisch ihrer wirtschaftspolitischen Auffassungen nicht identifizieren konnte. Allerdings zählte er noch bis etwa 1925 zu den Sympathisanten der DNVP. Völkische Gemeinschaftsutopien stießen jedoch bei ­ Eucken auf radikale Ablehnung, desgleichen die marxistische Gleichheitsideologie.23 Bezüglich des Sozialismus konstatierte er gleichwohl: »Warum soll jemand nicht Sozialist sein.«24 Euckens Freund aus Kriegstagen, Paul Hermberg, war 1919 in die SPD eingetreten, was ­Eucken zwar als »etwas blödsinnig« kommentierte, was aber die lebenslange freundschaftliche Verbindung und den wissenschaftlichen Gedankenaustausch zwischen beiden nicht hinderte.25 Hermberg war nach seiner 1921 in Kiel abgeschlossenen Habilitation 1922 nach Berlin gekommen und war dort zunächst Direktor der staatlichen Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung, ab 1923 dann Referent im Statistischen Reichsamt. Als Schumachers Assistent richtete ­Eucken für Studenten Diskussionskreise zu Themen ein, die ihn auch selbst zu jener Zeit stark interessierten, nämlich zum Werk des Begründers des wissenschaftlichen Sozialismus Karl Rodbertus (1805–1875) und dem des von ihm hoch geschätzten österreichischen Theoretikers Eugen von Böhm-Bawerk (1851–1914). Euckens Arbeitszirkel erfreuten »sich großer Beliebtheit« und er »ist als Berater der Studenten bei ihren Arbeiten sehr geschätzt«, bescheinigte ihm Schumacher.26 21 

Vgl. Personalakten Walter Eucken, StAF C 25/2, Nr. 84, Bl. 116. Vgl. auch Brief von Walter E ­ ucken an den Rektor der Universität Freiburg, 8.4.1937, zit. nach Dathe (2010: 6) und Oswalt (2005: 322). 22  Vgl. Dathe (2010: 6 f.). 23  Vgl. Dathe (2010: 13). 24 ­Eucken an Irene Eucken, 27.3.1922, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 151, in ­Eucken GS, Band III.1. 25  Vgl. Uwe Dathe in seinen Erläuterungen zum Kondolenzbrief Hermbergs an Edith ­Eucken vom 26.3.1950, ThULB, NL WE, unter der Rubrik »Objekt des Monats: März 2020« auf der Webseite der ThULB Jena. 26  Gutachten von Hermann Schumacher vom 15.10.1921 über Euckens Habilitationsschrift, Archiv HUB, Phil.Fak. Nr. 1237, Bl. 160, zit. nach Hüfner (1995: 53).

8. Assistent in Berlin



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In Schumachers Seminar traf ­Eucken auf einige junge, diskutierfreudige Ökonomie-Studenten, mit denen er auch später in fruchtbarem Gedankenaustausch bleiben sollte:27 Zum einen Siegfried Wendt (1901–1966), der im Sommersemester 1920 in Berlin das Studium aufnahm und dort 1924 mit der Arbeit Die theoretischen Grundlagen der deutschen Währungspolitik in und nach dem Krieg promovierte.28 Wendt gehörte »mit Eifer dem ersten Diskussionskreis an, den Walter E ­ ucken sich als Privatdozent […] geschaffen hatte«29, und war später Mitglied des Eucken-Kreises, der sich 1953 nach Euckens Tod auf Initiative des Eucken-Schülers Günther Heinicke (1903–1999) zusammenfand.30 Ferner Erich Welter (1900–1982), der E ­ ucken bei der Übersetzung einiger auf Spanisch abgefasster chilenischer Texte für dessen Habilitation behilflich war31, neben dem Studium als Wirtschaftsjournalist arbeitete, 1922 bei Hermann Schumacher promovierte32 und nach dem Zweiten Weltkrieg Professor in Mainz und Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde. »Kaum einer von uns Jungen«, schrieb Erich Welter später, »wäre […] auf den Gedanken gekommen, in dem stillen und ernsten Walter Eucken, der so unbrillant wie nur möglich anmutete, eher ein wenig ungelenk, fast spröde, und der nicht das geringste aus sich machte, der nicht einmal wie damals jeder jüngere Nationalökonom mit allen möglichen ›-ismen‹ herumjonglierte, einen großen Gelehrten zu wittern, einen Mann, der zwanzig Jahre später die Welt durch ein bahnbrechendes wirtschaftswissenschaftliches Werk überraschen […] sollte.«33 Schließlich Hans Gestrich (1895–1943), der Ende 1920 bei Schumacher mit der Arbeit Sozialismus und Handel promoviert wurde und für Walter ­Eucken 27 

Vgl. auch Dathe (2014a: 91). Vgl. SUB Göttingen, Nachlass Wendt, Lebenslauf. 29  Nachruf auf Siegfried Wendt, Rundschreiben von Günther Heinicke an den Eucken-Kreis, 25.4.1966, ThULB NL WE. 30  Auch dem Hermann-Schumacher-Kreis fühlte sich Siegfried Wendt verbunden. Vgl. Goldschmidt (2005a: 55). 31  Welter (1957: 498). 32  Vgl. Schäfer, C. (2019: 42, 54 ff.). 33  Welter (1957: 498). Mit Erich Welter blieb E ­ ucken in losem Kontakt. Vgl. Schäfer, C. (2019: 68 f.). 1936 bot Welter E ­ ucken die Möglichkeit, einen Artikel in der von der Frankfurter Zeitung mit herausgegebenen Vierteljahrszeitschrift Die Wirtschaftskurve zu veröffentlichen, deren Hauptschriftleiter und Herausgeber Welter ab 1936 war, und in der seit 1929 Euckens Schüler Leonhard Miksch publizierte. Vgl. Welter an Eucken, 19.10.1936, ThULB NL WE, Korrespondenz Walter Eucken  – Erich Welter, zit. nach Schäfer, C. (2019: 49); dazu auch Dathe (2015: 15–23). Im Frühjahr 1937 besuchte Welter ­Eucken in Freiburg. Danach brach der Kontakt zwischen beiden bis 1946 ab. Vgl. Schäfer, C. (2019: 49). 1949 schrieb ­Eucken an Welter und empfahl seinen frisch promovierten Schüler Hans Herbert Götz (1921–1999) für den Eintritt in die Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der dann auch erfolgte. Vgl. ­Eucken an Welter 28.9.1949, BArch, NL Welter, N 1314/57, zit. nach Schäfer, C. (2019: 221, Anm. 337). 28 

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lebenslang zum engen Freund und wichtigen fachlichen Gesprächs- und Korrespondenzpartner wurde. Während Euckens Berliner Zeit sahen sie sich häufig, und wenn ­Eucken später aus Tübingen oder Freiburg nach Berlin kam, besuchte er oft auch Gestrich, der seinen beruflichen Weg in Berlin ging34 und später, wie Eucken, zur Gruppe der Ricardianer, der jungen Theoretiker um Alexander Rüstow, gehörte. Auch zwei Studentinnen begegnete E ­ ucken in Schumachers Seminar, zu denen der Kontakt ein Leben lang nicht abriss: Die eine war Eva Flügge, später verheiratete von Trützschler-Flügge (1895–1944), die 1922 bei Schumacher promovierte, sich nach einem zweijährigen Aufenthalt als Rockefeller-Stipendiatin in den USA 1931 mit einer Arbeit zur Automobilindustrie habilitierte und bis 1937 als Privatdozentin in Berlin lehrte.35 Die andere war Eva Flügges Freundin Edith Erdsiek, die bei Schumacher Nationalökonomie hörte und für Euckens weiteres Leben und später für die Erhaltung und Weiterentwicklung seines wissenschaftlichen Erbes eine ganz entscheidende Bedeutung bekommen sollte.

9. Heirat mit Edith Erdsiek Am 9. Dezember 192036, einen Monat vor seinem dreißigsten Geburtstag, heiratete Walter ­Eucken die damals fünfundzwanzigjährige Studentin der Literaturgeschichte, Philosophie und Nationalökonomie Edith Erdsiek (1896–1985).37 Sie lebte seit 1905 mit ihren Eltern und den beiden jüngeren Brüdern Gerhard (1897–1975) und Heinz (1903–1961) in Berlin-Schöneberg und hatte dort die realgymnasialen Kurse mit den drei Fremdsprachen Latein, Englisch und Französisch an der Städtischen Chamissoschule, einer höheren Mädchenschule, besucht. Im Juni 1914, wenige Tage vor dem Attentat in Sarajewo, bestand sie die Reifeprüfung. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete ihre unbeschwerte Jugendzeit.

34  Gestrich begann in Berlin als Hilfsreferent im Auswärtigen Amt, war bei der Bank für Landwirtschaft und beim Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung tätig, übernahm 1924 die bis dahin von ­Eucken bekleidete Position des stellvertretenden Geschäftsführers der Fachgruppe Textilindustrie des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, wechselte 1926 in die Wirtschaftsredaktion der Deutschen Allgemeinen Zeitung und wurde ab 1927 Chefredakteur der Industrie- und Handelszeitung. Ab August 1931 ging er als Pressereferent zur Reichsbank, ab 1933 war er volkswirtschaftlicher Berater der preußischen Staatsbank. Vgl. Blümle (2008: 347 f.). 35  Vgl. Syga-Dubois (2019: 485–493). 36  Vgl. Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 8). 37  Siehe auch Klinckowstroem (2008).

9. Heirat mit Edith Erdsiek



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Die ersten sieben Lebensjahre hatte Edith Erdsiek in Russland verlebt. Dort wurde sie am 2. April 1896 in Smolensk geboren und wuchs dann von 1897 bis Ende 1903 in Kursk auf, wo ihr Vater Leiter einer deutschen Bankstelle war, bevor er als selbständiger Exportkaufmann mit seiner Familie wieder nach Deutschland  – zunächst nach Düsseldorf und ab 1905 nach Berlin  – zurückkehrte.38 Ihre Eltern Gustav Erdsiek (1866–1926) und Marie Erdsiek, geborene Belkin (1871–1948), waren beide in Ostpreußen aufgewachsen – ihr Vater als Sohn des evangelischen Pfarrers Eduard Erdsiek (1829–1896) in Caymen39 und ihre Mutter im nahen Königsberg als Tochter des aus Minsk gebürtigen, aber später in Königsberg ansässigen, jüdischen Kantors und Lehrers Louis Belkin (1840–1897)  – und sie waren 1895 von Ediths Großvater Eduard Erdsiek in Caymen kirchlich getraut worden. Walter E ­ ucken und Edith Erdsiek lernten sich in einem volkswirtschaftlichen Seminar Hermann Schumachers kennen: »Ich habe ein Referat gehalten über Anarchismus«, so erzählte sie es später, »und habe geschlossen mit dem Zitat von Christian Morgenstern ›Der Bürger und nichts als der Bürger ist ein trister Anblick, aber die aus jeder Bürgerlichkeit herausfindenden Menschen, das wäre der Untergang.‹« […] Nachher kam mein Mann, den ich noch nicht kannte, auf mich zu und sagte: ›Woher haben Sie das Zitat?‹ Das war der Anfang unserer Bekanntschaft.«40 Bereits als Studentin war Edith stark philosophisch interessiert. Im Rückblick äußerte sie: »Ich war begeistert von der Größe der geistigen Welt und von ihren Persönlichkeiten […] mich hat Kant begeistert. Ich habe über Dinge nachgedacht, die außerhalb der eigentlichen gesellschaftlichen Probleme waren. […] Ich habe noch Planck gehört, gelegentlich habe ich Einstein erlebt, ich habe einen Vortrag von Max Weber gehört, ich habe Scheler gehört, das waren so wunderbare, eindrucksvolle Persönlichkeiten, daß das für mich im Vordergrund stand. Ich entdeckte mir damals die Welt der Musik, die Welt der Malerei, der Plastik, ich ging in die Museen, ich ging in die Konzerte. Ich saß selig auf irgendeinem Tisch und hörte zum ersten Mal – damals gab es ja noch kein Radio – das Forellenquintett, […] Brahmssinfonien, Beethovens Neunte, das waren alles Offenbarungen.«41 Einer der ersten Briefe von Walter ­Eucken an Edith Erdsiek, die sich im Nachlass erhaltenen haben, datiert vom 3. Oktober 1919 und beantwortet mit akribischer Sachlichkeit ihre Anfrage, ob er ihr einen Tänzer vermitteln könne, 38 

Vgl. Angaben zur Abstammung von Heinz Erdsiek, Typoskript, ThULB NL WE. Erdsiek (1829–1896) hatte 1870 die Pfarrstelle in Caymen übernommen, nachdem er zuvor Gefängnispfarrer in Herford in Westfalen gewesen war, wo die Erdsiek’schen Vorfahren seit Jahrhunderten als evangelische Pfarrer wirkten. Vgl. auch Personalakte Walter Eucken, StAF C25/2 Nr. 84, Bl. 119 f. 40  Eucken-Erdsiek (1974: 3). Das Zitat stammt aus Christian Morgenstern, Stufen. 41  Eucken-Erdsiek (1974: 3). 39  Eduard

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II. Berlin und Tübingen 1918–1927

wobei sie sich – die Vermutung liegt nahe – wohl ihn selbst als Tänzer erhofft hatte, der sie vielleicht zu den Tanzkursen im »Tanzkränzchen« einer Frau Oberleutnant Sommer im Festsaal Tiergartenhof begleiten sollte, zu dem sich Teilnahmekarten von Edith Erdsiek im Nachlass finden. Indes, Walter E ­ ucken hatte keine Zeit: »Sehr verehrtes Fräulein! Entsprechend Ihrem telefonischen Auftrag habe ich mit verschiedenen Herren wegen des Tanzkurses verhandelt. Zunächst mit Herrn Schmidtlein, einem glänzenden Tänzer. Leider mussten die Verhandlungen abgebrochen werden, weil er sich verlobt hat und dazu noch Berlin verläßt. Dann trat ich an zwei Referenten vom Wirtschaftsministerium heran, auch gute Tänzer. Aber auch hier waren meine Bemühungen bisher vergeblich. […] Und nun komme ich zu mir selber. Um es kurz zu machen. Auch ich habe keine Zeit. Fast hätten Sie mich ja herum gebracht, aber bei längerer Überlegung sehe ich ein, daß es schlechterdings unmöglich ist. Indem ich Ihnen nochmals für Ihr freundliches Schreiben danke bin ich Ihr stets ergebener Walter Eucken.«42

Gleichwohl, im Februar 1920 begann E ­ ucken einen Brief an Edith dann mit »Mein liebes Mädel« und schloss: »In steter Liebe, Walter.«43 Über ihre Verlobung setzten sie zunächst nur wenige in Kenntnis. Im April 1920 berichtete ­Eucken seiner Mutter: »Schumacher erzählte ich von meiner Verlobung. Er und seine Frau waren geradezu reizend. Am vorigen Sonntag war Frau Schmidtlein, Pönsgen, Edith und ich Abends bei ihm. Er hielt eine famose Rede und war wie auch seine Frau sehr warmherzig. Er findet die Sache sehr richtig, mag E. auch wirklich gern. Ich erzählte es ihm, weil ich meine Zukunftspläne unbedingt mit ihm besprechen mußte und da ging das nicht anders.«44

Anderntags, im Geburtstagsbrief an seine Mutter, bekannte er ihr: »Mich persönlich beschäftigt natürlich gerade die letzte Zeit sehr oft der Gedanke an Dich. Denn so eine Verlobung ist natürlich in dieser Hinsicht keine einfache Sache. Auf der einen Seite eine Frau, die eine so stark ausgeprägte Persönlichkeit ist, auf der anderen eine, die es werden soll, will und auch kann. Das wird manchmal nicht ganz einfache Lagen geben; darüber bin ich mir klar und das wirst ja auch Du schon oft gedacht haben. Aber trotzdem sehe ich durchaus nicht schwarz. Im Gegenteil; […] da glaube ich allerdings, daß Ihr beide in ein wirklich gutes Verhältnis zueinander kommen werdet.«45

Edith Eucken-Erdsiek erzählte später: »In der Stunde der Verlobung hat er gesagt: ›Es genügt, wenn ich […] Nationalökonomie mache. Du würdest wahrscheinlich ein gutes Examen machen […] aber […] es ist nicht dein Talent.‹ Und daraufhin habe ich mich dann davon abgewandt. […] Ich hatte auch gar 42 ­Eucken

an Edith Erdsiek, 3.10.1919, ThULB, NL WE. an Edith Erdsiek, 24.2.1920, ThULB, NL WE. 44 ­Eucken an Irene Eucken, 22.4.1920, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 124, in ­Eucken GS, Band III.1. 45 ­Eucken an Irene Eucken, 23.4.1920, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 125 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 43 ­Eucken

9. Heirat mit Edith Erdsiek



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nicht den Wunsch, einen Beruf zu haben. Ich hatte nur den Wunsch, mich zu entwickeln, mir einen geistigen Standpunkt zu erwerben und zu schreiben. […] Er sagte, wenn ich den ganzen Tag Nationalökonomie mache, dann will ich nicht noch abends mit meiner Frau über Nationalökonomie reden. Er legte aber Wert darauf, daß ich ihm eine ergänzende Lektüre hinlegte, philosophische Schriften, ein astronomisches Weltbild, Literatur, heitere Dinge. Das las er nebenbei.«46

»Ich habe ihn geheiratet«, so soll sie einmal gesagt haben, »weil er in einem Vortrag, den er noch als Assistent gehalten hat, alles genau so meinte, wie er es sagte.«47 Im Sommer 1920 trieb Walter ­Eucken dann in Berlin mit Hochdruck seine Habilitationsschrift voran, während Edith mit ihren Eltern und dem jüngsten Bruder im Kurort Masserberg im Thüringer Wald weilte. »Meine Pläne sind so«, schrieb E ­ ucken ihr dorthin, »daß ich am Dienstag den 27. hier wegfahre und am Donnerstag, den 29. in Masserberg eintreffe. […] Ich kann es nicht anders, weil ich meine Habilitationsschrift noch abgeben möchte. Und mit ihr bin ich noch nicht soweit fertig.«48 »Wenn ich zu Dir komme, wird der Stickstoff hoffentlich ganz fertig sein.«49. »Jeden Tag gehe ich in ein Schreibmaschinenbüro und diktiere meine Weisheiten.«50 Am 21. Juli 1920 berichtete er ihr dann das Neueste aus dem Berliner Freundeskreis: »[…] im übrigen hat sich Gestrich […] verlobt. Das weißt aber nur Du und ich. Also nichts weitersagen.«51 Walters Briefe aus Berlin nach Masserberg berichten auch von ersten Glückwünschen zur Verlobung: »Gestern Abend war ich bei Pönschen. Es gab einen prächtigen Kuchen, den Frl. Johanna zu Ehren meiner Verlobung gebacken hat.«52 Außerdem habe Theodor Wieseler, ein Kriegskamerad Euckens, der mittlerweile Glasund Keramikhändler in Nürnberg war, gratuliert und eine »hübsche Schale für Brot, […] Porzellan geflochten, schwarz-weiß, auf dem Grunde Blumen« übersandt; von seinem Bruder berichtet er: »auch Arnold schrieb sehr nett;«53 und von seinen Professoren: »Sering hat mir sehr herzlich gratuliert. Er sagte mit würdiger Miene, Du wärst ein hübsches Mädchen. […] Ich stehe auf dem objektiven Standpunkt der Wissenschaft, daß er recht hat;«54 und »einen netten, kurzen Brief bekam ich von Spiethoff.«55 46 

Eucken-Erdsiek (1974: 8). Seuss (1991: 8). 48 ­Eucken an Edith Erdsiek, 12.7.1920, ThULB, NL WE. 49 ­Eucken an Edith Erdsiek, 14.7.1920, ThULB, NL WE. 50 ­Eucken an Edith Erdsiek, 19.7.1920, ThULB, NL WE. 51 ­Eucken an Edith Erdsiek, 21.7.1920, ThULB, NL WE. 52 ­Eucken an Edith Erdsiek, 8.7.1920, ThULB, NL WE. 53 ­Eucken an Edith Erdsiek, 8.7.1920, ThULB, NL WE. 54 ­Eucken an Edith Erdsiek, 12.7.1920, ThULB, NL WE. 55 ­Eucken an Edith Erdsiek, 14.7.1920, ThULB, NL WE. Arthur Spiethoff hatte sich nach seiner Emeritierung in Badenweiler bei Freiburg niedergelassen, wo ihm ­Eucken im Frühjahr 1940 einen Besuch abstattete, von dem er anschließend an August Lösch – der 47 

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Die Erinnerung an die im August 1920 gemeinsam verbrachten Tage in Masserberg und den Beginn ihres gemeinsamen Lebensweges fasste E ­ ucken 56 in einem Goethe-Vers zusammen, den er in Ediths Poesiealbum einschrieb und darunter setzte: »Goethe schrieb das am Ende seines Lebens. Dir steht es bevor.«57 »Weite Welt und breites Leben, Langer Jahre redlich Streben, Stets geforscht und stets gegründet, Nie geschlossen, oft gerundet, Ältestes bewahrt mit Treue, Freundlich aufgefasstes Neue, Heitern Sinn und reine Zwecke, Nun, man kommt wohl eine Strecke.«

Im Dezember 1920 trat ­Eucken eine Stelle als stellvertretender Geschäftsführer der Fachgruppe Textilindustrie des Reichsverbandes der deutschen Industrie (RDI) an, und das jungvermählte Ehepaar E ­ ucken bezog die gemeinsame Wohnung im Souterrain eines Hauses in der Potsdamer Privatstraße 121, Berlin W 35, einer Nebenstraße der großen Potsdamer Straße.58

10. Privatdozent in Berlin Walter ­Eucken habilitierte sich am 7. März 1921 an der Universität Berlin.59 Als Drei-Themenvorschlag für seinen Probevortrag im Habilitationsverfahren reichte ­Eucken Themen ein, mit denen er aus seiner Doktorarbeit und aus der Arbeit in seinen Diskussionskreisen vertraut war: (1) Preistarifbildung im Seeverkehr, (2) Die Stellung von Karl Rodbertus in der Entwicklung des Sozialismus, (3) Die neueste Entwicklung der Kapitalzinstheorien.60 sowohl Euckens als auch Spiethoffs Schüler war –, berichtete, er habe seinen – Löschs – Rat befolgt und »[s]o verlief der Besuch ganz harmlos – obwohl (wie ich gestehen muß) es mir menschlich nur teilweise liegt.« E ­ ucken an Lösch, 4.5.1940, StA HDH, NL August Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 193). 56  Aus: Goethe, Sprüche VI. Jena, Mai 1817. Vorspruch zur Gedichtgruppe »Gott und Welt«, 1827. Goethe, Gedichte, Ausgabe letzter Hand 1827. Gott und Welt. »Motto«. 57  Poesiealbum Edith Erdsiek, ThULB, NL WE. 58  Vgl. Bescheinigung der polizeilichen Abmeldung vom 20.12.1920 von Edith Eucken, geborene Erdsiek, von ihrem bisherigen Wohnsitz bei ihren Eltern in der Heilbronnerstraße 22, Berlin W 30, wegen Umzug in die Postdamer Privatstraße 121, Berlin W 35., ThULB, NL WE. 59  Vgl. Hüfner (1995: 57). 60  Vgl. ­Eucken an die Philosophische Fakultät der Universität Berlin, 23.7.1920, HU Berlin/Universitätsarchiv Phil.Fak. Nr. 1237, Bl. 157, zit. nach Hüfner (1995: 53).

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Euckens Habilitationsschrift Die Stickstoffversorgung der Welt. Eine volkswirtschaftliche Untersuchung wurde 1921 als Buch veröffentlicht.61 Sein Mentor Schumacher lobte sie in seinem Habilitationsgutachten als »deutlichen Fortschritt gegenüber der […] Dissertation«, denn die Arbeit zeige »in ihrer sicheren und systematischen Gedankenführung die gründliche geistige Durchbildung […] in der Menge der kriegswissenschaftlichen Veröffentlichungen.«62 Auch der Zweitgutachter Sering war mit der Habilitationsschrift einverstanden, merkte jedoch kritisch an: »Die Arbeit beschränkt sich im wesentlichen auf die Darstellung von Quantitätsverhältnissen und gibt kein ausreichendes Bild von den geistigen und wirtschaftlichen Kräften, welche während des Krieges die deutsche Luftstickstoffindustrie zur ersten der Welt erhoben.«63 Rudolf ­Eucken schrieb seinem Sohn anerkennende Worte, worauf Walter ­Eucken ihm antwortete: »Dies Buch wird ja nun das letzte sein, das methodisch der Historischen Schule nahe steht. Meine nächsten Arbeiten werden mehr philosophisch-theoretisch sein.«64 Bereits während der Abfassung seiner Habilitationsschrift war E ­ ucken klar geworden: »[D]ie historische Schule hat […] sich immer mehr in Einzelforschungen zersplittert und die Behandlung der grundsätzlichen Fragen zurückgeschoben. Daß sie nicht mehr genügt, liegt offen zu Tage, wenn man ihre Ergebnisse überschaut. […] So erwächst die Aufgabe, neue Wege für die Volkswirtschaftslehre zu suchen«65, wie aus einem Beitrag über »Lage u. Aufgabe der Volkswirtschaftslehre« hervorgeht, den er 1920 im Euckenbund, dem Nachrichtenblatt für die Mitglieder des Euckenbundes, veröffentlichte. »Als Themata für meine Antrittsvorlesung gestatte ich mir in Vorschlag zu bringen«, so schrieb E ­ ucken zwei Tage vor seiner Habilitation an die Philosophische Fakultät: »1.) St. Simon und Marx. 2.) Die Krisentheorien in der deutschen Volkswirtschaftslehre. 3.) Die Stellung Bazards im französischen Sozialismus.«66 Tatsächlich sprach E ­ ucken dann in seiner Antrittsvorlesung über das erstgenannte Thema »St. Simon und Marx«. Eine umgearbeitete Fassung veröffentlichte er unter dem Titel »Zur Würdigung St. Simons« als Aufsatz in ­ ucken die Lehrbefugnis für Schmollers Jahrbuch.67 Am 30. April 1921 wurde E 61 ­Eucken

(1921a). Habilitationsgutachten von Schumacher, 15.10.1921; HU Berlin/Universitätsarchiv Phil. Fak. Nr. 1237, Bl. 160, zit. nach Goldschmidt (2002: 164, Anm. 131). 63  Habilitationsgutachten von Sering, 28.10.1921, HU Berlin/Universitätsarchiv Phil. Fak. Nr. 1237, Bl. 161, zit. nach Goldschmidt (2002: 164, Anm. 131). 64 ­ Eucken an Rudolf Eucken, 19.6.1921, ThULB, NL RE, V, 11, in ­Eucken GS, Band III.1. 65 ­Eucken (1920: 14), zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 54, Anm. 16). 66 ­Eucken an die Philosophische Fakultät der Universität Berlin, 5.3.1921, HUB UA, Phil. Fak. 1237/156, in ­Eucken GS, Band III.1. 67 ­Eucken (1921b). 62 

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das Fach Volkswirtschaftslehre erteilt. Von da an lehrte er selbständig als Privatdozent der Staatswissenschaften an der Universität Berlin. Im Sommersemester 1921, seinem ersten Semester als Privatdozent, widmete sich Eucken, wie er seinem Mentor Schumacher erläuterte, »ausschliesslich dem Seminar für Anfänger«, denn die »berufliche Tätigkeit bei der Fachgruppe nimmt mich immerhin so in Anspruch, dass die ordentliche Vorbereitung für ein Kolleg, für das mir bis jetzt ausgearbeitete Unterlagen noch fehlen, nicht ­ ucken jedoch eine mehr möglich ist.«68 Für das Wintersemester 1921/22 wollte E Vorlesung und »ein wirklich ordentliches Seminar für Anfänger« vorbereiten. Indes, über seine Lehrtätigkeit im Wintersemester 1921/22 ist nichts bekannt.69 Die Tätigkeit als stellvertretender Geschäftsführer der Fachgruppe Textilindustrie des im April 1919 gegründeten Reichsverbandes der Deutschen ­ ucken im Dezember 1920 übernommen Industrie (RDI)70 in Berlin hatte E und übte sie bis Ende März 1924 aus. Details über diese Tätigkeit sind kaum bekannt71, jedoch verhalf sie ihm zu wertvollen Erfahrungen in der Wirtschaftspraxis. »[D]urch die praktische Tätigkeit lerne ich viel, was ich durch eine rein wissenschaftliche Tätigkeit nie lernen könnte«72, hob ­Eucken gegenüber seinem Mentor Schumacher hervor. Und später einmal schilderte ­Eucken seinem Mitstreiter Franz Böhm, diese Tätigkeit habe es ihm ermöglicht, »wirtschaftliche Machtkämpfe genau zu beobachten und zu analysieren«73; so habe er »selbst wirtschaftliche Macht kennengelernt« und »Machtkämpfe« erlebt, eine notwendige Bedingung, wie er 1940 in seinen Grundlagen betonen sollte, um als 68 ­Eucken an Schumacher, 29.4.1921, LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 362, 341: 2, in ­Eucken GS, Band III.1. 69  Vgl. Hüfner (1995: 58, Anm. 222). 70  Der Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) gründete sich am 12.4.1919 in Berlin als Zusammenschluss des seit 1876 bestehenden Centralverbandes Deutscher Industrieller (CDI) und des seit 1895 bestehenden Bundes der Industriellen (BdI). Die Entscheidung für den Zusammenschluss erfolgte auf einer ersten gemeinsamen Tagung von CDI und BdI in der Aula der Universität Jena am 3./4. Februar 1919, die Max Fischer – seit 1895 Mitglied der Geschäftsführung der Firma Carl Zeiss Jena und seit 1912 Vorstandsmitglied des BdI – organisiert hatte, der dann dem ersten RDI-Präsidium angehörte. Das erste RDI-Präsidium hatte 13 Mitglieder und wurde von Kurt Sorge (Friedrich Krupp AG, Präsident des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) und Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände) als Vorsitzendem sowie von Carl Friedrich von Siemens und von dem Textilindustriellen Abraham Frowein als stellvertretende Vorsitzende geleitet. Dem RDI gehörten anfangs 25 Fachgruppen mit rund 1.000 korporativen Mitgliedern an sowie 17 regionale Verbände. Vgl. Bähr/Kopper (2019: 36–49). 71  Die Originalakten des RDI wurden bei Luftangriffen auf Berlin zerstört. Vgl. Bähr/ Kopper (2019: 10). 72 ­Eucken an Schumacher, 29.4.1921, LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 362, 341: 2, in ­Eucken GS, Band III.1. 73 ­ Eucken an Böhm, 23.2.1943 (Durchschlag), ThULB NL WE, zit. nach Dathe (2014a: 93).

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Nationalökonom »das Phänomen der wirtschaftlichen Macht«74 zu erkennen. »Immer wieder« – so konstatierte Eucken – »erlagen Geschichtsschreibung und Nationalökonomie der Gefahr, den Sinn für Machtkämpfe und für deren Wucht und Brutalität zu verlieren. Vor allem Zeiten der Ruhe oder der Fortschrittsgläubigkeit […] neigten dazu, geschichtliches und gerade auch wirtschaftliches Geschehen zu verharmlosen.«75 Eingehend sollte sich E ­ ucken später auch mit dem geschichtlichen Phänomen der Macht befassen und feststellen: »Das Streben nach Macht ist ein vitaler Trieb des Menschen. Zugleich ist es eine geschichtlich gestaltende Kraft größten Ausmaßes. Es regt sich bisweilen, um einem höheren Wert zu dienen. Oft aber ist die Lust an Macht selbst der Ursprung des Willens zur Macht. Mag nun das Ziel der Machtentfaltung das eine oder das andere sein – stets siegt in den Machtkämpfen der Stärkere. Stärker aber ist oft gerade der, der sich um moralische und rechtliche Grundsätze nicht kümmert. Noch mehr: bewußter Verstoß gegen solche Grundsätze schafft oft einen Vorsprung im Machtkampf.«76

Im Sommer 1922 ließ sich ­Eucken von seinem Posten in der Geschäftsstelle der Fachgruppe Textilindustrie77 beurlauben, um in der Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 1922 einen besoldeten Lehrauftrag als hauptamtlicher Dozent für Volkswirtschaftslehre im Rahmen des 2. Lehrgangs an der 1921 gegründeten Akademie der Arbeit in Frankfurt am Main wahrzunehmen.78 An dieser von den Gewerkschaften und der preußischen Unterrichtsverwaltung getragenen Akademie wurde ein neues Bildungskonzept erprobt, nämlich die »hochschulmäßige Ausbildung nicht akademisch vorgebildeter Personen aus den Kreisen […] der Arbeiter, Angestellten und Beamten zur Wahrnehmung ihrer Tätigkeit in der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Selbstverwaltung«79, die in einem Zeitraum von zehn Monaten drei jeweils dreimonatige Lehrgänge umfassen sollte. Auch die »äusseren Bedingungen« dieser Dozententätigkeit – ein in Aussicht gestelltes Gehalt von monatlich 12.500 Mark – bezeichnete ­Eucken in jener Zeit der beginnenden Hyperinflation als »nicht schlecht.«80 Zum Dozentenkollegium an der Frankfurter Akademie der Arbeit gehörten während des 2. Lehrgangs neben Walter E ­ ucken weitere Ökonomen wie Ernst Pape  – 74 ­Eucken

([1940] 1989: 197 f.). ([1940] 1989: 197). 76 ­Eucken (1940: 479). 77 Die Geschäftsstelle der Fachgruppe Textilindustrie des RDI befand sich in der Schellingstraße 6 pt, Berlin W 9, wie aus dem gedruckten Briefkopf des von E ­ ucken verwendeten Briefbogens hervorgeht. Vgl. ­Eucken an Irene Eucken, 17.3.1922, ThULB NL RE, V, 11, Bl. 151, in E ­ ucken GS, Band III.1. Diesen Hinweis verdanke ich Uwe Dathe. 78  Vgl. Dozentenverzeichnis in Antrick (1966: 79). 79  Antrick (1966: 28). 80 ­Eucken an Irene Eucken, 31.3.1922, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 152, in ­Eucken GS, Band III.1. 75 ­Eucken

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ebenfalls als hauptamtlicher Dozent –, der zusammen mit dem Arbeitsrechtler und sozialdemokratischen Politiker Hugo Sinzheimer das dort umgesetzte Unterrichtskonzept entwickelt hatte, sowie als nebenamtliche Dozenten für Wirtschaftslehre u. a. Erich Preiser,81 Wilhelm Gerloff, Arthur Feiler, Emil Lederer, Franz Oppenheimer und Fritz Naphtali.82 Euckens Vorlesungstätigkeit als Privatdozent an der Universität Berlin begann vermutlich im Wintersemester 1922/23 mit einer Vorlesung zur »Einführung in die Hauptprobleme der theoretischen Nationalökonomie«. Theoretische Übungen bot er jedes Semester an. Im Sommersemester 1923 las er zur »Währungsfrage«, im Wintersemester 1923/24 zur »Theorie des Geldes«83, im Sommersemester 1924 und Wintersemester 1924/25 las ­Eucken im Rahmen eines Lehrauftrags der Universität Berlin über »Geschichte der nationalökonomischen Theorie«.84 »[U]nd das wird viel Mühe machen«, schrieb er seinem philosophischen Freund Isaak Benrubi, weshalb er im Winter »wohl auch nicht zu einer größeren wissenschaftlichen Arbeit kommen«85 werde. Sein Mentor Schumacher attestierte Eucken: »Seine Einführung in die Theorie der Volkswirtschaftslehre sowie seine Vorlesungen über das Geldwesen sind so stark besucht gewesen, daß er in den größten Hörsaal übersiedeln mußte.«86 Zudem schuf sich ­Eucken einen Diskussionskreis aus wirtschaftsheoretisch interessierten Studenten, der sich nun regelmäßig in der Wohnung der Euckens traf, wie es Georg Kepper erinnerte, der im Wintersemester 1923/24 Euckens Schüler wurde.87 Edith ­Eucken erinnerte später mit Bezug auf die Zeit als junges Ehepaar im Berlin der Goldenen Zwanziger: »Wir haben eigentlich nicht […] am gesellschaftlichen Leben teilgenommen. Er hatte seine Schüler, […] eine Zigarre, und dann wurde diskutiert.«88 An dieser Diskussionsrunde nahm häufig auch Euckens mittlerweile als Referent bei der Bank für Landwirtschaft und anschließend beim Landwirtschaftsministerium tätiger Freund Hans Gestrich teil. 81 

Blesgen (2000: 289, Anm. 5) zufolge haben sich E ­ ucken und Preiser allerdings erst später persönlich kennengelernt. 82  Vgl. Antrick (1966: 79). Siehe dazu auch Dathe (2014a: 93). 83 Vorlesungsverzeichnis der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, zit. nach Hüfner (1995: 57 f.). 84 Archiv der Humboldt-Universität Berlin (HUB), Phil. Fak. Nr. 1440, Bl. 38 u. Nr. 1440, Bl. 37, zit. nach Hüfner (1995: 58). 85 ­Eucken an Benrubi, 20.9.1924, Bibliothèque de Genève Ms. fr. 2235, f. 92–93, in ­Eucken GS, Band III.1. 86  So hieß es in der Beurteilung Schumachers über Eucken, Archiv der HumboldtUniversität Berlin (HUB), Phil.Fak. Nr. 1440, Bl. 37 S. 1, zit. nach Hüfner (1995: 56). 87  Vgl. Georg Kepper, Ansprache auf dem Treffen des Eucken-Kreises am 29./30.5.1976 in Freiburg, in: Rundbrief des Vorsitzenden des Eucken-Kreises, Günther Heinicke, 20.12.1976, ThULB NL WE. 88  Eucken-Erdsiek (1974: 4).

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Ein weiterer regelmäßiger, in Wirtschaftsfragen kompetenter Gesprächspartner war für E ­ ucken in Berlin der sechs Jahre ältere, promovierte Altphilologe Alexander Rüstow, den ­Eucken an der Front kennengelernt und dann nach Kriegsende in Berlin wiedergetroffen hatte, wo Rüstow als Referent für Allgemeine Wirtschaftsfragen im Reichswirtschaftsministerium tätig war, bis er 1924 zum Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) wechselte und dort die Geschäftsführung der wirtschaftspolitischen Abteilung übernahm.89 Mit Rüstow, der zu den Vätern der deutschen Kartellverordnung von 1923 gehörte und während seiner Tätigkeit im VDMA vielfältige Kontakte zu Unternehmern und Regierungsbehörden knüpfte90, teilte ­Eucken besonders das Interesse für Kartell- und Monopolfragen, aber auch für aktuelle wirtschaftstheoretische und wirtschaftspolitische Fragen. So begann im Berlin der 1920er Jahre zwischen ­Eucken und Rüstow ein intensiver, lebenslanger Gedankenaustausch, der, als ­Eucken 1925 Berlin verließ, in einem umfangreichen Briefwechsel weitergeführt wurde und sich großenteils erhalten hat.91 Auch philosophische und literarische Fragen beschäftigten den Berliner Privatdozenten Eucken: Er wurde gleich zu Beginn Mitglied im 1919 gegründeten, an der Weltanschauungsphilosophie Rudolf Euckens orientierten Euckenbund und führte Gespräche zum einen mit dem Philosophen Isaak Benrubi (1876– 1943), der 1904 in Jena bei Rudolf Euckens promoviert hatte;92 zum anderen mit dem Religionsphilosophen und Schriftsteller Theodor Kappstein (1870–1960), der als Dozent für Religionswissenschaft an der von ihm 1902 mitbegründeten Freien Hochschule Berlin gewirkt und zu Rudolf E ­ ucken publiziert hatte. Schließlich war das Ehepaar ­Eucken wie auch der Freund Hans Gestrich Mitglied eines Literarischen Kreises in Berlin.93 Zum Wintersemester 1921/22 stieß ein neuer Student zu Euckens studentischem Diskussionskreis. Es war der neunzehnjährige Friedrich A. Lutz (1901– 1975), der nach einem Studienjahr in Heidelberg nach Berlin gekommen war, um bei Hermann Schumacher zu promovieren. Die Begegnung mit dem jungen Privatdozenten E ­ ucken und dessen rationalistischer, abstrakter Art des Herangehens an die damals drängenden Probleme der wirtschaftlichen Wirklichkeit, insbesondere der Geldentwertung bisher ungekannten Ausmaßes, 89 

Vgl. Meier-Rust (1993: 27 ff.). Vgl. Meier-Rust (1993: 27 f.). 91  Vgl. Lenel (1991: 13 f.). 92  Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 54; 58, Anm. 43). 93  Mitglieder des Literarischen Kreises in Berlin waren entsprechend der im Nachlass vorhandenen Adressenliste: Priv. Doz. W. Eucken, Edith Eucken, Dr. phil. Hans Gestrich, Dr. phil. Max Gurland, Prof. Dr. Walter v. Hauff, Frau v. Hauff, Redakteur Carlo v. Kügelgen, Frau Elsbe v. Kügelgen, Frl. Erika v. Oettingen, Dr. Lotte Ollendorf, Frl. Irmgart Rathgen, Dr. Benedikt v. Stempell, Herr Jürgen Tantscher, Frau Daisy Tantscher, Herr Reinhold v. Walter, ThULB, NL WE. 90 

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beeindruckte Lutz. Sie zeigte ihm einen gangbaren Weg, zu den Ursachen wirtschaftlicher Geschehnisse und den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen vorzustoßen und sollte für sein ganzes Leben richtungweisend werden. Bald gehörte Lutz auch zu den regelmäßigen studentischen Gästen am Mittagstisch der Euckens. Die lebenslange Freundschaft zwischen ­Eucken und Lutz nahm ihren Anfang.94 »Als ich im Winter 1922/23 in Berlin studierte und beim Privatdozenten ­Eucken eine Vorlesung über Preistheorien hörte«, so erinnerte sich knapp drei Jahrzehnte später der aus Basel gebürtige Valentin F. Wagner (1895–1959) an sein Berliner Semester – »war [die Vorlesung] unberührt von den brodelnden Ereignissen der Nachkriegszeit und des Ruhrkampfes. Während in andern Vorlesungen viel politisiert wurde, verzichtete E ­ ucken auf solche billigen Erfolge, und seine Vorlesung war trotzdem ungemein aktuell.«95 Wagner hatte danach an der Universität Basel 1927 promoviert, 1937 habilitiert und ab 1942 eine Professur für Nationalökonomie übernommen.96 Ferner erinnerte er, dass er 1949 bei ­Eucken angefragt habe, ob dieser ihn für ein Semester an der Universität Basel vertreten könne. ­Eucken habe sich sofort dazu bereit erklärt mit der Begründung, »es wäre ihm eine große Freude an der Universität zu wirken, an der sein Vater gelehrt hatte.«97 Zu Euckens wichtigsten Veröffentlichungen während der Berliner Zeit gehört sein im Jahr 1923 als erste größere Arbeit nach der Habilitation erschienenes Buch Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem.98 Bereits vor der Veröffentlichung ahnte Eucken: »Freunde werde ich mir nicht machen; denn es ist recht energisch. Aber ich glaube, es wird gut wirken können.«99 »Es wird viel Widerspruch, aber heute doch vielleicht auch manche Zustimmung finden.«100 Im Gegensatz zur Mehrheit der deutschen Ökonomen vertrat E ­ ucken in diesem Buch die Ansicht, dass die Ursache für die in Deutschland zu jener Zeit herrschenden extremen Preissteigerungen und die Verschlechterung der Devisenkurse in einer zu hohen Staatsverschuldung bei zu niedrigen Zinssätzen der Reichsbank gesehen werden müsse, und nicht auf die politische Entwicklung oder die Lage im Produktionssektor zurückzuführen sei. Was die Bankiers und eine Reihe einflussreicher Wissenschaftler für abwegig hielten, dass nämlich die Reichsbank durch Einschränkung des Geld- und Kreditvolumens gegensteuern 94 

Vgl. Veit-Bachmann (2003: 11). Wagner (1950: 173). 96  Vgl. Maeder (2012). 97  Wagner (1950: 172). Ob diese Vertretung stattgefunden hat, ist bisher nicht bekannt. 98  Eucken, W. (1923). 99 ­Eucken an Irene Eucken, 24.8.1923, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 157 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 100 ­ Eucken an Rudolf Eucken, 30.8.1923, ThULB, NL RE, V, 11, zit. nach Hüfner (1995: 65). 95 

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könne, das schlug ­Eucken als Maßnahme zur Problemlösung vor.101 Bemerkenswert ist Uwe Dathe zufolge dabei auch, dass ­Eucken bei diesen kritischen Betrachtungen der Geld- und Währungskrise die Vorstellung von einer Zwangsläufigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung bereits entschieden ablehnte.102 Mit diesem Buch wurde deutlich, dass sich Euckens Verhältnis zu seinem Lehrer Hermann Schumacher verändert hatte: »Mit Schumacher hatte ich neulich eine recht klärende Aussprache,« schrieb ­Eucken seiner Mutter im August 1923 aus Baabe. »Du weißt, daß ich mich wissenschaftlich recht stark von ihm entfernt habe, und zwar gerade in den Fragen, die ich in meiner kleinen Schrift [Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem] behandele. Ich halte seinen Standpunkt für absolut unhaltbar und für praktisch direkt verhängnisvoll. Da war es gut, daß wir uns einmal mündlich aussprachen. Die wissenschaftliche Debatte verlief, wie mir schien, sehr zu meinen Gunsten. Aber ich vermied natürlich jede Schärfe. […] [S]o bin ich zufrieden, denn diese Klärung mußte kommen und sie ist in der denkbar angenehmsten Form ohne jede Verstimmung erfolgt […] es liegt keine Spur einer persönlichen Verstimmung vor […] wissenschaftlich aber trennen sich diese Wege.«103 Trotz der wissenschaftlichen Differenzen und des etwas angespannten persönlichen Verhältnisses förderte Schumacher weiterhin Euckens Karriere, indem er ihn im Januar 1925 für die Berufung auf den Tübinger Lehrstuhl »aufs Wärmste«104 empfahl und ihn 1935 gegenüber Otto von Zwiedineck-Südenhorst für einen Posten im Vorstand des Vereins für Sozialpolitik vorschlug.105 Indes, als sich ­Eucken und Schumacher 1932 auf der Dresdner Tagung des Vereins für Sozialpolitik trafen, berichtete E ­ ucken nach Hause: »Unser Freund ›Hermann‹ ist zur allgemeinen Überraschung auch da. Er begrüßte mich kühl, aber nicht höflich. Infolgedessen bin ich natürlich auch reserviert, d. h. höflich, aber kühl.«106 Erst Mitte der 1930er Jahre hatte sich dann das persönliche Verhältnis zwischen E ­ ucken und Schumacher wieder entspannt, wie ­Eucken im Juni 1936 nach einem Besuch Schumachers in Freiburg nach Jena berichtete: »Immerhin freute ich mich, daß wieder eine ganz harmonische Stimmung zwischen uns wiederhergestellt ist und daß frühere Mißverständnisse beseitigt sind.«107 Als 101 

Siehe dazu ausführlich Folz (1970). Dathe (2014a: 94) mit Verweis auf Folz (1970: 12). 103 ­Eucken an Irene Eucken, 24.8.1923, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 157 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 104  Schumacher an Herbert von Beckerath, 22.1.1925, LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 362, 85:1, zit. nach Goldschmidt (2005a: 82, Anm. 96). 105  Schumacher an Zwiedineck-Südenhorst, 1935, LB Oldenburg, HS 362, 1563: 10, zit. nach Goldschmidt (2005a: 82, Anm. 96). 106 ­Eucken an Edith Eucken, 28.9.1932, ThULB, NL WE. 107 ­Eucken an Irene Eucken, 12.6.1936, ThULB, NL RE, I, 24, Bl. 161, zit. nach Hüfner (1995: 66) und Goldschmidt (2005a: 81 f., Anm. 96). 102 

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Schumacher 1943 seinen 75. Geburtstag beging, schrieb ihm Eucken: »An die Zeit gemeinsamer Arbeit, die nun schon über 20 Jahre zurückliegt, denke ich oft zurück. In ihr habe ich sehr viel gelernt und viele wichtige Anstöße empfangen.«108 Den Kritischen Betrachtungen zum deutschen Geldproblem folgte in Fachzeitschriften und Tageszeitungen eine Reihe von Aufsätzen zu Fragen des Geldwertes und insbesondere zu den mit den Reparationszahlungen zusammenhängenden Transferproblemen. Zu Euckens Verdruss zahlten die Zeitungen oft schlecht: »Für den Goldwährungsartikel109 bekomme ich tatsächlich nur 50 M. pro Druckbogen. Das ist jämmerlich wenig«, beklagte sich ­Eucken im Februar 1924 auf einer Postkarte an seine Frau, die bei seinen Eltern in Jena weilte, und ­ ucken scheint fuhr fort: »Gut daß ich die Lessinghochschule habe.«110 Walter E sein Einkommen durch eine Lehrtätigkeit an der Lessing Hochschule zu Berlin aufgebessert zu haben, einer 1901 gegründeten privaten Bildungseinrichtung, die sich in den 1920er Jahren zu einem »Podium der Eliten« entwickelt hatte mit renommierten Dozenten, zu denen unter anderen der Physiker Albert Einstein (1879–1955), der Philosoph Max Scheler (1874–1928), der Ökonom Werner Sombart (1863–1941) und der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin (1864–1945) zählten.111 Ende März 1924 beendete E ­ ucken seine praktische Tätigkeit bei der Fachgruppe Textilindustrie des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. Er betätigte sich »nunmehr ausschließlich wissenschaftlich«112 und beantragte aus diesem Grund im Juni 1924 seine Mitgliedschaft im Verein für Sozialpolitik bei dessen damaligem Vorsitzenden Heinrich Herkner. Zur Tagung des Vereins für Sozialpolitik, die vom 24. bis 26. September 1924 in Stuttgart stattfand, reiste ­Eucken aus Baabe an und erschien mit geldtheoretischen Argumenten »in der Arena«113, und zwar besonders in den Debatten zum Tagungsthema »Soziale Wirkungen der Währungsverhältnisse« und zu den »Verhandlungen über die theoretische und ökonomisch-technische Seite des Währungsproblems.« Die Zeit von August bis Oktober verbrachten Euckens in ihrem Feriendomizil »Haus Edith« in Baabe auf der Ostseeinsel Rügen, da »keine dienstlichen Verpflichtungen allzu früh wieder nach Berlin zurückrufen.«114 »Hier in 108 ­Eucken an Schumacher, August 1943, GNM Nürnberg, NL H. Schumacher, I, C 72, zit. nach Goldschmidt (2005a: 87, Anm. 114). 109 ­Eucken (1924). 110 ­Eucken an Edith Eucken, 14.2.1924, ThULB, NL WE. 111  Vgl. Guggenberger (2016/2017: 106 ff.). 112  Eucken an Herkner, 21.6.1924, GStA PK, I. HA, Rep. 196, Nr. 23, Bl. 635, in ­Eucken GS, Band III.1. 113  Boese (1939: 186, 189). 114 ­Eucken an Benrubi, 20.9.1924, Bibliothèque de Genève Ms. fr. 2235, f. 92–93, in ­Eucken GS, Band III.1.

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Baabe ist es wieder prachtvoll«115, schwärmte ­Eucken im August 1924: »Die See entspannt so unglaublich rasch. Dabei leben wir hier billiger als in Berlin und essen natürlich – bei eigener Küche – hervorragend. Benrubi ist auch hier und besucht uns manchmal. […] Wir baden, liegen im Sand, machen Wanderungen in den prachtvollen Buchen- und Eichenwäldern. Abends und Morgens, sowie zum Mittagessen sitzen wir auf unserem Balkon mit dem weiten Blick über den Selliner See.«116 Von einer Italienreise, die Euckens früher im Jahr unternommen hatten, berichtete E ­ ucken seinem Freund Benrubi: »In Italien war es sehr schön. Wir sind bis Sizilien (Palermo, Syrakus, Girgenti) gekommen. […] Neapel steht uns in etwas weniger guter Erinnerung, weil uns hier ein Koffer gestohlen wurde. […] Umso ungetrübter sind die Erinnerungen an Rom, wo wir wirklich unvergeßliche Tage zubrachten.«117 Euckens Weg zu einer ordentlichen Professur zog sich hin: Briefen an seine Mutter118 ist zu entnehmen, dass sich für ­Eucken im Sommer 1920 eine Möglichkeit in China geboten habe – möglicherweise im Zusammenhang mit dem Besuch des vormaligen chinesischen Finanzministers und Philosophen Liang Chi Chao alias Liang Qui Chao und des chinesischen Staatsrechtlers und Philosophen Carsun Chang alias Zhang Junmai bei Rudolf ­Eucken in Jena.119 ­Eucken habe sich »zu allem bereit« gezeigt, aber darauf bestanden, sich zunächst zu habilitieren und dafür »eine leidliche Arbeit« fertigzustellen. Im September 1921 teilte E ­ ucken seiner Mutter mit, dass er für eine Position in Riga im Gespräch sei, erwähnte aber auch, dass er glaube, dass er ablehnen werde, denn Schumacher habe gemeint, »es liege zu abseits und bringe mich aus dem akademischen Beruf heraus.«120 Im Mai 1924 war ­Eucken für eine außerordentliche Professur für Volkswirtschaftslehre in Jena im Gespräch.121 Indes, man gab dem erst fünfundzwanzigjährigen Marburger Privatdozenten Wilhelm Röpke (1899–1966), seinem späteren Mitstreiter und Freund, den Vorzug.122 Erst am 7. April 1925 konnte ­Eucken seinem Berliner Freund Alexander Rüstow mitteilen, »dass ich vom S. S. ab aus Berlin weggehe. Ich habe nämlich ein Ordi115 ­Eucken

an Irene Eucken, 24.8.1924, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 157 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 116 ­Eucken an Irene Eucken, 24.8.1924, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 157 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 117 ­Eucken an Benrubi, 20.9.1924, Bibliothèque de Genève Ms. fr. 2235, f. 92–93, in ­Eucken GS, Band III.1. 118 ­Eucken an Irene Eucken, 11.6.1920 und 2.7.1920, zit. nach Hüfner (1995: 54 f.). 119  Vgl. Eucken, R. (1922: 113). 120 ­Eucken an Irene Eucken, 2.9.1921, zit. nach Hüfner (1995: 54). 121  Vgl. Archiv der Humboldt-Universität Berlin (HUB), Phil.Fak. Nr. 1440, B. 30, zit. nach Hüfner (1995: 56). 122  Vgl. Hennecke (2005: 47–49).

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nariat in Tübingen als Nachfolger von Beckerath übernommen.«123 Tags zuvor, am 6. April, hatte ­Eucken die vom württembergischen Ministerium in Stuttgart übersandte Berufungsvereinbarung unterzeichnet.124

11. Professor in Tübingen Zum 1. April 1925, im Alter von 34 Jahren, wurde Walter ­Eucken zum ordentlichen Professor für Volkswirtschaftslehre und Statistik an der EberhardKarls-Universität Tübingen ernannt. Er war von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät »ausser der Reihe, aber mit Vorzug«125, auf die Berufungsliste zur Nachfolge von Herbert von Beckerath (1886–1966) gesetzt worden, der einem Ruf an die Universität Bonn gefolgt war. Ausschlaggebend war dabei, dass ­Eucken bereits »gute Kenntnisse auf dem Gebiet des Geldund Bankwesens und der Industriepolitik besitze, dazuhin über praktische Erfahrungen in der Wirtschaftspolitik verfüge« und »die Auskünfte über seine Lehrerfolge besonders günstig«126 seien. Dass er »­Eucken aufs Wärmste empfehlen zu können glaube«127, hatte Euckens Mentor Hermann Schumacher die Tübinger wissen lassen, obgleich es wissenschaftlich zwischen ihm und Eucken mittlerweile Differenzen gab. An der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der seit 1923 zusammengefügten Tübinger Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät lehrten zu dieser Zeit neben ­Eucken zwei weitere Ordinarien für Volkswirtschaftslehre und Statistik: Carl Johannes Fuchs (1865–1934), zeitlebens ein Anhänger der Historischen Schule und Verfechter des »Kommunalsozialismus«, sowie Robert Wilbrandt (1875–1954), ebenfalls Anhänger der Historischen Schule, aber Vertreter einer sozialistischen Gemeinwirtschaft auf der Grundlage des Gemeineigentums.128 »Im Sommer lese ich Theoretische 4st, Währungsprobleme 1st, Seminar ­ ucken seiner Frau nach Berlin, über Konjunkturlehre 2st«129, meldete Walter E »die Wohnung geht sehr langsam vorwärts. Ich fürchte ich werde am Mittwoch vor Pfingsten mit dem Abziehen der Böden noch nicht fertig sein.«130 In der Herrenbergerstraße 11½ hatten Euckens in Tübingen eine Wohnung gemietet, 123 ­Eucken

an Rüstow, 7.4.1925, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 368. Berufungsvereinbarung vom 6.4.1925, ThULB, NL WE. 125  Fakultät an Senat, 14.02.1925, UAT 126/142, zit. nach Brintzinger (1996: 277). 126  Fakultät an Senat, 14.02.1925, UAT 126/142, zit. nach Brintzinger (1996: 277). 127  Schumacher an Herbert von Beckerath, 22.1.1925, LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 362, 85, zit. nach Goldschmidt (2005a: 82, Anm. 96). 128  Vgl. Brintzinger (1996: 270). 129 ­Eucken an Edith Eucken, 19.5.1925, ThULB, NL WE. 130 ­Eucken an Edith Eucken, 20.5.1925, ThULB, NL WE. 124 

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doch die Renovierungsarbeiten zogen sich hin. Immerhin konnte der Opernliebhaber ­Eucken Positives berichten: »Gestern war die Aufführung von Cosi fan tutte, nicht erstklassig, aber gut.«131 »Hier haben wir uns schon einigermaßen eingelebt«, schrieb er dann im Juni an Rüstow. »Es ist eine schöne Universität, aber es wird viel Arbeit geben, um hier wirklich das in Gang zu bringen, was ich anstrebe.«132 Mit seinem Lehrangebot hatte ­Eucken gleich in seinem ersten Semester eine Neuerung eingeführt: Statt der bisher in Tübingen üblichen »Allgemeinen Volkswirtschaftslehre« las er »Theoretische Volkswirtschaftslehre« und bot neben einer einstündigen Vorlesung »Währungsprobleme der Gegenwart« ein Seminar zur Konjunkturtheorie an. Im Wintersemester 1925/26 folgte eine Vorlesung zur Konjunkturtheorie.133 Diese starke Hinwendung zur Theorie fand indes bei seinen volkswirtschaftlichen Kollegen keine Unterstützung.134 Das Verhältnis zu Fuchs und Wilbrandt wurde eher angespannt. Im September 1925 klagte Eucken: »Ich habe ja wenige wissenschaftliche Freunde und persönlich kenne ich kaum jemanden.«135 Ein guter Kontakt entwickelte sich jedoch zwischen E ­ ucken und dem Kollegen Curt Eisfeld (1886–1969), der in Tübingen das Fach Betriebswirtschaftslehre – bzw. Privatwirtschaftslehre, wie es damals dort hieß – einschließlich Buchhaltung und Kollegs zur Statistik vertrat.136 E ­ ucken schätzte Eisfeld und dessen Urteil und blieb mit ihm brieflich in Verbindung, nachdem Eisfeld 1927 den neu errichteten Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg übernommen hatte.137 Als Eisfeld 1938 einen Ruf nach Freiburg erhielt, lehnte er diesen mit der Begründung ab, dass ihn zwar eine Zusammenarbeit mit ­Eucken und Großmann-Doerth gereizt hätte, dass jedoch wegen seiner zusätzlich zum Hamburger Lehrstuhl übernommenen Leitung des Sparkasseninstitutes in Berlin die Übernahme eines Lehrstuhls in Freiburg damit aufgrund der räumlichen Distanz nicht kompatibel sei.138 Wie später in Freiburg war ­Eucken bereits in der Tübinger Zeit der Kontakt zur wirtschaftlichen Praxis wichtig: Für seine Studenten organisierte er Betriebsbesichtigungen139, vor Unternehmern hielt er Vorträge, zu denen er bei131 ­Eucken 132 ­Eucken

an Edith Eucken, 20.5.1925, ThULB, NL WE. an Rüstow, 29.6.1925, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 355, in E ­ ucken

GS, Band III.1. 133  Vgl. Brintzinger (1996: 278, Anm. 156). 134  Brintzinger (1996: 278). 135 ­Eucken an Irene Eucken, 27.9.1925, ThULB, NL RE, V, 11, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 55, Anm. 24). 136  Vgl. Brintzinger (1996: 283). 137  Vgl. Schmidt/Sattler/Raettig (2014: 113 f., Anm. 57) mit Verweis auf Briefe Euckens an Eisfeld im Staatsarchiv Hamburg. 138  Vgl. Brintzinger (1996: 132). 139  Vgl. Dathe (2014a: 95).

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spielsweise aufgrund seiner früheren Verbandstätigkeit aus der Textilindustrie Einladungen erhielt. So berichtete er im Mai 1925 seiner Frau: »Sprach am Donnerstag in Aachen bei den Textil-Arbeitgebern über Transfer und Lohn«140, und im Juli 1925 erwähnte er in einem Brief an Rüstow »Diskussionen, die ich mit Textilindustriellen vor einigen Tagen in Münster hatte.«141 Solche Vortragseinladungen brachten willkommene Honorareinnahmen mit sich. So hatte ­Eucken für den 14. Juni 1927 eine Einladung nach Bielefeld: »Ich soll über ›Arbeitslosigkeit‹ sprechen«, schrieb er seiner Frau und bat um ihre Ansicht zu seiner Honorarforderung: »Ich meine, über 500 M. (oder nur 400?) und Reisekostenersatz kann ich nicht verlangen.«142 Das Weihnachtsfest 1925 haben Euckens erstmals im neuen Tübinger Heim »sehr nett verbracht«, wie ­Eucken nach Jena berichtete, »Edith schenkte mir Manschettenknöpfe, sehr schöne Hausschuhe, die Werke von Gogol und einen Abzug der prachtvollen Totenmaske Friedrich des Großen. Sie hängt in meinem Zimmer und wirkt unglaublich.«143 Diese Totenmaske zierte später auch Euckens Freiburger Arbeitszimmer und blieb dort bis zu Beginn der 1990er Jahre hängen, als daraus längst einer der Räume des Walter ­Eucken Instituts geworden war. Friedrich der Große galt E ­ ucken als Beispiel für einen Staatsmann, den es beunruhigte, wenn er die Dinge »nicht klar genug erfassen und die Zusammenhänge nicht zuverlässig durchdenken konnte.«144 Er zählte, wie es später in dem vor allem aus Euckens Feder stammenden ordoliberalen Manifest formuliert ist, zu den Großen der Weltgeschichte, die dadurch groß geworden seien, »daß ihre irrationale Kraft des Wollens und ihre Kraft der Vernunft zusammen Schwierigkeiten bewältigte, die unüberwindbar schienen.«145 Diese in der Geschichte erfahrbare Überzeugung, dass die Ratio nur für den innerlich Schwachen eine Bedrohung, für den Starken aber einen Zuwachs an Kraft bedeute, sollte später in Freiburg für E ­ ucken und seine beiden juristischen Kollegen zum Ansporn dafür werden, mit dem Forschungsprogramm der Freiburger Schule »die wissenschaftliche Vernunft, wie sie in der Jurisprudenz und in der Nationalökonomie zur Entfaltung kommt, zum Aufbau und zur Neugestaltung der Wirtschaftsverfassung zur Wirkung zu bringen.«146 140 ­Eucken 141 ­Eucken

an Edith Eucken, 16.5.1925, ThULB, NL WE. an Rüstow, 15.7.1925, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 339, in E ­ ucken

GS, Band III.1. 142 ­Eucken an Edith Eucken, 13.5.1927, ThULB, NL WE. 143 ­Eucken an Irene Eucken, 26.12.1925, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 187, in E ­ ucken GS, Band III.1. 144  Böhm/Eucken/Großmann-Doerth ([1936] 2008: 35; Hervorhebung im Original). 145  Böhm/Eucken/Großmann-Doerth ([1936] 2008: 35; Hervorhebung im Original). 146  Böhm/Eucken/Großmann-Doerth ([1936] 2008: 35).

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In seinem ersten Tübinger Seminar traf Walter E ­ ucken auf den zehn Jahre jüngeren Studenten Leonhard Miksch (1901–1950), der bereits seit dem Wintersemester 1922/23 in Tübingen studierte, zunächst Chemie, ab Oktober 1923 dann Staatswissenschaften, wobei er »versuchte, volks- und betriebswirtschaftliche, historische, juristische und politische Studien miteinander zu verbinden.«147 Miksch war von dem neu in Tübingen lehrenden Ökonomen ­Eucken sofort beeindruckt. »Ich erinnere mich noch deutlich des ersten Seminars«148, so schilderte es Miksch später in einem Beitrag für die Frankfurter Zeitung, »­Eucken begann, wie dies seine Art war, mit der theoretischen Analyse einer konkreten Frage, die durch die Tagesereignisse gestellt wurde. Schon diese Wirklichkeitsnähe war neu.«149 Im Seminar von Eucken, so konstatierte Miksch rückblickend, war ihm »erstmals bewußt geworden, daß es nicht darauf ankomme, zu wissen, was Smith oder List über die Wirkung eines Schutzzolles gesagt haben, sondern darauf, an Hand eines konsequenten Denkapparates die Folgen eines bestimmten Schutzzolles in einer konkreten Situation beurteilen zu können. Daher begann für mich an jenem Tage das Studium der Wirtschaftswissenschaft.«150 Im Jahr 1926 wurde Miksch Euckens Doktorand, bestand am 5. Februar 1927 in Tübingen die mündliche Doktorprüfung – die Promotionsurkunde folgte erst am 2. Januar 1929, als die Dissertation gedruckt vorlag –, und trat 1928 als Wirtschaftsjournalist in die Berliner Redaktion der Frankfurter Zeitung ein. Ab 1933 begann er, von ­Eucken ermutigt, parallel erneut wissenschaftlich zu arbeiten, um sich zu habilitieren. Seine Habilitationsschrift Wettbewerb als Aufgabe erschien 1937.151 Miksch wurde Euckens Freund und wichtigster ordnungspolitischer Mitstreiter neben Franz Böhm. Später im Nachkriegsdeutschland sollte Miksch als enger Mitarbeiter von Ludwig Erhard in der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone bei der Ausarbeitung des Leitsätzegesetzes vom 24. Juni 1948 eine entscheidende Rolle spielen und darauf hinwirken, dass  – ganz im Sinne der Freiburger Ordnungspolitik – die Freigabe der Preise Vorrang vor der Bewirtschaftung erhielt.152 Einige von Euckens Berliner Studenten waren ihm nach Tübingen gefolgt, so neben Georg Kepper auch Schumachers Doktorand Friedrich A. Lutz. Nachdem die von Lutz bei Schumacher in Berlin eingereichte Dissertation »vermutlich aus Unverständnis des Lehrers älterer Schule gegenüber der Vorgehensweise ­ ucken nach der Jungen«153 zurückgewiesen worden war, wechselte Lutz zu E 147 

Dathe (2015: 11); dazu auch Berndt/Goldschmidt (2000). Miksch (1937). 149  Miksch (1937). 150  Miksch (1937). 151  Zu den Lebensdaten von Miksch siehe Feld/Köhler (2015: 133 f.). 152  Vgl. Goldschmidt/Hesse (2008). 153  Veit-Bachmann (2003: 12). 148 

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Tübingen, verfasste bei ihm in wenigen Monaten  – auch angetrieben von finanzieller Not, da das Vermögen seiner Mutter der Inflation zum Opfer gefallen war – eine zweite Dissertation mit dem Titel Der Kampf um den Kapitalbegriff in der neuesten Zeit und wurde im Dezember 1925 promoviert.154 Anschließend arbeitete er in Berlin unter Alexander Rüstow im Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA), bevor er trotz finanzieller Schlechterstellung ab April 1929 in die Wissenschaft zurückkehrte, bei ­Eucken in Freiburg Assistent wurde und sich dort 1932 mit der Schrift Das Konjunkturproblem in der Nationalökonomie habilitierte.155 Wie schon in Berlin waren Euckens Lehrveranstaltungen auch in Tübingen anspruchsvoll. Studenten wie Miksch und Lutz spornte das an. Andere ließ es unbeeindruckt, wie den damals zwanzigjährigen Theodor Eschenburg (1904–1999), den späteren Begründer der deutschen Politikwissenschaft, der im Rückblick auf seine Tübinger Studienjahre von 1924 bis 1926, als er Staatswissenschaft und Geschichte und nebenbei auch etwas Ökonomie hörte, nur den Betriebswirt Eisfeld und den Nationalökonomen Wilbrandt erinnerte.156 Erst 1932 im Rahmen des Deutschen Bundes für freie Wirtschaftspolitik, für den Eschenburg  – mittlerweile promoviert und als Mitarbeiter von Rüstow im VDMA tätig  – die Geschäftsführung übernommen hatte und für den sich auch der dann in Freiburg lehrende E ­ ucken engagierte, sollten beide in Kontakt kommen. Im Sommersemester 1927 saß ein besonders hochbegabter Studienanfänger in Euckens Tübinger Vorlesung zur »Allgemeinen Volkswirtschaftslehre« und den zugehörigen »Theoretischen Anfängerübungen«: Es war August Lösch (1906–1945), der E ­ ucken dann zum Wintersemester 1928/29 nach Freiburg folgte, und für den ­Eucken zu einem wichtigen Mentor und Förderer werden sollte.157 Euckens publizistische Aktivitäten während der Tübinger Zeit waren bisweilen frustrierend: »Gestern schrieb ich die Entgegnung gegen Dalberg. Eine widerwärtige Arbeit«158, informierte ­Eucken im Mai 1925 seine Frau. Zu dem von Rudolf Dalberg, dem Referenten für Währungsfragen im Reichswirtschaftsministerium, veröffentlichten Buch Die neue deutsche Währung nach dem Dawesplan hatte E ­ ucken eine Rezension in den Jahrbüchern für Nationalöko154 

Vgl. Veit-Bachmann (2003: 12, 39). Lutz hat seine 1927 in der Buchdruckerei Eugen Göbel, Tübingen, gedruckte Dissertation selbst jedoch nie in sein Veröffentlichungsverzeichnis aufgenommen, wofür, wie Verena Veit-Bachmann vermutet, die ihm »damals durch die Umstände aufgezwungene Hast« der Grund gewesen sein mag. 155  Zu den Lebensdaten von Lutz siehe Veit-Bachmann (2003: 44 ff.). 156  Vgl. Eschenburg (1965). 157  Vgl. Bieri (2020: 22 f.). Für biographische Angaben zu August Lösch sowie zum Mentorenverhältnis von E ­ ucken zu Lösch siehe Bieri (2021: 13–22). 158 ­Eucken an Edith Eucken, 19.5.1925, ThULB, NL WE.

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nomie und Statistik verfasst, die von Seiten Dalbergs heftig kritisiert worden war, so dass sich E ­ ucken zu einer Replik auf Dalbergs Kritik veranlasst sah.159 Neben Arbeiten zu Währungsproblemen bestand ein Großteil von Euckens Veröffentlichungen während der Tübinger Jahre aus Beiträgen zur Zeitschrift Der Euckenbund, die sich unter seinem Einfluss ab April 1925 unter dem neuen Titel Die Tatwelt vom Mitgliederblatt des Euckenbundes zu einer kulturphilosophischen Zeitschrift entwickelte und ab 1926 nicht mehr monatlich, sondern vierteljährlich erschien. Auch in der akademischen Selbstverwaltung engagierte sich E ­ ucken und amtierte von seinem dritten Tübinger Semester an – vom 2. Mai 1926 bis zum 16. April 1927  – als Dekan der Fakultät und Obmann der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung.160 Gleichwohl wurde immer deutlicher: Offensichtlich fühlte E ­ ucken sich neben den so anders gearteten Tübinger Kollegen nicht wohl. Ein Symptom für diese Gegensätze wird darin gesehen, dass Wilbrandt die von E ­ ucken im Hinblick auf die 1927 anstehende 450-Jahrfeier der Universität Tübingen vorgeschlagene Ehrenpromotion für den schwedischen Ökonomen Gustav Cassel (1866–1945), einen Begründer der neoklassischen Theorie, verhinderte.161 Die Zusammenhänge dieser Episode geben mittlerweile ein etwas anderes Bild, wenn man sie anhand des Briefwechsels zwischen E ­ ucken und Rüstow näher ausleuchtet: E ­ ucken hatte Gustav Cassel anlässlich einer Tagung am 28. April 1927 in Berlin gesprochen und ihn tags darauf nochmals bei einem von Rüstow arrangierten Diskussionsabend im Hause der Staudingers162 in Berlin getroffen, bei dem Arnold Wolfers (1892–1968) auf Bitte Rüstows ein einführendes Referat zum Stand der Diskussion bezüglich des Zolleinflusses auf das Preisniveau übernommen hatte.163 »Die Tagung war sehr interessant,« berichtete E ­ ucken seiner Frau, »[h]eute Abend ist eine Diskussion mit Cassel. Ich habe ihn bereits gestern längere Zeit gesprochen.«164 Am 14. Mai 1927 reichte E ­ ucken dann bei der Universität Tübingen den Vorschlag auf Ehrenpromotion von Cassel ein. Rüstow bat er im Hinblick darauf vertraulich, ihm nähere Informationen zu Cassel zukommen zu lassen. Diese trafen indes erst mit Rüstows Brief aus Genf vom 17. Mai 1927 ein, denn erst bei der Weltwirtschaftskonferenz in Genf am 16. Mai hatte Rüstow Gelegenheit gehabt, mit Cassel zu sprechen. Cassel habe, so ließ Rüstow E ­ ucken vertraulich wissen, »1898 ein Semester in Tübingen studiert […] dann später noch in Berlin und München,« und er sei »bisher Dr. rer. pol. honoris causa von Köln und 159 ­Eucken

(1925). Marcon (2004: 483). 161  Born (1967: 100). 162  Hans Staudinger (1889–1980), Staatssekretär im preußischen Handelsministerium und Dozent an der Hochschule für Politik in Berlin. Vgl. Janssen (2012: 621). 163  Rüstow an Wolfers, 4.4.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/18, Bl. 379. 164 ­Eucken an Edith Eucken, 29.4.1927, ThULB NL WE, in ­Eucken GS, Band III.1. 160 

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München.«165 Aufgrund dieser bereits vorhandenen zwei Ehrendoktorwürden Cassels antwortete E ­ ucken Rüstow am 19. Mai 1927: »Unter diesen Umständen wird wohl  – dies natürlich ganz vertraulich  – eine Ehrenpromotion nicht in Frage kommen.«166 Es wird ­Eucken daher nicht überrascht haben, dass die Ehrenpromotion von Cassel in Tübingen nicht zustande kam. Am 6. Juli 1927 schlug E ­ ucken daraufhin vor, die Ehrendoktorwürde an John Bates Clark (1847–1938)167 von der Columbia University New York zu verleihen, der 1927 seinen achtzigsten Geburtstag feierte und als Vorreiter der Grenzproduktivitätstheorie und Nestor der amerikanischen Volkswirtschaftslehre gilt. Euckens Mentor Schumacher hatte Clark im Studienjahr 1906/07 an der Columbia University New York kennengelernt, als er dort als erster deutscher Austauschprofessor die Kaiser-Wilhelm-Professur innehatte.168 Anschließend hatte Schumacher vorgehabt, Clarks 1907 erschienenes Buch Essentials of Economic Theory in deutscher Übersetzung unter dem Titel Grundzüge der theoretischen Wirtschaftslehre herausbringen. Davon zeugt ein weitestgehend fertiggestelltes Manuskript in Schumachers Nachlass169, das jedoch nicht zur Veröffentlichung gelangt ist. Dem Vorschlag Euckens wurde gefolgt, und Clark wurde 1927 der staatswissenschaftliche Ehrendoktor der Universität Tübingen verliehen.170 Uneingeschränktes Vergnügen fand ­Eucken in Tübingen beim Reiten, das er seit seiner Zeit im Bayerischen Feldartillerie-Regiment hier erstmals wiederaufnahm. »Das Reiten macht mir nach wie vor viel Freude«, schrieb er seiner Frau nach Baabe, wo er zehn Tage später nach einem Besuch bei den Eltern in Wiesbaden und bei dem Freund Gestrich in Berlin auch eintreffen sollte. »Zwar habe ich ausserordentlich viel verlernt und der Hauptmann Rienecker würde ausser sich gewesen sein, dass ein Angehöriger seiner Batterie so reitet. Aber es wird allmählich besser und wenn Du im Winter zusiehst (im Reithaus ist eine feine Galerie, in der sich die feine Welt trifft), dann wirst Du nicht mehr ein so miserables Bild haben. Gestern waren wir mit den Pferden ziemlich weit im Schönbuch; es war prächtig.«171 Und zwei Tage später schwärmte er erneut: »Gestern haben wir einen prachtvollen Ritt von fast 3 Stunden in den Schönbuch gemacht. […] Ziemlich viel Hochwild.«172 165 

Rüstow an Eucken, 17.5.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 297. an Rüstow, 19.5.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 296, in E ­ ucken GS, Band III.1. 167  Zu J. B. Clark siehe Hagemann (2009). 168  Goldschmidt (2005a: 57). 169 LB Oldenburg, NL Schumacher, HS 126, zit. nach Goldschmidt (2005a: 78, Anm. 85). 170  Vgl. Born (1967: 100). 171 ­Eucken an Edith Eucken, 20.8.1926, ThULB, NL WE, in E ­ ucken GS, Band III.1. 172 ­Eucken an Edith Eucken, 22.8.1926, ThULB, NL WE. 166 ­Eucken

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Dennoch: ­Eucken wollte weg aus Tübingen. Er sah dort wenig Möglichkeiten zum kollegialen Austausch, zumal seine Kollegen keinerlei Neigung zur Wirtschaftstheorie zeigten.173 Im Februar 1927 erhielt er einen Ruf an die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er nahm ihn an und trat seine Professur in Freiburg zum 1. Oktober 1927 an. Das Reiten scheint er dann in Freiburg nicht weiter betrieben zu haben. Während seines letzten Tübinger Semesters fanden im Juli 1927 die Feierlichkeiten zum 450-jährigen Universitätsjubiläum statt. Auf einer Fotografie vom ­ ucken dank seiner Festzug der Tübinger Professoren in ihren Talaren174 ist E Größe von einem Meter neunzig unschwer zu erkennen. Seinem Freund Rüstow berichtete ­Eucken von einem Vortrag, den der ehemalige Reichsfinanzminister und Reichskanzler Hans Luther wohl im Zusammenhang mit dem Universitätsjubiläum in Tübingen hielt: »Luther sprach neulich hier. A und O der Rede war die passive Handelsbilanz. Ich kann mir schon vorstellen, was Herr Duisberg175 auf der nächsten Tagung des Reichsverbandes sagt.«176 Zudem war ­Eucken in die Suche seines Nachfolgers eingebunden, wie aus Briefen an seine Frau im Mai 1927 hervorgeht: »Heute Abend sprach ich ausführlich mit Rümelin177 über die Nachfolge. Es wird wirklich eine Schwergeburt werden. Wir sollen 2 Tage (Donnerstag und Freitag) in Gießen sein, weil 2 Vorlesungen gehört werden sollen. Das wird nicht vor Juni gehen. Fuchs will nach Graz fahren, um Lukas zu hören.«178 Und fünf Tage später: »Heute haben wir wieder lange beraten über meine Nachfolge. Lukas hat zur Zeit Aussichten, aber wie lange wird es dauern, dann steht ein anderer obenan.«179 In diesem Zusammenhang bat E ­ ucken Joseph A. Schumpeter (1883–1950), seit 1925 Professor in Bonn, um Unterstützung, mit dem er seit dem Herbst ­ ucken seine Meinung zu 1926 intensiv korrespondierte.180 Als Schumpeter E möglichen Kandidaten für die Tübinger Eucken-Nachfolge mitteilte, bekräftigte 173 

Vgl. Brintzinger (2005: 136). der 450-Jahrfeier der Universität Tübingen 1927, ThULB, NL WE, abgedruckt als Abb. 22 in diesem Band. 175  Carl Duisberg (1861–1935) war von 1925 bis 1931 Vorsitzender des Präsidiums des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI). Vgl. dazu Bähr/Kopper (2019: 73–101). 176 ­Eucken an Rüstow, 2.8.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 282, in ­Eucken GS, Band III.1. 177  Der Rechtswissenschaftler Max von Rümelin (1861–1931) war Kanzler der Universität Tübingen. Vgl. Repgen (2005: 225). 178 ­Eucken an Edith Eucken, 9.5.1927, ThULB NL WE. 179 ­Eucken an Edith Eucken, 13.5.1927, ThULB NL WE. 180  Auslöser für die Korrespondenz war Schumpeters Schmoller-Aufsatz – Schumpeter (1926) –, mit dem Schumpeter im Konflikt zwischen Historischer Schule und Theoretikern für die Historische Schule Partei zu ergreifen schien und damit vor allem ­Eucken und Rüstow in Aufregung versetzte. Vgl. dazu Dathe/Hedtke (2019: 10–13) und Janssen (2012: 40 f.). 174  Foto

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er: »Natürlich ist das Problem Ihrer Nachfolge schwer – eben deshalb freue ich mich so sehr, dass Sie den Freiburger Ruf annahmen, denn sonst wäre es kaum möglich gewesen diesen schönen Wirkungskreis als das zu erhalten, was er ist.«181 Damit sie sich auch persönlich kennenlernen und besprechen konnten, lud E ­ ucken Schumpeter zu einem Vortrag nach Tübingen ein. Dafür schlug Schumpeter als Thema vor: »Ist Arbeitslosigkeit vermeidbar?«182 Und er fügte an: »Ich weiß  – und weiß es zu schätzen  –, dass die jungen Leute von Ihnen lernen ökonomisch zu denken ohne die Dinge soziologisch oder philosophisch zu verfärben oder zu verflüchtigen.«183 Am 19. Juni 1927 kam der Vortrag schließlich zustande, und E ­ ucken berichtete anschließend an Rüstow: »Schumpeters Vortrag hier war ausgezeichnet. Er wohnte bei uns und wir haben auch etwas diskutiert. Er ist sicher eine ungewöhnliche geistige Energie.«184 »Ich hoffe, aus dem Besuch entwickelt sich eine nähere wissenschaftliche Verbindung zwischen uns.«185 Am 18. August 1927 weilte E ­ ucken zum Gegenbesuch bei Schumpeter in Bonn: »Die Fahrt nach Bonn war sehr nett, die Diskussion ausserordentlich anregend. Ich soll Dir vom Sch. einen Handkuß übermitteln«186, schrieb er tags darauf seiner Frau nach Ascona, wohin er anschließend in die Ferien nachreiste. Schumpeter bedankte sich umgehend und schrieb, dass Euckens Besuch ihm »eine große Freude machte.«187 Für die Nachfolge auf dem Eucken-Lehrstuhl in Tübingen einigten sich Fakultät und Senat letztlich auf eine Einer-Liste mit Eduard Lukas (1890–1953), der bereits zum Wintersemester 1927/28 nach Tübingen berufen wurde.188

181  Schumpeter

an Eucken, 24.5.1927, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 22). 182  Schumpeter an Eucken, 14.5.1927, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 20). 183  Schumpeter an Eucken, 14.5.1927, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 19 f.). 184 ­Eucken an Rüstow, 17.7.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 294, in E ­ ucken GS, Band III.1. 185 ­Eucken an Rüstow, 2.8.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 282, in ­Eucken GS, Band III.1. 186 ­Eucken an Edith Eucken, 19.8.1927. ThULB NL WE, in E ­ ucken GS, Band III.1. Vgl. auch Dathe/Hedtke (2019: 13). 187  Schumpeter an Eucken, 19.8.1927, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 24). 188  Vgl. Brintzinger (1996: 279).

12. Engagement für die Lebensphilosophie Rudolf Euckens



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12. Engagement für die Lebensphilosophie Rudolf Euckens Vom 23. bis 25. September 1926 wollte Walter E ­ ucken mit seiner Frau eigentlich in Wien sein und an der Tagung des Vereins für Sozialpolitik teilnehmen, bei der die Krise der Weltwirtschaft Hauptthema war. »In Wien habe ich uns angemeldet«, schrieb er seiner Frau im August, »[b]ekam eine Wohnung angeboten: gassenseitig, ungezieferfrei, separ. Eingang. Ich werde sie wahrscheinlich nehmen. Kostet 11 ½ Schilling mit Bedienung und Licht.«189 Mitte August hatte er Rüstow angekündigt, dass sie dann »über vieles Andere entweder im September (etwa 15.) in Berlin oder in Wien« werden sprechen können.190 Indes, in der ersten Septemberwoche war ­Eucken aus Baabe an das Krankenbett seines Vaters geeilt. »Arnold und ich trafen gestern Abend beide hier ein. Vater hat vorgestern Abend, als er zu Bett ging, einen Schlaganfall in der rechten Gehirnseite gehabt«191, berichtete er aus Jena, »Arnold und ich müssen aber noch längere Zeit hier bleiben. Zwei Leute müssen Tag und Nacht an seinem Bett sein. Wir haben natürlich Krankenschwester und nachts einen Pfleger. Aber wir verstehen ihn doch viel besser und sind infolgedessen unentbehrlich.«192 »Wie es mit Wien wird«, schrieb ­Eucken nun nach Baabe, »kann ich nicht übersehen. Aber die Lage wird auch dann noch so ernst sein, daß wir wohl kaum hinfahren wollen.«193 Gleichwohl berichtete er anderntags: »Alle raten mir dringend, unbedingt nach Wien zu fahren.«194 Letztlich, so ist nach Lage der Dinge zu vermuten, fand dann die Reise nach Wien nicht statt. Am 15. September 1926 telegraphierte ­ Eucken seiner Frau: »Vater soeben sanft entschlafen«195, und in dem ausführlichen Brief vom gleichen Tag kündigte er an, dass die Beerdigung am 18. September stattfinden werde und er anschließend »noch einige Zeit in Jena bleiben«196 müsse. Was er empfand, schilderte er seiner Frau, deren Vater zu Anfang des Jahres verstorben war, mit den Worten: »Nun habe ich auch meinen Vater verloren. Die dreimal Klugen werden sagen: nun ja, er war 80 u. s. w. Alles schön und gut und doch Unsinn. Mein ganzes Leben war bisher ohne meinen Vater einfach nicht zu denken. Du weißt das Alles ja genau. Und nun, wo er weg ist, ist einfach etwas herausgerissen. 189 ­Eucken 190 ­Eucken

an Edith Eucken, 22.8.1926, ThULB, NL WE. an Rüstow, 12.8.1926, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 307 f., in ­Eucken

GS, Band III.1. 191 ­Eucken an Edith Eucken, 8.9.1926, ThULB, NL WE. 192 ­Eucken an Edith Eucken, 10.9.1926, ThULB, NL WE. 193 ­Eucken an Edith Eucken, 11.9.1926, ThULB, NL WE. 194 ­Eucken an Edith Eucken, 12.9.1926, ThULB, NL WE. 195 ­Eucken an Edith Eucken, 15.9.1926 (Telegramm), ThULB, NL WE. 196 ­Eucken an Edith Eucken, 15.9.1926, ThULB, NL WE.

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Da helfen alle Verstandesgründe nicht. Und da kann man eben nur trauern.«197 In Edith Euckens Antwortbrief auf sein Telegramm hieß es unter anderem: »Dir wird es ein trostreicher Gedanke sein, daß Du Deinen Vater so gut verstanden hast wie sonst kaum jemand.«198 Seinem Vater verdankte Walter E ­ ucken profunde Kenntnisse in Philosophie und Philosophiegeschichte und er fühlte sich in besonderem Maße für die »wissenschaftliche Durchdringung und Schärfung der Philosophie Rudolf Euckens verantwortlich.«199 Seit ­Eucken in Berlin die wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen hatte, hatte sich seine Zusammenarbeit mit dem Vater intensiviert. Er diskutierte mit ihm philosophische Fragen200, unterstützte ihn bei Verlagsverhandlungen und zog ihn im Rahmen seiner Redaktionsarbeit für Schmollers Jahrbuch des Öfteren zu Rate, sei es bezüglich dessen »Ansichten über die Sociologen«201 oder wenn es um die Gewinnung jüngerer Rezensenten ging, »die sociologische Schriften für unser Jahrbuch besprechen können.«202 Außerdem beriet Walter E ­ ucken seinen Vater bei Anlageentscheidungen für das elterliche Vermögen. Angesichts der zunehmenden Geldentwertung plädierte er für Investitionen in Sachwerte und regte an, dass sich seine Mutter und Schwester neue Einnahmequellen erschließen sollten, um notfalls auf eigenen Füßen stehen zu können. Dies gelang ihnen 1921 mit der Gründung der Textil- und Kunstwerkstätten G. m. b. H., die nach künstlerischen Entwürfen von Irene E ­ ucken Stickereien und Stoffdrucke fertigte, die sich auf kaufkräftigen Auslandsmärkten vor allem in den Niederlanden und den USA absetzen ließen und somit zusätzlich zum Verkauf der väterlichen Bücher im Ausland und den Zuwendungen ausländischer Freunde und Anhänger des Vaters für stetige Einnahmen in stabiler Fremdwährung sorgten.203 Im Herbst 1919 war Walter E ­ ucken einbezogen, als auf Initiative der »Gesinnungsgenossen« der väterlichen Weltanschauungsphilosophie, allen voran des Chemnitzer Lehrers Otto Günther, in Jena der Euckenbund204 gegründet wurde, der sich als eingetragener Verein organisierte und dessen Ziel es war, 197 ­Eucken

an Edith Eucken, 15.9.1926, ThULB, NL WE. Edith E ­ ucken an Walter Eucken, 15.9.1926, ThULB, NL WE. 199  Dathe/Goldschmidt (2003: 69). 200  Vgl. dazu Dathe/Goldschmidt (2003: 51, Anm. 7), die auf Rudolf Euckens handschriftliche Notiz »Gespräch mit Walter 26/4«, ThULB, NL RE, II, 24, verweisen. 201 ­Eucken an Rudolf Eucken, 23.2.1919, ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 63 f., in E ­ ucken GS, Band III.1. 202 ­Eucken an Irene Eucken, Februar 1919 (undatiert), ThULB, NL RE, V, 11, Bl. 56 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 203  Vgl. dazu Schäfer, M. (2020: 292 f.). Schäfer, M. (2020: 325) zufolge bestand die Textil- und Kunstwerkstätten G. m. b. H. bis 1927. 204 Weiterführend zu Walter Euckens Engagement im Euckenbund siehe Dathe/ Goldschmidt (2003). Zum Euckenbund siehe Schäfer, M. (2020: 218–463). Vorsitzender des Euckenbundes war ab 1922 Curt Hacker in Berlin-Lichterfelde, ab 1928 Benno von 198 



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»eine alle Stände und Berufe umfassende Lebensgemeinschaft [zu] bilden, die auf der Grundlage philosophischer Einsicht einer Reform des gesamten geistigen Lebens von seinen innersten Quellen her dienen soll«205, wie es der Vorsitzende des Euckenbundes, der Berliner Lehrer Curt Hacker, formulierte. Mit dem Euckenbund ging es Rudolf ­ Eucken um die Vermittlung von Werten, die zur Ausbildung einer neuen Lebensordnung führen sollen. Sein lebensphilosophisches Credo fasste er im Leitartikel zur ersten Ausgabe der vom Euckenbund herausgegebenen Zeitschrift zusammen: »Das geistige Leben gilt uns nicht als eine Verwendung naturgegebener Kräfte, sondern als ein Durchbrechen einer höheren Stufe der Wirklichkeit. […] Wir fordern daher einen kraftvollen Aktivismus, ja eine heroische Lebenshaltung […]. Nur so gewinnt uns das Leben eine innere Geschichte; zugleich verwandelt es sich uns in eine Bewegung und Tat des ganzen Menschen, vor aller einzelnen Tätigkeit steht uns eine umfassende Tatwelt, die uns zu sich erheben kann. […] Nur der Gewinn einer neuen Lebensordnung […] kann uns aus den Verwicklungen der Gegenwart befreien.«206

Bald entwickelten sich von Oberbayern bis Ostfriesland Ortsgruppen des Euckenbundes, denen es in den Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs um kulturelle Orientierungshilfe, ausgerichtet an der Lebensphilosophie Rudolf ­Euckens, ging. Was Rudolf Euckens Philosophie zu Beginn der Weimarer Republik so populär machte, lag, wie es sein Schüler, der Philosoph Max Scheler (1874–1928), auf den Punkt gebracht hat, in ihrem »Verdienst […] eine Metaphysik und gleichzeitig eine den Menschen formende Lebensanschauung zu geben« sowie in ihrer »das Bewußtsein der Selbständigkeit des Geistes […] energisch aufweckenden Kraft.«207 Rudolf Eucken, so Schelers Resümee, »war in einem überwiegend praktisch-materialistischen Zeitalter einer der stärksten Seelenerwecker, die Deutschland besessen hat.«208 Walter Eucken, der seit 1919 in der Berliner Ortsgruppe des Euckenbundes aktives Mitglied war, trieb wenige Jahre später angesichts sinkender Mitgliederzahlen die Sorge um, dass sich der Euckenbund in eine falsche Richtung entwickele. »Er hat ja eine völlig ethische Richtung. Ich habe das immer und immer bekämpft, ohne bei Euch Verständnis zu finden. Was ist die Folge? Einige Leute, setzen sich zusammen, die sich gegenseitig erzählen, man solle anständig sein. Wer das tut, ist meist nicht anständig, denn von solchen Dingen spricht man Hagen, Jena. Walter Euckens Mutter Irene E ­ ucken hatte als 2. Vorsitzende eine faktische Schlüsselstellung inne. Die Geschäftsstelle befand sich in der Eucken-Villa in der Botzstraße 5 in Jena. 205  Hacker (1925: 7). 206  Eucken, R. (1925: 2 f.). 207  Scheler (1973: 274). 208  Scheler (1973: 274; Hervorhebung im Original).

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nicht«, schrieb er seiner Mutter, der 2. Vorsitzenden des Euckenbundes, Ende Januar 1925 und mahnte: »Solange der Euckenbund nicht eine metaphysischreligiöse Bewegung wird, wird nichts daraus, schadet nur der Verbreitung von Vaters Ideen.«209 Auch die inhaltliche Entwicklung und den geschäftlichen Erfolg der Zeitschrift Der Euckenbund210 sah Walter ­Eucken zunehmend kritisch. Im März 1925 schlug er seiner Mutter vor, die Zeitschrift künftig Die Tatwelt zu nennen und darin auf die Berichte aus den Ortsgruppen des Euckenbundes zu verzichten. Zudem ließ er sie wissen, er könne nicht für eine Sache arbeiten, die er geschäftlich und ideell nicht vertreten könne und die »Vaters Ansehen schädigen«211 würde, da man hinter dem Namen Euckenbund persönliche Propaganda vermute. Weder gute Mitarbeiter, noch ein weitgestreuter Abonnentenkreis seien auf diese Weise zu gewinnen. Für seine weitere Mitarbeit machte ­Eucken bezüglich vertraglicher Verpflichtungen und der Auswahl von Autoren ein Vetorecht zur Bedingung. Seinem Vater schrieb E ­ ucken Ende Dezember 1925: »Was zunächst die Tatwelt anbelangt, so bin ich der Auffassung, daß sie zu einer vielgelesenen Zeitschrift entwickelt werden muß. […] Die Hauptaufgabe ist es also, der Tatwelt ein hohes Niveau zu bewahren und sie weit zu verbreiten. […] Ohne die Tatwelt kann der Euckenbund sich nicht halten.«212 Da die Mitglieder des Euckenbundes vor allem Pfarrer, mittlere Verwaltungsund Justizangestellte, Volksschul- und Oberlehrer waren213, bemängelte Eucken, dass die Zeitschrift nicht die geistigen und wirtschaftlichen Eliten erreiche. Besonders von den Lehrern war er enttäuscht, wie er seiner Mutter schrieb: »Die Lehrer haben ja für geistige Bewegungen erstaunlich wenig Interesse, sind ja überhaupt einer der unerfreulichsten Stände in Deutschland.«214 209 ­ Eucken an Irene Eucken, 27.1.1925, ThULB, NL RE, VI, 1L, in ­Eucken GS, Band III.1. 210  »Meine Schwiegermutter« – so schilderte es Edith Eucken-Erdsiek später – »hat sie [die Zeitschrift Der Euckenbund. Organ für ethischen Aktivismus] gegründet, ohne Mitarbeiter, ohne einen Stamm von Abonnenten, ohne Verlag. […] Wir strandeten damit nach der ersten Nummer, und daraufhin wurde mir die Sache in die Hand gedrückt, weil ich durch eine kleine Arbeit über Bernard Shaw [veröffentlicht als Erdsiek (1925)] die Anerkennung meines Schwiegervaters gefunden habe, und ich habe zusammen mit meinem Mann dann die Zeitschrift entwickelt.« Eucken-Erdsiek (1974: 5). Ab April 1925 erschien sie unter dem neuen Titel Die Tatwelt. Zeitschrift für Erneuerung des Geisteslebens. 211 ­ Eucken an Irene Eucken, 17.3.1925, ThULB, NL RE, VI, 1L, in ­Eucken GS, Band III.1. 212 ­Eucken an Rudolf Eucken, 29.12.1925, ThULB, NL RE, VI, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 59). 213  Schäfer, M. (2017: 125). 214 ­Eucken an Irene Eucken, 17.9.1925, ThULB, NL RE, VI, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 59, Anm. 49).



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Von 1925 an übernahm Walter ­Eucken sowohl im väterlichen Euckenbund als auch bezüglich der Zeitschrift Die Tatwelt eine zunehmend einflussreiche Rolle, und während seiner Tübinger Jahre rückte die »Beschäftigung mit Angelegenheiten des Euckenbundes nahezu gleichberechtigt neben seine wirtschaftswissenschaftliche Arbeit.«215 Er wurde gewissermaßen »der führende Kopf des Euckenbundes«216: Er erledigte Verlagsgeschäfte, empfahl Redner für die Jahrestagungen und Autoren für Die Tatwelt. Als 1928 Curt Hacker, der bisher formal als Herausgeber der Zeitschrift fungierende Vorsitzende des Euckenbundes zurücktrat, übernahm Edith Eucken-Erdsiek für die Jahre 1928 bis 1934 die Herausgeberverantwortung für Die Tatwelt.217 Ab 1928 besserte sich auch die finanzielle Situation des Euckenbundes. Es gelang  – vor allem mit Unterstützung des Reichstagsabgeordneten und Duisburger Handelskammersyndikus Otto Most – zahlende »Förderer des Euckenbundes« zu gewinnen, darunter den Reichsaußenminister Gustav Stresemann und einige Unternehmen, wie den IGFarben Konzern, die Jenaer Zeiss-Werke und den Dessauer Flugzeugbauer Hugo Junkers.218 Nach dem Tod des Vaters trieb E ­ ucken die »Umwandlung des Bundes aus einer Gemeinschaft von ›Euckenjüngern‹ in einen zeitgemäßen philosophischreligiösen Weltanschauungsverein«219 verstärkt voran. Das intellektuelle Niveau der Zeitschrift Die Tatwelt profitierte von dem breiteren Kreis von Autoren, die ­Eucken dann aus seinem engeren akademischen Umfeld gewinnen konnte220, und sie entwickelte sich zu einer anspruchsvollen kulturphilosophischen Zeitschrift mit renommierten Autoren.221 Auch Walter ­Eucken selbst publizierte in 215  Dathe/Goldschmidt (2003: 59). Dies belegt Dathe/Goldschmidt (2003: 58) zufolge auch die in der ThULB Jena verwahrte umfangreiche Korrespondenz des Euckenbundes. 216  Dathe/Goldschmidt (2003: 59). 217  Vgl. Klinckowstroem (2008: 397 f.). 218  Vgl. Schäfer, M. (2020: 316). 219  Dathe/Goldschmidt (2003: 59). 220  So Euckens Berliner Freunde, die Ökonomen Hans Gestrich und Otto Veit, seine Freiburger Kollegen, die Philosophen Edmund Husserl, Julius Ebbinghaus und Eugen Fink, der Physiker Gustav Mie, der Historiker Gerhard Ritter, die Rechtswissenschaftler Franz Böhm, Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein und Erik Wolf sowie Walter Euckens Schüler Friedrich A. Lutz und Leonhard Miksch. Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 62, Anm. 67). 221 Im Zeitraum 1925 bis 1934 publizierten in Die Tatwelt u. a.: Ludwig Aschoff, Bruno Bauch, Erich Becher, Isaak Benrubi, Nikolai Berdjajew, Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein, Franz Böhm, Hermann Buddensieg, Carsun Chang, Julius Ebbinghaus, Carl August Emge, Eugen Fink, Semen Frank, Dietrich Gerhard, Hans Gestrich, Hermann Glockner, Edmund Husserl, Karl Joël, Edgar Jung, Richard Kroner, Hans Leisegang, Arthur Liebert, Hans Liermann, Friedrich A. Lutz, Otto Most, Francesco Orestano, Hans Pöhlmann, Gerhard Ritter, Oscar A. H. Schmitz, Theodor Siegfried, Fedor Stepun, Georg Stieler, Georg Wehrung, Erik Wolf, Emil Utitz. Vgl. Dathe (2010: 10, Anm. 31).

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den Jahren 1920 bis 1933 in der Zeitschrift des Euckenbundes, bisweilen unter dem Pseudonym »Dr. Kurt Heinrich«, über welches das Jenaer Sekretariat des Euckenbundes nicht in Kenntnis gesetzt war. Euckens letzter, in der Tatwelt veröffentlichter Aufsatz erschien 1933 unter dem Titel »Denken – Warum?« Er war ein Plädoyer für vernünftiges Denken und darüber hinaus auch – wie es damals viele auffassten – eine zwischen den Zeilen kaum zu übersehende Verteidigung der Freiheit von Forschung und Lehre und damit eine kaum verklausulierte Kritik am Nationalsozialismus, was angesichts der Zeitumstände bereits als ziemlich gewagt galt.222 »Walters Artikel in der Tatwelt gefällt allgemein sehr«, schrieb Euckens Mutter daraufhin nach Freiburg. »Man findet es erfreulich, daß er nicht beanstandet wurde.«223 Euckens Antwort auf die Frage »Denken – Warum?« lautete: »Weil der Weltlauf die logischen Gesetze nicht verleugnet, sondern bestätigt; weil die Ergebnisse richtigen Denkens sich bei Erklärung der Tatsachen stets bewähren.«224 Und Eucken führte aus: »Wenn also der heutige Massenmensch das Denken nicht liebt, weil es unbequem und zeitraubend ist, wenn die Literaten in der Verfemung der Vernunft sich überbieten, als ob sie eine nebensächliche oder schädliche Eigenschaft des Menschen wäre, wenn politisierende Ideologen uns auffordern, der Stimmung zu folgen und nicht vernünftiger Überlegung, so liegt dem allem ein fundamentaler Irrtum zugrunde: Es ist die Ansicht von einer bloß subjektiven Geltung des logisch-richtigen Denkens, eine Meinung, die der Weltlauf Tag für Tag widerlegt.«225

Die Tagungen des Euckenbundes in Jena erhielten dank Walter Euckens Engagement zunehmend den Charakter von philosophisch-wissenschaftlichen Konferenzen, die allgemein anerkannte Wissenschaftler zu ihren Teilnehmern zählen konnten, darunter die Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, Pascual Jordan und Arnold Eucken, den Soziologen Helmut Schelsky, die Philosophen ­ ucken Gotthard Günter, Arnold Gehlen und Bruno Bauch.226 Auch Walter E selbst wirkte mehrfach bei den Tagungen mit, sowohl als Referent als auch in der konzeptionellen Vorbereitung. An der Euckenbund-Tagung 1925 über die deutsche Jugendbewegung war er in der Vorbereitung, als Teilnehmer und bei der Redaktion des Tagungsprotokolls beteiligt. Als am 5. Januar 1928 das Rudolf-Eucken-Haus227 in Jena, das sich unter der Ägide von Euckens Mutter und seiner Schwester Ida der Betreuung aus222 

Vgl. Schäfer, M. (2020: 404 f.). E ­ ucken an Edith Eucken-Erdsiek, 11.11.1933, zit. nach Schäfer, M. (2020: 404 f.; Hervorhebung im Original). 224 ­Eucken (1933: 149). 225 ­Eucken (1933: 151). 226  Schäfer, M. (2017: 133). 227 Weiterführend zur Institution »Rudolf-Eucken-Haus« siehe Schäfer, M. (2020: 321–331, 381–388, 437–448). 223  Irene

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ländischer Gastwissenschaftler widmen und als Begegnungsstätte deutscher und ausländischer Studenten fungieren sollte, mit einer Festveranstaltung eingeweiht wurde, sprach E ­ ucken ein Grußwort im Namen der Familie. Dabei betonte er, das Eucken-Haus diene nicht dem Personenkult, sondern solle das Ansehen der deutschen Kultur im Ausland fördern.228 Die überlieferten Gästebücher dokumentieren für die Jahre 1928 bis 1943 die Aktivitäten und Gäste des Rudolf-Eucken-Hauses. So war in den Jahren 1928 bis 1932, in denen er an der Universität Jena lehrte, Euckens späterer Freiburger Kollege Constantin von Dietze ein häufiger Gast und ebenso ab 1936 Franz Böhm, Euckens nach Jena übersiedelter juristischer Kollege und Freund.229 Zu den Gästen gehörte ferner, wie Benno von Hagen später in seiner Gedenkrede230 auf Irene ­Eucken hervorhob, Prinz Takamatsu, der jüngere Bruder des japanischen Kaisers Hirohito, der am 4. Oktober 1930 das Rudolf-Eucken-Haus besuchte. Nationalsozialistische Organisationen sollen sich später beim Rektor der Universität Jena über »den offenen, internationalistischen Geist des Hauses« beklagt haben, der »so sehr im Gegensatz zu den nationalsozialistischen Ideen stünde.«231 Bei der Jubiläumstagung des Euckenbundes am 26. und 27. Oktober 1929, die sich mit dem Problem »Kultur und Wirtschaft« befasste, hielt E ­ ucken am zweiten Tagungstag ein Referat zum Thema »Die Spannung zwischen Wirtschaft und Kultur.«232 Zwei Jahre später, bei der Haupttagung des Euckenbundes am 31. Oktober und 1. November 1931, engagierte sich ­Eucken in der Vorbereitung und hatte sich bezüglich des Tagungsthemas, der Auswahl der Redner und des organisatorischen Ablaufs die Letzt-Zustimmung vorbehalten, wie aus Briefen an seine Mutter hervorgeht.233 Mit einem für diese Tagung verfassten Aufruf »Zur Sammlung der Geister«234 sollte eine breite Öffentlichkeit für die geistigreligiöse Erneuerung Deutschlands gewonnen werden. Im Anschluss an das von dem evangelischen Theologen Viktor Glondys (1882–1949) gehaltene Hauptreferat »Zur religiösen Krise der Gegenwart« referierten der Wirtschaftswissenschaftler Otto Most (1881–1971), damals Hauptgeschäftsführer der Industrie228 

Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 61). Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 61 f.). 230  Vgl. Benno von Hagen, Typoskript »Gedenkworte für Irene Eucken, gesprochen im Euckenhaus am 10. Januar 1942«, S. 5, ThULB NL WE. 231  Dathe/Goldschmidt (2003: 59, Anm. 46). 232  Veröffentlicht als E ­ ucken (1930a). 233  Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 62). 234  Verfasser des Aufrufs waren Bruno Bauch, Arnold Eucken, Viktor Glondys und Benno von Hagen. Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 61). Die dem Aufruf beigefügte Unterzeichnerliste umfasst 50 Personen, darunter 16 Universitätsprofessoren, einige Förderer des Euckenbundes aus der Wirtschaft – u. a. der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages Felix von Mendelsohn, der Unternehmer Hugo Junkers und der Verleger Gustav Fischer – sowie als einzige Ausländer der chinesische Philosoph Carsun Chang und der amerikanische Harvard-Philosoph William E. Hocking. Vgl. Schäfer, M. (2020: 371 f.). 229 

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und Handelskammer Duisburg, und Walter E ­ ucken über die Auswirkungen der religiösen Krise auf Gesellschaft und Wirtschaft. ­Eucken ging es in seinem Referat »Religion – Wirtschaft – Staat. Zur Problematik des Gegenwartsmenschen«235 darum, einem Hörer- und Leserkreis, der wie die Mitglieder des Euckenbundes und die Leser der Tatwelt die Bedeutung wirtschaftlicher Zusammenhänge eher geringschätzte, »die kulturelle Wirkmächtigkeit wirtschaftlicher Strukturen vor Augen zu führen«236 und außerdem zu betonen, dass ein Sinnzusammenhang der autonom gewordenen Lebensbereiche des Menschen – Kultur, Wirtschaft, Staat – vom heutigen Menschen nur »im Rahmen seiner eignen Persönlichkeit«237 zusammengefügt werden könne. In diesem an ein breites bildungsbürgerliches Publikum gerichteten Text kommt besonders zum Ausdruck, dass E ­ ucken gegen Ende der Weimarer Republik eine liberale Grundüberzeugung vertrat.238 Im Frühjahr 1933 sah sich der Euckenbund vor eine politisch brisante Herausforderung gestellt, die E ­ ucken schließlich durch ein entschiedenes Machtwort meisterte239: Einflussreiche Mitglieder um das Gründungsmitglied Otto Günther plädierten, auch vor dem Hintergrund ständiger Finanzprobleme des Bundes, für eine geistige und organisatorische Annäherung an den Nationalsozialismus. Walter E ­ ucken lehnte jedoch jede Annäherung an den Nationalsozialismus kategorisch ab. Als sich seine Mutter und Benno von Hagen, der Vorsitzende des Euckenbundes, eher unschlüssig zeigten, drohte E ­ ucken mit seinem Austritt, falls seiner Entscheidung nicht Folge geleistet würde. Schließlich diktierte ­Eucken den Wortlaut der Briefe, mit denen von Hagen den nationalsozialistisch gesinnten Mitgliedern die Ablehnung ihres Vorschlags mitteilen sollte. Euckens Machtwort aus Freiburg zeigte Wirkung: Eine Annäherung des Euckenbundes an den Nationalsozialismus fand nicht statt, stattdessen erfolgte der Austritt von Otto Günther.240 Seit Herbst 1934 hielt ­Eucken Distanz zu den Veranstaltungen des Euckenbundes.241 Zur Haupttagung 1936 unter dem Motto »Schaffen im Geist« hatte Irene E ­ ucken ihren Freiburger Sohn zwar eingeladen, doch ­Eucken lehnte ab und ließ seine Mutter wissen: »Bei der Position, die ich nun einmal habe und die sehr beachtet wird, würde mein Erscheinen und Sprechen auf der Tagung eine Belastung bedeuten.«242 235 ­Eucken

(1932b). Schäfer, M. (2014: 310 f.). 237 ­Eucken (1932b: 87). Siehe dazu auch Dathe (2010: 30). 238  Vgl. Dathe (2010: 32). 239  Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 63), ferner auch Schäfer, M. (2017: 131). 240  Zur Ablehnung einer Anbiederung an die NS-Ideologie durch den Führungskreis des Euckenbundes siehe Schäfer, M. (2020: 489–492). 241  Vgl. Schäfer, M. (2020: 433). 242 ­Eucken an Irene Eucken, 18.10.1936, zit. nach Schäfer, M. (2020: 424). 236 

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Ein letztes Mal als Referent nahm ­Eucken an der Arbeitstagung des Euckenbundes teil, die am 15. und 16. Oktober 1938 in Jena zum Thema »Wissenschaft und Lebenspraxis in der Gegenwart« stattfand. Er sprach zum Thema »Nationalökonomie und Lebenspraxis.« Allerdings wurde sein Referat als einziges nicht veröffentlicht. Vielmehr verweist ein Kurzbericht in der Tatwelt lediglich darauf, dass er grundsätzliche Gedankengänge aus seiner im gleichen Jahr veröffentlichten Schrift Nationalökonomie – wozu? vorgetragen habe.243 An der Diskussion zu Euckens Referat beteiligte sich auch sein Schüler Leonhard Miksch244, der sich neben seiner Tätigkeit als Wirtschaftsjournalist im Berliner Büro der Frankfurter Zeitung im April 1938 habilitiert hatte. Zu den weiteren Referenten auf der Tagung zählte Euckens Freiburger Freund und Kollege, der Historiker Gerhard Ritter.245 Das philosophische Erbe Rudolf Euckens hat im Leben und Werk Walter Euckens auf mehrfache Weise Spuren hinterlassen. Zum einen in Walter Euckens theoretischem Werk: So wird in Euckens 1934 veröffentlichten Kapitaltheoretischen Untersuchungen deutlich, dass E ­ ucken die von seinem Vater 1885 entwickelte Methode der Reduktion für seine eigene wirtschaftswissenschaftliche Theoriebildung direkt übernommen hat, um zu Urteilen über die wirtschaftliche Wirklichkeit zu gelangen.246 »Die Bedingungen, die vom Forscher gesetzt werden«, betont Walter Eucken, »müssen deshalb Reduktionen des tatsächlich Gegebenen auf reine Fälle sein und dürfen keineswegs willkürlich oder einseitig gewählt werden.«247 Zum anderen bildet die Philosophie Rudolf Euckens den bleibenden ethischkulturellen Hintergrund für Walter Euckens wirtschaftspolitischen Impetus, das heißt für die Schlüsselfrage248, die ihn bis an sein Lebensende beschäftigen sollte: »[W]ie kann der modernen industrialisierten Wirtschaft eine funktionsfähige und menschenwürdige Ordnung gegeben werden?«249 »Funktionsfähig und menschenwürdig«  – so formulierte es ­Eucken in seinen Grundlagen der Nationalökonomie – »heißt: In ihr soll die Knappheit an Gütern, die sich Tag für Tag in den meisten Haushaltungen drückend geltend macht, so weitgehend 243 

Vgl. Ohne Verfasserangabe (1939: 79–81). Vgl. Miksch (1939: 80). 245 Die übrigen Referenten waren der Philosoph Antonio Banfi (Mailand), der Physiker Pascual Jordan (Rostock), der Mediziner Wolfgang H. Veil (Jena) und der Rechtswissenschaftler Ernst von Hippel (Königsberg). Die Diskussionsleitung teilten sich Arnold ­Eucken (Göttingen) und Willy Hellpach (Heidelberg). Vgl. Ohne Verfasserangabe (1938: 174 f.). 246  Vgl. dazu Goldschmidt (2009: 72 ff.). 247 ­Eucken (1934: 20). 248  Vgl. dazu Schlecht (2000: 60 f.). 249 ­Eucken ([1952] 2004: 14), ähnlich bereits E ­ ucken ([1940] 1989: 240). Vgl. dazu Schlecht (2000). 244 

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II. Berlin und Tübingen 1918–1927

wie möglich und andauernd überwunden werden. Und zugleich soll in dieser Ordnung ein selbstverantwortliches Leben möglich sein.«250 Rudolf Euckens ethischer Aktivismus und sein Streben nach einer neuen Lebensordnung war für Walter ­Eucken Ansporn, ebenfalls nach einer Ordnung zu suchen, die bestimmten normativen Ansprüchen gerecht wird.251 Dabei ging es Walter E ­ ucken um eine Ordnung, die eine Verbindung »der geistig-seelischen Existenz des Menschen mit sehr nüchternen Fragen der wirtschaftlichen Lenkungsmechanik«252 ermöglicht, das heißt um eine Wirtschafts- und Sozialordnung, die »den Menschen das Leben nach ethischen Prinzipien ermöglicht«253, also ihre Menschenwürde respektiert. Die unmittelbare Erfahrung des nationalsozialistischen Unrechtssystems, in dem der Staat ohne jede ethische Begrenzung in totalitärer, menschenverachtender Weise in das Leben der Menschen eingriff, ließ ­Eucken die dringende Notwendigkeit einer menschenwürdigen Ordnung erkennen.254 ­Eucken formulierte aus dieser Erfahrung heraus sein »Programm der Freiheit«  – »die Wettbewerbsordnung.«255 Er sah in ihr nicht nur eine Ordnung der Wirtschaft, sondern eine Bedingung für eine freiheitliche Ordnung der Gesellschaft.256 Für die Herstellung einer solchen Wettbewerbsordnung entwickelte E ­ ucken in seinen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik konstituierende Prinzipien – funktionierendes Preissystems, Primat der Währungspolitik, offene Märkte, Privateigentum, Vertragsfreiheit, Haftung, Konstanz der Wirtschaftspolitik –, die in ihrem Zusammenwirken einzuhalten sind. Zudem beschrieb er regulierende Prinzipien, die »die Wettbewerbsordnung funktionsfähig erhalten«257 sollen. Diese Eucken’schen Prinzipien sollten im Nachkriegsdeutschland zu den zentralen Bausteinen für die Errichtung der Sozialen Marktwirtschaft werden. Schließlich hat die väterliche Lebensphilosophie auch Walter Euckens persönliche Lebenshaltung stark geprägt. Dank seiner Verankerung in der festen Gewissheit um die »geistige Ordnung« und angespornt durch die Forderung des Vaters nach einem »kraftvollen Aktivismus, ja eine[r] heroischen Lebenshaltung, welche durch alle Widerstände und Zweifel unerschrocken vordringt«258, konnte Walter ­Eucken sich in einer Zeit, in der die nationalsozialistische Ideologie alle 250 ­Eucken

([1940] 1989: 240). Vgl. Blümle/Goldschmidt (2000: 30 f.) und Goldschmidt (2002: 94–101). 252 ­Eucken ([1952] 2004: 184). 253 ­Eucken ([1952] 2004: 199). 254  Vgl. Schlecht (2000: 62). 255 ­Eucken ([1952] 2004: 370). 256 ­Vgl. Eucken ([1952] 2004: 371). 257 ­ Eucken ([1952] 2004: 253). Zu den konstituierenden Prinzipien siehe E ­ ucken ([1952] 2004: 254–291); zu den regulierenden Prinzipien siehe E ­ ucken ([1952] 2004: 291–304). 258  Eucken, R. (1925: 3). 251 

12. Engagement für die Lebensphilosophie Rudolf Euckens



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Lebensbereiche beherrschte, die Freiheit zu kritischem Denken bewahren und mit Mut und Entschiedenheit für eine oppositionelle Haltung einstehen.259 Die Philosophie Rudolf Euckens wurde für den Sohn ganz konkret zu dem, was sie beabsichtigte, nämlich »in der Gefährdung des Menschen und im Wechsel der Zeit etwas Festes […] zu finden – Werte, die unerschüttert sind und einen Halt bieten.«260 »Ich habe mich gerade in den letzten Jahren oft gefragt«, bekannte Walter E ­ ucken im Jahr 1936, zehn Jahre nach dem Tod seines Vaters, »was Vater zu all’ den Problemen gesagt haben würde, mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Und so ist er auch mir ein Leitstern geblieben und wird es in Zukunft sein.«261 Am 9. Januar 1927 fand in Jena die Gedenkfeier für den verstorbenen Philosophen Rudolf ­ Eucken statt. Zusammen mit Mutter und Schwester, die Weihnachten bei Euckens in Tübingen verbracht hatten, war E ­ ucken »nach ausgezeichneter Fahrt«, bei der sie »sehr gut im Speisewagen gegessen und Kaffee getrunken, geplaudert und gelesen haben«262, am 7. Januar in Jena angekommen. Am 9. Januar berichtete er dann nach Tübingen: »Die Feier, von der wir soeben zurückkommen, ist ausserordentlich schön verlaufen. Der große Volkshaussaal war voll. Vorn unglaublich viele Blumen. […] Zuerst Gesang vom Männerchor. Dann eine sehr gute, persönlich warme, und geistig hochstehende Rede von Wundt.«263

259 

Vgl. dazu Goldschmidt (2002: 119), siehe auch Goldschmidt (2005b: 300). (1950: V ). 261 ­Eucken an Irene Eucken, 17.9.1936, ThULB, NL RE, VI, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 68). 262 ­Eucken an Edith Eucken, 7.1.1927, ThULB, NL WE. 263 ­Eucken an Edith Eucken, 9.1.1927, ThULB, NL WE. Der Philosoph Max Wundt (1879–1963) war seit 1920 Nachfolger von Rudolf ­Eucken an der Universität Jena. 260 ­Eucken

III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime 13. Berufung nach Freiburg Die Anstellungsurkunde des badischen Staatsministeriums in Karlsruhe trägt das Datum des 28. April 1927.1 Sie ernennt Walter ­Eucken zum 1. Oktober 1927 zum ordentlichen Professor für Nationalökonomie an der 1896 auf Initiative Max Webers gegründeten Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Am 1. Oktober 1927 nahm ­Eucken seine Tätigkeit an der Universität Freiburg auf 2 und blieb ihr bis zu seinem Tod treu. Er trat die Nachfolge von Götz Briefs (1889–1974) an, der 1926 einem Ruf an die Technische Hochschule Berlin gefolgt war. Obwohl E ­ ucken zweifellos schon einen Namen als einer der wichtigen jungen Wirtschaftstheoretiker hatte, war er auf der Freiburger Berufungsliste nach dem Erstplatzierten Joseph A. Schumpeter aus Bonn und dem Zweitplatzierten Herbert von Beckerath aus Bonn gleichzeitig mit dem schwedischen Ökonomen Sven Helander (1899–1970) aus Kiel auf dem dritten Platz genannt. Nachdem Schumpeter im Januar 1927 in Freiburg verhandelt, dann aber im Februar den ihm erteilten Ruf abgelehnt hatte3, erteilte das Ministerium »unter Abweichung von der ursprünglichen Listenplatzierung«4 ­Eucken den Ruf. Nachdem das badische Ministerium seine in Aussicht gestellten Bezüge und die garantierten Unterrichtsgelder gegenüber dem Bleibeangebot der Universität Tübingen und des württembergischen Kultusministeriums erhöht und zudem jährlich 3.000 ­ ucken den Ruf RM zur Besoldung eines Assistenten bewilligt hatte5, nahm E nach Freiburg an. Bereits im Juni 1927 bereitete ­Eucken den Umzug nach Freiburg vor. »Die Wohnungssuche habe ich mir noch sehr durch den Kopf gehen lassen«, schrieb er seiner Frau, »Talstr. müssen wir natürlich abschreiben. In der Goethestr.1 

Personalakte Walter Eucken, StAF C 25/2 Nr. 84, Bl. 7. Vgl. Brintzinger (1996: 40). 3  Vgl. Brintzinger (1996: 39). 4  Vgl. Brintzinger (2005: 137). 5 Die vom badischen Ministerium E ­ ucken bei Rufannahme in Aussicht gestellten Bezüge umfassten ein Grundgehalt einschließlich Zuschlägen von 12.144 RM zuzüglich garantierte Unterrichtsgelder von 7.500 RM. Vgl. Brintzinger (1996: 40). 2 

13. Berufung nach Freiburg



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Sache wollen wir uns nicht überhasten. Ich werde wohl noch herüber müssen.«6 Seinen Freund Rüstow ließ er wissen: »Infolge der Vorbereitungen des Umzugs nach Freiburg, der am 1. 10. stattfindet, können wir dieses Jahr nicht nach Berlin fahren, müssen vielmehr in der Nähe bleiben und wollen deshalb nur für einige Zeit in die Schweiz gehen. So werden wir uns wohl in den nächsten Wochen nicht sehen.«7 Nach Ferientagen im August in Ascona8 und einer Wanderung »über den Fürgellen-Pass auf den Frohenalpstock«9 im September bezogen Euckens ihre in der Goethestraße 10 gemietete Sechszimmerwohnung, die sich über das erste und zweite Stockwerk des Hauses erstreckte.10 Zu Beginn traf ­Eucken in Freiburg auf die Nationalökonomen Karl Diehl (1864–1943), Adolf Lampe (1897–1948), Robert Liefmann (1874–1941), Folkert Wilken (1890–1981) und den Emeritus Gerhart von Schulze-Gaevernitz (1864–1943) sowie auf den Betriebswirt Walter Mahlberg (1884–1935). Im Jahr 1933 kamen die Juristen Hans Großmann-Doerth (1894–1944) und Franz Böhm (1895–1977) an die Universität Freiburg, der eine als Professor und Nachfolger des Handelsrechtlers Heinrich Hoeniger (1879–1961), der andere als Habilitand. Mit beiden sollte sich für Walter ­Eucken eine fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit entwickeln.11 Bereits Ende Februar 1928 wurde Eucken – aequo loco mit Fritz Karl Mann (1883–1979) – auf dem ersten Platz eines Berufungsvorschlags für die Nachfolge von Hans Köppe (1861–1946) an der Philips-Universität Marburg genannt, und in der Begründung hieß es über Eucken: »Philosophisch und historisch durchgebildet, ist er eine feinorganisierte echte Gelehrtennatur mit theoretischer Begabung, ohne doch dabei die Fühlung mit dem Leben zu verlieren. Als 6 ­Eucken

an Edith Eucken, 14.6.1927, ThULB, NL WE. an Rüstow, 17.7.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 293. 8 ­Eucken an Edith Eucken, 16.8.1927, ThULB, NL WE. 9 ­Eucken an Edith Eucken, 17.9.1927, ThULB, NL WE. 10  Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 74). 11  Im Wintersemester 1933/34 gehörten zur Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät als emeritierte ordentliche Professoren die Nationalökonomen Karl Diehl und Gerhart von Schulze-Gaevernitz sowie die Juristen Otto Lenel und Woldemar von Rohland, als ordentliche Professoren der Betriebswirt Walter Mahlberg und der Nationalökonom Walter E ­ ucken sowie die Juristen Wilhelm von Calker, Hans Großmann-Doerth, Eduard Kern, Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein, Rudolf Merkel, Fritz Pringsheim, Claudius Freiherr von Schwerin und Erik Wolf; als planmäßiger außerordentlicher Professor der Nationalökonom Adolf Lampe; als außerplanmäßige außerordentliche Professoren der Nationalökonom Folkert Wilken sowie die Juristen Rudolf Schultz und Paul Schröder; als Privatdozenten die Nationalökonomen Josef M. Back, Bernhard Pfister, Friedrich A. Lutz und die Juristen Wilhelm Class, Wilhelm Felgentraeger, Karl Alfred Hall, Franz Wieacker; als Lehrbeauftragte Ludwig Waltz, Adolf Sator, Ferdinand Aurin, Hartmann Seifer, Rolf Walter Müller. Vgl. Kluge (1988: 23) und Hollerbach (1991: 92). Zu biobibliographischen Angaben neben anderen Janssen (2012: 533–640) und Hollerbach (1991: 109–111). 7 ­Eucken

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

umsichtiger klarer Dozent und als gründlicher Lehrer erfreut er sich dank seiner ­ ucken einen Ruf erteilte und Frische vollen Erfolgs.«12 Ob das Ministerium E Verhandlungen stattfanden, ist nicht belegt. Ende Juni 1928 wurde der Zweitplazierte Wilhelm Röpke auf die Marburger Professur berufen.13 Walter E ­ ucken lebte sich in Freiburg schnell ein. Bereits am Jahresende 1927 stellte er zufrieden fest: »Ist es doch eine eigentümliche Sache, daß ich in Tübingen innerlich nicht recht weiter kam. Ich weiß nicht, woran das lag, aber es war so. Hier in Freiburg scheint es besser zu gehen und ich hoffe, den alten Elan wiederzufinden. Nun es geht im Leben nicht alles so gradlinig und man soll nicht drängen. Aber man freut sich doch, wenn man das Gefühl des Vorwärtsgehens hat. Heute war ich wieder auf dem Schönberg […] in mancher Hinsicht vielleicht das schönste von Freiburg.«14 Zum Sommersemester 1928 konnte ­ Eucken dann seinen aus Tübingen mitgebrachten Doktoranden Georg Kepper als Assistenten einstellen, der – so schrieb ­Eucken seiner Frau – »ebenfalls wissenschaftlich gut weiterkommt. Als ich ihm die Sache mit der Assistentenstelle mitteilte, war er geradezu überglücklich. Er hat bisher einen Wechsel von 80 M gehabt!«15

14. Freundschaft mit dem Historiker Gerhard Ritter Gleich zu Beginn seiner Freiburger Zeit freundete sich ­Eucken mit dem drei Jahre älteren Historiker Gerhard Ritter (1888–1967) an. Ritter war zwei Jahre vor ­Eucken dem Ruf nach Freiburg gefolgt als Nachfolger des verstorbenen Historikers Felix Rachfahl (1867–1925), bei dem E ­ ucken 1909 in seinem ersten Semester in Kiel Geschichte gehört hatte. In Ritter fand ­Eucken einen Diskussionspartner für sein historisches Interesse, und mit Ritter war E ­ ucken ab 1934 im Engagement für die Bekennende Kirche verbunden. Gerhard Ritter wurde einer der wenigen Duz-Freunde Euckens.16 »Je mehr ich Ritter kennen lerne, umso mehr schätze ich ihn und uns verbindet ja jetzt wirklich eine nahe Freundschaft. Nicht nur wissenschaftlich, auch persönlich ­ ucken im Juli 1936 seiner Mutter. verstehen wir uns vortrefflich«17, berichtete E 12  Dekan der Philosophischen Fakultät an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 29.2.1928, Philipps-Universität Marburg, ZA 000209, zit. nach Hennecke (2005: 62). 13  Vgl. Hennecke (2005: 63). 14 ­Eucken an Edith Eucken, 30.12.1927, ThULB, NL WE. 15 ­Eucken an Edith Eucken, 28.4.1928, ThULB, NL WE. 16  Weitere Duz-Freunde Euckens waren neben dem Jugendfreund Erich Schott, von den 1940er Jahren an Franz Böhm (vgl. Hansen (2009: 185)) und Hans Gestrich. Die Angabe zu Gestrich verdanke ich Uwe Dathe. 17 ­Eucken an Irene Eucken, 18.7.1936, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 165, zit. nach Goldschmidt (2005b: 305, Anm. 58).

14. Freundschaft mit dem Historiker Gerhard Ritter



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Und auch Ritter sprach von E ­ ucken später als: »Mein Freund, der Nationalökonom Walter Eucken, dem ich sehr nahe stand.«18 Ritter hatte 1927 in Freiburg einen »Akademischen Lesezirkel«19 gegründet, dem auch Euckens beitraten und so mit einem kulturell und literarisch interessierten akademischen Kreis bekannt wurden, zu dem im Jahr 1929/3020 neben Ritters und Euckens folgende Freiburger Professoren und deren Ehefrauen gehörten: der Pathologe Ludwig Aschoff (1866–1942), der Anglist Friedrich Brie (1880–1948)21, der Archäologe Hans Dragendorff (1870–1941), der Gynäkologe Paul Diepgen (1878–1966), der emeritierte Althistoriker Ernst Fabricius (1857–1942), der Philologe Hans Heise, der Philosoph Edmund Husserl, der Kunsthistoriker Hans Jantzen (1881–1967), der Rechtshistoriker Otto Lenel (1849–1935)22 sowie der Chemiker und spätere Nobelpreisträger Hermann Staudinger (1881–1965) und dessen Ehefrau, die Botanikerin Magda Staudinger (1902–1997). Später gehörten auch die Familien des Philosophen Martin Heidegger (1889–1976), des Philosophen und Psychologen Robert Heiß (1903–1974), des Gynäkologen und Direktors der Universitäts-Frauenklinik Otto Pankow (1876–1934) und des Staatsrechtlers Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein (1883–1939) zum Lesezirkel.23 Nach einem ausgeklügelten »Umlaufkalender«24 zirkulierte in monatlichem Rhythmus reihum Lesestoff, der in zwölf verschiedene Bücher-Gruppen zu je fünf, möglichst neu erschienenen Büchern eingeteilt war. So übernahmen beispielsweise Euckens jeweils eine Bücher-Gruppe von den in der Goethestraße 4 wohnenden Staudingers und reichten sie einen Monat später an das Ehepaar Fabricius in der Goethestraße 44 weiter. Eine im Nachlass erhaltene Einteilung von Bücher-Gruppen25, die Neuerscheinungen aus den Jahren 1931/32 auflistet, nennt beispielsweise als Gruppe 5 die Titel: Affenhochzeit von Carl Zuckmayer (1932); Aufstand der Massen von José Ortega y Gasset (1931 auf deutsch erschienen); Jehol die Kaiserstadt von Sven Hedin (1932); Unschuld des Werdens von Friedrich Nietzsche (1931 erschienene Nachlassausgabe); Mode in Paris von Käthe von Poroda (1932). Ortega y Gassets neues Buch Aufstand der Massen 18 

Ritter (2006: 781). Vgl. Cornelißen (2001: 154). 20  Vgl. Umlaufkalender 1929/30, ThULB, NL WE. 21  Seine Ehefrau Käthe Brie, geborene Erdmann, war die Tochter des Philosophen Benno Erdmann und die Schwester von Lothar Erdmann, dem zweiten Ehemann von Elisabeth Erdmann-Macke, der Witwe des mit Walter ­Eucken befreundeten Malers August Macke. 22  Großvater von Euckens späterem Doktoranden und Assistenten Hans Otto Lenel (1917–2016). 23  Vgl. Cornelißen (2001: 154, Anm. 182). 24  Umlaufkalender des Lesezirkels, ThULB, NL WE. 25  Umlaufkalender des Lesezirkels, ThULB, NL WE. 19 

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

machte rasch Furore und stieß bei Euckens auf großes Interesse. 1932 setzte sich Edith Eucken-Erdsiek in ihrem in der Tatwelt veröffentlichten Aufsatz26 damit auseinander, und 1934 sollten Euckens den spanischen Philosophen José Ortega y Gasset bei Husserls persönlich kennenlernen.27 Über Ritter kam E ­ ucken auch zum Professorenklub. »Wir hatten vor 33 schon einen Professorenklub«, schilderte Ritter später, »dem ich selbst angehörte, dazu der Jurist Franz Beyerle28, mein Freund Walter Eucken, […] Franz Böhm und andere. Wir trafen uns in einer kleinen Gastwirtschaft, wo wir eine sogenannte ›Meckerstube‹ eingerichtet hatten und wo zum Mittagessen bei geschlossenen Türen jeder seinen Unmut losließ. Das hat man auch tief in die Hitler-Zeit hinein noch fortgesetzt.«29 Bei Ritters trafen sich Euckens und weitere Mitglieder des Lesezirkels auch in privatem Kreis. So berichtete ­Eucken Ende Dezember 1929 seiner Frau nach Berlin. »[G]estern abend bei Ritters war es ganz nett. Allerdings kamen wir nicht recht zur Diskussion, weil gegen ½ 9 plötzlich Jantzen und Frau erschienen. Man plauderte dann ganz nett, aber natürlich konnten wir nicht über Fachfragen ­ ucken ihrer Schwiegermutter, reden.«30 Und im Februar 1935 berichtete Edith E man habe »bei Ritter im kleinen Kreis ein Colloquium über Mussolinis Aufstieg«31 abgehalten. In den Jahren 1929/30 diskutierten E ­ ucken und Ritter unter anderem über Fragen im Zusammenhang mit der politischen Biographie des preußischen Staatsmannes Karl Freiherr vom und zum Stein (1757–1831), die Ritter in Arbeit hatte. ­Eucken unterstütze Ritter in Bezug auf ökonomische Fragestellungen. So hatte ­Eucken seinen Assistenten Friedrich A. Lutz beauftragt, genauer zu untersuchen, inwieweit Stein, als er 1805/06 seine Denkschrift über die Einführung von Papiergeld (»Tresorscheine«) verfasste, die Schriften des britischen Ökonomen Henry Thornton, insbesondere dessen Buch An Inquiry into the nature and effects of the paper credit of Great Britain (1802), und David Hume’s Essay Of Money (1752) bekannt gewesen waren. Lutz hatte daraufhin eine auf den 14. Juli 1929 datierte fünfseitige Ausarbeitung verfasst, die ­Eucken mit der handschriftlichen Bemerkung an Ritter weiterleitete, daraus gehe hervor, dass Stein Thorntons Buch »doch sehr gut gekannt hat.« Und ­Eucken fügte hinzu: »Insoweit muß ich meine Äusserungen von voriger Woche korrigieren. Ricardo hatte bis 1805 noch nichts veröffentlicht. Wer sich über die erfolgreiche 26 

Erdsiek (1932b). Vgl. dazu Schuhmann (1977: 453, 455). 28  Franz Beyerle (1885–1977) kam erst zum Wintersemester 1938/39 nach Freiburg. Vgl. Ritter (2006: 789, Anm. 53). 29  Ritter (2006: 789). 30 ­Eucken an Edith Eucken, 28.12.1929, ThULB, NL WE. 31  Edith E ­ ucken an Irene Eucken, 15.2.1935, zit. nach Schäfer, M. (2020: 457). 27 



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Notenbankpolitik des antirevolutionären Englands informieren wollte, griff zu Thornton.«32 ­Eucken selbst hatte dann Anfang August 1930 die Stein’schen Briefe und Gutachten von 1810/11 mit Blick auf die geldtheoretischen Auffassungen Steins gelesen und sich mit einem Aufsatz von Margarete Baumann33 kritisch auseinandergesetzt, der Stein als Finanzfachmann beurteilte. Euckens an Ritter übermitteltes Resümee lautete: »Stein erweist sich als sehr guter Kenner der Materie; offenbar hat er viel über diese Dinge nachgedacht. Er zeigt, daß er erstens über eine klare Systematik und zweitens über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe verfügt. Frl. Baumann ist auf dem Gebiete der Geldtheorie und Währungspolitik völlig unbeschlagen. Infolgedessen sind ihre Bemerkungen ziemlich wertlos. Sie beurteilt in Stein jemanden, der hundertmal mehr versteht ­ ucken kommt zu dem Schluss, dass Stein, als er die Finanznot Preuals sie.«34 E ßens durch die Ausgabe von Papiergeld (»Tresorscheine«) zu beheben dachte, weniger von Adam Smith beeinflusst gewesen sei  – obgleich er selbst diesen nannte –, sondern dass er als Quantitätstheoretiker gesehen werden müsse und seine geldtheoretischen Anschauungen am meisten jenen von David Hume ähnelten. Henry Thorntons Buch müsse er gut gekannt haben, jedoch sei er in seiner Beurteilung der Wichtigkeit der Umlaufsgeschwindigkeit über Thornton hinaus gegangen.35 Am 8. Januar 1931 berichtete ­Eucken dann: »Ritter hat sein Stein-Buch36 fast fertig. Über 2000 Seiten Manuskript, das die Frau vollständig in Maschinenschrift abgeschrieben hat.«37 ­Eucken hatte dies wohl von Ritter tags zuvor beim »historisch-politischen Abend« bei Ritters Schüler Rudolf Stadelmann (1902–1949) erfahren, bei dem es, wie E ­ ucken ferner berichtete, »wieder recht lebhaft«38 gewesen war. Im Wintersemester 1932/33 organisierte Ritter eine Ringvorlesung zum Thema »Der Einzelne und der Staat«, an der sich auch Walter E ­ ucken beteiligen39 und über das Thema »Freie oder gebundene Wirtschaft« lesen wollte. Wegen einer Erkrankung musste er seine Vorlesung jedoch ausfallen lassen. Daraufhin integrierte Ritter in seine eigene Abschlussvorlesung am 22. Februar 32 ­Eucken an Ritter, handschriftliche Notiz auf dem Typoskript von F. A. Lutz vom 14.7.1929, BArch, NL Ritter, N 1166/184. 33  Baumann (1913). 34 ­Eucken an Ritter, 4.8.1930, BArch, NL Ritter, N 1166/184, in E ­ ucken GS, Band III.1. 35 ­Eucken an Ritter, 4.8.1930, BArch, NL Ritter, N 1166/184, in E ­ ucken GS, Band III.1. 36  Ritter (1931). 37 ­Eucken an Edith Eucken, 8.1.1931, ThULB, NL WE. 38 ­Eucken an Edith Eucken, 8.1.1931, ThULB, NL WE. 39  Weitere Beteiligte waren der Altphilologe Wolfgang Schadewaldt, die HistorikerKollegen Walter Kolbe, Philipp Funk, Rudolf Stadelmann, Arnold Berney, der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Georg Stieler, der Rechtshistoriker Claudius Freiherr von Schwerin, die Staatsrechtler Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein und Ernst Forsthoff. Vgl. Cornelißen (2001: 188, Anm. 115).

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

1933 einen Exkurs über wirtschaftlichen Liberalismus, der auf Vorarbeiten Euckens basierte.40 Eine von Ritter geplante Veröffentlichung seiner Vorlesungen, ergänzt um den wirtschaftspolitischen Beitrag Euckens, kam indes nicht zustande, da die in Aussicht genommene Verlagsbuchhandlung Reimar Hobbing dies Anfang März 1933 vor allem wegen Euckens Beitrag nicht mehr für politisch opportun hielt.41 ­Eucken konnte Ritter als Autor für die Zeitschrift Die Tatwelt gewinnen, in der 1933 Ritters Aufsatz »Ewiges Recht und Staatsinteresse« und 1938 Ritters Vortrag erschien, den er im Oktober 1938 in Jena auf der Arbeitstagung des Euckenbundes zum Thema »Historische Wissenschaft und Lebenspraxis in der Gegenwart« gehalten hatte. Seit 1934 setzten sich ­Eucken und Ritter gemeinsam für die Bekennende Kirche ein, die in der evangelischen Kirche der Instrumentalisierung der Religion durch den Nationalsozialismus entschieden entgegentrat. Als der Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Staates auch in der evangelischen Kirche immer spürbarer wurde – so waren die kirchlichen Jugendverbände mit Billigung des Badischen Landesbischofs in die Hitlerjugend übergeleitet worden42  – engagierte sich Gerhard Ritter gemeinsam mit Hermann Weber, dem Pfarrer der Freiburger Christuskirche, für die Bildung einer »Bekenntnisfront«, eines Laienbundes »zur Abwehr der ›Deutschen Christen‹«, wie aus einem Brief Ritters im Mai 1934 an seine Eltern hervorgeht, in dem er auch mitteilte: »[M]eine ›Grundsätze zur Bildung einer Bekenntnisfront‹ werden jetzt in Oberbaden verbreitet.«43 Kurz darauf, vom 29. bis 31. Mai 1934 nahm Ritter neben den Pfarrern Dürr und Weber als Delegierter für Baden an der Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen teil, auf der sich mit der »Barmer Theologischen Erklärung zur gegenwärtigen Lage der Deutschen Evangelischen Kirche« die Bekennende Kirche konstituierte. Hauptverfasser der Barmer Erklärung war der an der Universität Bonn lehrende Schweizer Theologe Karl Barth (1886–1968)44, ein Vertreter der im deutschen Protestantismus neuen Richtung einer dialektischen Theologie. In der Tatwelt hatten sich Walter ­Eucken und Edith Eucken-Erdsiek mit der Theologie Barths kritisch auseinandergesetzt45 und sie – gestützt auf die Lebensphilosophie Rudolf Euckens – dezidiert abgelehnt. Gleichwohl war sich E ­ ucken mit Barth einig in der kompromisslosen Opposition gegen die nationalsozialistische 40 

Vgl. Dathe (2010: 32, Anm. 88). Vgl. Dathe (2010: 33); ferner auch Cornelißen (2001: 189., Anm. 116). 42  Vgl. Martin (2005: 40). 43  Ritter an seine Eltern, 19.5.1934, zit. nach Rübsam/Schadek (1990: 56). 44  Vgl. Petersen (2015: 106). Nachdem Karl Barth in den zwangsweisen Ruhestand versetzt worden war, folgte er im Juli 1935 einem Ruf an die Universität Basel. 45  Vgl. Erdsiek (1932a) und ­Eucken (1932b). 41 



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Kirchenpolitik und im Engagement für die Bekennende Kirche.46 Bereits im Juli 1933 hatte ­Eucken die einen Monat zuvor erschienene Streitschrift Theologische Existenz heute! von Barth gelesen47 und sie in einer Tagebuchnotiz als eine »[g]länzende vernichtende Kritik der Deutschen Christen«48 gerühmt. Zudem sah E ­ ucken in der oppositionellen Haltung Karl Barths gegen die nationalsozialistische Kirchenpolitik eine Parallele für den Kampf, den er selbst gegen den nationalsozialistischen Einfluss in der Universitätspolitik für notwendig erachtete.49 So notierte ­Eucken in seinem Tagebuch am 29. Juli 1933 – wenige Tage nachdem er am 12. Juli 1933 in der zweiten, unter dem Rektorat Martin Heideggers anberaumten Senatssitzung gegen die verpflichtende Einführung des Wehrsports Protest erhoben hatte50: »Mit gleichem Radikalismus wie Barth für die reine Kirche muß von mir für die reine Universität eingetreten werden. Nur aus der Idee der Wissenschaft heraus kann eine Reform der Universität erfolgen und zwar der reinen.«51 »Ich betätige mich jetzt etwas für die Bekenntnisfront«52, berichtete ­Eucken seiner Mutter Ende Oktober 1934 und gut ein halbes Jahr später: »Was die Bekenntnisfront anlangt, so stehe ich ihr doch sehr positiv gegenüber. Seit langem bin ich Mitglied und ich lese laufend die ›Junge Kirche‹. Wenn ich [auch] nicht im Bruderrat bin, so werde ich doch immer herangezogen, wenn wichtigere interne Veranstaltungen sind. […] Der Geist der Bekenntnisfront ist ausgezeichnet. […] Alles, was für das evangelische Christentum in Deutschland kämpft und gegen Gottlosigkeit und Heidentum trifft hier zusammen. Aber es ist nötig, wenn nicht Alles zu Grunde gehen soll. Von meinem engeren Kollegenkreis sind übrigens fast alle in der Bekenntnisfront. Ritter ist sogar an führender Stelle tätig.«53

Sehr beeindruckt war E ­ ucken von der Persönlichkeit des Berliner Pfarrers Martin Niemöller, der 1933 den Pfarrernotbund gegründet hatte, aus dem dann die Bekennende Kirche hervorging. Niemöller nahm am 14. Juni 1935 in Freiburg 46  Zu Euckens kritischer Auseinandersetzung mit der Theologie Karl Barths siehe Petersen (2015: 118–153). 47  Vgl. Petersen (2015: 134). 48  Eucken, Tagebucheintrag, 29.7.1933 (Privatbesitz Christoph Eucken), zit. nach Oswalt (2005: 343). 49  Vgl. Petersen (2015: 135). 50  Vgl. Senatsprotokoll vom 12.7.1933, UAF A10/109, in Heidegger (2000: 142); vgl. auch den Brief ­Eucken an Hermann Stieve, 19.7.1933, ThULB, NL WE, in dem ­Eucken den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz um Intervention gegen die Einführung des Wehrsports bittet. 51  Eucken, Tagebucheintrag, 29.7.1933 (Privatbesitz Christoph Eucken), zit. nach Oswalt (2005: 344). 52 ­Eucken an Irene Eucken, 31.10.1934, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 45, zit. nach Goldschmidt (2002: 122). 53 ­Eucken an Irene Eucken, 20.5.1935, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 86., zit. nach Goldschmidt (2002: 121).

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an einer Sitzung des Bruderrates teil und hielt abends im Paulussaal in der Dreisamstraße einen Vortrag zum Thema »Der Ruf Gottes an sein Volk.«54 ­Eucken berichtete tags darauf nach Jena: »Gestern sprach hier der berühmte Pfarrer Niemöller. Ich lernte ihn persönlich kennen. Eine eindrucksvolle Erscheinung. Sehr militärisch, straff, energisch, zugleich von einer ungemein starken religiösen Energie. Er hat einen mächtigen Eindruck gemacht, wie denn überhaupt die Bekenntnisbewegung trotz oder infolge aller Verfolgungen an Kraft täglich zunimmt.«55 Am 17. und 18. November 1935 nahm ­Eucken wohl in Stuttgart an der Tagung der lutherischen Landeskirchen56 teil und notierte daraufhin am 23. November 1935 im Tagebuch: »Meine Eindrücke bei Bekenntnistagung 17./18.11. sehr ungünstig. […] Eine Welt trennt mich von diesen Lutheranern. […] Übermaß unzureichender Reflexion. Keine Aktivität.«57 Walter Oswalt interpretiert diesen Tagebucheintrag als Beleg dafür, dass sich E ­ ucken von der Bekennenden Kirche zu distanzieren begann.58 Demgegenüber kommt Tim Petersen nach eingehender Recherche der kirchenhistorischen Details zu der Auffassung, dass ­Eucken in diesem Tagebucheintrag lediglich den »Schlingerkurs« der lutherischen Landeskirchen kritisierte, aber nach wie vor die strikte oppositionelle Haltung unterstützte, die Martin Niemöller und Karl Barth, die Vertreter des »Dahlemer Flügels« der Bekennenden Kirche, zeigten.59 Gleichwohl erinnert Euckens älteste Tochter aus Gesprächen mit ihrem Vater in der Nachkriegszeit, ­Eucken habe zunächst »große Hoffnungen auf die Bekennende Kirche gesetzt, weil er von ihr Widerstand gegen den Nationalsozialismus erwartete.« Doch habe Eucken ihr dann gesagt: »[D]iese Erwartungen wurden enttäuscht. Die Bekennende Kirche habe versagt. Sie habe sich  – hauptsächlich mit innerkirchlichen Problemen beschäftigt – passiv verhalten, vor allem angesichts der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden.«60 Die damaligen Kämpfe in der evangelischen Kirche zwischen der oppositionellen Bekennenden Kirche und den dem Nationalsozialismus nahestehenden Deutschen Christen verfolgte E ­ ucken sehr genau, »weil ich sie«, wie er seiner Mutter erläuterte, »für ungemein wichtig halte.«61 Mit Genugtuung registrierte 54 

Vgl. Martin (2005: 44) mit Bezug auf Dietrich (1991: 234 f.). an Irene Eucken, 15.6.1935, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 93, zit. nach Goldschmidt (2002: 123). 56  Tim Petersen zufolge deuten Zeit und Inhalt der Tagung darauf hin, »dass es sich hierbei um die von ­Eucken kritisierte ›Bekenntnistagung‹« handelt. Petersen (2015: 145). 57  Eucken, Tagebucheintrag, 23.11.1935, zit. nach Oswalt (2005: 344). 58  Oswalt (2005: 344). 59  Vgl. dazu ausführlich Petersen (2015: 146 ff.). 60  [Oswalt-]­Eucken (2014: 77). 61 ­Eucken an Irene Eucken, 16.11.1934, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 46, zit. nach Goldschmidt (2002: 122 f.). 55 ­Eucken



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er im Frühjahr 1937: »Auch hier hat die Bekenntnisfront ungeheure Erfolge, obwohl wir in Freiburg nur 20000 Protestanten haben. An einer Versammlung vor etwa 14 Tagen nahmen etwa 2500 Personen teil.«62 In der Bekennenden Kirche  – so das Resümee von Nils Goldschmidt63  – fand E ­ ucken den »Geist« wieder, den er in dem Aufruf seines Vaters zu einer »heroischen Lebenshaltung« gefordert sah. In diesem Zusammenhang war es E ­ ucken wichtig, dass in der Tatwelt nur Beiträge veröffentlicht wurden, die vom Standpunkt der Bekenntnisfront geschrieben waren. Bereits 1934 richtete er daher an seine Mutter den dringenden Appell: »In Erinnerung an Vater, aus unsrer eigenen Überzeugung und mit Rücksicht auf das Ausland kann und darf in der Tatwelt nur der Standpunkt der Bek. Front eingenommen werden.«64 Als dennoch im ersten Heft der Tatwelt des Jahres 1936 ein Aufsatz des Kirchenhistorikers Erich Seeberg, eines prominenten Vertreters der Deutschen Christen, erschien, der unter dem Titel »Meister Eckhart und Luther« in verklausulierter ­ ucken empört und Form gegen die Bekennende Kirche agitierte65, war Walter E hielt seiner Mutter vor, insbesondere der Schluss des Aufsatzes stelle »einen überflüssigen und unsympathischen Angriff gegen die Bekenntniskirche«66 dar. Im »Dahlemer Flügel« der Bekennenden Kirche war auch Euckens 1937 aus Berlin nach Freiburg berufener Kollege Constantin von Dietze aktiv. In der Freiburger Bekenntnisfront fasste er daher schnell Fuß, zumal er bis zu seinem endgültigen Umzug nach Freiburg einige Monate im Haus von Gerhard Ritter Aufnahme fand.67 Von 1938 an sollte sich dann mit Gerhard Ritter, Walter Eucken, Adolf Lampe und Constantin von Dietze, die alle vier zur Gemeinde der Freiburger Christuskirche gehörten und sich für die Bekennende Kirche einsetzten, der Kern der Freiburger Widerstandskreise formieren, zunächst im Freiburger Konzil, später ab 1942 in dem eng mit Carl Goerdeler zusammenarbeitenden Freiburger Bonhoeffer-Kreis, einer geheimen Widerstandsgruppe, die – so formulierte es E ­ ucken später im Rückblick – »vom christlich-evangelischen Glauben her die staatlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme einer nichtnationalsozialistischen Nachkriegszeit bearbeitete […]« und 1942/43 »ein umfassendes Gutachten [anfertigte], das die Wirtschaftspolitik im Falle eines Umsturzes behandelte […].«68 62 ­Eucken an Irene Eucken, 23.4.1937, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 213, zit. nach Goldschmidt (2002: 123). 63  Vgl. Goldschmidt (2005b: 305). 64 ­Eucken an Irene Eucken, 16.11.1934, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 46, zit. nach Goldschmidt (2002: 122 f.). 65  Vgl. Schäfer, M. (2020: 460 f.). 66 ­Eucken an Irene Eucken, 20.3.1936, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 141., zit. nach Schäfer, M. (2020: 461). 67  Vgl. Cornelißen (2001: 352). 68 Eucken, Entnazifizierungsbogen, Anlagen zu J., Typoskript [1947], ThULB, NL

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Inwiefern Euckens religiöses Bekenntnis demjenigen der Bekennenden Kirche zuzuordnen ist, ist gleichwohl umstritten.69 Constantin von Dietze äußert sich dazu in seinen Erinnerungen folgendermaßen: »Entsprechend der Auffassung von Rudolf E ­ ucken wurde auch das Christentum hoch geschätzt, allerdings mehr wegen seiner Bedeutung als Grundlage echter abendländischer Kultur […]. Euckens […] lebten auch wenig kirchlich. Das hat sich in Freiburg noch oft als Spannung in unserem Konzil bemerkbar gemacht, hat aber niemals unsere Freundschaft oder die Achtung vor ihrem wirklich edlen Denken und Streben verringert.«70 Und Euckens älteste Tochter erinnert, zwar habe es den allsonntäglichen Kirchgang nicht gegeben, aber das Vaterunser habe zum Alltag gehört und die Eltern hätten sie Psalmen auswendig lernen lassen und mit den Geschichten des Alten und Neuen Testaments vertraut gemacht. ­Eucken habe das Christentum als »ethischen Monotheismus« verstanden, »als Kraft, Leben und Welt zu gestalten.«71 Große Bedeutung habe für ihn die Ringparabel aus Lessings Nathan der Weise gehabt, nicht nur als »Appell zur Toleranz«, sondern als Ausdruck der »Überzeugung, dass Religion sich im Handeln beweist.«72 ­Eucken selbst brachte seine Einstellung einmal in einem Brief an seine Frau wie folgt auf den Punkt: »So großartig das Christentum ist, so stehe ich doch der kirchlichen Ausprägung mit einer gewissen Reserve gegenüber.«73 Gleichwohl hielt ­Eucken im Januar 1942 in einem Brief an Rüstow fest: »Ich aber könnte weder existieren noch arbeiten, wenn ich nicht wüsste, dass Gott existiert.«74 Zusätzlich zum Engagement für die Bekennende Kirche verband Walter ­Eucken mit Gerhard Ritter, dass sie beide Kontakt nach Istanbul pflegten: ­Eucken zu seinem 1933 dorthin emigrierten Freund Rüstow, Ritter zu seinem seit 1926 in Istanbul lebenden jüngeren Bruder, dem Orientalisten Hellmut Ritter (1892–1971), der bis 1949 die dortige Zweigstelle der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG) leitete.75 Auch wenn Hellmut Ritter nicht zur Gruppe der deutschen Wissenschaftler zählte, die in den 1930er Jahren gezwungenermaßen als Exilanten in die Türkei kamen, war er doch mit einigen von ihnen bekannt, so mit Rüstow und dem Mediziner Alfred Marchionini, der im März 1938 von Freiburg nach Ankara ging und der wie Gerhard Ritter und WE., teilweise auch zit. bei Roser (1998: 70 f., Anm. 178). Das Gutachten ist mit einer Einführung  – vgl. Goldschmidt (2008)  – wiederabgedruckt als Dietze/Eucken/Lampe ([1943] 2008). 69  Vgl. dazu Oswalt (2005: 343). 70  Constantin von Dietze, Erinnerungen, Privatbesitz Marianne Kirchhofer, S. 303 f., zit. nach Goldschmidt (2005b: 306). 71  [Oswalt-]­Eucken (2014: 77). 72  [Oswalt-]­Eucken (2014: 77). 73 ­Eucken an Edith Eucken, 28.1.1938, ThULB, NL WE. 74 ­Eucken an Rüstow, Januar 1942, zit. nach Lenel (1991: 12). 75  Vgl. Lebenslauf von Hellmut Ritter in Lier (1997: 50 f.).

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­ ucken zum letzten Freiburger Freundeskreis um Husserl gehört hatte. Hellmut E Ritter gehörte zudem zu jenen, bei denen Carl Goerdeler wohl ebenfalls Besuch machte76, als er im Juli 1939 Ernst Reuter und Alexander Rüstow in Ankara traf und in die Widerstandsaktivitäten des militärischen Kreises um Generaloberst Ludwig Beck und des Kreisauer Kreises einweihte.77 Gerhard Ritter erhielt 1943 vom Auswärtigen Amt auf Veranlassung des Diplomaten Adam von Trott zu Solz (1909–1944)  – der damals einer der führenden Köpfe des geheimen deutschen Widerstands war – eine Ausnahmegenehmigung für eine halboffizielle Reise in die Türkei, wo er vom 13. Oktober bis 8. November auf Einladung der Philosophischen Fakultät und im Interesse des deutschen Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in »kultureller Mission« unterwegs war, am 2. November 1943 in Ankara vom deutschen Botschafter Franz von Papen empfangen wurde und zudem Gelegenheit hatte, seinen Bruder Hellmut in Istanbul zu besuchen.78 Ob Ritter bei dieser Gelegenheit womöglich auch Rüstow traf und im persönlichen Gespräch Andeutungen zu dessen Aktivitäten im Exilwiderstand79 erfuhr, die er bei seiner Rückkehr nach Freiburg E ­ ucken hätte erzählen können, ist nicht bekannt. In der Korrespondenz zwischen E ­ ucken und Rüstow sei, wie Hans Otto Lenel betont, die Rücksicht auf die Zensur spürbar und es finde sich nichts zum Krieg und seinen Folgen,80 und – so ist anzunehmen – ebenso nichts zu Rüstows Widerstandsaktivitäten.81 Indes habe Rüstow, worauf Kathrin MeierRust hinweist, 1944 seinem nach Amerika emigrierten Freund Gerhard Colm 76 

Vgl. Lier (1997: 40). Meyer-Krahmer (1989: 197), ebenso Meier-Rust (1993: 73). 78  Vgl. van Ess (2013: 146). Zur Türkeireise Ritters siehe auch Schwabe/Reichardt (1984: 94, 382, Anm. 2). 79  Alexander Rüstow gehörte mit Ernst Reuter, dem Soziologen Gerhard Kessler, dem Agrarwissenschaftler Hans Wilbrandt, dem Chemiker Friedrich Breusch und dem Zoologen Curt Kosswig zu den Gründungsmitgliedern des »Deutschen Freiheitsbundes«, der sich im August 1943 in Istanbul zusammenschloss, um für »die Befreiung Deutschlands und dessen Wiederaufbau auf demokratischer Grundlage in enger Zusammenarbeit mit den Alliierten im gemeinsamen Kampf gegen Hitler zu arbeiten«, so Möckelmann (2013: 180). Rüstow (Deckname »Magnolia«) und Wilbrandt (Deckname »Hyazinth«) arbeiteten in Instanbul mit dem amerikanischen Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS) zusammen, trafen sich mit Helmuth James Graf von Moltke, als sich dieser im Juli und Dezember 1943 in der Türkei aufhielt und unterstützten Moltke bei seinem Versuch der Kontaktaufnahme mit US-Vertretern und schließlich bei der Übermittlung eines MoltkeMemorandums (Deckname »Herman-Plan«) an den OSS in Washington. Wie erst seit der Freigabe der OSS-Dokumente im Jahr 1990 bekannt ist, hat der nach Amerika emigrierte deutsche Agrarökonom Karl Brandt im Auftrag des OSS 1944 ausführlich zum »HermanPlan« Stellung genommen. Als Rüstow nach dem Krieg Brandt um Auskunft bat, erhielt er indes eine Absage. Vgl. dazu detailliert Heideking/Mauch (1992: passim, insbes. 582 f.). 80  Vgl. Lenel (1991: 13). 81  Genaueres zu Rüstows geheimer Mission in Istanbul wurde erst mit Freigabe der 77 

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brieflich angedeutet, er »stehe […] in Instanbul so unmittelbar an der Front, […] weshalb er sich bis auf weiteres als politisch unabkömmlich betrachten müsse und seine Pläne einer Umsiedlung in die USA vorläufig aufgegeben habe.«82 Rüstow habe mit der Umschreibung »an der Front«, so führt sie aus, zum einen seine Tätigkeit als Verbindungsmann zwischen den amerikanischen Militärbehörden in der Türkei und Vertretern des deutschen Widerstands gemeint, zum anderen seine Tätigkeit als Vice Chairman des türkischen Büros des »International Rescue and Relief Committee« in New York.83

15. Freundschaft mit dem Philosophen Edmund Husserl Als Walter und Edith E ­ ucken 1927 nach Freiburg kamen, hatten sich beide bereits auf »die Begegnung mit dem großen Denker«, dem dort seit 1916 lehrenden Ordinarius für Philosophie Edmund Husserl (1859–1938), sehr gefreut.84 Walter E ­ ucken hatte bereits im Elternhaus erstmals von Husserl gehört85 und vermutlich während seines 1911 an der Universität Jena verbrachten Sommersemesters mitbekommen, dass sich sein Vater im Mai 1911 intensiv um eine Berufung Husserls nach Jena bemühte. Diese kam allerdings nicht zustande, und der Briefkontakt zwischen Rudolf ­Eucken und Husserl brach ab.86 Walter E ­ ucken trat mit Husserl erstmals brieflich in Kontakt, nachdem Husserl im September 1926 zum Tod Rudolf Euckens kondoliert hatte und in seinem Brief an Irene E ­ ucken »die außerordentliche Bedeutung Rudolf Eucken’s« hervorgehoben und es als »die größte und schmerzlichste Enttäuschung meines Lebens« bezeichnet hatte, »daß es mir nicht vergönnt war […] an der Universität Jena leben und wirken zu dürfen – wofür er selbst so thatkräftig eingetreten ­ ucken nahmen dies zum Anlass, Husserl für einen war.«87 Walter und Edith E Beitrag in der Tatwelt88 zu gewinnen und sich mit dem philosophischen Programm Husserls eingehend zu befassen89, der wie Rudolf ­Eucken als einer der herausragendsten Vertreter des als »Lebensweltphänomenologie« (Ferdinand Fellmann) bezeichneten Zweiges der Philosophie des 20. Jahrhunderts gilt.90 amerikanischen Geheimdienstakten bekannt, er selbst hat nie etwas dazu publiziert. Vgl. Heideking/Mauch (1992: 582 f.). 82  Rüstow an Colm, 14.5.1944, zit. nach Meier-Rust (1993: 71). 83  Meier-Rust (1993: 71). 84  Eucken-Erdsiek (1981: 57). 85  Vgl. Dathe (2009a: 20). 86  Vgl. Dathe (2009a: 22). 87  Husserl an Irene Eucken, 17.9.1926, in Graf (1996: 138 f.). 88  Veröffentlicht als Husserl (1927). 89  Vgl. Dathe (2009a: 25 f.). 90  Vgl. Klump (2003: 154 f.). Für eine Gegenüberstellung der Philosophie Husserls und Rudolf Euckens siehe Fellmann (2009).

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Insofern war es, wie Uwe Dathe aufgrund neu erschlossener Quellen betont91, nicht eine von Rudolf ­Eucken »ererbte« Freundschaft zu dem Philosophen, die sich in Freiburg fortsetzte, sondern ein Neubeginn: Der junge Ökonomieprofessor Eucken  – etwa im Alter von Husserls Kindern  – und der kurz vor der Emeritierung stehende Philosoph Husserl wurden 1927 an der Universität Freiburg zu Kollegen, und in dem darauffolgenden Jahrzehnt entwickelte sich zwischen Euckens in der Goethestraße 10 und Husserls in der nahegelegenen Lorettostraße 40 eine enge, vertrauensvolle, sehr herzliche Freundschaft. »Unsere Freundschaft war heiter«, so sollte es Edith Eucken-Erdsiek später erinnern, »die Freundschaft des reifen, weisen Alters mit der unbekümmerten Jugend.«92 Auch nahm sie »an seinen Vorlesungen und Seminaren teil.«93 Gleich im Wintersemester 1927/28 besuchte sie Husserls Vorlesung »Geschichte der Philosophie«94, und hielt rückblickend fest: »Es gab immer etwas zu lernen. So erinnere ich mich, daß er uns den nachdrücklichen Rat gab, Gunst oder Mißgeschick des Augenblicks nicht als etwas Dauerndes zu betrachten, da jederzeit ein Umschlag ins Entgegengesetzte möglich sei. Alles bloß Abgeleitete, so auch eine zu ausgebreitete Befassung mit Sekundärliteratur, lehnte er ab. ›Man muß zu den Quellen zurückgehen.‹ ›Feuer kann sich nur an Feuer entzünden.‹«95 »Wir sahen ihn alle vierzehn Tage«96, berichtete Edith Eucken, und bei Malvine Husserl hieß es: »[M]it Euckens sind wir circa alle 14 Tage ausgiebig zusammen.«97 Ein Blick in das zu Husserl mittlerweile aufbereitete Quellenmaterial98 und in die im Nachlass Walter Euckens aufbewahrte Korrespondenz verdeutlicht, wie die Beziehung bald an Intensität und Herzlichkeit zunahm. So waren Walter und Edith ­Eucken am Abend des 24. Juli 1928 bei Husserls zu Gast, gemeinsam mit Isaak Benrubi und dem Ehepaar Lucy und William R. Boyce Gibson. Boyce Gibson, wie Benrubi ein Schüler Rudolf Euckens, lehrte an der Universität Melbourne und verbrachte 1928 ein Sabbatjahr in Europa, davon nahezu sechs Monate bei Husserl in Freiburg.99 Nach dem Abendessen habe sich das Gespräch, wie Boyce Gibson in seinem Tagebuch notierte, mehr als zwei Stunden 91 

Dathe (2009a: 21 ff.). Eucken-Erdsiek (1981: 57). 93  Eucken-Erdsiek (1981: 62). Husserl hielt noch bis zum Sommersemester 1929 Vorlesungen. Vgl. Sepp (1988: 344). 94  Vongehr (2009: 5, Anm. 9). 95  Eucken-Erdsiek (1981: 63). 96  Eucken-Erdsiek (1981: 62). 97  M. Husserl an E. Rosenberg, 3.2.1932, zit. nach Vongehr (2009: 6, Anm. 12). 98  Vgl. dazu Vongehr (2009). 99  Bereits am 5. Mai 1928 schrieb E ­ ucken seiner Frau nach Karlsbad: »Heute besuchte ich Prof. Gibson aus Australien, den Schüler von Vater. Er ist jetzt hier mit Frau und zwei Kindern, um bei Husserl zu studieren. Er bleibt bis Ende Juli, so daß Du ihn auch noch kennen lernen wirst.« ­Eucken an Edith Eucken, 5.5.1928, ThULB, NL WE. Vgl. auch Spiegelberg (1971: 60). 92 

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lang um Phänomenologie gedreht, wobei sich gezeigt habe, auch Frau Husserl und Frau E ­ ucken »know a great deal about phenomenology.« Walter Eucken, so hielt Boyce Gibson fest, »is very interested in the approach to philosophy through Economics, [but he] finds it very hard.«100 Im März 1929 erhielt ­Eucken einen Kartengruß von Husserl aus Paris. Die Ansichtskarte zeigt »le stryge« – eine der berühmtesten grotesken Steinfiguren an der Westfassade der Kathedrale von Notre Dame de Paris –, die in Denker-Pose düster-sinnend auf die Stadt hinabblickt und der in Husserls Handschrift die Worte »Melencholey in Paris/Was ist Phänomenologie?!!« hinzugefügt sind.101 Husserl, der mit seiner Frau vom 20. Februar bis 8. März 1929 in Paris war, hatte dort am 23. und 25. Februar zwei Vorträge gehalten, die zwei Jahre später als Méditations Cartésiennes veröffentlicht wurden102, und hatte außerdem  – wie er auf der Rückseite der Karte mitteilt – mit seiner Frau, »unvergessliche Tage« genossen und »großes Interesse u. herzliche Aufnahme«103 erfahren. Im November 1929 waren Euckens gemeinsam mit Husserls bei Diehls zu einem »Abendessen im kleinsten Kreise« eingeladen, »einem ungewöhnlich schönen Abend«, wie Malvine Husserl ihrer Tochter berichtete, »um 1h kamen wir erst heim.«104 Am 13. August 1930 schrieb dann Walter ­Eucken seiner Frau, die in Karlsbad zur Kur weilte: »Das Herz vom alten Husserl hast Du wirklich völlig berückt. Gestern war ich bei ihnen; es war ein sehr gemütlicher Abend. Ich redete wie ein Buch und er brach manchmal in bewundernde Rufe über Dich aus. Wir stießen auf Dich an, was er mit den Worten begleitete: ›Auf Ihre liebe Frau, die uns alle in die Tasche steckt.‹«105 Kurz vor Weihnachten 1930 hatten Euckens das Ehepaar Husserl zu einem »schönen u. geistig bewegten Abend mit Erik Wolf«106 eingeladen. Auch gemeinsame Ausflüge wurden unternommen: So waren Euckens und Husserls Mitte Oktober 1931 gemeinsam im Jägerhäusle am Schlossberg zum Kaffee »[…] was doch hin und zurück ein anständiger Marsch ist«, wie Frau Husserl ihrer Tochter berichtete.107 100 

Boyse Gibson, Tagebucheintrag, zit. nach Spiegelberg (1971: 69). Ansichtskarte E. und M. Husserl an W. und E. Eucken, 4.3.1929, ThULB, NL WE, zit. nach Dathe (2009b: 171). 102 Vgl. Dathe (2009b: 172). Ein mit Husserls handschriftlicher Widmung »Den Freunden Walter und Edith ­Eucken zur Erinnerung an E. Husserl, Freiburg 11.V.1931« versehenes Exemplar der Méditations Cartésiennes befindet sich im Walter-Eucken-Archiv Frankfurt a. M., vgl. Dathe (2009b: 173). 103  Ansichtskarte E. und M. Husserl an W. und E. Eucken, 4.3.1929, ThULB, NL WE, zit. nach Dathe (2009b: 171). 104  M. Husserl an E. Rosenberg, 25.11.1929, zit. nach Vongehr (2009: 6). 105 ­Eucken an Edith Eucken, 13.8.1930, ThULB, NL WE. 106  Vgl. M. Husserl an E. Rosenberg, 23.12.1930, zit. nach Vongehr (2009: 6). Erik Wolf (1902–1977) war Professor für Rechtsphilosophie, Straf- und Kirchenrecht an der Universität Freiburg. 107  M. Husserl an E. Rosenberg, 16.10.1931, zit. nach Vongehr (2009: 7, Anm. 22). 101 

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»Und einmal«, so erinnerte sich Edith Eucken, »Husserl weilte damals zur Erholung oben im Schwarzwald, als ein Wettersturz eintrat. Der alte Herr in seiner naßkalten Bergeinsamkeit dauerte uns, und kurzentschlossen wanderten mein Mann und ich im strömenden Regen zu ihm hinauf, jung und gesund wie wir waren, und liefen fröhlich lachend auf ihn zu, der nach seiner Art, hochaufgerichtet, den Regenschirm steif über sich haltend, dahinwandelte.«108 Im Oktober 1932 war E ­ ucken bei Husserl zu Besuch zusammen mit dem japanischen Postgraduierten-Studenten Toyowo Ohgushi, der seit Wintersemester 1928/29 als Stipendiat der japanischen Regierung an der Universität Jena vor allem politische Philosophie und Verfassungsrecht studierte und von Euckens Schwester Ida im Rahmen der Ausländerarbeit des Rudolf-Eucken-Hauses betreut wurde.109 Am 2. Januar 1932 berichtete ­Eucken seiner Frau nach Berlin: »Ganz besonders nett war Sylvester. Zum Abendessen war ich allein bei Husserls. Es war wirklich rührend, wie Dich beide lieben.«110 Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, geriet Husserl in immer größere Isolation und Vereinsamung. War bereits ab etwa 1929 aller Kontakt zu seinem Schüler Martin Heidegger abgebrochen, auf den Husserl zunächst größte Hoffnungen zur Fortsetzung seines philosophischen Werkes gesetzt hatte, so begann ab 1933 für das Ehepaar Husserl spürbar zu werden, wie sich die politische Situation auf die eigene Lebenssituation auszuwirken begann: In einem Brief an einen engen Freund ihres Mannes schilderte Malvine Husserl die Lage so erschüttert wie klarsichtig: »[I]n Deutschland herrscht die brutalste Gewalt, die raffinierteste Grausamkeit u. Charakterlosigkeit. Wer nicht Nazi ist u. nicht ›Arier‹, wird seiner Ämter enthoben, in ›Schutzhaft‹ genommen, in Konzentrationslager[n] zu Tausenden festgehalten etc. […] Die ersten Leuchten der Wissenschaft, Kunst, Technik in die Verdammnis gestoßen – u. unter dem Namen Christi. Und die Kirchen machen mit. Gab es je eine größere Schande?«111 Edmund Husserl schrieb seinem Freund kurz darauf: »Zum Glück haben wir in Euckens großgesinnte Freunde, wirklich wundervolle Menschen.«112 Walter und Edith E ­ ucken sowie die Professoren-Ehepaare Marchionini113, Stieler, Opitz, Diehl und Ritter, dazu die Husserl-Schülerin und Benediktinerin Dr. Adelgundis Jaegerschmidt aus dem Kloster St. Lioba in Freiburg-Günterstal gehörten zu dem kleinen Freundeskreis, der Husserl in seinen letzten Jahren 108 

Eucken-Erdsiek (1981: 58). Vgl. Schäfer, M. (2020: 331). 110 ­Eucken an Edith ­Eucken, 2.1.1932, ThULB, NL WE. 111  M. Husserl an Gustav Albrecht, 8.5.1933, zit. nach Vongehr (2009: 9). 112  Husserl an Gustav Albrecht, 1.7.1933, zit. nach Vongehr (2009: 9). 113  Der Dermatologe Alfred Marchionini ließ sich, da seine Frau im NS-Regime als zu 25 Prozent nichtarisch eingestuft war, von der Universität Freiburg freistellen, um im März 1938 die Leitung der Dermatologischen Abteilung des Krankenhauses in Ankara zu übernehmen. Vgl. Möckelmann (2013: 121–129). 109 

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blieb.114 An den im Januar 1933 noch offiziell von der Philosophischen Fakultät ausgerichteten Feierlichkeiten zu Husserls 50. Doktorjubiläum konnte Walter ­Eucken wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen, und Husserls bedauerten: »Leider fehlte Eucken, was uns sehr schmerzlich war.«115 Im November 1933 feierte man gemeinsam die an Gerhard Ritter verliehene Ehrendoktorwürde116, und im Dezember 1933 wurde Husserl Taufpate von Euckens erstem Kind, der Tochter Irene. Husserl hat die Patenschaft viel bedeutet: Er bezeichnete es als eine »Ehre, Taufpate ihres Kindes zu sein« und als »eine große Gunst des Schicksals […] in Euckens […] sehr nahe Freunde gewonnen [zu] haben.«117 Die in der Christuskirche Freiburg von Pfarrer Hermann Weber, dem führenden Kopf der Freiburger Bekennenden Kirche, vorgenommene Taufe galt Husserl als eine »Demonstration dieser aufrechten Menschen«118, womit er, wie Thomas Vongehr vermutet, auf das Engagement der Euckens in der Freiburger Bekennenden Kirche anspielte, der Husserls dann im Herbst 1934 beitraten.119 1934 feierten Husserls den »Neujahrsabend mit 4 Euckens«120, nämlich mit dem Ehepaar ­Eucken sowie vermutlich Euckens Mutter und Schwester, die wohl im Anschluss an die Taufe noch in Freiburg zu Besuch waren. Und als Husserl am 8. April 1934 seinen 75. Geburtstag beging, der »in schwungvoller einheitlicher Stimmung […] bei einem culinarisch guten Mittagessen«121 gefeiert wurde, war das Ehepaar ­Eucken mit dabei. Zum 17. Januar 1935 erhielt E ­ ucken von den »alte[n] Freunde[n] EH und Frau« eine Flasche Kirsch mit der launigen Bemerkung »Wir wollen damit nicht andeuten, daß es Ihnen an Geist mangle  – aber wohl meinen wir, daß ja ein Schuß von diesem Kirschgeiste die heitere Überlegenheit stärken kann, mit der Sie der grassierenden Begeisterung für die Ungeistigkeit begegnen – die das Gottesreich auf Erden (zunächst für 1000 Jahre) bringen soll. Also: wohl bekomm’s und herzlichste Geburtstagswünsche!«122 Beim Hochzeitsfest von Euckens Schwager Gerhard Erdsiek am 23. April 1935123 gehörte das Ehepaar Husserl zu 114 

Vongehr (2009: 6); dazu auch Ott (1997: 225). M. Husserl an Rosenberg, 25.1.1933, zit. nach Vongehr (2009: 7). 116  M. Husserl an G. Husserl, 26.11.1933, zit. nach Vongehr (2009: 6). Gerhard Ritter wurde 1933 der D. theol. h. c. der Universität Gießen verliehen. Vgl. Cornelißen (2003). 117  Husserl an Gustav Albrecht, 30.12.1933, zit. nach Vongehr (2009: 8). 118  Husserl an Gustav Albrecht, 30.12.1933, zit. nach Vongehr (2009: 8). 119  Über ihren Beitritt berichteten Husserls, die, wie Vongehr anführt, von der Abstammung her jüdisch waren, aber bereits früh zum lutherisch-christlichen Bekenntnis konvertiert waren, in einem Brief an Tochter und Schwiegersohn, vgl. M. Husserl an J. und E. Rosenberg, 10.11.1934, zit. nach Vongehr (2009: 8, Anm. 31). Weiterführend dazu Martin (2005). 120  M. Husserl an E. Rosenberg, 8.1.1934, zit. nach Vongehr (2009: 7). 121  E. und M. Husserl an Rosenberg, 12.4.1934, zit. nach Vongehr (2009: 7). 122  Husserl an Eucken, zum 17.1.1935, zit. nach Dathe (2009b: 172). 123  Vgl. Dathe (2015: 14); vgl. auch Abb. 28 in diesem Band. 115 

15. Freundschaft mit dem Philosophen Edmund Husserl



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den Gästen, und es entstand bei Euckens in der Goethestraße eine der wenigen Photographien, auf denen E ­ ucken und Husserl gemeinsam zu sehen sind. Von 1936 an musste Husserl immer weitergehende Einschränkungen seines Lebens erdulden. Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde ihm die Lehrbefugnis entzogen und ab Sommersemester 1936 wurde sein Name nicht mehr im Vorlesungsverzeichnis der Universität genannt. Für Husserls Sohn Gerhart, der eine akademische Laufbahn als Jurist anstrebte, und Husserls Schwiegersohn, den Kunsthistoriker Jakob Rosenberg, wurde die Ausübung ihrer Berufe zunehmend erschwert, so dass beide Familien im Jahr 1935 bzw. 1936 nach Amerika auswanderten.124 In all den Widrigkeiten war es mehr und mehr Eucken, den Husserls um Rat fragten. Sie haben, schrieben Husserls an ihren Sohn, »zu Eu[cken] ein unbegrenztes Zutrauen: zu seinem Herzenstakt, seiner ehrlichen, stolzen Gesinnung […] u. seinem klaren sicheren Blick für Realitäten.«125 Wie tief beeindruckt ­Eucken von Husserls Haltung angesichts seines schweren Schicksals war, kommt in einem Brief an seine Mutter vom März 1936 zum Ausdruck: »Husserl ist mir durch die letzten Ereignisse noch ehrenwürdiger geworden. In so hohem Alter so viel Unglück zu erdulden, ist nicht nur tragisch. Sondern der Unglückliche ist auch besonders verehrungswürdig. Der Tod des Lieblingssohnes im Kriege, der Verrat seiner nächsten Schüler, die Verfolgungen, die jetzt zu erdulden sind und die auch ins tägliche Leben eingreifen, das Unglück von Sohn und Schwiegersohn, die Vereinsamung erinnert an König Lear. ›Das Haupt der Unglücklichen ist auch den Göttern heilig‹, sagten sich schon die alten Griechen. Er aber arbeitet unverdrossen mit ausserordentlicher Konzentration. Von Ressentiment ist bei ihm nichts zu finden (wohl aber bei seiner Frau) […] Er lebt vollständig [in] seiner geistigen Aufgabe. Das ist wirklich eine seltene Persönlichkeit, und wenn Frau Ritter gestern spontan sagte, daß sie von allen lebenden Menschen Husserl am meisten verehrt, so sieht man, wie stark seine Haltung auf seine Umgebung wirkt.«126

Euckens waren um das Wohl der Husserls besorgt. So berichtete E ­ ucken im August 1936 seiner Frau, die mit den beiden kleinen Töchtern in ihrem Ferienhaus auf Rügen weilte: »Gestern rief ich Frau Husserl an und fragte, ob sie einige Eier haben wollte. Bei dieser Gelegenheit hörte ich, daß er nicht ganz wohl ist. Er hatte Schmerzen in der Lunge, Otto127 hat ihn untersucht, dann ist er in das Diakonissenhaus gebracht. […] Ich brachte daraufhin möglichst viele Eier hin sowie ein halbes Pfund Butter. Heute – Mittwoch –

124 

Vgl. Vongehr (2009: 8). M. und E. Husserl an Gerhart Husserl, 29.12.1933, zit. nach Vongehr (2009: 9). 126 ­Eucken an Irene Eucken, 7.3.1936, ThULB, NL RE, V, 12, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 66). 127  Dr. Martin Otto, Husserls Hausarzt, der seine Arztpraxis in der Weierhofstraße hatte. Vgl. Ott (1997: 224). 125 

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

höre ich, daß er gestern Abend nach Hause gekommen ist und daß sein Befinden sehr erfreulich ist. Er muß einige Tage liegen. Dann soll er wieder herumlaufen.«128

Im April 1937 waren Euckens gemeinsam mit dem Husserl-Schüler Adolf Grimme (1889–1963), der bis zu seiner Amtsenthebung im Jahr 1932 Kultusminister der Staatsregierung in Preußen gewesen und seit Beginn der NS-Zeit ohne Anstellung war, bei Husserl zu Besuch und verlebten, wie Malvine Husserl notierte, »einen sehr ertragreichen Abend.«129 Im Juni 1937 wurde Husserls Gesuch um Erlaubnis zur Teilnahme am IX. Internationalen Kongress für Philosophie in Paris im August 1937 abgelehnt. Ebenfalls im Juni 1937 waren Husserl und seine Frau gezwungen, ihre Wohnung in der Lorettostraße 40 aufgrund des antisemitischen Verhaltens einiger Hausbewohner130 zu verlassen. Sie fanden schließlich eine neue Bleibe in der Schöneckstraße 6 oben am Schlossberg. Als Husserl kurz nach dem Umzug zuhause stürzte, zog er sich Verletzungen zu, die letztlich zu seinem Tod führten.131 Im Januar 1938 berichtete Walter ­Eucken seiner Frau nach Berlin: »Am Sonntag Nachmittag war ich bei Husserls und sah ihn auch. Der Eindruck war nicht günstig. Ein starker Rückschritt gegenüber Weihnachten. Ziemlich teilnahmslos und ausserordentlich schwach. Die Tochter kommt in den nächsten Tagen.«132 Und vier Tage später schrieb er: »Heute Nachmittag war ich bei Husserls. Die Tochter war sehr nett. Aber es geht nicht gut. Thannhauser hatte sie schon darauf vorbereitet, daß sie ihren Vater ganz verändert antreffen würde. Trotzdem war sie erschüttert. […] Es ist eine chronische Rippenfellentzündung, die wohl unheilbar ist.«133 Elisabeth Rosenberg-Husserl, die aus Amerika angereist war, blieb bis zum März 1938 bei ihren Eltern. Ihre Aufzeichnungen haben die wiederholten Krankenbesuche der Euckens festgehalten. »Vorgestern z. B. kam Frau ­Eucken mit der 5-jährigen Irene, die ein Veilchensträuschen brachte u. Papa erfasste diesen Besuch ganz u. mit Vergnügen, wenn er auch wenig spricht.«134 Als Walter E ­ ucken am 6. Februar 1938 Besuch machte, soll Husserl mit Blick auf ihn bemerkt haben: »Da sitzt ein so tätiger Mann an meinem Bett, der eigentlich die ganze Welt umstürzen möchte.«135 128 ­Eucken

an Edith Eucken, 11.8.1936, ThULB, NL WE. Malvine Husserl an Elisabeth Rosenberg-Husserl, 28./29. 4. 1937, zit. nach Schuhmann (1977: 485). 130  Vgl. Ott (1997: 223). 131  Vongehr (2009: 11). 132 ­Eucken an Edith Eucken, 25.1.1938, ThULB, NL WE. 133 ­Eucken an Edith Eucken, 29.1.1938, ThULB, NL WE. 134  Elisabeth Rosenberg, 13.3.1938, Husserl-Archiv Leuven, zit. nach Vongehr (2009: 7, Anm. 27). 135  Elisabeth Husserl-Rosenberg, Erinnerungen an ihren Besuch von Januar bis März 1938 am Krankenbett ihres Vaters, zit. nach Vongehr (2009: 11). 129 

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Als Husserl am 27. April 1938 starb, war es Eucken, der die Witwe Husserls tatkräftig bei den zu regelnden Formalien und bei der Organisation der Trauerfeierlichkeiten unterstützte. In einem ausführlichen Gespräch machten Walter und Edith E ­ ucken den erst seit einem Jahr an der Christuskirche wirkenden jungen Pfarrer Otto Hof, der im Trauergottesdienst die Predigt136 halten sollte, mit dem »Leben und Streben«137 Edmund Husserls bekannt. Und das Ehepaar ­Eucken gehörte dann zu der kleinen Schar von Privatpersonen – ein offizieller Vertreter der Universität war nicht anwesend –, die Husserl am 29. April 1938 beim Trauergottesdienst in der Aussegnungshalle des Freiburger Hauptfriedhofs das letzte Geleit gaben.138 Der Nationalökonom Karl Diehl, der Husserl aus gemeinsamer Zeit an der Universität Halle kannte, hielt vor dem Kreis seines Privatseminars, zu dem u. a. die Kollegen Eucken, Lampe, von Dietze, Ritter und Franz Böhm gehörten, eine Gedenkrede auf Husserl.139 ­Eucken stand nicht nur der Witwe Husserls zur Seite, sondern machte sich auch Gedanken um das Schicksal des philosophischen Nachlasses von Husserl. So erwähnte er in seinem Kondolenzbrief an Husserls Tochter: »Wir wollen nun auch mit Fink nähere Verbindung aufnehmen und dahin zu wirken versuchen, daß er das Vermächtnis so weiter führt, wie es Ihr Vater von ihm erwartet hat.«140 Aufgrund der politischen Situation in Nazi-Deutschland waren Husserls Witwe und der Nachlass zunehmend gefährdet. Ihr drohte Deportation, dem Nachlass Zerstörung. »Wen habe ich denn hier«, klagte Malvine Husserl im Oktober 1938 ihrer Tochter, »­Eucken selbst zu sehr exponiert, als dass er sich einsetzen dürfte, Fr. E ­ ucken ist im 4. Monat und wird mit dem Eigenen kaum fertig. […] Jeder ist heute angeklammert an eine letzte Schiffsplanke in tosenden Meeren.«141 136 

Abgedruckt in Ott (1997: 229–231). Vgl. Ott (1997: 228). 138  »Bei der Einäscherung am 29. April 1938 gaben ihm nur wenige das Geleit: Aus der Philosophischen Fakultät als einziger Ordinarius Gerhard Ritter (als Privatperson).« Ott (1988: 101). Diese Aussage wird ergänzt durch Ott (1997: 227), wonach auch der Nobelpreisträger Hans Spemann mit seiner Frau sowie die in der Krankenpflege tätige Diakonisse Oberin Clara Immisch, die Ordensschwester Dr. Adelgundis Jaegerschmidt und weitere Benediktinerinnen aus dem Kloster St. Lioba an der Trauerfeier teilnahmen, während aus Husserls Schülerkreis fast alle fehlen mussten, da sie zumeist bereits emigriert waren. »Die anderen Ordinarien im Trauergeleit«, so überliefert es der Philosoph Max Müller, »gehörten zu andern Fakultäten: etwa ­Eucken und Großmann-Doerth. […] Husserls Schüler Heidegger fehlte, wie die meisten Kollegen seiner Fakultät.« Vgl. Martin/ Schramm (2001: 97). Vongehr (2009: 11) nennt als Teilnehmer neben Euckens: das Ehepaar Ritter, das Ehepaar Stieler, einige Ordensschwestern aus dem Kloster St. Lioba und Husserls letzten Assistenten Eugen Fink, der die Totenrede hielt. 139  Vongehr (2009: 11 f.). 140 ­Eucken an Elisabeth Rosenberg, 6.5.1938, abgedruckt in Vongehr (2009: 18 f.). 141  Malvine Husserl an Elisabeth Rosenberg, 23.10.1938, zit. nach Vongehr (2009: 12). 137 

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

Die Rettung kam mit dem 27-jährigen flämischen Franziskanerpater Herman Leo Van Breda aus Leuven, der im Zusammenhang mit seiner philosophischen Abschlussarbeit im August 1938 Husserls Witwe aufsuchte, den Ernst der Gefährdung sofort erkannte und sich dafür einsetzte, dass schließlich bis Juni 1939 Husserls Witwe, Husserls Urne, Husserls Privatbibliothek und der mehrere zehntausend Seiten umfassende Bestand an Husserls unveröffentlichten Manuskripten nach Leuven in Belgien gerettet werden konnten.142 Malvine Husserl, die nach Kriegsende wenige Jahre in den USA gelebt hatte, kehrte 1949 hochbetagt mit ihrem Sohn nach Freiburg zurück, wo sie nach längerer Krankheit im November 1950, acht Monate nach Euckens Tod, verstarb. Unter den alten Freunden, die an ihrem Krankenbett Besuch gemacht hatten, waren auch Walter und Edith Eucken.143 Edith ­Eucken schrieb in ihrem Kondolenzbrief an die Tochter Husserls: »Bei der Beisetzung, die sehr schön und würdig verlief, ging ich als alte Freundin des Hauses an der Seite Ihres Bruders, der mich dann auch zu uns begleitete. So konnte ich auch Manches Nähere über die Schicksale der Familie hören. Ihre Mutter liegt ganz in der Nähe meines Mannes auf dem traulichen Dorffriedhof von Günterstal […]. Die Verbindung, die zwischen unseren Familien bestand, ist also auch hierin noch einmal zum Ausdruck gekommen.«144 Während sich die Freundschaft zwischen Walter E ­ ucken und Edmund Husserl in den Jahren 1927 bis 1938 vertiefte, fand Husserls Phänomenologie Eingang in Euckens ordnungsökonomisches Werk und hinterließ Spuren. »Man erkennt sehr leicht den Einfluss Edmund Husserls […]«145  – brachte dies der französische Philosoph Michel Foucault (1926–1984) publikumswirksam auf den Punkt, als er im Wintersemester 1978/79 in seiner ideengeschichtlichen Vorlesung zur Gouvernementalität am Collège de France auf Euckens phänomenologisch begründeten Wettbewerbsbegriff Bezug nahm und den zentralen Beitrag des Ordoliberalismus zur Geschichte der Gouvernementalität hervorhob.146

142 

Zur ausführlichen Schilderung dieser Rettung siehe Horsten (2021). Vgl. Vongehr (2009: 13). 144  Edith ­Eucken an Elisabeth Rosenberg, 16.1.1951, abgedruckt in Vongehr (2009: 19). Im Jahr 1951 wurde die Urne Edmund Husserls im gemeinsamen Grab des Ehepaares Husserl beigesetzt. Vgl. Ott (1997: 233). 145  Foucault (2004: 38). Siehe hierzu Reese-Schäfer (2009: 103, 107 ff.). 146  Weiterführend zum Einfluss Husserls in Euckens Werk siehe Goldschmidt (2009: 74–79). 143 



16. Freundschaft mit dem Ökonomen Alexander Rüstow

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16. Freundschaft mit dem Ökonomen Alexander Rüstow Etwa zwischen 1927 und 1932 waren Walter E ­ ucken und Alexander Rüstow, die seit Euckens Berliner Zeit in engem Austausch standen, gemeinsam die treibende Kraft, der theoretischen Nationalökonomie gegenüber der dominierenden Historischen Schule mehr Geltung und Einfluss zu verschaffen. Sie waren sich einig, dass sich unter der Herrschaft des Historismus »die Ökonomie in Deutschland von 1848 bis 1918 unverkennbar abwärts entwickelt habe.«147 Nun gelte es, gegen die »Stoffhuber« und »Vulgärökonomen« anzukämpfen.148 Dazu knüpfte Rüstow – wohl aus Sympathie für das von dem klassischen Nationalökonomen David Ricardo (1772–1823) propagierte Streben nach theoretischer Analyse149 – unter der Bezeichnung »die deutschen Ricardianer« ein informelles Netzwerk aus vornehmlich jüngeren Ökonomen, bei denen das starke Interesse an ökonomischer Theorie die unter ihnen vorhandenen politischen Differenzen zwischen Sozialisten und Liberalen eine Zeitlang überbrückte. Zu dieser »theoretischen Gruppe«150 – wie ­Eucken sie nannte – gehörten Rüstows langjährige, enge Freunde Gerhard Colm, Eduard Heimann und Adolf Löwe, sein Bruder Hanns-Joachim Rüstow und als neu hinzugewonnene Mitstreiter Walter E ­ ucken und Wilhelm Röpke, ergänzt um einen erweiterten Kreis von Theoretikern, zu dem Arthur Feiler, Hans Gestrich, L. Albert Hahn, Emil Lederer, Friedrich A. Lutz, Hans Neisser und Arnold Wolfers zählten,151 sowie im weiteren Umkreis auch Leonhard Miksch.152 Auch in Schumpeter, der seit 1925 in Bonn lehrte, sahen die Ricardianer einen namhaften Theoretiker auf ihrer Seite. E ­ ucken hatte bereits als Privatdozent eine letztlich gescheiterte Berufung Schumpeters nach Berlin mit dem Argument unterstützt, Schumpeter habe »in seinen gedankenreichen Arbeiten kraftvoll eine in sich geschlossene nationalökonomische Theorie entwickelt, die als Ganzes durchaus originell ist.«153 Umso mehr war ­Eucken irritiert, als Schumpeter 1926 einen sehr wohlmeinenden Aufsatz über Gustav von Schmol147 Rüstow an Eucken, 21.2.1928, BArch, NL Rüstow N 1169/2, Bl. 396, zit. nach Janssen (2012: 39). 148 ­Eucken an Rüstow, 27.3.1929, BArch, NL Rüstow N 1169/2, Bl. 273–275, in ­Eucken GS, Band III.1. 149  Vgl. Janssen (2012: 38 f.). 150 ­Eucken an Rüstow, 27.3.1929, BArch, NL Rüstow N 1169/2, Bl. 273–275, in ­Eucken GS, Band III.1. 151  Zu den Aktivitäten der Ricardianer siehe Janssen (2012: 38–50), basierend auf seiner Auswertung des im Nachlass Rüstow erhaltenen umfangreichen Briefwechsels zwischen den Beteiligten. Dazu kritisch Köster (2011: 226 ff., insb. Anm. 39), der Zweifel äußert, ob die Ricardianer als Gruppe im Fach Nationalökonomie tatsächlich eine größere Rolle gespielt haben. 152  Vgl. Dathe (2015: 12). 153 ­Eucken an Schumacher, 21.1.1925, GStAP, I. HA Rep. 76 V a, Sekt. 2, Tit. 4, Nr. 68

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

ler, das Haupt der Historischen Schule, veröffentlichte, wie aus Euckens an Rüstow gerichtete Zeilen hervorgeht: »Haben Sie den Aufsatz von Schumpeter über Schmoller in Schmollers Jahrb. gelesen? Ein Lobgesang – und gleichzeitig ein Skandal.«154 Indes, nach einem Besuch Rüstows bei Schumpeter entspannte sich die Situation, zumal Rüstow E ­ ucken anschließend berichtete, Schumpeter habe »sehr dringend« darum gebeten, »ihm doch zur Fühlung mit jüngeren Theoretikern zu verhelfen, die ihm sehr fehle und die er sehr entbehre.«155 Als engerer Bündnispartner der Ricardianer war Schumpeter jedoch nicht zu gewinnen.156 Gleichwohl entwickelte sich zwischen E ­ ucken und Schumpeter zwischen 1926 und 1933 eine enge wissenschaftliche und persönliche Beziehung, wie die im Nachlass Euckens erhaltenen Briefe Schumpeters belegen.157 In späteren Jahren erhielt E ­ ucken zumindest sporadisch durch seine Schüler Nachricht von Schumpeter: So berichtete Lutz im Oktober 1937 von einem Besuch bei ­ ucken im Schumpeter an der Harvard University.158 Und von Lösch erfuhr E April 1941: »Schumpeter lebt übrigens noch.«159 Im Jahr 1928, ein Jahr vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise, erreichten die Aktivitäten der Ricardianer ihren Höhepunkt und verschafften ihnen zunehmend mehr Gehör auf den drei großen Tagungen der deutschsprachigen Volkswirte: der ersten Reparationskonferenz der Friedrich List-Gesellschaft am 5. und 6. Juni 1928 in Bad Pyrmont, der Tagung des Vereins für Sozialpolitik zu »Kredit und Konjunktur« vom 13. bis 15. September 1928 in Zürich sowie der zweiten Reparationskonferenz vom 15. bis 17. November 1928 in Berlin. Zwei Wochen vor der ersten Reparationskonferenz äußerte sich ­Eucken gegenüber Rüstow noch recht skeptisch: »[I]ch erwarte von der Pyrmonter Tagung das schlimmste. Wie wird es werden? Die Versammlung wird aus einer Reihe von Kollegen bestehen, die zum großen Teil geldtheoretisch nicht geschult sind, aber ihr Licht leuchten lassen wollen […]. Die wenigen, die etwas können, werden sich nicht durchsetzen.160 E, Bd. 3, Bl. 436, in E ­ ucken GS, Band III.1; Hervorhebung im Original. Vgl. auch Dathe/ Hedtke (2019: 9). 154 ­Eucken an Rüstow, 12.8.1926, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 307 f., in ­Eucken GS, Band III.1, mit Bezug auf Schumpeter (1926). 155  Rüstow an Eucken, 11.11.1926, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 305. 156  Vgl. Janssen (2012: 41). 157  Vgl. Dathe/Hedtke (2019: 3). 158  Lutz an Eucken, 15.10.1937, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/ Hedtke (2019: 5). 159  Lösch an Eucken, 8.4.1941, ThULB, NL WE, Kasten 5, zit. nach Bieri (2021: 208). 160 ­Eucken an Rüstow, 19.5.1928, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 357 f., in ­Eucken GS, Band III.1.



16. Freundschaft mit dem Ökonomen Alexander Rüstow

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Das Wochenende vor der Konferenz verbrachte ­Eucken in Jena und besuchte dort, wie er nach Freiburg schrieb, seinen Jugendfreund Erich Schott161, der seit Januar 1927 in der Geschäftsleitung des Jenaer Glaswerks tätig war, nachdem ­ ucken in der Jesein Vater in den Ruhestand gegangen war.162 Außerdem hörte E naer Goethe-Gesellschaft einen Vortrag des Münchner Romanisten Karl Vossler über »Goethe und das romanische Stilgefühl« und war mit seiner Schwester Ida bei Nietzsches Schwester und Nachlassverwalterin Elisabeth Foerster-Nietzsche in Weimar »allein zum Essen.«163 Zwei Tage später schrieb er dann aus Bad Pyrmont: »Jetzt gehe ich gleich zur Tagung. Es sind eine Menge ›Koryphäen‹ da: Luther, Schacht u. s. w.«164 Angesichts der politischen Dringlichkeit des Reparationsproblems  – die Neuverhandlung des Zahlungsplans für die nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg Deutschland auferlegten Reparationsverpflichtungen stand bevor – waren auch der Reichskanzler a. D. Hans Luther, der Präsident der Reichsbank Hjalmar Schacht und der Reichsfinanzminister Rudolf Hilferding unter den rund 70 Konferenzteilnehmern.165 Rüstows Strategie, »den wichtigsten Praktikern die geschlossene Front vernünftiger Theoretiker gegenüberzustellen,«166 zeigte Wirkung: Die Organisation der Konferenz lag in den Händen der Ricardianer Adolf Löwe und Gerhard Colm, der jungen Kieler Kollegen des Konferenzvorsitzenden Bernhard Harms. Zu den Wissenschaftlern, die gebeten wurden »in isolierender Untersuchung Gutachten zu Teilfragen zu erstatten«167, gehörten Colm, Eucken, Feiler, Hahn, Helander, Neisser, Melchior Palyi, Walter Susat, Röpke und Adolf Weber. Euckens Referat und Gutachten galt dem Thema »Der grundsätzliche Zusammenhang zwischen Aufbringung und Übertragung von Reparationszahlungen.«168 Die Praktiker und die Vertreter der Historischen Schule unter den Anwesenden empfanden gleichwohl die theoretischen Ausführungen der Gutachter als harte Geduldsprobe. Unmittelbar vor Konferenzschluss ergriff schließlich der Präsident der Reichsbank das Wort zu einem – später allerdings 161 ­Eucken an Edith Eucken, 3.6.1928, ThULB, NL WE. »Mit Dr. Erich Schott bin ich seit meiner Kindheit befreundet«, so sollte es ­Eucken später festhalten, »[a]uch später, als unsere Lebenswege uns räumlich auseinander führten, haben wir immer die Verbindung aufrecht erhalten, und ich habe ihn in Jena  – wo meine Eltern und meine Schwester wohnten – häufig besucht, zuletzt im Herbst 1943.« Eucken, Gutachten betr. Erich Schott, 9.1.1947, ThULB, NL WE. 162  Vgl. Steiner (1991: 66). 163 ­Eucken an Edith Eucken, 2.6.1928, ThULB, NL WE, in ­Eucken GS, Band III.1. 164 ­Eucken an Edith Eucken, 5.6.1928, ThULB, NL WE. 165  Vgl. Brügelmann (1956: 76). 166  Rüstow an Eucken, 25.5.1928, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 355, zit. nach Janssen (2012: 31 f.). 167  Brügelmann (1956: 76). 168  Abgedruckt in Salin (1929: 11–15, 315–328).

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wegen außenpolitischer Rücksichten nicht im Konferenzband abgedruckten – längeren Redebeitrag169, in dem er kritisch konstatierte: »Wir Deutschen fangen immer an, über die Dinge nachzudenken, anstatt daß wir zuerst unseren Willen formulieren und […] unser Nachdenken in die Kräfte dieses Willens stellen.«170 Unmissverständlich bekräftigte Schacht dann seinen Willen: »Meine Herren, ich erkläre Ihnen, ich will nicht zahlen, und deshalb akzeptiere ich keine Theorie, die mir beweist, daß ich zahlen muß.«171 Für ­Eucken hatte diese Äußerung Schachts deutlich gemacht – wie er später an Rüstow schrieb –, dass »endlich einmal über die Befugnisse des Reichsbankpräsidenten Klarheit zu schaffen« sei, denn »[d]er jetzige Zustand ist einfach grundsätzlich unmöglich.«172 ­Eucken vertrat die Ansicht: »Er hat überhaupt nicht zu zahlen; allein die Regierung ist verantwortlich. Nur Ausw[ärtiges] Amt und R. W. M. [Reichswirtschaftsministerium], bzw. R. F. M. [Reichsfinanzministerium] machen Reparationspolitik  – nicht Schacht.«173 Auf der Bad Pyrmonter Reparationskonferenz war außerdem deutlich geworden, dass die Kluft zwischen den Vertretern der Historischen Schule und den Theoretikern nach wie vor tief war, so dass Harms in seinem Schlusswort eine »Krisis der Nationalökonomie«174 konstatierte. Von der zweiten Reparationskonferenz im November 1928 in Berlin berichtete E ­ ucken seiner Frau, der erste Sitzungstag »verlief so, wie ich gedacht hatte. Viel Gerede, aber wenig Substanz. Abends war ich bei Dr. Palyi mit einigen Kollegen eingeladen.«175 Euckens Resümee am Ende des dritten Tages lautete: »Zwar waren die Sitzungen direkt geisttötend. Aber am Schluß wurde es ganz dramatisch. Erreicht wurde natürlich nichts. Aber unsere Ansicht wird sich doch durchsetzen.«176 Bei diesem Aufenthalt in Berlin traf sich ­Eucken auch mit seinem Schüler Friedrich A. Lutz, der seit 1926 im Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) arbeitete, und er bot ihm an, sich auf einer Assistentenstelle bei ihm zu habilitieren. Lutz sagte zu, und ­Eucken berichtete nach Hause: »Lutz wird nach Freiburg kommen, was Dich befriedigen wird.«177 Zuvor hatte ­Eucken die 169 

Auszugsweise abgedruckt in Brügelmann (1956: 81–85). Schacht, Äußerung am 6.6.1928, zit. nach Brügelmann (1956: 85). 171  Schacht, Äußerung am 6.6.1928, zit. nach Brügelmann (1956: 85). 172 ­Eucken an Rüstow, 22.8.1928, BArch Koblenz, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 318 f., in ­Eucken GS, Band III.1; Hervorhebung im Original. 173 ­Eucken an Rüstow, 22.8.1928, BArch Koblenz, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 318 f., in ­Eucken GS, Band III.1; Hervorhebung im Original. Siehe dazu auch Dathe (2010: 23). 174  Vgl. Janssen (2012: 32). 175 ­Eucken an Edith Eucken, 16.11.1928, ThULB, NL WE. 176 ­Eucken an Edith Eucken, 17.11.1928, ThULB, NL WE. 177 ­Eucken an Edith Eucken, 17.11.1928, ThULB, NL WE. Lutz trat die Assistentenstelle bei ­Eucken am 1.4.1929 an. Vgl. Veit-Bachmann (2003: 12, 44). 170 



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Assistentenstelle wohl Leonhard Miksch angeboten, der das Angebot jedoch »ausgeschlagen hatte«178 und in die Berliner Redaktion der Frankfurter Zeitung eingetreten war.179 Auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik im September 1928 in Zürich hatten die Ricardianer wissenschaftlich einigen Erfolg: »Immerhin zeigte sich doch«, schrieb ­Eucken anschließend an Rüstow, »daß der theoretische Flügel vorrückt und wenn ich etwas dazu beigetragen habe, freue ich mich natürlich sehr.«180 Gleichwohl stellte er fest: »Auf der Züricher Tagung zeigte sich doch wieder in geradezu extremer Weise, daß theoretische Diskussionen nicht in Gegenwart von Praktikern durchgeführt werden können.« Für eine Neuorganisation des Vereins für Sozialpolitik, die besonders Eucken, Rüstow und Löwe vorschwebte, schlug er deshalb vor: »Es muß Gremien geben, in denen nur die Theoretiker unter sich diskutieren und daneben muß zweitens die Möglichkeit gegeben werden, daß Theoretiker und Praktiker sich treffen. Bei letzteren Zusammenkünften reden wir dann eine andere Sprache.«181 Bei den Vorstandswahlen für den Verein für Sozialpolitik mussten die Ricardianer indes eine Niederlage hinnehmen. Alfred Weber (1868–1958) aus Heidelberg, der von ihnen für den Vorsitz vorgeschlagene Kandidat, wurde in Zürich nicht gewählt. Vorsitzender wurde vielmehr Christian Eckert (1874–1952) aus Köln.182 Eckert war jedoch Euckens Einschätzung nach »wissenschaftlich eine absolute Null […] außerdem beladen mit dem bekannten Ressentiment gegen Theoretiker.«183 Auf der Züricher Tagung waren Eucken, Rüstow, Löwe und andere Ricardianer auch mit den Ökonomen der Österreichischen Schule um Ludwig von Mises – so unter anderen mit Friedrich A. von Hayek und Fritz Machlup – zusammengetroffen. In Zürich stellte Rüstow eine Vorschlagsliste zusammen, die eine differenzierte Einschätzung der österreichischen Theoretiker hinsichtlich des Grades ihrer »Geeignetheit und Vertraulichkeit« für eine Aufnahme in die theoretische Gruppe liefern sollte. In ihr waren Hayek und Machlup in der ersten Gruppe genannt, Mises hingegen lediglich in der dritten Gruppe.184 In Über178  Miksch, Tagebucheintrag, 30.7.1948, zit. nach Goldschmidt (2015: 45). Miksch verfasste die Tagebuchnotiz, nachdem Lutz, »der in Princeton Urlaub genommen hatte«, ihn am 29.7.1948 besucht und sie sich nach »ziemlich genau zehn« Jahren erstmals wiedergesehen hatten. 179  Vgl. Feld/Köhler (2015: 133). 180 ­Eucken an Rüstow, 14.10.1928, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 308 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 181 ­Eucken an Rüstow, 14.10.1928, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 308 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 182  Vgl. Janssen (2012: 42 f.). 183 ­Eucken an Rüstow, 21.1.1929, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 296., in E ­ ucken GS, Band III.1. 184  In Gruppe I der österreichischen Theoretiker waren genannt: Martha Stephanie

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einstimmung mit Rüstow hielt E ­ ucken dann fest: »Daß wir unsere theoretische Gruppe als reichsdeutsche Angelegenheit behandeln, halte ich für richtig. Man kann die Oesterreicher ja immer noch gelegentlich hinzuziehen.«185 Anfang August 1929 berichtete E ­ ucken seiner Frau: »Von der List-Gesellschaft kam die Aufforderung zwei schriftl. Referate für Bückeburg zu erstatten. Ich lehne aber beide ab. Die Gebiete sind mir zu fremd.«186 »Kapitalbildung und Steuerreform« war das Thema der Konferenz, die vom 26. bis 28. Oktober 1929 im Hotel Fürstenhof in Bad Eilsen bei Bückeburg stattfand. Im Anschluss an die beiden Reparationskonferenzen von 1928 ging es nun um die Frage »Kann eine Steuerreform in den Dienst der Kapitalpolitik und damit in den Dienst des Reparationsvollzugs gestellt werden?«187 Walter ­Eucken ist im Verzeichnis der Teilnehmer188 aufgeführt, nicht jedoch unter denjenigen, die sich – wie die ebenfalls anwesenden Ricardianer Colm, Feiler, Hahn, Löwe, Neisser, Röpke und Rüstow – im Rahmen der Aussprache zu den vorgetragenen Referaten zu Wort meldeten. Auch Euckens Freund Hans Gestrich nahm in seiner damaligen Funktion als Chefredakteur der Industrie- und Handelszeitung an der Konferenz teil, ebenso Edgar Salin aus Basel, damals Schriftführer der Friedrich List-Gesellschaft, mit dem sich Eucken, wie er ihm brieflich angekündigt hatte, am Rande der Konferenz persönlich besprechen wollte.189 Allerdings war ­Eucken wohl nur am ersten Konferenztag in Bad Eilsen zugegen. Denn am Sonntag, den 27. Oktober 1929, hielt er in Jena auf der Jahrestagung zum zehnjährigen Jubiläum des Euckenbundes einen Vortrag zum Thema »Die Spannung zwischen Wirtschaft und Kultur«190. Über dieses Euckenbund-Jubiläum berichtete vier Tage später die Neue Zürcher Zeitung und stellte fest, die Diskussion im Anschluss an den Vortrag des Freiburger Nationalökonomen sei kontrovers verlaufen, man sei sich aber darin einig gewesen, »daß nicht von Einrichtungen und Tarifverträgen, sondern nur von der Menschlichkeit […] eine Lösung auch der wirtschaftlichen Spannungen kommen könne.«191 Unter den Ricardianern begannen Gegensätze zunehmend stärker hervorzutreten, vor allem als Rüstow anregte, nicht nur wirtschaftstheoretische, sondern auch wirtschaftspolitische Fragen zu diskutieren und dafür ein gemeinsames Braun, Gottfried Haberler, Friedrich A. von Hayek, Kurt Lachmann, Fritz Machlup, Paul Rosenstein-Rodan, Karl Schlesinger und Richard Strigl. Vgl. hierzu Janssen (2012: 44). 185 ­ Eucken an Rüstow, 27.3.1929, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 273–275, in ­Eucken GS, Band III.1. 186 ­Eucken an Edith Eucken, 5.8.1929, ThULB, NL WE. 187  Vgl. die Einführung der Herausgeber in Colm/Neisser (1930: V ). 188  Vgl. Colm/Neisser (1930: XX). 189 ­Eucken an Salin, 18.8.1929, Stadtarchiv Reutlingen, Friedrich List-Gesellschaft, Nr. 24, in ­Eucken GS, Band III.1. 190  Veröffentlicht als E ­ ucken (1930a). 191  Neue Zürcher Zeitung, Nr. 2104, vom 31.10.1929, Rubrik »Kleine Chronik.«



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Arbeitsprogramm zu konzipieren. ­Eucken brachte die Lage in einem Brief an Rüstow auf den Punkt: »Neben den wirtschaftspolitisch Liberalen (zu denen auch ich mich rechne) stehen die mehr sozialistisch-planwirtschaftlich eingestellten. Also da ist ein einheitliches Programm nicht zu schaffen.«192 Die von Rüstow für den Herbst 1929 geplante Gründungsversammlung der Ricardianer kam nicht zustande.193 Immerhin wurde auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik 1930 in Königsberg bei der Zuwahl zum neuen Hauptausschuss ein Großteil der theoretischen Gruppe der Ricardianer hinzugewählt, nämlich ­Eucken und Rüstow sowie Colm, Feiler, Hahn, Heimann, Löwe, Röpke und der österreichische Liberale F. A. von Hayek.194 Ein Jahr später hatte sich die Weltwirtschaftskrise dramatisch zugespitzt. In Deutschland gab es 1931 infolge der Deflationspolitik der Regierung Brüning nahezu fünf Millionen Arbeitslose und es drohte der Zusammenbruch des Bankensystems. Um einen Weg aus der Krise zu finden, rief der Reichsbankpräsident Hans Luther als Mitglied des Vorstandes der Friedrich List-Gesellschaft mit einer nur viertägigen Frist dreißig prominente Wirtschaftswissenschaftler sowie zudem Experten aus der Reichsbank, dem Reichswirtschaftsministerium und dem Reichsfinanzministerium zu einer Geheim-Konferenz am 16. und 17. September 1931 nach Berlin. Und so traf samstagabends bei E ­ ucken in Freiburg das von Friedrich Saemisch und Edgar Salin unterzeichnete Telegramm ein: »vorstand friedrich listgesellschaft bittet sie vertraulich unter kostenersetzung zu wissenschaftlicher aussprache in engem kreise ueber moeglichkeiten und folgen einer kreditausweitung auf naechsten Mittwoch 10 uhr mit eventueller fortsetzung donnerstag nach berlin taubenstr. 46.«195 Unter den in Berlin versammelten Konferenzteilnehmern196 waren die zu den Ricardianern zählenden Wirtschaftstheoretiker Colm, Eucken, Heimann, 192 ­ Eucken an Rüstow, 27.3.1929, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 273–275, in ­Eucken GS, Band III.1. 193  Vgl. Janssen (2012: 45). 194  Entsprechend der am 24.9.1930 angenommenen neuen Satzung des Vereins für Sozialpolitik wurden zu den vorhandenen 51 Mitgliedern des neuen Hauptausschusses  – zu denen der Ricardianer Emil Lederer und der österreichische Liberale Ludwig von Mises gehörten  – weitere 51 Mitglieder hinzugewählt, darunter neben Hayek acht deutsche Ricardianer. Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses vom 23.9.1930, S. 3: »Sitzungen des Hauptausschusses am 24. September 1930«, ThULB, NL WE. 195  Vorstand Friedrich List-Gesellschaft an E ­ ucken (Telegramm), 12.9.1931, ThULB, NL WE. 196  Laut Teilnehmerverzeichnis waren anwesend: Gerhard Colm, Karl Diehl, Fritz Dreyse, Karl Durst, Friedrich Ernst, Walter Eucken, Hans Gestrich, Eduard Heimann, Rudolf Hilferding, Alfred Lansburgh, Wilhelm Lautenbach, Rudolf Löb, Hans Luther, Hans Neisser, Karl Nordhoff, Wolfgang Pohl, Johannes Popitz, Heinrich Rittershausen, Wilhelm Röpke, Friedrich Saemisch, Edgar Salin, Hans Schäfer, Johann Schwerin v.

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Neisser, Röpke und Euckens Freund Hans Gestrich, der seit August 1931 Pressereferent der Reichsbank war. Diskussionsgrundlage für die vertraulichen Beratungen war die von Wilhelm Lautenbach (1891–1948), einem hochrangigen Wirtschaftsfachmann im Reichswirtschaftsministerium, vorgelegte und den Teilnehmern bei Konferenzbeginn ausgeteilte Denkschrift über »Möglichkeiten einer Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung«197, der sogenannte »Lautenbach-Plan«. Im Vorfeld der Konferenz hatte Lautenbach mit ­Eucken korrespondiert und ihm ein Memorandum zugesandt, woraufhin ­Eucken sich am 4. September 1931 bei Lautenbach für das »ungemein interessante Exposé« bedankte und ihm auf sechs handschriftlichen Seiten Bemerkungen schickte, die bereits seine später auf der Konferenz vorgebrachten Argumente widerspiegeln. Zudem betonte ­Eucken in seinem Antwortbrief, dass eine Stellungnahme für ihn »nicht ganz einfach sei« und dass man über den Fragenkomplex besser persönlich reden müsse.198 ­Eucken war bereits am Dienstagmorgen mit dem Nachtzug in Berlin eingetroffen, hatte bei Hugo Belkin, dem Onkel seiner Frau, Quartier erhalten und sich abends mit Wilhelm Lautenbach getroffen.199 Tags darauf berichtete er nach Hause: »Gestern habe ich mich so wie es geplant war, informiert. Abends war ich bei Lautenbachs. Er war sehr nett und wir haben sehr lebhaft diskutiert. Jetzt gehe ich gleich zu der Sitzung.«200 Am zweiten Sitzungstag berichtete er: »Die gestrige Sitzung verlief ganz nett, war allerdings nur kurz. (von 10 bis ½3) Heute geht es um 12 weiter. Natürlich ist der Kreis doch verhältnismäßig groß, aber nur wenig Theoretiker. Schumpeter fehlt. Aber Röpke ist natürlich da. […] Nachmittags waren wir in kleinerem Kreise zusammen, nur Theoretiker.«201 Zur Überraschung seines Schülers und Freundes Leonhard Miksch entschied sich E ­ ucken auf der Konferenz für eine Unterstützung des LautenbachPlans.202 Angesichts der äußerst ernsten Krise befürwortete ­Eucken die von dem »deutschen Keynes«203, als den er Lautenbach später bezeichnen sollte, vorgeschlagene aktive Konjunkturpolitik mit beschäftigungspolitischen Maßnahmen. Voraussetzung dafür müsse allerdings sein, dass dies »im Rahmen Krosigk, Ernst Stern, Ernst Trendelenburg, Hermann Warmbold, Oskar Weigert, Erich Welter, Vgl. Borchardt/Schötz (1991: 305). 197  Abgedruckt in Borchardt/Schötz (1991: 309–325). 198 ­Eucken an Lautenbach, 4.9.1931, BArch, N 1106/26, in E ­ ucken GS, Band III.1. Vgl. auch Borchardt/Schötz (1991: 32) und Feld/Köhler/Nientiedt (2018: 8 f.). 199  Vgl. ­Eucken an Edith Eucken, 15.9.1931, ThULB, NL WE. 200 ­Eucken an Edith Eucken, 16.9.1931, ThULB, NL WE, in E ­ ucken GS, Band III.1. 201 ­Eucken an Edith Eucken, 17.9.1931, ThULB, NL WE, in E ­ ucken GS, Band III.1. 202 Ausführlich zu Euckens Haltung zum Lautenbach-Plan siehe Feld/Köhler/ Nientiedt (2018: 9–17). 203 ­Eucken (1951: 34).

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der im übrigen auf die Auflockerung des Preissystems gerichteten Wirtschaftspolitik«204 erfolge, dass man also zuvor »die Kräfte der Marktwirtschaft mobilisiert.«205 Ausschlaggebend für Euckens Entscheidung war vermutlich – was sein Zitat der bekannten Sentenz »numquam periculum sine periculo vincitur«206 nahelegt  –, dass er in einer Fortsetzung der Brüning’schen Deflationspolitik eine politische Gefahr sah, die die ökonomischen Risiken einer Umsetzung des Lautenbach-Plans bei weitem überwog.207 Der Lautenbach-Plan wurde gleichwohl nie umgesetzt. Im Rückblick stellte E ­ ucken später fest, wenn die Regierung Brüning den Lautenbach-Plan akzeptiert hätte, hätte es vielleicht niemals eine nationalsozialistische Revolution gegeben.208 Rüstows Engagement für eine liberale Wirtschaftspolitik hatte auch nach dem Auseinanderdriften der Ricardianer nicht nachgelassen. Seit Mitte 1931 traf er sich bei dem von Fritz Demuth, dem Syndikus der Industrie- und Handelskammer Berlin, initiierten »Demuthschen Mittagstisch«209 regelmäßig mit wirtschaftsliberal eingestellten Vertretern aus Politik und Wirtschaft. Aus diesem Kreis ging der Deutsche Bund für freie Wirtschaftspolitik hervor, der sich im Februar 1932 offiziell gründete. Im April 1932 fragten dann Rüstow und Demuth bei ­Eucken an, ob er im Bund mitwirken wolle. An Demuth schrieb Eucken: »Entschiedenes Eintreten für wirtschaftspol. Liberalismus ist auch nach meiner Überzeugung ein dringendes Erfordernis der heutigen Zeit. […] Deshalb bin ich gern bereit, dem Bunde als Mitglied beizutreten und den Vortrag über Krise und Autarkie zu übernehmen.«210 Seinem Freund Rüstow, der ihm erläutert hatte, es gehe darum, für »alle Kräfte in Theorie und Praxis, die eine irgendwie wirtschaftsliberale Einstellung vertreten«, ein »organisatorisches Sammelbecken« zu schaffen211, schrieb er: »Im Ganzen finde ich, daß diese Gründung eine gute Sache ist. Es ist bei Lage der Dinge auch gar nicht ausgeschlossen, daß der Bund eine Wirkung ausüben kann.«212 Neben Rüstow und E ­ ucken gehörten zu den prominenten Mitgliedern dieses Bundes Rüstows Vorgesetzter, der Direktor des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) Karl Lange, der Syndikus der IHK Berlin Fritz Demuth, 204 

Vgl. Borchardt/Schötz (1991: 148 f.). Vgl. Borchardt/Schötz (1991: 243 ff.). 206  Vgl. Borchardt/Schötz (1992: 148). Die Sentenz »Niemals wird Gefahr gefahrlos besiegt« stammt von dem römischen Mimendichter Publilius Syrus (1. Jh. v. Chr.). Vgl. Beckby (1969: 42 f.). 207  Vgl. Feld/Köhler/Nientiedt (2018: 10). 208  Vgl. Feld/Köhler/Nientiedt (2018: 10) mit Verweis auf ­Eucken (1951: 34). 209  Vgl. Meier-Rust (1993: 54). 210 ­Eucken an Demuth, 25.4.1932 (Briefentwurf ), ThULB, NL WE, in E ­ ucken GS, Band III.1. 211  Rüstow an Eucken, 19.4.1932, zit. nach Janssen (2012: 47). 212 ­Eucken an Rüstow, 25.4.1932, BArch, N 1169/2, Bl. 69, in ­Eucken GS, Band III.1. 205 

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der Stuttgarter Unternehmer Robert Bosch sowie die Professoren Götz Briefs213 und Wilhelm Röpke. Vorsitzender des Bundes war der Erste Bürgermeister von Hamburg, Carl W. Petersen. Als Geschäftsführer fungierte Rüstows Mitarbeiter im VDMA, der junge Politologe Theodor Eschenburg. Am 21. Mai 1932, einem Samstag, fand in dem vom Reichswirtschaftsrat in Berlin dafür zur Verfügung gestellten Plenarsaal die erste Kundgebung des Bundes für freie Wirtschaftspolitik statt. Vorträge hielten nach einführenden Worten Carl Petersens der Berliner Agrarökonom Karl Brandt214, der Frankfurter Finanzökonom Wilhelm Gerloff, der Bankier und Teilhaber des Berliner Bankhauses Mendelssohn & Co. Rudolf Löb, der VDMA-Direktor Karl Lange und Walter Eucken. In seinem Vortrag »Krisen und Autarkie«215 kritisierte ­Eucken die damals von den politischen Parteien DNVP, DVP und NSDAP propagierte Forderung nach wirtschaftlicher Autarkie und Kontingentierung der Importe. Er bezeichnete sie als ein Beispiel »höchst dilettantischer Vorschläge.«216 Zuvor am Freitagabend war E ­ ucken zusammen mit Lautenbach und Miksch bei Gestrich zu Gast.217 Am Sonntag, an dem er nachmittags mit dem Ehepaar Miksch, dem Kriegskamaraden Liechtenstern und seiner Schwiegermutter im Restaurant »Kroll« zusammensaß, berichtete er von der Veranstaltung nach Hause: »Kollisionsgefahr mit Gerloff bestand nicht. Ich habe ziemlich energisch gesprochen – tüchtig geschimpft […] Gestört wurde ich allerdings durch die geradezu entsetzliche Unruhe des Publikums. […] Im Ganzen war die Tour bisher ganz nett, nur hätte ich mir nicht so viel Zeit für eine so harmlose Sache nehmen sollen. In Zukunft tue ich das nicht mehr.«218 Am Montag war in der Neuen Zürcher Zeitung in einem Bericht unter der Überschrift »Die deutschen Wirtschaftsmaßnahmen« zu lesen: Alle Redner der Kundgebung hätten sich übereinstimmend gegen Autarkie sowie für eine freie Wirtschaftspolitik ausgesprochen und betont, »Autarkie sei das Ziel der Verzweifelten, aber nicht das Ziel eines Volkes, das an seine Zukunft glaube. Unter dem System der Außenhandelskontingentierung sei ein industrieller Aufschwung undenkbar.«219 Mitte August 1932 schrieb ­Eucken an Rüstow, dass er in nächster Zeit nicht nach Berlin kommen werde, und auch ihr Ferienhaus in Baabe in diesem Sommer vermietet sei. Eindringlich beschwor er Rüstow: »[A]ber wir treffen uns 213  Götz Briefs (1889–1974) emigrierte 1934 in die USA und übernahm 1937 eine Professur an der Georgetown University. 214  Karl Brandt (1899–1975) emigrierte 1933 in die USA und lehrte dort zunächst an der New School of Social Research in New York und dann von 1938 bis 1963 an der Stanford University. 215  Veröffentlicht als Eucken (1932c). 216 ­Eucken (1932c: 47). 217 ­Eucken an Edith Eucken, 20.5.1932, ThULB, NL WE. 218 ­Eucken an Edith Eucken, 22.5.1932, ThULB, NL WE. 219  Neue Zürcher Zeitung, Nr. 948, vom 23.5.1932.



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doch in Dresden! Sie müssen unbedingt hinkommen. Wenn nicht alle Mann an Deck sind, gibt es da eine Katastrophe.«220 Rüstow reiste allerdings schon vorher zu ­Eucken nach Freiburg. »Gestern war Rüstow hier«, berichtete E ­ ucken seiner Frau nach London.221 »Es war recht nett und [er] erzählte viel Interessantes aus Berlin.«222 Zwei Wochen später trafen sich beide dann in Dresden: Zunächst am 27. September 1932 bei der Sitzung des Hauptausschusses des Vereins für ­ ucken berichtete: »Sie lief, wie ich dachte. S[omSozialpolitik223, von der E bart] wurde gewählt. Weil hieran nichts mehr zu ändern war, konnte ich nur durch einen Vorstoß der Sache ihre wirtsch.pol. Bedeutung nehmen.«224 Von der anschließenden Tagung des Vereins für Sozialpolitik, die sich am 28. und 29. September 1932 mit dem Thema »Deutschland und die Weltkrise« befasste, schrieb er nach Hause: »Die Tagung verläuft ganz harmonisch […]. Immerhin ein gewisses Niveau der Referate. Rüstow sprach in der Diskussion sehr gut ganz im Sinne der Pointe meines letzten Aufsatzes.«225 Mit seinem »letzten Aufsatz« meinte E ­ ucken seinen 1932 im Weltwirtschaftlichen Archiv veröffentlichten Aufsatz »Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus.«226 Dieser Aufsatz Euckens gilt als ein Gründungsdokument des Ordoliberalismus.227 Allerdings wird – wie Ekkehard Köhler und Daniel Nientiedt darlegen  – die ordoliberale Forderung nach einem »starken Staat« häufig fehlinterpretiert als Ruf nach einem alle Lebensbereiche kontrollierenden »totalen Staat.« E ­ ucken geht es jedoch um einen Staat, der die 220 ­ Eucken an Rüstow, 12.8.1932, BArch Koblenz NL Rüstow N1169/2, Bl. 46, in ­Eucken GS, Band III.1. 221  Edith ­Eucken besuchte in London ihren Bruder Gerhard Erdsiek, der sich 1931/32 dort als Rockefeller Stipendiat zum Studium des angelsächsischen Rechts aufhielt. Vgl. Syga-Dubois (2019: 545 f.). Walter und Edith ­Eucken hatten ihn 1931 gemeinsam über Pfingsten in England besucht, worüber Euckens Reisepass und ein im Nachlass erhaltenes Reisetagebuch Aufschluss geben. 222 ­Eucken an Edith Eucken, 13.9.1932, ThULB, NL WE, in E ­ ucken GS, Band III.1. 223  Anwesende Herren: Arndt, Bechtel, Boese, Bräuer, Brinkmann, Bruck, Colm, Graf v. Degenfeld, v. Dietze, Eckert, Eucken, Eulenburg, Feiler, Feuchtwanger, Fuchs, Goebel, Gothein, Grünfeld, Gutmann, v. Hayek, Helander, Hesse, Heyde, Jahn, Lederer, Lotz, v. Mises, Muhs, Exz. v. Nostitz, Passow, Pfirrmann, Pribram, Prion, Röpke, Rüstow, Saenger, Saitzew, Schack, Schmidt, Schumacher, Seraphim, Sieveking, Sombart, Spiethoff, Wiedenfeld, v. Wiese, Wilbrandt, Wolff, Zahn. Vgl. Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses vom 27. und 28. September 1932, ThULB, NL WE. 224 ­Eucken an Edith Eucken, 28.9.1932, ThULB, NL WE. Vgl. auch Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses vom 27. und 28. September 1932, ThULB, NL WE. 225 ­Eucken an Edith Eucken, 29.9.1932, ThULB, NL WE; Hervorhebung im Original. Rüstows Diskussionsbeitrag erhielt im Wiederabdruck den Titel: »Freie Wirtschaft  – starker Staat«, vgl. Rüstow ([1932] 1963). 226 ­Eucken (1932a). 227  Vgl. Dathe (2010: 27).

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Wirtschaft klaren Regeln unterwirft und so für eine privilegienfreie Ordnung sorgt.228 Vom zweiten Verhandlungstag in Dresden berichtete Eucken: »Gestern (Donnerstag) wurde über Autarkie gesprochen. v. D[ietz]e (Jena) hielt ein unglaublich schlechtes, Lederer ein sehr gutes Referat. Ich sprach in der Diskussion gegen D[ietze].«229 ­Eucken kritisierte vor allem das von von Dietze zitierte Schlagwort »Durch Autarkie zur Weltwirtschaft« und konstatierte, es gehe darum »der deutschen Ausfuhr die Türen möglichst offen zu halten und nicht die bestehenden Abschließungstendenzen durch eigene handelspolitische ­ ucken erhielt für seinen kritischen DisMaßnahmen noch zu verstärken.«230 E kussionsbeitrag – so vermerkt es das Protokoll231 – lebhaften Beifall. Indes war ­Eucken selbst mit seinem Beitrag unzufrieden, denn seiner Frau berichtete er: »Durch verschiedenes gehemmt, kam das, was ich wollte, schlecht, z. T. nicht heraus. Also ein Reinfall. Meine Claque, Miksch an der Spitze, klatschten mächtig trotzdem – rührende Leute.«232 Auch Euckens Freund Otto Veit hatte an der Diskussion teilgenommen. So geht es aus dem ausführlichen Tagungsbericht in der Neuen Zürcher Zeitung vom 9. Oktober 1932 hervor, in dem erwähnt wird, Dr. Veit (Berlin) habe in der Diskussion darauf hingewiesen, »dass die Autarkie wirtschaftswissenschaftlich längst widerlegt sei.«233 Keiner der Tagungsteilnehmer wird geahnt haben, dass diese Dresdner Jahrestagung von 1932 die letzte war, bevor sich der Verein für Sozialpolitik 1936 freiwillig auflöste, um der politischen Gleichschaltung zu entgehen.234 Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 war eine Zäsur. Rüstow, Röpke und viele andere aus Euckens Umfeld mussten sich zur Emigration entschließen.235 228 Vgl.

zu Euckens Liberalismus-, Staats- und Demokratieverständnis Köhler/ Nientiedt (2021). 229 ­Eucken an Edith Eucken, 30.9.1932 (Datum des Poststempels), ThULB, NL WE, in ­Eucken GS, Band III.1. 230 ­Eucken (1932d: 191). 231  Vgl. ­Eucken (1932d: 191). 232 ­Eucken an Edith Eucken, 30.9.1932 (Datum des Poststempels), ThULB, NL WE, in ­Eucken GS, Band III.1. 233  Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1860, vom 9.10.1932. 234  Vgl. Boese (1939: 237). Die freiwillige Auflösung erfolgte unter Constantin von Dietze als Vorsitzendem des Vereins für Sozialpolitik. 235  Aus dem Kreis der Ricardianer emigrierten im Jahr 1933 oder später: Gerhard Colm, L. Albert Hahn, Eduard Heimann, Emil Lederer, Adolf Löwe (später Adolph Loewe), Friedrich A. Lutz, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und Arnold Wolfers. Aus dem Bund für freie Wirtschaftspolitik emigrierten Karl Brandt, Götz Briefs und Rudolf Löb. Joseph Schumpeter folgte 1932 einem Ruf an die Harvard University und kehrte nicht nach Deutschland zurück. Von Mitgliedern der Österreichischen Schule emigrierten Gottfried Haberler, Fritz Machlup und Ludwig von Mises. Friedrich August von Hayek



16. Freundschaft mit dem Ökonomen Alexander Rüstow

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Gleichwohl setzten ­Eucken und Rüstow ihren freundschaftlichen Gedankenaustausch in einem regen Briefwechsel zwischen Freiburg und Istanbul fort.236 Rüstow hatte dabei – so formulierte er es einmal – »den starken Eindruck […] einer derartig weitgehenden Übereinstimmung, die sich von der Grundeinstellung bis in die Einzelheiten, ja in die Formulierungen hinein, erstreckt, auch in solchen Fragen, über die ich mich nicht erinnern könnte, daß wir darüber je gesprochen hätten.«237 Und auch ­Eucken betonte die Übereinstimmung mit Rüstow über Wesentliches, auch wenn durchaus über Meinungsverschieden­ heiten diskutiert wurde. »Rüstow habe ihn verstanden«238, hieß es auch in Euckens Brief an Rüstow vom Januar 1940, nachdem sich Rüstow ausführlich zu Euckens neuem Buch Die Grundlagen der Nationalökonomie geäußert hatte. Danach hatte ­Eucken dann wohl eine Zeitlang keinen Brief mehr von Rüstow erhalten, so dass er besorgt bei Rüstows Schwiegervater Christoph Graf Vitzthum in Tiefhartmannsdorf nachfragte. Von dort erhielt ­Eucken schließlich im Juni 1940 die Nachricht, in diesen Tagen seien Briefe aus Istanbul eingetroffen und »lauten ganz befriedigend.« Der »II. Band des Lehrbuchs der Wirtschaftsgeographie« werde derzeit »ins Reine geschrieben, so daß er [Rüstow] sich demnächst ganz auf eigene Arbeit wird conzentrieren können.« Zum Schluss hieß es noch: »Die Arbeit scheint ihm nicht viel Zeit zu lassen Briefe zu schreiben. Hoffentlich genügen Ihnen vorläufig diese Nachrichten und tragen dazu bei den Briefwechsel wieder in Gang zu bringen.«239 ­Eucken blieb in Deutschland und konnte, wenngleich zunehmend unter persönlicher Gefährdung, in Freiburg ein Zentrum deutschen wirtschaftsliberalen Denkens und theoretischen Arbeitens über die Jahre der NS-Diktatur hinweg erhalten.

war bereits 1931 an die London School of Economics gegangen. Vgl. dazu Hagemann (2005). 236 Der Briefwechsel war allerdings ab März 1944 aufgrund Euckens politischer Gefährdung und der Kriegsereignisse unterbrochen. Erst im Frühjahr 1946 wurde er wieder aufgenommen und endete – wenige Tage vor Euckens unerwartetem Tod – mit einem Brief Rüstows vom 8. März 1950, nachdem Rüstow zum Wintersemester 1949/50 eine Professur in Heidelberg angetreten hatte. Vgl. Lenel (1991: 13 f.). 237  Rüstow an Eucken, 21.1.1933, BA Koblenz, NL Rüstow Nr. 2, zit. nach Meier-Rust (1993: 46). 238  Eucken an Rüstow, Januar 1940, zit. nach Lenel (1991: 12). 239  Graf Vitzthum an Eucken, 26.6.1940, ThULB, NL WE.

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17. Wirken als Hochschullehrer: Lehrgemeinschaft mit Juristen 17.1. Lehrveranstaltungen in Freiburg: »Der Kampf der Wissenschaft« Vorlesungen an der Universität Freiburg Seine Antrittsvorlesung in Freiburg hielt Walter ­Eucken erst in seinem dritten Freiburger Semester. »Am 18.1. habe ich hier meine Antrittsrede in Form einer Reichsgründungs-Rede der Universität gehalten«240, schrieb ­Eucken im Januar 1929 dem Tübinger Verleger Oskar Siebeck (1880–1936), den er seit geraumer Zeit im Hinblick auf die Aufnahme von Übersetzungen wichtiger theoretischer Werke der Nationalökonomie in das Verlagsprogramm beriet. Und er fragte an, ob Siebeck das Redemanuskript zum Druck annehmen wolle, allerdings mit dem Hinweis, er müsse zuvor noch »eine ganze Reihe von längeren und kürzeren Anmerkungen hinzufügen.« Als etwaigen Titel schlage er »Kriegsentschädigungen in Gegenwart und Vergangenheit«241 vor. Das damals aktuelle Reparationsproblem stand im Mittelpunkt von Euckens öffentlicher Antrittsvorlesung. Er handelte es »in nüchternen Formulierungen«242 ab und übte bezüglich politischer Wertung und besonders in Bezug auf die Kriegsschuldfrage äußerste Zurückhaltung, was ihm vonseiten der Presse Kritik eintrug.243 Euckens Wirken in der Lehre lässt sich anhand der Vorlesungsverzeichnisse der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg aus den Jahren 1927 bis 1950 nachzeichnen.244 Regelmäßig, meist in zweisemestrigem Turnus, wiederkehrende allgemeine Vorlesungen waren die mit dem Wintersemester 1927/28 beginnende und zuletzt im Wintersemester 1949/50 gehaltene »Theoretische Nationalökonomie«, die mit dem Sommersemester 1928 beginnende und bis zum Sommersemester 1934 gehaltene »Praktische Nationalökonomie« und die im Sommersemester 1936 beginnende und bis zum Sommersemester 1943 unter dem Titel »Volkswirtschaftslehre« gehaltene Vorlesung. Spezielle Vorlesungen, die ebenfalls etwa alle zwei Semester wiederkehrten, hielt E ­ ucken zu den The240 ­Eucken

an Oskar Siebeck, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 28.1.1929, Staatsbibliothek zu Berlin  – Preußischer Kulturbesitz, Nachl. 488, A 0441,3, in E ­ ucken GS, Band III.1. 241 ­Eucken an Oskar Siebeck, Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 28.1.1929, Staatsbibliothek zu Berlin  – Preußischer Kulturbesitz, Nachl. 488, A 0441,3, in E ­ ucken GS, Band III.1. 242  Vgl. Martin (1988: 447), der auf die Ansprache Walter Euckens am 18. Januar 1929 und die im Universitätsarchiv Freiburg (UAF, II/2–60) gesammelten Pressereaktionen verweist. 243  Vgl. Marcon (2004: 482). 244  Vgl. die Übersicht über die Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950 in diesem Band.



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men »Geld und Kredit« vom Sommersemester 1937 bis zum Sommersemester 1946 sowie »Konjunkturtheorie und Konjunkturpolitik« vom Sommersemester 1938 bis zum Sommersemester 1947. Im Wintersemester 1948/49 schloss sich einmalig die Vorlesung »Konjunktur und Vollbeschäftigungspolitik einschließlich Außenhandelspolitik« an. In den Wintersemestern 1935/36, 1936/37 und 1947/48 sowie in den Sommersemestern 1946 und 1949 hielt er die Vorlesung »Volkswirtschaftspolitik«. In den Wintersemestern 1937/38, 1938/39, 1943/44 und in den Sommersemestern 1941 und 1942 bot er eine Vorlesung unter dem Titel »Deutsches Wirtschaftsleben« an. Für Hörer aller Fakultäten las ­Eucken im Sommersemester 1928 zum Thema »Das Reparationsproblem«, in den Sommersemestern 1929 und 1932 zum Thema »Währungsprobleme der Gegenwart«, im Sommersemester 1931 einmalig zum Thema »Der Versailler Vertrag im Rahmen der Friedensverträge der Neuzeit«. Im Sommersemester 1936 hielt ­Eucken seine legendär gewordene, öffentlich zugängliche Vorlesung zum Thema »Der Kampf der Wissenschaft.« In seine Vorlesungen investierte E ­ ucken viel Mühe. »Ich habe jetzt die große theoretische Vorlesung völlig neu aufgebaut und hoffe, daß sie allmählich gut ­ ucken in seinem ersten Freiburger Semester an Rüstow. Indes wird«245, schrieb E bemühte er sich auch um effizientes Arbeiten, wie er seiner Frau berichtete: »Bei der praktischen Nationalökonomie habe ich hauptsächlich das Bestreben, möglichst ökonomisch zu arbeiten, das heißt möglichst wenig Zeit mit der Vorbereitung zu verlieren. Neulich las ich die Skizze von Kleist, wie die Gedanken sich beim Sprechen entwickeln. Danach handle ich jetzt.«246 Bisweilen war ­Eucken frustriert: »Je länger ich Professor bin, umso unnötiger und gleichgültiger erscheint mir die Lehrtätigkeit. Redet man populär, dann verstehen einen die Leute, aber es hat keinen Zweck. Redet man schwer und geht wirklich an die Probleme heran, dann versteht einen kein Mensch.«247 Doch meist überwog bei ihm ein Gefühl der Zufriedenheit: »Im allgemeinen bin ich ganz zufrieden. Die ›praktische‹ macht mir mehr Freude als ich erwartete. Wenn man sie ganz historisch läßt, kann man manches Interessantes hereinbringen. Natürlich ist sie leicht verständlich, selbst für Juristen.«248 Euckens volkswirtschaftliche Vorlesungen hatten in der Regel etwa 50 bis 70 Hörer, eine damals übliche Größe für eine Vorlesung im Fach Volkswirtschaftslehre.249 Unter seinen Hörern waren »ausserordentlich viele Damen, auch im Proseminar«250, wie ­Eucken seiner Frau im Sommersemester 1928 berichtete. 245 ­Eucken an Rüstow, 18.12.1927, BArch Koblenz, N 1169/17, Bl. 274, in E ­ ucken GS, Band III.1. 246 ­Eucken an Edith Eucken, 3.5.1928, ThULB, NL WE. 247 ­Eucken an Edith Eucken, 1.5.1928, ThULB, NL WE. 248 ­Eucken an Edith Eucken, 5.5.1928, ThULB, NL WE. 249  Vgl. Heuß ([1991] 2005: 461). 250 ­Eucken an Edith Eucken, 5.5.1928, ThULB, NL WE.

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»Im Seminar aber wünsche ich mir einige neue Kräfte, die Leute haben eben einfach Angst vor mir. Nun, das muß sich noch entwickeln.«251 Einer von Euckens hervorragenden Schülern in Freiburg wurde Heinrich Marquardt. Im Mai 1928 lud ­Eucken ihn zu sich ein und berichtete seiner Frau anschließend: »Marquardt war gestern Abend bei mir und gefiel mir wieder sehr. In vieler Hinsicht habe ich noch nie einen so guten Studenten gehabt.«252 Marquardt erzählte an jenem Abend auch interessant über August Lösch, Euckens begabten Tübinger Studenten, der ­Eucken im März 1928 geschrieben hatte, dass er nunmehr endgültig in die Studienstiftung aufgenommen sei.253 Auch Edith ­Eucken hatte Lösch wohl bereits in Tübingen kennengelernt, und so berichtete E ­ ucken ihr von dem Gespräch mit Marquardt über Lösch, dass er »doch mehr zu sein scheint, als wir dachten. L[ösch] ist seit jeher stark von Nietzsche beeinflußt, gegen die Demokratie und auch nicht christlich. Aber er ist Idealist. […] M[arquardt] sagte, L[ösch] habe einen Charakter von ausserordentlicher Festigkeit und ein sehr energisches Streben nach Klarheit.«254 Lösch wechselte dann zum Wintersemester 1928/29 nach Freiburg und absolvierte dort – nachdem er auf Empfehlung Euckens ein Jahr bei Löwe, Colm und Neisser in Kiel und im Sommersemester 1930 bei Schumpeter in Bonn studiert hatte  – im Wintersemester 1930/31 die volkswirtschaftliche Diplomprüfung. Tags darauf war er abends zu Gast bei E ­ ucken und notierte im Tagebuch: »Zog mit ihm dann ins obere Erkerzimmer. Sprachen über meine Zukunft. Mein Paneuropathema gefällt ihm weniger. Eher Freihandel. Schlug selber vor: raus aus Freiburg! Wir verstanden uns diesmal gut.«255 Mitte der 1930er Jahre machten sich unter den Hörern von Euckens Vorlesungen vermehrt eifrige Verfechter der neuen Staatslehre bemerkbar, die gegen ­Eucken und seine Sichtweise polemisierten. ­Eucken scheute die Auseinandersetzung nicht. Im Gegenteil, er nutzte sie, um seine Position zu verdeutlichen.256 Beispielhaft zeigt dies ein Brief Euckens aus dem Sommersemester 1935, als er montags bis mittwochs die jeweils einstündigen Vorlesungen »Volkswirtschaftslehre (für Juristen)« und »Theoretische Nationalökonomie (für Nationalökonomen)« hielt. So schrieb er Ende Mai 1935 nach Jena: »Vorigen Mittwoch war – wider Erwarten – die Diskussion, die der N. S. Studentenbund im Anschluß an meine Vorlesung veranstaltete, sehr lebhaft. Vom Dekan der Philosophen, Oppermann und von einem Studentenführer – insbesondere von letzterem – wurde ich ungemein scharf, nicht nur sachlich sondern auch persönlich angegriffen. Ich erwiderte 251 ­Eucken

an Edith Eucken, 5.5.1928, ThULB, NL WE. an Edith Eucken, 5.5.1928, ThULB, NL WE; Hervorhebung im Original. 253  Vgl. Lösch an Eucken, 19.3.1928, ThULB, NL WE, Kasten 5, zit. nach Bieri (2021: 49). 254 ­Eucken an Edith Eucken, 5.5.1928, ThULB, NL WE. 255  Lösch, Tagebucheintrag, 25.2.1931, zit. nach Künkele-Lösch (1971: 71 f.). 256  Vgl. dazu Goldschmidt (2002: 118 f.). 252 ­Eucken

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ziemlich energisch und hatte damit einen überaus starken Erfolg. Es wurde sogar lebhaft geklatscht. An der weiteren Diskussion beteiligte sich auch der berühmte Nobelpreisträger Spemann  – natürlich ganz auf meiner Seite  – und Ritter. Die Gegenseite wurde sehr in die Enge getrieben, aber ich erwarte jetzt natürlich neue Angriffe, insbesondere in der Studentenzeitung. Nun, wir werden sehen. Schade ist, daß Böhm nicht da ist, der gerade in solchen Diskussionen glänzend spricht und wirkt. Natürlich ist die Vorlesung inzwischen wieder leerer geworden, aber durch den neuen Zusammenstoß wird sie sich – so darf man wohl erwarten – wieder füllen.«257

Gemeinschaftsseminar von Volkswirten und Juristen Das erste Gemeinschaftsseminar von Volkswirten und Juristen fand im Wintersemester 1933/34 statt, und zwar zum Thema »Grundlagen und Ziele einer rechtlichen Neugestaltung der Wirtschaftsordnung«, gemeinsam veranstaltet, montags von 20 bis 22 Uhr, von dem zum Sommersemester 1933 neuberufenen Juristen Hans Großmann-Doerth und dem Ökonomen Adolf Lampe.258 An diesem ersten Gemeinschaftsseminar nahmen, wie es der Jurist Franz Böhm rückblickend festhielt, auch weitere Dozenten der Fakultät teil, so er selbst  – Böhm wurde nach Beurlaubung aus dem Justizdienst am 15. Februar 1932 in Freiburg promoviert und war seit dem 3. Februar 1934 Privatdozent für Handels- und Wirtschaftsrecht259 – sowie von seiten der Ökonomen Walter Eucken, die volkswirtschaftlichen Privatdozenten Friedrich A. Lutz und Bernhard Pfister (1900–1987) und der Betriebwirt Rudolf Johns (1900–1984)260, so dass sich die Dozenten »den Studenten gegenüber noch in der Majorität«261 befanden. Indes, im Sommersemester 1936 hatte das Gemeinschaftsseminar bereits 33 studentische Teilnehmer.262 Dieses Gemeinschaftsseminar kann als die »Geburtsstunde« der Freiburger Schule gelten.263 Mit ihm begann die Lehrgemeinschaft zwischen Freiburger Juristen und Volkswirten, aus der sich parallel eine Forschungsgemeinschaft entwickelte. Im darauffolgenden Sommersemester 1934 hielten Eucken, Böhm und Großmann-Doerth gemeinsam ein Seminar über »Kartellrecht und Kartellpolitik« und in den folgenden Semestern – Wintersemester 1934/35 bis Sommersemester 1939  – wurde das Gemeinschaftsseminar als »Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar (für Juristen und National257 ­Eucken

an Irene Eucken, 30.5.1935, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 156/7, zit. nach Goldschmidt (2002: 119). 258  Vgl. Vorlesungsverzeichnis der Universität Freiburg, Wintersemester 1933/34. 259  Vgl. Roser (1998: 41, 45) sowie Hollerbach (2005: 28). 260  Johns stand vor der Habilitation und hatte wiederholt die Krankheitsvertretung für den Betriebswirt Walter Mahlberg übernommen. Vgl. Brintzinger (1996: 128). 261  Böhm ([1957] 1960: 162). 262  Vgl. Roser (1998: 54). 263  Vgl. Vanberg (2008: 43).

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ökonomen)« fortgeführt.264 Weitere Freiburger Ökonomen traten später der Seminargemeinschaft bei265, so der 1935 in Freiburg habilitierte Karl Friedrich Maier (1905–1993)266, der 1937 nach Freiburg berufene Constantin von Dietze, ­ ucken 1937 promovierte und von 1938 K. Paul Hensel (1907–1975)267, der bei E bis 1940 Assistent war, sowie der zum Sommersemester 1939 neu ernannte betriebswirtschaftliche Ordinarius Martin Lohmann (1901–1993).268 Das Gemeinschaftsseminar der Jahre 1934 bis 1939 trug auch dazu bei  – darauf verweist Christine Blumenberg-Lampe269 –, dass die Beteiligten wissenschaftlich und menschlich zusammenwuchsen und sich das Vertrauen zwischen Professoren und Studenten festigte. So kann das Gemeinschaftsseminar, wie aus einer Seminarbeschreibung im Bericht des damaligen Fachschaftsleiters Kilian Schenkel vom 1. Oktober 1935270 hervorgeht, als einer der Orte angesehen werden, in dem sich die oppositionell Gesinnten schon früh erkannten und fanden. Vorlesung »Der Kampf der Wissenschaft« Im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1936 kündigte Walter E ­ ucken zusätzlich zu seinen regulären ökonomischen Lehrveranstaltungen für jeweils mittwochs, 18 bis 19 Uhr, eine Vorlesung für Hörer aller Fakultäten unter dem Titel »Der Kampf der Wissenschaft (dargestellt am Lebenswerk großer Denker)« an. Dahinter verbarg sich eine geistige Kampfansage gegen Tyrannei und Machtmissbrauch und ein Plädoyer für das Streben der Wissenschaft nach Wahrheit. Wie E ­ ucken im Mai 1936 an Rüstow schrieb, wolle er mit der Vorlesung einen »Eindruck von der Kraft, Würde, Bewegtheit echter Wissenschaft geben.«271 Edith Eucken-Erdsiek zufolge erregte diese Vorlesung großes Aufsehen.272 Walter E ­ ucken berichtete am 1. Mai 1936 nach Jena: 264  Vgl.

die Übersicht über die Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950 in diesem Band. Franz Böhm war seit 1936 mit der Vertretung eines Lehrstuhls in Jena beauftragt. Vgl. Roser (1998: 51). Ab Wintersemester 1936/37 wurde das Gemeinschaftsseminar nur noch von E ­ ucken und Großmann-Doerth angekündigt, ab Sommersemester 1938 mit zusätzlicher Nennung von Pfister. Es endete mit Kriegsausbruch 1939. Großmann-Doerth wurde zum Wehrdienst eingezogen und bot nach dem Sommersemester 1941 keine Lehrveranstaltungen mehr an. Zu den Lebensdaten von Großmann-Doerth siehe Speck (2005: 48). 265  Vgl. Böhm ([1957] 1960: 162). 266  Für biographische Angaben zu K. F. Maier siehe Veit (2008: 173 f.). 267  Für biographische Angaben zu K. P. Hensel siehe Schüller (2008: 249 f.). 268  Vgl. Brintzinger (1996: 133). 269  Blumenberg-Lampe (1991: 209). 270  Kilian Schenkel, Bericht Entwicklung der Fachschaftsarbeit vom 1.10.1935, Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP), Sankt Augustin, Nachlass Lampe, I-256–001/3, zit. nach Blumenberg-Lampe (1991: 209). 271 ­Eucken an Rüstow, Mai 1936, zit. nach Lenel (1991: 12). 272  Eucken-Erdsiek (1974: 10). Siehe auch Götz (1970: 15).



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»Ich lese in diesem Semester eine Vorlesung für Hörer aller Fakultäten über ›Kampf der Wissenschaft‹. Ich begann mit 37 Hörern, was schlecht war. Nun aber griff mich die Studentenzeitung an, worauf ich 140, momentan sogar 300 Hörer habe. Am vorigen Mittwoch fand vor diesem Gremium eine Diskussion statt. […] Sie verlief in anständigen Formen, ruhig und so, daß zweifellos das Auditorium zum überwiegenden Teil auf meiner Seite war. Wir diskutierten über ›Weltanschauung und Wissenschaft‹. Nun sind wir gespannt, was weiter geschieht. Wahrscheinlich werde ich weiter angegriffen werden. Aber daran bin ich gewöhnt.«273

Und Mitte Juni 1936 konnte ­Eucken melden: »Auch in der heutigen Studentenzeitung sind wieder Bemerkungen über mich. In Form von Glossen, die witzig sein sollen. Allerdings sind sie etwas lahm. Wenn die nächste, letzte Nummer auch etwas bringt, dann habe ich die Freude gehabt, seit Mitte April in jeder Nummer behandelt zu sein. Auf diese Weise wird man in sonderbarer Weise bekannt.«274

Euckens Vorlesung wurde zu einem Treffpunkt all derer, die wie ­Eucken Gegner des Hitler-Regimes waren.275 Unter den Hörern saßen auch der Freiburger Zoologe Hans Spemann (1869–1941), der im Jahr zuvor den Nobelpreis für Medizin erhalten hatte276, und die promovierte Historikerin, Schriftstellerin und GoethePreisträgerin Ricarda Huch (1864–1947), die im April 1933 unter Protest gegen die Gleichschaltung aus der Preußischen Akademie der Künste, der sie als erstes weibliches Mitglied angehörte, ausgetreten war.277 Ricarda Huch lebte von Oktober 1934 bis August 1936 in Freiburg, in der Günterstalstraße 72, zusammen mit der Familie ihrer Tochter Marietta, die mit Euckens juristischem Kollegen Franz Böhm verheiratet war. Seit Dezember 1934 verkehrte das Ehepaar E ­ ucken des Öfteren privat mit Böhms und Ricarda Huch. »Gestern abend waren wir bei Ricarda Huch und ihren Kindern […] eingeladen. Sie ist eine sehr natürliche, energische und sympathische Frau«278, berichtete ­Eucken am 8. Dezember 1934 nach Jena, und Ricarda Huch schrieb ihrer Heidelberger Freundin Marie Baum: »Neulich waren ­Eucken und Frau bei uns, sympathische, lebhafte, gutgesinnte Menschen, besonders er gefiel mir sehr 273 ­Eucken an Irene Eucken, 1.5.1936, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 135, zit. nach Goldschmidt (2002: 118 f.). 274 ­Eucken an Irene Eucken, 12.6.1936, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 161, zit. nach Goldschmidt (2002: 119). 275  Vgl. Götz (1970: 15). 276 Spemann dedizierte ­ Eucken im Anschluss an dessen Vorlesung den Sonderdruck seines Aufsatzes »Die übernationale Bedeutung der Wissenschaft«, auf dem er handschriftlich vermerkt hatte: »In Erinnerung an den ›Kampf der Wissenschaft‹«. Vgl. Hans Spemann, »Die übernationale Bedeutung der Wissenschaft«, Sonderdruck aus: Alemannenland. Jahrbuch der Stadt Freiburg im Breisgau, Stuttgart: I. Engelhorns Nachf., o. J., S. 124–127, ThULB, NL WE. 277  Vgl. Bendt (2015: 6). 278 ­Eucken an Irene Eucken, 8.12.1934, zit. nach Dathe (2014e: 139).

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gut.«279 Im Januar 1935 notierte E ­ ucken in seinem Tagebuch: »Am Sonntag war Ricarda Huch mit Böhms erstmalig bei uns. […] Erstaunlich, wie sie und Edith im Urteil über die Literaten übereinstimmen.«280 Im Februar 1935 berichtete Edith ­Eucken ihrer Schwiegermutter nach Jena von einer Abendgesellschaft bei Böhms und Ricarda Huch: Man habe sich »glänzend unterhalten«, und zwar »hauptsächlich über das Problem, daß Philosophie und Leben enger miteinander verbunden werden müßten.«281 Ricarda Huchs leidenschaftliches Interesse habe der Sache der Freiheit gegolten, weshalb sie Euckens Vorlesung im Sommersemester 1936 regelmäßig besucht habe. Und Eucken, den diese Fragen selbst sehr bewegten, habe in seiner Vorlesung hauptsächlich zu ihr hin gesprochen und aus ihrem ihm aufmerksam zugewandten Gesicht Bestätigung und Kraft geschöpft. So rief es Edith EuckenErdsiek Jahrzehnte später in einem Radiobeitrag anlässlich des 100. Geburtstages von Ricarda Huch in Erinnerung.282 In seiner Vorlesung legte ­Eucken am Beispiel großer Denker dar, wie der Geist immer von neuem um seine Freiheit zu kämpfen hatte. Aus einer erhaltenen Vorlesungsmitschrift283 geht hervor, welche Denker er unter anderem behandelte, nämlich: Anaximander (610–547 v. Chr.), Heraklit (520–460 v. Chr.), Sokrates (469–399 v. Chr.), dann Kopernikus (1473–1543), Galilei (1564–1642), Kepler (1571–1630) und dessen Kampf um die Abkehr vom Ptolomäischen Weltbild, ferner den Naturforscher Robert Mayer (1814–1878), der das Gesetz von der Erhaltung der Energie entdeckte, den Historiker Leopold von Ranke (1795–1886), der die Geschichte durch kritische Erfassung der Quellen aus der Geschichte selbst heraus erkennen wollte, den Nationalökonomen Carl Menger (1840–1921), der die konkreten, realen Probleme der Wirtschaft erfassen und ein modernes Gebäude der Wirtschaftswissenschaft errichten wollte, den Archäologen Heinrich Schliemann (1822–1891), der nach der Lektüre von Homer als achtjähriger Junge den Plan gefasst hatte, Troja zu finden und auszugraben, was ihm Jahre später auch gelungen war, und nicht zuletzt Jean Lamarck (1744–1829), der um den Durchbruch der modernen Entwicklungslehre kämpfte. Zum Schluss hielt E ­ ucken in seinen Notizen stichwortartig fest: »Die Wissenschaft, wie sie von den Griechen geschaffen und von genialen Männern weiter ausgebaut wurde: eine gewaltige geistige Tat. […] Ungeheure positive Macht. Diese Wissenschaft nicht ›bürgerlich‹, nicht ›liberal‹ u. s. w. sondern eine große Erscheinung. […] Daß diese Macht der Wissenschaft im Werden der kommenden Tage kräftig zur Geltung gebracht wird, ist unsere Aufgabe. […] 279 

Ricarda Huch an Marie Baum, 13.12.1934, zit. nach Bendt (2015: 8). Eucken, Tagebucheintrag, 22.1.1935, zit. nach Hansen (2009: 64). 281  Edith E ­ ucken an Irene Eucken, 15.2.1935, zit. nach Schäfer, M. (2020: 457). 282  Eucken-Erdsiek ([1964] 2014: 144 f.). 283 Vorlesungsmitschrift »Kampf der Wissenschaften« (Vorlesung einstündig, gehalten von Prof. Dr. W. ­Eucken im S. S. 1936), Typoskript, 31 Seiten, ThULB, NL WE. 280 

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Sie hat Vergangenheit – aber auch Zukunft.«284 Vier Jahre später sollte ­Eucken August Lösch nach Kiel berichten: »Im Sommer 36 hielt ich hier eine öffentliche Vorlesung ›Der Kampf der Wissenschaft‹. Die Vorlesung war auch mehr Kampf als Vorlesung. […] Ich schloß die ganze Vorlesung mit den Worten Schillers: ›Lebe mit Deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf, leiste Deinen Zeitgenossen, aber nicht wie sie wünschen, sondern wie sie bedürfen.‹285 Daß für Sie auch diese Worte so viel bedeuten, ist für mich ein weiteres gutes Omen für weiteres gutes Zusammenwirken!«286 Plenumsdiskussion mit einem Funktionär des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes Am 7. Mai 1937 stellte sich Walter E ­ ucken vor etwa 230 studentischen Zuhörern im Plenarsaal der Universität Freiburg einer von dem volkswirtschaftlichen Fachschaftsleiter organisierten Diskussion mit dem zweiunddreißigjährigen Historiker Dr. Ottokar Lorenz287, der den Rang eines Gebietsführers in der Reichsjugendführung der Hitlerjugend (HJ) hatte und zugleich Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Gruppe im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) war. Lorenz hatte bereits im Mai 1934 in einer Rede auf der Kundgebung der Reichsfachgruppe Volkswirtschaft der Deutschen Studentenschaft (DSt) in Heidelberg der liberalen Wirtschaftswissenschaft den Kampf angesagt und ein »Neues Wirtschaftsdenken«288 proklamiert, für das er forderte, »daß wir in der Wirtschaft genau wie in der Politik die Interessen der Volksgemeinschaft über die Einzelinteressen stellen müssen und daß wir eine Organisation des wirtschaftlichen Lebens brauchen, die die Überordnung des Gemeinnutzes über den Eigennutz garantiert.«289 Der »liberalistischen Theorie der Volkswirtschaftslehre« machte Lorenz unter anderem den Vorwurf, sie ver-

284 

Walter Eucken, handschriftliche Notizen zur Vorlesung »Der Kampf der Wissenschaft«, Sommersemester 1936, ThULB, NL WE; Hervorhebung im Original. 285  In seinen handschriftlichen Notizen zur Vorlesung »Der Kampf der Wissenschaft« notierte ­Eucken dieses Zitat aus Friedrich von Schillers neuntem Brief Über die Ästhetische Erziehung des Menschen im Original-Wortlaut: »Lebe mit Deinem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf; leiste Deinen Zeitgenossen, aber was sie bedürfen, nicht was sie loben.« Vgl. ThULB, NL WE, Materialsammlungen, Kasten »Kampf der Wissenschaft.« 286 ­Eucken an Lösch, 4.5.1940, StA HDH, NL Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 193; Hervorhebung im Original). 287  Für biographische Angaben zu Ottokar Lorenz siehe Klee (2003: 380). 288  So der Titel der Heidelberger Rede in Lorenz (1936: 23–39). Auf der Kundgebung der DSt in Heidelberg am 2.5.1934 waren Lorenz zufolge etwa 100 Vertreter der Fachschaftsarbeit und fast ebenso viele Dozenten aus dem ganzen Reich versammelt. Vgl. Lorenz (1936: 23). 289  Lorenz (1936: 34).

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meide es, »sich mit den lebendigen, wirklichen Menschen zu befassen« und konstruiere »eigens den abstrakten homo oeconomicus.«290 An der Universität Freiburg hatte Lorenz dann im Sommersemester 1936 einen Vortrag zum Thema »Politische Wissenschaft«291 gehalten, den er ebenso wie seine Heidelberger Rede in seiner Schrift Um eine neue Wirtschaftswissenschaft292 veröffentlichte. In Freiburg war Lorenz unter anderem explizit auf Euckens Kapitaltheoretische Untersuchungen eingegangen, in denen man »am schönsten«, wie Lorenz kritisch hervorhob, »[d]ie Wertlosigkeit der Vorstellung vom homo oeconomicus sieht.«293 Lorenz’ Vortrag hatte unter den Freiburger Studenten größere Diskussionen nach sich gezogen, und so wurde im Sommersemester 1937 zwischen ­Eucken und Lorenz eine »Aussprache in großem Kreis« anberaumt, von der sich der Freiburger Fachschaftsleiter erhoffte, dass dabei »die Studenten diejenigen sind, die am meisten lernen.«294 Die Diskussion wurde in einem nach stenographischen Notizen erstellten Protokoll festgehalten, das im Nachlass Walter Euckens erhalten ist.295 Lorenz, der als erster das Wort erhielt, wiederholte seine Kritik an dem von ­Eucken in seinen Kapitaltheoretischen Untersuchungen gewählten RobinsonFreitag-Beispiel und beendete seine Stellungnahme mit den Worten: »[I]ch bin nun gespannt darauf, was Herr Professor E ­ ucken zu seiner Rechtfertigung anführen wird.«296 ­Eucken stellte zunächst fest, dass er sich »sehr gerne zu dieser Diskussion zur Verfügung gestellt« habe, denn, so führte er aus, »es ist nötig, sich angesichts grosser sachlicher Gegensätze auszusprechen, und zwar sowohl darüber, in 290 

Lorenz (1936: 25 f.). Der Vortrag wurde im Lauf des Sommersemesters an mehreren deutschen Hochschulen wiederholt und in der Münchner Fassung vom 17.6.1936 abgedruckt in Lorenz (1936: 7–22). 292  Lorenz (1936). 293  Lorenz (1936: 9). 294  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz«, Typoskript, ThULB, NL WE, Materialsammlungen, Kasten »Kampf der Wissenschaft«, S. 1. 295  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript mit handschriftlichen Ergänzungen Euckens, 71 Seiten, ThULB, NL WE, Materialsammlungen, Kasten »Kampf der Wissenschaft.« Wie in der Handschrift Euckens auf Seite 1 des Protokolls vermerkt ist, waren bei der Diskussion außerdem anwesend: Prof. [Bernhard] Pfister, Prof. [Wilhelm] Hasenack, Prof. [Otto] Micklay, Dr. [Siegfried] Fassbender, Herr Rasmussen sowie etwa 230 Studenten. 296  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, Materialsammlungen, Kasten »Kampf der Wissenschaft«, S. 6. 291 



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welcher Lage sich heute die Wirtschaftswissenschaft befindet, als auch darüber, was sie für Aufgaben in der Zukunft zu bewältigen hat.«297 Er betonte, dass seiner Meinung nach an der Universität ein neuer Typ des Nationalökonomen auszubilden sei, einer »der wirklichkeitsnahe und zugleich theoretisch geschult ist, der ferner Distanz von Interessenideologien hält.«298 Bevor er anschließend auf die Darlegungen von Lorenz einging, erläuterte ­Eucken seine prinzipielle Haltung zu Diskussionen dieser Art: »Es hat keinen Zweck, Gegensätze, die bestehen zu verkleistern. Ich bin nie ein Freund davon gewesen. Besser ist es, man arbeitet die Gegensätze zunächst scharf heraus; man kann dann später, wenn die Positionen genau bezeichnet sind, die Punkte nennen, in denen man glaubt, sich nähern zu können.«299 Mit Bezug auf das, was Lorenz zuvor gesagt und auch in seiner Schrift300 dargelegt hatte, konstatierte ­Eucken dann: »Das alles wirkt auf mich furchtbar antiquiert. Ich habe […] das Gefühl, wieder in der Vorkriegszeit zu stehen; damals als wir jungen Leute über das Verhältnis von Geschichte und Theorie diskutierten und als Schmoller das Feld beherrschte […] Wozu wird uns immer wieder vorgeworfen, wir verwenden die unglückliche Erscheinung des homo oeconomicus? Das war einmal. Seit Paretos Tode gibt es kaum einen Theoretiker mehr, der ihn benutzt. Auch ich habe mich […] mit grösster Schärfe gegen diese Konstruktion gewandt. Oder denken Sie an den freien Wettbewerb! […] in den letzten Jahrzehnten ist die Wissenschaft mit grösster Energie daran tätig gewesen, die einzelnen Marktformen herauszuarbeiten […] Freier Wettbewerb ist für uns – so pflegen wir die Dinge in Freiburg darzustellen – ein Fall, von siebzehn möglichen Fällen, und wir wissen genau, dass er in ganz reiner Form verhältnismässig selten vorkommt.«301

Schließlich fasste ­Eucken zusammen: »Damals vor dem Kriege mussten wir die Berechtigung der Kritik, die an der herrschenden historischen Schule geübt wurde, anerkennen. Deshalb haben wir an deren Umgestaltung mitgearbeitet, immer in dem Bestreben, eine brauchbare Nationalökonomie zu schaffen, die etwas für das Volk leistet. Und nun erfolgt […] ein Rückschlag in die historische Schule hinein. Gegen ihn wehre ich mich.«302

Am Schluss seiner ersten Stellungnahme fügte ­Eucken die Bemerkung an: 297  Protokoll

der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 6. 298  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 8. 299  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 9. 300  Lorenz (1936). 301  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 9–11; Hervorhebung im Original. 302  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 12 f.

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»Ich weiss selbstverständlich, dass Herr Dr. Lorenz als Nationalsozialist mit einem ganz anderen politischen Temperament und mit einer ganz anderen weltanschaulichen Mentalität an die Dinge herangeht als die Vertreter der historischen Schule von ehedem. Wir sprechen indessen hier allein vom Fachlichen. Fachlich ist keines seiner Argumente neu. Jedes einzelne stammt aus der historischen Schule. Aber wir dürfen nicht zurück!«303

Im weiteren Verlauf drehte sich die Diskussion mehrmals um das RobinsonFreitag-Modell und dann ausführlich um das Problem der Ratio in der wirtschaftswissenschaftlichen Analyse und in der Wirtschaftspolitik. Kritisch thematisiert wurden unter anderem auch Euckens auf der 1932er Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Dresden getätigte Äußerungen zum Autarkieproblem und das von Euckens Schüler Friedrich A. Lutz 1936 veröffentlichte Buch Das Grundproblem der Geldverfassung. Dabei kam ­Eucken des Öfteren nicht umhin, Diskussionspartner, die auf frühere Äußerungen von ihm Bezug nahmen, aufzufordern, seine Auffassungen richtig wiederzugeben, oder er sah sich zu Richtigstellungen veranlasst, bevor er auf deren Argumente einging.304 Gegen Ende der Diskussion war es ­Eucken wichtig, die zuhörenden Studenten direkt anzusprechen und ihnen zu sagen: »Die Nationalökonomie, liebe Kommilitonen, ist eine Wissenschaft, die eine grosse Zukunft hat. Bedeutende wissenschaftliche Probleme harren der Lösung, und ihre praktische Bedeutung wird dauernd wachsen.«305

Eines der anstehenden Probleme – das Risikoproblem – hatte E ­ ucken kurz zuvor erläutert und dazu festgestellt: »Es ist notwendig, dass dieses Risikoproblem weit mehr von der theoretischen Forschung in den Vordergrund geschoben wird, als es bisher geschieht. Denn es spielt in der wirklichen Wirtschaft eine sehr grosse Rolle. Ein Amerikaner, Knight, hat vor einiger Zeit ein Buch darüber geschrieben Risk, Uncertainty and Profit, das gut aber schwierig ist. Jedoch bleibt noch sehr viel zu tun übrig.«306

Am Schluss der Debatte stand der Dank des Fachschaftsleiters an beide Herren dafür, »dass Sie uns Gelegenheit gegeben haben, so viel zu lernen.«307 303  Protokoll

der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 14; Hervorhebung im Original. 304  Vgl. Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. E ­ ucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 19, 41, 44, 57, 59. 305  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 66. 306  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 64. 307  Protokoll der »Diskussion zwischen Herrn Professor Dr. ­ Eucken und Gebietsführer Dr. Ottokar Lorenz am 7. Mai 1937«, Typoskript, ThULB, NL WE, S. 71.



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Betriebsbesichtigungen für Studierende Walter E ­ ucken suchte stets den Kontakt zur wirtschaftlichen Wirklichkeit und sorgte dafür, dass auch seine Studenten Einblick in die wirtschaftliche Praxis erhielten. So organisierte das Volkswirtschaftliche Seminar der Universität gemeinsam mit der universitätsexternen Volkswirtschaftlichen Gesellschaft308, und später, als diese sich im März 1936 aufgelöst hatte, gemeinsam mit dem oberbadischen Wirtschaftsinstitut Betriebsbesichtigungsfahrten zu Unternehmen in der näheren Umgebung Freiburgs. Im Vorlesungsverzeichnis des Wintersemesters 1935/36 hatte E ­ ucken im Rahmen der Übungen zu seiner Vorlesung »Volkswirtschaftspolitik« Besichtigungen und Lehrwanderungen angekündigt. Aus einem im Nachlass Euckens erhaltenen Zeitplan geht hervor, dass am verlängerten Wochenende vom 22. bis 24. Februar 1936 für Studierende der Volkswirtschaft eine Studienfahrt auf die Güter und Waldungen von Dr. Robert Graf Douglas, Schloss Langenstein, Kreis Konstanz, organisiert wurde. ­Eucken und Graf Douglas kannten sich aus dem Rotary Club Freiburg. Besichtigt wurden der dortige Gutsbetrieb mit seiner Vieh-, Schweine-, Schaf-, Hühner- und Bienenzucht sowie dem Weidebetrieb, mehrere Hofgüter, ein Forstbetrieb sowie die nahegelegene Oberbadische Milchzentrale und die Obstbaugenossenschaft Bodensee mit ihrer Großsüßmostbereitung in Radolfzell.309 Betriebsbesichtigungen kündigte ­ Eucken im Wintersemester 1937/38 im Rahmen der Übungen zu seiner Vorlesung »Deutsches Wirtschaftsleben« an. So fanden vom 20. bis 22. Januar und vom 4. bis 5. Februar 1938 zwei Betriebsbesichtigungsfahrten Richtung Wiesental statt.310 Am 5. Februar 1938 berichtete ­Eucken seiner Frau nach Jena: »Heute war ich zu Besichtigungszwecken in Grenzach […] Heute nachmittag fahre ich nochmals herunter und zwar nach 308  Die von Januar 1933 bis März 1936 bestehende Volkswirtschaftliche Gesellschaft war eine Vereinigung von Wirtschaftspraktikern und Theoretikern, die durch Veranstaltung von Vorträgen, Betriebsbesichtigungen und Exkursionen den Erfahrungsaustausch von Praxis und Theorie förderte. Ihre Gründung ging auf das Engagement Adolf Lampes zurück, der die Geschäftsführung innehatte. Vgl. dazu Brintzinger (1996: 88 ff.). Zu ihren Mitgliedern gehörten aus der Wirtschaftspraxis vor allem Unternehmer, Bankdirektoren und Rechtsanwälte sowie aus der Wissenschaft Dozenten der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Zu einem Arbeitsausschuss aus den Mitgliedern gehörten unter anderen Franz Böhm, Karl Diehl, Walter Eucken, Hans Großmann-Doerth, Rudolf Johns, Adolf Lampe, Direktor Hermann Linnemann, Rechtsanwalt Dr. Maria Plum, Dipl. Kfm. Julius Ruef. Vgl. Mitgliederverzeichnis der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft, Ende Januar 1934, Typoskript, ThULB, NL WE. 309  Zeiteinteilung für die Studienfahrt Volkswirtschaft-Studierender der Universität Freiburg i. Br. vom 22. bis 24. Februar 1936, Typoskript, ThULB, NL WE. 310  Vgl. Betriebsbesichtigungsfahrten ins Wiesental, Allgemeines, Typoskript, ThULB, NL WE.

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Schopfheim, wo dann Abends ein großes Treffen die gesamte Besichtigungsfahrt abschließt.«311 Zu den besichtigten Betrieben im Jahr 1938 gehörten entsprechend einer im Nachlass erhaltenen Liste312 unter anderen zahlreiche Betriebe aus der Textilbranche, – darunter die Seidenstoffweberei Robert Schwarzenbach und Co. in Weil am Rhein, die Stoffdruckerei Manufaktur Köchlin-Baumgartner und Co. AG in Lörrach, die Baumwollspinnerei und Zwirnerei Fessmann & Hecker und die Spinnerei und Weberei Zell-Schönau AG in Zell im Wiesental, die Teppich- und Möbelstofffabrik Wehra AG in Wehr und die Spinnerei Atzenbach AG sowie die Hanfunion AG in Schopfheim  –, aber auch beispielsweise die Eisen- und Metallgießerei J. Bernauer in Zell im Wiesental, die Maschinenfabrik Anton Zahoransky und die Vereinigte Bürstenfabriken GmbH in Todtnau, die Tapetenfabrik Salubra-Werke in Grenzach, die Schuhfabrik und Gerberei Krafft in Fahrnau, die Schokoladenfabrik Ph. Suchard in Lörrach, die Chemiefabrik F. Hoffmann-La Roche & Co. in Grenzach sowie die Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt und die Aluminium-Industrie in Rheinfelden. Lehre während des Krieges und nach Kriegsende Während des Krieges313 hatte ­Eucken für das 2. Trimester 1940 ein »Wirtschaftsrechtliches Seminar« gemeinsam mit Großmann-Doerth und dem Betriebswirt Martin Lohmann angekündigt.314 Im 1. Trimester 1941 und Sommersemester 1941 hielt ­Eucken gemeinsam mit Großmann-Doerth und Lohmann ein »Proseminar für Wirtschaftsordnung und Betriebspolitik.« Danach fand kein Gemeinschaftsseminar mehr statt, denn im September 1941 wurde Großmann-Doerth erneut zur Wehrmacht eingezogen und im März 1943 wurde Lohmann eingezogen.315 Im Wintersemester 1942/43 befasste sich ­Eucken in seinem Volkswirtschaftlichen Seminar, jeweils donnerstags von 18 bis 20 Uhr, mit dem Problem der Wirtschaftsordnung, wie aus einigen erhalten gebliebenen studentischen Protokollen zu den Seminarsitzungen hervorgeht. Beispielsweise ging es in der Seminarsitzung vom 18. Februar 1943 um die Freiheitsidee bei Adam Smith und Quesnay, am 25. Februar 1943 um einen Vergleich des Ordnungsdenkens von Quesnay, Adam Smith, Jean-Baptiste Say und Sismondi sowie am 11. März 1943 um den Vergleich des Ordnungsdenkens bei St. Simon und den St. Simonisten 311 ­Eucken

an Edith Eucken, 5.2.1938, ThULB, NL WE. Verzeichnis der Firmen, die im Rahmen der Besichtigungsfahrten besucht werden, Typoskript, ThULB, NL WE. 313 Das Wintersemester 1939/40 fand nicht statt. Die Universität wurde erst am 8.1.1940 wieder geöffnet. Es wurden Trimester eingeführt. Zur Lage der Universität Freiburg im Krieg siehe Schnabel (1991: 221–241). 314  Es fand indes ohne Großmann-Doerth statt, da er erstmals zur Wehrmacht eingezogen war. Für die Lebensdaten zu Großmann-Doerth siehe Speck (2005). 315  Vgl. Brintzinger (1996: 133). 312 



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mit jenem bei Quesnay und Adam Smith.316 Im Sommersemester 1944 und im Wintersemester 1944/45 hielt ­Eucken gemeinsam mit den Nationalökonomen von Dietze und Lampe ein »Volkswirtschaftliches Gemeinschaftsseminar.« Zu Beginn des Jahres 1944 sollte »dem Nationalökonomen und Kritiker der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik Walter ­Eucken jede Vortragstätigkeit an der Universität« auf Betreiben des damaligen »Freiburger Dozentenführers«, des Physikers Eduard Steinke, mit »Rückendeckung der Reichsdozentenführung«317 untersagt werden. Allerdings wurde dieses Vorhaben vom damaligen Rektor, dem Mathematiker Wilhelm Süss (1895–1958), nicht unterstützt.318 Rektor Süss war es auch, der E ­ ucken kurz vor Kriegsende nahelegte, sich in den Wäldern des Schwarzwaldes in Sicherheit zu bringen, denn ihm sei zu Ohren gekommen, dass der Gauleiter Wagner gedroht habe, man könne nicht alle ­ ucken blieb Regimegegner beseitigen, aber »der Eucken, die Rübe muss ab.«319 E jedoch in der Goethestraße, denn er war sich sicher, dass Wagner anderes zu tun haben würde. Im Wintersemester 1944/45, nach dem alliierten Luftangriff auf Freiburg vom 27. November 1944, waren die Gebäude der Universität beschädigt und die meisten Studierenden bereits aus Freiburg evakuiert, so dass ein geordneter Studienbetrieb nicht mehr stattfinden konnte. An der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät blieben die Seminarbibliotheken weitgehend erhalten320, und die volkswirtschaftlichen Lehrveranstaltungen wurden für die wenigen verbliebenen Studierenden in den Räumen der früheren Frauenberufsschule in der Goethestraße 2 gehalten. Euckens Volkswirtschaftliches Seminar, das sich – wie Ernst Heuß es erinnert – mit den Nachkriegsplänen für eine neue internationale Währungsordnung (Bretton Woods) befasste, fand abends statt, die Referate bei Kerzenlicht, die anschließenden Diskussionen dann oft im Dunkeln bei Mondschein.321 Unmittelbar nach Kriegsende habe er sich »große Sorge um die Universität« gemacht, berichtete ­Eucken in einem Brief an Hayek, »deren Weiterbestehen aber jetzt gesichert ist.«322 ­Eucken befürchtete die Schließung der Universität 316  Vgl. Rosemarie Grein, Protokoll der Seminarsitzung vom 18.2.1943; F. Grüters, Protokoll zu der Seminarsitzung vom 25.2.1943; Inge Schwartz-Arayasy, Protokoll zur Sitzung vom 11.3.1943 des Seminars von Herrn Prof. Eucken; Volkswirtschaftliches Seminar der Universität Freiburg, Protokolle und Referate, Wintersemester 1942/43, Typoskripte, Fachbibliothek Wirtschaftswissenschaften der Universitätsbibliothek Freiburg. Für den Hinweis auf diese Protokolle danke ich Lachezar Grudev. 317  Grün (1999b: 179), gestützt auf einen Brief von Eduard Steinke an Rektor Süss vom 3.2.1944, UAF, C 89/4. 318  Grün (1999b: 179). 319  [Oswalt]-­Eucken (2014: 79). 320  Schnabel (1991: 239). 321  Vgl. Heuß ([1991] 2005: 466.). 322 ­Eucken an Hayek, 10.11.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40.

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durch die französische Besatzungsmacht. Deshalb war es ihm wichtig, dass der Lehrbetrieb möglichst bald weiterlief. Im Januar 1946 wurde der offizielle Universitätsbetrieb wiederaufgenommen, ein Vorlesungsverzeichnis liegt indes erst ab dem Sommersemester 1946 vor. Im Sommersemester 1948 knüpfte ­Eucken an die Tradition der Gemeinschaftsseminare von Volkswirten und Juristen an und veranstaltete gemeinsam mit dem Rechtswissenschaftler Ernst von Caemmerer (1908–1985) ein »Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar.« Euckens für das Sommersemester 1950 angekündigte Vorlesungen »Einführung in die Geldtheorie und Währungspolitik« und »Ausgewählte Probleme der Geld- und Vollbeschäftigungstheorie« sowie sein Volkswirtschaftliches Seminar und sein gemeinsam mit von Dietze und Miksch geplantes Doktorandenseminar fanden nicht mehr statt. ­Eucken war im März 1950 überraschend verstorben. 17.2. Erinnerungsbilder der Eucken-Schüler Walter E ­ ucken bildete zahlreiche Schüler aus. Bei den von ihm vergebenen Dissertationsthemen legte er im Gegensatz zu den zuvor an der Freiburger Fakultät üblichen, überwiegend deskriptiven Arbeiten Wert auf eine fundierte theoretische Analyse. Sein erster in Freiburg angenommener Doktorand, Fritz Dobler, schrieb 1928 eine Dissertation zum Thema Kritische Untersuchungen zur Theorie der Kaufkraftparitäten. Es folgten dreizehn weitere Dissertationen mit theoretischen Analysen zur Konjunkturtheorie sowie zu geld- und währungspolitischen Themen.323 Darunter war 1929 die Dissertation von Euckens erstem Freiburger Assistenten Georg Kepper zum Thema Die Konjunkturlehren der Banking- und der Currencyschule. Im Zeitraum von 1933 bis 1945 nahm ­Eucken an der Universität Freiburg 45 Promotionen vor.324 Drei seiner Schüler habili323 

Vgl. Brintzinger (1996: 53). Von den insgesamt 128 Promotionen zum Dr. rer. pol., die in der Zeit von 1933 bis April 1945 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät abgeschlossen wurden, entfielen Brintzinger (1996: 120) zufolge 45 auf Eucken, 25 auf von Dietze, 20 auf Lampe, 11 auf Pfister, 6 auf Wilken, 6 auf Schröder, 5 auf Mahlberg, 5 auf Lohmann, 4 auf Diehl, 1 auf Lutz und 1 auf Hasenack. Brintzinger (1996: 121 f.) zufolge, der indes Meyer, Lenel und Markwalder nicht erwähnt und das Dissertationsthema von Hensel anders bezeichnet, wurden in dieser Zeit bei E ­ ucken u. a. promoviert: Heinrich Marquardt: Die Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion an den Preisen: zugleich ein Beitrag zur Theorie des verbundenen Angebots (1934), Fritz W. Meyer: Über den Mechanismus des Zahlungsbilanzausgleichs (1937), Karl Paul Hensel: Ordnungspolitische Untersuchungen über die gewerblichen Arbeitsverhältnisse im 19. Jahrhundert in Deutschland (1937), Ulrich Leffson: Die wirtschaftlichen Wirkungen des technischen Fortschritts (1938), Joseph Höffner: Das Monopolproblem im 15. und 16. Jahrhundert – Wirtschaftsethik und Monopol (1940), Hans Otto Lenel: Die Wirkungen einer Preisfestsetzung durch den Staat in einer Verkehrswirtschaft (1942), Joachim Tiburtius: Die Kapitalismuskritik von Marx und 324 



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tierten sich in dieser Zeit für das Fach Volkswirtschaftslehre325, nämlich im Jahr 1932 Friedrich A. Lutz und im Jahr 1938 Leonhard Miksch und Fritz W. Meyer. Auch Elisabeth Liefmann-Keil wäre bereits 1937/38 habilitationsreif gewesen, konnte sich jedoch aus politischen Gründen erst im Juli 1946 habilitieren.326 Einen besonderen Schüler erhielt ­Eucken im Jahr 1937. Es war der katholische Priester Joseph Höffner (1906–1987), der spätere Kardinalerzbischof von Köln und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Höffner war nach Studien in Rom und einer anschließenden Tätigkeit als Seelsorger in Saarbrücken 1937 für weitere Studien freigestellt worden und ging an die Universität Freiburg: zum einen, um dort auf ein zweites theologisches Doktorat hinzuarbeiten, das er im April 1938 erwarb327; zum anderen, um parallel dazu das Studium der Nationalökonomie aufzunehmen und den neuartigen ordnungsökonomischen Denkansatz der Freiburger Schule kennenzulernen, die sich seit 1934 um ­Eucken formierte. Im Februar 1939 bestand Höffner die Prüfung zum Diplom-Volkswirt und wurde Doktorand bei Eucken. Neben der Ausübung seines Amtes als Pfarrer in Kail an der Mosel verfasste Höffner seine wirtschaftswissenschaftliche Doktorarbeit, die nach seiner im Januar 1940 erfolgten Promotion zum Dr. rer. pol. unter dem Titel Wirtschaftsethik und Monopole im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert in der von E ­ ucken mitherausgegebenen Reihe Freiburger Staatswissenschaftliche Schriften als Heft 2, dem letzten Heft dieser Reihe, im Jahr 1941 veröffentlicht wurde. 1942 stellte Höffner seine theologische Habilitationsschrift328 fertig, zu deren Gutachtern neben dem Freiburger Moraltheologen Theodor Müncker auch die Freiburger Ökonomen ­Eucken und von Dietze gehörten329, die zu jener Zeit in den geheimen oppositionellen Freiburger Kreisen aktiv waren. Bei Höffners Habilitation für das Fach Moraltheologie am 21. Juni 1944 in Freiburg zählten Keynes (1942), Ernst Heuß: Der Zins als monetäre Erscheinung (1944) und Ursula Markwalder: Kritik und Ueberwindung der Konkurrenz bei den Saint Simonisten und Sismondi (1944). 325  Berndt/Goldschmidt (2000: 4) merken an, dass Brintzinger (1996: 125 f.) irrt, wenn er die Habilitation von Miksch als einzige für das Fach Volkswirtschaftslehre an der Freiburger Fakultät während der Jahre 1933 bis 1945 ansieht. Eine Ursache für die insgesamt geringe Zahl von Habilitationen vermutet Brintzinger (1996: 126) in der seit 1935 gültigen Reichshabilitationsordnung, die für die Zulassung zu einer Dozentur die Teilnahme an einem sogenannten Dozentenlager sowie eine positive politische Beurteilung voraussetzt. Miksch hat eine Zulassung zur Dozentur nicht beantragt. 326  Vgl. Goldschmidt/Klinckowstroem (2005: 193 f.). 327  Höffners 1934 an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom erworbener theologischer Doktorgrad wurde im nationalsozialistischen Deutschland nicht anerkannt. Vgl. Rauscher (2007: 6). 328  Erst im Jahr 1947 veröffentlicht unter dem Titel Christentum und Menschenwürde: Das Anliegen der spanischen Kolonialethik im goldenen Zeitalter. 329  Vgl. Rauscher (2007: 9).

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dann E ­ ucken und von Dietze  – so ist dem Protokoll über das Habilitationskolloquium zu entnehmen  – zu denjenigen, die sich an der Diskussion von Höffners Vortrag zum Thema »Die christliche Naturrechtslehre der spanischen Spätscholastik in ihren Beziehungen zu den Anfängen der Völkerrechtswissenschaft« beteiligten.330 ­Eucken war sehr angetan von Höffners wirtschaftswissenschaftlicher Dissertation, die anhand zahlreicher konkreter Beispiele nachwies, dass die Spätscholastiker der Monopolbildung und staatlichen Preisregulierungen kritisch gegenüberstanden. Und ­Eucken verwies in seinen beiden Hauptwerken – den Grundlagen der Nationalökonomie und den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik – zu Fragen der Monopolbildung in der mittelalterlichen Wirtschaft auf die historische und grundlegende Arbeit Höffners. Höffner wurde in seiner positiven Einstellung zur freien, sozialverpflichteten Marktwirtschaft durch die Begegnung mit der Freiburger Schule geprägt331, und sein sozialethisches Lebenswerk lässt sich in weiten Teilen als eine »Art praktische Theologie ordnungsökonomischer Provenienz«332 lesen. Wie haben die Schüler ihren Lehrer ­Eucken in Erinnerung? Friedrich A. Lutz, einer seiner ersten Schüler, hebt hervor, dass sich um ­Eucken eine »große Reihe von Schülern sammelte«, und das vor allem aus folgendem Grund: »Euckens starke menschenformende Persönlichkeit, seine imponierende allgemeine – vor allem historische und philosophische – Bildung, sein mutiges und kompromißloses Festhalten an seinen Ideen in den Jahren 1933–1945, sein klares Bild von […] den Aufgaben der Wirtschaftswissenschaft, sein ausgesprochener Sinn für das Wesentliche, alles das hat schulbildend gewirkt.«333 Viele aus dem großen Kreis von Eucken-Schülern wurden selbst zu Hochschullehrern.334 Einige sollen an dieser Stelle zu Wort kommen: 330 

Vgl. Henning (1988: 12). Vgl. Rauscher (2007: 9). 332  Goldschmidt/Nothelle-Wildfeuer (2010: IV ); vgl. dazu auch Goldschmidt (2010). 333  Lutz (1961: 355). 334 Zu Hochschullehrern für Ökonomie wurden später zum Beispiel: Friedrich A. Lutz, Karl F. Maier, Fritz W. Meyer, Leonhard Miksch, Ernst Heuß, Hans Otto Lenel, Karl Paul Hensel, Günther Koberstein. Auch eine Reihe einflußreicher Beamter, u. a. Rolf Gocht (Bundesbank), Otto Schlecht (Bundeswirtschaftsministerium), und Journalisten, neben anderen Hans Herbert Götz, Wilhelm Seuss und Ernst Günter Vetter, gingen aus der Freiburger Schule hervor. Nach vorbereitenden Treffen, die in Euckens Todesjahr begannen, schloss sich bei einem Treffen in Freiburg an Ostern 1953 eine große Zahl von Euckens ehemaligen Studierenden und Doktoranden – eine damalige Adressenliste enthält 110 Namen – unter Leitung von Günther Heinicke im Eucken-Kreis zusammen. Vgl. Rundbrief Heinicke, Weihnachten 1952, ThULB, NL WE. Ab 1986 lag die Leitung des Eucken-Kreises bis zu dessen Auflösung im Jahr 2000, dem fünfzigsten Todesjahr Euckens, in den Händen von Hermann Leßmann. Im Jahr 1954 gründeten Freunde und Schüler Euckens das Walter ­Eucken Institut e. V. in Freiburg. 331 

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Leonhard Miksch zeichnet folgendes Bild: Wenn ­Eucken »nach oft langem Schweigen das Wort nahm, dann rangen sich die einzelnen Sätze schwer von seinen Lippen. Er kämpfte sichtbar um den angemessenen Ausdruck, kraftvolle Gesten von Arm und Hand schienen die im Raume schwebenden Gedanken und Worte zu packen, um sie jenseits der Kluft, die Denken und Sprechen trennt, zusammenzuzwingen.«335 »Schloß ­Eucken die Augen, und er tat es stets, wenn er zuhörte, dann war sein Schädel bewegungslos […], die Verkörperung gespanntester Aufmerksamkeit.«336 »Langsam und mit strenger Selbstkritik tastete er sich an die schwierigsten Probleme heran, fertigte Manuskripte oft lange Zeit im Schreibtisch haltend.«337 »Was er seinen Schülern und Helfern in kamaradschaftlicher Zusammenarbeit gibt, ist in erster Reihe eine wissenschaftliche Haltung […]. Rationales und Emotionales werden mit peinlicher Reinlichkeit getrennt. Erst nach strenger Durchführung des Denkprozesses werden sie wieder zur normativen Forderung verschmolzen.«338 Hans Otto Lenel charakterisiert E ­ ucken im Rückblick so: »Seine Aufgabe als Hochschullehrer nahm E ­ ucken sehr ernst. […] Um zu erkennen, wo Wissenslücken vorhanden waren, sah er die Arbeiten seiner Studenten vollständig selbst durch. […] Er beschränkte sich nicht auf die Vermittlung von ›abfragbarem‹ Fachwissen. Wichtiger war es ihm, die Studenten zu lehren, wie ökonomische Probleme zu analysieren und zu lösen sind. Auch legte er großen Wert darauf, den Studenten einen Einblick in die Wirtschaftspraxis und Kontakte zu anderen Zweigen der Wissenschaft zu verschaffen, die für den Ökonomen bedeutsam sind. Dazu veranstaltete er Betriebsbesichtigungen, verbunden mit Gesprächen mit den leitenden Herren, und Diskussionen mit Vertretern anderer Fächer.«339 Ernst Heuß erinnert aus dem Sommersemester 1941, als er Euckens Vorlesung »Konjunktur und Konjunkturpolitik« hörte: »­ Eucken sprach eher bedächtig, rhetorische Floskeln waren ihm völlig fremd. Trotzdem zog er die Aufmerksamkeit auf sich. In seinem Äußeren war er von recht hagerer Gestalt und wirkte eher etwas ungelenkig.«340 Zudem schildert Heuß die Gastlichkeit des Ehepaares Eucken: »Alle Jahre lud er an einem Abend einen Kreis von etwa zehn bis fünfzehn Studenten zu sich ein, die dann an zwei großen, runden Tischen saßen; an dem einen er, am anderen Frau Eucken. Im Laufe des Abends wechselten sie dann die Tische. So hatte E ­ ucken auch Einblick in das, was die Studenten bewegte, und er war […] ein aufmerksamer Zuhörer.«341 In dieser 335 

Miksch (1950: 287). Miksch (1950: 280). 337  Miksch (1950: 286). 338  Miksch (1937). 339  Lenel (1990: 17). 340  Heuß ([1991] 2005: 461). 341  Heuß ([1991] 2005: 462). 336 

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Runde, so erinnert es Euckens Tochter, sei meist über nicht-fachliche Themen diskutiert worden, so beispielsweise im Wintersemester 1942/43 über Albert Schweitzers Buch Ehrfurcht vor dem Leben. Wie provokant ein solches Thema zu jener Zeit war, habe sie erst später verstanden.342 Hermann Leßmann, der ab 1946 in Freiburg studierte, erinnert, dass er und einige Kommilitonen einmal pro Woche bei Euckens zum Essen eingeladen wurden, wobei das »Kartoffelproblem«, von dem zuvor in einer von Elisabeth Liefmann-Keil abgehaltenen volkswirtschaftlichen Übung die Rede gewesen sei, von Frau E ­ ucken sozusagen »von der praktischen Seite angepackt« wurde, denn der Hunger sei »in jener Zeit ein ständiger Begleiter von uns Studenten« gewesen. Leßman erinnert auch einen Diskussionsabend bei Euckens in der Goethestraße im Wintersemester 1949/50, bei dem es um die Theologie von Karl Barth ging. »Bei diesem Thema waren wir als Studenten der Nationalökonomie mit unserem Latein bald am Ende«, schildert er, »zum Glück hatten wir im Kollegenkreis zwei ›gelernte Theologen‹ dabei, Pater Polycarp von den Benediktinern und Pater Engel von den Herz-Jesu-Priestern. Unsere beiden ›Fachleute‹ sprangen für uns ein und führten eine für uns Laien hochinteressante Diskussion. Der Abend wurde mit einem leichteren Thema abgeschlossen: Walter E ­ ucken las einen amüsanten Zeitungsartikel vor, der das Betrachten abstrakter Bilder zum Gegenstand hatte.«343 Franz Böhm, der Freund und Kollege, hebt hervor: Für ­Eucken »kam alles darauf an, junge Schülergenerationen zu geistiger Selbständigkeit heranzubilden und theoretisch […] auszurüsten […]. [M]it großer Zähigkeit und Beharrlichkeit, zuweilen beinahe mit robuster Energie hat er sich für diese Formen des Wirkens die erforderliche Arbeitszeit gesichert, um nicht zu sagen erboxt.«344 Fritz W. Meyer soll gern die Anekdote erzählt haben, wie ihm bei einem Besuch in der Goethestraße 10 das Hausmädchen der Euckens die Tür geöffnet und im besten Alemannisch festgestellt habe: »Sie könne de Herr Professor jetzt nit spreche, de Professor lernt!«345 Die Erinnerung an den Lehrer und Freund E ­ ucken fasst Böhm schließlich wie folgt zusammen: »Er war ein geistiger Ermutiger als Denker und als Mensch.«346 »In der Tat ging von ­Eucken eine große Autorität und Kraft aus. Dabei war er völlig frei von Herrschsucht, von Geltungsbedürfnis und vom 342 

Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 74). Hermann Leßmann. Ansprache auf dem Treffen des Eucken-Kreises am 29./30.5.1976 in Freiburg, in Rundbrief des Vorsitzenden des Eucken-Kreises, Günther Heinicke, 20.12.1976, ThULB, NL WE. 344  Böhm (1950: LXIV ). 345 Vgl. Hermann Leßmann. Ansprache auf dem Treffen des Eucken-Kreises am 29./30.5.1976 in Freiburg, in Rundbrief des Vorsitzenden des Eucken-Kreises, Günther Heinicke, 20.12.1976, ThULB, NL WE. 346  Böhm ([1950] 1960: 176). 343 Vgl.



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Willen, auf Mitmenschen, auf die öffentliche Meinung, auf das Publikum persönlichen Eindruck zu machen. Er war ganz und mit großem Ernst der Sache zugewendet und in der Berührung mit Menschen von großer Aufmerksamkeit; er ließ jede begründete Meinung gelten und respektierte die Freiheit und Autonomie seiner Mitmenschen selbst im heftigsten Meinungsgefecht. […] [E]r war nicht nur ein unvergleichlicher Lehrer und Anreger, er war auch […] ein großer Ermutiger.«347 Ermutigung und Rat ließ ­Eucken vielen seiner Schüler zukommen. Ein besonders vertrauensvoller Kontakt entwickelte sich zwischen ­Eucken und seinem Diplomanden August Lösch. Obgleich Lösch anschließend in Bonn 1932 promovierte und 1936 habilitierte, blieb ­Eucken für Lösch einer seiner wichtigsten Mentoren und Förderer  – sogar mit einer privaten Geldzuwendung, damit Lösch 1939 sein Hauptwerk Die räumliche Ordnung der Wirtschaft fertigstellen konnte.348 Nachdem Lösch 1940 in Kiel eine Stelle als Forschungsgruppenleiter am Institut für Weltwirtschaft angetreten hatte349, ihm jedoch eine Laufbahn als Hochschullehrer aufgrund seiner Weigerung, der Partei beizutreten, unmöglich gemacht wurde, intensivierte sich der Briefkontakt zwischen Lösch und Eucken: Lösch unterstützte ­Eucken bei der Literaturbeschaffung aus dem Kieler Institut und teilte ihm manche Neuigkeit mit, beispielsweise mit Bezug auf Euckens Freund Hans Gestrich oder den Statistiker und Ökonometriker Oskar Anderson.350 So berichtete Lösch im April 1942: »In Berlin hatte ich das Vergnügen, Gestrich kennen zu lernen. Anderson aus Sofia ist jetzt in Kiel.«351 ­Eucken wurde für Lösch zu einem wichtigen Ratgeber: Als Lösch ­Eucken im August 1943 von seiner erfolglos verlaufenen Bemühung um eine Dozentur ­ ucken ihm  – mit verklausuliertem oder einen Lehrauftrag berichtete352, riet E Hinweis auf die politische Lage  –, man dürfe dies »nicht zu ungünstig beurteilen. Das Datensystem wird sich vollständig ändern und dann wird es Ihnen nur von Nutzen sein, daß Sie jetzt nicht durchdrangen. Man muß Episode und Dauerzustand unterscheiden. Und was in der Episode ein Mißerfolg zu sein 347 Franz Böhm, Gedenkworte am Grab Walter Euckens am 30.5.1976, Typoskript, Anlage zum Rundbrief des Vorsitzenden des Eucken-Kreises, Günther Heinicke, 20.12.1976, ThULB, NL WE. 348  Vgl. Künkele-Lösch (1971: 101). 349  Vgl. Bieri (2020: 22 f.). Für biographische Angaben zu August Lösch sowie zum Briefwechsel zwischen E ­ ucken und Lösch siehe Bieri (2021). 350 Lösch konnte offensichtlich davon ausgehen, dass der Baltendeutsche Oskar Anderson (1887–1960), der seit 1935 Gründungsdirektor des Statistischen Instituts für Wirtschaftsforschung an der Staatlichen Universität Sofia (SWIFO) war und ab 1942 die Leitung der Abteilung Ostforschung am Kieler Institut für Weltwirtschaft übernahm, für ­Eucken kein Unbekannter war. Zu Anderson siehe Kolev (2022). 351  Lösch an Eucken, 25.4.1942, ThULB, NL WE, Kasten 5, zit. nach Bieri (2021: 246). 352  Lösch an Eucken, 7.8.1943, ThULB, NL WE, Kasten 5, zit. nach Bieri (2021: 288).

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scheint, ist à la longue vielleicht ein Erfolg.«353 Und als Lösch sich im September 1943 beklagte, der »ständige Ärger hier hat mich […] leider etwas zermürbt«354, versuchte Eucken, ihn zum Durchhalten zu ermutigen, mit den Worten: »Sie erwarten von den Menschen viel zu viel. […] ›Über das Niederträchtige Niemand sich beklage: Denn es ist das Mächtige, was man dir auch sage‹ meinte Goethe. Ich rate: […] seien Sie mindestens so pessimistisch wie Schopenhauer oder auch wie Kant, der von dem krummen Holze spricht, aus dem der Mensch gemacht ist. – Dann kommen Sie zur Lebensfreude und Positivität und verrennen sich nicht in Verbitterung. Denn nun freuen Sie sich, wenn Sie hier und da Spuren von sachlichem Interesse, Mut, Hilfsbereitschaft finden.«355 Bereits kurz nach Kriegsende setzte sich E ­ ucken mit einem ausführlichen Empfehlungsschreiben für Löschs wissenschaftliches Fortkommen ein und bestätigte, Lösch habe sich »durch seine hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten […] einen ausserordentlich angesehenen Namen in Deutschland und in den angelsächsischen Ländern erworben.«356 Von Löschs allzu frühem plötzlichen Tod am 30. Mai 1945 erfuhr ­Eucken erst im September 1945.357

18. Wirken als Forscher: Forschungsgemeinschaft mit Juristen 18.1. Gründung der Freiburger Schule In den Jahren 1932 und 1933 führte »ein höchst seltsamer Zufall«358 – so nannte es Franz Böhm im Rückblick – Walter E ­ ucken mit zwei Juristen zusammen, mit denen sich in Freiburg eine intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit entwickeln sollte: Der eine war Franz Böhm (1895–1977), mit dem Walter ­Eucken wohl erstmals im Februar 1932 in Freiburg zusammentraf 359, als Böhm mit einer bei dem Handelsrechtler Heinrich Hoeniger (1872–1961) verfassten kartellkritischen Arbeit promoviert wurde. E ­ ucken hatte zu dem Zeitpunkt Arbeiten von Böhm gelesen und von ihnen, wie er seinen Berliner Freund 353 ­Eucken

291).

354 

an Lösch, 19.8.1943, StA HDH, NL Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021:

Lösch an Eucken, 3.9.1943, ThULB NL WE, Kasten 5, zit. nach Bieri (2021: 293). an Lösch, 16.9.1943, StA HDH, NL Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021:

355 ­Eucken

294).

356 

Eucken, Empfehlungsschreiben für Lösch, 12.7.1945, StA HDH, NL Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 321). 357  Erika Lösch an Eucken, 1.9.1945, ThULB, NL Eucken, Kasten 5, zit. nach Bieri (2021: 324). 358  Böhm ([1957] 1960: 161). 359  Vgl. Dathe (2014e: 137).

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Rüstow wissen ließ, einen ausgezeichneten Eindruck erhalten.360 Rüstow war bereits zuvor in Berlin auf Böhm aufmerksam geworden, der nach Studium und Ernennung zum Staatsanwalt in Freiburg von 1925 bis 1931 in Berlin als Referent in der Kartellabteilung des Reichswirtschaftsministeriums tätig war361, dann jedoch nach Freiburg zurückging, um, wie er Rüstow im Juli 1931 schrieb, mit einer Dissertation »den Kampf […] gegen die Koryphäen des deutschen Wettbewerbsrechts«362 zu führen. Böhm hatte bereits 1928  – im Vorfeld des mit Kartellfragen befassten 35. Deutschen Juristentages  – mit seinem Aufsatz »Das Problem der privaten Macht. Ein Beitrag zur Monopolfrage«363 auf sich aufmerksam gemacht. Der andere war Hans Großmann-Doerth (1894–1944), der 1933 aus Prag als Nachfolger Hoenigers364 nach Freiburg berufen wurde und am 11. Mai 1933, zwei Wochen vor der Rektoratsrede Martin Heideggers, seine Antrittsvorlesung zum Thema »Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht« hielt.365 Mittlerweile hatte Franz Böhm bereits im April 1933 seine Habilitationsschrift über Wettbewerb und Monopolkampf eingereicht, und die Fakultät bestellte den neuberufenen Hans Großmann-Doerth als Erstgutachter sowie  – zusätzlich zu dem juristischen Zweitgutachter Claudius Freiherr von Schwerin366 – Walter Eucken als dritten Gutachter für Böhms Arbeit. Eucken, Großmann-Doerth und Böhm entdeckten, dass sie sich bereits unabhängig voneinander mit den gleichen wissenschaftlichen Fragestellungen befasst hatten, die damals sozusagen »in der Luft lagen.«367 Was sie von da an gemeinsam beschäftigte, war, wie es Böhm im Rückblick zusammenfasste, »die Frage der privaten Macht in einer freien Gesellschaft. Sie führt notwendig weiter zur Frage, wie die Ordnung einer freien Wirtschaft beschaffen ist. Von da gelangt man zu der Frage, welche Typen und Möglichkeiten von Wirtschaftsordnungen es überhaupt gibt, welche Rolle in ihnen jeweils die Macht spielt, und zwar sowohl die Macht der Regierung als auch die Macht von Privatpersonen und privaten Gruppen, und welche Ordnungsstörungen auftreten, wenn sich innerhalb des Staates und der Gesellschaft eine

360 ­ Eucken

an Rüstow, 11.2.1932, BArch, N 1169/3, zit. nach Dathe (2014e: 147, Anm. 28). 361  Vgl. Hansen (2009: 495). 362  Böhm an Rüstow, 4.7.1931, BArch, N 1169/23, Bl. 82, zit. nach Dathe (2014e: 147, Anm. 27). 363  Böhm ([1928] 1960). 364  Heinrich Hoeniger folgte 1932 einem Ruf nach Kiel, wurde 1935 als »Nichtarier« entlassen und emigrierte 1938 in die USA, von wo er 1950 als Kollege Böhms an die Universität Frankfurt zurückkehrte. Vgl. Hansen (2009: 40). 365  Großmann-Doerth ([1933] 2005). 366  Vgl. Hollerbach (2005: 27). 367  Böhm ([1957] 1960: 161).

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andere Machtverteilung herausbildet als diejenige, die dem jeweiligen Wirtschaftssystem ordnungskonform ist.«368

Bereits im Wintersemester 1933/34 saßen Eucken, Böhm und GroßmannDoerth gemeinsam im ersten Gemeinschaftsseminar für Juristen und Volkswirte, das Großmann-Doerth und Adolf Lampe unter dem Titel »Grundlagen und Ziele einer rechtlichen Neugestaltung der Wirtschaftsordnung« angekündigt hatten. Im Sommersemester 1934 veranstalteten Eucken, Böhm und GroßmannDoerth ein Gemeinschaftsseminar über »Kartellrecht und Kartellpolitik«, was sie, wie Böhm rückblickend festhielt, »in täglichem Gedankenaustausch und in pädagogischem Zusammenwirken« in »engsten persönlichen Kontakt miteinander«369 brachte. Das Gemeinschaftsseminar wurde zur Keimzelle der Forschungs- und Lehrgemeinschaft zwischen Juristen und Volkswirten. Bereits 1935 erwähnte ­Eucken in einem Brief, dass sich »eine Art Eucken-Schule« entwickele, obwohl er es »gar nicht darauf angelegt«370 habe. 1937 verwendete er dann den Begriff »Freiburger Schule.«371 An den Diskussionsrunden dieser Seminargemeinschaft beteiligten sich auch weitere Freiburger Fakultätskollegen, wie Adolf Lampe, Friedrich A. Lutz, Bernhard Pfister und Rudolf Johns. Zudem stand die sich etablierende Forschungsgruppe der »Freiburger Schule« in enger wissenschaftlicher Beziehung zu zwei mit E ­ ucken befreundeten Wirtschaftstheoretikern372 in Berlin, die damals als volkswirtschaftliche Berater bei Banken tätig waren, nämlich Otto Veit (1898–1984)373 beim Bankhaus Hardy & Co. und Hans Gestrich bei der Preußischen Staatsbank. Bereits im Sommersemester 1934 dachten ­Eucken und seine beiden juristischen Kollegen daran, eine neue Schriftenreihe zu gründen, die einzelne Arbeiten aus ihrer Forschungsgruppe unter einem programmatischen Titel zusammenfassen und damit ihrem gemeinsamen ordnungsökonomischen Forschungsprogramm Sichtbarkeit und Einfluss verschaffen sollte. »In Verbindung mit den Herren Großmann-D. und Böhm von der hiesigen Universität be368 

Böhm ([1957] 1960: 162). Böhm ([1957] 1960: 161). 370  Zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 64). 371 ­Eucken am 23.1.1937 in einem Brief, in dem er im Zusammenhang mit der Bewilligung eines Rockefeller-Stipendiums für F. A. Lutz feststellt: »Immerhin bleiben noch einige Freunde hier, so daß die ›Freiburger Schule‹ nicht ganz auseinander läuft«, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 65, Anm. 76). 372  Vgl. Böhm ([1957] 1960: 162). 373  Otto Veit wurde 1927 bei Wilhelm Gerloff in Frankfurt promoviert und arbeitete anschließend als Referent für Handels- und Wirtschaftspolitik im Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten, übernahm 1931 die Leitung einer Abteilung der »Reichsstelle für den Außenhandel«, bis er 1934 aus rassischen Gründen entlassen wurde und danach als Berater für das von seinem Großvater in Berlin gegründete Bankhaus Hardy & Co. GmbH tätig war. Vgl. Rieter (2017: 736–738). 369 

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absichtige ich, eine Sammlung von Schriften herauszugeben, in der Probleme ­ ucken daraufder Wirtschaftsverfassung behandelt werden sollen«374, notierte E hin im Oktober 1934. Auch die Idee, den Titel Ordnung der Wirtschaft für die Schriftenreihe zu wählen, entstand im Sommersemester 1934, und zwar während einer mehrtägigen Seminardiskussion zum Thema »Krisis des Kapitalismus«, die vom 29. Mai bis 1. Juni 1934 in Titisee bei Freiburg stattfand.375 Franz Böhm habe dort, so geht es aus einem Briefwechsel Euckens mit Böhm hervor, »die Skizze einer Ordnung, in der die Wirtschaft funktionieren kann«, entworfen, und dadurch sei eine neue geistige Haltung zum Ausdruck gekommen, die sogenannte »Titisee-Linie«: Es sei nicht um den Austausch »weltanschaulicher Bekenntnisse« gegangen, sondern um »sachkundiges, unabhängiges Erfassen der Probleme so, dass jeder einzelne Hergang als Teil der Gesamtordnung begriffen wurde.«376 Und später hielt ­Eucken fest: »Es ist nun gerade eine Hauptstärke der Schriftenreihe, dass sie von dieser ›Titisee-Linie‹ ausgehend, von den Erfordernissen der Sache also nicht von der Weltanschauung her anhebt. […] So konstruieren wir, von einzelnen Problemen herkommend, einen Gesamtplan.  – Von unten her, d. h. von den konkreten Problemen, nicht von oben, d. h. von der Weltanschauung aus.«377 Ausführlicher formulierten die drei Herausgeber dann Grundanliegen und Zielsetzung der Schriftenreihe Ordnung der Wirtschaft in dem mit »Unsere Aufgabe«378 überschriebenen Einleitungstext, den sie den ersten beiden Heften der Schriftenreihe voranstellten und der, wie ­Eucken schrieb, als er Elisabeth Liefmann-Keil den Text zusandte, »mit Ausnahme einiger Sätze […] von mir stammt.«379 Es gelte, so führt der Text aus, »die wissenschaftliche Vernunft, wie sie in der Jurisprudenz und in der Nationalökonomie zur Entfaltung kommt, zum Aufbau und zur Neugestaltung der Wirtschaftsverfassung zur Wirkung [zu] bringen.«380 Dabei müsse »[d]ie Behandlung aller konkreten rechts- und wirtschaftspolitischen Fragen […] an der Idee der Wirtschaftsverfassung ausgerichtet sein.«381 374 

Briefentwurf E ­ ucken an Albers, 12.10.1934, ThULB, NL WE (Ordnung der Wirtschaft), zit. nach Staudt (2017: 7). 375  Vgl. Staudt (2017: 7). 376 ­Eucken an Böhm, 10.10.1936, S. 1, ThULB, NL WE (Ordnung der Wirtschaft), zit. nach Staudt (2017: 9). 377 ­Eucken an Böhm, 10.10.1936, S. 2, ThULB, NL WE (Ordnung der Wirtschaft), zit. nach Staudt (2017: 8). 378  Böhm/Eucken/Großmann-Doerth ([1936] 2008). 379 ­Eucken an Liefmann-Keil, 14.10.1936, UAS, NL Liefmann-Keil, zit. nach Goldschmidt/Klinckowstroem (2005: 187, Anm. 44). 380  Böhm/Eucken/Großmann-Doerth ([1936] 2008: 35). 381  Böhm/Eucken/Großmann-Doerth ([1936] 2008: 35).

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Damit legten die drei Herausgeber zugleich ihr Forschungsprogramm dar, das bereits die charakteristischen Grundzüge des Gedankengebäudes des Ordoliberalismus enthielt: »Die spezifische Betonung von Ordnung und die Idee einer eigenständigen Ordnungspolitik, die auf die Gestaltung eines bestimmten Ordnungsrahmens zielt, der sowohl der wirtschaftlichen Entwicklung als auch der Freiheit der Menschen zuträglich ist.«382 »Unsere Aufgabe« kann somit als ein Gründungsdokument der ordoliberalen Freiburger Schule gelten.383 Als Verlag für die Schriftenreihe Ordnung der Wirtschaft wurde der Kohlhammer-Verlag Stuttgart gewonnen. Bereits im März 1935 hatten Böhm, ­Eucken und Großmann-Doerth dies abschließend mit dem Sozialwissenschaftler Gerhard Weißer, dem wirtschaftswissenschaftlichen Lektor des Verlages, verhandelt.384 Im Juli 1935 waren E ­ ucken und Böhm gemeinsam mit Adolf Lampe, Elisabeth Liefmann-Keil (1908–1975), Erich Preiser (1900–1967) und Wilhelm Kromphardt (1897–1977) erneut zu einem Gespräch beim Kohlhammer-Verlag385, denn Gerhard Weißer wollte »besonnene Wirtschaftswissenschaftler« für das Projekt eines dreißigbändigen »Handbuch der Wirtschaftswissenschaft« gewinnen, das indes letztlich nicht zustande kam.386 Vier Wochen später erreichte Eucken, wie er seiner Frau erfreut berichtete, »ein sehr freundlicher Brief von Kohlhammer, der mir nette Photos von der Stuttgarter Zusammenkunft sendet.«387 In den Jahren 1936 und 1937 erschienen in der Schriftenreihe Ordnung der Wirtschaft insgesamt vier Arbeiten: im Jahr 1936 von Friedrich A. Lutz Das Grundproblem der Geldverfassung (als Heft 2) und von Hans Gestrich Neue Kreditpolitik (als Heft 3). Am 9. Mai 1937 konnte E ­ ucken in seinem Tagebuch notieren: »Gestern ist das Buch Böhms fertig geworden. Es hat lange gedauert, aber es ist sehr gut. Nur schade, daß er zu viel vom N. S. spricht. In zehn Jahren ist das alles veraltet, das übrige aber nicht.«388 So erschien Böhms als Heft 1 der Schriftenreihe vorgesehene Arbeit Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung mit Verspätung erst 1937. Im gleichen Jahr 1937 erschien dann als Heft 4 die Habilitationsschrift von Leonhard Miksch Wettbewerb als Aufgabe. Grundsätze einer Wettbewerbsordnung. In seinem Gut382 

Goldschmidt/Wohlgemuth (2008b: 24). Goldschmidt/Wohlgemuth (2008b: 21). 384  Vgl. Eucken, Tagebucheintrag, 17.3.1935, zit. nach Hansen (2009: 75). 385 Vgl. Blesgen (2000: 100 f.) sowie Hansen (2009: 75). Elisabeth Liefmann-Keil, die spätere »Grand Dame« der deutschen Sozialpolitik, war wenige Wochen zuvor bei Adolf Lampe in Freiburg promoviert worden, Walter ­Eucken war Korreferent ihrer Dissertation. Siehe dazu Goldschmidt/Klinckowstroem (2005). 386  Vgl. Hansen (2009: 75) und Blesgen (2000: 101). 387 ­Eucken an Edith Eucken, 9.8.1935, ThULB, NL WE; vgl. auch Abb. 29 in diesem Band. 388  Eucken, Tagebucheintrag, 9.5.1937, zit. nach Hansen (2009: 78). 383 



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achten über die Habilitationsschrift von Miksch hob ­Eucken besonders hervor, der Verfasser zeige, »dass der Wettbewerb heute als Ordnungsprinzip im Rahmen staatlicher Ordnung aufgefasst werden muss, dass er keine Naturordnung ist, sondern eine Veranstaltung des Staates.«389 »Ich halte sehr viel von dem ­ ucken an Rüstow, dem er das Buch nach Istanbul Buch von Miksch«390, schrieb E sandte. Woraufhin Rüstow antwortete, dass das Buch einen »ausgezeichneten Eindruck« hinterlasse.391 Im Spätjahr 1941 und im Frühjahr 1943 wurde, wie aus entsprechender Korrespondenz im Nachlass E ­ ucken hervorgeht, offenbar zwischen den Herausgebern eine Wiederaufnahme der Schriftenreihe verhandelt. Sie scheiterte indes an dem mittlerweile zwischen ­Eucken und Großmann-Doerth eingetretenen Bruch, wie aus einer Notiz Euckens vom 31. März 1943 hervorgeht: »Eine weitere Mitwirkung an der Herausgabe meinerseits kann ‒ zusammen mit Großmann ‒ nicht mehr stattfinden. Unsere Wege haben sich getrennt. Hier ­ ucken brach die persönlichen und kann es keinen Kompromiß geben.«392 E wissenschaftlichen Beziehungen zu dem anfangs sehr geschätzten Mitstreiter ab, als sich Großmann-Doerth in einer Publikation aus der Kriegszeit mit antijüdischen Klischees der nationalsozialistischen Ideologie annäherte.393 Hingegen entwickelte sich zwischen Walter E ­ ucken und Franz Böhm aus der intensiven wissenschaftlichen Zusammenarbeit auch eine private Freundschaft. Böhm gehörte zu den Gästen, die 1935 bei Euckens in der Goethestraße die Hochzeit von Euckens Schwager Gerhard Erdsiek und 1941 den fünfzigsten Geburtstag Euckens feierten. Über den Forscher Walter ­Eucken hat sein Mitstreiter und Freund Franz Böhm im Rückblick festgehalten: »Er war ein geistiger Ermutiger als Denker und als Mensch. [K]ein Frühvollendeter, kein Mann von der Art, wie sich die landläufige Meinung eine genialische Natur vorstellt, eher von der Beschaffenheit eines langsam wachsenden, hochragenden Baumes, ein Spätentwickler, dessen unerschöpfliche geistige Kraftreserven sich gerade in diesen Jahren […] zu entfalten schienen, ein Mann im Vollbesitz gesammelter Energie, physisch und geistig kühn. […] Er forderte nicht die Erneuerung der Universität, sondern die Wiederbelebung der Wissenschaft, d. h. die Wiederbesinnung auf das Grund389 Eucken, Gutachten über die Habilitationsschrift von Dr. rer. pol. Leonhard Miksch, UAF, B 110/77, zit. nach Dathe (2015: 20). 390 ­Eucken an Rüstow, 18.3.1938, BArch, NL Rüstow, N 1169/3, zit. nach Dathe (2015: 19). 391  Rüstow an Eucken, 5.4.1938, BArch, NL Rüstow, N 1169/3, zit. nach Dathe (2015: 19). 392  Vgl. E ­ ucken an Albers, 12.10.1934 (Briefentwurf ) und die gemeinsam mit dem Briefentwurf aufbewahrte Notiz Euckens vom 31.3.1943, ThULB, NL WE (Ordnung der Wirtschaft), zit. nach Staudt (2017: 7). 393  Vgl. Oswalt (2005: 317 f.), Hollerbach (2005: 35 f.) und Dathe (2014a: 105).

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anliegen allen wissenschaftlichen Fragens, auf die Frage nach dem Ordnungsgrund der Dinge, nach der ›Ordo‹.«394 18.2. Das wissenschaftliche Hauptwerk Kapitaltheoretische Untersuchungen Aus Tübingen schrieb E ­ ucken im Mai 1926 an Rüstow, er wolle »nun möglichst bald an eine größere Arbeit gehen, in der ich mich ausführlich mit allen Angriffen gegen die Quantitätstheorie auseinandersetze. Die Denkschrift der Reichsbank, die ich hier habe, ist ja in der Tat ein starkes Stück.«395 Rüstow hatte ­Eucken auf die von der Reichsbank im Vorjahr veröffentlichte Jubiläumsschrift Die Reichsbank 1901–1925 aufmerksam gemacht und darauf hingewiesen, dass aus der »in ihr gegebenen Darstellung der Inflation« zu ersehen sei, »dass man in der Reichsbankleitung nicht das Geringste hinzugelernt« habe, und er das »doch einigermassen erschütternd und von solcher grundsätzlichen Tragweite« finde, »dass man es nicht stillschweigend hingehen lassen sollte.«396 Indes in den Tübinger Jahren hatte E ­ ucken den Eindruck, dass er »innerlich nicht recht weiterkam.«397 Mit dem Wechsel an die Universität Freiburg im Jahr 1927 war E ­ ucken dann zuversichtlich, für sein wissenschaftliches Werk »den alten Elan wiederzufinden.«398 Allerdings quälte ihn, dass er mit dem Schreiben nur mühsam vorankam. »Mit meinem Stil ist die Sache so: Ich sitze Stunden und Stunden, formuliere einige Sätze und dann endlich habe ich eine adaequate Form, die aber noch keineswegs voll befriedigt. […] Sicher hätte ich schon viel mehr produziert, wenn diese Schwierigkeit nicht bestünde.«399 Er hatte sich bereits vorgenommen: »[I]ch werde systematisch gute Schriftsteller lesen, um aus dieser Misere endlich herauszukommen.«400 Doch auch drei Monate später klagte ­Eucken noch: »Mit meiner Arbeit bin ich – wie immer – nicht zufrieden. Ich sehe wohl die Probleme und ich sehe auch im Umriß die Lösungen. Aber es wird mir so schwer alles richtig zu formulieren und das Ganze auszuarbeiten. So komme ich so entsetzlich langsam vorwärts und am Ende des Tages frage ich mich oft vergeblich, was ich eigentlich geschafft habe.«401 Zum Jahresende 1931 resümierte er: »Für mich bedeutet 1931 der Abschluß einer jahrelangen 394 

Böhm ([1957] 1960: 176 f.). an Rüstow (Karte), 7.5.1926, BArch, NL Rüstow, N 1169/18, Bl. 80. 396  Rüstow an Eucken, 13.4.1926, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 337. 397 ­Eucken an Edith Eucken, 30.12.1927, ThULB, NL WE. 398 ­Eucken an Edith Eucken, 30.12.1927, ThULB, NL WE. 399 ­Eucken an Edith Eucken, 4.5.1928, ThULB, NL WE. 400 ­Eucken an Edith Eucken, 1.5.1928, ThULB, NL WE. 401 ­Eucken an Edith Eucken, 3.8.1928, ThULB, NL WE. 395 ­Eucken

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Epoche reinen Nachdenkens; […] Nun hoffe ich zur Produktion übergehen zu können.«402 ­Eucken kam mit seinen Kapitaltheoretischen Untersuchungen voran, musste allerdings 1932 den Jenaer Verleger Gustav Fischer um Terminaufschub bitten: »Trotzdem ich sehr intensiv seit Monaten an der Niederschrift meiner kapitaltheoretischen Untersuchungen arbeite, bin ich nicht so weit gekommen, wie ich erwartete. Ich stieß auf eine Reihe neuer Schwierigkeiten, deren Überwindung Zeit erforderte, und obwohl ich im Ganzen mit dem Fortgang der Arbeit nicht unzufrieden bin, kann ich den in Aussicht genommenen Termin nicht einhalten.«403 In einem Vorspann zu seinen Kapitaltheoretischen Untersuchungen macht sich E ­ ucken zunächst grundsätzliche Gedanken zur Frage »Was leistet die nationalökonomische Theorie?« Er legt dar, dass die »trivialen, aber unbestreitbaren Tatsachen der Alltagserfahrung«404 der Ausgangspunkt für ein Fortschreiten zur theoretischen Erkenntnis sein müssen, um dann mithilfe der von ihm entwickelten theoretischen Methoden – der Methode der Reduktion und der Methode der »pointierend-hervorhebenden« bzw. »isolierenden« Abstraktion – zu theoretischen Erkenntnissen zu kommen.405 Im Februar 1934 konnte ­Eucken einem ehemaligen Schüler schließlich mitteilen: »Zur Ausarbeitung wissenschaftlicher Gedanken bin ich in den letzten Monaten mehr gekommen als früher. Ich zwang mich dazu. Im März werden meine Kapitaltheoretischen Untersuchungen in Druck gehen.«406 Und im April 1934 konnte er endlich nach Jena berichten: »[D]as Manuscript meiner Kapitaltheoretischen Untersuchungen ist vor einigen Tagen an den Verlag abgegangen. Es ist kein großes Werk. Aber es ist ein ziemlich konzentriert geschriebenes Buch. Momentan wird es wenig wirken, aber ich hoffe, im Laufe der Zeit.«407 Im Brief an seinen Schüler hatte ­Eucken noch angefügt: »[D]ann will ich mich nach einer kurzen Pause an die Ausarbeitung einer ›Theor. Nat.ök.‹ heranmachen, die noch in diesem Jahre fertig werden soll.«408 Ebenso kündigte er auch seiner Mutter an, er werde sich »bald der Ausarbeitung der nächsten Schrift zuwenden«, 402 ­Eucken

an Edith Eucken, 30.12.1931, ThULB, NL WE. an Gustav Fischer, Gustav Fischer Verlag, 8.12.1932, Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Gustav-Fischer-Verlag Nr. 1089, Bl. 250 f., in ­Eucken GS, Band III.1. 404 ­Eucken (1934: 23). 405  Zum Einfluss von Rudolf Eucken, Max Weber und Edmund Husserl auf Euckens theoretische Methoden siehe Goldschmidt (2009). 406 ­Eucken an Dr. H. Beerbohm, 6.2.1934, Walter ­Eucken Institut (Geschenk von Frau I. Beerbohm, 1992); vgl. Abb. 27 in diesem Band. 407 ­Eucken an Irene Eucken, 24.4.1934, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 64). 408 ­Eucken an Dr. H. Beerbohm, 6.2.1934, Walter ­Eucken Institut (Geschenk von Frau I. Beerbohm, 1992). 403 ­Eucken

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die er »noch in diesem Jahr abschließen«409 wolle. Indes, diese Ausarbeitung zog sich länger hin. Nationalökonomie – wozu? Euckens Arbeiten an einer allgemeinen Wirtschaftstheorie führten zunächst zu einer kleinen Schrift von 64 Seiten, für die er im November 1937 einen Titel gefunden hatte: »Nationalökonomie – wozu? Soll der Titel sein. Es hat mir sehr viel mehr Arbeit gemacht, als ich erwartet hatte. Aber es ist ganz gut, wenn man sich zwingt, möglichst gemeinverständlich zu formulieren.«410 Seine 1938 im Verlag Felix Meiner, Leipzig, erschienene Nationalökonomie – wozu?411 war für ein breites Publikum verfasst und enthielt eine leicht verständliche Einführung in Euckens Ordnungstheorie und Ordnungspolitik412, die in knapper Form bereits vieles von dem vorweg nahm, was er dann bald darauf in den Grundlagen der Nationalökonomie ausführlicher darlegen sollte.413 Die Neue Zürcher Zeitung machte die Schrift als Neuerscheinung publik414, und ein Exemplar ging zu Euckens Schüler Friedrich A. Lutz nach Amerika, der sich dort als Rockefeller Stipendiat aufhielt und ab Herbst 1938 dauerhaft an der Universität Princeton Aufnahme finden sollte.415 In dem Brief, in dem Lutz ­Eucken mitteilte, dass er am 11. Juni zu einem Sommeraufenthalt in Europa abreisen werde und hoffe, in Freiburg E ­ ucken und dessen Familie anzutreffen, schrieb er auch, er habe »vorgestern Ihr kleines Buch: Nationalökonomie – wozu? erhalten«, es habe ihm besonders gefallen und er sei »sehr froh, dass Jewkes es übersetzen lassen will.«416 Eine solche englische Übersetzung ist allerdings nicht zustande gekommen. Nachdem die erste Auflage 1938 im Buchhandel ausgeliefert war, wurden weitere Auflagen von Nationalökonomie  – wozu? verboten. Zur Begründung für das Verbot führte die »Parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des N. S.-Schrifttums« in einem Schreiben an den Verlag an, die Schrift lasse »deutlich erkennen, daß [sic!] Verfasser den Begriff einer volks- und rassegebundenen Wirtschaftsordnung nicht kennt, sondern noch der Utopie einer Weltwirtschaft im liberalistischen Sinne anhängt.«417 Walter Oswalt zufolge sei 409 ­Eucken 410 ­ Eucken

an Irene Eucken, 24.4.1934, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 64). an Irene Eucken, 9.11.1937, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 64,

Anm. 71). 411 ­Eucken ([1938] 1961). 412  Vgl. Oswalt (2008a: 123). 413  Vgl. Dathe/Goldschmidt (2003: 64, Anm. 71). 414 Vgl. Neue Zürcher Zeitung, Nr. 496, vom 20.3.1938, Rubrik »Neu erschienene Bücher.« 415  Vgl. Veit-Bachmann (2003: 14). 416  Lutz an Eucken, undatiert, ThULB, NL WE (Friedrich A. Lutz). 417  Brief der »Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des N. S.-Schrifttums«, Berlin, an den Verlag Felix Meiner, Leipzig, 22.9.1938, ThULB, NL WE.

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Euckens N ­ ationalökonomie – wozu? von dem an der Universität Rostock lehrenden Nationalökonomen Wilhelm Kromphardt jedoch noch 1943 im Rahmen der sogenannten Fernbetreuung von Studenten, die in der Luftwaffe dienten, zur Lektüre empfohlen worden, woraufhin sich der Nationalsozialistische Dozentenbund (NSD) eingeschaltet und festgestellt habe, dass eine solche Empfehlung »vom nationalsozialistischen Standpunkt aus völlig untragbar«418 sei. Erst nach dem Ende des NS-Regimes wurde Euckens Nationalökonomie  – wozu? erneut aufgelegt: So schrieb E ­ ucken im Mai 1946 an Röpke419, er arbeite zur Zeit an der 2. Auflage, und im Mai 1947 berichtete er Hayek »dass die 3. Auflage jetzt gerade in Druck geht« und er den Abschnitt über die Wirtschaftsordnung noch etwas ausgebaut habe, so dass »das Büchlein größer wird«.420 Die zweite, erweiterte Auflage im Umfang von 90 Seiten erschien Anfang 1947 bei Helmut Küpper in Bad Godesberg und noch im gleichen Jahr 1947 erschien die dritte, durchgearbeitete Auflage im Umfang von 96 Seiten. Die Grundlagen der Nationalökonomie Im Januar 1939 berichtete ­Eucken über den Fortgang seiner Arbeiten für Die Grundlagen der Nationalökonomie an Rüstow in Istanbul: »Ich arbeite jetzt von früh bis spät an meinem Buch, […] lege alles andere beiseite.«421 Dieses Buch sei, ergänzte ­Eucken im April 1939, die Arbeit eines Jahrzehnts. Im August 1939 zeigte ­Eucken Rüstow dann die Fertigstellung des Buches an.422 Euckens Tochter Irene blieb der Moment unvergessen, als das Buch fertig war: Es sei an einem heißen Augustnachmittag in Baabe gewesen, so hat sie es jüngst geschildert, der Vater sei ins Zimmer gekommen mit einem verschnürten Paket in der Hand und habe gesagt: »Jetzt sind Die Grundlagen fertig. Ich bringe sie zur Post«, und ihre Mutter habe ihr, der damals Fünfjährigen, erklärt: »Das ist das Buch, an dem dein Vater viele Jahre gearbeitet hat.«423 Als ­Eucken dann die Druckfahnen in Händen hielt, war er etwas enttäuscht, »[d]aß das Buch nur dreihundert Seiten stark geworden ist.«424 Doch nun hatte er andere Sorgen. Der Zweite Weltkrieg war ausgebrochen. Am 1. September 1939 – E ­ ucken und Miksch gingen gerade auf der Kurpromenade in Baabe spazieren  –, hörten sie die Nachricht vom Überfall auf Polen. Während beide darüber sprachen, so notierte es Miksch in seinem Tagebuch, 418 

Oswalt (2008a: 123). an Röpke, 29.5.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 420 ­Eucken an Hayek, 7.5.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 421  Eucken an Rüstow, Januar 1939, zit. nach Lenel (1991:12). 422  Vgl. Lenel (1991: 12). 423  [Oswalt-]­Eucken (2014: 75). 424 ­Eucken an Edith Eucken, 9.9.1939, ThULB, NL WE. 419 ­Eucken

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habe ­Eucken plötzlich inmitten der anderen Kurgäste begonnen, aufgeregt herauszuschreien: »Jetzt zeigt Hitler sein wahres Gesicht, jetzt ist Krieg und jetzt beginnt der Untergang Deutschlands, wir erleben den Beginn des Untergangs Deutschlands«425, so dass Miksch ihn rasch beiseite ziehen musste, aus Angst, womöglich öffentliches Aufsehen zu erregen. ­Eucken reiste umgehend nach Freiburg zurück und packte in der Wohnung in aller Eile das Wesentlichste zusammen, um es aus dem wegen seiner Nähe zur französischen Grenze möglicherweise gefährdeten Freiburg ins sicherere Jena zu schicken. »Heute haben wir wieder 92 kg weg, zusammen mit gestern 142 kg, alle per Express […] jede Stunde kann die Expressgutbeförderung eingestellt werden. […] Aber ich muß jetzt rasch handeln, also entschuldige, wenn die Dinge in den Koffern durcheinandergekommen sind. […] Dietzes liehen einen Handwagen […] Alle Sachen gehen nach Jena«426, berichtete er hastig am 8. September 1939 seiner Frau, die mit den drei kleinen Kindern in Baabe auf Rügen geblieben war. Eine große Hilfe waren ­Eucken bei dieser Blitzaktion auch sein aus Jena gebürtiger Assistent Karl Paul Hensel (1907–1975) und sein damals in der Handelskammer Freiburg tätiger Schüler Hermann Schubnell (1910–1996), bei dem er den Wohnungsschlüssel hinterlegte.427 Noch am gleichen Tag nahm ­Eucken den Zug nach Berlin, wo er an einem Professorengutachten zu Problemen der Kriegsfinanzierung mitarbeiten sollte, während der Lehrbetrieb an der Universität Freiburg kriegsbedingt unterbrochen war.428 Die Korrekturfahnen seines Buches erreichten ihn in Berlin, doch die Arbeit am Gutachten ließ ihm zum Korrekturlesen kaum Zeit. Erst am 1. November 1939 konnte er berichten: »Heute – Mittwoch – müssen wir mit unserem Gutachten fertig werden. Ich bin froh. Denn die Korrekturen dürfen nicht länger liegen bleiben. Mein Buch ist mir jetzt weitaus das wichtigste, nicht Gutachten u. s. w.«429 Und eine Woche später ließ er seine Frau, die ihm in Baabe beim Korrekturlesen half, wissen: »Das Du mein Buch so gut findest, freut mich riesig. Ich habe zu ihm jetzt keine Distanz. Aber ich habe die Empfindung, einen Durchstoß vollzogen zu haben. Es ist für mich ein Anfang. […] Die langen Jahre der Unsicherheit und des Nachdenkens waren doch nicht so ganz umsonst.«430 Euckens Buch Die Grundlagen der Nationalökonomie erschien Anfang 1940 im Gustav Fischer Verlag Jena, indes datiert Euckens Vorwort zum Buch auf November 1939.431 Die zeitgenössische deutsche Presse rühmte sein Buch als 425 

Miksch, Tagebucheintrag, 1.9.1939, zit. nach Dathe (2014d: 236). an Edith Eucken, 8.9.1939, ThULB, NL WE. 427 ­Eucken an Edith Eucken, 2.10.1939, ThULB, NL WE. 428  Der Lehrbetrieb wurde erst am 8. Januar 1940 wieder aufgenommen. Vgl. dazu Brintzinger (1996: 92). 429 ­Eucken an Edith Eucken, 1.11.1939, ThULB, NL WE. 430 ­Eucken an Edith Eucken, Dienstag [7.11.1939], ThULB, NL WE. 431 ­Eucken ([1940] 1989). 426 ­Eucken

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die »bedeutendste« wirtschaftswissenschaftliche Neuerscheinung der letzten Jahrzehnte.432 Euckens Schüler August Lösch schrieb bereits am 24. Januar 1940 an Schumpeter in Harvard: »Euckens soeben erschienene ›Grundlagen der Nationalökonomie‹ (Fischer) soll recht gut sein.«433 Gestrich besprach das Buch am 4. Februar 1940 im Wirtschafts- und Handelsblatt der Kölnischen Zeitung434 und hob hervor, Euckens Buch habe »das Gestrüpp«435 seiner Vorgänger überwunden. Im März 1940 veröffentlichte der junge, bereits international renommierte Wirtschaftstheoretiker Heinrich Freiherr von Stackelberg (1905–1946) eine umfangreiche Besprechung im Weltwirtschaftlichen Archiv.436 Zwar kritisiere E ­ ucken in seinem Buch andere Forschungsmethoden »inhaltlich scharf, zuweilen vielleicht zu scharf«, urteilte von Stackelberg, doch er entwickele »eine volkswirtschaftliche Morphologie, die in ihrem systematischen Aufbau […] bisherigen morphologischen Versuchen überlegen ist.«437 Zudem werde sie »zum verbindenden Glied zwischen Theorie und Historie, zwischen ›nomothetischem‹ und ›idiographischem‹ Erkennen der wirtschaftlichen Wirklichkeit«, und löse damit »eine Aufgabe, die bisher unlösbar schien.«438 Ferner ging von Stackelberg auf Ergänzungen und Berichtigungen ein, deren Euckens morphologisches System in dem einen oder anderen Punkt bedürfe. Abschließend stellte er fest, Euckens Buch sei »für jeden Forscher und Fachmann von außerordentlichem Wert«, gehöre aber auch »in die Hände eines jeden Studenten der Wirtschaftswissenschaften, der es mindestens am Anfang und am Ende seines Studiums lesen sollte: am Anfang, damit er die Probleme kennenlernt, am Ende, damit er ihre Lösungen ahnen kann.«439 Ein Exemplar der Grundlagen schickte ­Eucken umgehend nach Amerika zu seinem emigrierten Schüler Friedrich A. Lutz, der es 1940 im American Economic Review sehr positiv rezensierte.440 Auch Frank Knight (1885–1972) in Chicago  – er besaß gute Deutschkenntnisse und hatte englische Übersetzungen von Werken Max Webers publiziert441 – habe, wie Lutz im März 1940 an ­Eucken schrieb, sich nach der ersten Lektüre der Grundlagen »in a highly positive manner« geäußert und das Buch als »an extraordinarily forthright and

432 

Vgl. Riess (2017: 1). Lösch an Schumpeter, 24.1.1940, Harvard University Archives, Joseph Schumpeter Papers, HUG(FP) 4.7 Box 6, zit. nach Bieri (2021: 189). 434  Gestrich (1940), vorhanden in ThULB, NL WE. Vgl. Riess (2017: 43). 435  Gestrich (1940), zit. nach Riess (2017: 1). 436  Stackelberg (1940). 437  Stackelberg (1940: 246). 438  Stackelberg (1940: 246). 439  Stackelberg (1940: 281). 440  Vgl. Lutz (1940: 587 f.). 441  Vgl. Emmett (2006: 106 f., 109). 433 

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simultaneously original approach to the core issues of our science«442 gepriesen, worauf er stolz sein könne. Immerhin war Frank Knight, wie Lutz es ­Eucken bereits 1935 aus der London School of Economics berichtet hatte, dort als »one of the best economists in the world«443 angesehen. Weitere Exemplare der Grundlagen gingen unter anderem nach Istanbul an Rüstow und nach Genf an Röpke, der Mitte 1941 über Zürich und Spanien ein Exemplar an Hayek nach London schickte, wo es bis Kriegsende das einzige Exemplar in England bleiben sollte.444 Eingehend diskutiert wurden Euckens Grundlagen auf den beiden Sitzungen der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre der Akademie für Deutsches Recht im November 1940 und im Mai 1941. Dies sei, wie Erwin von Beckerath als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre einleitend hervorhob, als »ein weiteres Zeichen der Anerkennung zu sehen«, die Euckens Werk »in unserem Kreise« gefunden habe. E ­ ucken habe »Grundprobleme unserer Wissenschaft angeschlagen, die gleichsam den Gegenstand eines ›ewigen Gespräches‹ bilden, solange es eine Nationalökonomie geben wird.«445 Seinem Freund Röpke berichtete ­Eucken dann von diesen Diskussionen: »Für mich war es übrigens erfreulich zu bemerken, daß manche Gedanken meines neuen Buches schon ziemlich stark Boden gefaßt haben.«446 Und dem Freund Rüstow schrieb er Mitte 1941, besonders Erwin von Beckerath, Hans Mayer, Erich Preiser, Günter Schmölders, Heinrich Freiherr von Stackelberg, Richard von Strigl und Theodor Wessels hätten wertvolle Argumente vorgetragen, aber Carl Brinkmann und Wilhelm Vleugels habe er »immer nur partiell« verstehen können.447 Zudem bedauerte Eucken, dass er die Probleme bei der Bearbeitung einer Neuauflage der Grundlagen nicht persönlich mit Rüstow besprechen könne.448 »Ich arbeite jetzt an der zweiten Auflage meiner Grundlagen. Aber ich will nicht viel ändern und so hoffe ich, bald fertig zu sein«449, ließ ­Eucken im April 1941 August Lösch wissen. Auf die 1941 erschienene zweite Auflage stützte sich Röpke, als er in der Neuen Zürcher Zeitung vom 22. Februar 1942 Euckens Buch einem breiteren Publikum vorstellte und hervorhob, es sei »in seiner Unbeirrbarkeit, Furchtlosigkeit und rücksichtslosen Ehrlichkeit ein schönes Beispiel 442  Lutz an Eucken, 18.3.1940, ThULB NL WE (Friedrich A. Lutz), zit. nach Kolev/ Köhler (2022: 765). 443  Lutz an Eucken, 16.1.1935, ThULB NL WE (Friedrich A. Lutz), zit. nach Kolev/ Köhler (2022: 763). 444  Vgl. Hennecke (2000: 152). 445  Schubert (2011: 161). 446 ­Eucken an Röpke, 7.6.1941, in: Röpke (1960/61: 7; Hervorhebung im Original). 447  Eucken an Rüstow, Mai 1941, zit. nach Lenel (1991: 13). 448  Eucken an Rüstow, Mai, Juli 1941, zit. nach Lenel (1991: 13). 449 ­Eucken an Lösch, 14.4.1941, StA HDH, NL August Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 210).

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der intellektuellen Rechtschaffenheit, die die oberste Tugend des Gelehrten ist und ihm allein das Recht gibt, Vertrauen und Respekt zu fordern.«450 Euckens Buch, schrieb Röpke, benenne die Grundprobleme, die uns die wirtschaftliche Wirklichkeit aufgibt, und wende sich dann der Frage zu, wie sie wissenschaftlich gelöst werden können. Dabei erläutere ­ Eucken ein auftretendes Dilemma, nämlich »die Spannung, die sich daraus ergibt, daß das Erkenntnisproblem der Nationalökonomie zugleich ein individuell-historisches und ein allgemein-theoretisches Problem ist, daß es sowohl Wirklichkeitsnähe und Anerkennung der Mannigfaltigkeit wie gedanklich-begriffliche Durchdringung, Generalisierung und Vereinfachung in gleicher Weise verlangt.«451 Zur Lösung für dieses Dilemma inspirierte ­Eucken ein Blick auf das Alphabet: »Wie aus zwei Dutzend Buchstaben eine gewaltige Mannigfaltigkeit von Worten verschiedener Zusammensetzung und verschiedener Länge gebildet werden kann, so aus einer beschränkten Zahl elementarer, reiner Formen zu wirtschaften eine unübersehbare Mannigfaltigkeit konkreter Wirtschaftsordnungen.«452 Und so formulierte ­Eucken bereits in seinen Grundlagen das Wissenschaftsprogramm der Ordnungsökonomik wie folgt: »[M]it dem Verfahren »pointierend-hervorhebender Abstraktion […] müssen alle diejenigen reinen, idealtypischen Wirtschaftsformen gefunden werden, aus denen sich […] die konkreten Wirtschaftsordnungen […] zusammensetzen.«453 In seinen Grundlagen hatte ­Eucken einen theoretischen Ansatz für die Analyse von Wirtschaftsordnungen aufgezeigt. Bereits 1943 erschien eine erneut durchgearbeitete, dritte Auflage. Diese enthält die Widmung an den am 12. September 1942 im Alter von 28 Jahren bei Stalingrad gefallenen Neffen Hans Joachim Eucken, den einzigen Sohn des ­ ucken Hayek ankünBruders Arnold Eucken.454 Ende Januar 1946 konnte E digen, dass er ihm »baldmöglichst die 4. Auflage meiner Grundlagen senden« wolle, »die wesentlich besser ist als die erste.«455 Im Februar 1946 erfuhr ­Eucken von Hayek, dass dieser als Herausgeber der Zeitschrift Economica veranlasst hatte, dass 1944 im November-Heft von Economica ein von Lutz verfasster Besprechungsaufsatz über die Grundlagen erschienen war.456 Die vollständige Serie der im Krieg erschienenen Hefte von Economica hatte Hayek an Euckens Promovendin Ursula Markwalder in die Schweiz gesandt457, wo sie lagerten, bis E ­ ucken Mitte Dezember 1947 endlich eine Möglichkeit für ihren Transport 450 

Röpke (1942). Röpke (1942). 452 ­Eucken ([1940] 1989: 72). 453 ­Eucken ([1940] 1989: 72). 454  Siehe dazu auch Becke-Goehring/Eucken, M. (1995: 8). 455 ­Eucken an Hayek, 24.1.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 456  Hayek an Eucken, 8.2.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 457  Hayek an Eucken, 3.11.1946 HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 451 

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nach Freiburg in Aussicht hatte und Hayek wissen lassen konnte, dies seien »die ersten Bände ausländischer Zeitschriften, die wir erhalten.«458 Im Vorwort zu der 1947 im Verlag Helmut Küpper erschienenen Neuauflage der Grundlagen, konnte E ­ ucken nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes – das hob Constantin von Dietze später in seiner Gedenkrede zum Tod Walter Euckens besonders hervor – »mit Recht schreiben« […] ›Die umwälzenden Ereignisse, die wir in jüngster Zeit erlebt haben, bewirkten keine Veränderung dieses Buches.‹«459 »[A]lle Rechte für eine Übersetzung [der Grundlagen] ins Englische« hatte ­Eucken »bereits im Jahre 1939 Lutz angesichts der drohenden Kriegsgefahr […] abgetreten.«460 Lutz war im Sommer 1939 ein letztes Mal nach Europa gekommen, wagte aber nicht mehr, deutschen Boden zu betreten, sondern nahm von ­Eucken in der Bahnhofshalle von Basel Abschied, ungewiss, ob sie sich jemals wiedersehen würden.461 In Princeton bemühte sich Lutz, einen Verleger für eine Übersetzung der Grundlagen zu finden. Die Übersetzung sollte seine Frau Vera Lutz übernehmen, die bereits Bücher von Wilhelm Röpke, Oskar Morgenstern und Fritz Machlup übersetzt hatte.462 Doch im Juli 1940 musste Lutz ­Eucken mitteilen, dass sich während des Krieges kein Verleger finden ließ.463 Nach Kriegsende setzte sich dann Hayek in London für das Zustandekommen einer englischsprachigen Publikation der Grundlagen ein. Indes, bevor Verlag und Übersetzer gefunden waren, hatten die Grundlagen bereits mit Lionel Robbins (1898–1984) einen weiteren Leser an der London School of Economics erhalten, der wie Hayek die erforderlichen Deutschkenntnisse mitbrachte. Nachdem Robbins mit E ­ ucken erstmals im April 1947 auf der Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society in der Schweiz zusammengetroffen war, las er im Juli 1947 Euckens Buch und erkannte, dass die Grundlagen ihm für seine Vorlesungen »of considerable help«464 sein konnten. Und so griff Robbins in seinem 1947/48 gehaltenen »Principles course« Euckens Gedanken auf und gab dem Abschnitt über die Preistheorie eine neue Gliederung: Er unterteilte ihn nunmehr in »a) The centrally planned economy« und »b) Exchange economy«, 458 ­Eucken

an Hayek, 13.12.1947 HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Constantin von Dietze, »Walter E ­ ucken †«, Gedenkrede für den Südwestdeutschen Rundfunk, Typoskript mit handschriftlichen Korrekturen, 12 Seiten, hier: S. 4, ThULB, NL WE. 460 ­Eucken an Hayek, 22.11.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 461  Vgl. Veit-Bachmann (2003: 14). 462  Vgl. Grudev (2021: 24, Anm. 16). 463  Vgl. Lutz an Eucken, 23.7.1940, ThULB, NL WE (Friedrich A. Lutz), zit. nach Grudev (2021: 28). 464  Howson (2011: 672). 459 

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und nicht wie zuvor in »statics, comparative statics and dynamics.«465 Zudem nahm er Euckens deutschsprachige Grundlagen in die Lektüreliste seines Kurses auf, die ansonsten englischsprachige Werke wie unter anderen Alfred Marshalls Principles, Knut Wicksells Lectures, Keynes’ Treatise und General Theory sowie – ebenfalls als Neuaufnahme – Frank Knights Risk, Uncertainty and Profit enthielt.466 Im Oktober 1947 teilte Hayek E ­ ucken mit, dass der Verlag William Hodge an der Publikation einer Übersetzung der Grundlagen interessiert sei, Vera Lutz allerdings nicht mehr als Übersetzerin fungieren wolle.467 Darauf antwortete ihm Eucken, die Übersetzungsrechte lägen bei Lutz und »Lutz kann darüber frei verfügen. […] [I]ch möchte deshalb bitten, dass Hodge mit ihm unmittelbar den Vertrag abschließt.«468 Anfang 1948 war mit Terence W. Hutchison (1912–2007), Lecturer an der London School of Economics, schließlich ein geeigneter Übersetzer gefunden.469 Hutchison übernahm zuvor auch die Übersetzung der längeren Abhandlung »On the Theory of the Centrally Administered Economy: An Analysis of the German Experiment«470, die ­Eucken auf Wunsch Hayeks in Economica veröffentlichte. Anfang März 1948 sandte Hutchison die Übersetzung des ersten Teils des Economica-Beitrags an Eucken, der sie sofort durcharbeitete und ihm zahlreiche Vorschläge zur Übersetzung von wichtigen Begriffen zukommen ließ, so unter anderem: »Das Wort ›Ordnung‹ würde ich mit ›order‹ übersetzen und möchte vorschlagen, nicht das Wort ›organization‹ zu wählen. Das Wort ›Verkehrswirtschaft‹, das ja in den ›Grundlagen‹ eine große Rolle spielt, wäre wohl am besten mit ›exchange economy‹ zu übersetzen. Den Ausdruck ›commercial economy‹, den ich für zu unbestimmt halte, möchte ich vermeiden und habe ihn nur als Zitat von Schumpeter stehen gelassen. Auf Seite 33 habe ich das Wort ›firm‹ durch ›factory‹ ersetzt. […] [I]ch möchte vorschlagen, ›firm‹ zu vermeiden, weil es sich hier um die technische Betriebseinheit, nicht um das ›Unternehmen‹ handelt, das oft zahlreiche Betriebe (units) besitzt.«471 Auch zur Übersetzung der Grundlagen gab ­Eucken Hutchison in diesem Brief einen ersten Hinweis: »[I]ch würde raten, nicht von ›foundations‹ oder ›fundamentals‹ zu sprechen. Vielleicht wäre es möglich, ›fundamental questions‹ zu sagen. Oder man könnte auch andere Worte wählen wie etwa ›economic reality and science‹. Vielleicht verschieben wir die Entscheidung über diese 465 

Howson (2011: 683). Vgl. Howson (2011: 682). 467  Hayek an Eucken, 15.10.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 468 ­Eucken an Hayek, 22.11.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 469  Vgl. Hayek an Eucken, 19.2.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Vgl. auch Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 451 f.). 470 ­Eucken (1948a). 471 ­Eucken an Hutchison, 22.3.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 466 

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Frage noch ein wenig, damit wir beide Gelegenheit haben, noch näher darüber nachzudenken und mit anderen Sachkundigen darüber zu sprechen.«472 Letztlich ist die englische Übersetzung der Grundlagen 1950 unter dem Titel Foundations of Economics. History and Theory in the Analysis of Economic Reality erschienen.473 Grundsätze der Wirtschaftspolitik Im April 1941 kündigte E ­ ucken August Lösch an, nach den Grundlagen werde er »eine größere neue Arbeit über den zeitlichen Aufbau der Wirtschaft in Angriff« nehmen und »dabei auch auf Probleme des interlokalen und internationalen ­ ucken seinen Freund Rüstow wissen, Handels eingehen.«474 Im Juni 1943 ließ E dass er die Arbeit an dem Buch Grundsätze der Wirtschaftspolitik begonnen habe.475 Gut ein Jahr später, das Buch war noch nicht vollendet, hatte es schon ein bemerkenswertes Schicksal, wie aus einem Bericht476 von Euckens ältester Tochter zu erfahren ist: Mit den Worten »Darin steckt die Arbeit von Jahren« habe ­Eucken seiner damals elfjährigen Tochter Irene einen Koffer übergeben und ihr eingeschärft, unter allen Umständen darauf aufzupassen, als er sie, ihre beiden jüngeren Geschwister und das Kindermädchen Rosa am 28. November 1944, einen Tag nach dem verheerenden Luftangriff auf Freiburg, im fünfzehn Kilometer entfernten Suggental bei den Eltern seines Schülers Ulrich Leffson477 in Obhut gab. Sie habe auf den Koffer gut aufgepasst, auch dann, als es fünf Monate später plötzlich höchstgefährlich wurde. Sie seien zwischen SS-Soldaten und heranrückenden französischen Truppen in heftigen Beschuss geraten, aber zum Glück unversehrt davongekommen und schließlich Mitte Mai 1945 von den Eltern, die bis dahin regelmäßig am Wochenende zu Fuß oder per Mitfahr472 ­Eucken

an Hutchison, 22.3.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. englischen Übersetzung liegt die 1950 im Springer Verlag erschienene 6., durchgesehene deutsche Auflage zugrunde, und ihr ist eine »Introduction« von Friedrich A. Lutz vorangestellt. 474 ­Eucken an Lösch, 14.4.1941, StA HDH, NL August Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 210). 475  Eucken an Rüstow, Juni 1943, zit. nach Lenel (1991: 13). 476  [Oswalt-]­Eucken (2014: 79 f.). Siehe dazu auch den Brief ­Eucken an Engelmann, 17.1.1945, StAF, NL Engelmann, T1–15–1, in dem E ­ ucken den Freund in Kirchzarten wissen ließ: »Wir sind am 27.11. gut davon gekommen, aber die Kinder haben wir mit dem Mädchen am 28.11. zu Leffsons nach Suggental gebracht, wo sie rührend umsorgt werden und wo wir sie regelmäßig über Sonntag besuchen.« 477  Ulrich Leffson (1911–1989), dem E ­ ucken 1938 die Promotion ermöglicht hatte, nachdem der gelernte Buchhändler 1936 aufgrund seiner Einstufung als »Halb-Jude« ein Verbot für die Ausübung seines Berufes erhalten hatte, lehrte ab 1964 als Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Wirtschaftsprüfung, an der Universität Münster. Vgl. Mantel (2009: 428). 473 Der

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gelegenheit auf Lastwagen zu Besuch gekommen waren, nach Freiburg zurückgeholt worden. Dass sich in dem Koffer Texte und Notizen für die Grundsätze der Wirtschaftspolitik befanden, habe sie indes erst später erfahren. Über diese Monate der Endphase des Krieges berichtete E ­ ucken in seinem ersten Brief nach Kriegsende an Hayek im November 1945: »Was mich betrifft, so habe ich im letzten halben Jahr wenig wissenschaftlich arbeiten können. Der Kampf um die Existenz war sehr lebhaft […] Man muß sehr dankbar sein, die Familie durch den Hexenkessel hindurchgebracht zu haben.«478 Die Fertigstellung der Grundsätze der Wirtschaftspolitik war für ­Eucken das zentrale Anliegen in den letzten beiden Kriegsjahren und in den Nachkriegsjahren. Er wollte der in seinen Grundlagen der Nationalökonomie entwickelten Methode »das Werk über ihre Anwendung folgen lassen.«479 Indes kam er nur schleppend voran, wie er Hayek im Januar 1946 erläuterte: »Ich habe in den letzten Jahren ziemlich viel gearbeitet und hoffe nun, bald zur Veröffentlichung dieser Arbeiten kommen zu können. […] Zunächst soll eine wirtschaftspolitische Schrift erscheinen, die sich auch mit den grundsätzlichen Fragen der Wirtschaftsordnung befaßt. Im Augenblick allerdings ist die Belastung mit Verwaltungsaufgaben an der Universität, mit der Lehrtätigkeit und mit der Gutachtertätigkeit für die Militärregierung sehr groß.«480 Und im August 1947 bekräftigte er Hayek gegenüber seine Absicht: »Ich muss jetzt mehr zu konzentrierter Arbeit kommen.«481 Er werde deshalb nicht nach Amsterdam fahren, wohin er von Gerard M. Verrijn Stuart (1893–1969) und Jan Tinbergen (1903–1994) zu einer im September 1947 stattfindenden »Konferenz über europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit«482 eingeladen worden sei. Und Ende September 1947 vertraute ­Eucken seinem Freund Rüstow an: »Meine innere Entwicklung war zu langsam, und jetzt muß ich mich beeilen.«483 Als ­Eucken im März 1950 unerwartet verstarb, lag das Manuskript zu den Grundsätzen »zum weitaus größten Teil bereits mit der Maschine geschrieben vor«, das Buch war »so gut wie vollendet.«484 Mitte Februar 1950, kurz vor seiner Abreise nach London, hatte E ­ ucken den zugehörigen Vertrag mit dem Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen unterzeichnet.485 Herausgegeben von Euckens Ehefrau und seinem langjährigen Freiburger Assistenten 478 ­Eucken

an Hayek, 10.11.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Eucken, E. ([1952] 2004: V ). 480 ­Eucken an Hayek, 24.1.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 481 ­Eucken an Hayek, 11.8.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 482 ­Eucken an Hayek, 18.7.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 483 ­Eucken an Rüstow, September 1947, zit. nach Lenel (1991: 14). 484  Edith E ­ ucken und K. Paul Hensel, Herausgabebericht, in ­Eucken ([1952] 2004: VII). 485 Vertrag zwischen Walter E ­ ucken und Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), von ­Eucken unterzeichnet am 15.2.1950, Dokument, ThULB, NL WE. 479 

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K. Paul Hensel, später Ordinarius in Marburg, sind Euckens Grundsätze der Wirtschaftspolitik 1952 posthum erschienen.486 In der Silvesterausgabe 1951 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschien auf Initiative von Erich Welter eine Zusammenstellung einzelner Abschnitte aus den Grundsätzen unter dem Titel »Die Ordnung der Wirtschaft« als Vorabdruck,487 der sich, wie Edith ­Eucken begeistert an Welter schrieb488, wie ein Aufsatz las. Eine englische Übersetzung der Grundsätze ist bisher nur in Auszügen erfolgt.489 Unvollendete Buchprojekte Weitere von E ­ ucken geplante wissenschaftliche Arbeiten, so eine wesentliche Erweiterung des 1934 veröffentlichten Buches Kapitaltheoretische Untersuchungen, eine morphologische Studie insbesondere zur Weiterführung der Marktformenlehre und ein nicht näher bezeichnetes systematisches theoretisches Werk  – wie es Hans Otto Lenel490 zufolge einem Brief Euckens an Rüstow von Ende September 1942 und Briefen von Erwin von Beckerath und Leonhard Miksch zu entnehmen ist – gelangten nicht mehr zur Ausführung. In einem Brief an Hayek vom Dezember 1947, in dem ­Eucken sich über die angekündigte Zusendung von Hayeks Buch The Pure Theory of Capital freut und bittet, das Buch an seinen in der britischen Besatzungszone in Celle bei Hannover lebenden Schwager Oberlandesgerichtsrat Dr. Gerhard Erdsiek zu senden, da ihn so Post aus England sehr rasch erreiche, lässt ­Eucken Hayek über seine geplanten Veröffentlichungen wissen: »Nach wie vor lege ich großes Gewicht darauf, weil ich nach Abschluß des wirtschaftspolitischen Buches, an dem ich jetzt arbeite, und eines weiteren kleineren theoretischen Buches einführender Art an ein größeres Werk über Investitionen und Kapital gehen möchte.491 Im Nachlass von Walter ­Eucken liegen Uwe Dathe492 zufolge umfangreiche Vorarbeiten zu einer Theoretischen Nationalökonomie, die Eucken, wie er in Briefen an Gerhard Ritter und Erich Welter 1947 angekündigt hat, den Grundlagen und Grundsätzen als Abschluss seines Werkes folgen lassen wollte. Im Nachlass findet sich auch ein Vertragsentwurf vom Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen, der sich auf ein geplantes Buch mit dem Titel Grundlagen der Konjunkturpolitik493 bezieht. 486 ­Eucken

([1952] 2004). Vgl. Schäfer, C. (2019: 49 f.). 488  Edith E ­ ucken an Erich Welter, 3.1.1952, BArch NL Welter, N 1314/157, zit. nach Schäfer, C. (2019: 50). 489  Siehe Angaben zu Eucken ([1952] 2004) im Literaturverzeichnis. 490  Lenel (1991: 14). 491 ­Eucken an Hayek, 13.12.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 492  Vgl. Dathe (2014a: 112). 493  Vertragsentwurf zwischen Walter ­Eucken und Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) vom 18.1.1950, ThULB, NL WE. 487 

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19. Akademische Selbstverwaltung – Widerpart des Rektors Martin Heidegger 19.1. Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Die Freiburger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät wählte Walter ­Eucken für die Amtszeit vom 1. April 1929 bis zum 31. März 1930 zum Dekan. Damit war letztlich auch die Aufgabe verbunden, gegen Ende des Wintersemesters 1929/30 zum Abschluss seiner Amtszeit das damals übliche Fakultätsfest auszurichten. »Da Frau ­Eucken ihre Kinderjahre in Rußland zugebracht hatte«, so erinnerte es Alexander Kresling (1897–1977), damals Lektor für russische Sprache an der Universität, »kamen Euckens auf die Idee, das Dekanatsfest für die Fakultätskollegen und ihre Damen […] unter dem Motto ›Russisch‹ zu geben, also mit russischen Kostümen, russischem Menü und – russischer Musik.«494 Die Menükarte zum Fest vermerkt als Datum »Mittwoch, den 9. Januar alten Stils«, bezog sich also auf den in Russland bis zur Oktoberrevolution geltenden Julianischen Kalender. Tatsächlich fand das Dekanatsfest entsprechend der 13-tägigen Differenz zum Gregorianischen Kalender am Mittwoch, den 22. Januar 1930 statt. Als »Speisefolge« nennt die Karte: »Borschtsch, Kournik, Plombir, Getränke: Zinandali, Pivo, Klukva-Limonade, Süssigkeiten: Halwa, Pastilla u. s. w.«, ferner hieß es: »Die Bedienung spricht auch Deutsch.«495 »Mit der Musik wurde ich betraut«, so Kreslings Erinnerung, »und wir einigten uns auf ein russisches Streichquartett und einige russische Volkslieder. […] Der Russische Dekanatsabend gelang über alles Erwarten gut und gab uns den Mut und die Lust, ein ›richtiges Konzert‹ in der Universität zu veranstalten. Der ›Russische Chor‹ war geboren.«496 Mit Alexander Kresling, dem Gründer und langjährigen Leiter des heute noch existierenden Russischen Chores der Universität Freiburg, blieben Euckens freundschaftlich verbunden. Für ­Eucken stand während seiner Amtszeit als Dekan womöglich eine Berufung an die Universität Göttingen im Raum. Ende Dezember 1929 antwortete ­Eucken seinem ehemaligen Freiburger Fakultätskollegen, dem Göttinger Rechtshistoriker Wolfgang Kunkel, auf dessen Frage nach Euckens Interesse an einem Wechsel nach Göttingen: »Die Frage, die Sie an mich richten, ist in des Wortes wahrster Bedeutung eine Gewissensfrage. Sie wissen, daß ich mich in Freiburg sehr wohl fühle und mein hiesiger Wirkungskreis ein verhältnismäßig großer und entwicklungsfähiger ist. Anderseits hat Göttingen auch Vorzüge aufzuweisen […]. Als Nationalökonom hat man oft in Berlin zu tun und da 494 

Ohne Verfasserangabe (1977: 23) [Ein Interview mit Alexander Kresling]. Karte mit der Speisefolge, Mittwoch 9. Januar alten Stils, ThULB NL WE. 496  Ohne Verfasserangabe (1977: 23) [Ein Interview mit Alexander Kresling]. 495 

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ist die größere Nähe Göttingens zweifellos ein Vorzug. Schließlich würde es auch darauf ankommen, was die preußische Regierung mir für Bedingungen bietet. Das wäre so im Großen und Ganzen meine prinzipielle Stellungnahme.«497

Anfang Januar 1930 schrieb E ­ ucken dann seiner Frau nach Jena: »Von Kunkel bekam ich einen kurzen Brief. Wahrscheinlich werde ich auf die Göttinger Liste kommen, aber ob das Ministerium mich beruft, ist sehr fraglich, zumal es offensichtlich einige eigene Kandidaten hat. So bitte ich Dich, jedenfalls jetzt nur sehr vorsichtig darüber zu sprechen, am besten gar nicht.«498 Ob ­Eucken 1930 tatsächlich einen Ruf nach Göttingen erhielt, lässt sich anhand bisher bekannter Quellen nicht feststellen. Er blieb jedenfalls weiterhin an der Universität Freiburg. 19.2. Mitglied des Senats und Widerpart des Rektors Martin Heidegger Als Wahlmitglied des Senats der Universität Freiburg fungierte Walter ­Eucken erstmals im Amtsjahr 1928/29. Als im Dezember 1932 die Suche nach Kandidaten für das Amt des Rektors der Universität begann, scheint dafür auch ­Eucken im Gespräch gewesen zu sein. Doch E ­ ucken lehnte ab und bat Karl Diehl, der bei ihm vorgefühlt hatte, für den Fall, dass sein Name als einer der möglichen Kandidaten genannt werden sollte, zu erklären, dass er hierfür nicht in Betracht komme. Als Begründung führte E ­ ucken an: »Unaufschiebbare wissenschaftliche Arbeiten, über die ich Ihnen berichtete, machen es mir jetzt unmöglich, ein so hohes und verantwortungsvolles Amt zu übernehmen.«499 Und auch auf Diehls erneuten Appell, die Rektorwahlfrage nochmals zu überdenken, antwortete Eucken, er sei nach gründlicher Überlegung erneut zu einem negativen Ergebnis gekommen, wofür der Stand seiner »wissenschaftlichen Arbeiten, die eine Unterbrechung gerade jetzt nicht vertragen«500, entscheidend gewesen sei. Es war dann der Mediziner Wilhelm von Möllendorff (1887–1944), der am 17. Dezember 1932 zum Rektor gewählt wurde. Er trat sein Amt am 15. April 1933 an, erklärte jedoch bereits am 20. April seinen Rücktritt, nachdem er im nationalsozialistischen Kampfblatt Der Alemanne attackiert und aufgefordert worden war, »der Neuordnung der Hochschule nicht im Wege zu stehen.«501 Daraufhin wurde in einer außerordentlichen Senatssitzung am 21. April 1933 497 ­ Eucken an Kunkel, 27.12.1929, Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, NL Wolfgang Kunkel, Nr. 384, in E ­ ucken GS, Band III.1. 498 ­Eucken an Edith Eucken, 5.1.1930, ThULB, NL WE. 499 ­ Eucken an Diehl, 8.12.1932 (Briefentwurf ), ThULB, NL WE (Universitätsverwaltung Freiburg, Handakte Euckens), in ­Eucken GS, Band III.1. 500 ­Eucken an Diehl, 13.12.1932 (Briefentwurf ), ThULB, NL WE (Universitätsverwaltung Freiburg, Handakte Euckens), in ­Eucken GS, Band III.1. 501  Zit. nach Martin (1991: 13).

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der Philosoph Martin Heidegger (1889–1976) mit 52 Stimmen bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen zum neuen Rektor gewählt.502 E ­ ucken war zuvor am gleichen Tag von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zum Senatsmitglied gewählt worden503, nachdem der bisherige Senatsvertreter der Fakultät, der Rechtswissenschaftler Fritz Pringsheim (1882–1967), aufgrund des badischen Judenerlasses suspendiert worden war. Im Rückblick auf die Wahl Heideggers zum Rektor hielt ­Eucken später fest: »Das Plenum wählte Heidegger, weil es hoffte, er werde in seiner Universitätsführung eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber der Partei bewahren und ›unsere Universität‹ vor unerträglichen Zumutungen radikaler Elemente schützen. […] In Wirklichkeit hat er das Vertrauen, das ihn in einem entscheidenden Moment an die Spitze der Universität berief, auf ’s schwerste enttäuscht.«504 Seit dem 1. Mai 1933 war Heidegger als Rektor im Amt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war die Ansprache auf einer Immatrikulationsfeier am 6. Mai 1933, in der Heidegger den Erstsemestern unter anderem zurief: »Vormals war dieser Akt der Augenblick des Eintritts in den Genuß der sogenannten ›akademischen Freiheit‹. Und diese Freiheit bedeutete Sorglosigkeit, Beliebigkeit der Absichten und Neigungen, die Ungebundenheit im Tun und Lassen. Mit dem Sommersemester 1933 des denkwürdigen Jahres 1933 hat dieser Begriff von akademischer Freiheit endgültig seinen Gehalt verloren. Er wird künftig zu seiner eigentlichen Wahrheit zurückgebracht werden. […] Freiheit ist Freisein für […] Entschlossenheit zu gemeinsamem geistigen Einsatz für das deutsche Schicksal. […] Die Immatrikulation bedeutet den Übertritt in die Kampf- und Erziehungsgemeinschaft jener, denen die geistige Sendung des deutschen Volkes das erste und letzte ist. […] In diese Grundstimmung der kämpferischen Erziehung aber sollen nun zugleich hineingestaltet werden die neuen Aufgaben des Arbeitsdienstes und des Wehrdienstes,  – keine Zugaben, sondern von Grund aus mitbestimmend den Gesamtgeist und die Gesamtstimmung der Erziehung.«505

Am 27. Mai 1933 wurde die Übergabe des Rektorats an Heidegger mit einem akademischen Festakt begangen, dessen Choreographie Heidegger selbst bis ins Detail festlegte, denn er sollte »den Führungsanspruch des neuen Amtsinhabers dokumentieren und zu einem über die Universität hinausstrahlenden nationalen Ereignis werden.«506 Es gab einen Festzug der Talar tragenden Professoren durch 502 

Martin (1991: 14). der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät vom 21. April 1933, zit. nach Brintzinger (1996: 81). 504  Schreiben von Walter ­Eucken vom 30.11.1945 an den Reinigungsausschuss der Universität, in dem er entsprechend der in der Senatssitzung vom 21.11.1945 an ihn ergangenen Aufforderung seine Bedenken gegen das Gutachten des Reinigungsausschusses über Heidegger schriftlich darstellt, Typoskript, ThULB, NL WE. 505 Heidegger, Ansprache zur Immatrikulation, in Heidegger (2000: 96; Hervorhebung im Original). 506  Martin (1988: 454) und Martin (1991: 14). 503  Protokoll

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die Straßen der Stadt, bei dem die Führerrolle des Rektors und der Dekane zum Ausdruck kommen sollte, indem die Dekane erstmals allein einen Schritt vor den übrigen Professoren der jeweiligen Fakultäten einherschritten. In der Aula hielt dann Rektor Heidegger umrahmt vom großen Orchester des Stadttheaters, das zu Beginn die Akademische Festouvertüre von Johannes Brahms und zum Schluss Richard Wagners Huldigungsmarsch spielte, seine programmatische Rektoratsrede über »Die Selbstbehauptung der Deutschen Universität.«507 Sie begann mit dem Satz: »Die Übernahme des Rektorats ist die Verpflichtung zur geistigen Führung dieser hohen Schule;«

erreichte einen Höhepunkt in den Worten: »Wenn aber die Griechen drei Jahrhunderte brauchten, um auch nur die Frage, was das Wissen sei, auf den rechten Boden und in die sichere Bahn zu bringen, dann dürfen wir erst recht nicht meinen, die Aufhellung und Entfaltung des Wesens der deutschen Universität erfolge im laufenden oder kommenden Semester. Aber eines freilich wissen wir aus dem angezeigten Wesen der Wissenschaft, daß die deutsche Universität nur dann zu Gestalt und Macht kommt, wenn die drei Dienste – Arbeits-, Wehr- und Wissensdienst – ursprünglich zu einer prägenden Kraft sich zusammenfinden«;

und schloss mit den Worten: »Die Herrlichkeit aber und die Größe dieses Aufbruchs verstehen wir dann erst ganz, wenn wir in uns jene tiefe und weite Besonnenheit tragen, aus der die alte griechische Weisheit das Wort gesprochen: ›Alles Große steht im Sturm …‹.«508

Heideggers Rektoratsrede sei vor allem vorzuwerfen – so hielt es Walter ­Eucken zwölf Jahre später in seiner »Stellungnahme zum Bericht über das Ergebnis der Verhandlungen des Reinigungsausschusses der Universität betr. Heidegger vom 19.12.1945« fest –, »daß sie große Gedanken der griechischen Wissenschaft in Verbindung bringt mit handfesten Schlagworten, die vom Nationalsozialismus ausgenutzt werden mußten.«509 Dieser Vorwurf wog für ­Eucken umso schwerer, als Heidegger ein über Deutschland hinaus bekannter und hoch angesehener Philosoph war. E ­ ucken hatte schon am 13. Mai 1933, zwei Wochen vor Heideggers Rektoratsrede, in einem Gespräch mit dem damaligen Prorektor, dem Ordinarius für christliche Archäologie und Kunstgeschichte, Prälat Joseph Sauer, kritisch beklagt, »[e]s mache den Eindruck, als ob er ganz für sich nach dem Prinzip des Führersystems fuhrwerken wolle. Heidegger fühle sich offenbar als 507 

Heidegger, Rektoratsrede vom 27.5.1933, in Heidegger (2000: 107–117). Rektoratsrede vom 27.5.1933, in Heidegger (2000: 107; 115 f.; 117; Hervorhebungen im Original). Als Quelle des Zitats ist angegeben: »Platon, Politeia 497 d, 9.« 509 »Stellungnahme zum Bericht über das Ergebnis der Verhandlungen des Reinigungsausschusses der Universität betr. Heidegger vom 19.12.1945«, ThULB, NL WE. 508  Heidegger,



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der geborene Philosoph und geistige Führer der neuen Bewegung, als der einzige große und überragende Denker seit Heraklit.«510 Im Rückblick hielt ­Eucken dann in seiner Stellungnahme zum Gutachten des Reinigungsausschusses betreff Heidegger kritisch fest: »Heidegger war – was das Gutachten nicht richtig zum Ausdruck bringt – in seinem Verhalten eben durchaus Nationalsozialist und gerade das, was uns vom Nationalsozialismus trennt, ist von ihm gestärkt worden: der Machtrausch, die Intoleranz, der Byzantinismus, die Traditionslosigkeit, die Bedenkenlosigkeit in der Durchführung der Gewaltmethoden, die Rechtlosigkeit, das Mißtrauen gegen alle Menschen, die frei sein wollen.«511 Außerdem führte ­Eucken an: »Daß Heidegger schon vor der Machtergreifung Antisemit war, ist bekannt. Von seinem praktisch betätigten Antisemitismus während seiner Amtszeit weiß aber das Gutachten nicht.«512 Heidegger berief während seiner Rektoratszeit den Senat nur viermal ein, »wogegen besonders Walter ­Eucken und Wilhelm von Möllendorff protestierten.«513 E ­ ucken wurde »geradezu der Sprecher der latenten Opposition im Senat«514 und damit ein entschiedener Widerpart des Rektors. Streitpunkte waren die von Heidegger propagierte – und mittlerweile auf Tagungen des Hochschulverbandes und der Rektoren auch praktizierte – Gleichschaltungspolitik sowie die Stellung von Arbeitsdienst und Wehrsport im Studium.515 Bereits in seinem Gespräch mit Prorektor Sauer am 13. Mai 1933 hatte ­Eucken darauf gedrungen, dass über die »im Gang befindliche Organisation der Zwangsfachschaften« dringend eine Anhörung im Senat erfolgen müsse. Daraufhin versprach Sauer, mit Heidegger über eine baldige Einberufung des Senats zu sprechen.516 Indes, erst am 14. Juni 1933 fand die erste, von Heidegger geleitetete Senatssitzung statt. Heidegger berichtete über den »a. o. Hochschultag«, der am 510  Sauer, Tagebucheintrag, 13.5.1933, UAF, NL Joseph Sauer, C0067/0032, S. 61. Vgl. auch Ott (1992: 164 f.) und Martin (2005: 36, Anm. 34). 511 ­Eucken an Reinigungsausschuß der Universität Freiburg i. Br., 30.11.1945, Betr. Professor Martin Heidegger, S. 4, ThULB, NL WE. 512 ­Eucken an Reinigungsausschuß der Universität Freiburg i. Br., 30.11.1945, Betr. Professor Martin Heidegger, S. 2, ThULB, NL WE. Der »Bericht über das Ergebnis der Verhandlungen im Bereinigungsausschuß vom 11. u. 13. XII.45« (19.Dez. 1945), abgedruckt in Martin (1989: 191–206, hier:197), vermerkt: »Dagegen steht, namentlich nach der Erinnerung von Herrn ­Eucken fest, dass Herr Heidegger als Rektor in öffentlichen Reden von ›der Judenherrschaft in der Systemzeit‹ und von den Juden als ›den Fremden‹ gesprochen hat.« Vgl. dazu auch Martin (2018: 28), der feststellt: »­Eucken […] sollte auch Heidegger im Rahmen der nach 1945 angesetzten politischen Säuberungen des Antisemitismus bezichtigen.« 513  Grün (1999a: 27). 514  Rübsam/Schadek (1990: 26). Siehe auch Martin (1991: 15). 515  Martin (1991: 15). 516  Sauer, Tagebucheintrag, 13.5.1933, UAF, NL Joseph Sauer, C0067/0032, S. 61.

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

1. Juni 1933 in Erfurt stattgefunden hatte. Das Senatsprotokoll vermerkt517, dass sich auch E ­ ucken dazu äußerte. ­Eucken war nämlich im gleichen Zug wie Heidegger nach Erfurt gereist und hatte an sämtlichen Sitzungen teilgenommen. Der Tenor seiner Äußerung im Senat war sicherlich kritisch, denn seiner Frau hatte E ­ ucken noch von Erfurt aus berichtet: »Die Tagung ist schon heute zu Ende gegangen – mit miserablem Ergebnis. Daher bin ich gleich nach Jena gefahren.«518 Euckens zwölf Jahre später verfasste Stellungnahme gibt weiteren Aufschluss: »Auf dem Hochschultag wurde eingehend über Grundlagenforschung und Zweckforschung gesprochen, und von der nationalsozialistischen Gruppe wurde – ohne daß Heidegger hier widersprach – verlangt, daß die Zweckforschung in den Vordergrund zu treten habe. Die Behauptung, daß er für die Universitas und gegen die Fachschule auf der Erfurter Tagung des Hochschulverbandes offen aufgetreten sei, ist nicht zutreffend.«519 Auch Edith ­Eucken erinnerte sich später an die erfolglose Mission ihres Mannes in Erfurt: »[G]leich, als die Nazis zur Herrschaft kamen, ist er mit einem Kollegen […] dem Professor Oehlkers, zu einer Tagung der […] Professoren […] gefahren, als Abgesandter, und hat versucht, sie zu einer Stellungnahme gegen Hitler, zu einem Mißtrauensvotum zu bewegen. […] Es war nicht möglich, das durchzusetzen.«520 Euckens Tochter, Irene Oswalt-­Eucken, schrieb später dazu: »At the Erfurter Rektorentag in 1933 he [Walter Eucken] tried to persuade the German universities to stand up against Hitler and failed. He continued his struggle at Freiburg as Martin Heidegger attempted to establish the Führerprinzip at the university.«521 Für die zweite Senatssitzung unter Heidegger am 12. Juli 1933 verzeichnet das Protokoll »Anfrage Prof. ­Eucken […] über das Aufsichtsrecht des Rektors über die Handhabung des Studentenrechts insbesondere betreffs des Falles der Besetzung des Hauses der Neo-Friburgia. Aussprache. Rektor entscheidet: Da die Stellungnahme des Ministeriums in diesem Falle noch nicht erfolgt ist, ist es nicht angebracht, jetzt schon in dieser Sache einzuschreiten. Dies solle gegebenenfalls erfolgen, sobald die Sache geklärt ist.«522 Demgegenüber hatten ­Eucken und andere Senatsmitglieder angesichts dieses Falles von Plünderung, Zerstörung und schwerer Misshandlung, der am 28. Juni 1933 im Haus der jü517  Senatsprotokoll

124).

518 ­Eucken

vom 14.6.1933, UAF A10/109, abgedruckt in Heidegger (2000:

an Edith Eucken, 1.6.1933, ThULB, NL WE. Bemerkungen zu einzelnen Punkten im Bericht über das Ergebnis der Verhandlungen im Reinigungsausschuss betr. Heidegger vom 19.12.1945, ThULB, NL WE. 520  Eucken-Erdsiek (1974: 10). 521  Oswalt-­Eucken (1994: 38). 522  Senatsprotokoll vom 12.7.1933, UAF A10/109, abgedruckt in Heidegger (2000: 142). 519  Eucken,



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dischen Studentenverbindung Neo-Friburgia in der Baslerstraße stattgefunden hatte, die Einleitung eines Verfahrens verlangt, wie aus Euckens Schreiben an den Reinigungsausschuss vom 30. November 1945 hervorgeht, in dem er auf Heideggers Verhalten in jenem Fall wie folgt Bezug nimmt: »Es wurde festgestellt, daß Mitglieder der ›Studentenführung‹ dieses Verbrechen inszeniert hatten und an der Durchführung beteiligt waren. Im Senat wurde entschieden verlangt, daß gegen die verantwortlichen Studenten ein Verfahren eingeleitet würde. Es herrschte damals in der Stadt mit Recht Entsetzen über die Brutalität dieses Überfalls. Heidegger hat nicht nur nichts von sich aus gegen die Räuber unternommen, sondern, als er von Senatoren dazu gedrängt wurde, sich vor die Missetäter gestellt. Er verhinderte ein Verfahren, obwohl jeder sehen mußte, daß die Duldung solcher Gewalttaten neue Gewalttaten unweigerlich nach sich ziehen würde – wie es auch tatsächlich geschah. Weil es Juden waren, die beraubt und mißhandelt wurden, ließ er es zu, daß die Uebeltäter straffrei davon kamen.«523

Ein weiterer Tagesordnungspunkt auf der zweiten Senatssitzung im Juli 1933 war das Thema Wehrsport. Heidegger informierte über den beabsichtigten Umfang des für die Studenten verpflichtend vorzusehenden Wehrsports, woraufhin ­Eucken laut Protokoll »Wünsche für die Neugestaltung« vorgebracht habe.524 Worum es E ­ ucken in diesem Zusammenhang ging, erhellt Euckens anschließend an Hermann Stieve (1886–1952), den Vorsitzenden der Rektorenkonferenz und Rektor der Universität Halle, gesandter Brief. Mit Stieve hatte sich ­Eucken bereits auf dem Hochschultag in Erfurt besprochen. Nunmehr bat ­Eucken mit dem Ausdruck größter Besorgnis Stieve um Intervention bezüglich der Einführung des Wehrsports und schrieb ihm: »Die Erfahrungen, die in diesem Semester mit der übermässigen Ausdehnung des Wehrsports und mit der Gestaltung der Arbeitsgemeinschaften gemacht wurden, noch mehr die Pläne, die bei der Führung der Deutschen Studentenschaft bestehen, lassen befürchten, dass die Universität als eine Stätte wissenschaftlicher Bildung und Forschung total zerstört wird. […] Deshalb ist m. E. der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie mit einigen anderen führenden Gelehrten unmittelbar beim Herrn Reichskanzler und beim Herrn Innenminister vorstellig werden sollten. Ebenso […] muss jetzt von unserer Seite durch unmittelbare Aufklärung der obersten Stelle – der gerade an der Weltgeltung der Universität sehr viel liegt – eine Wendung in der Hochschulpolitik erreicht werden.«525

Stieves umgehender Antwortbrief 526 war ausnehmend höflich, aber eher hinhaltend. Vier Monate später war Stieve von seinem Rektoramt zurückgetreten. 1936 wurde die Rektorenkonferenz per Ministererlass verboten. 523  Walter

Eucken, Schreiben vom 30.11.1945 an den Reinigungsausschuss der Universität, S. 2 f., ThULB, NL WE. 524  Senatsprotokoll vom 12.7.1933, UAF A10/109, abgedruckt in Heidegger (2000: 142). 525 ­Eucken an Stieve, 19.7.1933, ThULB, NL WE. 526  Stieve an Eucken, 24.7.1933, ThULB, NL WE.

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

Während Euckens Senatszeit stand in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät die Berufung eines Nachfolgers für den Ende März 1933 emeritierten Nationalökonomen Karl Diehl an. Bereits im Januar 1933 hatte sich die Fakultät auf einen Berufungsvorschlag mit Herbert von Beckerath auf dem ersten Platz527 verständigt, den Rektor Heidegger im November 1933 dem Ministerium in Karlsruhe mit der Bemerkung übersandte, er halte Herbert von Beckerath für den geeigneten Nachfolger, denn – so führte er dazu aus: »Was an jüngeren Kräften da ist, genügt entweder nicht hinsichtlich der Gesamteignung oder läßt eine hinreichende lebendige Erfahrung in Wirtschaftsdingen vermissen. Meiner Überzeugung nach sind freilich die Volkswirtschaftslehrer, die unser Staat braucht, noch nicht da und deshalb sind Notbehelfe zur Zeit unvermeidbar.«528

Auch 1934 konstatierte Heidegger noch: Von jenen, die in Frage kämen, sei keiner »im Stande, unmittelbar vorwärtstreibend die heutigen Wirtschaftsfragen vor den Studenten aufzurollen.«529 ­Eucken hatte indes bereits im Februar 1933 versucht, für die Diehl-Nachfolge Joseph Schumpeter zu gewinnen, der – wie es Rüstow bereits 1926 auf den Punkt gebracht hatte – »einer der ganz wenigen bedeutenden und produktiven Theoretiker ist, die wir in Deutschland haben, der einzige von internationalem ­ ucken mittlerweile auch persönlich bekannt war. Format«530, und mit dem E »Wenn auch unsere Arbeitsgebiete sich in manchen Punkten berühren«, schrieb Eucken, »so würden wir uns doch  – wie ich glaube  – in anderen gut ergänzen.«531 Doch Schumpeter, der 1932 einem Ruf an die Harvard University gefolgt war, antwortete im März 1933: »[I]ch kann so kurz nach meinem Eintritt in den Kreis von Harvard unmöglich fort«, räumte jedoch ein: »An sich, Deutschland, Freiburg, Zusammenarbeit mit Ihnen und Diehl: Das wäre, wenn ich mich frei fühlte, zu viel der Verlockung, um zu widerstehen.«532 Nachdem sich 1933 eine Berufung Schumpeters nach Freiburg nicht realisieren ließ, fand sich für den Diehl-Lehrstuhl letztlich erst im März 1937 mit Constantin von Dietze aus Berlin ein Nachfolger. Im Februar 1934 schilderte E ­ ucken einem ehemaligen Schüler die allgemeine Situation an der Freiburger Universität illusionslos: »Gerade hier in Baden ist die 527  Auf Platz zwei waren Fritz Beckmann und Erwin von Beckerath genannt sowie auf Platz drei Adolf Lampe. Vgl. Brintzinger (1996: 94). 528  Heidegger an das badische Kultusministerium, 18.11.1933, StAF, C25/2–78, abgedruckt in Heidegger (2000: 194). 529  Heidegger an das badische Kultusministerium, 5.3.1934, StAF, C25/2–18, abgedruckt in Heidegger (2000: 259). 530  Rüstow an Eucken, 11.11.1926, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 305. 531 ­ Eucken an Schumpeter, 10.2.1933, Harvard University Archives (HUA), HUG (FP)–4.7 Box 3, zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 13). 532  Schumpeter an Eucken, 11.3.1933, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 29 f.).



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Universitätsverfassung radikal geändert, die Universität hat völlig Anstalts-Charakter erhalten und von der alten libertas academica finden Sie nur noch wenig. Immerhin ist auch heute noch ein starkes Interesse für theoretische Nationalökonomie vorhanden und das Verhältnis zu den Studenten ist unverändert gut.«533 Im Land Baden – die übrigen Länder des Deutschen Reiches hatten sich vorerst noch abwartend verhalten – war am 21. August 1933 eine neue vorläufige Universitätsverfassung in Kraft getreten, die eine Gestaltung der Universitätsstruktur nach dem Führerprinzip vorsah.534 Daraufhin war Heidegger am 1. Oktober 1933 zum Führer-Rektor der Universität Freiburg ernannt worden, dem die Ernennung der Dekane oblag. Zum Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ernannte Heidegger den einunddreißigjährigen Rechtsphilosophen Erik Wolf (1902–1977). Wolf – obgleich später in den oppositionellen Freiburger Kreisen engagiert – war zu jener Zeit ein fanatischer Verehrer Heideggers535 und bestrebt, das nationalsozialistische Führerprinzip auch an der Fakultät umzusetzen. ­Eucken kritisierte an Wolf »Fanatismus und Verkennung aller Rechtslagen« sowie eine »abgöttische Anbetung von Heidegger.«536 Spannungen innerhalb der Fakultät blieben nicht aus und entwickelten sich im Zuge der Regelung der Lehrstuhlvertretung für den vakanten Diehl-Lehrstuhl zu einem Konflikt, der infolge einer von Lampe geltend gemachten Benachteiligung in wechselseitigen Dienstaufsichtsbeschwerden Lampes und Wolfs gipfelte und letztlich für Heidegger zum willkommenen Anlass wurde, sein Rektoramt zum 15. April 1934 niederzulegen.537 Anfang Mai 1934 sah für E ­ ucken daher die Lage anders aus, und er konnte seiner Mutter berichten: »Für mich ist es sehr wichtig, daß Heidegger vom 533 ­Eucken an Dr. H. Beerbohm, 6.2.1934, Walter ­Eucken Institut (Geschenk von Frau

I. Beerbohm, 1992). 534  Würtenberger/Sydow (1999: 53) zufolge setzte ein Erlass des badischen Ministers des Kultus, des Unterrichts und der Justiz vom 21.8.1933 die bisherige Universitätsverfassung von 1919 außer Kraft; der Rektor wurde zum Führer der Hochschule bestimmt, dem alle Befugnisse des seitherigen (engeren und großen) Senats zustehen; dem Senat wurden Abstimmungen und Beschlussfassung untersagt, er wurde auf eine beratende Rolle beschränkt; der Rektor erhielt das Recht, einzelne Senatoren und die bisher durch die Fakultät gewählten Dekane zu ernennen und auch jederzeit wieder abzuberufen; korrespondierend hierzu erhielten die Dekane in allen Fakultätsangelegenheiten das alleinige Entscheidungsrecht. 535  Zu Erik Wolf – insbesondere zu dessen späterem Engagement in der Bekennenden Kirche und in den oppositionellen Freiburger Kreisen– vgl. Hollerbach (2007: 290–296) und Martin (2005: 27–55). 536  Ott (1992: 226 f.). 537  Vgl. hierzu Ott (1992: 224–239) sowie Brintzinger (1996: 82 f.) und Martin (2007: 353) mit Verweis auf Heideggers Brief an den Minister des Kultus, des Unterrichts und der Justiz vom 14.4.1934 in Heidegger (2000: 272).

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

Rektorat zurückgetreten ist. Auch Erik Wolf, der bisherige Dekan, ist nicht mehr Führer der Fakultät. Die Herren, die nunmehr ernannt sind (Kern-Rektor538), sind sehr ruhig denkende Männer, zu denen man vollstes Vertrauen haben muß. Ich freue mich sehr über diese Wendung; sowohl im Interesse der Universität, wie in meinem eigenen. Mit den jetzt maßgebenden Herren unterhalte ich seit langem sehr gute Beziehungen.«539 Auch seinen Freund Rüstow ließ er wissen, es habe sich inzwischen »vieles gebessert, seitdem Heidegger und seine Clique aus der Führung der Universität ausgeschieden sind.«540 Im Mai 1934 – es könnte anlässlich der am 3. Mai in Heidelberg abgehaltenen ­ ucken Tagung der Reichsfachschaft Volkswirtschaft gewesen sein541  – soll E auf einer von Parteifunktionären inszenierten Propaganda-Aktion in der Aula der Heidelberger Universität als einziger mutigen Protest gewagt haben. Karl Schiller (1911–1994) – damals in Heidelberg Doktorand von Carl Brinkmann, später ab 1948 gemeinsam mit ­Eucken Gründungsmitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone und Ende der 1960er Jahre Wirtschafts- und Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland – hat diese Episode überliefert: »Am Katheder stand ein Mann in Uniform. Er war aus Berlin gekommen, um uns zu sagen, daß die Nationalökonomie alter Ordnung und Observanz überholt sei: jüdisch, schwächlich und nicht zu gebrauchen. Eine furchtbare Philippika ging über uns herunter. Alle saßen da mit gebeugten Köpfen und hörten sich das stillschweigend an. Mit einem Mal stand ein Mann auf und sagte: ›Ich protestiere, ich protestiere‹ und schüttelte die Fäuste. ›Dafür‹, sagte der Mann, ›haben wir bei Langemarck542 nicht gekämpft‹. Der mutige Mann war Walter Eucken. Er stand da wie einst Wilhelm Tell. Dann setzte er sich, und es passierte nichts. Das war erstaunlich. Sonst gab es keinen öffentlichen Protest.«543 Nicht lange nach Euckens Protest in Heidelberg verhinderte die Hochschulkommission der NSDAP, dass E ­ ucken im Sommer 1934 einen Ruf an die Universität Leipzig erhielt.544 Indes war E ­ ucken darüber nicht unglücklich: »Aber ich wurde nicht berufen, was ich auch gar nicht erwartet hatte. Einerseits gelte ich als Liberalist und ausserdem mag vielleicht Ediths Abstammung mitgewirkt 538  Der Strafrechtler Eduard Kern (1887–1972) amtierte von April 1934 bis April 1936 als Rektor. Vgl. Grün (2007: 410–418). 539 ­Eucken an Irene Eucken, 3.5.1934, ThULB NL RE, V, 12, Bl. 28, zit. nach Goldschmidt (2002: 117). 540 ­Eucken an Rüstow, Anfang Mai 1934, zit. nach Lenel (1991: 12). 541  Vgl. Janssen (2012: 166, Anm. 35). 542 Langemarck, eine belgische Kleinstadt in West-Flandern, nördlich von Ypern, wurde im Ersten Weltkrieg am 10.11.1914 von deutschen Soldaten erstürmt. 543 Karl Schiller im Gespräch mit Hauke Janssen am 14.7.1989, zit. nach Janssen (2012: 165 f.). 544  Vgl. Marcon (2004: 482).



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haben. Nun aber steht die Sache so, dass ich jetzt nur den Wunsch habe in Freiburg zu bleiben. Leipzig […] käme gar nicht in Frage. Aber ich würde auch Berlin heute ablehnen.«545 ­Eucken war, auch mit Blick auf die politische Lage, bewusst geworden, dass die Verhältnisse an der Universität Freiburg vergleichsweise günstig waren. Doch auch in Freiburg verschlechterte sich unter den neuen Machthabern die Situation, und ­Eucken berichtete resigniert nach Jena: »Wenn man sieht und täglich erlebt, wie die echte Universität versinkt, so ist man von solchen Stimmungen gelegentlich auch nicht frei.«546 Mit Blick auf seine wissenschaftliche Arbeit in Forschung und Lehre blieb er indes zuversichtlich und fügte an: »Aber die wissenschaftliche Arbeit und der Kontakt mit den Studenten sind ein gutes Gegenmittel. Was die Zukunft bringt, wissen wir nicht; aber wenn man tüchtig arbeitet, so wird die Wirkung auf die Dauer nicht vollkommen gleich Null sein.«547 Das Engagement in der akademischen Selbstverwaltung der Universität stellte E ­ ucken von 1935 an ein: »Wir haben hier in Freiburg unseren Rektor Kern behalten. Er ist das beste, was bei Lage der Dinge erreichbar war. […] Im Übrigen halte ich mich in Universitätsverwaltungsfragen ganz zurück. Man hat ja doch keinen Einfluß. Um so zufriedener bin ich mit den Studenten und mit der Zusammenarbeit im Kreise meiner wissenschaftlichen Freunde, der an Einfluß gewinnt.«548 19.3. Engagement für die Universität Freiburg nach Kriegsende Erst im April 1945 nahm E ­ ucken sein Engagement für die akademische Selbstverwaltung der Universität wieder auf. »Walter ­Eucken hielt […] mit seiner ganzen Frische und Temperament eine eindringliche Ansprache über die Selbstverwaltung der Universität, wir hätten sie sofort in die Hand zu nehmen und einen Rektor und einen Senat zu wählen, wir hätten unmittelbar zu handeln; und als Begründung rief er am Schluß in den Raum: ›Alle Gesetze, die Hitler seit 1933 erlassen hat, sind null und nichtig.‹«549 Mit diesen Worten rief Oehlkers später Euckens Engagement auf der Plenarversammlung der Professoren der Universität in Erinnerung550, die am 25. April 1945 einberufen worden war, – vier 545 ­Eucken

an Irene Eucken, 19.4.1935, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 64). an Irene Eucken, 9.11.1934, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 67). 547 ­Eucken an Irene Eucken, 9.11.1934, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 67). 548 ­ Eucken an Irene Eucken, 13.4.1935, zit. nach Dathe/Goldschmidt (2003: 64 f., Anm. 75). 549  Vgl. Ott (1991: 245). 550  Ansprache von Rektor Friedrich Oehlkers am 10. Juli 1950 auf der Gedenkfeier der Universität für den verstorbenen Walter Eucken. 546 ­Eucken

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

Tage, nachdem sich die Stadt Freiburg kampflos den anrückenden französischen Truppen ergeben hatte.551 »Mein Mann«, so erinnerte es Edith Eucken, »hat […] zusammen mit einigen anderen, […] das waren einige Herren von der Erzdiözese und auch einige Professoren […] sich zusammengetan und verhindert, daß Freiburg verteidigt ­ ucken und wurde.«552 Aus dem Tagebuch von Prälat Sauer geht hervor, dass E der Theologe Arthur Allgeier (1882–1952) am 18. April 1945 Prälat Sauer aufgesucht und ihn gebeten hatten, als Mittelsperson den Erzbischof für eine kampflose Übergabe der Stadt zu gewinnen, der sich schließlich »nach energischem Zureden«553 bereit erklärt habe, sich dafür einzusetzen. Als die französische Besatzungmacht am 22. April 1945 den Lehrbetrieb der Universität einstellte, war zunächst die Sorge groß, sie werde sich der Wiederaufnahme des Lehrbetriebs und dem Weiterbestehen der Universität entgegenstellen.554 Zum Plenum der Professoren am 25. April 1945 waren »etwa 30 Kollegen erschienen«, wie Prälat Sauer in seinem Tagebuch festhielt, und »[v]or der Rektoratswahl erklärte ­Eucken, sie müsse nach altem Universitätsrecht stattfinden, auch müßten alle seit 1933 unter […] dem Geiste Adolf Hitlers erfolgten Akte [Entlassungen, Diskriminierungen] […] kassiert werden.«555 Mit der Wahl des Pharmakologen Sigurd Janssen (1891–1968) zum kommissarischen Rektor und des Juristen Franz Böhm zum Prorektor sowie mit der Wahl der Dekane – ­Eucken wurde dabei zum Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät gewählt – wurden in dieser Plenumssitzung die ersten Schritte zur Neukonstituierung der Universität nach Kriegsende unternommen. Der Linie des Rektors entsprechend kam es am 5. Mai 1945 erstmals zur Diskussion über die dem Lehrkörper angehörenden Parteimitglieder, wobei Eucken, als »erneuter Wortführer« anregte, »daß Kollegen, die bisher besonders tätig waren, zum Beispiel im SD [Sicherheitsdienst] oder in anderen Ämtern der Partei, der Besuch der Universität und der Institute verboten werden solle.«556 Die Diskussion im Senat verlief kontrovers, und im Gegensatz zum Rektor war es E ­ ucken wichtig, den Anfängen zu wehren. So pochte er »auf das Diktum: principiis obsta – die deutschen Universitäten insgesamt trügen reichlich Schuld an dem NS-Regime, da sie im Anfang versagt hätten. Dies war auch die Position 551  Plenarprotokoll vom 25. April 1945, UAF B 12/1. Vgl. Würtenberger/Sydow (1999: 45). Siehe dazu auch Ott (1991: 245). 552  Eucken-Erdsiek (1974: 14). 553  Ott (1991: 244). 554  Vgl. dazu Seemann (2007: 538 ff.). 555 Sauer, Tagebucheintrag, UAF, NL Joseph Sauer. Vgl. Ott (1991: 245). Die alte Weimarer Universitätsverfassung von 1919 wurde zunächst ohne Modifikation wieder in Kraft gesetzt; Organe der Universität waren danach das (Dozenten)Plenum, der Senat und der jeweils für ein Jahr gewählte Rektor. Vgl. dazu Würtenberger/Sydow (1999: 52 f.). 556  Ott (1991: 247).



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des Prorektors Franz Böhm, der fast leidenschaftlich für ein schonungsloses Vorgehen gegen die Verantwortlichen eintrat.«557 Im November 1945 konnte ­Eucken schließlich an Hayek berichten, das Weiterbestehen der Universität sei jetzt gesichert: »Unsere Fakultät eröffnet jetzt wieder […]. Nunmehr werde ich bald das Dekanat niederlegen.«558 Für die Neuausrichtung der Universität war es E ­ ucken wichtig, die Emigranten zurückzugewinnen. In seiner Eigenschaft als Dekan richtete er an den nach Oxford emigrierten Rechtswissenschaftler Fritz Pringsheim die förmliche Bitte, auf seinen Lehrstuhl zurückzukehren. Bereits ab 1946 lehrte Pringsheim jeweils im Sommersemester wieder in Freiburg, nahm jedoch im Übrigen bis 1958 seine Verpflichtungen in Oxford weiterhin wahr.559 Wegen der Wohnungsnot im zerbombten Freiburg kam das Ehepaar Pringsheim anfangs zunächst bei Euckens in der Goethestraße unter.560 ­Eucken war es außerdem wichtig, einen intensiven Kontakt mit Wirtschaftswissenschaftlern aus dem Ausland in Gang zu bringen und sie möglichst zu Vorträgen nach Freiburg einzuladen. Bereits wenige Wochen nach Kriegsende sandte ­Eucken eine Einladung an François Perroux (1903–1987), der an der Universität Paris lehrte. Im Oktober 1945 signalisierte ihm Hayek, dass Perroux die Einladung annehmen werde, nachdem ihn Hayek bei einem Treffen in Paris über E ­ ucken informiert hatte.561 Gleichwohl traf Perroux erst am 23. Mai 1948 zu vier Vorträgen in Freiburg ein.562 Auch Wilhelm Röpke aus Genf wollte ­Eucken frühzeitig zu Vorträgen nach Freiburg holen. Doch zunächst kam Röpke im September 1946 nur zu einem privaten Besuch. »Es hat mir außerordentlich gut getan, zu sehen, wie vortrefflich wir uns verstehen«, schrieb er ­Eucken anschließend und dankte herzlich »für die Tage in Ihrem Hause.«563 Röpke hatte einige Tage bei Euckens auf einem alten Feldbett kampiert und bei Diskussionen im Eucken’schen Freundeskreis sowie beim Gang durch die Trümmerlandschaft Freiburgs einen Eindruck von der desolaten wirtschaftlichen Situation gewonnen.564 Im Dezember 1949 war Röpke erneut in Freiburg, wie Miksch im Tagebuch festhielt: »Gestern bei ­Euckens mit Roepke.«565 557  Ott (1991: 247). Zum Verfahren der politischen Säuberung an der Universität Freiburg siehe Ott (1991: 250–256) und Seemann (2007). 558 ­Eucken an Hayek, 10.11.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 559  Vgl. Hollerbach (2007: 285). 560  Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 80). 561  Hayek an Eucken, 19.10.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 562  Vgl. ­Eucken an Edith Eucken, 23.5.1948, ThULB NL WE. 563  Röpke an Eucken, 2.10.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 564  Vgl. Hennecke (2005: 167 f.). 565  Miksch, Tagebucheintrag, 4.12.1949, zit. nach Goldschmidt (2015: 43).

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

20. Widerstand gegen die NS-Diktatur in den Freiburger Kreisen 20.1. Gegner des Nationalsozialismus von Anfang an »Zu meiner Person bemerke ich, daß ich nie der Partei oder einer Gliederung angehört habe, daß ich aber Widerstandgruppen zugehörte, so u. a. dem Kreis von Gördeler. Diese Widerstandstätigkeit ist auch dem Auslande bekannt geworden, z. B. in den USA«566, erklärte Walter ­Eucken 1947 an Eides statt. Am 18. März 1946 berichtete die New York Times in einem Artikel von ihrem Berliner Auslandskorrespondenten C. L. Sulzberger über Euckens Mitwirkung im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur im Rahmen der »most important intellectual group in the opposition centered about the faculty in Freiburg University, who had strong idealistic and moral grounds for opposition to nazism«.567 ­Eucken selbst machte nach Kriegsende von seiner Tätigkeit im Widerstand gegen das NS-Regime öffentlich kein Aufhebens.568 Im Vordergrund stand für ihn dann die Lösung der drängenden wirtschaftspolitischen Probleme im zerstörten Nachkriegsdeutschland. Lediglich in Euckens Entnazifizierungsbogen findet sich ebenfalls ein expliziter Hinweis auf seine Rolle im Widerstand: »Ich war und bin Mitglied eines Arbeitskreises deutscher Wirtschaftswissenschaftler, der seit 1941 häufig in Freiburg zwei- bis viertägige streng vertrauliche Sitzungen abhielt und die Probleme des wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaues nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus in Gutachten und Diskussionen behandelte. Es war ein Widerstandskreis. […] Ferner arbeitete ich insbesondere seit 1942 in einer geheimen Widerstandsgruppe mit, die vom christlich-evangelischen Glauben her die staatlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme einer nicht nationalsozialistischen Nachkriegszeit bearbeitete […]. Sie fertigte ein umfassendes Gutachten an, das die Wirtschaftspolitik im Falle eines Umsturzes behandelte, (1942/43).«569

Euckens ablehnende Haltung gegenüber dem Antisemitismus war kompromisslos.570 Von Anfang an lehnte E ­ ucken den Nationalsozialismus ab. Sein Handeln bezeugt dies vielfach. Beispielhaft sei hierzu angeführt: 1933 trat E ­ ucken den Bestrebungen der nationalsozialistischen Universitätspolitik während des Rektorats Heidegger konsequent entgegen; 1934 verhinderte E ­ ucken entschlossen eine Annäherung des väterlichen Euckenbundes an den Nationalsozialismus; zudem trat er 1934 aufgrund der Umsetzung des Arierparagraphens unwiderruf566 

Eucken, Gutachten betr. Erich Schott, 9.1.1947, ThULB, NL WE. (1946). Dem in ThULB, NL WE, erhaltenen Ausschnitt aus diesem New York Times-Artikel ist versehentlich das Datum 17. März 1946 zugeordnet. 568  Vgl. Janssen (2012: 216). 569  Eucken, Entnazifizierungsbogen, Anlagen zu J., Typoskript [1947], ThULB, NL WE., teilweise auch zit. bei Roser (1998: 70 f., Anm. 178). 570  Vgl. Dathe (2014a: 105). 567  Sulzberger

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lich aus seinem Corps Saxonia Kiel aus; ab dem Wintersemester 1933/34 setzte er sich in seinen Lehrveranstaltungen, besonders auch in den beginnenden Gemeinschaftsseminaren mit den Freiburger Rechtswissenschaftlern offensiv mit nationalsozialistischen Wirtschaftskonzeptionen auseinander; 1936 hielt er im Sommersemester eine öffentliche Vorlesung mit dem Titel »Der Kampf der Wissenschaft«, in der er für die Freiheit des Denkens plädierte. Diese Vorlesung erregte in Freiburg großes Aufsehen, erhielt großen Zulauf und wurde im Auditorium maximum der Universität »zum Treffpunkt all derer, die wie E ­ ucken ­ ucken »politisch dachte«, so Hitler und sein Regime verabscheuten.«571 Wie E formulierte es später sein Mitstreiter und Freund Franz Böhm, »pfiffen damals die Spatzen von den Dächern.«572 Um ein genaueres Bild der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus anhand der im Nachlass erhaltenen Familienkorrespondenz zeichnen zu können, fehlen indes, worauf Michael Schäfer573 hinweist, die schriftlichen Zeugnisse. Allen Beteiligten sei spätestens ab 1936 bewusst geworden, dass das Briefgeheimnis nicht mehr respektiert wurde und dass daher kritische Äußerungen im Klartext nicht mehr gefahrlos möglich waren. Man sei in der Korrespondenz zunehmend dazu übergegangen, bestimmte Personen nur noch mit Vornamen oder Initialen zu bezeichnen und häufig darauf hinzuweisen, dass man Weiteres im persönlichen Gespräch bereden wolle. Dazu bot sich bei regelmäßigen Besuchen und den jährlichen gemeinsamen Urlaubsaufenthalten an der Ostsee Gelegenheit. Und Uwe Dathe merkt an, dass Briefe mit dezidiert regimekritischen Aussagen und Aufzeichnungen Euckens zu Treffen oder Einzelgesprächen im Rahmen der Freiburger Kreise im Nachlass fehlen, da E ­ ucken nach dem misslungenen Attentat vom 20. Juli 1944 das Material, das ihn oder andere hätte belasten können, in großem Umfang vernichtet hat. Nur vereinzelt haben sich zwischen Euckens Manuskripten zu wirtschaftstheoretischen Fragen einige Aufzeichnungen erhalten.574 Euckens Tagebuchnotizen lassen erahnen, wie ihn die damaligen Zeitereignisse innerlich bewegten. So notierte er am 1. Mai 1935: »Wieder Umzug – Festwiese Rede Goebbels – Hitler. H[itler]: Wer recht hat, darüber entscheidet die Geschichte.  – Jawohl. Wir werden sehen, wie sie entscheidet. Er meint offenbar, die Geschichte habe schon entschieden. Nein. Das hat sie nicht.«575 Am 21. Oktober 1935, in Reaktion auf die Aberkennung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung der Juden durch die Nürnberger Gesetze vom September 1935 notierte Walter Eucken: »Alle Juden werden beurlaubt oder aus dem 571 

Götz (1970: 15). Böhm (1955: 7). 573  Vgl. Schäfer, M. (2020: 456). 574  Vgl. Dathe (2018b: 123). 575  Eucken, Tagebucheintrag, 1.5.1935, als Faksimile abgedruckt in Rübsam/Schadek (1990: 113). 572 

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Staatsdienst entlassen. Überall Mißhandlungen. Diese Sünde, die das deutsche Volk begeht, indem es wehrlose Menschen seelisch und körperlich mißhandelt, wird sich an ihm furchtbar rächen. Gott ist auch ein rächender Gott.«576 20.2. Teilnahme am Diehl-Seminar Zu einer Gesprächsrunde, in der die aktuelle politische Situation vertrauensvoll reflektiert werden konnte, entwickelte sich neben dem Gemeinschaftsseminar der Freiburger Schule das Privatseminar von Euckens 1933 emeritiertem Freiburger Kollegen Karl Diehl. Es war ab Sommersemester 1934 im Vorlesungsverzeichnis unter dem Thema »Der Einzelne und die Gemeinschaft« mit dem Zusatz »priv [privatissime], gr [gratis] in noch zu bestimmenden Stunden« angekündigt.577 Zum Stamm der Seminarteilnehmer, die sich jeden Mittwochabend bei Diehl zuhause in der Mercystraße 27 versammelten, zählten  – so erinnerten es die Töchter von Karl Diehl578 – die Professoren Eucken, Lampe und Ritter sowie später der 1937 nach Freiburg berufene Ökonom Constantin von Dietze und der 1938 auf den Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte berufene Clemens Bauer (1899–1984) mit ihren Ehefrauen. Zwischen von Dietze und Bauer entwickelte sich alsbald eine enge Zusammenarbeit, die sich auf das ausgeprägte wirtschaftshistorische und wirtschaftspolitische Interesse Bauers und das gemeinsame Interesse des Protestanten von Dietze und des Katholiken Bauer an religiösen und ethischen Grundfragen gründete.579 Zeitweise haben als Gäste u. a. Franz Böhm und seine Schwiegermutter Ricarda Huch am Diehl-Seminar teilgenommen. Auch Carl Goerdeler wurde von dem mit ihm seit 1934 befreundeten von Dietze im Diehl-Seminar eingeführt, als er nach Freiburg kam »um hier Helfer und Berater für die künftige Wirtschaftspolitik zu finden.«580 Zudem erhielt Goerdeler bei seinen regelmäßigen Begegnungen mit von Dietze Informationen über die Diskussionen im Diehl-Seminar.581 Diehl verstand es, Gesprächsbereitschaft ungeachtet aller akademischen und persönlichen Unterschiede seiner Seminarteilnehmer zu erzeugen. Politisch 576 Eucken, Tagebucheintrag, 21.10.1935, als Faksimile abgedruckt in Rübsam/ Schadek (1990: 57). 577  Vgl. Blumenberg-Lampe (1973: 16). Zu dem verwandten Thema Der Einzelne und der Staat hatte der Historiker Gerhard Ritter bereits im Wintersemester 1932/33 zusammen mit Juristen und Philosophen und unter Beteiligung von Walter E ­ ucken eine Vorlesungsreihe veranstaltet. Vgl. Schwabe/Reichardt (1984: 261). 578  Vgl. Völker (1988: 7). Vgl. dazu auch Hollerbach (2006: 761 f.). 579  Vgl. dazu Hollerbach (2006: 761 f.). 580  Von Dietze an Wilfried Huber, 29.7.1970, UAF, NL von Dietze, C100/768, zit. nach Dathe (2018a: 87). 581  Vgl. Dathe (2018a: 87).

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unliebsame Personen blieben dem Seminar fern, denn: »Zu Diehl ›ging man‹ nicht, ›man‹ wurde dazu von Diehl aufgefordert.«582 Die besondere Atmosphäre im Diehl-Seminar hat von Dietze rückblickend geschildert: »Hier fanden sich vertrauenswürdige Kollegen und Assistenten aus allen Fakultäten zu fachlicher, in wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit und Offenheit getriebener Arbeit zusammen. Der eigentlichen Seminarsitzung folgte jedes Mal eine ungezwungene Unterhaltung. In ihr wurden ungescheut die politischen Ereignisse besprochen.«583 Das Diehl-Seminar wurde zur Keimzelle des späteren Freiburger Konzils584 und bildete bis ins Jahr 1943 ein Diskussionsforum. »Gestern war wieder ein sehr gemütlicher Abend bei Diehl«585, schrieb ­Eucken seiner Frau vom Diehl-Seminar am 2. Februar 1938, und gut vier Jahre später berichtete er am 8. Juli 1942: »Gestern war ich in der deutsch-italienischen Gesellschaft, heute bei Diehl, übermorgen bei Dietzes Konzil.«586 »Bei Diehl war es (Vortrag Lampe) langweilig. Im Übrigen ein sehr kleiner Kreis.«587 20.3. Mitwirkung im Freiburger Konzil Auch am Abend des 9. November 1938 fand das Diehl-Seminar statt.588 Es war die Nacht, die als Reichspogromnacht in die Geschichte eingehen sollte. In Freiburg wurde in den frühen Morgenstunden des 10. November von einem SS-Kommando die Synagoge neben dem Universitätsgebäude in Brand gesteckt. Euckens älteste Tochter erinnerte später, dass sie am 10. November 1938 an der Hand des Vaters den Brand der großen Synagoge erlebt habe und tief verstört gewesen sei, weil niemand versucht habe, den Brand zu löschen.589 Auch Lampes damals siebenjährigem Sohn blieb der 10. November 1938 unvergessen: Vater »nahm uns Kinder mit, die Goethestraße hinunter zur Universität bis zur Absperrung, hinter der man das jüdische Gotteshaus brennen sehen konnte. Mein Vater war erstarrt […].«590 Gerhard Ritter schrieb unter dem Schock dieser Ausschreitungen gegen Juden: »Was wir in den letzten beiden Wochen erlebt haben […], ist das Beschämendste und Schrecklichste, was seit langen Jahren geschehen ist.«591 582 

Kluge (1988: 25). Zit. nach Rübsam/Schadek (1990: 32). 584  So z. B. Blumenberg-Lampe (1973: 17) und Klump (2005: 389), anders jedoch z. B. Kluge (1988: 25). 585 ­Eucken an Edith Eucken, 3.2.1938, ThULB, NL WE. 586 ­Eucken an Edith Eucken, 8.7.1942, ThULB, NL WE. 587 ­Eucken an Edith Eucken, 10.7.1942, ThULB, NL WE. 588  Blumenberg-Lampe (1973: 17). 589  [Oswalt-]­Eucken (2014: 77). 590  Lampe, K. (2014: 119). 591 Ritter an seine Mutter, 24.11.1938, BArch, NL Ritter, 458, zit. nach Schwabe/ Reichardt (1984: 339). 583 

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Das Entsetzen über die sich ungehindert Bahn brechende Gewalt gegen Leben und Eigentum von Juden und die Erkenntnis, dass von nun an das Leben der jüdischen Freunde und Kollegen unmittelbar bedroht war, führte insbesondere Adolf Lampe, Constantin von Dietze, Walter ­Eucken und Gerhard Ritter zu dem Entschluss, dass aus christlicher Grundhaltung heraus dem drohenden Chaos begegnet werden müsse.592 Daraufhin kam erstmals im Dezember 1938 in der Wohnung der Familie Lampe in der Goethestraße 66 das von ihnen etwas selbstironisch so bezeichnete »Konzil«593 zusammen. Es gilt im Rückblick als der einzige Widerstandskreis, der sich ausdrücklich aus Anlass der Judenverfolgung bildete.594 Ansporn zur Konzilsarbeit erhielten die Freiburger wohl auch durch die klaren Worte des jungen Berliner Pfarrers Helmuth Gollwitzer (1908–1993). Gollwitzer hatte am 16. November 1938 in seiner Predigt zum Buß- und Bettag eindringlich das Leid der Juden in der Pogromnacht angesprochen und die Christen zur Solidarität mit den bedrängten und verfolgten Juden aufgerufen.595 Franz Böhm, seit Anfang 1938 mit Gollwitzer in Kontakt596, hatte den Predigttext erhalten und ihn umgehend den Freiburger Freunden zugesandt, bei denen er »eine starke Wirkung«597 ausgeübt hat. Das Freiburger Konzil, dieser gemeinsam mit evangelischen und bald darauf auch mit katholischen Geistlichen gebildete oppositionelle Freiburger Kreis, traf sich bis in den September 1944 hinein in gewohntem gesellschaftlichem Rahmen sonntagabends reihum in den Wohnungen, etwa einmal monatlich, später aus Gründen der Vorsicht seltener, um die aktuelle Lage zu besprechen. In der Regel hielt einer der Teilnehmer einen Vortrag, an den sich oftmals eine bis spät in die Nacht dauernde Aussprache anschloss. Die Ehefrauen Gertrud Lampe und Margarethe von Dietze führten bei diesen Treffen Protokoll, so erinnerte es unlängst von Dietzes Sohn Gottfried von Dietze in einem Interview598, und von Dietzes Tochter, Marianne Kirchhofer, ergänzte: »Über die Inhalte wurde zuhause natürlich nicht gesprochen, schon um uns nicht zu belasten.«599 Zum Freiburger Konzil gehörten aus der Gruppe der Hochschullehrer die Ehepaare Constantin und Margarethe von Dietze, Walter und Edith Eucken, 592 

Vgl. Kluge (1988: 26). Rübsam/Schadek (1990: 69). Marianne Kirchhofer erinnerte sich »daß mein Vater mit dem ihm eigenen leisen Schmunzeln, wenn er einen ironischen Witz machte, sagte: wir haben heute »Konzil«. Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 436). Gerhard Ritter bezeichnete diese Gesprächsrunde im Nachhinein als den »von-Dietzeschen Kreis«. Vgl. Ritter, Aufzeichnung am 9.1.1945, BArch, NL Ritter, 453, zit. nach Schwabe (2014: 171). 594  Vgl. Peukert (2005: 267). 595  Vgl. Dathe (2018a: 80). 596  Vgl. Roser (1998: 97). 597  Ricarda Huch an Gollwitzer, 1.1.1939, zit. nach Dathe (2018a: 80). 598  Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 436). 599  Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 436). 593 

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Adolf und Gertrud Lampe, Fritz und Nora Marschall von Bieberstein, Gerhard und Gertrud Ritter, Clemens und Luise Bauer sowie der Physiker Gustav Mie; aus der Bekennenden Kirche die Pfarrer-Ehepaare Karl Dürr (Pauluskirche), Otto Hof (Christuskirche), Fritz Horch (Friedenskirche) sowie Charlotte Weber, die Witwe des ehemaligen Pfarrers der Christuskirche. Zeitweise waren außerdem das Pfarrerehepaar Hesselbacher (Melanchthonstift), Dr. Richard Nürnberger (Assistent von Ritter), sowie die katholischen Theologen Pater Constantin Noppel SJ, Wendelin Rauch (Direktor des Collegium Borromaeum, später Erzbischof von Freiburg), Hermann Schäufele (katholischer Studentenpfarrer, später Erzbischof von Freiburg) und Dr. Robert Scherer (Mitarbeiter des Herder-Verlages) beteiligt.600 Auch der Jurist Franz Böhm, der seit September 1936 eine Lehrstuhlvertretung in Jena wahrnahm und mit seiner Familie dorthin verzogen war, nahm an Konzilstreffen teil, wenn er in Freiburg war, wo seine verwitwete Mutter lebte.601 Informationen über die Diskussionen im Freiburger Konzil erhielt zudem Carl Goerdeler, wenn er sich bei regelmäßigen Begegnungen mit Constantin von Dietze austauschte.602 Im Mittelpunkt der Beratungen im Freiburger Konzil standen »Probleme der Obrigkeit, des Widerstandsrechts, der Widerstandspflicht und der Tyrannentötung.«603 Heftig wurde in diesem Kreis auch über Luther diskutiert.604 Wenige Monate zuvor hatte Ritter auf dem Welthistorikertag in Zürich im August 1938 gegen eine nationalsozialistische Fehldeutung des Reformators Martin Luther Stellung bezogen, was ihm ein Verbot weiterer Auslandsreisen eintrug.605 Bereits im Dezember 1938 ging aus der Konzilsarbeit die im Wesentlichen wohl von dem Historiker Ritter formulierte606, zwanzigseitige geheime Denkschrift Kirche und Welt  – Eine notwendige Besinnung auf die Aufgaben des Christen und der Kirche in unserer Zeit607 hervor. Sie ist, wie Günter Brakelmann darlegt, das »Dokument einer theologischen und politisch-ethischen Positionsbestimmung.«608 Die Schrift wurde von einer Gruppe von Christen – Theologen und theologisch gebildeten Laien – zusammen verantwortet, die sich in ihrem religiösen Gewissen und in ihrer bürgerlichen Rechtsauffassung verletzt fühlten 600 

Rübsam/Schadek (1990: 63–70). Vgl. Roser (1998: 65). 602  Vgl. Dathe (2018a: 87). 603  Dietze (1964: 63). 604  Dies ist Dathe (2018b: 128) zufolge aus einem der wenigen überlieferten Briefe von Pfarrer Karl Dürr an ­Eucken ersichtlich. 605  Vgl. dazu Schwabe (2014: 167, 169). 606  Vgl. Schwabe/Reichardt (1984: 630) und Martin (2005: 48). Dathe (2018a: 79, Anm. 64) zufolge wurden die Positionen der Denkschrift Kirche und Welt neben Ritter unzweifelhaft auch von Eucken, von Dietze, Lampe und den beiden Freiburger Pfarrern Otto Hof und Karl Dürr geteilt. 607  Abgedruckt in Schwabe/Reichardt (1984: 635–654). 608  Brakelmann (2014: 42). 601 

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und sich deshalb herausgefordert sahen, eine konsequente Auseinandersetzung mit der Praxis und Theorie des nationalsozialistischen Staates zu wagen und deutlich und klar den Widerstand aus Glauben zu formulieren.609 Aus Gründen der Vorsicht wurde die Denkschrift nicht allen Mitgliedern des Konzils als Ganzes bekannt gemacht.610 Ein Exemplar gelangte zu Bonhoeffer, vermutlich über von Dietze, der sich mit Bonhoeffer seit ihrer ersten Begegnung auf einer Dahlemer Arbeitstagung der Bekennenden Kirche im Januar 1937611 mehrmals auf Veranstaltungen der Bekennenden Kirche traf.612 Die Novemberpogrome und die Tatsache, dass die Kirche, auch die Bekennende Kirche, dazu nahezu einhellig schwieg, war für Eucken, wie Uwe Dathe aufzeigt613, Anlass, sich zum Verhalten der evangelischen Kirche angesichts dieses Ausbruchs des Unrechts kritische Gedanken zu machen. Das belegt eine in seinem Nachlass vorhandene, vermutlich Ende 1938 oder Anfang 1939 entstandene Notiz, dass »Römer 13 im Christentum in verhängnisvoller Weise wirke, wenn Theologen über den heutigen Staat sprächen.«614 Euckens Auseinandersetzung mit der Erfahrung der Reichspogromnacht kam auch in seinem im Kriegsjahr 1940 im Weltwirtschaftlichen Archiv veröffentlichten Aufsatz »Wissenschaft im Stile Schmollers«615 zum Ausdruck. Während er sich darin mit der Geschichtsauffassung Gustav Schmollers befasste, formulierte ­Eucken zugleich eine fundamentale Zeitkritik, wenn auch in historischer Verfremdung, da eine direkte, offene Regimekritik in der NS-Diktatur nicht mehr gefahrlos möglich war. Mit Bezug auf das Pogrom in der Pariser Bartholomäusnacht von 1572  – aber unschwer erkennbar auch auf die Reichspogromnacht von 1938  – konstatierte er: »Viele weit wirkende Taten der Geschichte sind zugleich gelungene Verbrechen. Gewisse ungeheure Ereignisse – etwa die Bartholomäusnacht – sprechen eine deutliche Sprache. […] Es bricht immer wieder eine radikale Diskrepanz zwischen Macht und Moral in der Geschichte auf.«616 Mit dieser grundsätzlich und epochenübergreifend ausgelegten Argumentation fand E ­ ucken einen Weg, die ideologische Basis des NS-Regimes zu kritisieren und »unmissverständlich über die Gegenwart aufzuklären«617, ohne dabei seine und seiner Familie Existenz zu gefährden. 609 

Vgl. Brakelmann (2014: 42–47). Vgl. Schwabe/Reichardt (1984: 630). 611  Vgl. von Dietze an Eberhard Bethge, 23.4.1969, UAF, NL von Dietze, C 100/768, zit. nach Dathe (2018a: 76). 612  Vgl. Dathe (2018a: 87). 613  Dathe (2018b: 128). 614  Dathe (2018b: 128). 615 ­Eucken (1940). 616 ­Eucken (1940: 479). Vgl. dazu Steinbach (2003: 17) sowie Hagemann (2005: 21). 617  Steinbach (2003: 17). Vgl. auch Hagemann (2005: 21) sowie Oswalt (2005: 340). 610 

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Die einzelnen Sitzungen des Freiburger Konzils lassen sich aufgrund der lückenhaften Quellenlage nicht mehr vollständig rekonstruieren.618 Bekannt ist, dass Ritter ein Referat zur »Dämonie der Macht« hielt.619 Ein Eintrag von Dietzes in seinem Notizkalender belegt, dass das Konzil am 16. Juni 1939 in Euckens Wohnung in der Goethestraße 10 tagte. An diesem Abend hielt von Dietze einen Vortrag zu dem Thema »Stellung und Aufgabe des evangelischen Christen und der evangelischen Kirche in ihrem Verhältnis zum Recht«620, dem eine Aussprache folgte. Ebenso belegt eine Kalendernotiz von Dietzes, dass am 23. Februar 1941 ein Vortrag von Wendelin Rauch zu Fragen des Naturrechts im Konzil diskutiert wurde.621 Von einer Konzilssitzung, die im Mai 1941 bei Euckens in der Goethestraße stattfand und an der auch Euckens Mutter teilnahm, die nach einem längeren Aufenthalt in Kurkliniken für zwei Monate bei ihren »Freiburger Kindern« lebte, berichtet ein Brief an ihre Tochter in Jena: »Es waren mit uns 10 Herren und 10 Damen. Es wurde über ein religiöses Thema gesprochen. Eigentlich hieß es Staat und Kirche. Der Redner hielt sich aber nicht an das Thema. […] Die nachfolgende Debatte verlief ruhig. Niemand wurde leidenschaftlich. Walter sprach am lebhaftesten (über die Notwendigkeit, die Vernunft der Religion beizugeben …). […] Ich erzähle mündlich noch davon. Edith hatte ihre große Erkerstube entzückend hergerichtet. Jetzt gibt es ja auch Blumen. Reichliche Butterbrötchen (belegte Semmeln), Kuchen, etwas trocken, sehr dünne Käsestangen, Apfelwein und Wein wurden gereicht. Allgemein fühlte man sich behaglich.«622

Von einer Konzilssitzung am 13. Juli 1941 zeugt von Dietzes Bericht an den Theologen Friedrich Delekat: »Gestern abend hatten wir noch bis in den Morgen hinein eine wertvolle und lohnende Aussprache mit Freunden beider Konfessionen über das Resistenzrecht. Wie gern hätte ich gerade Sie dabei gehabt.«623 Von der Konzilssitzung am 10. Juli 1942 im Hause von Dietze berichtet eine Postkarte Euckens: »Das gestrige Konzil war sehr anregend und nett bei v. D.; Frau v. D. hatte Eis gemacht.«624 618 

Vgl. Rübsam/Schadek (1990: 71). Roser (1998: 65). 620  Das Typoskript des Vortrags von Dietzes ist erhalten in ACDP, Teilnachlass von Dietze, I-345–012/6. Vgl. dazu Dathe (2018a: 81). Faksimiles des Kalendereintrags, der Titelseite des Vortrags und eines Auszugs der mitstenographierten Diskussionsbeiträge (inklusive Transskription) einzelner Teilnehmer (darunter auch Walter Eucken) sind abgedruckt in Rübsam/Schadek (1990: 71–73). 621 Faksimiles des Kalendereintrags mit der Liste der Teilnehmer (darunter auch Walter Eucken) und der ersten Seite des mitstenographierten Vortrags (inklusive Transskription) sind abgedruckt in Rübsam/Schadek (1990: 74 f.). 622  Irene ­Eucken an Ida Eucken, 19.5.1941, ThULB, NL WE, Familienkorrespondenz, zit. nach Schäfer, M. (2020: 462 f.). 623  Von Dietze an Delekat, 14.7.1941, UAF, NL von Dietze, C 100/580, zit. nach Dathe (2018a: 81). 624 ­Eucken an Edith Eucken, 11.7.1942, ThULB, NL WE. 619 

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20.4. Kontakt zu Akteuren der Widerstandsbewegung ­ ucken am »Sehr nett auch der Kontakt mit Jens Jessen«625, berichtete Walter E 7. November 1939 aus Berlin nach Baabe, wo seine Frau mit den drei Kindern wegen des Kriegsbeginns seit den Sommerferien geblieben war: »Heute sind wir nun endgültig mit unserem Gutachten fertig geworden. Es ist anständig geworden. Aber […] ich glaube, daß damit unsere Tätigkeit ein Ende findet. […] Sehr nett war die nahe Zusammenarbeit mit Lampe. Sehr nett auch, daß ich mit Stackelberg zu einem wirklichen, ehrlichen Kontakt kam. Ich bedaure nur, daß er nicht mein Schüler geworden ist, als er Student war. Ein hochbegabter Mann.«626 Seit dem 7. September 1939 befand sich E ­ ucken in Berlin, während der Lehrbetrieb an der Universität Freiburg kriegsbedingt unterbrochen war. Er gehörte zu dem von Jens Jessen (1895–1944) einberufenen Professorenausschuss627, der im Auftrag des Reichswirtschaftsministeriums und in enger Abstimmung mit Ministerialrat Dr. Paul Josten (1883–1974)628 ein Gutachten zu Problemen der Kriegsfinanzierung erarbeitete. Am 4. November 1939 war die Hauptarbeit für das Gutachten getan und E ­ ucken berichtete, »die Herren des Ausschusses sind nun wieder abgereist. Ein Rumpfausschuss bleibt, der aus den beiden Berlinern (Jessen, Stackelberg) und Lampe und mir besteht.«629 Der Rumpfausschuss besorgte die abschließende Fassung des Professorengutachtens630, das am 9. Dezember 1939 an den Reichswirtschaftsminister erstattet und dann als »Geheime Reichssache« sang- und klanglos ad acta gelegt wurde.631 Es übte offene Kritik an der NS-Wirtschaftspolitik.632 So lehnten die Gutachter jede inflatorische 625 ­Eucken

an Edith Eucken, 7.11.1939, ThULB, NL WE. an Edith Eucken, 7.11.1939, ThULB, NL WE. 627  Vgl. dazu Schlüter-Ahrens (2001: 74 f.). 628  Josten, der zu dieser Zeit das Referat 3 »Steuerpolitik, Grundsatzfragen volkswirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Art, Währungsfragen, Geldverfassung« leitete, war rund zehn Jahre zuvor im Kartell-Referat des Reichswirtschaftsministeriums Vorgesetzter von Euckens Kollegen und Freund Franz Böhm gewesen, als dieser in den Jahren 1925 bis 1931 dort tätig war. Nach Kriegsende war Josten dann in den Jahren 1947 bis 1949 der Vorsitzende eines Sachverständigen-Ausschusses, der unter Beteiligung von Franz Böhm den »Josten-Entwurf« für ein »Gesetz zur Sicherung des Leistungswettbewerbs« und ein »Gesetz über das Monopolamt« erarbeitete. Vgl. Klump (2005: 396) und Roser (1998: 25 f.). 629 ­Eucken an Edith Eucken, 4.11.1939, ThULB, NL WE. 630  »Die Quellen der Kriegsfinanzierung: ungeeignete Wege und geeignete Kriegsfinanzierung«, abgedruckt in Möller (1961: 25–37). Dem Professorenausschuss 1939 gehörten an: ­Eucken (Freiburg), Lampe (Freiburg), Jessen und von Stackelberg (Berlin), Berkenkopf (Münster), Hasenack (Leipzig), Stucken (Erlangen) und Teschemacher (Tübingen). 631  Vgl. Rüther (2003: 88). 632  Vgl. Rüther (2003: 86 ff.). 626 ­Eucken

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Kriegsfinanzierung nachdrücklich ab und forderten eine Vereinheitlichung der Wirtschaftssteuerung.633 Euckens Resümee seiner Gutachtertätigkeit fiel pessimistisch aus: »In toto kommt ein anständiges Gutachten heraus, aber ein Gutachten, das m. E. dem Ausschuss ein Ende bereitet. Jedenfalls kann ich nur sagen, was ich für richtig halte. Das, was ich sage aber ist bitter. […] Im Ganzen müßte ich bei dauernder Mitwirkung scheitern. Ich kann Dir das alles besser mündlich schildern. Denke an meine Schrift von 1923, die kritischen Betrachtungen. Gerade darum geht es wieder. In dem Boot kann ich nicht fahren. Übrigens – so muß ich sagen – ­ ucken die stehen mehrere Kollegen ebenso.«634 Auch finanziell haben sich für E Mühen wohl nicht gelohnt. Bereits Ende Oktober 1939 klagte er: »Das Min. zahlt jetzt auf einmal keinen Vorschuß mehr aus. Es herrscht hier überhaupt ein Geist allergrößter Sparsamkeit.«635 Kurz darauf stellte er fest: »Es wird derartig gespart, daß nichts herausspringt.«636 Was für ­Eucken blieb, war der gute Kontakt zu Jessen, aus dem sich 1941 der Kontakt zu Peter Graf Yorck von Wartenburg (1904–1944) ergeben sollte. Jessen und Graf Yorck von Wartenburg gehörten zum engsten Kreis des geheimen Widerstands und wurden nach dem misslungenen Attentat auf Hitler hingerichtet. ­Eucken und die Freiburger hatten, wie sich im Rückblick nachweisen lässt637, durch diese Querverbindungen auf die Entwicklung der wirtschaftspolitischen Vorstellungen und Pläne der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 wesentlichen Einfluss. Jessen hatte sich, wie man heute weiß, spätestens 1939 endgültig vom Nationalsozialismus distanziert und gehörte schon vor Kriegsausbruch unter dem Decknamen »Nordmann« zum Kreis der aktiven Mitglieder der Widerstandsbewegung um Generaloberst Ludwig Beck (1880–1944), dem Diplomaten Ulrich von Hassel (1881–1944) und dem preußischen Finanzminister Johannes Popitz (1884–1945)638, mit denen er am Rande der Berliner Mittwochs-Gesellschaft639 regelmäßig zusammentraf und Umsturzpläne diskutierte. 633 

Vgl. Klump (2005: 396).

634 ­Eucken an Edith Eucken, 4.11.1939, ThULB, NL WE. ­Eucken bezieht sich im Brief

auf E ­ ucken (1923). 635 ­Eucken an Edith Eucken, 30.10. ohne Jahr [1939], ThULB, NL WE. 636 ­Eucken an Edith Eucken, 4.11.1939, ThULB, NL WE. 637  Vgl. Rüther (2003: 94) und ausführlich Rüther (2002: passim). 638  Vgl. Schlüter-Ahrens (2001: 78 f.). 639  Jessen war im November 1939 für den im September 1939 verstorbenen Ökonomen Bernhard Harms in die Berliner Mittwochs-Gesellschaft nachgewählt worden, in der sich seit ihrer Gründung im Jahr 1863 als »Freie Gesellschaft für wissenschaftliche Unterhaltung« ein Kreis aus jeweils sechzehn Männern vierzehntäglich zu einem gelehrten Vortrag traf, den einer von ihnen aus seinem Fachgebiet in seinem Privathaus hielt. Zur Geschichte der Mittwochs-Gesellschaft und zur Dokumentation des seit 1938 am

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Jessen engagierte sich dafür, ein neues Forum für wirtschaftswissenschaftliche Diskussionen zu etablieren640, nachdem sich der Verein für Sozialpolitik 1936 freiwillig aufgelöst hatte, um der politischen Gleichschaltung zu entgehen. Bereits im Dezember 1937 wandte sich Jessens Berliner Kollege und Freund Heinrich Freiherr von Stackelberg641 brieflich an ­Eucken mit der Anfrage, ob er bereit sei, in einem von Jessen eingesetzten Arbeitsausschuss »Volkswirtschaft« der »Reichsuntergruppe Wirtschaftswissenschaftliche Hochschullehrer des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes (NSRB)« mitzuwirken, der als gemeinsame Basis gedacht sei, »auf der Probleme unserer Wissenschaft in freimütiger Aussprache erörtert werden können«, wobei die »Mitgliedschaft im NSRB keine notwendige Voraussetzung für die Mitarbeit«642 darstelle. ­Eucken signalisierte Zustimmung und deutete, wie gebeten, Namen weiterer zur Mitarbeit geeigneter Theoretiker aus seinem Freiburger Umfeld an, wobei er der Hoffnung Ausdruck gab, »über diese und andere Dinge gelegentlich pers. sprechen zu können.«643 Im Januar 1940 etablierte Jessen dann unter dem Dach der 1933 gegründeten Akademie für Deutsches Recht (ADR) offiziell eine Klasse IV »Zur Erforschung der völkischen Wirtschaft«, nachdem in der Vorbereitungsphase dazu bereits der Professorenausschuss im Herbst 1939 tätig geworden war.644 Die von Jessen geleitete Klasse IV gliederte sich in elf Arbeitsgemeinschaften.645 Walter ­Eucken arbeitete in der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre mit, die am 24. November 1940 in München und nochmals am 23. und 24. Mai 1941 in Wiesbaden zu einer Tagung zusammenkam. Im Zentrum ihrer Diskussionen stand Euckens Anfang 1940 erschienenes Buch Die Grundlagen der Nationalökonomie. Die aufgrund stenographischer Mitschriften angefertigten Tagungsprotokolle dokumentieren, dass E ­ ucken in München und Wiesbaden Rande ihrer Veranstaltungen beginnenden geheimen Austauschs zwischen Mitgliedern, die sich im Widerstand engagierten, siehe Scholder (1982: 9–47, 368). 640  Vgl. dazu Schlüter-Ahrens (2001: 76 ff.) und Janssen (2012: 214 ff.). 641  Von Stackelberg, seit 1931 Mitglied der NSDAP und seit Mitte 1933 Mitglied der SS, wurde 1935 mit Unterstützung Jessens an die Universität Berlin berufen und begann dort, sich unter dem Einfluss Jessens vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Vgl. Schlüter-Ahrens (2001: 65). Im Februar 1937 gelang es von Stackelberg (als Referent) und von Dietze (als Korreferent) trotz des an der Universität Berlin bereits geltenden Promotionsverbots für »Nichtarier«, die Promotion des jüdischen Doktoranden Arnold Horwitz (später Horwell) durchzusetzen. Vgl. Möller (1992: 22*) und Senn (2012: 567). 642  Von Stackelberg an Eucken, 8.12.1937, ThULB, NL WE. 643 ­Eucken an von Stackelberg, 27.12.1937 (handschriftlicher Briefentwurf ), ThULB, NL WE. 644  Vgl. Rüther (2002: 102 ff.). 645 Darunter die Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre (Leitung: Erwin von Beckerath, Bonn) und die Arbeitsgemeinschaft Preispolitik (Leitung: Günter Schmölders, Köln). Vgl. Schubert (2011: XXI).

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ausgiebig Gelegenheit erhielt, auf die Fragen und Beiträge der übrigen Diskussionsteilnehmer646 einzugehen und seinen Standpunkt zu erläutern.647 In der ersten Diskussionsrunde in München ging es entsprechend dem vom Vorsitzenden skizzierten Tagungsprogramm648 um die Frage der Begriffe in der Wirtschaftstheorie und die Beziehung zwischen Real- und Idealtypen.649 Eucken begann seine Ausführungen mit der Feststellung: »Die schwierige Lage, in der sich die Nationalökonomie befindet, scheint mir […] – vielleicht zu einem erheblichen Teil – dadurch verursacht zu sein, dass sie mit gewissen willkürlich gesetzten Definitionen beginnt. […] Wir müssen eine bessere Fundierung haben. Wir müssen […] fragen, was denn eigentlich die Wissenschaft will. Die Antwort lautet: Die Wissenschaft will Erkenntnisse, die über die Alltagserfahrung hinausgehen.«650

Im weiteren Verlauf machte er deutlich: »Was also steht am Anfang? Nicht die Definition. Vielmehr die Frage. Und zwar die Frage nach dem Sachzusammenhang. Diese Frage ist in der Nationalökonomie viel radikaler als die Fragen des Alltags. Denken Sie an die berühmte Geschichte von Newton, nach der er sich fragte: Warum fällt der Apfel? Kein Bauer stellt die Frage – so viele Äpfel er auch fallen sieht. Uns bietet der wirtschaftliche Alltag die Fragen, die wir wissenschaftlich lösen müssen. Wir sehen eine Schachtel Zigaretten und fragen: Wie wurde sie produziert? Wie kam sie in unsere Hand? So sehen Fragen aus, die am Anfang stehen.«651

Nachdem in München letztlich nur die Diskussion des ersten Programmpunkts abgeschlossen werden konnte, wurde die Diskussion sechs Monate später, am 23. Mai 1941 in Wiesbaden, mit dem ursprünglich als Dritten vorgesehenen Punkt »Daten und Probleme« fortgesetzt, der, wie von Beckerath einleitend formulierte, Gelegenheit geben sollte, »die Fragen der Theorie zu durchdenken, soweit sie in dem Buche Euckens aufgeworfen werden.«652 Anschließend wurde der Punkt »Statischer Gleichgewichtszustand und Konjunkturtheorie« diskutiert, gefolgt von dem Punkt »Stufen, Stile, Systeme, Ordnungen«, der, so von 646  Zu

den im Protokoll erwähnten Diskutanten gehörten 1940 in München: Erwin von Beckerath, Carl Brinkmann, Walter Eucken, Paul Hesse, Horst Jecht, Hans Mayer, Heinrich Freiherr von Stackelberg, Leopold von Wiese und Kaiserswaldau; sowie 1941 in Wiesbaden: Clemens Bauer, Erwin von Beckerath, Constantin von Dietze, Walter Eucken, Johannes Gerhardt, Jens Jessen, Wilhelm Kromphardt, Adolf Lampe, Hero Moeller, Heinrich Müller, Alfred Müller-Armack, Hans Peter, Erich Preiser, Günter Schmölders, Heinrich Freiherr von Stackelberg, Richard Ritter von Strigl, Wilhelm Vleugels, Theodor Wessels. Vgl. Schubert (2011: 161–262). 647 Euckens Diskussionsbeiträge finden sich in Schubert (2011: 165 ff., 178–183, 189–193, 194 ff., 197 ff., 204 f., 207–211, 218–221, 234 ff.). 648  Vgl. Schubert (2011: 161). 649  Vgl. Schubert (2011: 161 und 185). 650  Diskussionsbeitrag ­Eucken in Schubert (2011: 165; Hervorhebung im Original). 651  Diskussionsbeitrag ­Eucken in Schubert (2011: 166; Hervorhebung im Original). 652  Vgl. Schubert (2011: 185).

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Beckerath, es möglich machen sollte, »einen Rückblick auf das Ganze der Diskussion sowie das Buch Euckens zu werfen.«653 Nach Freiburg berichtete ­Eucken an jenem Freitag aus dem Hotel Metropole in Wiesbaden: »Wir sind gut hier an- und untergekommen, obgleich die Zahl der Züge ab gestern erheblich gekürzt ist. Heute früh begann die Debatte. Ich war nicht besonders in Form. Aber sie war ganz interessant. – Nachher ½ 4 Uhr geht sie weiter. […] Die ganze Atmosphäre in dem Kreis ist sehr nett. – Also ich komme aller Voraussicht nach Sonntag Abend.«654 Am 24. Mai 1941, dem zweiten Sitzungstag in Wiesbaden, war auch Jessen aus Berlin dazugekommen und hörte mit an, wie E ­ ucken in seinem Diskussionsbeitrag jene Herausforderung schilderte, vor die er das gesamte Zeitalter gestellt sah: »Heute handelt es sich wirtschaftspolitisch nicht nur um die akuten Aufgaben, die sich aus dem Kriege und den Kriegsfolgen ergeben, sondern besonders, um die Aufgabe, die einzelnen Länder und die Welt aus der Epoche rasch wechselnder wirtschaftlichen [sic!] ›Zwischenordnungen‹ heraus zu einer brauchbaren und guten wirtschaftlichen ›Dauerordnung‹ zu führen.«655 »Was also soll dauernd werden?« – mit dieser Frage nahm E ­ ucken das Thema später in einem Brief an August Lösch wieder auf und konstatierte: »Die Erdkugel, die so klein geworden ist, braucht eine handelspolitische und währungspolitische Dauerordnung. – Man kann jetzt nichts anderes tun, als sie gedanklich vorzubereiten. Über alle diese Fragen hätte ich mit Ihnen gerne wieder einmal in Ruhe diskutiert.«656 Bei Walter ­Eucken hinterließen die beiden Tagungen der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre einen positiven Eindruck, wie er Röpke in Genf wissen ließ: »Die Atmosphäre war sehr erfreulich, sehr sachlich und Phrasen fehlten in beiden Tagungen völlig. Das […] war nicht nur ein Verdienst von Beckerath, sondern liegt auch an der Gesamtentwicklung unserer Wissenschaft, die sich immer mehr auf die wesentlichen Sachprobleme besinnt. Die Atmosphäre war viel angenehmer, und die Diskussionen waren viel ertragreicher als die des Vereins für Sozialpolitik.«657 Da in Wiesbaden die Diskussion des letzten Programmpunktes »Ziele und Mittel der gelenkten deutschen Wirtschaft« nicht abgeschlossen werden konnte, kam man überein, in lokalen Unterausschüssen in Berlin, Köln-Bonn und Freiburg weiterzuarbeiten. Im Freiburger Unterausschuss der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre arbeiteten Clemens Bauer, von Dietze, Eucken, Lampe und Preiser (Jena) zusammen und verfassten einen Text zur »Entwicklung einer 653 

Vgl. Schubert (2011: 185). an Edith Eucken, 23.5.1941, ThULB, NL WE. 655  Vgl. Diskussionsbeitrag ­Eucken in Schubert (2011: 236). 656 ­Eucken an Lösch, 6.10.1941, StA HDH, NL Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 231). 657 ­Eucken an Röpke, 7.6.1941, in Röpke (1960/61: 7; Hervorhebung im Original). 654 ­Eucken

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Systematik der wirtschaftspolitischen Aufgaben mit besonderer Ausrichtung auf die Nachkriegszeit«658, den sie am 30. Oktober 1941 gemeinsam unterzeichneten und der dann als Diskussionsgrundlage für den Köln-Bonner Unterausschuss mit von Beckerath, Schmölders, von Stackelberg und Wessels diente, der Ende 1942 zusammenkam. Für den 14. und 15. März 1943 war ein Treffen aller Untergruppen der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre in Freiburg geplant, um Referate Lampes, von Stackelbergs und Wessels’ zu diskutieren, die sich vorab in einem Treffen mit von Beckerath am 21. Februar 1943 in Rhöndorf abgestimmt hatten.659 Nachdem die Akademie für Deutsches Recht zum 1. März 1943 als »nicht kriegswichtig« geschlossen worden war, fand der für Freiburg geplante Termin nicht mehr statt. Stattdessen trat eine Woche später in Freiburg die als privater, geheimer Kreis etablierte Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath zusammen. »Das traf sich«, wie Christine Blumenberg-Lampe festhält, »im Grunde gut. Denn nun konnte die Arbeit im selbstgewählten Kreise und unter selbstgewählten Bedingungen fortgeführt werden.«660 Euckens persönlicher Kontakt zu Peter Graf Yorck von Wartenburg (1904– 1944) ergab sich 1941, als ­Eucken eingeladen war, am 3. November 1941 in München auf einer Tagung der von dem Kölner Ökonomen Günter Schmölders (1903–1991)661 geleiteten Arbeitsgemeinschaft Preispolitik ein Referat zu halten.662 Das Referat von Jens Jessen – seit 1939 in der geheimen Widerstandsbewegung aktiv  – eröffnete die Tagung. E ­ ucken sprach im Anschluss an das Referat des Verwaltungsjuristen Graf Yorck von Wartenburg, der seit 1936 als Oberregierungsrat und Referent für Grundsatzfragen in der Behörde des Reichskommissars für Preisüberwachung arbeitete und, wie man heute weiß, seit 1937 im Kontakt zur geheimen Widerstandsbewegung stand und seit 1940 dem oppositionellen Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke angehörte.663 Euckens Referat zum Thema »Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung« war der zentrale Beitrag dieser Tagung. Es war ein klares Plädoyer für die Notwendigkeit einer völligen Umgestaltung der bestehenden Wirtschafts658 

Abgedruckt in Schubert (2011: 262–264). Vgl. Blumenberg-Lampe (1986: 10). 660  Blumenberg-Lampe (1986: 10). 661 Günter Schmölders war seit 1939 zeitweise wissenschaftlicher Berater in der Grundsatzabteilung des Reichskommissars für Preisbildung, arbeitete eng mit Peter Graf Yorck von Wartenburg zusammen und stand in Kontakt zum Kreisauer Kreis. Vgl. Brakelmann (2012: 312 f.). Zu Euckens Bedeutung für die Kreisauer siehe Brakelmann (2012: 103–111) sowie Rüther (2014) und Brakelmann (2014). 662  Vgl. Brakelmann (2012: 103). Dathe (2018b: 128) zufolge sind im Nachlass ­Eucken einige wenige Briefe aus der Korrespondenz Euckens mit Schmölders überliefert, die belegen, dass E ­ ucken sich mit Schmölders besprach und auch mit Graf Yorck von Wartenburg zusammenkam. 663  Vgl. Brakelmann (2012: 312 f.). 659 

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ordnung in der Nachkriegszeit664 und für eine »Wirtschaftsverfassung, welche die wirtschaftlichen Ordnungsprobleme der Zunkunft zu lösen imstande ist und in der die unabdingbaren Freiheitsrechte des Menschen wirklich gewahrt sind.«665 Es müsse der modernen, industrialisierten Wirtschaft eine Ordnung gegeben werden, die »wirtschaftlich funktionsfähig und menschenwürdig« sei, denn die Wirtschaftsverfassung beeinflusse nicht nur »die wirtschaftliche Existenz der Menschen«, sondern »ihr ganzes Leben.«666 Wie auch die beiden anderen zur Tagung eingeladenen Referenten aus der Freiburger Schule – Franz Böhm und Leonhard Miksch  – verwarf E ­ ucken »das ganze auf dem Boden einer zurückgestauten Inflation aufgebaute System der Wirtschaftslenkung« und erklärte, dass »es gar keinen Sinn habe, in ein solches System Wettbewerb einzubauen.«667 ­Eucken formulierte hier »ohne Abstriche das ordoliberale Konzept«668 und hob den von der Freiburger Schule bereits Mitte der 1930er Jahre herausgearbeiteten Zusammenhang zwischen funktionsfähiger Wirtschaftsordnung und freiheitlicher Gesamtordnung hervor. Euckens kritisches Referat erreichte mit der Publikation in dem von Schmölders herausgegebenen Tagungsband, der 1942 trotz Zensur und Papiermangel in der Schriftenreihe der Akademie für Deutsches Recht erschien669, eine breitere Öffentlichkeit. Kurz darauf wurde auch das Ausland aufmerksam, als die Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung am 31. Januar 1943 im Handelsteil eine ausführliche Rezension durch Carlo Mötteli, ihren in engem Kontakt zu Röpke stehenden Wirtschaftsredakteur, brachte. Er zitierte Kernaussagen Euckens wörtlich und hob hervor, dass sich ­Eucken bezüglich der Diagnose der gegenwärtigen Lage »in vollständiger Übereinstimmung mit Röpke«670 befände. Von Röpke war 1942 in der Schweiz das Buch Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart erschienen und hatte derartig Furore gemacht, dass es ins Visier des deutschen Reichspropagandaministeriums geriet und  – wie im Völkischen Beobachter am 31. Juli 1942 bekannt gegeben wurde – in Deutschland verboten wurde.671 Schmölders erinnerte im Rückblick, Euckens Beitrag sei in der Neuen Zürcher Zeitung als »eine offene Anprangerung des kompletten Fiaskos der nationalsozialistischen Kriegs- und Zwangswirtschaft«672 gerühmt worden. Dabei bezog 664 

Vgl. ­Eucken (1942: 37). (1942: 44). 666 ­Eucken (1942: 48). 667  So schilderte es Franz Böhm im Rückblick. Vgl. Böhm (1955). 668  Peukert (2005: 277). 669  Schmölders (1969: 39, Anm. 56) schildert im Rückblick die »Umwege«, derer es bedurfte, damit diese »die nationalsozialistische Wirtschaftsordnung offen kritisierende Schrift im Dritten Reich überhaupt erscheinen konnte.« 670  Mötteli (1943). 671  Vgl. Hennecke (2005: 138 f.). 672  Schmölders (1969: 30). 665 ­Eucken

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sich Schmölders wohl auf Röpke, der in seinem Beitrag für die Neue Zürcher Zeitung vom 2. März 1943 auf Euckens Münchner Vortrag Bezug genommen und die rhetorische Frage formuliert hatte: »Wollen wir etwa an mutiger Kennzeichnung dieser unerquicklichen Wirklichkeit hinter E ­ ucken zurückstehen, wenn er in dem an dieser Stelle (NZZ, Nr. 174 vom 31. Januar 1943) erwähnten Münchner Vortrag das Fiasko der nationalsozialistischen Wirtschaftslenkung in klaren Worten konstatiert?«673 Diese Lobeshymne in der Schweizer Presse mag ­Eucken damals »schlaflose Nächte«674 beschert haben angesichts der Gefahr, dadurch stärker ins Visier der Gestapo zu geraten, die ihn bereits beobachtete. Den bis dahin regen Briefwechsel mit Röpke  – noch am 7. Mai 1942 hatte ­ ucken ­Eucken sich anerkennend zu Röpkes neuem Buch geäußert675 – brach E aus Vorsicht ab. Röpkes Brief an E ­ ucken vom 13. Januar 1943, in dem er mitteilt, vom Verlag Duncker & Humblot den Tagungsband erhalten zu haben und Euckens Beitrag »ganz vortrefflich«676 zu finden, sollte bis Kriegsende der letzte bleiben.677 Dreizehn Jahre später, im Frühjahr 1955, wurde aus der Tatsache, dass Euckens Münchner Vortrag in der Schriftenreihe der Akademie für Deutsches Recht 1942 veröffentlicht werden konnte, das Argument abgeleitet, dass die seinem Vortrag zugrundeliegenden Ideen von den Nationalsozialisten toleriert worden seien.678 Diesem Kollaborationsvorwurf trat Euckens Witwe vehement entgegen und stellte klar: »Die Aufnahme in die Schriftenreihe der Akademie für Deutsches Recht kam nur durch die Mitwirkung von Jens Jessen und Graf von Wartenburg zustande, die sich damals schon der Widerstandsbewegung innerlich angeschlossen hatten und von den Ideen unseres Kreises überzeugt worden waren. Sie sind denn auch zwei Jahre später gehängt worden.«679 Und Franz Böhm, der 1941 ebenfalls auf der Tagung referiert hatte, reagierte mit einer ausführlichen Gegendarstellung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. Mai 1955, in der er betonte: »Wir haben keineswegs den Diktatoren unser Schoßkind Wettbewerb ans Herz gelegt, sondern haben umgekehrt dargetan, daß […], wenn man sich für die staatlich gesteuerte Wirtschaft entscheidet, 673 

Röpke (1943). Brakelmann (2012: 319, Anm. 6). 675 ­Eucken an Röpke, 7.5.1942, zit. nach Hennecke (2005: 139, Anm. 38). 676  Röpke an Eucken, 13.1.1943, zit. nach Röpke (1960/61: 8). 677  Vgl. Röpke (1960/61: 8) sowie Hennecke (2005: 150, Anm. 45). 678  So die Argumentation des Journalisten Hans Hellwig in der ersten Ausgabe der von Volkmar Muthesius, einem Mitglied der Mont Pèlerin Society, herausgegebenen Monatsblätter für freiheitliche Wirtschaftspolitik. Vgl. Hellwig (1955). Siehe dazu auch Köhler/Nientiedt (2017: 608 ff.). 679  Edith Eucken-Erdsiek an Volkmar Muthesius, 7.5.1955, Walter E ­ ucken Institut, Briefmappe Edith Eucken-Erdsiek zur »Muthesius-Kontroverse«. Vgl. dazu Köhler/ Nientiedt (2017: 609, 616). Ausführlich zur »Muthesius-Kontroverse« siehe Köhler/ Nientiedt (2017). 674 

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keine Möglichkeit besteht, den Wettbewerb zu bemühen, um sich die Schwierigkeiten interventionistischer Wirtschaftslenkung vom Hals zu schaffen.«680 Politisch sei – so führte Böhm weiter aus – die Veranstaltung der Tagung, die Wahl der Diskussionsthemen und Referenten sowie die Veröffentlichung der Referate »ein ganz hübsches Komplott« gewesen, dessen Gelingen auch dem Umstand zuzuschreiben gewesen sei, dass »die Nationalsozialisten für die gesamte Wirtschaftswissenschaft nur Geringschätzung übrig hatten und weil es ihnen völlig gleichgültig war, was deutsche Nationalökonomen zusammenschrieben und zusammendachten.«681 Als der brisante Tagungsband der Arbeitsgemeinschaft Preispolitik 1942 herauskam, hatte Graf Yorck von Wartenburg sein Amt im Reichspreiskommissariat bereits aufgegeben und sich in den Wirtschaftsstab Ost des Oberkommandos der Wehrmacht versetzen lassen, nachdem sein Vorgesetzter, Reichspreiskommissar Josef Wagner, Anfang 1942 abgesetzt, aus der Partei ausgeschlossen und durch einen weitaus strammeren Nationalsozialisten ersetzt worden war.682 Graf Yorck von Wartenburg hatte sich geweigert, NSDAP-Mitglied zu werden und war deshalb seit 1938 nicht mehr befördert worden. Schon 1937 hatte er Kontakt zum Zentrum des militärischen Widerstands um Generaloberst Ludwig Beck geknüpft, und die Ereignisse von 1938 veranlassten ihn, im Kreis von gleichgesinnten Freunden  – wie dem Diplomaten Albrecht von Kessel, dem Kollegen im Preiskommissariat Nikolaus Graf von Uexküll, dem Polizeivizepräsidenten von Berlin Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg und dem Völkerrechtler Berthold Schenk Graf von Stauffenberg – Möglichkeiten für eine andere Zukunft Deutschlands zu diskutieren.683 Seit 1940 stand er in engem Gedankenaustausch mit Helmuth James Graf von Moltke und beteiligte sich an den drei Kreisauer Tagungen – im Mai und Oktober 1942 sowie im Juni 1943 –, auf denen die Kreisauer »Grundsätze für die Neuordnung« erarbeitet wurden.684 Über den zwischen ­Eucken und Graf Yorck von Wartenburg entstandenen Kontakt fanden die ordnungspolitischen Gedanken Euckens und der Freiburger Schule Eingang in die wirtschaftspolitischen Diskussionen und Vorstellungen des oppositionellen Kreisauer Kreises. Auch Euckens Freiburger Kollege Constantin von Dietze hatte über seine Bekanntschaft mit Graf Moltke Kontakt zu den Kreisauern, von denen er bei Beratungen eines agrarpolitischen Programms im März und Juli 1942 sowie im Februar 1943 als Agrarexperte hinzugezogen wurde.685 Im Rückblick berichtete von Dietze: 680 

Böhm (1955). Böhm (1955). 682  Vgl. Brakelmann (2012: 111). 683  Vgl. Brakelmann (2012: 85 ff.). 684  Vgl. Rüther (2014: 68 f.); ausführlich zur Entwicklung des wirtschaftspolitischen Programms des Kreisauer Kreises siehe Rüther (2002: 387–415). 685  Vgl. Rüther (2014: 67). 681 

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»Beteiligt waren Graf Moltke, Graf Yorck von Wartenburg, Graf Einsiedel und Staatsminister a. D. Krüger. […] Meinungsverschiedenheiten bestanden insoweit, als ich die agrarpolitischen Probleme im Sinne der Eucken’schen Lehre von einer funktionsfähigen Wirtschaftsordnung sah, während von den Migliedern des Kreisauer Kreises mehrere eine sozialistische Auffassung vertraten. Diese Meinungsverschiedenheiten bedeuteten aber keine scharfen Gegensätze. Wir sind daher auch zu einer weitgehenden Verständigung gelangt.«686

20.5. Mitarbeit im Freiburger Bonhoeffer-Kreis Im Rahmen seiner Mitarbeit im Freiburger Bonhoeffer-Kreis kam Walter ­Eucken im Herbst 1942 in Freiburg zu zwei weiteren zentralen Akteuren der geheimen Widerstandsbewegung in persönlichen Kontakt: So Anfang Oktober 1942 zu dem Theologen der Bekennenden Kirche Dietrich Bonhoeffer (1906–1945), der indes bereits sechs Monate später, im April 1943, von der Gestapo verhaftet und dann im April 1945 hingerichtet wurde; und Mitte November 1942 zu Carl Goerdeler (1884–1945), der in der Folge des Attentats vom 20. Juli 1944 am 12. August 1944 verhaftet, am 8. September 1944 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 hingerichtet wurde. Im Sommer 1942 nahm der Berliner Pfarrer Dietrich Bonhoeffer im Auftrag der Vorläufigen Leitung der Bekennenden Kirche mit Constantin von Dietze Kontakt auf, den er bereits aus Berlin kannte, wo sich von Dietze seit 1933 als theologisch gebildeter Laie in der Bekennenden Kirche engagiert hatte.687 Bonhoeffer bat, eine Programmschrift mit Neuordnungsvorschlägen für die Nachkriegswirtschaft auszuarbeiten. Sie sollte Diskussionsgrundlage für eine Weltkirchenkonferenz sein, die nach Ende der Kriegshandlungen geplant war688, wie Bonhoeffer bei seinem Zusammentreffen mit dem anglikanischen Bischof von Chichester, George K. A. Bell, Anfang Juni 1942 in der Nähe von Stockholm erfahren hatte, der ihm diesen Auftrag britischer Kirchenvertreter übermittelte. Daraufhin bildete von Dietze vor allem aus Mitgliedern des weiterhin tagenden Konzils einen engeren Arbeitskreis, den – erst nachträglich so bezeichneten – Freiburger Bonhoeffer-Kreis. Über dessen Arbeit waren die übrigen Konzilsmitglieder nicht informiert. Er bestand aus den Ökonomen Constantin von Dietze, Walter E ­ ucken und Adolf Lampe, dem Historiker Gerhard Ritter sowie 686 

Von Dietze an Ger van Roon, 6.3.1963, UAF, NL von Dietze, C 100/770, zit. nach Dathe (2018a: 86). 687  Blesgen (2005: 72). 688  Diese Weltkirchenkonferenz fand vom 22.8. bis 4.9.1948 in Amsterdam statt, und in die Vorbereitungen dazu wurde die Bonhoeffer-Denkschrift eingebracht. Vgl. dazu Bethge (1989: 874). Zu den Teilnehmern der Weltkirchenkonferenz 1948 gehörten Constantin von Dietze und Erik Wolf als Delegierte der neu gegründeten »Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)« sowie Walter Bauer und Gerhard Ritter als Stellvertreter. Vgl. dazu Rübsam/Schadek (1990: 148).

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den Juristen Franz Böhm689 und Erik Wolf, die alle der Bekennenden Kirche verbunden waren und der von Bonhoeffer geforderten Eigenschaft von »christlichen Fachmännern«690 entsprachen. Sie erarbeiteten eine geheime Denkschrift mit dem Titel Politische Gemeinschaftsordnung. Ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unserer Zeit.691 In ihrer Letztfassung vom Januar 1943 bestand sie aus einem von allen Mitgliedern des Kreises getragenen, von Gerhard Ritter entworfenen zweigliedrigen Hauptteil692 und insgesamt fünf fachspezifischen Anhängen, für die nur die jeweiligen Autoren verantwortlich zeichneten.693 Eucken, von Dietze und Lampe erarbeiteten gemeinsam den Anhang 4 »Wirtschafts- und Sozialordnung.«694 Inwieweit E ­ ucken für den Anhang 4 federführend war, kann Walter Oswalt zufolge historisch nicht mehr belegt werden.695 Zur Erarbeitung von Anhang 4 konnten sie wohl auf ein bereits vorhandenes 130-seitiges Manuskript für eine Volkswirtschaftsfibel696 zurückgreifen. Sie hatten es gemeinschaftlich 1941/42 auf Anregung Goerdelers ausgearbeitet 689 Zu

Böhms Kontakten mit der Bekennenden Kirche und den protestantischen Theologen Gerhard von Rad, Helmuth Gollwitzer und Rudolf Bultmann siehe Roser (1998: 64–66 und 93–107). 690  Vgl. Dathe (2018a: 88). 691  Abgedruckt in Schwabe/Reichardt (1984: 655–774). Diese Denkschrift, bezeichnet als Denkschrift 2, ist im Original erhalten in BArch, NL Ritter, N 1166, 420. Eine von Ritter kurz nach Kriegsende stilistisch überarbeitete und an wenigen Stellen gekürzte Fassung in hektographierter Form wurde von Helmut Thielicke (1979) herausgegeben, vor allem, wie Schwabe/Reichardt (1984: 633) ausführen, »in der Absicht, die 1943 formulierten Prinzipien der ›Sozialen Marktwirtschaft‹ einem breiten Publikum zugänglich zu machen.« 692  Der Hauptteil der Denkschrift 2 ist untergliedert in I. Hauptteil: Das politische Chaos unserer Zeit und seine Ursachen und II. Hauptteil: Grundzüge einer politischen Gemeinschaftsordnung nach christlichem Verständnis. Schwabe (2014: 175) zufolge fungierte Gerhard Ritter als Schriftführer und Redakteur und kann als geistiger Urheber des ersten Hauptteils, der historischen Einführung und des 1. Kapitel »Allgemeine Grundzüge« des 2. Hauptteils angesehen werden. 693  Die fachspezifischen Anhänge zur Denkschrift 2 haben folgende Verfasser: Anhang 1: »Rechtsordnung« (Erik Wolf, Franz Böhm), Anhang 2: »Kirchenpolitik« (Otto Dibelius, Berlin), Anhang 3: »Erziehung« (Friedrich Delekat, Dresden), Anhang 4: »Wirtschafts- und Sozialordnung« (Constantin von Dietze, Walter Eucken, Adolf Lampe), Anhang 5: »Judenfrage« (Constantin von Dietze). 694  Dietze/Eucken/Lampe ([1943] 2008). 695  Vgl. Oswalt (2005: 345). 696  Auf die Existenz eines solchen Manuskripts verweist eine Notiz von Dietzes vom 28.2.1952 (Nachlass Goerdeler, BArch NL 113/13), zit. nach Rüther (2002: 287, Anm. 100). Ende der 1990er Jahre wurde das Manuskript der Volkswirtschaftsfibel im Nachlass Popitz aufgefunden: O. V. [Constantin von Dietze, Walter Eucken, Adolf Lampe]. O. T. [Volkswirtschaftsfibel] BArch, NL Popitz 262/87, zit. nach Rüther (2002:287, Anm. 101). Zum Inhalt der Volkswirtschaftsfibel siehe Rüther (2002: 292 ff.).

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und den Text sowohl mit Goerdeler als auch mit Jessen abgestimmt, wie deren Randbemerkungen vermuten lassen. Auch dem zum Widerstandskreis um Generaloberst Beck gehörenden preußischen Finanzminister Johannes Popitz hat es wohl vorgelegen, denn in dessen Nachlass hat es sich Ende der 1990er Jahre überraschend angefunden. Die Volkswirtschaftsfibel war als Grundlage für eine von Goerdeler geplante Wirtschaftsfibel gedacht, die der breiten Bevölkerung in allgemeinverständlicher Form eine bessere Kenntniss ökonomischer Zusammenhänge vermitteln sollte.697 Allerdings verfasste Goerdeler letztendlich seine Wirtschaftsfibel698 im Wesentlichen unabhängig vom Text der Freiburger, da dieser seiner Meinung nach zu akademisch »an der Systematik volkswirtschaftlicher Lehrbücher« orientiert und »nicht einfach und deutlich genug«699 war. Die im Anhang 4 zur Bonhoeffer-Denkschrift niedergelegten Vorschläge für den Entwurf und die Sicherung einer funktionsfähigen, freiheitlichen Ordnung sollten zu sachgerechten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in der Gesellschaft beitragen. Ihre Aussagen enthalten die »Essenz des ordoliberalen Denkens.«700 Die Arbeit an der Bonhoeffer-Denkschrift erfolgte in geheimen Treffen, in ständiger Gefahr, von der Gestapo entdeckt und mit der Beschuldigung des Hoch- und Landesverrats verhaftet zu werden. An der vom 17. bis 19. November 1942 in Freiburg im Haus von Dietzes in der Maria Theresia-Str. 13 stattfindenden redaktionellen Klausurtagung waren als zusätzliche auswärtige Teilnehmer anwesend: der Theologe Helmut Thielicke (1908–1986) – im Auftrag des württembergischen Landesbischofs Theophil Wurm (1868–1953)  –, der Generalsuperintendent der Kurmark Otto Dibelius (1880–1967), der in der Leitung der Bekennenden Kirche tätige Unternehmer Walter Bauer (1901–1968) und Carl Goerdeler (1884–1945).701 Goerdeler war mit Constantin von Dietze 1934 in Berlin über fachliche Gespräche zu agrar- und handelspolitischen Themen in Kontakt gekommen, und zwischen beiden Familien hatte sich eine freundschaftliche Beziehung entwickelt, die auch nach von Dietzes Wechsel nach Freiburg erhalten blieb.702 Goerdeler stand zudem in enger Beziehung zu Franz Böhm, mit dem er erstmals im Frühsommer 1938 in Leipzig zusammengetroffen war703, nachdem 697 

Rüther (2002: 289). Wirtschaftsfibel, o. D.[1942]], BArch, NL Goerdeler 113/13, zit. nach Rüther (2002: 287, Anm. 99). 699  Rüther (2002: 287 f.). 700  Horn (1996: 107). Vgl. auch den Nachweis von Goldschmidt (1998: 33–48), dass Anhang 4 der Denkschrift des Bonhoeffer-Kreises weitgehend auf der ordoliberalen Konzeption basiert. Zu einem anderen Ergebnis kommt Peukert (2005: 281). 701  Vgl. Schwabe/Reichardt (1984: 631 f.). 702  Vgl. Rüther (2002: 271). 703  Vgl. Dathe (2014b: 159). 698  Goerdeler,

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er zu Böhms 1937 erschienener Habilitationsschrift eine positive Rezension veröffentlicht hatte.704 Goerdeler hatte, nachdem er 1936 vom Amt des Oberbürgermeisters von Leipzig zurückgetreten war, eine von dem Stuttgarter Unternehmer Robert Bosch finanzierte Beratertätigkeit übernommen, die es ihm ermöglichte, als zentrales Bindeglied zum Kreisauer Kreis und zum militärischen Widerstandskreis sowie zu einem großen Netz von isoliert arbeitenden oppositionellen Gruppen zu fungieren.705 Durch ausgedehnte, auch ins Ausland führende Reisen koordinierte und ermutigte er die Arbeit der einzelnen Oppositionsgruppen, die oft nichts voneinander wussten. Im Sommer 1939 hatte er in Ankara706 den früheren Oberbürgermeisterkollegen von Magdeburg, Ernst Reuter, aufgesucht und in die Pläne des militärischen Widerstands eingeweiht. In dessen Haus in Ankara traf er auch mit Euckens Freund Alexander Rüstow und mit dem emigrierten Freiburger Mediziner Alfred Marchionini zusammen, der wie ­Eucken zum kleinen Freundeskreis Edmund Husserls gehört hatte. Mit Gerhard Ritter war Goerdeler seit 1941 bekannt, und ihre beiden Familien hatten sich bald darauf angefreundet. Auf Goerdelers Vermittlung erfolgte am 15. Juni 1941 ein Besuch Ritters und Goerdelers bei Generaloberst Ludwig Beck in Berlin, bei dem Ritters 1940 erschienes Buch Machtstaat und Utopie diskutiert wurde.707 Zu einem persönlichen Zusammentreffen zwischen Walter ­Eucken und Dietrich Bonhoeffer kam es im Vorfeld der geheimen Freiburger Klausurtagung: Da Bonhoeffer an der Klausurtagung im November 1942 aus bisher unbekannten Gründen nicht teilnehmen konnte, war er am 9. Oktober 1942 zu ihrer Vorbereitung nach Freiburg gekommen und hatte – wie es von Dietze im Rückblick schilderte708 – nachmittags von Dietze aufgesucht, der dann mit ihm gemeinsam zu Erik Wolf ging, wo sie »bis spät abends«709 eine Unterredung führten. Walter ­Eucken hat Bonhoeffer bei diesem Besuch »in Freiburg kennengelernt« und mit ihm »eine außerordentlich interessante und lebhafte Unterhaltung gehabt, die mir deutlich vor Augen steht.«710 So berichtete es ­Eucken 1946 der aus Jena 704 

Goerdeler (1938). Vgl. Meyer-Krahmer (1989: 219, 234). 706  Vgl. Möckelmann (2013: 122). 707  Vgl. Ritter an Goerdeler, 27.6.1941, BArch, NL Ritter, 453, abgedruckt in Schwabe/ Reichardt (1984: 365) und Schwabe/Reichardt (1984: 631, Anm. 7). 708  Vgl. den Brief von Dietzes an Eberhard Bethge, 23.4.1969, der Dathe (2018a: 90, Anm. 115) zufolge vorhanden ist in: UAF, NL von Dietze, C 100/768. Bethge (1989: 872, Anm. 278a) nimmt auf diesen Brief von Dietzes Bezug, nennt allerdings auch noch Ritter als weiteren Gesprächsteilnehmer des Treffens bei Wolf. 709 Wolf, Tagebucheintrag, 9.10.1942, Faksimile abgedruckt in Rübsam/Schadek (1990: 78). 710 ­Eucken an Leubuscher, 7.10.1946, ThULB, NL WE, Korrespondenz L. (vorläufige Signatur). Uwe Dathe hat erstmals auf diesen Brief aufmerksam gemacht unter der Rubrik 705 



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gebürtigen Ökonomin Charlotte Leubuscher (1888–1961)711 nach London, die er aus der gemeinsamen Assistentenzeit an der Universität Berlin kannte. Bei der Klausurtagung im November 1942 in Freiburg wurden die bis dahin fertig gestellten Teile der Denkschrift diskutiert, nämlich der Hauptteil sowie der von Böhm und Wolf verfasste Anhang 1 zur Rechtsordnung und der Anhang 4 zur Wirtschafts- und Sozialordnung. Man kam überein, zusätzlich die Anhänge 2, 3 und 5 sowie eine Ergänzung zu Anhang 1 durch den Justitiar der Bekennenden Kirche, Justus Perels (1910–1945), in Auftrag zu geben. Inwiefern in der Zeit nach der Klausurtagung unter den Freiburgern Diskussionen zur Denkschrift stattfanden, ist kaum durch Quellen nachgewiesen. Durch einen Kalendereintrag von Dietzes ist indes ein Gespräch zwischen von Dietze und ­Eucken am 7. Dezember 1942 belegt, in dem beide neben anderem den Anhang 5 zur Judenfrage diskutierten, für den von Dietze im Auftrag Bonhoeffers und der britischen Denkschrift-Adressaten einen Entwurf erarbeitet hatte.712 Von Dietzes Notizen zu diesem Gespräch bestätigen Uwe Dathe zufolge, dass ­Eucken sich mit dem Entwurf für Anhang 5 kritisch auseinandergesetzt und Einwände dazu vorgebracht hat, den Text demnach nicht in der Form gebilligt hätte, wie er dann doch letztlich – das Warum bleibe fraglich – als Anhang 5 aufgenommen wurde.713 Wie sich Euckens Tochter Irene und von Dietzes Tochter Marianne erinnern, wurden diese geheimen Aktivitäten vor den Kindern möglichst verborgen gehalten. Dennoch habe Irene eines Tages »im Geschirrschrank zusammengerollte Papiere entdeckt, die sich mit der wirtschaftlichen Neuordnung Deutschlands beschäftigten«, und ihren Vater auf dieses ungeeignete Versteck aufmerksam gemacht, worauf die Papiere tags darauf verschwunden gewesen seien.714 Marianne von Dietze habe ahnunglos mit einem Puppenköfferchen gespielt, in dessen doppeltem Boden, wie sie erst nach Kriegsende erfahren habe, zeitweise »Objekt des Monats: Januar 2016« auf der Webseite der ThULB Jena. Vgl. auch Dathe (2018a: 89). 711  Charlotte Leubuscher war eine Cousine Dietrich Bonhoeffers – ihre Großmutter mütterlicherseits, Adele Vermehren, geborene von Hase, und Bonhoeffers Großvater mütterlicherseits, Karl Alfred von Hase, waren Geschwister und Kinder des Jenaer Theologieprofessors Karl August von Hase. Leubuscher wurde 1919 Assistentin ihres Doktorvaters Heinrich Herkner (1863–1932) und habilitierte sich im November 1921 an der Universität Berlin. 1929 erhielt sie eine außerplanmäßige Professur an der Universität Berlin. Nachdem ihr im September 1933 die Lehrbefugnis entzogen wurde, emigrierte sie nach Großbritannien und erhielt 1946 die britische Staatsbürgerschaft. Vgl. auch Janssen (2012: 582). 712  Von Dietze, Eintrag im Taschenkalender 1942 am 6./7.12.1942, ACDP, Teilnachlass von Dietze I-345–002 (Transskription der Kurzschrift durch Karlernst Ringer), zit. nach Dathe (2018a: 100). 713  Vgl. Dathe (2018a: 100, Anm. 156). 714  [Oswalt-]­Eucken (2014: 78).

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eine Ausfertigung der Denkschrift versteckt gewesen sei, die allerdings letztlich, als auch ein anderes Versteck zu gefährlich geworden war, verbrannt worden sei.715 Bis Januar 1943 lagen alle Anhänge – ausgenommen der Beitrag von Justus Perels – vor, und die Arbeit an dieser auf rund 120 Seiten angewachsenen Denkschrift wurde aufgrund der immer schwieriger werdenden Geheimhaltung eingestellt.716 Ob eine für den 7. Februar 1943 in Aussicht genommene Sitzung unter geplanter Beteiligung von Dietzes, Walter Bauers, Bonhoeffers, Ritters, Hans Böhms, Perels’ und Delekats in den Berliner Geschäftsräumen Bauers stattgefunden hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Nach Bonhoeffers Verhaftung am 5. April 1943 kam der Bonhoeffer-Kreis jedenfalls nicht mehr zusammen.717 Der Beitrag von Perels fiel bei dessen Verhaftung im Oktober 1944 der Gestapo in die Hände. Der Inhalt der gesamten Denkschrift wurde der Gestapo indes nie bekannt718, obgleich sie im Zuge der Verhaftungen nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 Kenntnis von der Arbeit des Freiburger Konzils erlangte. Zwei Exemplare der Denkschrift haben den Krieg in Verstecken überdauert, eines – das Handexemplar Gerhard Ritters – im Versteck auf dem Bauernhof von Franz Brugger in Saig im Schwarzwald.719 20.6. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath Mit einer ersten geheimen Sitzung in Freiburg am 21. und 22. März 1943 konstituierte sich die nach ihrem Vorsitzenden, dem Bonner Nationalökonomen Erwin von Beckerath (1889–1964), benannte private »Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath«, der dritte der oppositionellen Freiburger Kreise. Von Beckerath hatte zuvor die offizielle Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre geleitet, die unter dem Dach der Akademie für Deutsches Recht in der von Jens Jessen geleiteten »Klasse IV Gruppe Wirtschaftswissenschaft« eingerichtet war. Als das NS-Regime seit Februar 1943 alle personellen und materiellen Ressourcen für den »totalen Krieg« mobilisierte, wurde die Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre zum 1. März 1943 als »nicht kriegswichtig«720 stillgelegt. Jessen soll gleichwohl von Beckerath nahegelegt haben721, einen inoffiziellen Kreis zu bilden mit dem Ziel, für die Zeit nach Kriegsende und Zusammenbruch 715 

Vgl. Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 437). Vgl. Dathe (2018a: 102 f.). Zur Entstehungsgeschichte der Denkschrift siehe auch Schwabe/Reichardt (1984: 630–633). 717  Vgl. Dathe (2018a: 99). 718  Vgl. Schwabe (2014: 173 f.). 719  Vgl. Schwabe (2014: 173, Anm. 39). 720  Blumenberg-Lampe (1973: 37). Vgl. dazu auch Schubert (2011: XXII). 721  Vgl. Hauenstein (1964: 56) und Schlüter-Ahrens (2001: 78). 716 

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des NS-Regimes ein wirtschaftspolitisches Programm für die Neugestaltung der Wirtschaftsordnung zu erarbeiten.722 Seit der Proklamation des »totalen Krieges« galt eine konzeptionelle Nachkriegsplanung als defätistisch und konnte als Widerstandshandlung bestraft werden. Um »vertraulich und offen miteinander sprechen«723 zu können, bildete von Beckerath deshalb einen bewusst klein gehaltenen Kreis aus bisherigen Mitwirkenden der »Klasse IV«, die entweder bereits zu Widerstandskreisen in Kontakt standen oder an deren politischer Integrität kein Zweifel bestand, wobei möglichst die verschiedenen ökonomischen Fachbereiche und Theorieschulen vertreten sein sollten. Seine Einladung zur Mitarbeit erging an die Ökonomen Constantin von Dietze, Walter ­Eucken und Adolf Lampe sowie den Wirtschaftshistoriker Clemens Bauer aus Freiburg, an den Juristen Franz Böhm und den Ökonomen Erich Preiser aus Jena, an die Ökonomen Theodor Wessels und Günter Schmölders aus Köln  – Schmölders und Wessels standen in Verbindung mit dem oppositionellen Kreisauer Kreis –, an den Berliner Ökonomen Jens Jessen und dessen ehemaligen Berliner Kollegen und Freund Heinrich Freiherr von Stackelberg, der 1941 einem Ruf an die Universität Bonn gefolgt war. Ab September 1943 zog von Beckerath den mit Lampe seit Studientagen befreundeten Leiter des Wirtschaftsteils der Kölnischen Zeitung, Fritz Hauenstein (1896–1979)724, als Praktiker hinzu und ab November 1943 im Hinblick auf Fragen der Sozialpolitik den Marburger Ökonomen Gerhard Albrecht (1889–1971), der mit von Dietze aus gemeinsamer Zeit an der Universität Jena bekannt war und der mit dem oppositionellen Kreis um Jakob Kaiser (1888–1961) in der christlichen Gewerkschaftsbewegung in Verbindung stand.725 Auch Carl Goerdeler und Peter Graf Yorck von Wartenburg erhielten – was nicht alle Teilnehmer wussten – Kenntnis von den Ausarbeitungen der Arbeitsgemeinschaft und besprachen sich mehrfach mit von Dietze, Lampe und Böhm.726 In der ersten geheimen Sitzung der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath am 21. und 22. März 1943 in Freiburg wurde das Thema Währungssanierung behandelt, und von Stackelberg referierte im Kreis der Anwesenden – Clemens 722 

Vgl. Blumenberg-Lampe (1986: 10). Blumenberg-Lampe (1986: 22 f.). 724  Hauenstein war vor den Luftangriffen auf Köln zu Lampes nach Freiburg geflohen. Vgl. Lampe, K. (2014: 116 f.). 725 Eine Übersicht über die einzelnen Sitzungen sowie die eingeladenen und tatsächlich anwesenden Teilnehmer bietet Blumenberg-Lampe (1986: 619–622). Günter Schmölders und Clemens Bauer beteiligten sich schriftlich an der Diskussion, soweit sie aufgrund ihres Kriegsdienstes abwesend waren. Heinrich von Stackelberg war dies nicht möglich, nachdem er ab Oktober 1943 eine Gastprofessur an der Universität Madrid angetreten hatte. 726  Vgl. Brakelmann (2012: 110 f.). 723 

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Bauer, von Beckerath, Böhm, von Dietze, Eucken, Lampe und Wessels – über »Möglichkeit und Grenzen der Wirtschaftslenkung.«727 Bis Kriegsende fanden insgesamt zehn geheime Tagungen der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath statt, zumeist in der Wohnung Lampes in Freiburg oder auch in dessen Institutsräumen in der Universität, zweimal aber auch in kleinerer Besetzung auswärts, und zwar am 16. April 1943 in Jena (Teilnehmer: Böhm, Lampe, Preiser) und am 18. April 1943 in Godesberg (Teilnehmer: von Beckerath, Lampe, Wessels). ­Eucken nahm mit Ausnahme der Tagung vom 26. bis zum 28. November 1943728, bei der es um Wiederaufbau- und Lohnpolitik sowie internationale Währungsfragen ging, an allen Zusammenkünften in Freiburg teil. ­Eucken war bei der Diskussion folgender Themen zugegen: Währungssanierung (21.–22. März 1943), Kaufkraftabschöpfung729 (24.–26. Juli 1943), Wiederaufbauprobleme (23.–26. September 1943), Lohnpolitik und Konzentrationsproblem (28.–30. Januar 1944), Lohnpolitik (10.–13. März 1944), Wohnungsfrage, Lohnthesen und Steuerpolitik (11.–14. Mai 1944) sowie Konzentrationsproblem, Finanzpolitik und Valutaproblem (8.–9. Juli 1944). Zur Vorbereitung der jeweiligen Tagung versandte Lampe in seiner Funktion als Schriftführer Thesenpapiere oder Vorgutachten an die Teilnehmer. Im Laufe der Zusammenarbeit entstanden mehr als 41 Teilgutachten und ­ ucken hat die Erstellung der Gutachten wohl mehr diskutierend Protokolle.730 E als formulierend begleitet, da er noch mit der Diskussion um sein Buch Die Grundlagen der Nationalökonomie beschäftigt war und mit der Arbeit an dem neuen Buch Grundsätze der Wirtschaftspolitik begonnen hatte. Indes übernahm er es, die geldpolitische Diskussion voranzutreiben.731 So hielt er Referate zum Valuta-Problem, insbesondere zum Keynes- und zum WhitePlan.732 Am 24. und 25. September 1943 entstand das Gemeinschaftsgutachten »Wichtigste Probleme des Wiederaufbaus und der Friedenswirtschaft und ihre Lösung durch primär marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung.«733 727  Der Vortrag von Stackelbergs wurde von E ­ ucken im zweiten Band von ORDO posthum veröffentlicht als Stackelberg (1949). 728  Die Teilnahme Euckens an dieser Tagung ist unklar. In der Übersicht über Teilnehmer, Verlauf und Ergebnisse der Tagungen der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath hat Blumenberg-Lampe (1986: 619–621) ­Eucken für diese Tagung nicht als Teilnehmer aufgeführt. Demgegenüber erwähnt Blumenberg-Lampe (1986: 268) ein Referat, das von ­Eucken auf der Tagung am 26.–28.11.1943 gehalten wurde. 729  Siehe dazu eine im Nachlass von Gerhard Albrecht erhaltene Stellungnahme von Walter E ­ ucken mit dem Titel Betreff: Beseitigung des Kaufkraftüberhangs in der Übergangswirtschaft, abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 182–186). 730  Abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 40–499). 731  Vgl. Blumenberg-Lampe (1986: 25). 732  Vgl. Blumenberg-Lampe (1986: 28). 733  Abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 241–250). Zu einzelnen Thesen eines



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Zur Formulierung eines abschließenden Gemeinschaftsgutachtens kam es nicht mehr.734 Gut zehn Tage nach der letzten Tagung der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath, zu der am 8. und 9. Juli 1944 von Beckerath, Clemens Bauer, Böhm, von Dietze, Eucken, Hauenstein, Lampe und Preiser in Freiburg zusammenkamen, setzte das gescheiterte Attentat vom 20. Juli 1944 der Arbeit der drei Freiburger Kreise ein Ende. Viele, die mit dem Attentat in Verbindung standen oder in der Widerstandsbewegung aktiv waren, fanden den Tod, darunter auch jene, mit denen Walter E ­ ucken in persönlichen Kontakt gekommen war: Graf Yorck von Wartenburg wurde am Abend des 20. Juli verhaftet und am 8. August 1944 hingerichtet; Jessen wurde am 11. Oktober verhaftet und am 30. November 1944 hingerichtet; Bonhoeffer befand sich bereits seit 5. April 1943 in Haft und wurde am 9. April 1945 hingerichtet. Goerdeler wurde am 12. August 1944 verhaftet und am 2. Februar 1945 hingerichtet. Im Januar 1944 war Goerdeler ein letztes Mal in Freiburg bei von Dietze zu Besuch gewesen und hatte ihn in die Attentatspläne eingeweiht.735 Auch Franz Böhm, ­Eucken und Lampe seien gut über Goerdelers Widerstandsaktivitäten unterrichtet gewesen, wie aus Erinnerungen Böhms hervorgeht.736 Euckens Familie war in Sorge: »Man wußte nicht, ob Goerdeler in der Haft den Namen ­Eucken nennen würde. Dies hätte den Tod von Walter E ­ ucken bedeuten können.«737 Unter schwerer Folter hatte Goerdeler den Kontakt zu von Dietze und Lampe preisgegeben. Am 8. September 1944, am selben Tag, an dem Goerdelers Todesurteil verkündet wurde, so erinnerte es später von Dietzes Tochter Marianne, erschienen nachmittags zwei Gestapo-Beamte, »um meinen Vater abzuholen. Meine Mutter schickte sie […] in die Universität. […] In der Universität verhafteten die beiden zunächst Walter Eucken, den sie für meinen Vater hielten […] und es dauerte über eine Stunde, bis sie einsahen, daß sie den falschen ›erwischt‹ hatten. Möglicherweise hat ­Eucken auch nicht weiter insistiert, um meiner Mutter noch wichtige Hinweise für die Befragung geben zu können.«738 Schließlich wurde Constantin von Dietze verhaftet, während er Euckens Schweizer Doktorandin für die Tagung vom 23.–26. 9.1943 von Lampe verfassten vorbereitenden Diskussionspapiers mit dem Titel »Entwurf. Umrisse eines Systems wirtschaftspolitischer Wiederaufbau-Maßnahmen nach dem Kriege« haben Eucken, von Dietze und Böhm kritische Stellungnahmen abgegeben, die, versehen mit Entgegnungen Lampes, in BlumenbergLampe (1986: 216–223) unter dem Titel »Kritik und Antikritik zum Entwurf ›Umrisse eines Systems wirtschaftspolitischer Wiederaufbau-Maßnahmen nach dem Kriege‹« abgedruckt sind. 734  Vgl. Blumenberg-Lampe (1991: 215). 735  Vgl. Dietze ([1962] 2005: 426). 736  Vgl. Dathe (2018a: 87, Anm. 102). 737  Becke-Goering/Eucken, M. (1995: 57). 738  Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 441).

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Ursula Markwalder die zweite mündliche Doktorprüfung abnahm, nachdem sie die erste vormittags bei ­Eucken abgelegt hatte. ­Eucken habe nach der Verhaftung von Dietzes, so berichtete es Ursula Kienberger-Markwalder rund sechzig Jahre später, beschwörend zu ihr gesagt: »Sie sagen keinem Menschen etwas von dem, was Sie gesehen und gehört haben – ich habe Ihr Wort – keinem Menschen. Es ist zu gefährlich für uns alle!«739 Noch in der Nacht hatte sie sich dann zum Bahnhof aufgemacht, dort schließlich in dem mit achtstündiger Verspätung einfahrenden Zug Frankfurt-Basel trotz dessen Überfüllung mit Gefangenen – »die alle in Müllheim ausgeladen wurden, um Schützengräben auszuheben«740 – Platz gefunden und am nächsten Vormittag wohlbehalten Basel und ihr Elternhaus erreicht. Ihre bestandene Doktorprüfung war in dieser Situation »zur größten Unwichtigkeit geworden.«741 Ebenfalls am 8. September 1944 wurde auch Adolf Lampe verhaftet. Er kam wie von Dietze zunächst ins Freiburger Gefängnis in der Hebelstraße. Etwa zehn Tage später  – so schildert es von Dietzes Tochter in einem Interview auf die Frage nach ihren Erinnerungen an die Zeit nach der Verhaftung ihres Vaters742 – wurden beide mit der Bahn nach Berlin gebracht und im Zellengefängnis in der Lehrter Straße in Moabit inhaftiert. Die Freiburger Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät unterstützte die Ehefrauen der Verhafteten »rührend freundschaftlich.«743 Sie finanzierte ihnen und den sie begleitenden Assistenten ihrer Ehemänner die Reise nach Berlin und leistete Formulierungshilfe bei Briefen, wie Korrekturen und Ergänzungen von Walter E ­ ucken und dem Rechtswissenschaftler Adolf Schönke, damals Dekan der Fakultät und zugleich Prorektor, in einem Briefentwurf Frau von Dietzes belegen.744 Der damalige Rektor der Universität, der Mathematiker Wilhelm Süss, wandte sich mit dem Gesuch an den zuständigen Kriminalrat im Reichssicherheitshauptamt in Berlin, die Untersuchung »möglichst beschleunigt« durchzuführen und abzuschließen, da der Universität durch das Fehlen der beiden Professoren »grosse Schwierigkeiten bei der Durchführung dieses Zwischensemesters«745 für Kriegsversehrte entstünden. »Ich denke mit nie versiegender Dankbarkeit an die Hilfe«, schrieb Constantin von Dietze später, »die im Winter 1944/45 […] unsere Frauen erfahren haben, als wir mit der lebensgefährlichen Beschuldigung des Hochverrats und Landesverrats verhaftet waren. Solche Hilfe zu leisten, war 739 

Kienberger-Markwalder (2005: 451). Kienberger-Markwalder (2005: 452). 741  Kienberger-Markwalder (2005: 451). 742  Vgl. Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 441–447). 743  Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 444). 744  Vgl. das Faksimile, abgedruckt in Rübsam/Schadek (1990: 125). 745  Süss an Reichssicherheitshauptamt, 20.9.1944, als Faksimile abgedruckt in Rübsam/Schadek (1990: 127). 740 

20. Widerstand gegen die NS-Diktatur in den Freiburger Kreisen



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eine gefährliche Sache […] Keine andere deutsche Fakultät hat sich für ihre bedrohten Kollegen derartig eingesetzt wie die unsere.«746 Euckens Diplomand Heinrich Kullmann, ein hoch dekorierter Kriegsversehrter, der sich im Frühjahr 1944 mit Unterstützung von ­Eucken und Erik Wolf sowie der Studentengruppe KAKADU747 als studentischer Fachschaftsleiter etablieren konnte und nach außen als politisch zuverlässig galt, gelang in Absprache mit E ­ ucken am 27. Oktober 1944 die Kontaktaufnahme mit den mittlerweile im Konzentrationslager Drögen-Ravensbrück inhaftierten Professoren von Dietze und Lampe unter dem Vorwand seine Diplomarbeit mit ihnen besprechen zu müssen. Bei einem zweiten Besuch konnte Kullmann dann einen Kassiber mit von Dietzes stenographischen Berichten über die Anklagepunkte herausschmuggeln.748 Walter ­Eucken wurde am 30. und 31. Oktober 1944 in Freiburg zwei Tage lang »von Beamten des Reichssicherheitshauptamtes (Berlin) unter Androhung der Folter einem Dauerverhör unterworfen«749, wurde indes nicht verhaftet. Vermutlich, wie seine Tochter jüngst äußerte, weil Goerdeler Euckens Namen nicht nannte, da sein Verhältnis zu E ­ ucken »distanzierter war als zu den anderen Freiburgern.«750 Im Verhör soll Eucken, wie es der Schwiegersohn seines Freundes Engelmann erinnert, auf die Frage »Wie haben Sie bisher gewählt?« die Antwort »niemals nationalsozialistisch«751 gegeben haben. Nach der Verhaftung Lampes und von Dietzes riet ­Eucken Lampes Ehefrau, das gesamte Material der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath zu verbrennen. Gertrud Lampe verbrannte daraufhin zwar alle Dritte belastenden 746 

Zit. nach Rübsam/Schadek (1990: 126). (»Krüppelkorps der Universität«) nannte sich eine von Gottfried von Dietze, Albert Kreuels und Heinrich Kullmann 1943 gegründete Gruppe oppositionell gesinnter kriegsversehrter Freiburger Studenten, die sich in den Lehrveranstaltungen von Constantin von Dietze, Walter ­Eucken und Adolf Lampe kennengelernt hatten. Sie kamen regelmäßig in privatem Kreis zusammen, zu dem sie ausgewählte Professoren einluden, die ein Referat hielten und mit ihnen diskutierten. Ein letztes Mal, so erinnerte es Albert Kreuels, trafen sie sich am 17. Juli 1944 im Hause von Dietze. An jenem Montagabend habe ein Student von seiner Begegnung mit dem von der Gruppe verehrten Schriftsteller Reinhold Schneider erzählt und ­Eucken habe anschließend über »ein Thema im Umkreis von Nationalökonomie, Geschichte und christlicher Verantwortung« gesprochen. Vgl. Kreuels (2005: 453 f.), siehe auch Kullmann (2005: 457) sowie das Interview mit Gottfried von Dietze in Kirchhofer/Dietze, G. (2005: 439 f.). 748  Vgl. dazu Kullmann (2005: 457 f.) und Constantin von Dietze, Aufzeichnungen unter dem Titel »Briefe und Nachrichten aus der Haftzeit in Moabit und Ravensbrück«, UAF, NL von Dietze, C 100/76, Bl. B-1 bis B-33, zit. nach Dathe (2018a: 104, Anm. 172). 749  Eucken, Entnazifizierungsbogen, Anlagen zu J., Typoskript [1947], ThULB, NL WE. 750  [Oswalt-]­Eucken (2014: 78 f.). 751  Pieske (1980: 22). 747  KAKADU

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III. Professor in Freiburg und Widerstand gegen das NS-Regime

Unterlagen, beließ aber die auf rund 60 Aktenordner verteilten Ausarbeitungen zunächst im Universitätsinstitut ihres Mannes. Erst in der Nacht nach dem Luftangriff auf Freiburg vom 27. November 1944 wurden sie unter Mithilfe von Heinrich Kullmann752 mit dem Leiterwagen abtransportiert und in Geheimfächern von Möbeln im schwer zugänglichen Tiefkeller bei Lampes in der Goethestraße 66 versteckt. Dort wurden die Akten weder bei den Hausdurchsuchungen der Gestapo noch von den französischen Besatzungstruppen, die die Wohnung 1945 beschlagnahmten und plünderten, gefunden.753 Ende November 1944 konnte Kullmann, der mittlerweile ins Visier der Gestapo geraten war, auf Vermittlung Euckens bei Erich Preiser in Jena untertauchen und von dort den Kontakt zwischen den Inhaftierten und E ­ ucken aufrechterhalten, bis Ende 1944 den Ehefrauen amtliche Besuchsgenehmigungen erteilt ­ ucken während der Haftzeit »so wurden.754 Für Lampes jüngsten Sohn wurde E etwas wie ein Ersatzvater.«755 Am 25. April 1945, als die Rote Armee auf Berlin vorrückte und die SS-Wachmannschaften bereits abgezogen waren, kamen Lampe, von Dietze und Ritter, der am 2. November 1944 verhaftet worden war, mit einer offiziellen Entlassungsbescheinigung aus dem Gefängnis in BerlinMoabit frei und erreichten auf getrennten Wegen Ende Juni 1945 Freiburg.756 Franz Böhm entging der Verhaftung, wie E ­ ucken nach Kriegsende erzählte, durch den nahezu unglaublichen Zufall einer Verwechslung mit einem Pastor gleichen Namens.757

752 

Vgl. Lampe, K. (2014: 121). Vgl. Blumenberg-Lampe (1973: 48). 754  Kullmann (2005: 458). 755  Lampe, K. (2014: 114). 756  Vgl. Rübsam/Schadek (1990: 144). 757  Vgl. Kienberger-Markwalder (2005: 450). 753 

IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung 21. Heimat in Freiburg 21.1. Familienvater und familiäre Freundschaften »Sehr stark empfinde ich, daß Freiburg meine jetzige Heimat ist und daß ich hier her gehöre. Durch die Kinder ist die Verwurzelung noch enger geworden.«1 So fasste ­Eucken zu Beginn des Jahres 1940 seine Verbundenheit mit Freiburg in Worte. Und er fügte hinzu: »Mir genügt der Glanz der Freiburger Nachmittagssonne«2, indes,  – das war ihm bewusst  – seiner Frau lag »die Baaber Sonne viel mehr«, und sie empfand damals diese Verbundenheit zu Freiburg ­ ucken dies schrieb, war er nach rund vier Monaten »viel weniger stark.«3 Als E in Berlin, in denen er im Auftrag des Reichswirtschaftsministeriums an einem Professorengutachten zu Problemen der Kriegsfinanzierung mitgearbeitet hatte, seit der ersten Januarwoche 1940 zurück in Freiburg, während seine Frau mit den drei Kindern – den beiden sechs- und vierjährigen Töchtern und dem acht Monate alten Sohn – noch im Ferienhaus in Baabe auf Rügen wohnte. Dort hatte die Familie die Sommerferien 1939 verbracht, und dort war Edith ­Eucken mit den Kindern nach Kriegsausbruch geblieben, während E ­ ucken ab September in Berlin beschäftigt war. Euckens Hauptsorge war nun, dass auch Frau und Kinder möglichst bald nach Freiburg zurückkehrten. Gleich nach seiner Ankunft in Freiburg meldete er nach Baabe: »Ich traf alles in Ordnung an. Zuerst wohne ich im Esszimmer, das leicht zu heizen ist. […] Eines der ersten Dinge, die ich hier tat, war, Deine Büste4 aufzustellen.«5 Zwei Tage später schrieb er dann: »Nun zur Hauptsache. Die Verpflegungslage ist hier sehr günstig. Besser als in Baabe. […] Großmanns und Frau Lohmann sind der Ansicht, die Kinder könnten ruhig hier her kommen. Andere – wie Ritters, 1 ­Eucken

an Edith Eucken, 13./14.1.1940, ThULB, NL WE. an Edith Eucken, 13./14.1.1940, ThULB, NL WE. 3 ­Eucken an Edith Eucken, 13./14.1.1940, ThULB, NL WE. 4  Es handelt sich um die vom Bildhauer Richard Engelmann angefertigte Büste von Edith Eucken. Vgl. dazu auch Opitz (2000: 230, 310). 5 ­Eucken an Edith Eucken, 8.1.1940, ThULB, NL WE. 2 ­Eucken

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Lampes, Böhm  – sind bedenklicher und raten zu warten.«6 Und wiederum einige Tage später: »Sehr besorgt bin ich wegen Euch: die grimmige Kälte und der geringe Kohlenvorrat. […] Wenn die Kälte anhält mußt du evtl. etwas später fahren. Der Eisenbahnverkehr ist desolat. Von Berlin hierher fährt man bis zu 20 Stunden, weil die Weichen vereisen.«7 Das erste Kind des Ehepaares Eucken, die Tochter Irene, war im September 1933 zur Welt gekommen. Zu ihrer Geburt gratulierte auch Schumpeter aus Harvard und schrieb: [N]ehmen Sie meine besten Glückwünsche entgegen – die ich auch Fräulein Irene aussprechen möchte, welche in der Wahl ihrer Eltern ein so ausgezeichnetes Urteil bewies.«8 Anderthalb Jahre später, im Februar 1935, wurde die zweite Tochter Marianne geboren und im April 1939 der Sohn Christoph. Erfahrung im Umgang mit Kindern hatte E ­ ucken bereits mit den Söhnen seines Fakultätskollegen, des Staatsrechtlers Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein (1883–1939), sammeln können. Gleich zu Beginn der Freiburger Zeit hatten sich Euckens mit dem Ehepaar von Marschall angefreundet, und deren 1930 geborener zweiter Sohn Walther wurde Euckens Patensohn. Als dann 1933 die Geburt von Euckens erstem Kind bevorstand, schenkten Marschalls ein Foto, das E ­ ucken mit seinem dreijährigen Patensohn und dessen zwei Jahre älterem Bruder zeigt und auf dessen Rückseite geschrieben steht: »Der Patenonkel übt sich im ›Vater-Sein‹– Freiburg, 4. Juli 1933.«9 Mit von Marschall kam ­Eucken häufig zusammen. So berichtete er im August 1928: »Der Spaziergang mit Marschall gestern war sehr nett. Morgen machen wir wieder einen und wollen zusammen außerhalb essen«10 Und wenn Edith ­Eucken den Jahreswechsel bei ihrer verwitweten Mutter und den Verwandten in Berlin verbrachte, war E ­ ucken an Silvester bei Marschalls eingeladen: »Die Silvesterfeier bei Marschalls war sehr nett: Seine Mutter, seine Schwester und ich waren die einzigen Gäste. Wir haben viel von Dir gesprochen und am Schluß habe ich Mops-Geschichten erzählt. Erst gegen 2 waren wir im Bett«11, berichtete E ­ ucken am Neujahrstag, und im Jahr darauf schrieb er: »Bei Marschalls war es sehr nett. Beim Bleigießen bekam ich ein Herz.«12 Auch war ­Eucken bei Marschalls zu Gast, wenn seine Frau schon an die Ostsee vorausgefahren war, er aber die Augusttage noch zum Arbeiten nutzen wollte und erst später ins Ferienhaus in Baabe nachreiste – dem Ort unbeschwerter Sommerurlaube, häufig in 6 ­Eucken

an Edith Eucken, 10.1.1940, ThULB, NL WE. an Edith Eucken, 13./14.1.1940, ThULB, NL WE. 8  Schumpeter an Edith und Walter Eucken, 18.10.1933, ThULB, NL WE (Korrespondenz), zit. nach Dathe/Hedtke (2019: 31). 9  Foto »Patenonkel Eucken«, ThULB, NL WE. 10 ­Eucken an Edith Eucken, 8.8.1928, ThULB, NL WE. 11 ­Eucken an Edith Eucken, 1.1.1930, ThULB, NL WE. 12 ­Eucken an Edith Eucken, 1.1.1931, ThULB, NL WE. 7 ­Eucken

21. Heimat in Freiburg



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Gesellschaft der zahlreichen Erdsiek’schen Verwandschaft und der befreundeten Familien von Otto Veit, Hans Gestrich und Leonhard Miksch.13 So berichtete ­Eucken Anfang August 1930: »Morgen (Sonnabend) werde ich den Tag in den Schwarzwald gehen. Sonntag fange ich dann langsam an zu arbeiten. Heute (Freitag) Abend bin ich bei Marschalls«14, und einige Tage später hieß es: »Gestern war ich nochmals bei Marschalls eingeladen, sah auch den kleinen Walt[h] er, der sehr niedlich und kräftig ist. Wir diskutierten lebhaft über Ebbinghaus’15 Aufsatz, aber es kam nichts dabei heraus.«16 Den Kollegen von Marschall hatte ­Eucken auch als Autor für die Zeitschrift Die Tatwelt gewinnen können, und im August 1929 informierte er seine Frau als Herausgeberin der Zeitschrift: »Heute war Marschall hier und las mir aus seinem Aufsatz für die Tatwelt vor. […] Er ist fast fertig […]. Titel etwa ›Zur Krisis der Universitäten.‹«17 »[A]ls Vater war er seiner Zeit voraus«, schreibt Euckens älteste Tochter rückblickend über ihren Vater: »Er hat mich als Baby gebadet […] brachte mich in den Kindergarten« und hat »meine Entwicklung in den ersten Lebensmonaten notiert.«18 Auch in kindliche Vorstellungen konnte sich ­Eucken offenbar gut einfühlen, wie seine Reaktion zeigt, als man ihm erzählte, dass viele Kinder sich beim Haarschneiden sehr aufregten: »Es ist ja ganz natürlich; das Kind kann nicht verstehen, daß man einen Teil von ihm abschneidet.«19 »Er ist sehr auf seine Kinder eingegangen,« so hat es seine Frau einmal berichtet, »er erzählte öfters Geschichten im Thüringer Dialekt […] und er war gerne fröhlich. Aber Leute, die ihn von Ferne kannten, sahen nur sein sehr distanziertes Wesen und haben ihn von dieser Seite vielleicht nicht immer kennengelernt.«20 Zum GuteNacht-Sagen kam ­Eucken regelmäßig abends um halb neun aus seinem Arbeitszimmer die Treppe herunter und las den Kindern noch etwas vor – besonders beliebt waren die Gedichte von Christian Morgenstern – und betete mit ihnen. Oft arbeitete ­er anschließend bis tief in die Nacht weiter.21 Wenn Eucken vom Schreibtisch aufsah, fiel sein Blick auf Reproduktionen alter Stiche von sieben Geistesgrößen, die ihm viel bedeuteten: Leibniz, Kant, Lessing, Goethe, Schiller, der junge Mozart und – der Ökonom Johann Heinrich 13 

Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 74). an Edith Eucken, 1.8.1930, ThULB, NL WE. 15  Es handelt sich um Julius Ebbinghaus (1885–1981), der sich 1921 bei Edmund Husserl habilitiert hatte und von 1926 bis 1931 als a. o. Professor für Philosophie in Freiburg lehrte. E ­ ucken und von Marschall diskutierten vermutlich Julius Ebbinghaus’ Aufsatz »Grundsätzliches zur Kriegsschuldfrage« in Die Tatwelt 6 (1930), S. 54–60. 16 ­Eucken an Edith Eucken, 6.8.1930, ThULB, NL WE. 17 ­Eucken an Edith Eucken, 2.8.1929, ThULB, NL WE. 18  [Oswalt-]­Eucken (2014: 75). 19 ­Eucken an Edith Eucken, 7.8.1935, ThULB, NL WE. 20  Eucken-Erdsiek (1974: 3 f.). 21  Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 75). 14 ­Eucken

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

von Thünen (1783–1850), den E ­ ucken dafür bewunderte, dass er mit seinem Modell des isolierten Staates ein theoretisches Werkzeug konstruiert hatte, das konkrete landwirtschaftliche Standortprobleme lösen konnte.22 Die Bilder hingen an der mit dunkler Tapete – einem Meer aus schwarzen Blüten auf tiefblauem Grund – geschmückten Wand seines Arbeitszimmers.23 Früh morgens – vor allem wenn es im Winter galt, die Öfen zu heizen – war dann E ­ ucken derjenige, der in den Keller ging, um dazu die Kohlen hochzuholen.24 Das hat ihn möglicherweise zu den berühmt gewordenen Eröffnungssätzen in seinen Grundlagen der Nationalökonomie bewogen: »Ich stehe vor dem Ofen, der mein Zimmer heizt. Ein durchaus gewöhnlicher Ofen. Und doch genügt sein Anblick, um die wichtigsten Fragen zu entzünden.«25 Mit diesen Worten beginnt ­Eucken darzulegen, wie das nationalökonomische Problem aus der ­A lltagserfahrung heraus entsteht, die dann zu der weiteren Frage führt: »Wie erfolgt die Lenkung dieses gewaltigen arbeitsteiligen Gesamtzusammenhanges, von dem die Versorgung jedes Menschen mit Gütern, also jedes Menschen Existenz, abhängt? Dieses Ganze muß ich in seinen Zusammenhängen kennen«, so war es E ­ ucken beim Anblick seines Ofens klar geworden, »um auch nur die Produktion des einen Ofens und die Heizung meines Zimmers im Winter zu verstehen«26 und »um dadurch auch den wirtschaftlichen Alltag im einzelnen zu verstehen.«27 Mit der Wahl dieses Ofen-Beispiels nimmt ­Eucken indes auch Bezug auf den Philosophen René Descartes. Descartes sei – so schildert es Eucken – rund dreihundert Jahre zuvor in seinen bahnbrechenden Betrachtungen über die Grundlagen der Philosophie ebenfalls vom Anblick eines Ofens zum Fragen angeregt worden, allerdings zu radikal philosophischen Fragen, wie etwa »Ist das alles wirklich?« oder »Was ist überhaupt wahr?« Solch radikales Fragen des Philosophen, das sogar das Vorhandensein des Ofens in Zweifel zieht, sei jedoch – so konstatiert Eucken – »nicht Sache des Nationalökonomen.«28 Vielmehr nimmt der Ökonom für seine Problemanalyse die Alltagserfahrung als Ausgangspunkt. »Das Erziehungskonzept unserer Eltern«, so die Schilderung von Euckens ältester Tochter, »war nicht zeitgemäß und wäre es wohl auch heute nicht.«29 22 

Vgl. ­Eucken ([1938] 1961: 18 f.). als aus Euckens Arbeitszimmer 1954 ein Raum des Walter E ­ ucken Instituts geworden war, blieben die Tapete, die Reproduktionen der Stiche, die nach Euckens Tod fertiggestellte Eucken-Büste von Richard Engelmann und Euckens Schreibtisch bis zur Renovierung 1991 unverändert erhalten. Vgl. Abb. 41 in diesem Band. 24  Für diese Auskunft vom 9.1.2017 danke ich Christoph ­Eucken. 25 ­Eucken ([1940] 1989: 1). 26 ­Eucken ([1940] 1989: 2). 27 ­Eucken ([1940] 1989: 6; Hervorhebung im Original). 28 ­Eucken ([1940] 1989: 1). Siehe dazu auch Klump (2003: 154). 29  [Oswalt-]­Eucken (2014: 76). 23  Auch

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Die Eltern hatten nicht die Absicht gehabt, ihre drei Kinder für eine Karriere zu erziehen, sondern »sie wünschten, dass wir unsere Kräfte zu einem Ganzen ausbildeten, wie Wilhelm von Humboldt es sich vorstellte.«30 In einem festen Rahmen ließen sie den Kindern viel Freiheit. »In der Schule und nachher im Gymnasium erwarteten die Eltern, dass wir selbständig mit den Anforderungen zurechtkämen und trauten uns das zu. […] Schlechte Noten wurden gelassen hingenommen, guten Noten kein großes Gewicht beigemessen.«31 Gleichwohl hatte ­Eucken seinen Töchtern eingeschärft: »Wenn ihr heiratet – nur mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Eine Frau muss immer auf eigenen Beinen stehen können.«32 Euckens Einstellung zu Frauen war für die damalige Zeit eher ungewöhnlich. Er hat es bewundert, dass seine Großmutter Athenäa Passow als Publizistin und seine Mutter als Malerin und später Gründerin der Textil- und Kunstwerkstätten Jena G. m. b. H. ein recht selbstbestimmtes Leben führten. Die schriftstellerische Arbeit seiner Ehefrau war ihm so wichtig wie seine eigene.33 »Es war so, daß er sich außerordentlich freute, wenn ich etwas schrieb«, so erinnerte es seine Frau, »[e]s war eigentlich sein großer Wunsch, daß ich in der Hinsicht zum Arbeiten käme, und er hat mir manchmal gesagt, als die Kinder klein waren, daß er das sehr bedaure, daß ich durch die Fürsorge für die Familie in einer schwierigen Zeit, wo man ja auch sich darum kümmern mußte, einfach dem Hunger zu begegnen, daß er damals sagte, es tut mir so leid, ich wünschte so sehr, daß Du zu Deinen eigenen Sachen kämst.«34 Im August 1945 konnte ­Eucken schließlich mit Genugtuung an Röpke schreiben: »Meine Frau […] nimmt sich jetzt – trotz allem – immer wieder einige Stunden frei, um geistig zu arbeiten. Ich bin sehr froh darüber. Auch sie hat viele schöne, entwicklungsfähige Entwürfe.«35 Große Anstrengungen unternahmen Euckens, ihre Kinder möglichst vor der Nazi-Ideologie zu schützen. Es gelang ihnen, für die beiden Töchter, die in den Jahren 1940 und 1941 eingeschult werden sollten, in den ersten vier Grundschuljahren dank eines mit ärztlichem Attest bescheinigten gefälschten Krankheitsbildes die Freistellung von der staatlichen Schule zu erwirken und die Mädchen auf das private »Lehrinstitut Dr. Hoerth und Frau« in Freiburg zu schicken, in dem Kinder mit Handicaps unterrichtet wurden und die NS-Ideologie außen vor blieb. Auch die Befreiung von der obligatorischen Teilnahme am Bund deutscher Mädel (BDM) gelang mit Hilfe eines derartigen Attests.36 30 

[Oswalt-]­Eucken (2014: 76). [Oswalt-]­Eucken (2014: 76). 32  [Oswalt-]­Eucken (2014: 75). 33  Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 75). 34  Eucken-Erdsiek (1974: 9). 35 ­Eucken an Röpke, 15.8.1945, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 36  Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014:76). 31 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Walter und Edith E ­ ucken schufen ihren Kindern in der Goethestraße »ein heiteres Zuhause, das Geborgenheit gab«37, auch wenn die Welt draußen für die Familie zunehmend gefährlicher wurde. Edith ­Eucken galt nach der NS-Rassegesetzgebung als nichtarisch. Walter E ­ ucken wurde deshalb als jüdisch versippt eingestuft. Gleichwohl setzte Edith ­Eucken alle Hebel in Bewegung, um »diese für die ganze Familie gefährliche Situation gegenüber den NS-Behörden durch die Konstruktion einer falschen Familiengeschichte zu entschärfen.«38 Familiengeschichtliche Nachforschungen seien eingeleitet, so das Argument, die womöglich Zweifel an einer jüdischen Abstammung ihrer Mutter rechtfertigten. Dementsprechend vermerkte Walter ­Eucken auf einem am 15. Dezember 1936 ausgefüllten Formular bei den Angaben zu seiner Schwiegermutter Marie Erdsiek, geborene Belkin: »Die Familie Belkin ist nachweislich eine alt-russische Familie, also slawischer Abstammung. Ein Zweig ist vom griechisch-orthodoxen zum jüdischen Glauben übergetreten. Eine Untersuchung darüber schwebt. Ich werde nach deren Abschluß die vorliegende Erklärung ergänzen.«39 Daraufhin konnte Rektor Metz im Dezember 1937 in Beantwortung einer Anfrage zu Walter E ­ ucken aufgrund des Berufsbeamtengesetzes formulieren: »Professor ­Eucken ist […] rein arisch (Friese). […] Seine Frau ist zu 1/8 nichtarisch – was übrigens auch noch umstritten ist. Aber selbst wenn das angenommen wird, so dürfte das keine ausreichende Handhabe bieten.«40 Den Kindern blieb die Brutalität des Regimes nicht verborgen. Besonders die älteste Eucken-Tochter merkte, dass Bedrohliches vor sich ging. Seit 1938 häuften sich die Abschiede von Freunden der Familie, die emigrieren mussten. Bekannte, Kollegen und Nachbarn waren plötzlich verschwunden.41 Die Eltern sprachen immer häufiger miteinander Englisch, weil etwas nicht für die Ohren der Kinder bestimmt war.42 Seit 1943 lebte Euckens verwitwete Schwiegermutter mit in der Goethestraße, denn in Berlin war es für sie zu gefährlich geworden. Dass die Großmutter Jüdin war, hatten indes die Kinder damals nicht gewusst, – »die Gefahr war zu groß, 37 

[Oswalt-]­Eucken (2014: 74). [Oswalt-]­Eucken (2014: 74). 39  Personalakten Walter Eucken, StAF C 25/2 Nr. 84, Bl. 120 (Digitalisat). 40  Rektor Metz an Dozent Oberarzt Dr. Schmidt, v. 9.12.1937, Personalakten Walter Eucken, StAF C 25/2 Nr. 84, Bl. 54 (Digitalisat). 41  So wurde am 22. Oktober 1940 im Zuge der Deportation von 350 Freiburger Juden und Jüdinnen in das südfranzösische Internierungslager Gurs Euckens Kollege, der Nationalökonom Robert Liefmann, mit seinen beiden Schwestern von der Gestapo aus seinem Haus in der Goethestraße 33 abgeholt. Eine von E ­ ucken und dem beim Ökumenischen Rat in Genf tätigen Pfarrer Adolf Freudenberg eingeleitete Hilfsaktion konnte nicht verhindern, dass Liefmann im Februar 1941 während einer befristeten Entlassung aus der Lagerhaft in der Nähe von Gurs an Entkräftung starb. Vgl. Goldschmidt/Klinckowstroem (2005: 183). 42  [Oswalt-]­Eucken (2014: 77). 38 

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dass wir was ausplaudern«43, erinnerte sich Marianne ­Eucken unlängst. Nach dem 20. Juli 1944 konnte Marie Erdsiek jedoch auch in Freiburg nicht länger bleiben, da Walter ­Eucken von der Gestapo intensiver beobachtet wurde. Sie zog weiter nach Celle zur Familie ihres Sohnes Gerhard. Für die Eucken-Kinder war dies als großer Einschnitt in ihrem Leben spürbar. Gleichwohl gelang es Walter und Edith E ­ ucken trotz dieser ständigen Gefahr, ihren Kindern Zuversicht und Lebensfreude zu vermitteln.44 In Erinnerung blieben wunderschöne Familienfeste. So die Feier zu Euckens fünfzigstem Geburtstag im Januar 1941: Der Schwager Gerhard Erdsiek dichtete »Ihm gilt der Gruss aus jedem Alter, ihm gilt der Glückwunsch, unserm Walter!«45 Der Freund und Kollege Franz Böhm hielt eine launige Rede und fasste Euckens Haltung mit den Worten zusammen: »Mit Mut und Leidenschaft sachlich schauen, große Bilder auffassen und die eigene Person beiseite lassen. […] Wo wir dieser Haltung begegnen, da fühlen wir uns angezogen und verbunden. Ein Sichfinden auf solcher Grundlage läßt eine sehr enge Zusammenarbeit durchaus verschiedenartiger Männer und ein sehr nachhaltiges Einwirken aufeinander zu, ohne daß in dieser Gemeinschaft die persönliche Freiheit des Einzelnen durch die anderen auch nur am Rande angetastet würde.«46 Elisabeth Liefmann-Keil, die nach einer vorübergehenden Tätigkeit in Leipzig seit 1937 wieder in Freiburg lebte, sich durch »freiberufliche Tätigkeit«47 über Wasser hielt und zum Freundeskreis des Ehepaars ­Eucken gehörte, formulierte unter der Überschrift »Sondermeldung aus dem Elysium« eine Geburtstagsfestgabe, in der sie in einer imaginierten Sitzung eine Reihe von Gratulanten – Robinson Crusoe, Cournot, Böhm-Bawerk, Ricardo und Quesnay sowie Adam Smith, Knut Wicksell, Léon Walras und Johann Heinrich von Thünen  – mit lobenden Worten zum Eucken’schen Werk zu Wort kommen ließ und zum Abschluss Gustav Schmoller die Äußerung in den Mund legte: »[I]ch möchte der Nationalökonomie eine wahrhaft gedeihliche Zukunft wünschen, indem ich der Hoffnung Ausdruck gebe, dass sie mehr und mehr eine ›Wissenschaft im Stile Euckens‹ wird.«48 »Der Geburtstag verlief sehr schön« – berichtete ­Eucken einige Tage später in einem Brief an Lösch – »[a]m 16. Abends war eine kleine, aber sehr harmonische Feier mit den Studenten im Freiburger Hof.49 Die Studenten überreichten mir 43 

Höhl (2014). Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 74). 45 Erdsiek, G., Typoskript »Walter E ­ ucken zum 50. Geburtstag, 17. Januar 1941«, ThULB NL WE. 46  Böhm, Typoskript »Zum 17. Januar 1941«, S. 6., ThULB, NL WE. 47  Goldschmidt/Klinckowstroem (2005: 187). 48  Liefmann-Keil, »Sondermeldung aus dem Elysium«, Typoskript, UAS, NL Liefmann-Keil, zit. nach Goldschmidt/Klinckowstroem (2005: 189 f.). 49  Heute umgebaut zum Gebäude Humboldtstraße 2. 44 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

die neue Übersetzung von Thomas von Aquinus und eine fette Gans. Also für Geist und Körper wurde gesorgt. Am 17. Abends waren die näheren Freunde im Haus. […] Der Höhepunkt war die Rede von Franz Böhm.«50 Auch bedankte sich E ­ ucken für Löschs Geburtstagsgeschenk  – ein Album selbstverfasster Gedichte –, mit dem er ihm »eine wirkliche Freude gemacht« habe, denn daraus spreche »eine so freundschaftliche Gesinnung« und es sei »ein wirkliches Zeichen wahrer Verbundenheit.«51 Unvergessen blieb auch das Fest zur Silberhochzeit am 9. Dezember 1945 mitten in der Hungerzeit, wenige Monate nach Kriegsende. Auf der Einladung hieß es: »Für den Abend bitten wir, etwas Vesperbrot mitzubringen.«52 Für die vielen Gäste gab es Kartoffelsalat, der statt mit Öl mit Maggi Würze angemacht war, dazu Panhas, eine Blutwurstsülze, von der 500g für 50g Brotmarken und 50g Fleischmarken zu erhalten waren. Die Zigarettenration hatte Edith ­Eucken gegen Kerzen eingetauscht, so dass die Wohnung im Kerzenschein erstrahlte. Die Damen trugen Abendkleider. Walter E ­ ucken sang aus Don Giovanni »Reich mir die Hand mein Leben« und »Horch auf den Klang der Zither.«53 Euckens acht Seminarteilnehmer gratulierten in Versform: »Dem verehrten Silberpaar wünscht herzlich Glück das Seminar! […] So schenken wir denn unumwunden 24 Arbeitsstunden! Das Winterholz woll’n wir Zersägen und zur Konsumreife zerlegen. Es sind vereint dazu bereit in der allernächsten Zeit unterzeichnete Gratulanten, die sich zwecks Vollzugs verbanden.«54 Seit dem Sommer 1949 intensivierten sich die persönlichen Kontakte zwischen­ Eucken und seinem Schüler, Freund und Mitstreiter Leonhard Miksch. Miksch war zum 1. November 1949 als Nachfolger des im Februar 1948 verstorbenen Adolf Lampe zum außerordentlichen Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ernannt worden und war bereits im Sommer 1949 mit seiner Familie – seiner Ehefrau Helen und den beiden Kindern Harald, geboren 1936, und Helga, geboren 1938, – aus Frankfurt-Höchst nach Freiburg gezogen, wo sie in der Valentinstraße 8 in Freiburg-Günterstal wohnten.55 Miksch war von da an ein häufiger Gast bei Euckens in der Goethestraße. Dort wurde ihm immer ein stabiler Küchenstuhl bereitgestellt, nachdem einmal einer der antiken Stühle unter seinem Gewicht 50 ­Eucken an Lösch, 29.1.1941, StA HDH, NL August Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 203). 51 ­Eucken an Lösch, 29.1.1941, StA HDH, NL August Lösch, Kiste 13, zit. nach Bieri (2021: 203). 52  Einladung zur Silberhochzeit, ThULB, NL WE. 53  Vgl. [Oswalt-]­Eucken (2014: 74). 54  Diese Gratulanten waren: Dr. Günther Holz, Dr. Hans Otto Lenel, Mechthild Oehlert, Dr. Lothar Wandel, Fides von Gontard, Ruth Neßler, Edith Pindter, Melitta Werle, Typoskript, ThULB, NL WE. 55  Vgl. Helga Serrano-Miksch, private Aufzeichnungen.

21. Heimat in Freiburg



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Eucken und Miksch zusammengebrochen war.56 Zwischen den Familien ­ bestand eine enge, herzliche Beziehung. Zu klein gewordene Kleidungsstücke eines Eucken-Kindes wurden an ein Miksch-Kind weitergereicht und umgekehrt. Auch verwandtschaftlich waren sie verbunden, seit Euckens Schwager, der Jurist Gerhard Erdsiek, sich 1934 mit Ruth von Kuhlberg, der geschiedenen ersten Ehefrau von Miksch, verheiratet hatte,57 und Leonhard Miksch 1935 mit deren jüngerer Schwester Helen von Kuhlberg eine zweite Ehe eingegangen war.58 Nach Euckens Tod war Miksch am 27. April 1950 zum ordentlichen Professor und zugleich zum Direktor des Volkswirtschaftlichen Seminars ernannt worden. Indes, knapp sechs Monate nach ­Eucken verstarb Leonhard Miksch unerwartet am 19. September 1950 im Alter von nur neunundvierzig Jahren. Sein Grab befindet sich direkt neben dem Grab Euckens auf dem Friedhof in FreiburgGünterstal.59 21.2. Mitglied im Rotary Club Freiburg Viele Kontakte, insbesondere zu Wirtschaftspraktikern, ergaben sich für Walter E ­ ucken aus seiner Mitgliedschaft im Rotary Club Freiburg, der sich am 7. Dezember 1932 gegründet hatte, sich jedoch im Oktober 1937 aufgelöste60, nachdem die reichsdeutschen Rotary Clubs am 15. Oktober 1937 ihre Auflösung beschlossen hatten. Bei der Neukonstituierung des Clubs im November 1949 übernahm ­Eucken dann das Amt des zweiten Vizepräsidenten. 56 

Vgl. Helga Serrano-Miksch, private Aufzeichnungen. Die Hochzeit von Gerhard und Ruth Erdsiek wurde am 23. April 1935 im Kreis von Freunden – darunter Edmund Husserl und Franz Böhm – in der Wohnung von Walter und Edith ­Eucken in Freiburg gefeiert. Vgl. Dathe (2015: 14, Anm. 38). 58  Vgl. Dathe (2015: 14, Anm. 38) und Feld/Köhler (2015: 133). 59  Vgl. Feld/Köhler (2015: 133), Goldschmidt (2015: 42, Anm. 17) und Dathe (2015: 14, Anm. 38). 60  Vgl. Kehrig (2015: 53). Zu den Mitgliedern gehörten zu diesem Zeitpunkt unter anderen: Kurt Bassermann (Bankwesen), Heinrich Brenzinger (Beton- und Eisenbetonbau), Robert Graf Douglas (Obstzucht), Walter ­Eucken (Professor für Nationalökonomie), Hans Großmann-Doerth (Professor für Rechtswissenschaft), Richard C. Gütermann (Seidenindustrie), Erwin Haas (Hotel- und Gastgewerbe), Fritz Hellige (Optische Industrie), Otto Henninger (Starkstromindustrie), Fürst Friedrich von HohenzollernSigmaringen (Großgrundbesitz, Landwirtschaft), Hans Mez (Wirk- und Strickwarenindustrie), Hugo Raimann (Maschinenindustrie), Joseph Sauer (Professor für Christliche Archäologie), Oskar Römer (Professor für Zahnheilkunde), Josef Schlippe (Architekt), Paul Schwoerer (Allgemeine Verwaltung), Fritz von Seubert (Forstwirtschaft), Hermann Staudinger (Professor für Chemie), Julius Weismann (Musik, künstlerische Leitung), Otto Welter (Betriebsorganisation), Max von Wogau (Land- und Forstwirtschaft). Vgl. Kehrig (2015: 54, Anm. 82). 57 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

­Eucken wurde am 19. September 1934 als Mitglied der Freiburger Rotarier aufgenommen.61 Er sei zum Eintritt in den Freiburger Rotary Club aufgefordert worden, dem 28 Herren, meistens Leute aus der Wirtschaft, angehörten, berichtete er später nach Jena, und habe dies gerne getan, »weil ich auf eine Professoren-Geselligkeit keinen Wert mehr lege.«62 An den wöchentlichen Meetings, die jeweils donnerstags zur Mittagszeit im Hotel »Zähringer Hof« stattfanden, nahm ­Eucken regelmäßig teil und steuerte auch Vorträge aus seinem beruflichen Fachgebiet bei.63 So sprach er zu Themen wie »Weltwirtschaft und Währung« oder »Gegenwartsfragen der Weltkonjunktur.«64 Einmal wählte er jedoch ein persönlicheres Vortragsthema: »Morgen halte ich den Vortrag über ›Goethe u[nd] m[eine] Vorfahren‹ im Rotary Club«65, schrieb er seiner Frau nach Jena. Und das Protokoll über die Zusammenkunft des Rotary Clubs vom 5. Februar 1936 vermerkt: »Rot[arier] ­Eucken stellte uns heute aus seiner weitverzweigten Ahnenreihe besonders 3 Persönlichkeiten vor, die in engere Beziehung zu Goethe getreten sind.«66 Dabei ging es als erstes um Euckens Ur-Ur-Ur-Großmutter Amalie Gildemeister, geborene von Kotzebue, die Schwester des Schriftstellers August von Kotzebue, die in ihrer Jugend in Weimar mit Goethe befreundet war, bevor sie 1778 den Bremer Syndikus Johann Friedrich Gildemeister (1750–1812), den Urgroßvater von Euckens Großmutter Athenäa Passow, heiratete; als zweites um den Physiker Thomas Seebeck (1770–1831), den Großvater mütterlicherseits von Euckens Großvater Passow, von dem sich Goethe Bestätigung seiner Farbenlehre erhoffte, die Seebeck letztlich jedoch verweigerte; und schließlich als drittes um den – mit ­Eucken nur über den zweiten Ehemann seiner verwitweten Urgroßmutter Christine Ulrichs, geborene Gildemeister, verbundenen – Bremer Bürgermeister Johann Smidt (1773–1857), dem der Ausbau des Bremer Hafens zu verdanken ist und der seinen Korrespondenzpartner Goethe zur Ausgestaltung des letzten Aktes des Faust inspiriert haben soll.67 Am 3. Mai 1937 fuhr E ­ ucken mit den Freiburger Rotariern nach Basel, »um die neue großartige Kunsthalle zu besichtigen und um einer Einladung der Basler Rotary Clubs zu folgen.«68 Dabei hatte er, wie er seiner Mutter schilderte, 61 

Vgl. Vanberg (2015: 282). an Irene und Ida Eucken, 18.1.1935, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 58; Eucken an Irene Eucken, 10.5.1935, ThULB, NL RE, V, 12, Bl. 84, zit. nach Schäfer, M. (2020: 457). 63  Vorträge zu politischen oder religiösen Themen – so ein ungeschriebenes Gesetz des Rotary Clubs – waren zu vermeiden. Vgl. Kehrig (2015: 44). 64  Vgl. Vanberg (2015: 282). 65 ­Eucken an Edith Eucken, 4.2.1936, ThULB, NL WE. 66 Rotary Club, Freiburg (Breisgau), Wochenbericht Nr. 29 (155) IV. Jahrgg. über Zusammenkunft vom 5. Februar 1936, 13.15 Uhr, Typoskript, ThULB, NL WE. 67  Vgl. Eucken, handschriftliche Notizen zum Vortrag »Goethe und meine Vorfahren« im Rotary Club Freiburg, 5.2.1936, ThULB NL WE. 68 ­Eucken an Irene Eucken, 30.4.1937, zit. nach Vanberg (2015: 282). 62 ­Eucken

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mit den damaligen Schwierigkeiten der Devisenbeschaffung zu kämpfen: »An sich kann jeder im Monat für 10 Mark in Franken wechseln. Aber z. Zt. ist es in Freiburg fast unmöglich, auch nur 5 M. einzuwechseln.«69 Rund fünf Monate nach dem Besuch in Basel löste sich der Rotary Club Freiburg auf.70 Die ehemaligen Clubmitglieder trafen sich jedoch weiterhin, jeweils montags  – unauffällig  – zu »geregelten Herrenabenden« im alten Club-Lokal »Zähringer Hof«, bis dieses beim alliierten Bombenangriff am 27. November 1944 zerstört wurde.71 Am 24. Mai 1944 besuchten die ehemaligen Rotarier die Akademische Trauerfeier für den an der Ostfront gefallenen Rechtswissenschaftler Hans Großmann-Doerth. Bereits kurz nach Kriegsende kamen die ehemaligen Rotary-Mitglieder erneut zusammen: So lud Hans Mez am 30. Mai 1945 siebzehn Ehemalige, darunter Walter Eucken, in sein Haus in Ebnet auf ein Glas Wein ein. Am 2. Juli 1945 trafen sich die »Rotary-Freunde« bei Heinrich Brenzinger zu »freundschaftlichem Gedankenaustausch.« Und bald befasste sich eine kleine Gruppe von an Wirtschaftsfragen interessierten Herren – Walter Eucken, Richard C. Gütermann, Erwin Haas, Heinrich Brenzinger, Gerhard Römer, Paul Schwoerer, Hugo Raimann und Herr Bruhn  – in privater Runde mit der Frage, wie die Wirtschaft im französisch besetzten Gebiet reorganisiert werden könnte.72 An eine Wiederbegründung des Rotary Clubs war zunächst nicht zu denken, da die französische Besatzungsmacht jegliche Vereinsbildung strikt untersagt hatte. Erst am 4. März 1949 konnte eine erste offizielle Zusammenkunft des »Clubs der Freunde von 1927 Freiburg im Breisgau« im Hotel »Hohenzollern« stattfinden, auf der Walter Eucken, Gerhard Römer und Heinrich Brenzinger zu Mitgliedern eines Aufnahmeausschusses bestellt wurden, der sich um die Gewinnung junger Rotarier bemühen sollte. Auch das Vortragswesen wurde wiederaufgenommen. So berichtete ­Eucken im Meeting am 4. August 1949 über seine Teilnahme an den beiden Tagungen – 1947 und 1949 – der Mont Pèlerin Society in der Schweiz. Als sich schließlich am 17. November 1949 im Hotel »Europäischer Hof« siebenundzwanzig Mitglieder zur Wiederbegründung des Rotary Clubs Freiburg einfanden, übernahm Walter E ­ ucken neben Heinrich Brenzinger das Amt des zweiten Vizepräsidenten. Zum Präsidenten wurde der Direktor der Deutschen Bank, Dr. Gerhard Römer, gewählt. Das Protokoll des darauffolgenden Rotary-Meetings vom 24. November 1949 vermerkt Euckens Bericht über seinen wissenschaftlichen Besuch im spanischen Santander. Zwei Tage nach Euckens Tod hält das Protokoll des Rotary-Meetings vom 22. März 1950 fest: »Der Rotary Club Freiburg verliert in seinem heimgegangenen Mit69 ­Eucken

an Irene Eucken, 30.04.1937, zit. nach Vanberg (2015: 282). Kehrig (2015: 53). 71  Heute befindet sich an dieser Stelle die Galeria Kaufhof, Kaiser-Joseph-Straße 195. 72  Vgl. Brenzinger an Gütermann, 15.12.1945, zit. nach Kehrig (2015: 58, Anm. 101). 70 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

glied und zweitem Vizepräsidenten einen Freund, der zum Freiburger Clubleben in stets hilfsbereiter Mitarbeit und als Vortragender sehr viel beitrug und dessen lebhafte Beteiligung an unseren Diskussionen hohen Gewinn für uns alle bedeutete.«73 21.3. Freundschaft mit dem Bildhauer Richard Engelmann »Verehrter und lieber Freund! Wenn ich mir erlaube, an diesem Ihrem Ehrentage das Wort zu ergreifen« – begann Walter E ­ ucken am 2. Dezember 1945 seine Ansprache auf der zum siebenundsiebzigsten Geburtstag von Richard Engelmann (1868–1966) im Freiburger Kunstsalon Victor Meyer in der Landsknechtstraße ausgerichteten kleinen Werkschau – »so tue ich es deshalb, weil ich hier wohl derjenige bin, der mit Ihnen am längsten verbunden ist. Vor meinen Augen stehen die schönen, gemeinsamen Tage vor dem Ersten Weltkrieg in Jena und Weimar, die Veranstaltungen des Vereins der Künstler und Kunstfreunde von Jena und Weimar, das Zusammentreffen mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten des damaligen Deutschlands – kurz: diese lichten, geistig bewegten Jahre.«74 Walter E ­ ucken hatte Richard Engelmann, der 1913 als Professor und Leiter der Bildhauerabteilung an die Großherzogliche Kunsthochschule in Weimar berufen worden war, bereits im Salon seines Elternhauses kennengelernt, wo, wie ­Eucken in seiner Rede erinnerte, ihm auch »Stefan George, Ernst Haeckel, Heinrich Wölfflin, Ferdinand Hodler, Max Reger und viele andere«75 begegnet waren und Engelmann eine hervorragende Rolle gespielt hatte. »Engelmann ist eine Persönlichkeit, die mit offenen Augen durch die Welt geht und die Welt voll auf sich wirken läßt. Seine große Beobachtungskraft setzt ihn instand, die Dinge lebensvoll, ja oft mit einer geradezu erschütternden ­ ucken in seiner Ansprache die Kunst Wahrhaftigkeit zu fassen«76, beschrieb E Engelmanns und nahm schließlich Bezug auf eine Äußerung »unseres gemeinsamen, viel zu früh verstorbenen Freundes«, des Jenaer Kunsthistorikers und Kunstmäzens Botho Graef (1857–1917), der Engelmann einmal mit Auguste Rodin, dem »großen Meister moderner Plastik«77, verglichen hatte. Nachdem Engelmann 1935 aufgrund seiner jüdischen Herkunft mit Berufsverbot belegt worden war, übersiedelte er – »vermutlich mit Unterstützung der Familie Walter Eucken«78  – 1937 nach Kirchzarten bei Freiburg. »In einer Zeit, in der man Engelmann nicht einmal grüßen durfte«, so schilderte es später Engelmanns Schwiegersohn, »gehörte Walter ­Eucken zu den wenigen Men73 

Vanberg (2015: 283). ([1945] 1968: 10, 12). 75 ­Eucken ([1945] 1968: 12). 76 ­Eucken ([1945] 1968: 12). 77 ­Eucken ([1945] 1968: 12). 78  Opitz (2000: 368). 74 ­Eucken

21. Heimat in Freiburg



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schen, die ihm geholfen haben, das Dritte Reich überhaupt zu überleben.«79 Engelmann selbst hielt als Erinnerung fest: »In der Zeit meiner Ächtung durch den Nazismus verkehrten E ­ ucken und Frau in mutigster Weise mit mir, trotz der großen Gefahr, die ihnen dadurch drohte, was ich tief dankbar empfinde.«80 Wenn Euckens zum Kaffee bei Engelmanns in Kirchzarten eingeladen waren, nahmen sie für den Hinweg den Zug, legten den Rückweg indes bisweilen ein Stück weit zu Fuß zurück und bestiegen erst in Littenweiler den Zug zurück nach Freiburg.81 1938 erhielten Euckens eine von Engelmann gefertigte Büste von Edith Eucken.82 ­Eucken schrieb Engelmann daraufhin: »Heute  – zu Ihrem 70. Geburtstag – drängt es mich, Ihnen nochmals meinen herzlichen Dank zum Ausdruck zu bringen, den ich Ihnen für die Büste meiner Frau schulde. Das Kunstwerk, das ich täglich mit stets wachsender Freude betrachte, ist jetzt zu ­ ucken dem Mittelpunkt unseres Hauses geworden.«83 1944 vermittelte Walter E den Ankauf von Engelmanns Büste des Vaters Rudolf E ­ ucken durch Schüler seines Bruders, des Physikochemikers Arnold Eucken, von denen dieser die Büste anlässlich seines sechzigsten Geburtstages zum Geschenk erhalten sollte.84 »Die kostbare Büste meines Vaters hat nun, da die Gefahr der Bombenangriffe vorüber ist, in meinem Arbeitszimmer einen würdigen Platz gefunden«85, ließ Arnold E ­ ucken Engelmann dann im Juni 1946 wissen. Auch 1948 war es Walter Eucken, der die Festrede bei der Eröffnung der zum achtzigsten Geburtstag Engelmanns im Freiburger Augustinermuseum ausgerichteten Ausstellung hielt. Dabei nahm E ­ ucken Bezug auf den von Wolfgang Hoffmann, dem Oberbürgermeister Freiburgs, geleiteten Wiederaufbau der Stadt. Vor der Zerstörung, stellte E ­ ucken fest, war Freiburg »eine Stadt der Ausgewogenheit nach jeder Richtung: im Aufbau der Wirtschaft, in der sozialen Struktur und auch in der architektonischen Gestaltung […] eine Stadt des Maßes und des Gleichgewichts.«86 »Nun nach der Zerstörung wird es die Aufgabe sein, sie so wieder zu errichten, daß Maß und Ausgewogenheit herrschen. […] 79 

Pieske (1980: 21). Zit. nach Opitz (2000: 356). 81  Vgl. ­Eucken an Frau Engelmann, 8.7.1941, StAF, NL Engelmann, T1–15–1. 82  Diese in Gips modellierte, farbig gefasste Kopfplastik wird in Opitz (2000: 230) als »modernstes von Engelmann geschaffenes Bildnis« beschrieben, bei dem indes ungeklärt bleibe, ob es sich dabei um eine Schenkung Engelmanns oder um ein von Euckens in Auftrag gegebenes Werk handelt. 83 ­Eucken an Engelmann, 5.12.1938, StAF, NL Engelmann, T1–15–1, auszugsweise abgedruckt in Opitz (2000: 310). 84  Vgl. E ­ ucken an Engelmann, 7.5.1944 und 22.5.1944, StAF, NL Engelmann, T1– 15–1. 85  Arnold E ­ ucken an Engelmann, 6.6.1946, StAF, NL Engelmann, T1–15–1. 86 Eucken, Festrede zur Eröffnung der Engelmann-Ausstellung am 9.10.1948, Typoskript, ThULB, NL WE, auszugsweise abgedruckt in Aktionskreis Freiburger Schule (2021: 29). 80 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Für Freiburg wird es darauf ankommen, das Gleichgewicht zwischen Tradition und gegenwärtigem Leben zu halten und im Maß, in der Anpassung an die umgebende Natur seine ausgeglichene Gestalt wiederzufinden.«87 Richard Engelmann, so hob E ­ ucken hervor, »ist ein Meister dieses Gleichgewichts und des Maßes. Mögen sein Geist und sein Können wesentlich dazu beitragen, das neue Freiburg zu gestalten!«88 ­Eucken stand mit dem Oberbürgermeister Freiburgs in engem Austausch, der sich um die nachträgliche, künstlerische Anerkennung des im NS-Regime verfemten Bildhauers Engelmann bemühte, indem er ihm im Zuge des städtischen Wiederaufbaus einige öffentliche Aufträge zukommen ließ.89 So steht Engelmanns Skulptur »Die Trauernde« (1951) auf dem Freiburger Hauptfriedhof und erinnert an die Opfer des Luftangriffs vom 27. November 1944. Zu Beginn des Jahres 1950 begann Engelmann mit den Arbeiten für eine Büste von Walter Eucken. Vorbereitende Fotos seines Kopfes sowie ein Foto der fertigen Büste von E ­ ucken befinden sich im Nachlass Engelmann.90 Ein Bronzeabguss der Büste steht im Walter-Eucken-Gymnasium Freiburg, dessen Namensgebung am 17. Januar 1968 im Beisein von Ludwig Erhard und Edith Eucken-Erdsiek erfolgte.91 Einen weiteren Bronzeabguss der Büste erwarb später die Stadt Karlsruhe und übergab sie in einer Feierstunde anlässlich des 30. Todestages von Walter ­Eucken am 20. März 1980 der Walter-Eucken-Schule in Karlsruhe.92

22. Politikberatung im Nachkriegsdeutschland 22.1. Gutachter für die amerikanische Militärregierung Den Kontakt der Freiburger zur amerikanischen Militärregierung, deren US Group Control Council (USGCC)93 nach der Kapitulation Deutschlands im I. G.-Farben-Gebäude in Frankfurt untergebracht war, stellte Adolf Lampe 87 Eucken, Festrede zur Eröffnung der Engelmann-Ausstellung am 9.10.1948, Typoskript, ThULB, NL WE, auszugsweise abgedruckt in Aktionskreis Freiburger Schule (2021: 29). 88 Eucken, Festrede zur Eröffnung der Engelmann-Ausstellung am 9.10.1948, Typoskript, ThULB, NL WE, auszugsweise abgedruckt in Aktionskreis Freiburger Schule (2021: 29). 89  Vgl. Opitz (2000: 20). 90  StAF, NL Engelmann II. 91  Vgl. Bericht »Auf Freiheit und Ordnung verpflichtet. Der frühere Bundeskanzler Erhard hält die Taufrede für das Freiburger Walter-Eucken-Gymnasium«, Badische Zeitung vom 18.1.1968. 92  Vgl. Walter-Eucken-Schule Karlsruhe (1980). 93  Ab 2.10.1945 abgelöst durch das Office of Military Government (US) (OMGUS).



22. Politikberatung im Nachkriegsdeutschland

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her. Nach seiner Entlassung aus der Gestapo-Haft im April 1945 begab er sich von Berlin über Jena, wo er Erich Preiser aufsuchte, nach Frankfurt und sprach dort bei Colonel John R. Gilchrist vor, dem Leiter der Economic Division des USGCC.94 Lampes Absicht war, die Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath zu reaktivieren und eine gutachterliche Zusammenarbeit anzubieten. Dies hatte insofern Erfolg, als Gilchrist »von der Freiburger Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath, der Böhm, von Dietze, ­Eucken und Lampe angehören sollten, ein aktualisiertes Gutachten zur Währungsreform«95 erbat und eine langfristige Zusammenarbeit in Aussicht stellte. Ende Juni 1945, als Lampe und mittlerweile auch Constantin von Dietze wieder in Freiburg eingetroffen waren, gingen Eucken, Lampe und von Dietze gemeinsam an die Überarbeitung früherer, in der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath erstellter Ausarbeitungen, an denen seinerzeit auch Erich Preiser mitgewirkt hatte.96 Die Formulierung des aktualisierten Gutachtens übernahm Lampe, und bereits Mitte August 1945 wurde es mit dem Titel »Währungssanierung durch Kaufkraftabschöpfung mit anschließender Geldumlaufsauffüllung«97 fertiggestellt und in englischer Übersetzung nach Frankfurt gesandt. ­Eucken äußerte indes im Februar 1946 erhebliche inhaltliche Bedenken zu dem Gutachten und formulierte »Kritische Bemerkungen zu den Plänen der Währungssanierung durch Kaufkraftabschöpfung und Ausgabe von Sperrschecks.«98 Anfang November 1945 diskutierte dann eine »Freiburger Gruppe«, zu der Erwin von Beckerath, Walter E ­ ucken und Adolf Lampe gehörten, in Frankfurt-Höchst über Währungsprobleme und nahm auch Kontakt zu »Münchner Kreisen«, vermutlich um Adolf Weber, auf, wie Detlef Blesgen zufolge aus Briefen von Lampe an Preiser vom Oktober 1945 und Februar 1946 hervorgeht.99 Indes, im Jahr darauf hatte dann nur noch Walter E ­ ucken Kontakte zu den Amerikanern, wie Christine Blumenberg-Lampe feststellt. Im April 1946 erstattete ­Eucken ein Gutachten zur Währungsfrage100 an die Finance Division von OMGUS101, die der Bankier Joseph M. Dodge leitete, der zugleich Finance Advisor von General Lucius D. Clay war. E ­ ucken betonte in seinem Gutachten, 94 Colonel Gilchrist leitete die Economic Division vom 24. März bis 4. Mai 1945. Ab 5. Mai 1945 übernahm Brigadegeneral William H. Draper die Leitung und Gilchrist wurde sein Stellvertreter. Vgl. Weisz (1994: 19, 101). 95  Blumenberg-Lampe (1988: 108). 96  Vgl. Blesgen (2000: 388, Anm. 9). 97  Abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 500–506). 98 Abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 500–506), und zwar den jeweiligen Ziffern zugeordnet und als Fußnoten 5, 8, 10, 11, 12, 13, 16 angebracht. 99  Vgl. Blesgen (2000: 388, Anm. 9). 100 ­Eucken ([1946a] 1961). Vgl. auch Blumenberg-Lampe (1988: 108). 101  Vgl. Weisz (1994: 105 f.).

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

dass eine Währungsreform erst dann sinnvoll sei, wenn die weiteren Rahmenbedingungen hergestellt seien, d. h. wenn es eine politische Zentralgewalt und eine Zentralbank gebe, die öffentlichen Haushalte saniert und die Vorbereitungen für freien internationalen Handel und einen freien Devisenmarkt getroffen seien.102 Zudem nahm ­Eucken wohl auch, wie Christine Blumenberg-Lampe vermutet, an einer Besprechung mit Gerhard Colm103 teil, dem Mitstreiter aus den Ricardianer-Zeiten, mit dem er nach dessen Emigration eine Zeitlang brieflich im Austausch geblieben war. Colm – mittlerweile amerikanischer Staatsbürger und finanzwissenschaftlicher Berater des amerikanischen Präsidenten Harry Truman – war im März 1946 nach fast dreizehn Jahren erstmals nach Deutschland zurückgekommen, um im Auftrag der Militärregierung gemeinsam mit Dodge und Raymond W. Goldsmith, den er noch aus gemeinsamer Tätigkeit beim Statistischen Reichsamt in Berlin gut kannte und der nun auch erstmals wieder in Deutschland war, einen Plan zur Währungsreform zu erarbeiten.104 »Colm besuchte mich neulich«, berichtete ­Eucken im Mai 1946 an Röpke, »Sehr nett. Aber die Größe der Probleme sieht er nicht.«105 Auf den »Colm-Dodge-Goldsmith Plan«, der in wesentlichen Punkten die Grundlage für die am 20. Juni 1948 durchgeführte Währungsreform bildete, war Euckens Gutachten, wie er selbst im Sommer 1947 in einem Brief an Gerhard Albrecht feststellte, »fast ohne jeden Einfluss geblieben«.106 Eine weitere direkte Beratungstätigkeit von ­Eucken für die Amerikaner erfolgte nicht. 22.2. Gutachter für die französische Militärregierung Drei Monate nach Kriegsende wurde am 25. August 1945 in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät und der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg für die französische Besatzungsmacht und die Freiburger Stadtverwaltung ein Gutachten über die Ernährungslage fertiggestellt, an dem Constantin von Dietze, Walter E ­ ucken und Adolf Lampe mitgewirkt hatten und das dann von Sigurd Janssen, dem Rektor der Universität, am 3. September ­ ucken be1945 der Militärregierung vorgelegt wurde.107 Mitte August hatte E reits Wilhelm Röpke den Ernst der Lage geschildert: »Die Situation hier wird immer schwieriger und wir stehen am Rande der Katastrophe. Hunger. Keine Kartoffeln, 1000gr Brot in der Woche, 100gr Fleisch …. Und man sieht keinen Silberstreifen. Man kämpft um Nahrung und um Wiederherstellung des Rechts102 

Vgl. Klump (2005: 398). Vgl. Blumenberg-Lampe (1973: 133). 104  Vgl. Hagemann (1999: 108). 105 ­Eucken an Röpke, 29.5.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 106 ­Eucken an Albrecht, 24.7.1947, zit. nach Blesgen (2000: 389, Anm. 10). 107  Vgl. Lee (2000: 122, 137). 103 



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staats. Sie glauben nicht, wie traurig hier alles ist. – Als die Nazis fielen, hatten viele die Hoffnung auf Besserung. Aber diese Hoffnung ist längst dahin. Es ist eben eine ungeheure Krisis der ganzen Welt.«108 Am 8. Oktober 1945 überreichten dann ­Eucken und von Dietze der Militärregierung eine zweite Denkschrift zur Ernährungslage in Südbaden. Im Begleitschreiben wiesen sie daraufhin, dass sich »die Stadt Freiburg […] bereits im Stadium einer weit fortgeschrittenen Hungerkatastrophe« befinde, »die in kurzer, genau voraussehbarer Zeit in ein neues noch akuteres Stadium eintreten«109 werde. Eindringlich warnten sie: »Jede Verzögerung in der Zufuhr von Lebensmitteln, vor allem an Getreide und Kartoffeln, auch nur um eine Woche ist gefährlich.«110 Röpke hatte ­Eucken im Juli 1945 wissen lassen, dass er Karl Brandt, den nach Amerika emigrierten Agrarexperten, über Euckens Bemühungen zur Lösung des Versorgungsproblems informiert habe, da Brandt für den Herbst einen Gastaufenthalt am Genfer Institut plane, um das europäische Agrarproblem zu untersuchen.111 Zudem informierte Röpke ­Eucken darüber, dass Jacques Rueff, mit dem er gut bekannt sei – Röpke und Rueff hatten sich 1938 in Paris auf dem Colloque Walter Lippmann getroffen  –, zum Wirtschaftsberater der französischen Besatzung berufen worden sei und dass er Rueff empfehlen werde, er könne »nichts Besseres tun« als Euckens »ständigen Rat einzuholen.«112 Im November 1945 nahm die Wirtschaftszentrale der Baden-Badener Militärregierung mit Eucken, von Dietze und Lampe Kontakt auf, um sie »als ständige Gutachter« einzusetzten. Dabei sei  – so berichtete es Lampe seinem Freund Fritz Hauenstein  – »unsere oberste Bedingung, daß wir rückhaltlos sagen können, was wir kritisch glauben sagen zu müssen, vorbehaltlos anerkannt worden.«113 Im Januar 1946 konnte ­Eucken dann Röpke mitteilen: »Von Dietze, Lampe und ich sind von der Militärregierung in Baden-Baden zu einem 108 ­Eucken an Röpke, 15.8.1945, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 109 ­Eucken und Constantin von Dietze an Oberst Arnal, Militärregierung, 8.10.1945 (Begleitschreiben zur Übersendung der zweiten Denkschrift über die Ernährungslage), ThULB, NL WE. 110 ­Eucken und Constantin von Dietze an Oberst Arnal, Militärregierung, 8.10.1945 (Begleitschreiben zur Übersendung der zweiten Denkschrift über die Ernährungslage), ThULB, NL WE. 111  Vgl. Röpke an Eucken, 26.7.1945, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Anfang 1946 war Brandt dann als Agrarexperte der US-Besatzungsbehörden in Berlin tätig. Vgl. Röpke an Eucken, 3.1.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, und Schmitt (1999: 70). 112  Röpke an Eucken, 26.7.1945, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 113  Lampe an Fritz Hauenstein, 26.11.1945, ACDP, NL Lampe, zit. nach Fässler (1988: 94).

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Comité d’Études Économiques konstituiert, das laufend Beratungen in wirtschaftspolitischen Dingen durchführt […]. Die Gefahr besteht natürlich darin, […] daß man sich in Gutachten und Sitzungen zersplittert. Auf der anderen Seite aber lerne ich außerordentlich viel gerade dadurch, daß laufend sehr konkrete und wichtige Entscheidungen und Fragen zu verantwortlicher Begutachtung vorgelegt werden. Ein wirtschaftspolitisches Buch, das ich unter der Feder habe, wird dadurch wesentlich gefördert.«114 Von einer zweitägigen Besprechung in Baden-Baden im Juli 1946 berichtete Eucken115, er habe Gelegenheit gehabt, »über Interzonenhandel, internationalen Handel, Steuerfragen, Probleme der Gewinnbeteiligung usw. mit Vertretern der Gewerkschaften und der Partei eingehend zu diskutieren« und sei erstaunt gewesen, »wie wenig dogmatisch gerade die führenden Leute« seien. Sein Argument, »daß die Wiedereingliederung in den internationalen Handel eine Entfaltung privater Initiative und des Wettbewerbs und eine Überwindung der Planwirtschaft notwendig« mache, habe durchaus Anerkennung gefunden. Bis Mitte 1947 entstanden im Rahmen des Comité d’Études Économiques etwa zwanzig Gutachten zu verschiedenen wirtschaftspolitischen Themenbereichen.116 Sie konnten sich auf vorhandene Ausarbeitungen der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath stützen und beschäftigten sich mit Agrarpolitik, Interzonenhandel, Reparationsleistungen, Sozialpolitik, Kriegsschädenausgleich und Verstaatlichung von Monopolunternehmen, vor allem der Energiewirtschaft.117 Besonders Lampe hoffte, die Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath könne als Beratungsgremium erneut aktiv werden.118 Im Dezember 1945 und Januar 1946 diskutierten Eucken, von Dietze und Lampe das Gutachten »Währungsordnung = Wirtschaftsordnung«.119 Lampe formulierte die Endfassung und leitete sie am 19. Januar 1946 der französischen Militärregierung in Freiburg und Baden-Baden zu. Walter E ­ ucken allein erarbeitete für die französische Militärregierung Gutachten zu folgenden Themen: Über die Gesamtrichtung der Wirtschaftspolitik (Januar 1946), Über die Verstaatlichung der privaten Banken (Sondergutachten 114 ­Eucken an Röpke, 19.1.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 115 ­Eucken an Röpke, 29.7.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 116  Siehe dazu Fässler (1988) und Blumenberg-Lampe (1988). 117  Fässler (1988: 94, Anm. 17) zufolge befinden sich diese Gutachten zum größten Teil im Nachlass Lampe, Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung (ACDP), St. Augustin. 118  Vgl. Blumenberg-Lampe (1973: 134 ff.) und Blumenberg-Lampe (1988: 109 f.). 119  Abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 507 ff.). Blumenberg-Lampe (1986: 25) zufolge hat ­Eucken die Gutachten für die Alliierten mehr diskutierend als formulierend begleitet, um seine wissenschaftliche Arbeit insbesondere an dem Buch Grundsätze der Wirtschaftspolitik nicht unterbrechen zu müssen.

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Januar 1946), Industrielle Konzentration (März 1946) und Konzernentflechtung und Kartellauflösung (Januar 1947).120 Honoriert wurde die Arbeit der Freiburger Gutachter von den Franzosen entsprechend dem damals herrschenden Wirtschaftschaos »nicht mit Geld, sondern mit […] zusätzlichen Lebensmittelmarken, der Erlaubnis, ein Auto zu fahren samt Benzingutscheinen und Papiersonderrationen.«121 Auf die Entscheidungen der französischen Besatzungsmacht hatten die Gutachten der Freiburger Nationalökonomen indes kaum Einfluss.122 Umgekehrt hatte das Ehepaar ­Eucken den Einfluss der französischen Besatzungsmacht unmittelbar nach Kriegsende hautnah zu spüren bekommen, als die Beschlagnahmung ihrer Wohnung in der Goethestraße drohte: »Am Tag nachdem Hitler weg war, kamen die Franzosen und räumten die ganze Straße und da war auch unser Haus betroffen«, so schilderte Edith Eucken-Erdsiek diese Episode im Rückblick: »Es kamen Soldaten und sagten: ›Nehmen Sie Ihre Koffer und verschwinden Sie.‹ Und da haben wir uns damit gerettet, daß wir Zinkwannen und Leitern und alles mögliche Zeug in das eine Zimmer gestellt haben und dann haben sie gesagt: Hier kann kein Oberst wohnen. […] Aber es ging begreiflicherweise nicht auf die Dauer. Dann haben wir einen Chinesen gebeten, einen Schüler meines Mannes, […] mit dem ging ich […] auf die Kommandantur […]. [E]r als Bruder eines alliierten Ministers, über dessen Ableben nicht weiter gesprochen wurde, sagte, er müsse zusammenleben mit seinem Lehrer, das sei chinesische Sitte. Und dadurch wurden wir – er wohnte dann bei uns und wir hatten eine chinesische Flagge an unserer Tür – Club der chinesischen Studenten […] [D]amit waren wir also für einige Zeit gerettet.«123

Hanyin Konjih Jao, dieser chinesische Student Euckens, kam zu Pfingsten 1948 erneut in die Goethestraße zu Besuch, wie ­Eucken seiner Frau berichtete, die einige Erholungswochen bei dem Ehepaar Hunold in der Schweiz verbrachte: »Am Samstagabend erschien Jao; ganz der alte. Ich lud ihn ein, unseren Pfingstausflug mitzumachen. Und so zogen wir mit ihm auf den Roßkopf und nahmen unseren ›Lunch‹ auf einer herrlichen Stelle mit Blick auf den Feldberg bei strahlender Sonne.«124 120 ­Eucken

([1946b] 1999), E ­ ucken ([1946c] 1999), E ­ ucken ([1946d] 1999), E ­ ucken (1947a). 121  Blumenberg-Lampe (1988: 110). 122  Blumenberg-Lampe (1973: 135). 123  Eucken-Erdsiek (1974: 14). Im Nachlass Walter Eucken, ThULB, ist ein Schreiben zweier Chinesen der Universität Freiburg – Chuang (Assistent auf Zeit) und Jao (stud.rer. pol.) – erhalten, die im Auftrag des Vereins dem Rektor mitteilen, »der Verein chinesischer Akademiker an der Universität Freiburg i. Br.« sei wieder ins Leben gerufen worden, und da »die Chinesisch-Deutschen diplomatischen Beziehungen durch den Krieg abgebrochen und noch nicht wieder hergestellt sind« erlaube man sich »Eure Magnifizienz zu bitten, für diesen Verein den Schutz der hiesigen Militärregierung erwirken zu wollen.« 124 ­Eucken an Edith Eucken, 17.5.1948, ThULB, NL WE.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Auf die Frage, ob ihr Mann Repressalien durch die Franzosen ausgesetzt gewesen sei, antwortete Edith Eucken-Erdsiek im Rückblick: »Nein, […] es stellte sich doch sehr bald heraus, daß er im Widerstand gewesen war, und er bekam dann sogar einen Schutzbrief.«125 Allerdings geht aus einer im Nachlass erhaltenen »Attestation d’enlèvement (Entnehmungsbescheinigung)« hervor, dass bei Prof. Eucken, Goethestr. 10, Freiburg, auf Befehl No 88 vom 1. März 1949 der Militärregierung des französisch besetzten Gebietes in Deutschland von der C. R. de Bade Regierung acht antike Stühle »als Wiedererstattung an die Alliierten Nationen« entnommen worden seien. Indes ist auch vermerkt, dass sie bereits am 9. März 1949 »en parfait etat« zurückgegeben wurden.126 Möglicherweise hatte der Schutzbrief gewirkt. Vielleicht war aber auch Euckens Bekanntschaft mit Georges Deshusses, dem Leiter des Institut Français in Freiburg127, hilfreich. ­Eucken und Deshusses kannten sich seit Herbst 1945, als Deshusses – solange es keinen regulären Postverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland gab – Kurierdienste zwischen Röpke und ­Eucken leistete, während er im Auftrag der Direction Générale des Relations Culturelles (DGRC) mit Sondierungen für ein geplantes Institut Français en Allemagne befasst war, für dessen Standort er schließlich Freiburg wählte und dessen Leitung er ab 1946 übernahm. »Mit Herrn Deshusses haben wir einen sehr schönen Nachmittag verbracht […] und im Übrigen sehr anregende und interessante Gespräche über die geistige Lage in Frankreich und in der besetzten Zone geführt«, schrieb ­Eucken begeistert an Röpke und fügte hinzu: »Herzlich danken wir Ihnen für den Nescafe, den Herr Deshusses brachte. Ein wahres Göttergetränk, das uns sehr stark anregt. Eine wirklich schöne Überraschung.«128 Und im Januar 1946 berichtete Eucken: »Mit Deshusses war die Unterhaltung sehr angenehm. […] Er scheint einen erheblichen Einfluß auf die Kulturpolitik der Baden-Badener Regierung zu haben.«129 Insgesamt blickte E ­ ucken, wie er seinem Jugendfreund anvertraute, auf das Jahr 1946 »nicht mit Befriedigung« zurück: »Ärger, Arbeit und Anstrengungen hat es genug gebracht; aber der Ertrag war gering. Vor allem bin ich viel zu wenig zu wissenschaftlicher Arbeit gekommen. Und so ist das Wichtigste zum großen 125  Eucken-Erdsiek (1974: 14). Vgl. auch die für Walter ­Eucken und seine Familie am 1. September 1947 in Baden-Baden ausgestellte »Carte de protection« No. 131, ThULB, NL WE. 126  Attestation D’Enlèvement (Entnehmungsbescheinigung), 1.3.1949, ThULB, NL WE. 127  Ausfürlicher zu Georges Deshusses siehe Zauner (1994: 256 f.). 128 ­Eucken an Röpke, 25.11.1945, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 129 ­Eucken an Röpke, 19.1.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln.

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Teil liegen geblieben. Der Alltag mit seinem Elend vernichtet so viel von den Versuchen, etwas Ordentliches zu schaffen.«130 22.3. Gründungsmitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone Bereits seit 1946 war Walter ­Eucken zusammen mit Franz Böhm und Ludwig Erhard Mitglied einer Sachverständigenkommission des Länderrates der amerikanischen Besatzungszone, die unter Vorsitz von Paul Josten ein deutsches Kartellgesetz vorbereiten sollte.131 Am 6. November 1947 wurde ­Eucken zusammen mit weiteren wirtschaftswissenschaftlichen Sachverständigen132 von der »Sonderstelle Geld und Kredit« in Bad Homburg zu einer Anhörung eingeladen. Die von Erhard geleitete Sonderstelle133 war vom Wirtschaftsrat, dem Parlament der amerikanisch-britischen Bizone, bei der Verwaltung der Finanzen angesiedelt worden und sollte für die von der amerikanischen Militärbehörde vorbereitete Währungsreform deutschen Expertenrat beisteuern. Für Erhard wie für E ­ ucken war klar, dass es nicht nur um die Neuordnung des Geldwesens gehen konnte, sondern dass diese mit einer Wirtschaftsreform verbunden werden müsse. Bei der Anhörung wurden daher vor allem Probleme der Wirtschaftslenkung und der Preis- und Bewirtschaftungspolitik nach einer Währungsreform diskutiert. Dabei kam es zu einer offenen Kontroverse zwischen dem sozialdemokratischen Sonderstellen-Mitglied Günter Keiser, der zugleich Abteilungsleiter in der Verwaltung für Wirtschaft war, und Walter Eucken. Während Keiser bestritt, dass man mit einer Währungsreform von der zentralen Lenkungswirtschaft abgehen könne, auf die sich die deutsche Wirtschaft »so sehr eingespielt« habe, trat ­Eucken dieser Argumentation vehement entgegen. ­Eucken betonte, es sei »der Sinn der Währungsreform, daß wir wieder richtige Preisrelationen bekommen, um dadurch die Direktive der volkswirtschaftlichen Kräfte zu haben.« Volkswirtschaftliches Lenkungsmittel sei der Preis, in dem sich »die richtigen Knappheitsverhältnisse an jedem Punkte« ausdrücken. Und wenn »man eine funktionierende Währung hat, ist eine zentrale Bewirtschaftung praktisch unmöglich.«134 Um der neuen Währung Vertrauen zu verschaffen, müsse, wie 130 ­Eucken

an Erich Schott, 9.1.1947, SCHOTT Archiv, IV/1.57. Vgl. Klump (2005: 398). 132 Zu den eingeladenen Sachverständigen gehörten Walter E ­ ucken (Universität Freiburg), Wilhelm Gerloff (Universität Frankfurt), Fritz Terhalle (Universität München) und Adolf Weber (Universität München). Vgl. Laitenberger (1988: 10). 133 Mitglieder der Anfang Oktober 1947 eingerichteten »Sonderstelle Geld und Kredit« waren Ludwig Erhard (Leitung), Erwin Hielscher, Fritz Cahn-Garnier, Günter Keiser, Karl Bernard, Heinrich Hartlieb, Viktor Wrede. Vgl. Laitenberger (1988: 9). 134  Stenographischer Bericht in BArch, Z32/6, S. 101–135, insb. S. 104 f. und S. 118– 120, zit. nach Laitenberger (1988: 10). 131 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

­ ucken betonte, ein Konsumgüterstrom zur Verfügung stehen. Denn – so sollte E es Erhard kurz darauf Edward A. Tenebaum erläutern, der im Stab von General Clay für die Planung der Währungsreform verantwortlich war – »wenn man für das neue Geld nichts kaufen kann, dann ist die neue Währung nicht haltbar.«135 Im Dezember 1947 gehörte Walter ­Eucken zu einer Gruppe von achtundvierzig Hochschullehrern, die Ludwig Erhard ein Thesenpapier zum Thema »Sanierung der deutschen Wirtschaft – Grundsätze eines wirtschaftspolitischen Sofortprogrammes«136 übersandten. Als ein Entwurf Lampes zu diesem Thesenpapier auf der Hochschullehrer-Tagung in Rothenburg ob der Tauber vom 27. bis 29. September 1947 äußerst kontrovers diskutiert wurde, war E ­ ucken indes nicht dabei.137 Denn auf dieser Tagung, zu der Gerhard Albrecht rund siebzig Ökonomen versammelte, stand auch die Wiedergründung des Vereins für Sozialpolitik zur Debatte, was E ­ ucken wie auch sein Freiburger Kollege von Dietze zu diesem Zeitpunkt für verfrüht hielt.138 In einem Schreiben an Heinrich Rittershausen begründete ­Eucken seine Skepsis mit der Sorge, dass »die Historische Schule unter den beteiligten Wissenschaftlern zu stark vertreten«139 sei. Kurz vor Weihnachten 1947, in einem Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. Dezember 1947, erläuterte ­ Eucken einem breiten Publikum, dass die aktuelle wirtschaftliche Situation in Deutschland auf eine rasche Durchführung der Währungsreform dränge, dass es sich dabei jedoch nicht um ein rein währungspolitisches Problem handele, sondern dass die rasche Ingangsetzung des Preismechanismus erforderlich sei und dass die deutsche Währungsfrage als ein internationales Problem behandelt werden müsse, das heißt, dass »die Währungsreform unter gleichzeitiger Eingliederung Deutschlands in den internationalen Handel und Kapitalverkehr erfolgt.«140 Und er betonte: »Währungsreform, neue Außenhandelspolitik und Marshall-Plan  – diese drei gehören zusammen. […] Auch hier besteht die meist verkannte aber lebenswichtige gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Teile der Wirtschaftspolitik: ihre Interdependenz.«141 Ebenfalls kurz vor Weihnachten 1947 erhielt ­Eucken die Einladung, im neu zu gründenden Wissenschaftlichen Beirat der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone mitzuwirken. »Die Verwaltung für Wirtschaft hat den Wunsch, eine engere Verbindung mit den Vertretern der Volkswirtschaftslehre an den Hochschulen 135 

Laitenberger (1988: 11). Abgedruckt in Blumenberg-Lampe (1986: 593–600). 137  Blumenberg-Lampe (1986: 30). 138  Vgl. Blesgen (2000: 217 f. und 395, Anm. 1). 139 ­ Eucken an Rittershausen, 22.10.1947, BArch NL Welter, N 1314/8, zit. nach Schäfer, C. (2019: 228 f.). 140 ­Eucken (1947b). 141 ­Eucken (1947b). 136 

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herzustellen. Eine Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Verwaltung ist notwendiger als jemals zuvor, da die geistigen Kräfte die einzigen sind, die dem Wiederaufbau der deutschen Volkswirtschaft ohne Einschränkung verfügbar sind«, so leitete Johannes Semler, der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, sein Schreiben ein, mit dem er siebzehn Hochschullehrer zur ersten Sitzung am 23. und 24. Januar 1948 »in der Nähe Frankfurts« einlud und bat, sich möglichst bald darüber zu äußern, ob sie »grundsätzlich zur Mitarbeit bereit«142 seien. Die Initiative zur Gründung dieses Wissenschaftlichen Beirats, des ersten seiner Art, der dann nach Gründung der Bundesrepublik in den Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums überführt wurde, ging auf Semlers Stellvertreter, den Juristen Walter Strauß (1900–1976)143 zurück. Strauß, der Franz Böhm aus gemeinsamer Tätigkeit im Reichswirtschaftsministerium Ende der 1920er Jahre kannte, erarbeitete gemeinsam mit dem Ökonomen Hans Möller im Oktober 1947 jene Liste von Experten, an die Semler sein Einladungsschreiben richtete.144 In Kenntnis der Vorstellungen, die Strauß hegte, war es, wie Friedemann Utz darlegt, »nicht weiter verwunderlich«, dass diejenigen, die »in der Freiburger Schule den Ton angaben und für den Ordoliberalismus standen«, von Anfang an im Wissenschaftlichen Beirat »ein leichtes Übergewicht«145 hatten. Walter E ­ucken gehörte zu den siebzehn Gründungsmitgliedern146 des Wissenschaftlichen Beirats, die am 23. und 24. Januar 1948 zu ihrer konstituierenden Sitzung in Königstein, Taunus, zusammenkamen. Außerdem waren an dieser ersten Debatte des Beirats um »Grundsätze der Bewirtschaftung nach der Währungsreform« einige Mitarbeiter der Verwaltung für Wirtschaft147 beteiligt. 142 Faksimile

des Einladungsschreibens vom 19.12.1947, abgedruckt in Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (1998: XIV f.). 143  Als Semler von den Militärgouverneuren am 25. Januar 1948 entlassen wurde, rückte Walter Strauß nach, der am 6. April 1948 das Amt an den neu gewählten Direktor Ludwig Erhard übergab. Vgl. Utz (2003: 96). Ausführlicher zu Biographie und Haltung von Walter Strauß siehe Utz (2003). 144  Vgl. Utz (2003: 119). 145  Utz (2003: 120). 146  Gründungsmitglieder waren: Franz Böhm, Walter Eucken, Walther G. Hoffmann, Wilhelm Kromphardt, Adolf Lampe, Elisabeth Liefmann-Keil, Alfred Müller-Armack, Oswald v. Nell-Breuning, Erik Nölting, Hans Peter, Erich Preiser, Ludwig Raiser, Heinz Sauermann, Karl Schiller, Otto Veit, Gerhard Weisser, Theodor Wessels. Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (1998: Anhang A5). Den Vorsitz führte in den ersten zwei Sitzungen Franz Böhm, dem ab 29.2.1948 der Frankfurter Ökonom Heinz Sauermann nachfolgte, den wiederum ab 23.7.1949 der bisherige stellvertretende Vorsitzende Erwin von Beckerath ablöste. Beckerath war am 29.1.1948 als Mitglied in den Wissenschaftlichen Beirat eingetreten und übernahm ab 10.6.1950 offiziell den Vorsitz, den er bis zu seinem Tod 1964 innehatte. Vgl. die tabellarische Übersicht in Blesgen (2000: 725–729). 147  Als Mitarbeiter der Verwaltung für Wirtschaft nahmen an der ersten Sitzung in Königstein teil: Paul Josten, Günter Keiser, Woldemar Koch, Helmuth Meinhold, Leon-

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Unter ihnen war Leonhard Miksch, einer der engsten Vertrauten Euckens, der seit Juni 1947 in der Hauptabteilung II der Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt am Main arbeitete148 und dort mit seiner Familie wohnte.149 Miksch sollte dort bald zu einem wichtigen Ideengeber für Ludwig Erhard werden, der ab März 1948 die Verwaltung für Wirtschaft leitete.150 In Königstein sahen sich ­Eucken und Miksch nach sieben Jahren zum ersten Mal wieder.151 »Mit ­Eucken hätte ich gern ausführlicher gesprochen, aber es ergab sich keine Gelegenheit«152, vermerkte Miksch dazu in seinem Tagebuch. Mikschs Tagebuchnotiz im Anschluss an die erste Beiratssitzung liefert eine Momentaufnahme zu den im Wissenschaftlichen Beirat vertretenen divergierenden wirtschaftspolitischen Auffassungen: Nach einer einleitenden Rede von Semler habe Günter Keiser gesprochen. »Wie gewöhnlich verband er minutiös erkundete Tatsachen mit falschen Schlussfolgerungen.«153 Miksch habe sich daraufhin zu Wort gemeldet und ausführlich dargelegt, »dass die Währungsreform nur gelingen könne, wenn die Interdependenz der Massnahmen gewährleistet sei und mit Hilfe eines ganz neuen Geldes ohne rekurrenten Anschluss an die gegenwärtige Zirkulation die Marktwirtschaft in Kraft gesetzt werde.« Dies habe »lebhafte Zustimmung bei Josten, Rittershausen, Eucken, Lampe, MüllerArmack und anderen« gefunden. Die »planwirtschaftliche Seite« sei im Beirat durch »Weißer [sic!], Kromphardt, Schiller vertreten. Peter blieb auf einer mittleren Linie. Nell-Breuning, mit dem ich zurückfuhr, äusserte sich nicht.«154 ­Eucken äußerte sich, wie das Protokoll der ersten Beiratssitzung festhält, dezidiert: »Wenn wir eine Währungsreform machen, die darin besteht, daß man, wie es wohl in gewissen Kreisen der Alliierten gemeint war, etwas Geld abschöpft, im übrigen dann weiter sagt, wir lassen es bei dem Bewirtschaftungssystem und dann sehen wir weiter zu, dann kann ich nur sehr davor warnen. Das ist keine Währungsreform.«155 Er vertrat die kompromisslose Linie, dass mit der Währungsreform der freie Preismechanismus ohne Beschränkungen und unter Aufhebung aller Bewirtschaftungsmaßnahmen auf allen Gebieten in hard Miksch, Hans Möller, Rudolf Pfeiffer, Heinrich Rittershausen und Walter Strauß. Vgl. Utz (2003: 121, Anm. 95). 148  Vgl. Lebensdaten von Leonhard Miksch in Feld/Köhler (2015: 133 f.). 149 Miksch wohnte in Frankfurt-Höchst, Hospitalstr. 15a, wie aus privaten Aufzeichnungen von Helga Serrano-Miksch hervorgeht. 150  Vgl. Goldschmidt (2015: 42). 151  Vgl. Goldschmidt (2015: 44). 152  Miksch, Tagebucheintrag, 23.1.1948, zit. nach Goldschmidt (2015: 44 f., Anm. 25). 153  Miksch, Tagebucheintrag, 23.1.1948, zit. nach Goldschmidt (2015: 44 f., Anm. 25). 154  Miksch, Tagebucheintrag, 23.1.1948, zit. nach Goldschmidt (2015: 44 f., Anm. 25). 155  Äußerung von ­Eucken im Protokoll der 1. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats am 23./24. Januar 1948 in Königstein/Taunus, in IfZ, NL Möller, ED 150/30: 18, zit. nach Blesgen (2000: 453). Ausführlicher zur Debatte in der 1. Sitzung siehe Blesgen (2000: 455–461).



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Kraft gesetzt werden solle. Und mit Bezug auf Vorschläge von Gerhard Weisser und Wilhelm Kromphardt hielt ­Eucken abschließend fest: »Wir können jetzt weder mit den Mitteln der zentralen Verwaltungswirtschaft radikal das Problem lösen, wir können es aber auch nicht lösen mit den Mitteln der Rahmenplanung. Wir können es nur dadurch lösen, daß wir den Preismechanismus sinnvoll zur Geltung bringen.«156 Angesichts der Notwendigkeit dieses Ziels müssten, so war E ­ ucken überzeugt, »dramatische Übergangsschwierigkeiten«157 in Kauf genommen werden. Nach seinen ersten Erfahrungen mit der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung der Bizone wandte sich E ­ ucken im Februar 1948 an Karl Brandt in Stanford und äußerte die Sorge, dass der Marshallplan »eine Verstärkung der planwirtschaftlichen Tendenzen bringen« werde und somit »die amerikanische Wirtschaftspolitik diejenigen Tendenzen, welche die Gesamtpolitik der Amerikaner ­ ucken hatte Brandt bei der Mont Pèlerin in der Welt bekämpft«158, fördere. E Konferenz in der Schweiz im April 1947 erstmals nach Kriegsende wiedergetroffen, nachdem bei Brandts erstem Deutschlandaufenthalt im Jahr 1945/1946, als er kurz nach Kriegsende im Rang eines amerikanischen Brigadegenerals einige Zeit als Agrarexperte in Berlin wirkte159, zu Euckens Bedauern kein Treffen ­zustandegekommen war.160 Nunmehr bat E ­ ucken Brandt um Rat, wie in Amerika eine grundsätzliche Diskussion über dieses Problem in Gang zu bringen wäre. Er selbst habe dazu bereits in der Zeitschrift Fortune, im Bulletin der amerikanisch-deutschen Handelskammer und in der Neuen Zürcher Zeitung »Aufsätze geschrieben«, aber, so betonte Eucken, »es müßte noch sehr viel mehr geschehen.«161 »Die rasche Aufhebung der Devisenbewirtschaftung, die Einführung eines leistungsfähigen Preismechanismus in Deutschland und der Marshallplan sowie eine Änderung in der Außenhandelspolitik in Deutschland müssen ineinander greifen, damit wir endlich aus der jetzigen Situation uns herausarbeiten können«162, betonte ­Eucken gegenüber Brandt und ergänzte, dass er »in dieser Frage vor einigen Tagen auch an Read geschrieben« habe. Mit Leonard E. Read (1898–1983), dem Gründer der Foundation for Economic Education, war ­Eucken ebenfalls auf 156  Äußerung Euckens im Protokoll der 1. Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats am 23./24. Januar 1948 in Königstein/Taunus, in IfZ, NL Möller, ED 150/30: 47 und 68 ff., zit. nach Blesgen (2000: 456; Hervorhebung im Original). 157  Vgl. Blesgen (2000: 456). 158 ­Eucken an Brandt, 4.2.1948, ThULB, NL WE. 159  Vgl. Röpke an Eucken, 3.1.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 160  Vgl. ­Eucken an Röpke, 29.5.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 161 ­Eucken an Brandt, 4.2.1948, ThULB, NL WE. 162 ­Eucken an Brandt, 4.2.1948, ThULB, NL WE.

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der Mont Pèlerin Konferenz von 1947 zusammengetroffen. Für die Foundation for Economic Education hatte ­Eucken zwischenzeitlich eine kleine Broschüre mit dem Titel How to make Germany work?163 verfasst und sie im Mai 1948 abgesandt, wie ­Eucken im Mai Röpke berichtete.164 Außerdem informierte er Röpke, dass die Verhandlungen beim Wissenschaftlichen Beirat in Königstein sehr interessant waren und dass »sich die Mehrheit durchaus in unserer Linie bewegt. Ich hatte dort eine sehr lebhafte und anhaltende Diskussion mit Keiser, der jetzt überaus einflußreich ist und das Zentrum der planwirtschaftlichen Bestrebungen in Deutschland ist. Dagegen haben einige Sozialisten auch unseren Mehrheitsbericht unterschrieben.«165 Im Juni 1948 trafen sich ­Eucken und Miksch in Wiesbaden zu einem ausgiebigen Gespräch: »Euckens waren zur Taufe ihres Neffen nach Wiesbaden gekommen, ich fuhr heute hin, um sie zu sehen. […] Mit E ­ ucken sprach ich einige Fragen theoretischer Art sorgfältig durch. Es handelt sich vor allem um den Aufbau und die Terminologie der Wirtschaftssysteme, worin ich etwas von ihm abweiche«166, notierte Miksch dazu am 20. Juni 1948 in sein Tagebuch. Dieser 20. Juni 1948 war ein denkwürdiger Sonntag: Mit der Ausgabe von 40 D-Mark Kopfgeld wurde in den drei westlichen Besatzungszonen die von der Militärregierung veranlasste Währungsreform durchgeführt, und am Abend wandte sich Ludwig Erhard in einer Radioansprache an die Bevölkerung und verkündete, dass in der Bizone die Zwangsbewirtschaftung für zahlreiche Waren sofort aufgehoben werde.167 Er ging dabei davon aus – was dann auch eintrat  –, dass das zwei Tage zuvor, am 18. Juni 1948, vom Wirtschaftsrat der Bizone verabschiedete »Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform (Leitsätzegesetz)« am darauffolgenden Montag auch die noch ausstehende Zustimmung des Länderrats der Bizone und der alliierten Militärregierung erhalten würde. Damit waren Währungs- und Wirtschaftsreform parallell auf den Weg gebracht. Die ordnungspolitische Weichenstellung für eine Marktwirtschaft, für die sich die Freiburger Ordoliberalen seit Kriegsende unermüdlich stark gemacht hatten, war politisch durchgesetzt. Miksch hatte zur Formulierung des Leitsätzegesetzes entscheidend beigetragen, wie sich anhand seiner Tagebucheinträge, beginnend mit dem 24. Mai 1948, nachzeichnen lässt.168 In Anerkennung seiner Leistung nannte Erhard 163  Typoskript

1948, 53 S., ThULB, NL WE (Werkmanuskripte). Diese Angabe verdanke ich Uwe Dathe. 164  Vgl. ­Eucken an Röpke, 27.5.1948, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 165 ­Eucken an Röpke, 27.5.1948, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 166  Miksch, Tagebucheintrag, 20.6.1948, zit. nach Goldschmidt (2015: 39). 167  Vgl. Laitenberger (1988: 24). 168  Vgl. dazu Goldschmidt (2015: 40 f.).

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Leonhard Miksch später einen »Vorkämpfer der Rückkehr zur freien Marktwirtschaft.«169 ­Eucken wurde im Wissenschaftlichen Beirat zu einer der führenden Persönlichkeiten.170 In den gut zwei Jahren, die ihm bis zu seinem plötzlichen Tod verblieben, wirkte er insgesamt an vierzehn Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats mit.171 Das erste Gutachten »Maßnahmen der Verbrauchsregelung, der Bewirtschaftung und der Preispolitik nach der Währungsreform« wurde am 18. April 1948 verabschiedet. Das letzte, an dem er mitwirkte – »Kapitalmangel und Arbeitslosigkeit in der sozialen Marktwirtschaft« – wurde am 26. Februar 1950 in Königstein verabschiedet. Bei den Gutachten handelte es sich um Mehrheitsgutachten. So wurde in der Regel nach gemeinsamer Diskussion und Festlegung einer prinzipiellen Linie in der Beiratssitzung von einer »internen Formulierungskommission« aus drei bis sechs Beiratsmitgliedern ein Gutachtenentwurf erstellt, der in einer Beiratssitzung erneut beraten, ggfs. modifiziert und dann verabschiedet wurde.172 In Euckens Briefwechsel mit Hayek spiegelt sich wider, dass die Freiburger es auch weiterhin im Wissenschaftlichen Beirat nicht leicht hatten, sich gegen immer wieder aufkommende planwirtschaftliche Vorstellungen durchzusetzten. So berichtete E ­ ucken im Oktober 1948: »Es ist erstaunlich, wie stark nicht nur die engl[ische] sondern auch die am[erikanische] Besatzungsmacht einer freien Wirtschaftspolitik widerstrebt. Das ist eine ernste Situation. In der letzten Sitzung hatten mehrere Herren, darunter ich, eine sehr intensive Auseinandersetzung mit F. Schumacher. Er ist totaler Planwirt und zugleich einflussreich.«173 Bei diesem F. Schumacher handelte es sich, wie ­Eucken Röpke erzählte, als er Anfang März 1948 zu Vorträgen in Genf war,174 um Ernst Friedrich Schumacher175, den nach Großbritannien emigrierten Sohn von Euckens Doktorvater Hermann Schumacher. Röpke überlieferte diese Anekdote später wie folgt: 169 

Dienstzeugnis für Leonhard Miksch vom Bundesminister für Wirtschaft, Ludwig Erhard, vom 23. Dezember 1950, StAF, C25/2, 137, zit. nach Goldschmidt (2008: 156); weiterführend zu Leben und Werk von Miksch siehe Feld/Köhler (2015). 170  Vgl. die Herausgeber des Jahrbuchs ORDO in: Ohne Verfasserangabe (1970: 13). 171  Veröffentlicht in Bundeministerium für Wirtschaft (1973: 1–6; 7–9; 11–15; 17–19; 21–22; 23–27; 29–35; 37–40; 41–45; 47–49; 51–54; 55–58; 59–63; 65–71). 172  Vgl. Blesgen (2000: 449). 173 ­Eucken an Hayek, 31.10.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 174 ­Eucken hielt in den ersten Märztagen 1948 in Genf fünf Vorträge über die internationale Wirtschaftsordnung. Vgl. E ­ ucken an Hayek, 6.2.1948 und 5.4.1948. HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 175  Ernst Friedrich (genannt Fritz) Schumacher (1911–1977) emigrierte 1937 nach Großbritannien, erhielt 1946 die britische Staatsbürgerschaft und war als Economic Advisor der Britischen Kontrollkommission in Deutschland tätig. Später wurde er als Autor des 1973 erschienenen Buches Small is Beautiful. Economics as if People Mattered bekannt.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

»Der Zufall will es, daß Walter E ­ ucken […] bei einer Besprechung mit Experten der britischen Verwaltung einem Mr. Schumacher, einem Exponenten der Labourregierung, gegenübersteht, der – wie sich herausstellt – der inzwischen zum britischen Staatsbürger gewordene Sohn seines Lehrers Hermann Schumacher ist. Dieser habe recht autoritär erklärt, daß ein genauer Außenhandelsplan der Besatzungszonen aufzustellen sei, in dem Arten und Mengen der Ein- und Ausfuhr festgesetzt werden müßten. Darauf habe sich Walter E ­ ucken erhoben und entgegnet: ›Was Herr Schumacher soeben gesagt hat, ist überaus interessant, denn es beweist, daß er keine rechte Vorstellung von dem nationalökonomischen Ordnungsproblem hat, das hier vorliegt.‹ Woher er denn wissen wolle, ob es richtig sei, dieses in den und den Mengen einzuführen und jenes in den und den Mengen auszuführen? Vielleicht wäre es wirtschaftlicher, daß ganz andere Güter und diese in ganz anderen Mengen ein- oder ausgeführt würden. Wie er denn die richtige Entscheidung treffen wolle, wenn es keine echten Knappheitspreise und keinen echten Markt gebe? Als Mr. Schumacher erwiderte, daß er es ablehne, sich auf Theorien einzulassen, und sich auf die Feststellung beschränkte, daß in England so entschieden werde, habe ­Eucken entgegnet: »Daher stürzt die englische Volkswirtschaft auch von einer Krise in die andere.«176

Die planwirtschaftliche Haltung der Alliierten blieb für ­Eucken ein Grund zu großer Sorge. »Sie werden von dem Vorstoß gehört haben, den die Wirtschaftsberater der Alliierten Besatzungsmächte in Deutschland gegen die Wirtschaftspolitik von Erhard unternommen haben«177, ließ E ­ ucken den mittlerweile in den USA sitzenden Hayek wissen. In einem langen, am 2. März 1950, dem Tag vor seiner Abreise nach London, verfassten Brief schilderte E ­ ucken die Lage: Die alliierten Berater hätten ein von der sozialistischen Argumentation Fritz Schumachers geprägtes, kritisches Gutachten vorgelegt, dem sich die amerikanischen Berater angeschlossen hätten. Bei den amerikanischen Wirtschaftsberatern handele es sich zum einen um den nach Amerika emigrierten, ebenfalls sozialistisch geprägten Ökonomen Paul Hermberg178, einen Kriegskamaraden aus dem Ersten Weltkrieg, mit dem Eucken seither befreundet sei, und zum anderen um Karl Bode, ebenfalls ein deutscher Emigrant, der zudem inzwischen Mitglied der Mont Pèlerin Society sei und aus diesem Grund eigentlich die liberale wirtschaftspolitische Argumentation hätte unterstützen sollen, wie sie von den ebenfalls der Mont Pèlerin Society angehörenden deutschen Beiratsmitgliedern Walter Eucken, Franz Böhm, Leonhard Miksch, Alfred Müller-Armack und Otto Veit sowie auch von Hans Ilau vertreten werde. »Würde sich diese Kritik durchsetzen«, schrieb Eucken besorgt, »so würde die deutsche 176 

Röpke (1960/61: 11). an Hayek, 2.3.1950. HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 178  Paul Hermberg (1888–1969), ab 1929 Professor in Jena, war als SPD-Mitglied von den Nazis verfolgt und musste deshalb emigrieren. Ab 1939 beriet er die amerikanische Regierung und ab 1945 war er maßgeblich an der Durchführung des Marshall-Plans beteiligt. Vgl. Dathe (2014a: 110) und Uwe Dathe, Erläuterungen zum Kondolenzbrief Hermbergs an Edith E ­ ucken vom 26.3.1950, ThULB, NL WE, unter der Rubrik »Objekt des Monats: März 2020« auf der Webseite der ThULB Jena. 177 ­Eucken

22. Politikberatung im Nachkriegsdeutschland



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Wirtschaftspolitik wieder mit einer Politik der Austerity, der Rationierung, der Aussenhandelskontrolle, der Subventionen der Landwirtschaft, der Kreditexpansion usw. in die Planwirtschaft hineingleiten.«179 Allerdings, so berichtete Eucken, hätten er und seine liberalen Mitstreiter im Beirat »ein Gegengutachten gemacht.« Außerdem hätte ­Eucken der Leitung des Wirtschaftsministeriums geraten, »von der Hohen Kommission eine Erklärung zu erbitten, welche Wirtschaftspolitik nach ihrer Meinung überhaupt getrieben werden soll.« Einerseits werde von der Hohen Kommission und insbesondere von den Amerikanern »die Liberalisierung des Aussenhandels, die Clearing-Union und insgesamt die rasche Verwirklichung der europäischen Wirtschaftseinheit gefordert.« Andererseits übe die gleiche Kommission, beraten von ihren Sachverständigen, Kritik an dieser Wirtschaftspolitik und verlange Maßnahmen, die zu zentraler Planung führten und gegen die Verwirklichung des europäischen Programms wirken müssten. Es stelle sich demnach hier für ihn die Frage: »Was also will man eigentlich?«180 Mit der Umsetzung der ordoliberalen Konzeption durch die Regierung Adenauer waren ­Eucken und Miksch zunehmend unzufrieden. Als beide am 20. Dezember 1949 gemeinsam zur Sitzung des Wissenschaftlichen Beirats fuhren, machte Miksch, wie er im Tagebuch notierte, E ­ ucken den dringenden Vorschlag: »Wir müssen nun ernsthaft daran denken, von dem gegenwärtigen Regierungskurs deutlich abzurücken. Das Kabinett Adenauer erweist sich immer mehr als eine Interessentenregierung. Landwirtschaftliche und schwerindustrielle Einflüsse haben sich vereinigt. Wir können nicht länger zusehen. Man wird später sagen, es seien unsere Ideen gewesen.«181 Im Februar 1950 übte ­Eucken dann in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats, Erwin von Beckerath, scharfe Kritik an der »Politik des Sichtreibenlassens« der Bundesregierung und forderte, dass der Wissenschaftliche Beirat sich »jetzt energisch von der heutigen Wirtschaftspolitik distanziert.«182 Die Neukonstituierung des Beirats als Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium auf der Sitzung vom 10. und 11. Juni 1950 in Unkel/ ­ ucken nicht mehr erlebt. Fünfundzwanzig Jahre nach Euckens Rhein183 hat E Tod, in der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 20. März 1975, konstatierte der damalige Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs mit Bezug auf Walter Eucken: »Ich glaube, daß wir alle – hier nehme ich keine Fraktion dieses Hauses aus – durch ihn ordnungspolitisch schärfer und genauer denken gelernt haben. 179 ­Eucken

an Hayek, 2.3.1950. HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. an Hayek, 2.3.1950. HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Siehe dazu auch Kolev/Goldschmidt/Hesse (2014: 9). 181  Miksch, Tagebucheintrag, 20.12.1949, zit. nach Oswalt (2008b: 131 f.). 182 ­ Eucken an Erwin von Beckerath, 3.2.1950, ThUL, NL WE, zit. nach Oswalt (2008b: 130). 183  Vgl. Blesgen (2000: 481). 180  Eucken

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Wir haben von ihm vor allem  – bewußt oder unbewußt  – die Verpflichtung mit übernommen, unsere Volkswirtschaft so dezentral wie möglich über freie Märkte und über freie Preise zu steuern und den Wettbewerb zu sichern. […] Der Erfolg der von ­Eucken bestimmten Konzeption, die in die praktische Wirtschaftspolitik einfloß, hat ihm in überzeugender Weise recht gegeben.«184 22.4. Mitglied im Deutschen Forschungsrat »Der Deutsche Forschungsrat hat Gestalt gewonnen aus der Erkenntnis heraus, dass ein modernes Gemeinwesen auf den verschiedensten Gebieten der wirksamen Mitarbeit der wissenschaftlichen Forschung bedarf«185, so äußerte sich Walter E ­ ucken am 13. Mai 1949 in einem Gespräch mit Vertretern von Radio Stuttgart, an dem er neben dem Physiker Werner Heisenberg, dem Biochemiker Adolf Butenandt und dem Generalsekretär des Deutschen Forschungsrats, Hellmuth Eickemeyer, aus Anlass der in Stuttgart stattfindenden ersten Sitzung des im März 1949 gegründeten Deutschen Forschungrates (DFR)186 teilnahm. Und ­Eucken ergänzte: »Wie die Entwicklung gezeigt hat, greifen die grossen Wandlungen in den grundätzlichen Fragen der Natur- und Geisteswissenschaften in alle Gebiete des menschlichen Lebens ein. Die wissenschaftliche Forschung in ihrer Gesamtheit hat dadurch eine Bedeutung bekommen, die im Augenblick weder in der Tiefe noch in der Breite abzusehen ist. Da Sie nach der Geisteswissenschaft fragen: es ist doch z. B. selbstverständlich, dass ein modernes Gemeinwesen die Beratung durch die Wirtschaftswissenschaften in vielen Fällen braucht.«187 Die Initiative für einen Deutschen Forschungsrat ging auf Empfehlungen einer Gruppe von Wissenschaftlern zurück, die im Januar 1946 zu Beratern der 184 

Friderichs (1975). eines Rundfunkgesprächs über den Deutschen Forschungsrat mit Walter Eucken, Adolf Butenandt und Werner Heisenberg, 13. Mai 1949, ThULB, NL WE. 186  Am 9. März 1949 wurde der Deutsche Forschungsrat (DFR) mit Unterstützung der Max-Planck-Gesellschaft und der Akademien der Wissenschaft in Göttingen, Heidelberg und München in folgender Zusammensetzung formell gegründet: Werner Heisenberg (Physik, Göttingen), Präsident, Hermann Rein (Physiologie, Göttingen), Vizepräsident, Otto Hahn (Chemie, Göttingen), Emil Lehnartz (Physiologie, Münster), Alfred Benninghoff (Anatomie, Marburg), Adolf Butenandt (Biochemie, Tübingen), Karl Freudenberg (Chemie, Heidelberg), Walter E ­ ucken (Nationalökonomie, Freiburg), Wolfgang Kunkel (Rechtsgeschichte, Heidelberg), Paul Martini (Medizin, Bonn), Friedrich Oehlkers (Botanik, Freiburg), Erich Regener (Physik, Stuttgart), Franz Schnabel (Geschichte, München), Bruno Snell (Klassische Philologie, Hamburg) und Jonathan Zenneck (Physik, München). Vgl. Carson/Gubser (2002: 159). 187  Protokoll eines Rundfunkgesprächs über den Deutschen Forschungsrat mit Walter Eucken, Adolf Butenandt und Werner Heisenberg, 13. Mai 1949, ThULB, NL WE. Vgl. auch die Tagesordnung zur Sitzung des DFR am 13. Mai 1949, ThULB, NL WE. 185 Protokoll



22. Politikberatung im Nachkriegsdeutschland

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britischen Besatzungsbehörde in Göttingen berufen wurde und aus Mitgliedern der Universität Göttingen und führenden Köpfen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft188 bestand. Zu dieser Gruppe gehörten Otto Hahn (Nobelpreisträger für Chemie, 1944), Adolf Windaus (Nobelpreisträger für Chemie, 1928), Carl W. Correns (Mineraloge), Arnold E ­ ucken (Physikochemiker), Hermann Rein (Physiologe und Rektor der Universität Göttingen) und Werner Heisenberg (Nobelpreisträger für Physik, 1932).189 Treibende Kraft für die Gründung des Deutschen Forschungsrats war Werner Heisenberg. Am 21. Januar 1949 richteten Werner Heisenberg und Hermann Rein an Walter ­Eucken die Bitte, die vierjährige Mitgliedschaft im Forschungsrat, für die er vorgeschlagen sei, anzutreten und sich zu einer vorbereitenden Sitzung am 28. Januar 1949 im William-Kerckhoff-Institut in Bad Nauheim einzufinden.190 ­Eucken telegrafierte daraufhin seine grundsätzliche Bereitschaft, konnte aber wegen einer Grippeerkrankung nicht nach Bad Nauheim reisen. Anfang Februar 1949 teilte er dann mit: »Bei der ungewöhnlichen Bedeutung des Forschungsrates möchte ich mich einer Mitwirkung nicht entziehen. Wenn ich meinen Rat in den Fragen der Sozialwissenschaften und auch darüber hinaus geben darf, so tue ich es gern. […] Aber ich bin etwas in Sorge, ob die Mitgliedschaft beim Forschungsrat noch weitere Verpflichtungen in sich schließt […]. Eine solche Belastung scheue ich im Augenblick umso mehr, als ich mit dringenden wissenschaftlichen Arbeiten befaßt bin, welche volle Konzentration verlangen.«191 ­Eucken und Heisenberg kannten sich bereits, zum einen durch Euckens an der Universität Göttingen lehrenden Bruder Arnold Eucken, zum anderen durch Heisenbergs Ehefrau Elisabeth, die Tochter von Euckens Mentor Hermann Schumacher. »Liesel Schumacher hat sich mit Prof. Heisenberg in Leipzig verlobt«, schrieb E ­ ucken im März 1937 nach Jena. »Ich kenne Liesel Schumacher sehr gut; sie war noch ein Kind, als ich 1919/20 Assistent bei Schumacher war. Da habe ich mit ihr geplaudert und gespielt. Dann war sie vor einigen Jahren hier in F. [Freiburg] Studentin.«192 An der 1. Sitzung des Deutschen Forschungsrates am 13. und 14. Mai 1949 in Stuttgart nahm E ­ ucken teil, für die 2. Sitzung am 16. Juli 1949 in Bad Nauheim ließ er sich entschuldigen. An der 3. Sitzung, die am 12. und 13. Dezember 1949 im Bonner Bundeshaus stattfand, nahm ­Eucken teil und gehörte am 12. Dezember 1949 neben Heisenberg, Rein, Hahn, Snell und Eickemeyer zu der kleinen Abordnung des DFR, die von Bundeskanzler Konrad Adenauer im 188  Als Nachfolgerin der 1911 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft wurde am 26. Februar 1948 in Göttingen die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) gegründet. 189  Vgl. Carson/Gubser (2002: 158). 190  Heisenberg und Rein an Walter Eucken, 21.1.1949, ThULB, NL WE. 191 ­Eucken an Rein, 7.2.1949, ThULB, NL WE. 192 ­Eucken an Irene Eucken, 12.3.1937, ThULB NL RE I, 24, Bl. 206, zit. nach Goldschmidt (2002: 165).

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Palais Schaumburg empfangen wurde. Auch war Eucken, wie alle anwesenden Mitglieder des DFR, am Abend des 12. Dezember Gast des Bundeskanzlers bei einem Essen im Hotel Königshof, Bonn. Am 13. Dezember 1949 gehörte E ­ ucken neben Heisenberg, Rein, Hahn, Oehlkers, Snell, Regener, Zenneck und Eickemeyer zu einer Delegation des DFR, die von Bundespräsident Theodor Heuss in seinem Dienstsitz auf der Viktorshöhe in Bad Godesberg zu einer Aussprache empfangen wurde.193 Auf dieser Dezember-Sitzung 1949 des Deutschen Forschungsrats wurde, wie aus dem Protokoll hervorgeht, unter Tagesordnungspunkt 12 »Verschiedenes« über eine an den DFR ergangene Einladung des Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (CSIC) nach Madrid gesprochen. Diese ging möglicherweise auf Kontakte zurück, die ­Eucken im August 1949 geknüpft hatte, als er im Rahmen einer vom CSIC veranstalteten Sommerakademie nach Santander eingeladen war. Dort war er mit dem Historiker und Philosophen Rafael Calvo Serer, einem Mitglied des CSIC, zusammengetroffen und hatte angeregt, Austauschbeziehungen zwischen dem neu gegründeten Deutschen Forschungsrat und dem CSIC zu etablieren. Calvo Serer hatte Euckens Anregung an José María Albareda Herrera, den Generalsekretär des CSIC, weitergeleitet.194 Wie das Protokoll vermerkt, fasste der DFR den Beschluss, der Einladung des Spanischen Forschungsrates zur Feier dessen zehnjährigen Bestehens im Jahr 1950 durch die Entsendung einer Kommission nachzukommen. E ­ ucken habe dazu, wie das Protokoll festhält, ergänzend bemerkt: »Ich war im August mit den Herren vom Spanischen Forschungsrat zusammen. Es scheint mir, daß die Spanier großes Gewicht auf eine entsprechende Gegeneinladung legen. Ich stelle anheim, eine solche Gegeneinladung vorzubereiten.«195 Im März 1950 setzte der Tod Euckens Engagement im Deutschen Forschungsrat ein Ende. Die Fusion des Deutschen Forschungsrates und der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft zur Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am 2. August 1951 sollte ­Eucken nicht mehr erleben.

193 Vgl.

Protokoll der dritten Sitzung des DFR am 12.12.1949, ausgefertigt am 24.1.1950, Seite 1, ThULB, NL WE. 194  Vgl. Notiz von Calvo (Madrid) an Albareda, 4.11.1949, AGUN.ARCS,1/32/329, zit. nach Diaz Hernández (2008: 225, Anm. 28). 195  Protokoll der dritten Sitzung des Deutschen Forschungsrates am 12.12.1949, ausgefertigt am 24. Januar 1950, Seite 17. ThULB, NL WE.



23. Freundschaft mit dem Ökonomen Friedrich August von Hayek

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23. Freundschaft mit dem Ökonomen Friedrich August von Hayek Im Jahr 1927, als Walter E ­ ucken im Oktober seine Professur in Freiburg antrat, hatte der acht Jahre jüngere Friedrich August von Hayek (1899–1992)196 im Januar seine Tätigkeit als Direktor des neu gegründeten Österreichischen Instituts für Konjunkturforschung in Wien aufgenommen und arbeitete nebenher an seiner Habilitationsschrift zu Fragen der Geld- und Konjunkturtheorie. Während eines einjährigen Forschungsaufenthalts 1923/24 in Amerika hatte Hayek die modernen, in Europa noch wenig bekannten, Methoden der Konjunkturforschung kennengelernt, was ihm nun bei seinen monatlichen Konjunkturberichten zugutekam. »Durch Röpke machte ich die […] Bekanntschaft des damals sehr wenig bekannten, im engeren Kreis jedoch schon sehr einflußreichen Walter E ­ ucken in Freiburg«197, erinnerte sich Hayek später. Den gleichaltrigen Wilhelm Röpke (1899–1966), damals bereits Professor in Jena, hatte Hayek 1926 in Wien auf der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik getroffen, der ersten, an der er teilgenommen hatte.198 Auch Eucken, der seit Sommer 1924 Mitglied im Verein für Sozialpolitik war199 und erstmals im September 1924 an der Stuttgarter Tagung teilnahm, hatte sich 1926 zur Wiener Tagung angemeldet200, konnte indes im September 1926 die Reise nicht antreten, da kurz zuvor sein Vater verstorben war. So sind sich ­Eucken und Hayek wohl erstmals im September 1928 auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Zürich begegnet. E ­ ucken war in Zürich ein Hauptreferent zum Thema »Kredit und Konjunktur«201, und der junge Hayek soll mit seinem Referat »Einige Bemerkungen über das Verhältnis der Geldtheorie zur Konjunkturtheorie«202, in dem er die Kernthesen seiner dann 1929 als Buch veröffentlichten Habilitationsschrift Geldtheorie und Konjunkturtheorie vortrug, viel Beachtung gefunden haben.203 Hayeks Buch sei »ein Wurf« und Hayek, der Privatdozent in Wien, sei »erstklassig«, zwar sei seine »Ausdrucksweise z. T. zu umständlich«, er sei »aber ein wirklicher Wissenschaftler«204, so 196  Für eine komprimierte biographische Übersicht zu Hayek siehe Klinckowstroem (2013). 197  Hayek ([1983] 2017: 288). 198  Hayek ([1983] 2017: 287). 199 ­Eucken an Herkner, 21.6.1924, GStA PK, I. HA, Rep. 196, Nr. 23, Bl. 635, in ­Eucken GS, Band III.1. 200 ­Eucken an Edith Eucken, 22.8.1926, ThULB, NL WE. 201 ­Eucken (1929). Vgl. dazu auch Boese (1939: 207 f.). 202  Hayek (1928). 203  Vgl. Hennecke (2000: 82). Für einen Vergleich der Vorstellungen zur Konjunkturpolitik bei E ­ ucken und Hayek siehe Kolev (2017: 103–111). 204 ­Eucken an Kunkel, 15.12.1929, Archiv der Bayerischen AdW, NL Wolfgang Kunkel, Nr. 384, in E ­ ucken GS, Band III.1.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

urteilte Eucken, als er im Dezember 1929 von seinem ehemaligen Freiburger Juristenkollegen Wolfgang Kunkel um eine vertrauliche Beurteilung einiger Nationalökonomen im Hinblick auf die Neubesetzung des Lehrstuhls von Karl Oldenberg in Göttingen gebeten wurde. Ein weiteres Mal trafen sich ­Eucken und Hayek auf der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik vom 24. bis 26. September 1930 in Königsberg. Auf der Tagung ging es um Grundlagen und Grenzen der Sozialpolitik, insbesondere um die deutsche Agrarnot und die städtische Wohn- und Siedelwirtschaft. Hayek hielt dort ein Referat205, in dem er sich, wie er es fünf Jahrzehnte später dem Soziologen Helmut Schelsky gegenüber erwähnte, gegen Mietzinsbeschränkungen aussprach und sich damit alle Chancen auf eine Berufung an die Universität Königsberg verdarb.206 ­Eucken hatte bereits im Mai 1930 Rüstow angekündigt, er werde zur Tagung in Königsberg »voraussichtlich da sein«, und beide müssten sie dort dann auch »über die Goldwertentwicklung reden, […] eine verwickelte und ungemein wichtige Frage.«207 Während Rüstow dann auf der Tagung einen Diskussionsbeitrag zur Agrarnot des deutschen Ostens lieferte, ist für E ­ ucken keine Diskussionsbeteiligung vermerkt. E ­ ucken hatte indes zwei Tage zuvor, am 22. und 23. September 1930, in Königsberg an der Generalversammlung der Vereinigung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrer teilgenommen und in der Diskussion über die Wirtschaftswissenschaften im Rahmen der juristischen Studienreform Redebeiträge geleistet.208 Dies erklärt womöglich Euckens unentschuldigte Abwesenheit bei der am 23. September im Senatssaal der Königsberger Universität stattfindenden Sitzung des Ausschusses des Vereins für Sozialpolitik, bei der Hayek anwesend war. Bei den Sitzungen des Hauptausschusses des Vereins am 24. September 1930 wurden dann E ­ ucken und Hayek als neue Mitglieder zum Hauptausschuss hinzugewählt, der aufgrund einer neuen Satzung um insgesamt 51 neue Mitglieder erweitert wurde.209 Im September 1932 trafen sich E ­ ucken und Hayek in Dresden anlässlich der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik. Hayek, der seit 1931 an der London School of Economics lehrte, nahm gemeinsam mit ­Eucken am Nachmittag des 27. September an der Sitzung des Hauptausschusses teil, in deren Verlauf – wie das Protokoll vermerkt  – v. Hayek, wie auch v. Mises sowie die Ricardianer Colm, Feiler, Lederer und Röpke zum Tagesordnungspunkt »Neue Schriften« 205 

Hayek ([1930] 2001). Hayek an Schelsky, 6.3.1981, HIA, FAH Papers, Box 48, Fo. 15. 207 ­Eucken an Rüstow, 28.5.1930, BArch, NL Rüstow, N 1169/2, Bl. 171 f., in ­Eucken GS, Band III.1; Hervorhebung im Original. 208 ­Eucken (1930b). Den Hinweis auf diese Veröffentlichung verdanke ich Uwe Dathe. 209  Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Ausschusses vom 23.9.1930, S. 3: »Sitzungen des Hauptausschusses am 24. September 1930«, ThULB, NL WE. 206 



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das Wort ergriffen.210 Ob Hayek an den folgenden beiden Tagen die Referate zum Thema »Deutschland und die Weltkrise« hörte und dabei war, als Rüstow seinen berühmt gewordenen Aussprachebeitrag »Freie Wirtschaft  – Starker ­ ucken sich kritisch an der Debatte zum AutarkieStaat«211 vortrug und E problem beteiligte, lässt sich nicht belegen, denn in der Rednerliste212 zu den Debatten des 28. und 29. September ist Hayek nicht verzeichnet. Indes beteiligte sich Hayek am Vormittag des 30. September an der vom Fachausschuss für theoretische Forschung anberaumten Diskussion der Probleme der Wertlehre.213 Eucken wird wohl im Anschluss an die Dresdner Tagung seinen 1932 ­ erschienenen Aufsatz »Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus«214 zu Hayek nach London geschickt haben, denn Mitte Oktober 1932 sandte Hayek eine Briefkarte an Eucken, auf der er ihm für die Zusendung dessen »prächtigen Aufsatzes« dankte, den er »sofort mit großem Genuß und lebhafter Zustimmung«215 gelesen habe. Angefügt hatte Hayek die recht zweifelnd klingende Frage: »Ob wir wohl hoffen dürfen, den Beginn einer Periode neuer Einsicht zu bilden oder wird unser Schicksal das der Kassandra bleiben?«216 Bei dieser Briefkarte handelt es sich um den bisher frühesten, erhalten gebliebenen Beleg für die Korrespondenz Hayeks mit Eucken. Von Euckens Korrespondenz mit Hayek hat sich als frühestes Dokument ­ ucken auf einen Brief Hayeks ein Brief vom 27. Juni 1939217 erhalten, mit dem E vom 13. Juni 1939 antwortete, in dem Hayek um Zusendung von Euckens Aufsatz »Zur Würdigung Saint-Simons«218 bat und zudem fragte, ob ­Eucken »eine Spezialuntersuchung über die ›Metaphysik des Ingenieurtypus St. Simon’scher Prägung‹« und »eine vergleichende Studie über die Beziehung Comte’s und 210  Vgl. Verein für Sozialpolitik, Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses vom 27. und 28. September 1932 in Dresden, ThULB, NL WE. 211  Rüstow ([1932] 1963). 212  Vgl. Boese (1932: 222). 213  Vgl. Mises/Spiethoff (1933: 37 f., 109). Die Rednerliste vom 30.09.1932 verzeichnet A. Ammon (Bern), G. Colm (Kiel), E. Egner (Leipzig), O. Engländer (Prag), G. Haberler (Wien), F. A. Hayek (London), S. Helander (Nürnberg), E. Herzfelder (Berlin), G. Mackenroth (Halle), L. von Mises (Wien), O. Morgenstern (Wien), P. Rosenstein-Rodan (London), E. Schams (Wien), F. Schmidt (Frankfurt a. M.), A. Spiethoff (Bonn), W. Vleugels (Königsberg), F. X. Weiß (Prag), H. Zeisl (Wien). Vgl. Mises/Spiethoff (1933: II). 214 ­Eucken (1932a). 215 Hayek an Eucken, 18.10.1932, ThULB, NL WE. Für den Hinweis auf dieses Schreiben und die Überlassung einer Kopie danke ich Stefan Kolev. 216  Hayek an Eucken, 18.10.1932, ThULB, NL WE. 217 ­Eucken an Hayek, 27.6.1939, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40, zit. nach Goldschmidt/Hesse (2013: 124 f., 144, Anm. 2). 218 ­Eucken (1921b).

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Hegels« bekannt sei.219 Die Frage nach der Spezialuntersuchung konnte E ­ ucken »leider nicht beantworten«220, indes konnte er Hinweise zu einschlägigen französischen Arbeiten geben, so unter anderem zum Vorwort von Auguste Comte in dessen Catéchisme positiviste. Mit Hayek in London stand E ­ ucken auch über seinen Schüler Friedrich A. Lutz in Verbindung. Und über Lutz und Hayek erhielt E ­ ucken Informationen zu den Arbeiten amerikanischer Kollegen der »Old Chicago School«, die sich teilweise mit ähnlichen Fragestellungen befassten wie er und die Freiburger Schule. Lutz, seit 1932 habilitiert und Privatdozent an der Universität Freiburg, wurde die Übernahme eines Lehrstuhls an einer deutschen Universität durch die Partei verwehrt, da er die Teilnahme an einem von der NSDAP veranstalteten Reichs-Dozentenlager auf Anraten Euckens verweigerte, um sich nicht für später zu kompromittieren.221 Lutz hatte  – wie es Hayek 1937 in seinem an Haberler in Harvard gerichteten Empfehlungsschreiben für Lutz formulieren sollte – »utterly no possibility for an academic career in Germany, because he is anti-Nazi as is the whole Eucken-circle.«222 1934 lernte Lutz in Freiburg Hayeks Doktorandin Vera C. Smith (1912–1976) kennen, die auf Empfehlung Hayeks im Umkreis Euckens und mit Unterstützung durch dessen Schüler Lutz ihre Kenntnisse über das Bankensystem und die Geldpolitik in Deutschland vertiefte.223 Als sie an die London School of Economics zurückkehrte, ließ sich Lutz als Privatdozent beurlauben und folgte ihr im Herbst 1934 mit einem Rockefeller-Stipendium224 nach London, um seine geldtheoretischen und währungspolitischen Kenntnisse zu erweitern und sich nebenbei im Hinblick auf eine akademische Karriere außerhalb Deutschlands zu orientieren. Nachdem sie 1935 ihre Doktorprüfung abgelegt und beide im März 1937 geheiratet hatten, ging Lutz im April 1937 zunächst mit einem einjährigen Rockefeller-Stipendium zusammen mit seiner Frau in die USA, und zwar als erstes an die University of Chicago. Dort traf Lutz auf Henry C. Simons (1899–1946), der – wie Lutz im Mai 1937 an E ­ ucken schrieb – das Ehepaar Lutz zum Dinner einlud.225 Simons gehörte zu der Gruppe von Chicagoer Professoren, darunter auch Frank Knight, die 1933 den Chicago-Plan einer 100 %-Re219  Hayek an Eucken, 13.6.1939, ThULB, NL WE. Für den Hinweis auf diesen Brief und die Überlassung einer Kopie danke ich Stefan Kolev. 220 ­Eucken an Hayek, 27.6.1939, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 221  Veit-Bachmann (2003: 14, Anm. 10). 222  Hayek an Haberler, 10.3.1937, HIA, FAH Papers, Box 94, Fo. 6, zit. nach Grudev (2021: 21 f.). 223  Vgl. Grudev (2021: 13). 224  Vgl. Syga-Dubois (2019: 543 f.). 225  Lutz an Eucken, 10.5.1937, ThULB, NL WE (Friedrich A. Lutz), zit. nach Kolev/ Köhler (2022: 764).

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serve für Sichteinlagen der Banken vorgelegt hatte, den Lutz in seiner 1936 veröffentlichten Arbeit Grundproblem der Geldverfassung diskutierte und als einen möglichen geldpolitischen Reformvorschlag zur Bewältigung der Bankenkrise vorstellte. Mit Bezug auf ihre geldpolitischen Reformvorschläge  – aber auch ihre wettbewerbspolitischen und steuerpolitischen Vorschläge – lassen sich, wie Köhler und Kolev darlegen226, zwischen Henry Simons, dem Mitbegründer der »Old Chicago School« und Walter Eucken, dem Mitbegründer der Freiburger Schule, geistige Parallelen aufzeigen. Im Sommer 1938 kehrte Lutz kurz nach Freiburg zurück, bevor er in die USA emigrierte und im August 1938 eine Stelle an der Princeton University antrat227, an der er bis 1953 lehren sollte. Im Sommer 1939 reiste er letztmals vor Kriegsausbruch nach Europa, indes nicht mehr nach Deutschland. Zu Lutz Freunden in Amerika zählten der Ökonom Ragnar Nurske (1907– 1959), der mit der Finanz- und Wirtschaftsabteilung des Völkerbunds 1940 nach Princeton kam und 1944 als einer der Väter des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse bekannt wurde; der Göttinger Mathematiker Hermann Weyl (1885–1955), der nach seiner Emigration 1933 auf Vermittlung Albert Einsteins an das neugegründete Institute for Advanced Study an der Princeton University wechselte; und vor allem der Wiener Ökonom Gottfried Haberler (1900–1995), der wie Hayek zum Mises-Seminar in Wien gehört hatte, und den E ­ ucken ebenfalls 1928 auf der Zürcher Tagung des Vereins für Sozialpolitik getroffen hatte.228 Haberler war 1936 einem Ruf an die Harvard University gefolgt und nach Amerika ausgewandert. Kurz zuvor, im August 1936, hatte das Ehepaar Haberler noch bei ­Eucken in Freiburg Besuch gemacht. »Gestern Nachmittag kamen Haberlers«, berichtete ­Eucken seiner Frau nach Baabe. »Sie ist eine elegante, dunkle Wienerin, nicht eigentlich hübsch, aber schick. […] Es war sehr nett; aber er ist unbeschreiblich langweilig. Obwohl er jünger ist als ich, kam ich mir vor, als ob ich mit einem Großpapa redete, wenn ich mit ihm zusammen bin.«229 In den späten 1930er Jahren sahen sich ­Eucken und Hayek häufiger in Freiburg. »Ich habe Walter E ­ ucken als Freund sehr geschätzt« – hielt Hayek in seinen Erinnerungen fest  – »[z]u Ende der dreißiger Jahre, vor Ausbruch des Krieges, als ich erstmals einen Wagen erworben hatte und die Reise von London nach Österreich per Automobil machte, legte ich regelmäßig in Freiburg eine Zwischenstation ein, nur um ­Eucken zu besuchen und den Kontakt aufrechtzuerhalten.«230 E ­ ucken bat Hayek wohl bei diesen Gelegenheiten, in kleinem Kreis vorzutragen. Hayek nahm später darauf Bezug, als er schilderte, dass »ein 226 

Kolev/Köhler (2022: 751 f.). Vgl. Veit-Bachmann (2003: 14) und Syga-Dubois (2019: 544). 228  Vgl. Veit-Bachmann (2003: 14). 229 ­Eucken an Edith Eucken, 11.8.1936, ThULB, NL WE. 230  Hayek ([1983] 2017: 288). 227 

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Sozialismus, der sich das schmückende Wörtchen ›national‹ vorgehängt hatte, die freie Beweglichkeit in Europa unterbrochen und damit der ersten Serie von Vorträgen, die ich im Eucken-Kreise halten durfte, ein Ende gesetzt hatte.«231 Auch Edith E ­ ucken sollte nach Kriegsende an diese Vorkriegs-Erinnerungen anknüpfen und Hayek schreiben: »An Ihren Besuch in Freiburg mit Ihrer Gattin zusammen erinnere ich mich noch sehr gut. Hoffentlich erlaubt es Ihnen Ihre Zeit einmal wieder in nicht zu ferner Zeit zu uns zu kommen – vielleicht bei Ihren Fahrten in die alte Heimat.«232 Im Herbst 1938 nahm Hayek  – mittlerweile britischer Staatsbürger233  – am Colloque Walter Lippmann234 teil, das der französische Philosoph Louis Rougier (1889–1982) vom 26. bis 30. August 1938 in Paris mit insgesamt 26 Liberalen aus Wissenschaft und Wirtschaft235 organisiert hatte. Anlass dafür war das Erscheinen der französischen Übersetzung des 1937 von dem amerikanischen Publizisten Walter Lippmann (1889–1974) veröffentlichten Buches The Good Society, dessen Kernthese der Notwendigkeit einer Abkehr vom Laissez-faire Liberalismus diskutiert werden sollte.236 Das Colloque Lippmann widmete sich der intensiven Debatte um eine Erneuerung des Liberalismus und gilt als Geburtsstunde des Neoliberalismus.237 ­Eucken und Hayek haben sich indes auf diesem Pariser Kolloquium nicht getroffen. Zum einen hatte ­Eucken dazu von Rougier keine Einladung erhalten238, zum anderen wäre ihm die zur Teilnahme erforderliche Ausreisegenehmigung vermutlich verweigert worden. Die einzigen deutschen Teilnehmer in Paris waren die Exilanten Röpke und Rüstow. ­Eucken sollte erst neun Jahre später, als mit der 1947 gegründeten Mont Pèlerin Society gewissermaßen in Fortsetzung des Colloque Walter Lippmann 231 

Hayek ([1979] 2004: 52). Edith E ­ ucken an Hayek, 24.5.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 233  Vgl. Klinckowstroem (2013: 150). 234  Weiterführend dazu siehe Reinhoudt/Audier (2018) und Horn/Kolev/Levy/Peart (2019). 235  Teilnehmer waren: Roger Auboin, Raymond Aron, Louis Baudin, Marcel Bourgeois, José Castillejo, John Bell Condliffe, Auguste Detoeuf, Friedrich A. Hayek, Michael Heilperin, Bruce Hopper, Bernard Lavergne, Walter Lippmann, Étienne Mantoux, Robert Marjolin, Louis Marlio, Ernest Mercier, Ludwig von Mises, André Piatier, Michael Polanyi, Stefan Possony, Wilhelm Röpke, Louis Rougier, Jacques Rueff, Alexander Rüstow, Alfred Schütz, Marcel van Zeeland. Vgl. Reinhoudt/Audier (2018: 53–78). 236  Vgl. Reinhoudt/Audier (2018: 9). 237  Vgl. Reinhoudt/Audier (2018: 5). 238  Unter den Eingeladenen, die nicht kommen konnten, wird Walter ­Eucken nicht genannt. Vgl. Reinhoudt/Audier (2018: 78). Als Eingeladene, die nicht kommen konnten, nennen Reinhoudt/Audier (2018: 78): Luigi Einaudi, Johan Huizinga, Tracy Kittredge, Francesco Nitti, José Ortega y Gasset, William Rappard, Umberto Ricci, Charles Rist, Lionel Robbins und Henri Truchy. 232 

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ein liberales Diskussionsforum etabliert wurde239, mit einigen Teilnehmern des Pariser Kolloquiums – so mit Hayek, von Mises, Röpke und Michael Polanyi – in der Schweiz zusammentreffen. Während der Kriegszeit unterblieben nicht nur die Besuche Hayeks, sondern auch der direkte Briefkontakt zwischen ­Eucken und Hayek. Für die Übermittlung von Nachrichten und Büchersendungen fungierte Röpke als Mittelsmann, der seit 1937 in der neutralen Schweiz lehrte. Aus Sicherheitsgründen vermieden Röpke und Hayek es, Euckens Namen in ihren Briefen auszuschreiben.240 Röpke war es zu verdanken, dass ein Exemplar von Euckens Buch Die Grundlagen der Nationalökonomie Mitte 1941 zu Hayek nach London gelangte. »Es zeigte mir damals«  – so Hayek rückblickend  – »welch bedeutende Figur ­Eucken tatsächlich war und wie sehr ­Eucken und sein Kreis die große freiheitliche Tradition Deutschlands verkörperten.«241 An Röpke schrieb Hayek nach der Lektüre von Euckens Buch: »It’s a very excellent piece of work which has further raised my sincere admiration for our friend. To have retained this independence of thought in this environment!«242 Nachdem Hayek Euckens Buch erneut gelesen und auch die Rezensionen von Röpke und Rüstow zur Kenntnis genommen hatte, räumte er in einem Brief an Röpke ein, daß er sich bezüglich der Anmerkungen Röpkes und Rüstows eher auf die Seite Euckens stelle, inzwischen aber auch Einwendungen eigener Art habe, vor allem in Bezug auf methodologische Probleme.243 Während des Krieges versuchte Hayek, in Großbritannien unter anderem durch Artikel im Spectator über positive intellektuelle Entwicklungen in Deutschland – so über die Arbeiten von Walter ­Eucken oder Gerhard Ritter244 – zu informieren, wie er 1942 dem Schweizer Ökonomen William E. Rappard (1883–1958), dem Mitbegründer des Genfer Institut Universitaire de Hautes Études Internationales, schrieb, der sich zu jener Zeit an der Schweizer Botschaft in London aufhielt und mit dem er für den 30. März 1942 ein Zusammentreffen im Reform Club245 in London vereinbart hatte.246 239 

Vgl. Horn/Kolev/Levy/Peart (2019: 178). wurde von ihnen die Abkürzung »W. E.« verwendet. Vgl. Hennecke (2000: 155). 241  Hayek ([1983] 2017: 288). 242  Hayek an Röpke, 17.8.1941, Nachlass Röpke, Ordner 5, Institut für Wirtschaftspolitik der Universität zu Köln, zit. nach Hennecke (2000: 152). 243  Hayek an Röpke, 9.4.1942, HIA, FAH Papers, Box 79, Fo. 1. 244  Vgl. Hennecke (2000: 151). 245  Hayek war seit dem 9.1.1935 Mitglied des 1836 gegründeten Reform Club und gehörte ihm bis zum Lebensende an. Zur Aufnahme vorgeschlagen hatten ihn die Mitglieder Lionel Robbins und Oscar Hobson. Diese Auskunft verdanke ich Simon Blundell, Librarian der Reform Club Archives. 246  Vgl. Hayek an Rappard, 25.3.1942, HIA, FAH Papers, Box 45, Fo. 6. 240  Stattdessen

242

IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Seit Mitte Januar 1943 war Euckens indirekte Briefverbindung zu Hayek in London vorerst beendet, da Eucken aus Sicherheitsgründen den Briefwechsel mit Röpke abbrechen musste. Röpkes Brief an Eucken vom 13. Januar 1943 sollte bis Kriegsende der letzte bleiben. Dies hat E ­ ucken wohl – woran er Röpkes Erinnerung nach später nie gezweifelt habe – vor dem Schlimmsten bewahrt, als ihn die Gestapo im Anschluss an das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 schärfsten Verhören unterzog.247 Nach Kriegsende nahmen ­Eucken und Hayek über Röpke in der Schweiz den Briefkontakt wieder auf, bis er später auch auf direktem Weg möglich wurde. In einem ersten Brief vom 12. August 1945 schilderte Eucken, was hinter ihm lag: »Teils haben wir versucht, durch ruhige und nachhaltige Arbeit weiter zu kommen und zu wirken und so dem diabolischen Machtsystem, das uns beherrschte, Abbruch zu tun – also durch Ingangsetzung einer wirklichen geistigen Bewegung – teils nahmen die Ereignisse und das eigene Tun sehr dramatische Formen an und brachten uns mit der Gestapo, S. D. u. s. w. in nahe Berührung. Aber diese Dinge liegen hinter uns. Die Katastrophe, die wir erlebten, ist nur ein Bruchstück einer Katastrophe, welche die ganze Welt ergriffen hat. […] Es ist so wichtig, daß diejenigen, die den ›Weg zur Knechtschaft‹ ernsthaft nicht mitgehen, miteinander in Kontakt und zwar in nahem Kontakt stehen.«248

Im November 1945 bekräftigte Eucken: »Wir nicht-sozialistischen Nationalökonomen müssen über die Grenzen zusammenwirken. Die Ratlosigkeit der Praxis verlangt das. Sie ist groß.«249 Daraufhin traf im Herbst 1945 bei ­Eucken ein mit Hilfe des Pariser Ökonomen Jacques Rueff (1896–1978) weitergeleiteter Brief von Hayek aus London ein.250 Darin berichtete Hayek, er sei zu einem Kurzbesuch bei Albert Hunold 247  Vgl. Röpke (1960/61: 8 f.). Die näheren Umstände dieser für ­Eucken höchstriskanten Begebenheit lassen sich im Nachhinein anhand von Röpkes Erinnerungen (vgl. Röpke (1960/61: 8 f.) und der im Nachlass Hayek in den Hoover Institution Archives (HIA, FAH Papers, Box 79, Fo. 1) vorhandenen Korrespondenz (vgl. Hayek an Röpke, 8.10.1944; Röpke an Hayek, 2.1.1945; Röpke an Hayek, 24.8.1945) folgendermaßen erhellen: Hayek schrieb am 8. Oktober 1944 an Röpke, er habe während der vergangenen zwei Jahre nichts mehr von ihm gehört. Worauf Röpke ihm am 2. Januar 1945 dafür folgenden Grund anführte: Ein von ihm vor einigen Monaten an Hayek übersandter Luftpostbrief  – in einem späteren Brief vom 24. August 1945 nennt Röpke »the latter part of 1944« als Zeitangabe –, der die für Hayek bestimmte Kopie einer von Röpke für alliierte Diplomaten in Bern verfassten »Denkschrift über eine vernünftige Behandlung Deutschlands nach dem Krieg« enthalten habe, sei von der Schweizer Post irrtümlich über den Flughafen Stuttgart-Echterdingen geleitet und dort von der Polizei beschlagnahmt worden. E ­ ucken habe – so habe es Röpke nach Kriegsende erfahren – »gerade zur selben Zeit« einen Brief an Röpke geschrieben, es sei ihm aber auf dringenden Rat seiner Frau »in letzter Minute gelungen, ihn von der Post zurückzuziehen.« 248 ­Eucken an Hayek, 12.8.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 249 ­Eucken an Hayek, 10.11.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 250  Hayek an Eucken, 19.10.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40.

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in Zürich gewesen, habe dort auch mit Röpke gesprochen und »hätte diese Reise gerne benützt, um auch nach Freiburg zu kommen«, aber das habe sich »vorläufig als unmöglich« erwiesen. Ferner berichtete er über seine zuvor in Paris verbrachte Woche. Auf Einladung von François Perroux habe er Vorträge gehalten. Außerdem habe er Perroux über E ­ ucken informiert, so dass Perroux nun beabsichtige, Euckens Vortragseinladung nach Freiburg anzunehmen. Den an der Universität Paris lehrenden Ökonomen Perroux (1903–1987) beschrieb Hayek ­Eucken als »persönlich sehr nett, anständig, intelligent und theoretisch gut gebildet, wenn auch politisch ein wenig konfus; er spricht übrigens sehr gut deutsch, ist aber fast ganz taub.«251 Auch mit Jacques Rueff, Professor an der renommierten École libre des sciences politiques in Paris, so berichtete Hayek, sei er bei diesem Parisaufenthalt zusammengetroffen. Rueff sei derzeit Vorsitzender der alliierten Reparationskommission und als wirtschaftspolitischer Berater der französischen Besatzungsbehörden tätig und werde dafür sorgen, dass ­Eucken mit »den massgeblichen Leuten in Verbindung«252 komme. Im Jahr 1946 kam Hayek erstmals nach dem Krieg nach Deutschland253, allerdings nicht nach Freiburg. Sein noch während des Krieges, Anfang 1944 in England und Amerika erschienenes Buch The Road to Serfdom hatte großes, wenn auch nicht nur zustimmendes, Interesse geweckt und Hayek beträchtliche Aufmerksamkeit verschafft. John Maynard Keynes las es 1944 auf der Reise zur Bretton Woods Konferenz und schrieb an Hayek: »In my opinion it is a grand book […] morally and philosophically I find myself in agreement with virtually the whole of it […] in a deeply moved agreement.«254 Andererseits soll der an der University of Chicago lehrende Philosoph Rudolf Carnap seinem aus den Tagen des Wiener Geistkreises befreundeten Kollegen Karl Popper Vorwürfe gemacht haben, dass dieser für das Buch seines Freundes Hayek lobende Worte gefunden habe, während Carnap es als »skandalöses Buch« bezeichnete, das er deshalb erst gar nicht gelesen habe.255 Hayek schilderte rückblickend bezüglich seines Road to Serfdom: »[T]hrough the various lecture tours to which it led or by correspondence, I was brought into contact with a large number of men who held similar ideas […] such as […] a German group led by Walter Eucken.«256 1945 war Hayeks Buch in deutscher Übersetzung von Eva Röpke unter dem Titel Der Weg zur Knechtschaft in Zürich herausgekommen. Der Import nach Deutschland war indes noch bis 1948 untersagt, doch – wie Hayek bei seinem 251 

Hayek an Eucken, 19.10.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Hayek an Eucken, 19.10.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 253  Hayek ([1983] 2017: 289). 254  Keynes an Hayek, 28.6.1944, HIA, FAH Papers, Box 30, Fo. 19. Vgl. auch Caldwell (2007: 24). 255  Caldwell (2007: 24). 256  Hayek (1994: 132). 252 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Besuch 1946 feststellte – zirkulierte es als maschinenschriftliche Abschrift von ein oder zwei aus der Schweiz eingeschmuggelten Exemplaren.257 ­Eucken hatte ein Exemplar von Hayeks Weg zur Knechtschaft bereits im Juli 1945 von Röpke erhalten258 und schrieb Hayek im Januar 1946, er sei überzeugt, das Buch werde »auch in Deutschland seine Wirkung tun.«259 Im März 1946 stellte E ­ ucken dann in einem siebenseitigen Brief an Hayek einige Punkte zur Diskussion, »die mir bei der Lektüre durch den Kopf gegangen sind«, wobei er anmerkte: »Freilich sind die Bemerkungen nur vorläufig, da ich in diesen Monaten […] etwas gehetzt bin und nicht die Ruhe finde, über alles so eingehend nachzudenken, wie ich es wünschte.«260 Unter anderem meinte Eucken, Hayek müsse den Unterschied von Wettbewerbsordnung und Laissez-faire noch stärker kenntlich machen, und schrieb: »Heute, nachdem durch eine jahrzehntelange verfahrene Wirtschaftspolitik der Konzentrationsprozeß schon so weit fortgeschritten ist wie in den meisten Industrieländern, würde ein Laissez-faire zu unerträglicher Vermachtung, monopolistischen, teilmonopolistischen oder oligopolistischen Marktformen, zu gleichgewichtslosen Märkten und zu sozialen Kämpfen führen. Daraus würde sich wiederum die Notwendigkeit von Staatseingriffen ergeben und nach kurzer Zeit würden die zentralverwaltungswirtschaftlichen Lenkungsmethoden in der Wirtschaftsordnung wiederum dominieren. Demgegenüber ist es notwendig, von vornherein auf eine wirkliche Wettbewerbsordnung hinzusteuern. Wenn es auch nicht in dem Plane Ihres Buches liegt, die Maßnahmen, die hierzu nötig sind, ausführlich zu behandeln, so könnte man vielleicht doch auf wenigen Seiten das Wesentlichste umreissen. Es ist eben in der Tat ein dritter, neuer Weg der richtige.«261

In diesem Zusammenhang bemerkte E ­ ucken auch, Hayeks Buch habe ihn »angeregt, die deutschen Erfahrungen, die ich sehr genau beobachtet habe, systematisch darzustellen.«262 Und zu Beginn seines Briefes hatte ­Eucken hervorgehoben: »Wenn man so, wie wir, vom Ausland abgeschnitten ist, ist es dringend nötig, rasch wieder in vollen Kontakt zur geistigen Arbeit ausserhalb der Grenzen zu kommen.«263 Nachdem sich E ­ ucken und Hayek im April 1947 in der Schweiz bei der Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society gesehen hatten, hielt Hayek im Sommer 1947, als er sich auf der Durchreise befand, einen Vortrag an der Universität Frankfurt, wo er sich mit Franz Böhm traf, Euckens Mitstreiter aus der 257 

Vgl. Hayek (1983/2017: 289). Vgl. Röpke an Eucken, 26.7.1945, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 259 ­Eucken an Hayek, 24.1.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 260 ­Eucken an Hayek, 12.3.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 261 ­Eucken an Hayek, 12.3.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40, S. 2 f. 262 ­Eucken an Hayek, 12.3.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40, S. 2. 263 ­Eucken an Hayek, 12.3.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40, S. 1. 258 



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Freiburger Schule, der mittlerweile Ordinarius in Frankfurt war. »Genau acht Tage nach Ihnen war ich in Frankfurt«, schrieb ­Eucken dann am 18. Juli 1947 an Hayek, »und hörte viel von Ihrem Vortrag, der eine starke Wirkung ausgeübt hat. Es war sehr schade, daß wir uns dort verfehlten. Ich sprach über: Entwicklungsdenken und Ordnungsdenken in der Nationalökonomie. Also ein Problem, das nicht unmittelbar die Wirtschaftspolitik berührt, aber doch indirekt damit zusammenhängt.«264 Für Hayek war die Korrespondenz mit ­Eucken eine der wichtigsten Informationsquellen, nicht nur über die Lage in Deutschland und deutsche Liberale, sondern auch zu Fachfragen, zu denen er bei E ­ ucken Expertise erwartete. Knapp zwanzig Jahre später sollte Hayek mit Bezug auf seine langjährige Freundschaft mit Walter E ­ ucken dann in seiner Freiburger Antrittsvorlesung am 18. Juni 1962 feststellen: »Während der letzten vier Jahre seines Lebens war aus dieser Freundschaft eine enge Zusammenarbeit entstanden.«265 Im Sommer 1948266 bat Hayek ­Eucken unter anderem um Informationen zur Geschichte der deutschen Kartellideologie. ­Eucken hatte bereits in den Jahren 1911/12, als er im Zuge der Materialsammlung für seine Dissertation Gespräche mit »englischen Interessenten« führte, beobachtet, »[d]ass man nirgends der Kartellbildung so kritiklos zustimmend gegenübersteht wie in Deutschland«, wie aus einem Brief an seinen Freund Rüstow267 hervorgeht. In den 1920er Jahren hatte ­Eucken dann während seiner Tätigkeit in der Fachgruppe Textilindustrie des Reichsverbandes der Deutschen Industrie die Kartellpraxis der deutschen Wirtschaft gründlich kennengelernt und in den 1930er Jahren hatte er sich wissenschaftlich eingehend mit der Kartellproblematik befasst. So konnte ­Eucken in seinem Antwortbrief 268 an Hayek detaillierte Informationen und Literaturempfehlungen liefern: Er nannte Hayek kartelltheoretische Arbeiten von Arnold Wolfers und Heinrich Waentig und skizzierte seine Ansicht zu »der intellektuellen Wurzel der kartellfreundlichen Einstellung der Gelehrten«, wobei er hinzufügte, er müsse »der Sache gelegentlich noch weiter 264 ­Eucken an Hayek, 18.7.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Siehe auch Eucken, »Entwicklungsdenken und Ordnungsdenken in der Nationalökonomie«, Typoskript, ThULB, NL WE. Den Hinweis darauf verdanke ich Uwe Dathe. 265 Hayek ([1962] 2001: 66). Elisabeth Liefmann-Keil schrieb an Hayek aufgrund seiner Berufung nach Freiburg, sie freue sich besonders, dass »nun doch so etwas wie ein Vertreter von ­Eucken an der Freiburger Fakultät lehrt, wenn Sie auch nicht den Eucken’schen Lehrstuhl innehaben […] und dass jemand an die Eucken’schen Gedankengänge anknüpft, ist für alte Freiburger schön zu wissen.« Liefmann-Keil an Hayek, 7.1.1963, HIA, FAH Papers, Box 35, Fo. 3. 266 ­ Eucken nimmt in seinem Antwortschreiben vom 29.6.1948 Bezug auf Hayeks Schreiben vom 8.5. und 7.6.1948. 267 ­Eucken an Rüstow, 2.8.1927, BArch, NL Rüstow, N 1169/17, Bl. 281–282, zit. nach Dathe (2010: 15). 268 ­Eucken an Hayek, 29.6.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

nachgehen«: Die wesentliche Ursache dafür, dass sich die Kartellfreundlichkeit in Deutschland habe breit machen können, sei in dem seit den 1870er Jahren einsetzenden »Zusammenbruch der theoretischen Schulung« der Nationalökonomen zu sehen, wobei es ihm immer noch »ein rätselhafter Vorgang« sei, dass bei Gustav Schmoller und seiner Schule »vollständig in Vergessenheit geraten« konnte, dass »die Konkurrenz eine strenge Lenkung des Wirtschaftsprozesses vollzieht«, wovon zum Beispiel die Werke von Hans v. Mangoldt (1824–1868) und Friedrich v. Hermann (1795–1868) noch Kenntnis gehabt hätten. Die Gründe für die Kartellfreundlichkeit schrieb ­ Eucken vier Einflussfaktoren zu: Erstens eine zum Beispiel von Schmoller vertretene »handwerklich-zünftlerische« Vorstellung, wonach man sich von Kartellen eine Ordnung im Stile der stark idealisiert gesehenen Zünfte und die sozialpolitisch erwünschte Möglichkeit erhoffte, einen industriellen Mittelstand zu erhalten; zweitens der Glaube, es gebe eine zwangsläufige Entwicklung hin zu Kartellen, weshalb diese allein deshalb schon zu bejahen seien; drittens würden seit dem Erfurter Parteitag (1891) von der deutschen Sozialdemokratie die Kartelle als Vorläufer für eine angestrebte gemäßigt sozialistische Wirtschaft angesehen und daher gutgeheißen; und schließlich auf rechtlicher Seite ein durch Interessenteneinflüsse herbeigeführter Wandel zu mehr Kartellfreundlichkeit in den Urteilsbegründungen des Reichsgerichts, wie aus Franz Böhms Arbeiten hervorgehe und ­Eucken auch kürzlich in einer Unterhaltung mit Walter Strauß269, dem Leiter des Rechtsamtes des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, erfahren habe. Fast jeder Brief Euckens an Hayek enthielt die Bitte, Hayek möge für einen Vortrag und Diskussionen nach Freiburg kommen. Indes, zu einer Reise nach Freiburg fehlte Hayek in den ersten Nachkriegsjahren die Zeit, wie er ­Eucken zuletzt am 8. März 1950 in einem Brief aus den USA270 mit großem Bedauern zum Ausdruck brachte, ihm aber in Aussicht stellte, dass er möglicherweise im Juli 1950 von Zürich aus, wo er einen Vorlesungskurs halten solle, kurz nach Freiburg kommen könne. Er konnte nicht wissen, dass E ­ ucken dann nicht mehr am Leben sein würde. So sollte es letztlich dabei bleiben, dass sich E ­ ucken und Hayek nach Kriegsende lediglich in der Schweiz – im April 1947 in Vevey, im September 1948 in Basel und im Juli 1949 in Seelisberg – bei Veranstaltungen der Mont Pèlerin Society persönlich begegnet sind.271

269  Walter Strauß (1900–1976) hatte Anfang der 1930er Jahre im Kartellreferat des Reichswirtschaftsministeriums mit Franz Böhm zusammengearbeitet. Zum Lebensweg von Strauß vgl. Utz (2003). 270  Vgl. Hayek an Eucken, 8.3.1950, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 271  Im August 1949 waren E ­ ucken und Hayek zwar zur selben Konferenz in Spanien eingeladen, aufgrund des verspäteten Reiseantritts von E ­ ucken ist jedoch zu vermuten, dass sie sich dort ebenfalls verfehlt haben.



24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen

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24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen 24.1. Gründungsmitglied der Mont Pèlerin Society Walter E ­ ucken gehörte zu denjenigen, die von Friedrich August von Hayek zur Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society vom 1. bis 10. April 1947 auf den Mont Pèlerin oberhalb von Vevey am Genfer See eingeladen wurden und auch tatsächlich anreisen konnten. Buchstäblich in letzter Minute hatte er, nachdem sein französischer Kollege Jacques Rueff 272 bei der französischen Militäradministration interveniert hatte, eine Reiseerlaubnis für die Schweiz erhalten.273 Es war Euckens erster Auslandsaufenthalt seit nahezu zehn Jahren.274 »Die Fahrt war ausgezeichnet. Abends ½ 9 Uhr war ich hier oben. Ich habe ein Zimmer mit herrlichem Blick über den See und auf die Alpen. Die Aufnahme war herzlich. Vor allem aus Amerika sind viele Herren da. Mit Machlup hatte ich eine lange und interessante Unterhaltung. Übrigens ging der Grenzübertritt ganz glatt«, berichtete ­Eucken am Tag nach der Ankunft nach Hause.275 272  Jacques Rueff selbst konnte der Einladung nach Vevey nicht Folge leisten, da er in seiner Funktion als Vorsitzender der alliierten Reparationskommission an der Konferenz des Rats der Außenminister teilnahm, die vom 10. März bis 24. April 1947 in Moskau stattfand. 273  Vgl. Plickert (2008: 139). 274 ­Eucken war vermutlich 1937 zuletzt im Ausland, als er mit seiner Frau Anfang Oktober zehn Tage in Paris verbrachte und von dort, wohl am 11. Oktober – das Datum ist nicht eindeutig lesbar – eine Ansichtskarte vom Eifelturm an seine damals zweieinhalbjährige Tochter Marianne adressierte. Vgl. ­Eucken an Marianne Eucken, 11.10.1937, ThULB NL WE. Vgl. auch den Brief Edith E ­ ucken an Elisabeth Rosenberg, 14.10.1937, abgedruckt in Vongehr (2009: 14 f.), aus dem hervorgeht, dass Walter und Edith E ­ ucken von einem zehntägigen Aufenthalt in Paris am 13.10.1937 abends nach Freiburg zurückgekehrt waren. Für den Mai 1938 hatte ­Eucken am 22. Februar 1938 einen Reiseantrag nach Wien gestellt, wo er von der Nationalökonomischen Gesellschaft (NOeG) zu einem Vortrag zum Thema »Geschichte als Grundlage theoretisch-nationaler Forschung« eingeladen war. Sein Freund Otto Veit hatte vor der NOeG bereits am 20. März 1933 zum Thema »Devisenbewirtschaftung« vorgetragen, ebenso mehrmals Euckens Korrespondenzpartner Hayek, wenn er von London aus in Wien zu Besuch war – so im September 1933, im April und September 1935, im Oktober 1936 und zuletzt im Dezember 1937. Vgl. Klausinger (2015: 24 ff.). Euckens Reiseantrag wurde befürwortend an den Rektor weitergeleitet mit dem Vermerk, dass der Leiter der Dozentenschaft keine Bedenken gegen die Durchführung des Vortrags erhoben habe. Vgl. Personalakten Walter Eucken, StAF C25/2 84, Bl. 55 und Brief ­Eucken an Edith Eucken, 1.2.1938, ThULB, NL WE. Ob Eucken, nachdem im März 1938 der Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich erfolgt war, im Mai 1938 den geplanten Vortrag in Wien gehalten hat, ist nicht belegt. Laut Auskunft von Hansjörg Klausinger am 12.6.2021 ist stark zu vermuten, dass der Vortrag nicht zustande gekommen ist. Zur Geschichte der Nationalökonomischen Gesellschaft (NOeG) siehe Klausinger (2015). 275 ­Eucken an Edith Eucken, 1.4.1947, ThULB, NL WE.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Auf dieser Konferenz sollten – wie es eine Pressenotiz der amerikanischen Foundation for Economic Education in der Neuen Zürcher Zeitung vom 21. März 1947 ankündigte  – Wirtschaftsprobleme und »Pläne zur Errichtung einer ständigen internationalen Organisation zum Studium der ›Philosophie der Freiheit‹«276 besprochen werden. Hayeks Absicht war es, ein internationales Netzwerk zu knüpfen, »das isolierte freiheitliche Ökonomen, Sozialwissenschaftler und Publizisten durch engere Beziehungen untereinander stärkte und sie im gegenseitigen Austausch die Grundlagen ihrer Philosophie neu entdecken und ausarbeiten ließ.«277 Im Hôtel du Parc auf dem Mont Pèlerin hatten sich 39 internationale Wissenschaftler und Publizisten eingefunden278 – davon kamen siebzehn aus den USA, acht aus Großbritannien, je vier aus Frankreich und der Schweiz, sowie je ein Teilnehmer aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Norwegen und Schweden. ­Eucken war der einzige Teilnehmer aus Deutschland. Außerdem nahm Hayeks britische Sekretärin Dorothy Hahn an den Sitzungen teil und erstellte zu den Diskussionen zusammenfassende, stenographische Notizen.279 Als Hayek die Anwesenden begrüßte, nannte er ihnen auch die Namen derer, die aufgrund äußerer Schwierigkeiten seiner Einladung nicht hatten folgen können, die aber alle, was er als ermutigendes Zeichen wertete, ihre Sympathie für die Zielsetzung der Konferenz und ihren Wunsch zur Teilnahme bekundet 276 

Vgl. Zeitungsausschnitt in HIA, FAH Papers, MPS 1947, Box 80, Fo. 29 und Neue Zürcher Zeitung, Nr. 538, vom 21.3.1947. 277  Plickert (2008: 139). 278 Teilnehmer: Maurice Allais, Paris; Carlo Antoni, Rom; Hans Barth, Zürich; Karl Brandt, Stanford; Herbert C. Cornuelle, Irvington-on-Hudson; John Davenport, New York; Stanley R. Dennison, Cambridge; Aaron Director, Chicago; Walter Eucken, Freiburg; Erich Eyck, Oxford; Milton Friedman, Chicago; Harry D. Gideonse, Brooklyn; Frank D. Graham, Princeton; F. A. Harper, Irvington-on-Hudson; F. A. Hayek, London; Henry Hazlitt, New York; Trygve J. B. Hoff, Oslo; Albert Hunold, Zürich; Carl Iversen, Kopenhagen; John Jewkes, Manchester; Bertrand de Jouvenel, Chexbres; Frank H. Knight, Chicago; Henri de Lovinfosse, Waasmunster; Fritz Machlup, Buffalo; Loren B. Miller, Detroit; Ludwig von Mises, New York; Felix Morley, Washington; Michael Polanyi, Manchester; Karl R. Popper, London; William E. Rappard, Genf; Leonard E. Read, Irvington-on-Hudson; George Révay, Paris; Lionel Robbins, London; Wilhelm Röpke, Genf; George J. Stigler, Providence; Herbert Tingsten, Stockholm; François Trevoux, Lyon; V. Orval Watts, Irvington-on-Hudson; C. Veronica Wedgwood, London. Vgl. Hayek ([1947a] 1992: 237, Anm. 1), Plickert (2008: 138 f.) und Caldwell (2020). In der Gesamtzahl von 39 Teilnehmern sind Caldwell (2020: 13, Anm. 13) zufolge vier Teilnehmer enthalten – nämlich Cornuelle, Lovinfosse, Révay und Morley –, für die Hayek ursprünglich nur Beobachterstatus vorgesehen hatte, wobei er Morley dann doch als Teilnehmer führte. In verschiedenen Publikationen schwankt die Angabe zur Teilnehmerzahl deshalb zwischen 36, 37 oder 39. Für biographische Informationen zu den 39 Teilnehmern siehe Caldwell (2020: 14–23). 279  Vgl. Caldwell (2020: 13, 30).



24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen

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hatten.280 Zudem erinnerte er an zwei Personen, die an den Planungen für diese Konferenz großen Anteil hatten, aber die Realisierung nicht mehr erlebten: den britischen Wirtschaftshistoriker John Clapham (1873–1946) und den amerikanischen Ökonomen der »Old Chicago School« Henry C. Simons (1899–1946). Es war in einer von Clapham geleiteten Sitzung der Political Society des King’s College, Cambridge, als Hayek in seinem Vortrag »Historians and the Future of Europe« Ende Februar 1944 erstmals seinen Plan skizzierte, eine internationale Gesellschaft zu gründen, die sich dem Studium, der Diskussion und der Verbreitung einer Philosophie der Freiheit widmen sollte.281 Mitten im Krieg – die London School of Economics war nach Cambridge evakuiert und Hayeks Büro befand sich im Hostel von Peterhouse, während er mit Keynes’ Hilfe Wohnräume im King’s College erhalten hatte, auf dessen Dach er manche Nacht gemeinsam mit Keynes als Brandwache gegen deutsche Bomben Dienst getan haben soll – galt Hayeks Sorge der Entwicklung in Deutschland und der Zukunft eines freiheitlichen Europas. So beschwor Hayek seine Zuhörer: »Our efforts at least must be directed towards regaining Germany for those values on which European civilisation was built and which alone can form the basis from which we can move towards the realisation of the ideals which guide us.«282 Ob es gelinge, nach dem Krieg so etwas wie eine gemeinsame europäische Zivilisation aufzubauen, hänge entscheidend davon ab, wie sich Deutschland in den Jahren unmittelbar nach Kriegsende entwickele. Bei der Besetzung Deutschlands werde man eine »moralische und intellektuelle Wüste« vorfinden, die jedoch »zahlreiche Oasen« enthalte, die allerdings verstreut und isoliert seien. Eine dieser »Oasen« sah Hayek gewiss in E ­ ucken und seinem Kreis in Freiburg, seit ihn 1941 Euckens Buch Die Grundlagen der Nationalökonomie erreicht hatte und ihm klar geworden war, »wie sehr E ­ ucken und sein Kreis die große freiheitliche Tradition Deutschlands verkörperten.«283 Auf Henry Simons in Chicago war Hayek bereits Anfang der 1930er Jahre aufmerksam geworden, und zwar durch dessen 1934 veröffentlichten Essay Positive Program for Laissez Faire: Some Proposals for a Liberal Economic 280 Zu den Eingeladenen, die nicht teilnehmen konnten, gehörten: Constantino Bresciani-Turroni, Rom; William Henry Chamberlin, New York; René Courtin, Paris; Max Eastman, New York; Luigi Einaudi, Rom; Howard S. Ellis, Berkeley; A. G. B. Fisher, London; Eli Heckscher, Stockholm; Hans Kohn, Northampton; Walter Lippmann, Washington; Friedrich A. Lutz, Princeton; Salvador de Madariaga, Oxford; Carlo Mötteli, Zürich; Charles Morgan, London; W. A. Orton, Northampton; Arnold Plant, London; Charles Rist, Versailles; Michael Roberts, London; Jacques Rueff, Paris; Alexander Rüstow, Istanbul; Franz Schnabel, Heidelberg; W. J. H. Sprott, Norfolk; Roger Truptil, Ste. Maxime; Daniel Villey, Poitiers; E. L. Woodward, Oxford; H. M. Wriston, Providence; G. M. Young, London. Vgl. HIA, FAH Papers, MPS 1947, Proceedings, Box 80, Fo. 32. 281  Hartwell (1995: 27). 282  Hayek ([1944] 1992: 201). 283  Hayek ([1983] 2017: 288).

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Policy284, in dem sich Simons mit der Frage nach einer Wirtschaftsordnung befasste, in der der Wettbewerb als Entmachtungsinstrument wirksam werden kann, eine Fragestellung, mit der sich, wie Hayek wusste, auch die Freiburger Schule um Walter E ­ ucken und Franz Böhm befasste.285 Hayek reagierte auf Simons’ Positive Program anerkennend und schrieb ihm: »I have the greatest sympathy for the general spirit which it expresses and I feel that it does raise the problems which economists ought to discuss today more than others.«286 In den folgenden Jahren entwickelte sich zwischen Hayek und Simons ein freundschaftlicher wissenschaftlicher Kontakt, der Hayek bei seinen langwierigen Bemühungen um die Schaffung eines internationalen Netzwerks von Liberalen entscheidend bestärken sollte. Hayek war es wichtig, auch ­Eucken so früh wie möglich in seine Pläne für die Konferenz einzubeziehen. Bereits 1945, fünf Monate nach Kriegsende, ließ Hayek E ­ ucken wissen: »Das Problem einer internationalen Organisation von Liberalen beschäftigt mich schon lange sehr ernstlich, und wenn ich trotz der dringenden Probleme in Europa ernstlich daran denke, im Frühjahr auf mehrere Monate nach Amerika zu gehen, so ist das hauptsächlich deshalb, weil ich versuchen will, dort die Mittel aufzutreiben, um eine solche Organisation zu finanzieren.«287 Anfang November 1946 wandte sich Hayek an ­Eucken um Rat wegen eines zweiten Teilnehmers aus Deutschland, den er einladen wollte. Es handelte sich um den deutschen Historiker Franz Schnabel (1887–1966), auf den Hayek von John Clapham aufmerksam gemacht worden war, der Schnabel in seinem Jahresbericht für die British Academy »sehr anerkennend als einen jener deutschen Gelehrten erwähnte, mit dem er gern bald den Kontakt wieder ­ ucken antwortete Hayek, Schnabel habe »zwar in der aufnehmen würde.«288 E Nazizeit seine Professur in Karlsruhe verloren«, aber den Krieg überlebt und sei »jetzt Leiter der Abteilung Kultus und Unterricht in der badischen Verwaltung« und zudem »Professor für Geschichte in Heidelberg« und er habe »ihn vor einigen Monaten kennengelernt und mit ihm auch kurz korrespondiert.«289 Schnabel wurde daraufhin auf den Mont Pèlerin eingeladen, konnte indes letztlich wegen Visaproblemen nicht kommen. Die von Walter ­Eucken und seiner Freiburger Schule erarbeiteten Ideen hatten auf die inhaltliche Konzipierung der Konferenz entscheidenden Einfluss. Der Herausarbeitung des Unterschieds zwischen »Laissez-faire« und Wettbewerbs284 

Simons ([1934] 1948). Ähnlichkeit der Forschungsprogramme in Chicago und Freiburg in den 1930er Jahren siehe Kolev/Köhler (2022). 286  Hayek an Simons, 1.12.1934, Regenstein Library, University of Chicago (SPRL), Henry Simons Papers, Box 3, File 40, zit. nach Van Horn/Mirowski (2009: 142). 287  Hayek an Eucken, 22.11.1945, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 288  Hayek an Eucken, 3.11.1946. HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 289 ­Eucken an Hayek, 20.11.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 285 Zur

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ordnung komme grundlegende Bedeutung zu, hatte ­Eucken Hayek wissen lassen.290 Und so war es kein Zufall, dass Hayek für die erste Diskussionsrunde am Nachmittag des 1. April 1947 das Thema »›Freie Wirtschaft‹ oder Wettbewerbsordnung« vorsah und in seinem einleitenden Referat, dem er den leicht abgewandelten Titel »›Freie Wirtschaft‹ und Wettbewerbsordnung«291 gab, betonte, dass es sich bei diesem Thema um das »größte und in gewisser Weise wichtigste Problem« handele, zu dessen Klärung die Diskussion beitragen möge. Denn – so führte Hayek dann weiter aus –, zwar gebe es noch einzelne Gruppen, die der Entwicklung zu »immer ausgedehnterer staatlicher Kontrolle« entgegentreten, doch denen fehle ein Programm, eine »konsequente Weltanschauung«292, und oft seien die vorgeblichen Verteidiger der »freien Wirtschaft« immer dann inkonsequent, wenn es um eigene Privilegien gehe, die sie letztlich verteidigten.293 Dass Hayek zu dieser Zeit ganz auf der ordoliberalen Linie Euckens und der Freiburger Schule lag, zeigt sich daran, dass er anstelle eines »Laissez-faire« eine Politik forderte, »die bewußt den Wettbewerb, den Markt und die Preise als sein ordnendes Prinzip anerkennt und die das gesetzliche Rahmenwerk, das vom Staat erzwungen wird, dazu benützt, den Wettbewerb so wirksam und wohltätig wie möglich zu machen.«294 »Gestern war der Tag mit Arbeit ausgefüllt. Aber es ging gut«, berichtete ­Eucken vom ersten Konferenztag nach Hause. »Nach einem Referat von Hayek und einem amerik[anischen] Herrn bekam ich das Wort. Obwohl ich nicht vorbereitet war oder vielleicht gerade deswegen, glückte es mir, das über die Wettbew[erbs-]Ordnung und unsere Erfahrungen und Arbeiten zu sagen, was ich wollte. – Sehr ehrenvoll war es, daß der Vorsitzer Rappard meine Haltung in der vergangenen Zeit in liebenswürd[iger] Weise würdigte.  – Es wird im Allg[emeinen] englisch gesprochen, was ich aber recht ordentlich verstehe.«295 ­Eucken gab im Anschluss an das Referat von Aaron Director ein Votum296 ab und berichtete unter anderem von Diskussionen, die er mit einer Kommission des Zentralamts für Wirtschaft der französischen Besatzungszone über ein 290 ­Vgl.

Eucken an Hayek, 12.3.1946, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40, S. 2 f. Hayek ([1947b] 2008). 292  Hayek ([1947b] 2008: 625). Vgl. dazu auch Wohlgemuth (2008: 619). 293  Wohlgemuth (2008: 619). 294  Hayek ([1947b] 2008: 628). Ausführlicher zu Euckens Rolle in den Anfangsjahren der Mont Pèlerin Society siehe Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 448 ff.). Zur Rolle des Staates in der Wirtschaftspolitik bei ­Eucken und Hayek im Vergleich siehe Kolev (2017: 40–123). 295 ­Eucken an Edith Eucken, 2.4.1947, ThULB, NL WE. 296  Eucken, Votum zum Thema »Free Enterprise or Competitive Order«, 1.4.1947, HIA, FAH Papers, MPS 1947 Proceedings, Box 81, Fo. 3. (vierseitiges, deutschsprachiges Typoskript, vermutlich aufgrund einer summarischen, stenographischen Mitschrift). Euckens Redebeitrag wurde in der Sitzung von Hayek konsekutiv ins Englische übersetzt. 291 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

von ihm erstelltes Gutachten zur Konzernentflechtung und Kartellauflösung297 geführt hatte. In dem Gutachten habe er sich zugunsten einer Wettbewerbsordnung geäußert, und die Gewerkschaftsvertreter in der Kommission hätten seine Argumente für eine Wettbewerbsordnung akzeptiert, da sie die Gefahr erkannt hätten, die in der Verstaatlichung liege. Abschließend fasste ­Eucken die in Deutschland gemachten Erfahrungen für die Konferenzteilnehmer wie folgt zusammen: In einer Planwirtschaft bestimme der Staat die Ordnung der Wirtschaft und versuche, den alltäglichen Wirtschaftsprozess zu lenken. In der freien Wirtschaft bestehe die Gefahr eines Missbrauchs der Freiheit, um die Freiheit letztlich auszuschalten. In der Wettbewerbsordnung interessiere sich der Staat für die Ordnung der Märkte, lasse aber dem Wirtschaftsprozess freien Lauf. Auf diese Weise werde das »richtige Gleichgewicht von Ordnung und Freiheit geschaffen.«298 Über den zweiten Tag der Mont Pèlerin Konferenz, an dem nachmittags das Thema »Die Zukunft Deutschlands« diskutiert wurde, berichtete E ­ ucken nach Hause: »Der heutige Tag war wieder sehr lebhaft und anregend. Röpke sprach über Deutschl[and]. Gut. – Ich wurde dann gebeten mich auch zu äußern und erstattete eine Art kleines Korreferat. Nur über die ökon[omischen] Fragen. Hayek übersetzt dann immer meine Darlegungen. Ich glaube, es gelang im Großen und Ganzen. Als dritter sprach Brandt U. S. A. Sehr gut. Die Sache ist anstrengend aber durchaus lohnend. Vortreffliche Verpflegung und nette Unterhaltungen.«299 Möglichst anschaulich schilderte ­Eucken in seinem Diskussionsbeitrag300 die damals aktuelle wirtschaftliche Situation im besetzten Deutschland: Es herrsche Naturaltauschwirtschaft, wobei sich Zigaretten für kleinere und Brandy für größere Transaktionen als Zahlungsmittel etabliert hätten. So betrage zum Beispiel der Preis für ein Auto 180 Flaschen Weinbrand. Zudem erläuterte er, was seiner Überzeugung nach zur Verbesserung der Lage zu tun sei: zunächst die Durchführung einer Währungsreform, damit ein funktionierendes Geldwesen wieder eine effiziente Arbeitsteilung ermögliche, dann die Freigabe der Preise bei gleichzeitiger Wiederherstellung der marktwirtschaftlichen Ordnung und Wiederaufnahme des internationalen Handels. Am vierten Konferenztag übernahm ­Eucken die Leitung der Diskussion zum Thema »Liberalismus und Christentum.«301 Im Anschluss an das einleitende Referat von Frank Knight, der eine Unvereinbarkeit von Christentum 297 

Vgl. ­Eucken (1947a). Votum zum Thema »Free Enterprise or Competitive Order«,1.4.1947, HIA, FAH Papers, MPS 1947, Box 81, Fo. 3, S. 4. 299 ­Eucken an Edith Eucken, 3.4.1947, ThULB, NL WE. 300  Protokoll der Diskussion zum Thema »The Future of Germany«, 2.4.1947, S. IV– IX, HIA, FAH Papers, MPS 1947, Box 81, Fo. 3. 301  Vgl. Hartwell (1995: 47) und Plickert (2008: 147 f.). 298  Eucken,

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und Liberalismus wie auch von Religion und Wissenschaft konstatierte, ergriff ­Eucken das Wort und hob aufgrund seiner im totalitären Regime des Nationalsozialismus gemachten Erfahrungen auf die eher praktischen Aspekte des Themas ab: In einem totalitären System, so führte er aus, sei ein freies, selbständiges christliches Leben enorm gefährdet, und alle Theorien eines »christlichen Sozialismus« hätten sich als hinfällig erwiesen. Tatsache sei, dass man in einer totalen Planwirtschaft in jeder Hinsicht von politischen Autoritäten abhängig sei, so dass man der Freiheit, christlicher Überzeugung zu gehorchen, beraubt werde. Bezüglich der Frage des Verhältnisses zwischen Christentum und Liberalismus stehe man angesichts der zu beobachtenden Tendenz zur Planwirtschaft einer völlig neuartigen Situation gegenüber, die, als Max Weber und andere ihre Werke verfassten, noch nicht bestanden habe, nämlich eine Situation, in der das Christentum, wenn es eine aktive und gestaltende Kraft bleiben solle, nur existieren könne, wenn die Bestrebungen, um die es den hier versammelten Liberalen gehe, erfolgreich seien. Es sei daher zu fragen, ob nicht vielmehr die Umkehr der Tendenz zur Planwirtschaft eine Voraussetzung für das Überdauern des Christentums sei. Zum Abschluss der Diskussionsrunde, die äußerst kontrovers geführt wurde und in der sich zeigte, wie unterschiedlich die weltanschaulich-ethischen Grundüberzeugungen der anwesenden Liberalen waren, war es E ­ ucken wichtig, nochmals seinen Standpunkt deutlich zu machen und zu sagen: »I am a Christian, and I want to say that from a purely Christian point of view I regard the competitive order as essential.«302 Auf dieser Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society hatte Eucken, so sollte es Hayek später festhalten, »einen außerordentlich großen Erfolg. […] Und ich glaube, daß dieser Erfolg Euckens im Jahre 1947  – als einziger Deutscher bei einer wissenschaftlichen, internationalen Konferenz – auch ein wenig […] zur Rehabilitation des deutschen Gelehrten in der internationalen Welt beigetragen hat. […] Wie die meisten Deutschen seiner Generation hatte er [Eucken] große Sprachschwierigkeiten, aber immerhin konnte er genug Englisch, um an der Diskussion teilzunehmen. Er selbst sprach deutsch, und es war eine meiner großen Freuden, während dieser Tagung als Euckens Dolmetscher zu fungieren und das Lob von ihm zu erhalten, daß seine Ideen in meinem Englisch viel schöner klängen als im ursprünglichen Deutsch.«303 Nicht zuletzt werden wohl auch die gemeinsamen Ausflüge der Konferenzteilnehmer nach Château de Coppet am Nachmittag des Gründonnerstag und nach Schwyz und Kloster Einsiedeln während des Osterwochenendes am 6. und 7. April dazu beigetragen haben, dass E ­ ucken eine ausgesprochen positive Bilanz zog: Diese Konferenz habe »überhaupt manche Männer menschlich 302  Protokoll

der Diskussion zum Thema »Liberalism and Christianity«, 4.4.1947, HIA, FAH Papers, MPS 1947, Box 81, Fo. 3. 303  Hayek ([1983] 2017: 290).

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

einander näher gebracht«304, und eine »ganz besondere Freude« und »einer der besonderen Lichtpunkte dieser schönen Konferenz« sei es für ihn gewesen, dort Fritz Machlup »wiederzusehen und mit ihm eingehend sprechen zu können«, mit dem »mich im Übrigen so weitgehende Übereinstimmung verbindet.«305 ­Eucken und der Wiener Mises-Schüler Machlup (1902–1983) hatten sich zuletzt 1928 in Zürich auf der Jahrestagung des Vereins für Sozialpolitik getroffen.306 1933 war Machlup als Rockefeller Stipendiat in die USA gegangen und hatte 1934 begonnen mit ­Eucken zu korrespondieren. So sandte er ihm aus Chicago sein 1934 in Wien erschienenes Buch Führer durch die Krisenpolitik, wofür sich ­Eucken freundlich bedankte.307 Mittlerweile lehrte Machlup seit 1935 an der University of Buffalo. Außer dem Zusammensein mit Machlup und alten Freunden wie Hayek und Röpke  – Rüstow konnte indes nicht anreisen308  – brachte die Konferenz für ­Eucken auch ein Wiedersehen mit dem nach Amerika ausgewanderten Berliner Agrarökonomen Karl Brandt, mit den Wiener Emigranten, dem Ökonomen Ludwig von Mises und dem Philosophen Karl Popper (1902–1994), sowie mit dem aus Ungarn gebürtigen, ehemaligen Berliner und nun britischen Chemiker und Philosophen Michael Polanyi (1891–1976); amerikanische Kollegen, von deren Veröffentlichungen E ­ ucken gehört hatte – so die Vertreter der »Old Chicago School«, Frank Knight (1885–1972) und Aaron Director (1901–2004), sowie die Vertreter der »New Chicago School«, Milton Friedmann (1912–2006) und George Stigler (1911–1991)  – lernte er nun persönlich kennen; mit weiteren internationalen Liberalen kam er ins Gespräch, so u. a. mit Hayeks britischen Ökonomen-Kollegen Lionel Robbins (1898–1984) und John Jewkes (1902–1988), mit dem französischen Philosophen und Ökonomen Bertrand de Jouvenel (1903–1987), der 1943 aus Frankreich in die Schweiz geflohen war und im nahegelegenen Chexbres wohnte309, sowie mit der britischen Historikerin 304 ­Eucken

an Mitzi Machlup, 24.4.1947, HIA, Fritz Machlup Papers, Box 36, Fo. 16. an Mitzi Machlup, 24.4.1947, HIA, Fritz Machlup Papers, Box 36, Fo. 16. 306  Vgl. Goldschmidt/Hesse (2013: 124). 307 ­Eucken an Machlup, 25.2.1934, HIA, Fritz Machlup Papers, Box 36, Fo 16, zit. nach Goldschmidt/Hesse (2013: 124 f., 144, Anm. 3). 308  Euckens Freund Rüstow hatte Hunold und Hayek, die sich um die Finanzierung seiner Anreise aus Istanbul bemühten, mitgeteilt, seine Teilnahme sei unmöglich geworden, nachdem er aus Ankara die Nachricht erhalten hatte, »dass die türkische Regierung […] beschlossen hat, sich auf den formellen Standpunkt zu stellen, wonach sie sich bis auf weiteres noch im Kriegszustand mit Deutschland befindet, und also deutschen Staatsangehörigen, selbst wenn sie sich im türkischen Staatsdienst befinden, zwar die Ausreise aus der Türkei, nicht aber […] die Wiedereinreise, gewähren kann.« Rüstow an Albert Hunold, 20.2.1947, HIA, FAH Papers, Box 47, Fo. 20, und Rüstow an Hayek, 20.2.1947, HIA, FAH Papers, Box 47, Fo. 20. 309  Vgl. Caldwell (2020: 14). 305 ­Eucken



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C. Veronica Wedgwood (1910–1997), die von 1944 bis 1950 in London Herausgeberin der Wochenzeitschrift Time and Tide war. Die Tage auf dem Mont Pèlerin, so schrieb E ­ ucken Ende April 1947 an Röpke, »haben mir auch für das Arbeiten einen Auftrieb gegeben.«310 Und in einem Brief an Erich Welter resümierte er mit Genugtuung, es sei eine interessante Veranstaltung gewesen, bei der die Möglichkeit bestand, sich mit führenden amerikanischen und englischen Wissenschaftlern über wirtschaftspolitische Fragen auszutauschen – ein erster Schritt in die Internationalität.311 Diese neu gewonnene Internationalität begann bald darauf Wirkung zu zeigen: So berichtete das amerikanische Wirtschaftsmagazin Fortune im Juli 1947 mit wörtlicher Wiedergabe von Aussagen Euckens über ein Gespräch, das John Davenport (1904–1987), der Herausgeber von Fortune, am Rande der Konferenz mit E ­ ucken über aktuelle wirtschaftspolitische Probleme geführt hatte.312 Und die britische Wochenzeitschrift Time and Tide veröffentlichte bereits 1947 Euckens Aufsatz »Reflections on the Problem of Monopoly« und dann 1948 seinen Aufsatz »The German Currency Reform.« Walter Euckens Persönlichkeit beeindruckte die Konferenzteilnehmer außerordentlich. Bertrand de Jouvenel erinnerte später: »Prof. E ­ ucken was the first German I met on friendly ground after the war. […] Walter ­Eucken appeared to me like a grand monument of nobler times which had defied the fury of destroyers to serve as an inspiration to the coming generation.«313 John Jewkes, der drei Jahre später die von ­Eucken in London gehaltenen Vorträge ins Englische übersetzen sollte, schilderte seinen Eindruck von der ersten Begegnung mit ­Eucken auf dem Mont Pèlerin wie folgt: »He looked a great man. He was tall and commanding and of a countenance, which although shrunken into stark lines by suffering and pity still retained its kindliness and the serenity of an undeviating integrity. He modestly intervened in discussions, analyzing the utter break-down of co-operative economic effort in Germany as a consequence of complete central planning and speculating upon human societies with a wisdom distilled from great historical knowledge and his gift for powerful and penetrating analysis.«314

Wilhelm Röpke, der ­Eucken bereits zuvor im Herbst 1946 in Freiburg besucht hatte315, erinnerte sich später: 310 ­Eucken an Röpke, 30.4.1947, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 311  Vgl. ­Eucken an Welter, 29.4.1947, BArch, NL Welter, N 1314/8, zit. nach Schäfer, C. (2019: 346). 312  Veröffentlicht als Davenport (1947). Diesen Hinweis verdanke ich Uwe Dathe. 313  Bertrand de Jouvenel in Time and Tide vom 1.4.1950, maschinenschriftliche Abschrift, ThULB, NL WE. 314  Jewkes (1951: 7). 315  Vgl. Röpke an Eucken, 2.10.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

»Euckens ebenso klare wie schlichte, aber gerade dadurch besonders überzeugende Darlegung der Erfahrungen, die Deutschland mit Kollektivismus, Inflationismus und Monopolismus gemacht hatte, war ebenso unvergeßlich wie seine Mitarbeit an dem Programm der deutschen Wirtschaftsreform, das auf jener Konferenz der Liberalen aus aller Welt Umrisse gewann. Wenn jene Gründungsversammlung unserer Gesellschaft über dem Genfer See zu einem nicht nur geistig, sondern auch politisch wichtigen Ereignis unserer Zeit wurde, so war es die charaktervolle Figur dieses deutschen Nationalökonomen – des einzigen, der aus Deutschland zu uns gekommen war –, welche sehr wesentlich dazu beigetragen hatte.«316

Milton Friedman notierte in seinen Erinnerungen, durch E ­ ucken sei ihm damals verdeutlicht worden, »wie es war, in einem totalitären Land zu leben, und auch in einem Land, das unter den Zerstörungen des Krieges und den harten Auflagen seitens der Besatzungsmächte litt.«317 Unvergessen ist in diesem Zusammenhang die von den beiden damals jungen amerikanischen Ökonomen Milton Friedman und George Stigler – beide brachten es später zum Nobelpreisträger – staunend beobachtete und seitdem als »Orangen-Anekdote« überlieferte Szene, wie E ­ ucken 1947 im Hôtel du Parc am Frühstückstisch sitzt und »mit sichtlichem Genuss die erste Orange verzehrt, die er seit sieben oder acht Jahren zu Gesicht bekommen hat.«318 Gewissermaßen eine Ergänzung dieser Anekdote lieferte unlängst Euckens älteste Tochter mit ihrem Bericht: »Aus der Schweiz zurückgekehrt, legte unser Vater erst fünf Orangen auf den Tisch – für uns eine Sensation –, um uns dann ausführlich zu berichten.«319 Für ­Eucken trug die Konferenz auch noch weitere »Früchte«: Nach einem ersten war bald ein zweites Paket aus Buffalo bei Euckens in Freiburg eingetroffen, das einen »dauerhaften, schönen, mir sehr gut passenden Anzug enthielt. In der Tat: er ist sehr wichtig für mich«, schrieb E ­ ucken in seinem Dankesbrief an Mitzi Machlup. »Seit vielen Jahren können wir in Deutschland keine Anzüge oder Kleider mehr kaufen. Die Vorräte im Hause gehen zu Ende. […] Doch umso größer ist die Freude, wenn ein solches Paket kommt. Das ist eben eine Lichtseite unserer ernsten Situation: Man kann sich viel mehr freuen.«320 Im August 1947 lautete dann ein Postskriptum zu einem Brief an Fritz Machlup: »Tagtäglich fällt in unserem Hause das Wort ›Machlup‹ oder ›Buffalo‹. Die Kinder sind  – sozusagen – gar nicht mehr vorstellbar ohne die vielen und schönen Sachen, in denen sie herumlaufen. – Wir wären ohne alles dies in eine sehr schwierige Lage gekommen.«321 316 

Röpke (1960/61: 10). Friedman, M./Friedman, R. (1998: 160) (Übersetzung W. K.). 318 Friedman, M./Friedman, R. (1998: 160) (Übersetzung W. K.). Vgl. dazu auch Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 438). 319  [Oswalt-]­Eucken (2014: 83). 320 ­Eucken an Mitzi Machlup, 24.4.1947, HIA, Fritz Machlup Papers, Box 36, Fo. 16. 321 ­Eucken an Fritz Machlup, 11.8.1947. HIA, Fritz Machlup Papers, Box 36, Fo. 16. 317 

24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen



257

Wie Hans Otto Lenel erinnert, erhielt ­Eucken wohl im Jahr 1946 das Angebot, Mitglied des Verwaltungsrats einer schweizerischen Aktiengesellschaft zu werden. Die ihm dadurch zufließende Tantieme hätte ihn und seine Familie der damaligen materiellen Not enthoben. Indes lehnte ­Eucken dieses Angebot ab und zwar mit der Begründung, ansonsten würde er unglaubwürdig.322 Eucken, der zu einem der fünf Vizepräsidenten323 der Mont Pèlerin Society bestellt worden war, erlangte rasch zunehmenden Einfluss auf die organisatorische und inhaltliche Entwicklung der Mont Pèlerin Society und wurde in diesem internationalen Kreis als wissenschaftliche Autorität und respektierter Kollege angesehen. Am 19. September 1948 nahm E ­ ucken an dem Direktorentreffen in Basel teil.324 Dort setzte er sich dafür ein, dass die Mont Pèlerin Society ein ausschließlich wissenschaftliches Diskussionsforum bleibe und nicht etwa durch Publikation von Manifesten eine politische Einflussnahme anstrebe. Eine Beteiligung am politischen Diskurs sei vielmehr als Privatangelegenheit der einzelnen Mitglieder zu sehen. Starke Unterstützung fand diese Linie in Basel auch bei dem italienischen Philosophen Carlo Antoni, bei Hayek und bei Lutz, der seit November 1947, als die Registrierung der Mont Pèlerin Society im amerikanischen Staat Illinois erfolgte, zu ihren Gründungsmitgliedern325 gehörte und nun auch in Basel dabei sein konnte. Lutz verbrachte sein universitäres Freijahr in Europa und hielt im Sommer 1948 Vorlesungen an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.326 Auf die Vorbereitungen zur 2. Mont Pèlerin Konferenz nahm ­ Eucken wesentlichen Einfluss. So schlug er weitere Mitglieder aus Deutschland vor327 – nämlich Franz Böhm, Walter Bauer, Constantin von Dietze, Bernhard Pfister und Karl Friedrich Maier  – und organisierte eine Arbeitsgruppe zum Thema »Soziale Sicherheit«, in der K. F. Maier über »The Demand for Social Security« und Leonhard Miksch über »The Unemployed and the Unemployable« sprechen sollten. Auch für einen Tagungsort in der Nähe Freiburgs setzte ­Eucken sich ein und bot an, mit dem Pächter von Schloss Bürgeln im Markgräflerland – dem ihm gut bekannten Unternehmer und Mäzen Richard Sichler – zu 322 

Vgl. Lenel (1990: 18). dem »Memorandum of Association«, 9.4.1947, HIA, FAH Papers, Box 81, Fo. 1, wurden zunächst Eucken, John Jewkes und William Rappard zu Vizepräsidenten bestellt. Bei der rechtsverbindlichen Registrierung der Mont Pèlerin Society am 6.11.1947 im amerikanischen Staat Illinois wurden zusätzlich Frank Knight und Jacques Rueff als Vizepräsidenten nominiert. Vgl. Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 439, Anm. 24). 324 In Basel trafen sich F. A. Hayek, W. Eucken, W. E. Rappard, J. Rueff, C. Antoni, K. Brandt, F. A. Lutz und A. Hunold. Vgl. Hartwell (1995: 82 ff.). 325  Vgl. Hartwell (1995: 51). 326  Vgl. Veit-Bachmann (2003: 15). 327  Vgl. Liste mit potentiellen Mitgliedern aus dem Jahr 1947, HIA, FAH Papers, Box 80, Fo. 34. Vgl. dazu Hennecke (2000: 220) und Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 439 f.). 323  Entsprechend

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

verhandeln.328 Indes, Albert Hunold, der Sekretär der Mont Pèlerin Society, war schneller und hatte in der Schweiz das Hotel Kulm & Sonnenberg in Seelisberg reserviert. So fand die 2. Mont Pèlerin Konferenz vom 3. bis 10. Juli 1949 in Seelisberg oberhalb des Vierwaldstätter Sees statt. Die Anreise schildert Leonhard Miksch in seinem Tagebuch als »Betriebsausflug der Freiburger Schule«: »Ich fuhr Sonnabend früh zunächst nach Freiburg […]. Sonntag fuhr ich mit ­Eucken und Karl Friedrich Maier weiter, auf der Fahrt über Basel und Luzern schlossen sich uns noch Hensel, Böhm, Veit329, Müller-Arma[c]k, Ilau330 und Pfister an.«331 Damit gehörten zu den insgesamt 55 Konferenzteilnehmern neun Wissenschaftler aus Deutschland sowie drei deutsche Emigranten, nämlich L. Albert Hahn, Friedrich A. Lutz und Wilhelm Röpke.332 Auf der Rückreise notierte Miksch im Tagebuch als Resümee: »­Eucken hatte den Eindruck, dass wir vom Auslande nicht so viel lernen können, wie Hahn meint. Das Denken in morphologischen Ordnungselementen, das die Freiburger Schule entwickelt hat, fehlt draussen. Diese morphologische Apparatur gibt uns eine große Überlegenheit. Es war gut, dass wir nicht besser Englisch sprachen, wir hätten, davon bin ich überzeugt, die anderen ziemlich in Grund und Boden diskutiert, was aus taktischen Gründen sehr bedenklich gewesen wäre.«333

Auf der Konferenz sollten ein Auftritt des Jodelklubs »Echo vom Rigi« aus Küssnacht334 sowie eine Dampferfahrt zur Rütliwiese und Tellsplatte für Entspannung sorgen. Indes ging in die Annalen ein, dass es in Seelisberg zu starken Spannungen, ja zu Zusammenstößen kam, »unter denen derjenige besonders schwer und eindrucksvoll war«, wie Röpke festhielt, »der sich zwischen Walter ­Eucken und Ludwig von Mises ereignete. […] Jene Diskussion, in der es vor allem um das Monopolproblem und um die dem Staate und der Rechtsordnung dadurch zufallende Aufgabe ging, ist symbolisch für einen Richtungsstreit im

328 

Vgl. ­Eucken an Hayek, 3.2.1949, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Veit war von 1947 bis 1952 Präsident der Landeszentralbank von Hessen, Gründungsmitglied des Wissenschaftlichen Beirats bei der Verwaltung für Wirtschaft bzw. beim Bundeswirtschaftsministerium und ab 1948 apl. Professor an der Universität Frankfurt, an der er sich 1947 habilitiert hatte. Vgl. Rieter (2017: 736–738). 330 Hans Ilau (1901–1974), ein Schüler Euckens aus der Berliner Zeit, arbeitete während des Krieges bei der Frankfurter Zeitung, nach Kriegsende bei der IHK Frankfurt am Main und später im Bankwesen. 331  Miksch, Tagebucheintrag, 30.6.1949, zit. nach Goldschmidt (2015: 47). 332  Vgl. List of Participants, HIA, FAH Papers, MPS 1949, Box 81, Fo. 10. zit. nach Kolev/Goldschmidt/Hesse (2020: 440, Anm. 32). 333  Miksch, Tagebucheintrag, 11.7.1949, zit. nach Goldschmidt (2015: 48). 334  Vgl. Jodelklub »Echo vom Rigi« Küssnacht, Quittung für Engagement am 6.7. und 9.7.1949, HIA, FAH Papers, MPS 1949, Box 81, Fo. 6. 329  Otto

24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen



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liberalen Lager geblieben, der innerhalb der Mont Pèlerin Gesellschaft immer wieder hervortrat.«335 Deutlich traten die Differenzen zwischen einem kontinentaleuropäischen und einem angelsächsischen Liberalismus zutage. Miksch notierte im Tagebuch: »­Eucken wurde sehr ärgerlich. Es kam zu einer erregten Debatte, in deren Verlauf Mises ausrief: ›Was Adam Smith! Der Liberalismus, das bin ich.‹«336 Auch in einem Brief Euckens an Rüstow vom Juli 1949 war vom Zusammenstoß mit Mises in Seelisberg die Rede. ­Eucken schrieb, Mises’ Radikalismus sei zwar absonderlich, aber anregend. Menschlich sei er »österreichisch liebenswürdig« ­ ucken in einem Brief an Hayek vom November 1949 gewesen.337 Später räumte E ein, dass er während der Konferenz in Seelisberg nicht auf der Höhe gewesen sei, weil er die Folgen einer Lungenentzündung vom Frühjahr noch nicht überwunden hatte, und deshalb in der Diskussion mit Mises besonders reizbar reagiert habe.338 Der Streit von Seelisberg spielte indes keine Rolle mehr, als Mises im Jahr darauf, erschüttert vom plötzlichen Tod Euckens, in seinem Kondolenzbrief an Edith ­Eucken zum Ausdruck brachte, dass sie und ganz Deutschland einen unersetzlichen Verlust erlitten habe und er hoffe, dass ihr der Gedanke Kraft gebe, dass alle mit ihr trauern, »die den Dahingegangenen persönlich gekannt haben, und viele mehr, zu denen er nur durch seine Schriften und seine beispielgebende Haltung in schwerster Zeit gesprochen«339 habe. »Es wird Nacht um uns«, fügte er resignierend an, »[d]ie Zahl derer, die noch Überzeugung haben und bereit sind, für ihre Überzeugung einzutreten, wird immer kleiner.«340 In Seelisberg wurde auf Vorschlag Euckens beschlossen, ab September 1949 den deutschen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard als Mitglied in die Mont Pèlerin Society zu berufen. »Es bedarf wohl keiner Versicherung, dass ich diese Berufung als eine besondere Ehre und Auszeichnung betrachte und selbstverständlich die Mitgliedschaft annehme«, schrieb Ludwig Erhard am 13. Februar 1950 an ­Eucken und entschuldigte sich zugleich mit dem Hinweis auf seine »hoffnungslose Arbeitsüberlastung, noch dazu in einer überhitzten politischen Atmosphäre« für seine späte Reaktion auf Euckens »freundliche Zeilen vom ­ ucken wird diesen Brief Erhards noch kurz vor seiner Ab29. Dezember.«341 E reise nach London erhalten haben. Im Hinblick auf die Aufnahme weiterer neuer Mitglieder aus Deutschland und die Vorbereitung der nächsten, für das Jahr 1950 geplanten Konferenz ver335 

Röpke (1960/61: 10). Zu dem Richtungsstreit siehe auch Köhler/Nientiedt (2017). Miksch, Tagebucheintrag, 9.7.1949, zit. nach Goldschmidt (2015: 48). 337  Eucken and Rüstow, Juli 1949, zit. nach Lenel (1991: 14). 338 ­Eucken an Hayek, 3.11.1949, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 339  Mises an Edith Eucken, 20.4.1950, ThULB, NL WE. 340  Mises an Edith Eucken, 20.4.1950, ThULB, NL WE. 341  Erhard an Eucken, 13.2.1950 (Abschrift), HIA, FAH Papers, Box 73, Fo. 25. 336 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

ließ sich Hayek auf den Rat und die Unterstützung von Eucken. Als Hayek sich 1949 mit dem Gedanken trug, die Präsidentschaft der Mont Pèlerin Society abzugeben, hielt er es, wie er Albert Hunold schrieb, »für wünschenswert, dass diese Stelle zirkuliert«, nicht zuletzt, so begründete er es, »weil ich gerne früher oder später ­Eucken als Präsidenten sehen will.«342 Die 3. Mont Pèlerin Konferenz im September 1950 in Bloomendaal, Holland, sollte ­Eucken indes nicht mehr erleben. 24.2. Mitherausgeber von KYKLOS Er habe sich zum Grundsatz gemacht, antwortete der Harvard-Professor Joseph A. Schumpeter im Dezember 1945 dem Basler Ökonomen Edgar Salin, als dieser ihn zum Eintritt in das Redaktionskollegium der von ihm geplanten internationalen Zeitschrift für Sozialwissenschaften KYKLOS gebeten hatte, »an keiner internationalen wissenschaftlichen Unternehmung teilzunehmen, die nicht ab initio einen Deutschen einschließt, von dem ich weiß, dass er sich mit Deutschland identifiziert. Das mag meine Unbescheidenheit erklären, mit der ich Euckens Einschluß zur Bedingung machte. Wenn diese erfüllt ist, tue ich gerne mit.«343 Und Schumpeter ergänzte noch, dass sein Harvard-Kollege Alvin Hansen »dem Plan ebenfalls freundlich gegenüber« stehe »unter der Annahme, dass Teilnahme keine große Inanspruchnahme seiner Zeit bedeutete« und dass er »­Eucken willkommen« heiße. Salin, so berichtete er es später aus der Vorgeschichte der Zeitschrift344, teilte Schumpeter daraufhin mit, dass ­Eucken als »zweiter deutscher Mitredaktor« in Aussicht genommen sei. Und diese Mitteilung nahm Schumpeter »trotz wissenschaftlich und politisch abweichender Auffassungen positiv auf, weil er in ihr die gebührende Anerkennung für Euckens untadelige Haltung« während des NS-Regimes sah. Als erster deutscher Mitherausgeber, so berichtete Salin, sollte – »darüber bestand kein Zweifel« – Alfred Weber »figurieren.«345 Im Januar 1946 informierte E ­ ucken Röpke, Salin habe ihm geschrieben, dass er eine »Zeitschrift internationalen Charakters Kyklos« herausbringen werde, die »wirtschaftstheoretische und wirtschaftshistorische Beiträge bringen« wolle, und dass Salin angefragt habe, ob er »in den Stab der Mitherausgeber einzutreten bereit« sei. Im Moment aber zögere er noch etwas, »mit Salin zusammen Herausgeber zu sein, der doch eine ganz andere wissenschaftliche Haltung hatte, als wir.«346 Indes, im März 1946 schrieb ­Eucken dann: »Salin 342 

Hayek an Hunold, 25.3.1949, HIA, FAH Papers, Box 71, Fo. 10. Schumpeter an Salin, 12.12.1945, abgedruckt in Hedtke/Swedberg (2000: 354 f.). 344  Salin (1950: 1). 345  Salin (1950: 1). 346 ­Eucken an Röpke, 19.1.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln; Hervorhebung im Original. 343 

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habe ich inzwischen zugesagt, nachdem mir Alfred Weber mitteilte, dass er auch als deutsches Mitglied des Herausgebergremiums mitwirken würde. Ich möchte eben nichts versäumen, um an der Überbrückung der Kluft, die jetzt zwischen Deutschland und der übrigen Welt besteht, mitzuhelfen.«347 Im Mai 1946 berichtete Eucken, Salin habe ihn »mehrfach in Freiburg besucht« und man habe »eingehend über den Kyklos gesprochen.«348 Für die geplante Redaktionsleitung hatte Röpke, der von Anfang an in die Planungen eingebunden war, Vorschläge gemacht, worauf E ­ ucken anregte: »Haben Sie vielleicht auch an Karl Brunner gedacht? Ich finde seine Arbeiten zum Teil ganz hervorragend und glaube, daß er ein Talent ist. Persönlich kenne ich ihn nicht, höre aber von Markwalders sehr gutes von ihm.«349 Ab 1947 gehörte ­Eucken dann zusammen mit Albert Aftalion (1874–1956), Paris; Luigi Einaudi (1874–1961), Rom; Alvin H. Hansen (1893–1975), Harvard University; Roy F. Harrod (1900–1978), Oxford; Eli F. Heckscher (1879–1952), Stockholm; R. Hicks (1904–1989), Oxford; William E. Rappard (1883–1958), Genf; Charles Rist (1874–1955), Paris; Wilhelm Röpke (1899–1966), Genf; Edgar Salin (1892–1974), Basel; Joseph A. Schumpeter (1883–1950), Harvard University, und Alfred Weber (1868–1958), Heidelberg, zu den Mitbegründern der Zeitschrift KYKLOS, die mittlerweile unter dem Namen KYKLOS – International Review for Social Sciences erscheint. Auch die französischen Mitherausgeber, die unmittelbar nach dem Ende der Okkupation allem Deutschen mit einiger Reserve gegenüberstanden, »haben ­Eucken gern als Mitredaktor willkommen geheißen.«350 Damit zeige sich, wie Salin betont, »was dieser Gelehrte als Person für die Wiederanknüpfung der durch den Krieg zerrissenen wissenschaftlichen und geistigen Bande in der Welt repräsentierte.«351 Salin und E ­ ucken hatten bereits als junge Privatdozenten miteinander korrespondiert und wussten sich damals, wie ­Eucken im Januar 1922 schrieb, in dem Ziel einig, »unsere Wissenschaft neuaufbauen zu helfen.«352 Bis in die 1930er Jahre hinein waren sie sich immer wieder auf den großen Tagungen des Vereins für Sozialpolitik und der Friedrich List-Gesellschaft begegnet. 347 ­Eucken

an Röpke, 12.3.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 348 ­Eucken an Röpke, 29.5.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 349 ­Eucken an Röpke, 29.5.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Der Schweizer Karl Brunner (1916–1989) hatte 1943 an der Universität Zürich promoviert und lehrte seit 1949 in den USA, zuletzt an der University of Rochester. 350  Salin (1950: 1). 351  Salin (1950: 1). 352 ­Eucken an Edgar Salin, 19.1.1922, UB Basel, NL 114: Fa 2591, in E ­ ucken GS, Band III.1.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Im Rückblick zeichnete Salin ein eindrucksvolles Porträt des Menschen Walter Eucken: Wenngleich er sich nicht zum engeren Freundeskreis Euckens zähle, habe er sich dennoch nicht »dem ungewöhnlichen Zauber dieses Menschen entziehen können […], der bei der ersten Begegnung eher trocken und hart wirken konnte und der dann im wissenschaftlichen Gespräch und besonders im Umgang mit den Seinen eine bestrickende Liebenswürdigkeit des Wesens offenbarte, der von einer echten Leidenschaft nach Wahrheit und Gerechtigkeit getrieben war und der, ganz unprofessoral, mit edler Toleranz jeden Menschen anderer Art und auch manche Lehre anderer Richtung gelten ließ, wenn er des gleichen Ethos gewiß war.«353 »Als wir uns zu Beginn des Jahres 1946 erstmals wieder begegneten«, so Salins Erinnerung an Eucken, »war es ergreifend, wie er, der durch seine mutige Haltung in der Nazi-Zeit zusammen mit einigen gleichgesinnten Freunden der Universität Freiburg i. B. eine besondere Geltung und Würde unter den deutschen Hochschulen erfochten hatte, jede Anerkennung und jeden Dank ablehnte. Nicht aus falscher Bescheidenheit. Sondern diesen wahrhaft gläubigen Mann beunruhigte die Frage, ob er nicht noch rücksichtsloser sich für seine bedrohten Freunde hätte einsetzen müssen.«354 24.3. Gründung des Jahrbuchs ORDO Als sich Walter E ­ ucken im April 1946 erstmals mit dem Verleger Helmut Küpper (1904–1956) aus Bad Godesberg traf, verband beide die Sorge, die Anhänger zentraler Planung könnten im Streit um die künftige Wirtschaftsordnung obsiegen. Wenige Monate später regte Küpper an, eine der Pflege der Ordnungsprobleme gewidmete ökonomische Zeitschrift herauszugeben. Anfang Februar 1947 schrieb ­Eucken an Röpke: »[N]ach einigen Verhandlungen mit Dr. Küpper haben wir uns entschlossen, ein Jahrbuch herauszugeben, das halbjährlich erscheint und die Gedanken zur Gestaltung der Wirtschaftsordnung, die wir vertreten, zum Ausdruck bringen soll.«355 Und auch Hayek informierte er über dieses Vorhaben: »Für den ersten Band dieses Jahrbuchs hätte ich gern einen Beitrag aus Ihrer Feder. Der Titel des Jahrbuches ist noch nicht ganz festgelegt. Wir dachten zunächst an ›Jahrbuch für Wettbewerbswirtschaft‹, neigen aber jetzt der Formulierung zu ›Die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft‹«.356 Von Küpper, der, wie ­Eucken in einem Brief vom Juli 1947357 er353 

Salin (1950: 2). Salin (1950: 2). 355 ­Eucken an Röpke, 5.2.1947, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 356 ­Eucken an Hayek, 5.2.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 357 ­Eucken an Hayek, 18.7.1947, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 354 

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wähnt, sich zwischenzeitlich auch mit Hayek besprochen hatte, stammte dann der Gedanke, das Jahrbuch ORDO zu nennen.358 Spätestens Anfang 1947 begannen die Redaktionsarbeiten, zu denen Walter ­Eucken eine Fülle von Anregungen gab, wie es Hans Otto Lenel als einer der beiden ersten Redakteure erinnert.359 Im Juni 1948 konnte ­Eucken Hayek ankündigen, der Druck des ersten Bandes von ORDO, der »durch die herannahende Währungsreform« erneut verzögert worden war, weil niemand mehr arbeiten wollte, werde jetzt »energisch vorwärts getrieben« und er werde »schon in den nächsten Wochen den ersten Band erhalten.«360 Kurz nach der Währungsreform 1948 erschien dann im Verlag Küpper vormals Georg Bondi in Bad Godesberg der erste Band der von Walter ­Eucken und Franz Böhm begründeten Zeitschrift ORDO  – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, die mittlerweile bei De Gruyter, Berlin, erscheint. Die Aufgabe von ORDO sei, so hielt es die Schriftleitung im Vorwort zum ersten Band fest, die Beantwortung der Frage »Wie muss die Wirtschafts- und Sozialordnung beschaffen sein, in der sich ein menschenwürdiges und wirtschaftlich erfolgreiches Leben entwickeln kann?« Und dies sei »eine der wichtigsten Aufgaben, die der Nationalökonomie, der Soziologie und der Rechtswissenschaft gestellt« seien. Die Beiträge im Hauptteil des ersten Bandes eröffnet Friedrich A. von Hayek mit seinem Aufsatz »Wahrer und falscher Individualismus«, darauf folgen Walter Euckens grundlegender Aufsatz »Das Ordnungspolitische Problem« sowie Beiträge von Fritz W. Meyer, Alfred Müller-Armack, Wilhelm Röpke, Leonhard Miksch, Franz Böhm, Karl Josef Partsch, Heinrich Irmler und Hans Otto Lenel. Dem Band als Prolog vorangestellt ist – drei Jahre nach der »Stunde Null« – mit Edith Eucken-Erdsieks Aufsatz »Chaos und Stagnation« eine Standortbestimmung aus kulturphilosophischer Perspektive.361 24.4. Vortragsreise nach Spanien »Machen Sie bitte keine weiteren Versuche, mich nach Amerika herüber zu ­ ucken im Februar 1948 an Karl Brandt im Food Reziehen«362, schrieb Walter E search Institute der Stanford University, denn »[i]ch sitze an ziemlich intensiver Arbeit an einem größeren neuen Buch. Deshalb ist es recht gut, daß ich zur Zeit noch nicht reise.«363 358 

Vgl. Ohne Verfasserangabe (1970: 13 f.). Lenel (1991: 14). 360 ­Eucken an Hayek, 29.6.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 361  Siehe dazu Klinckowstroem (2008: 402). 362 ­Eucken an Karl Brandt, 4.2.1948, ThULB, NL WE. 363 ­Eucken an Karl Brandt, 4.2.1948, ThULB, NL WE. 359 

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Gleichwohl war ­Eucken bereits für Freitag, den 13. Dezember 1946, zu einem Vortrag über »Währungspolitik und Wirtschaftsordnung« an der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich eingeladen, der jedoch auf den Januar 1947 verschoben werden musste, »weil der Referent von den Besetzungsbehörden die Ausreisegenehmigung nicht rechtzeitig erhalten hat.«364 Im Juni 1947 weilte ­Eucken drei Tage lang in der Schweiz, um Vorträge in Basel, Fribourg und St. Gallen zu halten.365 Im März 1948 hielt er in Genf fünf Vorträge über die internationale Wirtschaftsordnung und machte auf der Rückreise Besuch bei Hunolds.366 Weitere Einladungen zu Vorträgen in der Schweiz, so u. a. im Juni 1948 zu einem Vortrag vor der wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Bern367 oder, ebenfalls im Juni 1948, zu Vorträgen in St. Gallen und Zürich, glaubte er zunächst wahrscheinlich nicht wahrnehmen zu können, da die Ausreisegenehmigung »eben schwierig zu bekommen«368 sei. »Ich bin nicht sehr unglücklich darüber. Denn ich bin jetzt monoman mit meinem Buch«369, ließ ­Eucken seine Frau wissen, die im Mai 1948 zur Erholung für einige Wochen bei Hunolds im Bünishof zu Gast war und von dort begeistert an Hayek schrieb: »[J]etzt genieße ich selbst, was ein Aufenthalt in der Schweiz und überhaupt außerhalb der Grenzpfähle nach langen Jahren bedeutet.«370 Wider Erwarten muss ­Eucken die Ausreisegenehmigung dann doch noch erhalten haben. So berichtete er Röpke Ende Juni von einer Woche in der Schweiz mit interessantem Aufenthalt in St. Gallen, einem Zusammensein mit L. Albert Hahn, das »interessant und menschlich schön« gewesen sei, auch wenn Hahn, »aus Amerika recht pessimistisch herübergekommen« sei, und mit einem Vortrag in Zürich, bei dem ihm aufgefallen war, »daß doch die Gedanken der Wettbewerbsordnung nur Wenigen wirklich klar sind.«371 Diesen Vortrag in Zürich hielt ­Eucken im Zunfthaus zur Saffran am 11. Juni 1948 auf Einladung der Studiengesellschaft für Wirtschaftspolitik zum Thema »Die deutsche Währungsreform«.372 Bei E ­ ucken in Freiburg kamen ab 1948 allmählich Vortragsgäste aus dem Ausland zu Besuch: »Heute kommt Perroux aus Paris, der hier vier Vorträge hält«373, 364 

Neue Zürcher Zeitung, Nr. 2294, vom 12.12.1946, Rubrik »Lokales.« Vgl. ­Eucken an Röpke, 27.6.1947, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 366  Vgl. ­Eucken an Hayek, 6.2.1948 und 5.4.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 367  Vgl. ­Eucken an Edith Eucken, 10.5.1948, ThULB, NL WE. 368 ­Eucken an Edith Eucken, 23.5.1948, ThULB, NL WE. 369 ­Eucken an Edith Eucken, 23.5.1948, ThULB, NL WE. 370  Edith E ­ ucken an Hayek, 24.5.1948, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 371 ­Eucken an Röpke, 29.6.1948, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 372 Vgl. Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1230, vom 10.6.1948, Rubrik »Lokales.« 373 ­Eucken an Edith Eucken, 23.5.1948, ThULB NL WE. 365 

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konnte ­Eucken im Mai 1948 berichten. Später traf Karl Brandt in Freiburg ein, und ­Eucken berichtete Hayek im Februar 1949, dass Brandt »hier einen sehr guten Vortrag hielt.«374 Erst im Spätsommer 1949 – nachdem er Anfang Juli 1949 zur Konferenz der Mont Pèlerin Society im schweizerischen Seelisberg gewesen war – unternahm ­Eucken schließlich eine größere Auslandsreise. Gemeinsam mit seiner Frau folgte er der Einladung zu einer Vortragsreise nach Spanien. Für den Zeitraum vom 22. bis 29. August 1949 war ­Eucken im Rahmen einer vom Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (CSIC), dem Wissenschafts- und Forschungsrat Spaniens, veranstalteten Sommerakademie an der Internationalen Universität Menéndez Pelayo (UIMP) in Santander zu wissenschaftlichen Vorträgen eingeladen. Bei der Sommerakademie, die in den Räumen des Palacio de la Magdalena, dem einst für König Alfonso XIII erbauten Sommerpalast, stattfand, ging es um drängende »Problemas Contemporáneos«, die getrennt in die vier großen Themenbereiche Politik, Religion, Kultur und Wirtschaft diskutiert wurden. Aus Deutschland war, so berichtete es ­Eucken später im Rotary Club Freiburg375, außer ihm noch der Mainzer Philosoph Fritz-Joachim von Rintelen (1898–1976) eingeladen, der allerdings aufgrund von Visaproblemen nicht kommen konnte.376 Die Auswahl der Referenten besorgte der Historiker und Philosoph Rafael Calvo Serer (1916–1988), der nach seiner Rückkehr aus London, wo er in der Leitung des Spanischen Kulturinstituts tätig gewesen war, die Zeitschrift Arbor des CSIC gegründet hatte. Calvo Serer ging es darum, renommierte Wissenschaftler aus dem Ausland als Referenten zu gewinnen, um den Konferenzen der Sommerakademie in den Medien ein möglichst breites Echo zu verschaffen. Für den Themenbereich Wirtschaft erging seine Einladung an Hayek, Eucken, Röpke und Schumpeter, wobei letztlich nur ­Eucken und Hayek zusagten.377 Hayek reiste per Flugzeug nach Barcelona, wo ihn ehemalige Schüler der London School of Economics – Lucas Beltrán (1911–1997), Juan Sardá Dexeus (1910–1995) und Salvador Millet y Bel (1912–1998) – erwarteten und mit ihm im Zug über Madrid nach Santander weiterreisten. »Hayek en Barcelona«, titelte ein Beitrag in La Vanguardia am 23. August 1949. Der herausragende Ökonom Hayek sei unterwegs nach Santander zu einer Konferenz zu Fragen von »economía libre y economìa intervenida« hieß es dort und »esperamos, que las lecciones del eminente economista sean fructiferas.«378 374 ­Eucken

an Hayek, 3.2.1949, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. Rotary Club, Bericht Nummer 2/1949 über die Zusammenkunft vom 24.11.1949, ThULB, NL WE. 376  Vgl. Díaz Hernández (2008: 224, Anm. 24). 377  Siehe dazu Martín Rodríguez (2016: 30). 378  Millet y Bel (1949). 375 Vgl.

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Für Walter E ­ ucken gab es Verzögerungen bei »der Besorgung der Ausreisepapiere.«379 Das Visum erhielt er erst am 25. August 1949.380 Vom 26. August bis 7. September 1949 hielten sich Walter E ­ ucken und seine Frau dann in Spanien auf.381 Euckens verspätete Anreise habe ihm zwar nicht gestattet, die ganze internationale Konferenz mitzumachen, habe ihm jedoch Gelegenheit gegeben, viele der Wissenschaftler noch einzeln zu sprechen und es habe ihn beeindruckt, »wie sehr freundlich er als Deutscher aufgenommen wurde.«382 Walter E ­ ucken war bei den Organisatoren der Konferenz kein Unbekannter. Alberto Ullastres Calvo (1914–2001) und Miguel Paredes Marcos (1910–1976), die den Bereich Wirtschaft des CSIC leiteten, waren beide ehemalige Schüler und dann Kollegen des deutschen Ökonomen Heinrich Freiherr von Stackelberg (1905–1946).383 Von Stackelberg war ­ Eucken zum Freund geworden, nachdem sie 1939 in Berlin im geheimen Professorenausschuss, dann ab 1940 in der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre der Klasse IV der Akademie für Deutsches Recht und ab März 1943 in der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath, einem der oppositionellen Freiburger Kreise, zusammengearbeitet hatten, bevor von Stackelberg mit Billigung des Auswärtigen Amtes ab Oktober 1943 einem Ruf als Gastprofessor an die Universidad Complutense de Madrid gefolgt war. Der Ruf war auf Betreiben des Finanzwissenschaftlers Paredes Marcos zustande gekommen, der 1941/42 bei von Stackelberg in Bonn studiert hatte und dem es 1943 darum ging, einen international angesehenen Forscher für das seit Kurzem an der Facultad de Ciencias Políticas y Económicas etablierte Instituto de Estudios Políticos zu gewinnen.384 Von Stackelberg hatte seine spanischen Kollegen und Schüler mit dem Werk Walter Euckens und den ordoliberalen Ideen der Freiburger Schule bekannt gemacht. Daraufhin bildete sich in Spanien ein »von Stackelberg-Netzwerk«385, das auf der Grundlage der Ideen der Freiburger Schule auf den wissenschaftlichen Diskurs und die Entwicklung der Wirtschaftspolitik in Spanien Einfluss nahm. Der allzu frühe Tod von Stackelbergs am 12. Oktober 1946 hatte ­Eucken »schwer getroffen«, wie er kurz darauf an Röpke schrieb. Stackelberg sei »nicht nur ein Wissenschaftler von besonderem Rang, sondern auch ein sehr liebens379 Vgl. Rotary Club, Bericht Nummer 2/1949 über die Zusammenkunft vom 24.11.1949, ThULB, NL WE. 380  Visumeintrag in Euckens »vorläufigem Reiseausweis«, ThULB, NL WE. 381  Wie es aus dem spanischen Ein- und Ausreise-Stempel  – »Entrada: 26.8.1949; Salida: 7.9.1949« – hervorgeht. Vgl. Euckens »Vorläufiger Reiseausweis«, ThULB, NL WE. 382 Vgl. Rotary Club, Bericht Nummer 2/1949 über die Zusammenkunft vom 24.11.1949, ThULB, NL WE. 383  Für biographische Angaben zu von Stackelberg siehe Möller (1992). 384  Vgl. Ban (2012: 93). 385  Vgl. Ban (2012: 95 ff.) und ­Eucken (1948b: 135).

24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen



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­ ucken noch ein lanwerter Mensch«386 gewesen. Wenige Wochen zuvor hatte E ger Brief erreicht, in dem von Stackelberg seine schwere Erkrankung so genau schilderte, dass Eucken, wie er Röpke wissen ließ387, bei seinem Freiburger Internisten Informationen einholen konnte. »[D]ass das Ende so schnell kommen würde, war wohl nicht zu erwarten«, schrieb Röpke bald darauf anlässlich der Übermittlung der Todesnachricht und fügte an: »Es ist für unsere Wissenschaft ein grosser Verlust, während Sie zugleich einen Freund verlieren.«388 ­Eucken würdigte das wissenschaftliche Werk von Stackelbergs in einem Nachruf.389 In Santander sprach ­Eucken über »La economia planificada y la ordenación de la competencia«390, während Hayek zum Thema »Planificación y libre competencia en económia« vortrug.391 Euckens Veranstaltung besuchten zahlreiche spanische Professoren, unter anderem die ehemaligen Schüler von Stackelbergs  – José Castañeda Chornet (1900–1987), Miguel Paredes Marcos (1910–1976), José María Naharro Mora (1912–1992) und Juan Sardá Dexeus (1910–1995) –, ebenso auch junge Hochschulabsolventen, die bei von Stackelberg studiert hatten, wie die späteren Wirtschaftsprofessoren Fabián Estapé (1923–2012), José Ángel Sánchez Asiaín (1929–2016) und Juan Velarde Fuertes (1927–2023).392 Nach Freiburg zurückgekehrt, dachte ­Eucken »[m]it großer Freude« zurück an das Zusammentreffen mit Professor José Vergara Doncel (1906–1983) in Sardinero – heute ein Stadtteil von Santander – und die »schöne und interessante Unterhaltung, die wir über unseren verstorbenen Freund Stackelberg und über andere Fragen hatten.«393 Vergara hatte unter anderem bei Frank Knight und Milton Friedman in Chicago studiert und war ein Freund von Heinrich von Stackelberg, dessen Werke er ins Spanische übersetzte. Zudem war Vergara ein Freund des Philosophen Ortega y Gasset, den Walter und Edith ­Eucken 1934 in Freiburg persönlich kennengelernt hatten, als Ortega y Gasset und dessen älterer Sohn Miguel Ortega Spottorno (1911–2006) bei Husserl zu Besuch waren.394 Bald nach der Konferenz in Santander habe Eucken, wie aus einer an den Generalsekretär des CSIC, José María Albareda Herrera (1902–1966), gerichteten 386 ­Eucken

an Röpke, 1.11.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 387 ­Eucken an Röpke, 3.10.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 388  Röpke an Eucken, 24.10.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 389 ­Eucken (1948b). 390 ­Eucken (1949). 391  Vgl. Diaz Hernández (2008: 225). 392  Vgl. Martín Rodríguez (2016: 30). 393 ­Eucken an Vergara, 1.10.1949, ThULB, NL WE. 394  Vgl. Schuhmann (1977: 453 und 455).

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Notiz von Calvo Serer hervorgeht395, vorgeschlagen zwischen einem »nuevo organismo de investigación alemán«  – dem seit März 1949 eingerichteten Deutschen Forschungsrat, dem ­Eucken als Mitglied angehörte – und dem CSIC Austauschbeziehungen zu etablieren. Über seine Spanienreise berichtete ­Eucken im Oktober 1949 auch seinem Freund Otto Veit, mittlerweile Präsident der Landeszentralbank in Hessen: »In Spanien war es übrigens ausserordentlich interessant. Nicht nur wirtschaftlich. Daneben zeigte sich eine ausserordentlich starke Neigung zu Deutschland kulturell in nahe Verbindung zu kommen und zwar gerade auf nationalökonomischem Gebiet. Davon kann ich Ihnen später noch einmal persönlich erzählen.«396 An Hayek, dem er wegen der verspäteten Anreise in Santander vermutlich nicht begegnet war, berichtete Eucken im November 1949: »Die spanische Reise verlief ausgezeichnet. Und zwar nicht nur wegen der sehr anregenden Diskussionen und der vielen Eindrücke, sondern auch wegen der guten gesundheitlichen Wirkung. Nun habe ich die Folgen der Lungenentzündung vom Frühjahr überwunden.«397 Seinen Rotarier-Freunden in Freiburg berichtete ­Eucken im November 1949 von »ungewöhnlich interessanten Diskussionen mit spanischen Herren insb. über wirtschaftliche Fragen«398 und schilderte zudem, welch »tiefen Eindruck« ihm bei seiner Spanienreise auch der Besuch der Höhle von Altamira und die dort in schwarzen und roten Erdfarben an die Decke der Höhle gemalten Tierdarstellungen, gemacht haben. Sie seien ein »großartiges Beispiel der Kultur der Eiszeit-Menschen« und gleichzeitig »eine hervorragende künstlerische Leistung.«399 Im Jahr 1950 hoffte ­Eucken erneut nach Spanien reisen zu können. »Meine Frau und ich werden vielleicht im Herbst des nächsten Jahres nach Madrid kommen, um dort einige Vorträge zu halten«, schrieb er an José Vergara in Madrid, »[h]offentlich bietet sich dann Gelegenheit die Unterhaltungen, die wir in Sardinero begannen, ausgiebig weiterzuführen.«400

395 Vgl.

Notiz von Calvo Serer (Madrid) an Albareda, 4.11.1949, AGUN. ARCS,1/32/329, zit. nach Diaz Hernández (2008: 225, Anm. 28). 396 ­Eucken an Otto Veit, 5.10.1949, ThULB, NL WE. 397 ­Eucken an Hayek, 3.11.1949, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 398 Vgl. Rotary Club, Bericht Nummer 2/1949 über die Zusammenkunft vom 24.11.1949, ThULB, NL WE. 399 Vgl. Rotary Club, Bericht Nummer 2/1949 über die Zusammenkunft vom 24.11.1949, ThULB NL WE. 400 ­Eucken an Vergara, 1.10.1949, ThULB, NL WE.



24. Wirken im internationalen Netzwerk der Liberalen

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24.5. Gastvorträge in London Bereits im Sommer 1947, wenige Monate nachdem sie sich in der Schweiz getroffen hatten, erhielt Walter E ­ ucken von Friedrich August von Hayek und Lionel Robbins die Einladung, im Jahr 1948/1949 die »University of London Special Lectures in Economics an der London School of Economics (LSE)« zu halten.401 Die erforderliche Genehmigung des britischen Ministry of Labour and National Service bekam ­Eucken Mitte Dezember 1949.402 Anfang März 1950 konnte ­Eucken dann schließlich die Reise zu den Gastvorträgen in London antreten. Hayek traf ­Eucken indes nicht mehr in London an. Hayek hatte einen Ruf an die University of Chicago angenommen und war »schon nach Chicago übersiedelt«403 beziehungsweise zunächst zur Wahrnehmung einer befristeten Gastprofessur in Fayetteville, Arkansas, eingetroffen.404 »Auch ich bedaure es natürlich sehr, daß wir uns im März in London nicht sehen. Umso sicherer rechne ich mit Ihrem Kommen nach Freiburg. Es gibt im übrigen sehr viel zu besprechen«405, schrieb ­Eucken Anfang Januar an Hayek und am 2. März 1950 teilte er ihm mit: »Morgen fahren meine Frau und ich nach London zu den Vorträgen.«406 Nicht weit entfernt vom Old Building der London School of Economics in der Houghton Street waren Walter und Edith E ­ ucken im Howard Hotel407 untergebracht. Für ­Eucken war es der vierte Besuch in London. Als Doktorand hatte er 1911 und 1912 dort für seine Dissertation recherchiert, 1931 hatte er mit seiner Frau dort über die Pfingsttage den Schwager Gerhard Erdsiek besucht. Edith ­Eucken wurden aus Freiburg die Korrekturfahnen zu ihrem Buch Größe und Wahn408 ins Hotel nachgeschickt409, und Walter ­Eucken freute sich mit ihr, dass ihre erste Buchpublikation, eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Charakteren von Friedrich dem Großen, Napoleon und Hitler sowie mit dem Phänomen des Nationalsozialismus, bevorstand. 401  Vgl. Robbins an Eucken, 17.7.1947, Letters to and from Economists, April 1946– 31.10.1947, Robbins Papers, zit. nach Howson (2011: 682). 402  Permit under Article 1 (3) (b) of The Aliens Order, 1920, Ministry of Labour and National Service, London, vom 12.12.1949, ThULB, NL WE. 403  Hayek ([1979] 2004: 52). 404  Vgl. Hennecke (2000: 230). Siehe dazu auch Howson (2011: 704). 405 ­Eucken an Hayek, 7.1.1950, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 406 ­Eucken an Hayek, 2.3.1950, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 407 Das Howard Hotel befand sich in der Norfolk Street-Strand, London W. C.2. Heute befindet sich dort das Areal des Gebäudekomplexes »Arundel Great Court«. 408  Eucken-Erdsiek (1950). 409  Christoph ­Eucken an Edith und Walter Eucken, 10.3.1950, ThULB, NL WE. Auf dieser Postkarte schreibt der zehnjährige Sohn den Eltern nach London: »Die Korrektur von Friedrich und Napoleon wird bald bei Euch eintreffen.«

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

Wenige Wochen vor der Abreise hatte Walter ­Eucken sein neunundfünfzigstes Lebensjahr vollendet und er habe von da an – so erinnert es der Schwiegersohn seines Freundes Engelmann  –, bereits »tiefere Gedanken« darauf verwendet, wie er den aus Anlass seines herannahenden 60. Geburtstages zu erwartenden Gratulationsfeiern geschickt ausweichen könne, denn nichts habe ­ Eucken weniger gelegen als persönliche Ehrungen.410 Im Februar 1950 schrieb ­Eucken seinem Jugendfreund Erich Schott – so rief dieser es später in seinem Kondolenzbrief an Edith E ­ ucken in Erinnerung  –, »dass ihm mit dem älter werden die Jugend in Gedanken näher rücke und dass er sich mehr als früher mit der Erinnerung an unsere gemeinsam verbrachte Jugend beschäftige.« Beide hätten sie den Wunsch gehabt, »uns wieder näher zusammen zu schliessen und die aus unserer beider beruflichen Überbeanspruchung entstandenen Hindernisse beiseite zu schieben.«411 Mit der Vortragsreihe412 in London ging es E ­ ucken vor allem darum, »von den deutschen Erfahrungen zu berichten und – nach so langer Unterbrechung – einen fruchtbaren Gedankenaustausch wieder in die Wege zu leiten.«413 In der Vorbemerkung zu seinem ersten Vortrag stellte er die Frage an den Anfang, die ihn seit Langem beschäftigte und die, wie er betonte, von allen Nationen gelöst werden müsse: »Wie kann dieser modernen industrialisierten Wirtschaft und Gesellschaft eine menschenwürdige und funktionsfähige Ordnung gegeben werden?«414 Dabei ging es ihm darum, die wirtschaftspolitischen »Ideologien von ehedem« – »merkantilistische Ideen des 18. Jahrhunderts, liberale des 18. und 19. Jahrhunderts und sozialistische, die im wesentlichen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind«415 – beseite zu schieben und die aus den wirtschaftspolitischen Experimenten des letzten halben Jahrhunderts gewonnene wirtschaftspolitische Erfahrung aufzuzeigen und »für die Zukunft nutzbar zu machen.«416 Die Schilderung, »wie einige große Probleme von der deutschen Wirtschaftspolitik seit 1900 bis heute angefaßt wurden und welche Erfolge sie hatten«417, begann E ­ ucken in seinem ersten Vortrag »mit dem Problem der wirtschaftlichen 410 

Pieske (1980: 10). Schott an Edith Eucken, 31.3.1950, ThULB, NL WE. Erich Schott war im Sommer 1945 auf Anordnung der amerikanischen Besatzungsmacht, die Thüringen räumte und der sowjetischen Militärregierung überließ, zusammen mit einigen wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitern von Jena in den Westen Deutschlands übersiedelt und hatte ab 1946 mit dem Wiederaufbau der SCHOTT Glaswerke in Mainz begonnen. Vgl. Steiner (1991: 67 f.). 412  Posthum veröffentlicht als E ­ ucken (1951). 413  Eucken, E. (1951). 414 ­Eucken (1951: 2). 415 ­Eucken (1951: 2). 416 ­Eucken (1951: 3). 417 ­Eucken (1951: 5). 411 

25. Tod in London – Grab in Freiburg



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Macht.«418 Im zweiten Vortrag ging es um die Frage »Zwangsläufigkeit der wirtschaftspolitischen Entwicklung?«419, im dritten um »Soziale Frage, Sozial- und Vollbeschäftigungspolitik«420 und im vierten Vortrag – er wurde aufgrund einer Grippeerkrankung Euckens verlesen – um »Die Währungspolitik und ihre Konsequenzen.«421 Für den fünften Vortrag hatte ­Eucken das Thema »Die Entwicklung des ökonomischen Denkens«422 vorgesehen.

25. Tod in London – Grab in Freiburg »[U]nmittelbar vor dem fünften Vortrag, als er bereits genesen schien«423, erlag ­Eucken am 20. März 1950 im Howard Hotel in London einem Herzinfarkt.424 »Thus died one of the noblest characters of our age«, schrieb Lionel Robbins kurz darauf aus Princeton425 an Albert Hunold, »[y]ou can imagine the inexpressible grief and shock which we felt. Frau E ­ ucken behaved with most wonderful courage and control, and returned almost immediately to Freiburg in order to break the news to her children before it got into the papers.«426 Zu den näheren Umständen berichtete Robbins, E ­ ucken habe, nachdem er sich nach einem Grippeinfekt bereits auf dem Weg der Besserung befand, einen leichten Rückfall erlitten; dies schien aber keinen Anlass zur Sorge zu geben; am Morgen des 20. März, einem Montag, schien er wieder wohlauf zu sein. Am Nachmittag, als seine Frau ihm in den Mantel half, habe er sich plötzlich ans Herz gefasst und sei tot zusammengebrochen. Es habe keinerlei Möglichkeit gegeben, ihn zu retten.427 Alan Peacock (1922–2014), seinerzeit junger Lecturer an der London School of Economics, erinnerte sich: »Walter Eucken, to our great sorrow, died just before the last of his lecture series at the LSE […] It was decided not to cancel 418 ­Eucken

(1951: 6; Hervorhebung im Original). (1951: 16–30). 420 ­Eucken (1951: 31–44). 421 ­Eucken (1951: 45–58). 422 ­Eucken (1951: 59–72). 423  Eucken, E. (1951). 424  Zottmann (1950: 175). 425  Robbins war am 22. März 1950 auf dem Dampfer Queen Elizabeth nach New York abgereist, wo er am 28. März ankam und dann am 2. April zu einem zweimonatigen Aufenthalt in Princeton eintraf. Vgl. Howson (2011: 705 f.). 426  Robbins an Hunold, zitiert im Brief Hunold an Hayek, 24.7.1950, Hayek-Korrespondenz im Nachlass Albert Hunold, Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Für den Hinweis auf diesen Brief und die Übermittlung einer Kopie danke ich Hansjörg Klausinger. 427  Vgl. Robbins an Hunold, zitiert im Brief Hunold an Hayek, 24.7.1950, Hayek-Korrespondenz im Nachlass Albert Hunold, Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 419 ­Eucken

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IV. Einfluss auf die Nachkriegsordnung und Internationalisierung

his final lecture but, as a tribute to interest in the series and to the man himself, to have it read to the audience […] I […] was given this awesome privilege.«428 John Jewkes vermutete als tiefer liegende Ursache für Euckens unerwarteten Tod: »It was doubtless this rare combination of character and learning which brought to ­Eucken after the war a burden of work too great for any one man, which contributed to his final exhaustion and led to his untimely and tragic death.«429 Noch im Januar 1950, in einem seiner letzten Briefe an Hayek, hatte ­Eucken im Hinblick auf die wirtschaftspolitische Entwicklung in Deutschland Bilanz gezogen und angedeutet, wo er hinsichtlich seiner Arbeit die Prioritäten für das Jahr 1950 sah: »Im Ganzen ist deutlich das Vordringen der Gedanken der Wettbewerbsordnung  – auch in der Wirtschaftspolitik  – zu spüren. Aber man soll sich von Augenblickserfolgen nicht zu viel versprechen. Die eigentliche, tiefer liegende Umstellung des Denkens ist noch nicht erfolgt. Deshalb will ich auch in den nächsten Jahren Sitzungen u. s. w. möglichst zurückschieben, um Zeit zur Arbeit zu bekommen, die etwas tiefer bohrt und wohl wichtiger ist als die andere.«430 Eucken war der Meinung, wie er es wenige Jahre zuvor Röpke gegenüber zum Ausdruck gebracht hatte, »dass wir auf lange Sicht arbeiten müssen. Es müssen allmählich und im Laufe der Jahrzehnte die Ideen einer menschenwürdigen und funktionsfähigen Ordnung kräftig zur Geltung gebracht werden. Solche Ideen wirken langsam; aber sie wirken. Und darin, nicht in der Wirkung auf die unmittelbare Gegenwart, verspreche ich mir einen Erfolg.«431 Bevor sie in den Zeitungen stand, hatte die traurige Nachricht Freiburg erreicht und sich unter Euckens Studenten verbreitet: So schrieb Euckens Studentin Ilse Ritter am 22. März 1950 an ihren Kommilitonen: „Prof. Eucken ist am Montagabend in London plötzlich verstorben. […] Frau Eucken wird heute zurück erwartet.“432 Von Bestürzung und Trauer über Euckens frühen Tod zeugen die zahlreichen Nachrufe. Was Eucken seinen Studenten gewesen war, kam in der Ansprache seines Studenten Ulrich Freiherr von Freyberg im Trauergottesdienst in der Christuskirche zu Freiburg am 8. April 1950 zum Ausdruck: »Was er uns bedeutete, kann nur aus der geistigen Lage heraus voll gewürdigt werden, in der sich die akademische Jugend Deutschlands nach dem vergangenen Krieg zu Beginn ihres Studiums befand: Nicht nur hatten viele Heimat, Elternhaus und Freunde verloren, sondern in beinahe allen von uns waren […] Glauben, Hoffnung und Sinn für Ordnung unterhöhlt […]. Wie oft konnte man damals hören: ›Ich glaube an nichts mehr.‹ Wie 428 

Peacock (2000: 541). Jewkes (1951: 7). 430 ­Eucken an Hayek, 7.1.1950, HIA, FAH Papers, Box 18, Fo. 40. 431 ­Eucken an Röpke, 30.3.1946, Röpke-Archiv im Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. 432  Ilse Ritter an Jürgen Horn, 22.3.1950, Privatbesitz Karen Horn. Für diesen Hinweis und eine Kopie der Postkarte danke ich Karen Horn. 429 



25. Tod in London – Grab in Freiburg

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viele waren zunächst in Opposition gegen alles, waren Gefangene der Negation, waren ergriffen vom horror vacui […]. Gegenüber dieser Situation begann nun Prof. E ­ ucken uns eine neue Welt aufzuzeigen, eine Welt der Ordnung. Seine Vorlesungen und die von ihm geleiteten Diskussionen standen unter dem Wort, das in die Mauern unserer Universität eingemeißelt ist: ›Die Wahrheit wird Euch freimachen.‹ […] [E]s war etwas Bleibendes, was er seinen Schülern gab: Die Leidenschaft nüchternen Denkens, die Leidenschaft unbeirrbaren Suchens nach Wahrheit. Indem er die Begriffsverwirrungen und Ideologien unserer Zeit beiseite schob, führte er uns auf dem Fundament der von ihm klar zu Tage gelegten ökonomischen Tatsachen heran an die eigentlichen Probleme unserer Zeit. Und indem er uns zeigte, daß und wie eine wirklich menschenwürdige Ordnung der Gesellschaft und der Wirtschaft möglich ist, begann er damit auch Ordnung zu schaffen in den Herzen seiner Schüler. […] So bleibt Prof. ­Eucken dem Geiste nach bei uns. Er lebt weiter in seinen Werken, in seinen Büchern und Schriften, vor allem aber in seinen Schülern.«433

In Würdigung der Verdienste Euckens um die Universität hob der Rektor der Universität Freiburg, der Historiker Gerd Tellenbach, hervor: »Walter Eucken, der 23 Jahre der Universität Freiburg […] treu geblieben ist, hat auf sie in ungewöhnlichem Maß prägend gewirkt. Als Dekan, als Senator, als Gelehrter und Mensch hat er teils still, teils kräftig sich offenbarend die Geschicke der Universität mitgestaltet. […] Ein und dasselbe Streben geht durch sein persönliches Leben, sein wissenschaftliches Schaffen, seine sozial- und wirtschaftspolitische Wirksamkeit: durch Klarheit und Bindung an das Vernünftige diejenige Freiheit zu verwirklichen, die nur immer in menschlichen Bereichen möglich ist. Das Streben nach solcher Freiheit war aber wohl zutiefst begründet in der Ahnung von einer höheren Freiheit, von der Menschenworte nur noch unvollkommene Aussagen machen können.«434

Auf dem Friedhof in Freiburg-Günterstal wurde Walter Eucken beigesetzt. 433  Freyberg (1950). Der Satz »Die Wahrheit wird Euch frei machen«, der 1911 auf der Westseite des Kollegiengebäudes I der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg angebracht wurde, verweist – wie der Freiburger Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis aufzeigt – »nicht nur auf das Christus-Wort aus dem Johannes-Evangelium, das ist auch die Botschaft der sokratischen Philosophie und in ihrer Nachfolge aller wahren, aufklärenden, das heißt frei machenden Wissenschaft.« Hennis ([1998] 1999: 412). 434 Tellenbach (1950). Während seiner Freiburger Zeit erhaltene Rufe nach auswärts  – so 1946 an die Universität Heidelberg und die Universität Hamburg, 1949 an die Universität Frankfurt  – hat E ­ ucken abgelehnt. Vgl. Personalakten Walter Eucken, StAF C25/2 Nr. 84, Bl. 68 (Heidelberg), Bl. 75 (Hamburg), Bl. 83 (Frankfurt a. M.). Die Erteilung eines Rufes an die Universität Leipzig im Sommer 1934 wurde durch die Hochschulkommission der NSDAP verhindert. Vgl. Marcon (2004: 482). Anfang 1928 wurde ­Eucken auf einem Berufungsvorschlag der Universität Marburg an erster Stelle genannt. Vgl. Hennecke (2005: 62). Für den Erhalt eines Rufes nach Marburg gibt es indes keinen Beleg. Ebenso wenig ist der Erhalt eines Rufes an die Universität Göttingen im Jahr 1930 belegt. Hinweise auf einen möglichen Listenplatz in Göttingen ergeben sich lediglich aus folgenden Briefen: E ­ ucken an Kunkel, 27.12.1929, Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, NL Wolfgang Kunkel, Nr. 384, in ­Eucken GS, Band III.1, sowie ­Eucken an Edith Eucken, 5.1.1930, ThULB, NL WE.

Epilog: Ein Leben für Menschenwürde und Wettbewerb Rund zwei Wochen vor seinem plötzlichen Tod stellte ­Eucken zu Beginn seiner Vortragsreihe in London jene Frage an den Anfang, die seit Langem im Mittelpunkt seiner ordnungstheoretischen und ordnungspolitischen Forschung stand: »Wie kann dieser modernen industrialisierten Wirtschaft und Gesellschaft eine menschenwürdige und funktionsfähige Ordnung gegeben werden?«1 Dabei betonte er, dies sei eine Frage, die nicht nur von Deutschland, sondern von allen Nationen gelöst werden müsse. Zwei Anforderungskriterien an die neue Ordnung waren für ­Eucken zentral: Menschenwürde und Funktionsfähigkeit, wobei E ­ ucken unter Funktionsfähigkeit einen funktionierenden Wettbewerb innerhalb klarer Spielregeln verstand. Mit diesen beiden Kriterien hatte sich E ­ ucken in den beiden letzten Jahrzehnten seines Lebens intensiv beschäftigt. Gleichwohl reichen die Wurzeln für viele seiner Erkenntnisse noch weiter zurück: Sie gründen zum einen in ethisch-philosophischen Erkenntnissen, die Walter ­Eucken »als Schüler Rudolf Euckens«2 aus der Lebensphilosophie seines Vaters gewonnen hat, und zum anderen auf unmittelbare Erfahrungen mit der Kartellproblematik und dem »Phänomen der wirtschaftlichen Macht«3, die ­Eucken in den 1920er Jahren während seiner Tätigkeit im Reichsverband der Deutschen Industrie gemacht hat. Das Nachdenken über Menschenwürde und Wettbewerb durchzog wie ein roter Faden Euckens Leben und sein Denken in Ordnungen. Menschenwürdig, das hieß für Eucken, die Ordnung müsse den einzelnen Menschen »ein selbstverantwortliches Leben«4 ermöglichen und ihnen größtmögliche Entfaltungsspielräume lassen, sie müsse also der Freiheit und Würde jedes einzelnen Menschen verpflichtet sein.5 Walter ­Eucken ging es um eine Ordnung, die eine Verbindung »der geistig-seelischen Existenz des Menschen mit sehr nüchternen Fragen der wirtschaftlichen Lenkungsmechanik«6 gestat1 ­Eucken

(1951: 2). So bezeichnete sich Walter ­Eucken in ­Eucken (1926: 16). 3 ­Eucken ([1940] 1989: 197 f.). 4 ­Eucken ([1940] 1989: 240). 5  Vgl. dazu Goldschmidt/Wohlgemuth (2008a: 2). 6 ­Eucken ([1952] 2004: 184). 2 

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tet und »den Menschen das Leben nach ethischen Prinzipien ermöglicht.«7 Die unmittelbare Erfahrung des nationalsozialistischen Unrechtssystems, in dem der Staat, ohne ethische Grenzen zu respektieren, in menschenverachtender Weise in das Leben der Menschen eingriff, war für E ­ ucken Anlass, über die dringliche Notwendigkeit einer menschenwürdigen Ordnung nachzudenken und darüber auch intensiv mit seinen Mitstreitern in den oppositionellen Freiburger Kreisen zu diskutieren. Bereits in seiner kurz nach Erscheinen verbotenen Schrift Nationalökonomie – wozu? konstatierte Eucken: »Krisen, Depressionen, Hungersnot, wirtschaftliche und soziale Machtkämpfe, rasch zunehmende Vermassung und Vermachtung  – das sind Ereignisse, die wir in den letzten Jahrzehnten selbst miterlebten. Es gibt kaum Menschen, die von ihnen nicht betroffen wurden. Die Existenz sehr vieler Menschen wird dadurch entscheidend bestimmt. Am eigenen Leib spüren wir einen fundamentalen Tatbestand unserer Zeit: Sie besitzt keine Wirtschaftsordnung, die funktionsfähig ist und die den meisten Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglicht.«8 Wie aus neu erschlossenen Quellen im Nachlass Euckens hervorgeht  – so ­ ucken in wirtdeutet es Uwe Dathe in einer ersten Übersicht9 an  –, habe E schaftspolitischen Notizen der Jahre 1938 bis 1941 festgehalten, dass »mit der Zentralverwaltungswirtschaft ›Staatssklaverei‹ verbunden sei und die Menschen auch geistig-politisch in einer totalen Abhängigkeit gehalten werden.«10 Aus Aufzeichnungen über ein Gespräch mit Constantin von Dietze im Dezember 1942 gehe hervor, dass ­Eucken und seine Freiburger Freunde der Auffassung waren, die neue Ordnung – die Wettbewerbsordnung – müsse »nicht in erster Linie wegen der maximalen Güterversorgung, sondern wegen der größeren Chance, den Menschen eine freie und würdige Existenz zu verschaffen«11, errichtet werden. Seit Anfang 1943 habe sich ­Eucken auch »intensiv mit der Freiheitsproblematik und den Menschenrechten«12 beschäftigt. Das Hauptaugenmerk Euckens galt dem Schicksal der Menschen. Ihm war bewusst, dass die Wirtschaftsverfassung nicht nur »die wirtschaftliche Existenz ­ ucken der Menschen«, sondern »ihr ganzes Leben«13 beeinflusst. So hatte E es 1941 in seinem Referat »Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung« auf der von Günter Schmölders organisierten Münchner Tagung der Arbeitsgemeinschaft Preispolitik hervorgehoben und zugleich für eine Wirtschaftsverfassung plädiert, »welche die wirtschaftlichen Ordnungsprobleme der Zunkunft zu lösen imstande ist und in der die unabdingbaren Freiheitsrechte 7 ­Eucken

([1952] 2004: 199). ([1938] 1961: 51 f.). 9  Vgl. Dathe (2018b). 10  Dathe (2018b: 126). 11  Dathe (2018b: 127). 12  Dathe (2018b: 125). 13 ­Eucken (1942: 48). 8 ­Eucken

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des Menschen wirklich gewahrt sind.«14 Die Veröffentlichung dieses Münchner Referats sollte ­Eucken dann ernsthaft in Gefahr bringen, als Röpke Anfang März 1943 darauf Bezug nahm und in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb, ­Eucken habe in klaren Worten das »Fiasko der nationalsozialistischen Wirtschaftslenkung konstatiert.«15 Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gestapo ­Eucken bereits im Visier, weshalb ­Eucken den Briefkontakt zu Röpke sofort abbrach und erst nach Kriegsende wieder aufnahm. Die Bedeutung des Wettbewerbs für die Funktionsfähigkeit des Preisbildungsprozesses in der Wirtschaft hatte E ­ ucken bereits zu Beginn der 1930er Jahre dargelegt und festgestellt: »Gerade durch die Politisierung der Preisbildung wurde der Produktions- und Verteilungsprozeß von Zufälligkeiten politischer Machtgruppen abhängig, und insofern ist die Wirtschaftsordnung anarchisch geworden.«16 Der Staat war zum Spielball wirtschaftlicher Interessengruppen geworden. Deshalb ging es E ­ ucken und seinen Mitstreitern um die Suche nach einer gefestigten »Ordnung der Wirtschaft, der Gesellschaft, des Rechtes und des Staates«17, die nicht einzelnen Gruppeninteressen dient. Der Wettbewerb – so hat es Franz Böhm, Euckens juristischer Mitstreiter im interdisziplinären Forschungsteam der Freiburger Schule, später ausgedrückt – ist in einer Marktwirtschaft »nicht nur ein Leistungsansporn, sondern vor allem auch ein Entmachtungsinstrument […]. Denn vom Wettbewerb hängt nicht nur der Leistungspegel ab […], sondern auch der »Freiheits-, Gleichgewichtigkeits- und Gerechtigkeitsgehalt des marktwirtschaftlichen Systems.«18 Die theoretische Wirtschaftswissenschaft stand vor der Herausforderung, die Aufgaben der Wirtschaftspolitik neu zu bedenken.19 In seinen Grundlagen der Nationalökonomie erarbeitete ­Eucken das theoretische Rüstzeug für die Analyse von Wirtschaftsordnungen. Darauf konnte er bei der Formulierung der grundlegenden Prinzipien für seine ordnungspolitische Konzeption der Wettbewerbsordnung in den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik aufbauen. Für die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft hat ­Eucken damit herausragende Beiträge geleistet. ­Eucken hat es noch erlebt, dass die Politik Ludwig Erhards mit der parallel zur Währungsreform umgesetzten Freigabe vieler Preise im Jahr 1948 in Deutschland den Übergang zu einer Wettbewerbswirtschaft eingeleitet hat. Seither zählt Walter E ­ ucken zu den wichtigsten Wegbereitern der Politik der Sozialen Marktwirtschaft, auch wenn der Begriff »Soziale Marktwirtschaft« im Werk Euckens gar nicht vorkommt, sondern von Ludwig Erhard populär gemacht wurde. 14 ­Eucken

(1942: 44). Röpke (1943). 16 ­Eucken (1932a: 309). 17 ­Eucken ([1940] 1989: 239). 18  Böhm ([1971] 2008: 306). 19  Vgl. Goldschmidt/Wohlgemuth (2008: 3). 15 

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Erhard betonte jedoch, dass er der gedanklichen Vorarbeit Euckens und der Freiburger Schule sowie auch der Arbeit von Röpke, Rüstow, Hayek und MüllerArmack zahlreiche Ideen für seine Politik verdankte.20 Viele Facetten von Euckens Denken sind immer noch weitgehend unbekannt. Gleichwohl sind von der zur Veröffentlichung anstehenden Gesamtausgabe des Werkes von Walter ­Eucken weitere Quellenerschließungen zu erwarten. Sie versprechen weiteren Einblick in Euckens wissenschaftliche, private und politische Beziehungen, in seine Einflussnahme auf die politischen Debatten um die Neuordnung der deutschen Wirtschaft, in die Genese seines wissenschaftlichen Werkes, in seine wissenschaftliche und universitätspolitische Arbeit der Jahre 1933 bis 1945 sowie in seine Einstellung zu den großen politischen Fragen jener Jahre, die er mit seinen Mitstreitern in der akademischen Widerstandsgruppe der Freiburger Kreise diskutierte.21 Indes bleibt eine umfassende intellektuelle Eucken-Biographie ein Desiderat. Zum Schluss sei der Blick nochmals auf den Menschen Walter E ­ ucken gelenkt, und zwar auf eine seiner Äußerungen, die einmal mehr seine Persönlichkeit, sein Temperament und sein Selbstbewusstsein hindurchscheinen lässt – seine lapidare Feststellung im Schlusskapitel der Grundlagen der Nationalökonomie: »Viele Schriftsteller geben am Schluß eines Buches eine Zusammenfassung. Darauf muß ich verzichten. Denn ich vermag die Hauptgedanken dieses Buches nicht kürzer auszudrücken, als eben in einem Buch.«22

20 

Vgl. Dathe (2014c: 207). Vgl. Dathe (2014c: 208) und Dathe (2018b: 122). 22 ­Eucken ([1940] 1989: 222). 21 

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Lebensdaten von Walter Eucken 17. Januar 1891

Geburt in Jena Vater: Rudolf ­Eucken (1846–1926), Professor für Philosophie (Nobelpreisträger für Literatur, 1908) Mutter: Irene Eucken, geb. Passow (1863–1941)

Ab Ostern 1897

Alte Bürgerschule Jena

Ab Ostern 1899

Großherzoglich-Sächsisches Gymnasium Carolo-Alexandrinum, Jena

12. März 1909

Reifeprüfung am Großherzoglich-Sächsischen Gymnasium Carolo-Alexandrinum, Jena

SoSe 1909 bis SoSe 1910

Studium an der Universität Kiel (Geschichte und Staatswissenschaft; ab WS 1909/10 Nationalökonomie)

Januar 1910

Eintritt in das Corps Saxonia, Kiel (Austritt im Juli 1934)

WS 1910/11

Studium an der Universität Bonn (Staatswissenschaften)

SoSe 1911

Studium an der Universität Jena

WS 1911/12 bis WS 1912/13

Studium an der Universität Bonn (Staatswissenschaften und Jura)

5. März 1913

Promotion zum Dr. phil. an der Universität Bonn Dissertation bei Hermann Schumacher Thema: »Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt«

Ab 1. Oktober 1913

Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger beim 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiment in Erlangen

August 1914 bis Dezember 1918

Offizier an der Front beim 10. Bayerischen FeldartillerieRegiment, ab Anfang 1915 beim 9. Bayerischen Reserve-Feldartillerie-Regiment

Dezember 1918 bis 31. Dezember 1920

Assistent bei Hermann Schumacher am Staatswissenschaftlichen Seminar der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin und Redaktionssekretär von Schmollers Jahrbuch

Anfang 1919 bis ca. Anfang 1920

Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP)

1919

Nebentätigkeit im Bremer Bürgerausschuss

Ab 1919

Mitglied im 1919 gegründeten Euckenbund

304

Lebensdaten von Walter Eucken

9. Dezember 1920

Heirat mit Edith Erdsiek (1896–1985) Kinder: Irene (geb. 1933), Marianne (geb. 1935), Christoph (geb. 1939)

Dezember 1920 bis März 1924

Stellvertretender Geschäftsführer der Fachgruppe Textilindustrie beim Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI), Berlin

7. März 1921

Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Berlin Habilitationsschrift: »Die Stickstoffversorgung der Welt. Eine volkswirtschaftliche Untersuchung«

30. April 1921

Venia legendi

30. April 1921 bis 31. März 1925

Privatdozent an der Universität Berlin

Mai bis Juli 1922

Lehrauftrag an der Akademie der Arbeit, Frankfurt am Main

Ab 1924

Mitglied im Verein für Sozialpolitik (Auflösung 1936)

1. April 1924 bis 31. März 1925

Lehrauftrag für Geschichte der Nationalökonomie an der Universität Berlin (SoSe 1924 bis WS 1924/25)

1. April 1925 bis 30. September 1927

Ordentlicher Professor der Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Tübingen

SoSe 1926 und WS 1926/27

Dekan der Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlichen Fakultät und Obmann der Wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der Universität Tübingen

Ab 1. Oktober 1927

Ordentlicher Professor für Nationalökonomie an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg

WS 1928/29

Wahlmitglied des Senats der Universität Freiburg

SoSe 1929 und WS 1929/30

Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg

Ab Februar 1932

Mitglied im Deutschen Bund für freie Wirtschaftspolitik (gegründet von Alexander Rüstow)

SoSe 1933 und WS 1933/34

Wahlmitglied des Senats der Universität Freiburg (Rektor: Martin Heidegger)

19. September 1934

Aufnahme als Mitglied im Rotary Club Freiburg (Auflösung des Rotary Clubs im Oktober 1937; Neukonstituierung im November 1949)

Juli 1934

Austritt (Bandrückgabe) aus dem Corps Saxonia, Kiel

1934 bis 1943

Teilnehmer am »Diehl-Seminar« (Keimzelle der oppositionellen Freiburger Kreise)

Ab ca. 1934

Mitglied in der »Freiburger Bekenntnisfront« der Bekennenden Kirche



Lebensdaten von Walter Eucken

305

19.4.1938 bis 1.4.1939

Kommissarischer Direktor des Betriebswirtschaftlichen Seminars der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg

1938 bis 1944

Mitglied im Freiburger Konzil (oppositioneller Freiburger Kreis)

1940 bis 1943

Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre der Akademie für Deutsches Recht (Vorsitz: Erwin von Beckerath) (Auflösung im März 1943)

1942 bis 1943

Mitglied im Freiburger Bonhoeffer-Kreis (oppositioneller Freiburger Kreis)

1943 bis 1944

Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath in Freiburg (oppositioneller Freiburger Kreis)

SoSe 1945 und WS 1945/46

Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg

1945

Mitwirkung in der »Reinigungskommission« der Universität Freiburg

1945 bis 1946

Gutachter für die amerikanische Militärregierung

1945 bis 1947

Gutachter für die französische Militärregierung (Mitglied im Comité d’Études Économiques)

Mai 1946

Ruf an die Universität Heidelberg (abgelehnt)

1946

Ruf an die Universität Hamburg (abgelehnt)

Seit April 1947

Gründungsmitglied und Vizepräsident der Mont Pèlerin Society

Seit 1947

Mitherausgeber der internationalen Zeitschrift KYKLOS (gegründet von Edgar Salin)

Seit 1948

Gründungsmitglied des Wissenschaftlichen Beirats bei der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone in Frankfurt am Main, überführt in den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn

1948

Gründung des Jahrbuchs ORDO (mit Franz Böhm)

Seit Mai 1949

Gründungsmitglied im Deutschen Forschungsrat (DFR) (Vorsitz: Werner Heisenberg)

August/September 1949 Vortragsreise nach Santander, Spanien September 1949

Ruf an die Universität Frankfurt am Main (abgelehnt)

Seit November 1949

2. Vizepräsident des neugegründeten Rotary Club Freiburg

März 1950

Gastvorträge an der London School of Economics

20. März 1950

Tod in London

Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–19501 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg2 Semester

Titel der Lehrveranstaltung; Wochentag und Uhrzeit

WS 1927/28

Theoretische Nationalökonomie; Mo–Fr 12–13 Volkswirtschaftliches Proseminar; Fr 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar (für Vorgerückte); Do 18–20

SoSe 1928

WS 1928/29

SoSe 1929

WS 1929/30

1 

Praktische Nationalökonomie; Mo–Fr 16–17 * Das Reparationsproblem; Di 17–18 Volkswirtschaftliches Proseminar (Industriepolitik); Do 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Mi 18–20 Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute); Mo–Do 12–13 Ergänzungsvorlesung zur theoretischen Nationalökonomie I (für ­Nationalökonomen); Di, Mi 11–12 Volkswirtschaftliches Proseminar (Gewerbepolitik); Fr 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Mi 18–20 Praktische Nationalökonomie; Mo–Fr 16–17 * Währungsprobleme der Gegenwart; Di 17–18 Volkswirtschaftliches Proseminar (Einführung in die theoretische ­Nationalökonomie); Do 18–20 Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute); Mo–Do 12–13 Statistische Übungen für Anfänger; 2st; 14-tägig Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20

Abkürzungen: SoSe = Sommersemester; WS = Wintersemester; Kennzeichnung mit * = für Hörer aller Fakultäten. 2  Quelle: Vorlesungsverzeichnisse der Universität Freiburg – Historische Bestände. https://www.ub.uni-freiburg.de/recherche/digitale-bibliothek/freiburger-historischebestaende/vorlesungsverzeichnisse/ (Abgerufen am 22.11.2021). Die Angaben wurden geringfügig redaktionell vereinheitlicht.

308

Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950

SoSe 1930

Praktische Nationalökonomie; Mo–Fr 16–17 Statistische Übungen für Anfänger; 14-tägig; Mi 11–13 Volkswirtschaftliches Proseminar (zur Einführung in das Studium der Nationalökonomie); Di 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20

WS 1930/31

Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute); Mo–Do 12–13 Ergänzungsvorlesung zur theoretischen Nationalökonomie I (für ­Nationalökonomen); Di–Do 11–12 Statistische Übungen für Anfänger; 14-tägig; Do 18–20 Statistisches Seminar; 14-tägig; Do 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20

SoSe 1931

WS 1931/32

SoSe 1932

Praktische Nationalökonomie; Mo–Fr 16–17 * Der Versailler Vertrag im Rahmen der Friedensverträge der Neuzeit; Mi 17–18 Übungen zur Einführung in die Nationalökonomie; Do 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20 Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute); Mo–Do 12–13 Ergänzungsvorlesung zur theoretischen Nationalökonomie I (für ­Nationalökonomen); Mo–Mi 11–12 Übungen zur theoretischen Nationalökonomie; 14-tägig; Do 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20 Praktische Nationalökonomie; Mo–Fr 16–17 * Währungsprobleme der Gegenwart; Mi 17–18 Statistische Übungen für Anfänger; 14-tägig; Mo 20–22 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20

WS 1932/33

Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute); Mo–Do 12–13 Übungen über theoretische Nationalökonomie; 14-tägig; Mo 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20 (gemeinsam mit Lutz)

SoSe 1933

Praktische Nationalökonomie; Mo–Fr 16–17; Übungen zur »Praktischen Nationalökonomie«; 14-tägig; Mo 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20 (gemeinsam mit Lutz)

WS 1933/34

Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute); Mo–Do 9–10 Ergänzungsvorlesung zur theoretischen Nationalökonomie I (für ­Nationalökonomen); Di–Do 10–11 Volkswirtschaftliches Seminar; Fr 18–20 (gemeinsam mit Lutz)



Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950 

309

SoSe 1934

Praktische Nationalökonomie; Mo–Do 16–17; Do 15–16 Übungen zur Praktischen Nationalökonomie mit Besichtigungen; 14-tägig; Mo 18–20 Seminar über Kartellrecht und Kartellpolitik; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Böhm) Volkswirtschaftliches Seminar; Mi 18–20

WS 1934/35

Theoretische Nationalökonomie (für Juristen, Nationalökonomen und Forstleute; Mo–Do 16–17 Wirtschaftspolitisches und wirtschaftsrechtliches Proseminar (für Juristen und Nationalökonomen); Mo 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Böhm) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1935

Volkswirtschaftslehren (für Juristen (II), Nationalökonomen und Forstleute; Mo–Mi 8–9 Gemeinschaftsseminar: Diskussion wissenschaftlicher Streitfragen der Seminarleiter; 14-tägig; Mi 18–20 (gemeinsam mit Lampe) Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar für Juristen und Volkswirte; Di 20–22 (gemeinsam mit GroßmannDoerth und Böhm) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20 (gemeinsam mit Johns)

WS 1935/36

Volkswirtschaftspolitik (III); Mo–Do 16–17 Übungen zur Vorlesung »Volkswirtschaftspolitik (III)« mit Besichtigungen und Lehrwanderungen; Zeit n. V. Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar für Juristen und Volkswirte; Di 20–22; (gemeinsam mit GroßmannDoerth und Böhm) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20 (gemeinsam mit Lutz)

SoSe 1936

Volkswirtschaftslehren für Juristen (II), Wirtschaftswissenschaftler (II) und Forstleute; Mo, Di, Mi 11–12 Theoretische Nationalökonomie I (für Wirtschaftswissenschaftler); Mo, Di, Mi 12–13 * Der Kampf der Wissenschaft (dargestellt am Lebenswerk großer Denker); Mi 18–19 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Böhm) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

310

Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950

WS 1936/37 und SoSe 1937

Volkswirtschaftspolitik (III); Mo–Mi 16–17 Übungen zur Vorlesung über Volkswirtschaftspolitik (III) mit ­Besichtigungen und Lehrwanderungen; Zeit n. V. Gemeinschaftsseminar: Diskussion wissenschaftlicher Streitfragen der Seminarleiter; 14-tägig; Mi 18–20 (gemeinsam mit Lampe) Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar (für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler); Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1937 (Nachtrag)

Volkswirtschaftslehren für Juristen (II), Wirtschaftswissenschaftler (II) und Forstleute; Mo, Di, Mi 11–12 Geld und Kredit (IV ); Mo, Di, Mi 12–13 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar für Juristen und Wirtschaftswissenschaftler; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

WS 1937/38

Deutsches Wirtschaftsleben (I); Mo, Mi 12–13 Übungen zum Deutschen Wirtschaftsleben (I) mit Betriebsbesichtigungen; Mo 18–20 Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 11–12 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1938

Volkswirtschaftslehren (II); Mo, Di, Mi 11–12 Konjunktur und Konjunkturpolitik (einschließlich »Marktbeobachtung«); (IV ); Mo, Mi 12–13 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Pfister) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

WS 1938/39

Deutsches Wirtschaftsleben (I); Mo, Mi 12–13 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Pfister) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1939

Volkswirtschaftslehren (II); Mo, Di, Mi 11–12 Geld und Kredit (VI); Mo, Di, Mi 12–13 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth, Lohmann und Pfister) Volkswirtschaftliches Seminar; Mo 18–20

WS 1939/40

Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 16–17 Volkswirtschaftspolitik (III); Mo, Di, Mi 17–18 Übungen zur »Volkswirtschaftspolitik« (III); Betriebsbesichtigungen; Zeit n. V. Volkswirtschaftliches Seminar; Mo 18–20 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth, Lohmann und Pfister)



Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950 

311

2. Trimester 1940

Deutsches Wirtschaftsleben (I); Mo, Di 12–13 Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 11–12 Übungen zu »Deutsches Wirtschaftsleben« mit Betriebsbesichtigung (I); Zeit n. V. Wirtschaftsrechtliches Seminar; Di 20–22 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Lohmann) Statistische Übungen (mit schriftlichen Arbeiten); 14-tägig; Mi 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Mo 18–20

3. Trimester 1940

Volkswirtschaftslehren; Mo, Di 12–13 Konjunktur und Konjunkturpolitik (einschließlich »Bewegungsvorgänge in der Wirtschaft« und »Marktbeobachtung«; Mo, Di, Mi 11–12 Bevölkerungs- und Wirtschaftsstatistik (Übungen mit schriftlichen Arbeiten); 14-tägig; Di 18–20, Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

1. Trimester 1941

Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 11–12 Geld und Kredit; Mo, Di, Mi 12–13 Statistische Übungen (mit schriftlichen Arbeiten); 14-tägig; Mi 18–20 Proseminar für Wirtschaftsordnung und Betriebspolitik; 14-tägig; Mo 16–18 (gemeinsam mit Großmann-Doerth, Lohmann und Vertretern der Praxis) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1941

Deutsches Wirtschaftsleben; Mo, Di 12–13 Konjunktur und Konjunkturpolitik (einschl. »Bewegungsvorgänge in der Wirtschaft« und »Marktbeobachtung«; Mo, Di, Mi 11–12 Betriebsbesichtigungen mit Besprechungen; Besprechungsstunde Mi 12–13 Statistische Übungen (mit schriftlichen Arbeiten); 14-tägig, Mi 18–20 Proseminar für Wirtschaftsordnung und Betriebspolitik; gratis, privatissime, 14-tägig; Mo 16–18 (gemeinsam mit Großmann-Doerth und Lohmann) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

WS 1941/42

Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 11–12 Volkswirtschaftslehren; Mo, Di 12–13 Übungen für Anfänger; Di 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1942

Deutsches Wirtschaftsleben; Mo, Di 11–12 Geld und Kredit; Mo, Di, Mi 12–13 Übungen für Anfänger; Di 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

WS 1942/43

Volkswirtschaftslehren; Mo, Di 12–13 Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 11–12 Übungen für Anfänger; Di 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

312

Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950

SoSe 1943

Deutsches Wirtschaftsleben; Mo, Di, 12–13 Konjunktur und Konjunkturpolitik (einschl. Bewegungsvorgänge in der Volkswirtschaft und Marktbeobachtung); Mo, Di, Mi 11–12 Übungen für Anfänger; Di 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

WS 1943/44

Volkswirtschaftslehre; Mo, Di, Mi 11–12 Geld und Kredit; Mo, Di, Mi 12–13 Übungen zur Theoretischen Nationalökonomie für mittlere Semester; Di 18–20 Volkswirtschaftliches Seminar Do 18–20

SoSe 1944

Volkswirtschaftspolitik; Mo, Di, Mi 11–12 Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 12–13 Theoretische Übungen für Vorgerückte; Di 18–20 Volkswirtschaftliches Gemeinschaftsseminar; Zeit n. V. (gemeinsam mit von Dietze und Lampe) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

WS 1944/45

Konjunktur und Konjunkturpolitik (einschl. Bewegungsvorgänge in der Volkswirtschaft und Marktbeobachtung); Mo, Di 11–12 Übungen für Anfänger; Mi 18–20 Volkswirtschaftliches Gemeinschaftsseminar; Zeit n. V. (gemeinsam mit von Dietze und Lampe) Volkswirtschaftliches Seminar; Do 18–20

SoSe 1945

[Kein Vorlesungsverzeichnis]

WS 1945/46

[Kein Vorlesungsverzeichnis]

SoSe 1946

Volkswirtschaftspolitik; Mo, Di, Mi 11–12 Geld und Kredit; Mo, Di, Mi 12–13 Übungen für Anfänger; Do 17–19

WS 1946/47

Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi 12–13 Konjunktur und Konjunkturpolitik I; Mo, Di 12–13 Übungen für Anfänger; Do 17–19 Sozialphilosophisches Kolloquium; Zeit n. V.

SoSe 1947

Einführung in die Volkswirtschaftslehre; Mo, Di, Mi 12–13 Konjunktur und Konjunkturpolitik II; Mo, Di, 12–13 Übungen für Anfänger; Di 15–17 Volkswirtschaftliches Seminar; Do 17–19

WS 1947/48

Volkswirtschaftspolitik; Mo, Di, Mi, Do 12–13 Übungen für mittlere Semester; Di 15–17 Volkswirtschaftliches Seminar; Do 17–19

SoSe 1948

Theoretische Nationalökonomie; Mo, Di, Mi, Do 12–13 Übungen für mittlere Semester; Di 15–17 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; 2st; 14-tägig; (gemeinsam mit von Caemmerer) Seminar: Besprechung wissenschaftlicher Arbeiten, 2st



Lehrveranstaltungen von Walter ­Eucken 1927–1950 

313

WS 1948/49

Konjunktur- und Vollbeschäftigungspolitik (einschl. Außenhandelspolitik); Mo, Di, Mi, Do 12–13 Übungen für Fortgeschrittene; Di 15–17 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; Mo 20–22 (gemeinsam mit von Caemmerer)

SoSe 1949

Volkswirtschaftspolitik Mo, Di, Mi 12–13 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; 14tägig, Mo 20–22 (gemeinsam mit von Caemmerer) Doktorandenseminar; Zeit n. V. (gemeinsam mit von Dietze) Volkswirtschaftliches Seminar [Zeitangabe fehlt]

WS 1949/50

Einführung in die theoretische Nationalökonomie; Mo, Di 12–13 Ausgewählte theoretische Probleme für Fortgeschrittene; Mi, Do 12–13 Übungen für jüngere Semester; Di 17–19 Wirtschaftsrechtliches und wirtschaftspolitisches Proseminar; 14tägig; Mo 20–22 (gemeinsam mit von Caemmerer) Doktorandenseminar; Zeit n. V. (gemeinsam mit von Dietze) Volkswirtschaftliches Seminar; Mi 16–18

SoSe 1950 (geplant; nicht stattgefunden)

Einführung in die Geldtheorie und Währungspolitik; Mo, Di 12–13 Ausgewählte Probleme der Geld- und Vollbeschäftigungstheorie (für Fortgeschrittene); Mi, Do 12–13 Übungen für jüngere Semester; Di 17–19 Doktorandenseminar; Zeit n. V. (gemeinsam mit von Dietze und Miksch) Volkswirtschaftliches Seminar; Mi 17–19

Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise1 Abb. 1 Walter Eucken als Junge

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  321

Abb. 2 Walter Eucken als Schüler in Jena

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  321

Abb. 3 Vater Rudolf Eucken

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  322

Abb. 4 Mutter Irene Eucken

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  322

Abb. 5 Bruder Arnold Eucken als Student

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323

Abb. 6 Schwester Ida Maria Eucken als Sängerin Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323 Abb. 7 Walter Eucken als Modell für den Maler Ferdinand Hodler ­ im Garten seines Elternhauses in Jena, 1908 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  324 Abb. 8 »Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813«, Gemälde von Ferdinand Hodler, 1909. Friedrich-Schiller-­ Universität Jena. Mittelfigur: Walter Eucken Quelle: Universität Jena, Foto: Mohr Siebeck  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  325 Abb. 9 Walter Euckens Abiturklasse am Carolo-Alexandrinum Jena, 1909 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  326 1 Dank für die freundliche Genehmigung zum Abdruck der Fotografien geht an: Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin, Nachlass Adolf Lampe (Abb. 31); Familie Eucken (Abb. 40); Friedrich-Schiller-Universität Jena (Abb. 8); Hoover Institution Archives, Stanford University, Nachlass Friedrich A. v. Hayek, Box 198 (Abb. 34–36); Springer-Verlag und Gert Preiser, Nachlass Erich Preiser (Abb. 29); Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Nachlass Walter Eucken (Abb. 1–7, 9–24, 26, 28, 30, 33, 37–38); Walter Eucken Institut, Freiburg (Abb. 25, 27, 32, 39, 41–43).

316

Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise

Abb. 10 Walter Eucken im Elternhaus in Jena

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  327

Abb. 11 Walter Eucken und seine Mutter Irene Eucken, Jena 1913 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  327 Abb. 12 Walter Eucken als Einjährig-Freiwilliger des 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiments Erlangen, 1913/1914 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  328 Abb. 13 Walter Eucken zu Pferd als Einjährig-Freiwilliger des ­ 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiments Erlangen, 1913/1914 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  328 Abb. 14 Walter Eucken und sein Jugendfreund Erich Schott beim Militärdienst als Einjährig-Freiwillige des 10. Bayerischen ­Feldartillerie-Regiments Erlangen, 1913/1914 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  329 Abb. 15 Die Einjährig-Freiwilligen des 10. Bayerischen FeldartillerieRegiments Erlangen kurz vor der Mobilmachung 1914 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  329 Abb. 16 Walter Eucken und Edith Eucken

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330

Abb. 17 Walter Eucken und Edith Eucken, ca. 1920 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  330 Abb. 18 Walter Eucken und Edith Eucken auf dem Balkon von »Haus Edith« in Baabe auf Rügen Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  331 Abb. 19 Walter Eucken und Edith Eucken mit Verwandten und Freunden am Strand in Baabe auf Rügen Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  331 Abb. 20 Walter Eucken, Professor in Tübingen, ca. 1925 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  332 Abb. 21 Rudolf Eucken, Jena, mit seinen Söhnen Arnold Eucken, Breslau, und Walter Eucken, Tübingen, ca. 1925 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  332 Abb. 22  450-Jahrfeier der Eberhard Karls Universität Tübingen im Juli 1927 – Walter Eucken im Festzug der Professoren Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  333



Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise

317

Abb. 23 Walter Eucken, Professor in Freiburg

Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  334

Abb. 24 Dekanatsfest, ausgerichtet von Walter und Edith Eucken in der Goethestraße 10, Freiburg, im Januar 1930 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  334 Abb. 25 Festzug der Professoren der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg aus Anlass des akademischen Festakts zur Übergabe des Rektorats an Rektor Martin Heidegger am 27. Mai 1933 Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  335 Abb. 26 Mitglieder der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, ca. 1934 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  335 Abb. 27 Faksimile eines handschriftlichen Briefes von Walter Eucken an H. Beerbohm vom 6. Februar 1934 (Auszug) Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  336 Abb. 28 Hochzeitsfest von Gerhard Erdsiek in der Goethestraße 10, Freiburg – unter den Gästen Walter Eucken, Edmund Husserl und Franz Böhm, April 1935. Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  337 Abb. 29 Arbeitstreffen des Kohlhammer Verlags, Stuttgart, mit Walter Eucken, Franz Böhm, Adolf Lampe und Erich Preiser, Juli 1935

Quelle: Gert Preiser, Nachlass Erich Preiser, und Springer-Verlag aus: Detlef Blesgen. Erich Preiser, Berlin: Springer-Verlag 2000, S. 429  . . . . . . .  337

Abb. 30 Universitätsfeier der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg am 31. Januar 1938 – unter den Teilnehmern Walter Eucken und Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  338 Abb. 31 Tagung der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre der Akademie für Deutsches Recht in Wiesbaden am 23./24. Mai 1941 – Gruppenbild von Teilnehmern vor dem Hotel Metropole, darunter Erich Preiser, Constantin v. Dietze, Hero Moeller, Walter Eucken, Carl Brinkmann, Richard Ritter v. Strigl, Jens Jessen, Erwin v. Beckerath, Adolf Lampe, Günter Schmölders, Hans Peter und Wilhelm Kromphardt

Quelle: Archiv für Christlich-Demokratische Politik, Konrad-AdenauerStiftung, Sankt Augustin, Nachlass Adolf Lampe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  339

318

Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise

Abb. 32 Walter Eucken, Constantin von Dietze und Adolf Lampe auf einer Exkursion bei Freiburg, ca. 1943 Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  340 Abb. 33 Walter Eucken während einer Vorlesung an der AlbertLudwigs-Universität Freiburg, Ende der 1940er Jahre Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  341 Abb. 34 Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – im Konferenzraum des Hôtel du Parc: Aaron Director, Milton Friedman, Harry Gideonse, Friedrich A. von Hayek, Fritz Machlup, Lionel Robbins, Wilhelm Röpke, C. Veronica Wedgwood

Teil A

Quelle: Hoover Institution Archives, Stanford University, Nachlass Friedrich A. v. Hayek, Box 198  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  342

Abb. 34 Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – im Konferenzraum des Hôtel du Parc: Herbert C. Cornuelle, John A. Davenport, Walter Eucken, Friedrich A. von Hayek, Carl Iversen, Ludwig von Mises, William E. Rappard, Dorothy Salter Hahn

Teil B

Quelle: Hoover Institution Archives, Stanford University, Nachlass Friedrich A. v. Hayek, Box 198  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  343

Abb. 35 Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – im Konferenzraum des Hôtel du Parc: Walter ­Eucken, Carl Iversen und Ludwig von Mises

Quelle: Hoover Institution Archives, Stanford University, Nachlass Friedrich A. v. Hayek, Box 198   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  344

Abb. 36 Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – während einer Exkursion: Karl Brandt, Herbert C. Cornuelle, Aaron Director, Walter Eucken, Milton Friedman, F. A. Harper, Loren Miller, Karl Popper, Leonard E. Read

Quelle: Hoover Institution Archives, Stanford University, Nachlass Friedrich A. v. Hayek, Box 198  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  344

Abb. 37 Walter Eucken und Franz Böhm, Juni 1948 Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  345 Abb. 38 Sommerakademie an der Internationalen Universität Menéndez Pelayo in Santander, Spanien, August 1949 – Walter Eucken und Edith Eucken mit weiteren Teilnehmern Quelle: ThULB Jena, Nachlass Walter Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  345



Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise

319

Abb. 39 Ehemaliges Arbeitszimmer Walter Euckens, heute Erkerzimmer des Walter Eucken Instituts, von außen gesehen, im 2. Obergeschoss des Gebäudes Goethestraße 10, Freiburg Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  346 Abb. 40 Familie Eucken, 1945

Quelle: Privatbesitz Familie Eucken  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  347

Abb. 41 Schreibtisch von Walter Eucken in seinem ehemaligen ­Arbeitszimmer, Erkerzimmer des Walter Eucken Instituts, ­Goethestraße 10, Freiburg, vor der Renovierung 1991 Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  348 Abb. 42 Ehemaliges Arbeitszimmer von Walter Eucken, Erkerzimmer des Walter Eucken Instituts, Goethestraße 10, Freiburg, vor der Renovierung 1991 Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  348 Abb. 43 Walter Eucken und Faksimile seiner Unterschrift Quelle: Walter Eucken Institut, Freiburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  349

Abb. 1: Walter Eucken als Junge

Abb. 2: Walter Eucken als Schüler in Jena

322

Abbildungen

Abb. 3: Vater Rudolf Eucken

Abb. 4: Mutter Irene Eucken



Abbildungen

Abb. 5: Bruder Arnold Eucken als Student

Abb. 6: Schwester Ida Maria Eucken als Sängerin

323

324

Abbildungen

Abb. 7: Walter Eucken als Modell für den Maler Ferdinand Hodler im Garten seines Elternhauses in Jena, 1908



Abbildungen

325

Abb. 8: »Aufbruch der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813«, Gemälde von Ferdinand Hodler, 1909. Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mittelfigur: Walter Eucken

Abb. 9: Abiturklasse am Carolo-Alexandrinum Jena, 1909 Walter Eucken: 2. Reihe von oben, 1. von rechts

326 Abbildungen



Abbildungen

327

Abb. 10: Walter Eucken im Elternhaus in Jena

Abb. 11: Walter Eucken und seine Mutter Irene Eucken, Jena 1913

328

Abbildungen

Abb. 12: Walter Eucken als EinjährigFreiwilliger des 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiments Erlangen, 1913/1914

Abb. 13: Walter Eucken zu Pferd als Einjährig-Freiwilliger des 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiments Erlangen, 1913/1914



Abbildungen

329

Abb. 14: Walter Eucken (4. von links) und sein Jugendfreund Erich Schott (1. von links) beim Militärdienst als Einjährig-Freiwillige des 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiments Erlangen, 1913/1914

Abb. 15: Die Einjährig-Freiwilligen des 10. Bayerischen Feldartillerie-Regiments ­Erlangen kurz vor der Mobilmachung 1914 Walter Eucken: 1. Reihe, 3. von links (stehend); Erich Schott, 1. Reihe, 11. von links (stehend)

330

Abbildungen

Abb. 16: Walter Eucken und Edith Eucken

Abb. 17: Walter Eucken und Edith Eucken, ca. 1920



Abbildungen

331

Abb. 18: Walter Eucken und Edith Eucken auf dem Balkon von »Haus Edith« in Baabe auf Rügen

Abb. 19: Walter Eucken und Edith Eucken (sitzend, 2. Reihe von oben, Mitte) mit Verwandten und Freunden am Strand in Baabe auf Rügen

332

Abbildungen

Abb. 20: Walter Eucken, Professor in Tübingen, ca. 1925

Abb. 21: Rudolf Eucken, Jena, mit seinen Söhnen Arnold Eucken, Breslau, und Walter Eucken, Tübingen, ca. 1925 v. l. n. r.: Arnold Eucken, Rudolf Eucken, Walter Eucken

Abbildungen

Abb. 22: 450-Jahrfeier der Eberhard Karls Universität Tübingen im Juli 1927 – Walter Eucken (im Talar, 4. von links) im Festzug der Professoren



333

334

Abbildungen

Abb. 23: Walter Eucken, Professor in Freiburg

Abb. 24: Dekanatsfest, ausgerichtet von Walter und Edith Eucken in ihrer Wohnung, Goethestraße 10, Freiburg, Januar 1930 Walter Eucken, 1. von rechts (sitzend); Edith Eucken, 2. von rechts (sitzend); Alexander Kresling, 2. Reihe, 2. von links (sitzend); Karl Diehl, 2. Reihe, 4. von links (sitzend); Adolf Lampe (im Türrahmen stehend, ohne Kopfbedeckung)



Abbildungen

335

Abb. 25: Festzug der Professoren der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg aus Anlass des akademischen Festakts zur Übergabe des Rektorats an Rektor Martin Heidegger am 27. Mai 1933 Walter Eucken im Talar, 4. von links, Rektor Martin Heidegger, 9. von links (mit Amtskette)

Abb. 26: Mitglieder der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg, ca. 1934 Walter Eucken, 1. von links; Hans Großmann-Doerth, 2. von links; Adolf Lampe, 3. von links; Karl Diehl, vorne Mitte; Friedrich A. Lutz, hinten Mitte

336

Abbildungen

Abb. 27: Faksimile eines handschriftlichen Briefes von Walter Eucken an H. Beerbohm vom 6. Februar 1934 (Auszug)



Abbildungen

337

Abb. 28: Hochzeitsfest von Gerhard Erdsiek in der Goethestraße 10, Freiburg, April 1935 Vordere Reihe, sitzend v. l.n. r.: Walter Eucken, Edith Eucken-Erdsiek, Ruth Erdsiek, Gerhard Erdsiek, Edmund Husserl Hintere Reihe, stehend, 3. von links: Franz Böhm

Abb. 29: Arbeitstreffen beim Kohlhammer-Verlag in Stuttgart im Juli 1935 v. l.n. r.: unbekannt, Erich Preiser, Franz Böhm, Walter Eucken, Adolf Lampe

Abb. 30: Universitätsfeier der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg am 31. Januar 1938 In der Bildmitte: Walter Eucken (mit Zylinder), teilweise verdeckt hinter Fritz Freiherr Marschall von Bieberstein (mit Zylinder)

338 Abbildungen

Abbildungen

Abb. 31: Tagung der Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre der Akademie für Deutsches Recht in Wiesbaden am 23./24. Mai 1941 Gruppenbild von Teilnehmern vor dem Hotel Metropole, v. l.n. r.: Erich Preiser, Constantin v. Dietze, Hero Moeller, Walter Eucken, Carl Brinkmann, Richard Ritter v. Strigl, Jens Jessen, Erwin v. Beckerath, Adolf Lampe, Günter Schmölders (verdeckt), Hans Peter, unbekannt, Wilhelm Kromphardt, unbekannt, unbekannt



339

340

Abbildungen

Abb. 32: Walter Eucken (rechts), ­Constantin von Dietze (Mitte) und Adolf Lampe (links) auf einer Exkursion bei Freiburg, ca. 1943



Abbildungen

Abb. 33: Walter Eucken während einer Vorlesung an der Albert-LudwigsUniversität Freiburg, Ende der 1940er Jahre

341

Abb. 34, Teil A: Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – im Konferenzraum des Hôtel du Parc v.l.n.r.: Milton Friedman, Lionel Robbins, C. Veronica Wedgwood, Aaron Director, Harry Gideonse, Fritz Machlup, Wilhelm Röpke, Friedrich August von Hayek

342 Abbildungen

Abbildungen

Abb. 34, Teil B: Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – im Konferenzraum des Hôtel du Parc v.l.n.r.: Friedrich August von Hayek, Dorothy Salter Hahn (Sekretärin), William E. Rappard, Ludwig von Mises, Walter Eucken, Herbert C. Cornuelle (hinten), John A. Davenport (hinten), Carl Iversen



343

344

Abbildungen

Abb. 35: Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – im Konferenzraum des Hôtel du Parc v. l.n. r.: Ludwig von Mises, Walter Eucken und Carl Iversen

Abb. 36: Gründungskonferenz der Mont Pèlerin Society, Vevey, Schweiz, April 1947 – während einer Exkursion: Hinten v. l.n. r.: Milton Friedman (verdeckt), Karl Popper, Herbert C. Cornuelle (ohne Hut), Walter Eucken, Karl Brandt, Loren »Red« Miller Vorne v. l. n. r.: Aaron Director, F. A. »Baldy« Harper, Leonard Read



Abbildungen

Abb. 37: Walter Eucken (rechts) und Franz Böhm (links), Juni 1948

Abb. 38: Sommerakademie an der Internationalen Universität Menéndez Pelayo in Santander, Spanien, August 1949 Walter Eucken (4. von rechts) und Edith Eucken (3. von rechts) mit weiteren Teilnehmern

345

346

Abbildungen

Abb. 39: Ehemaliges Arbeitszimmer Walter Euckens von außen, heute Erkerzimmer des Walter Eucken Instituts, 2. Obergeschoss, Goethestraße 10, Freiburg



Abb. 40: Familie Eucken, 1945

Abbildungen

347

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Abbildungen

Abb. 41: Schreibtisch von Walter Eucken in seinem ehemaligen Arbeitszimmer, Erkerzimmer des Walter Eucken Instituts, Goethestraße 10, Freiburg, vor der Renovierung 1991

Abb. 42: Ehemaliges Arbeitszimmer von Walter Eucken, Erkerzimmer des Walter Eucken Instituts, Goethestraße 10, Freiburg, vor der Renovierung 1991



Abbildungen

Abb. 43: Walter Eucken und Faksimile seiner Unterschrift

349

Namensregister Abbe, Ernst 7 f., 15, 19, 23 Adenauer, Konrad 231, 233 Aftalion, Albert 261 Albareda Herrera, José Maria 234, 267 Albrecht, Gerhard 197 f., 218, 224 Albrecht, Gustav 103 f. Allais, Maurice 248 Allgeier, Arthur 172 Ammon, A. 237 Anaximander 128 Anderson, Oskar 141 Antoni, Carlo 248, 257 Apelt, Otto 16, 19, 21 Arnal (französischer Oberst) 219 Arndt 119 Aron, Raymond 240 Aschoff, Ludwig 81, 91 Auboin, Roger 240 Augustinus 35 Aurin, Ferdinand 89 Back, Josef M. 89 Bahr, Hermann 38 Banfi, Antonio 85 Barth, Hans 248 Barth, Karl 94 ff., 140 Bassermann, Kurt 211 Bauch, Bruno 81 ff. Baudin, Louis 240 Bauer, Clemens 176, 179, 185 f., 197 ff. Bauer, Luise 179 Bauer, Walter 191, 193, 196, 257 Baum, Marie 127 Baumann, Margarete 93 Baumgarten, Otto 31 Bebel, August 33 Becher, Erich 81 Bechtel 119 Beck, Ludwig 99, 183, 190, 193 f.

Becker, Thomas 37 Beckerath, Erwin von 154, 160, 168, 184–­ 187, 196–199, 217, 225, 231, 317, 339 Beckerath, Herbert von 65, 68, 88, 168 Beckmann, Fritz 168 Beerbohm, H. 149, 169, 317, 336 Beerbohm, I. 149, 169 Beethoven 55 Belkin, Hugo 116 Belkin, Louis 55 Bell, George K. A. 191 Beltrán, Lucas 265 Benninghoff, Alfred 232 Benrubi, Isaak 62 f., 66 f., 81, 101 Berdjajew, Nikolai 81 Bergbohm, Karl 35 Berkenkopf, Paul 182 Bernard, Karl 223 Berney, Arnold 93 Beyerle, Franz 92 Binswanger, Otto 8, 27 Bismarck, Fürst Otto von 7 f., 35 Blesgen, Detlef 217 Blumenberg-Lampe, Christine 126, 187, 217 f. Blundell, Simon 241 Bode, Karl 230 Boese, Franz 119 Böhm, Franz 4, 28, 60, 71, 81, 83, 89 f., 92, 107, 125–128, 133, 140, 142–147, 172 f., 175 f., 178 f., 182, 188 ff., 192–195, 197 ff., 202, 204, 209 ff., 217, 223, 225, 230, 244, 246, 250, 257 f., 263, 276, 305, 309, 317 f., 337, 345 Böhm, Hans 196 Böhm, Marietta 127 Böhm-Bawerk, Eugen von 52, 209 Bonhoeffer, Dietrich 4, 180, 192, 194 ff., 199

352

Namensregister

Bosch, Robert 118, 194 Bourgeois, Marcel 240 Boyce Gibson, Lucy 101 Boyce Gibson, William R. 101 f. Brahms, Johannes 55, 164 Brakelmann, Günter 179 Brandt, Karl 4, 118, 120, 219, 227, 248, 252, 254, 257, 263, 265, 318, 344 Bräuer 119 Braun, Martha Stephanie 114 Brenzinger, Heinrich 211, 213 Bresciani-Turroni, Constantino 249 Breusch, Friedrich 99 Brie, Friedrich 91 Brie, Käthe 91 Briefs, Götz 88, 118, 120 Brinkmann, Carl 119, 154, 170, 185, 317, 339 Bruck 119 Brugger, Franz 196 Bruhn (Herr) 213 Brüning, Heinrich 115, 117 Brunner, Karl 263 Buddensieg, Hermann 81 Bülbring, Karl 36 Bultmann, Rudolf 192 Butenandt, Adolf 232 Caemmerer, Ernst von 136, 312, 313 Cahn-Garnier, Fritz 223 Calker, Wilhelm von 89 Calvo Serer, Rafael 234, 265, 268 Carnap, Rudolf 22, 243 Carnegie, Andrew 29 Carsun Chang s. a. Zhang Junmai 29, 67, 81, 83 Cassel, Gustav 73 f. Cassirer, Ernst 3, 25 Castaneda Chornet, José 267 Castillejo, José 240 Cézanne, Paul 39 Chamberlin, William Henry 249 Chuang 221 Clapham, John 249 f. Clark, John Bates 74 Class, Wilhelm 89 Clay, Lucius D. 217, 224 Clemen, Paul 36

Colm, Gerhard 99 f., 109, 111, 114 f., 119 f., 124, 218, 236 f. Comte, Auguste 35, 237 f. Condliffe, John Bell 240 Cornuelle, Herbert C. 248, 318, 343 f. Correns, Carl W. 233 Cournot, Antoine-Augustin 209 Courtin, René 249 Crusoe, Robinson 209 Czapski, Siegfried 23 Daffner, Hugo 26 Dalberg, Rudolf 72 f. Dante Alighieri 35 Dathe, Uwe 2, 15, 27, 33 ff., 47, 52, 61, 65, 90, 101, 160, 175, 180, 195, 228, 236, 245, 255, 275 Däubler, Theodor 26 Davenport, John A. 248, 343 Degenfeld, Graf von 119 Delekat, Friedrich 181, 192, 196 Demuth, Fritz 117 Dennison, Stanley R. 248 Descartes, René 206 Deshusses, Georges 222 Detoeuf, Auguste 240 Dibelius, Otto 192 f. Diehl, Karl 89, 102 f., 107, 115, 133, 136, 162, 168 f., 176 f., 304, 334, 335 Diepgen, Paul 91 Dietze, Constantin von 4, 50, 83, 97 f., 107, 119 f., 126, 135–138, 152, 156, 168, 176–181, 184 ff., 190–202, 217–220, 224, 257, 275, 312 f., 317 f., 339 f. Dietze, Gottfried von 178, 201 Dietze, Margarethe von 178, 181 Dietze, Marianne von s. a. Kirchhofer, Marianne 178, 195, 199 Dietzel, Heinrich 35, 37 f. Director, Aaron 4, 248, 251, 254, 318, 343 f. Dobeneck, Robert von 11 Dobenecker, O. 19 Dobler, Fritz 136 Dodge, Joseph M. 217 f. Douglas, Robert Graf 133, 211 Dragendorff, Hans 91 Draper, William H. 217



Namensregister

Dreyse, Fritz 115 Duisberg, Carl 75 Dürr, Karl 94, 179 Durst, Karl 115 Dyroff, Adolf 35, 37 Eastman, Max 249 Ebbinghaus, Julius 81, 205 Eckert, Christian 113, 119 Egner, E. 237 Eickemeyer, Hellmuth 232 ff. Eigen, Manfred 15 Einaudi, Luigi 240, 249, 261 Einsiedel, Horst Graf von 191 Einstein, Albert 55, 66, 239 Eisfeld, Curt 69, 72 Ellis, Howard S. 249 Emge, Carl August 81 Engel (Pater) 140 Engelmann, Richard 4, 26, 41, 158, 201, 203, 206, 214 ff., 270 Engländer, O. 237 Erdmann, Benno 39, 91 Erdmann, Lothar 38, 42, 91 Erdmann-Macke, Elisabeth s. a. Macke, Elisabeth 38, 41 Erdsiek, Edith s. a. Eucken, Edith (Eucken-Erdsiek, Edith) 54 ff., 58, 303 Erdsiek, Eduard 55 Erdsiek, Gerhard 54, 104, 119, 147, 160, 209, 211, 269, 317, 337 Erdsiek, Gustav 55 Erdsiek, Heinz 54 f., 57 Erdsiek, Marie 55, 209 Erdsiek, Ruth s. a. Kuhlberg, Ruth von 211, 337 Erhard, Ludwig 71, 216, 223–226, 228, 230, 259, 276 f. Ernst, Friedrich 115 Eschenburg, Theodor 72, 118 Estapé, Fabián 267 Eucken, Ammo B. 10 Eucken, Arnold 10, 14 f., 24, 31, 35, 45, 82, 155, 215, 233, 315 f., 323, 332 Eucken, Christoph 158, 204, 206, 209, 269, 304, 347 Eucken, Edith (Eucken-Erdsiek, Edith) 7 f., 12, 18, 26, 30, 54, 58, 62, 66, 68, 70,

353

72 f., 75, 77 f., 81, 90, 92, 94, 100–103, 105–108, 114, 119 f., 123 f., 126 ff., 133, 139, 140, 151 f., 159–162, 166, 172, 177 f., 189, 203, 207–210, 215 f., 221 f., 239 f., 247, 259, 263 f., 266 f., 269 ff., 303, 316 f., 330 f., 334, 337, 345, 347 Eucken, Hans Joachim 155 Eucken, Ida Maria (Schwester Walter Euckens) 10, 18, 24, 28 f., 36, 45, 82, 87, 103 f., 111, 181, 315, 323 Eucken, Ida Maria (Großmutter Walter Euckens) s. a. Gittermann, Ida Maria 10 Eucken, Irene (Tochter Walter Euckens) s. a. Oswalt-Eucken, Irene 98, 106, 140, 151, 158, 166, 177, 195, 204–209, 256, 304, 347 Eucken, Irene (Mutter Walter Euckens) s. a. Passow, Irene 10–13, 24, 27, 56, 65, 67, 82 ff., 87, 92, 100, 104, 169, 181, 207, 303, 315 f., 322, 327 Eucken, Marianne 158, 204, 207, 209, 304, 347 Eucken, Rudolf 8–12, 14 f., 17 f., 22, 25 f., 28–34, 41, 44, 59, 63, 67, 77–80, 85 ff., 94, 97 f., 100 f., 215, 303, 315, 322, 332 Eucken, Walter 1–5, 7, 10, 13, 15–47, 49–277, 303, 307, 315–318, 321, 324– 335, 337–345, 347, 349 Eulenburg 119 Eyck, Erich 248 Fabricius, Ernst 91 Fassbender, Siegfried 130 Feiler, Arthur 62, 109, 111, 114 f., 119, 236 Felgentraeger, Wilhelm 89 Fellmann, Ferdinand 100 Feuchtwanger 119 Fichte, Johann Gottlieb 7 f. Findlay, Joseph John 14 Fink, Eugen 81, 107 Fischer, Gustav 8, 83, 149, 152 f. Fischer, Max 60 Fisher, A. G. B. 249 Flügge, Eva s. a. Trützschler-Flügge, Eva 54 Foerster-Nietzsche, Elisabeth 12, 111 Forsthoff, Ernst 93

354

Namensregister

Foucault, Michel 108 Frank, Semen 81 Frege, Gottlob 8 Freudenberg, Adolf 208 Freudenberg, Karl 232 Freyberg, Ulrich Freiherr von 272 Friderichs, Hans 231 Friedman, Milton 4, 248, 256, 267, 318, 343 f. Friedrich der Große 70 Friedrich III., Deutscher Kaiser 11 Fuchs, Carl Johannes 68 f., 75, 119 Funk, Philipp 93 Gaede, Hans 42 Galilei 128 Gehlen, Arnold 82 George, Stefan 3, 26, 214 Gerhard, Dietrich 81 Gerhardt, Johannes 185 Gerhardt, Walter 38 Gerland, Heinrich (Heinz) 43 Gerloff, Wilhelm 62, 118, 144, 223 Gestrich, Hans 4, 53 f., 57, 62 f., 74, 81, 90, 109, 114 ff., 118, 141, 144, 146, 153, 205 Gideonse, Harry D. 248, 342 Gilchrist, John R. 217 Gildemeister, Amalie s. a. Kotzebue, Amalie von 212 Gildemeister, Johann Friedrich 212 Gittermann, Ida Maria s. a. Eucken, Ida Maria (Großmutter Walter Euckens) 10 Gittermann, Rudolf Christoph 10 Glockner, Hermann 81 Glondys, Viktor 83 Gocht, Rolf 138 Goebbels, Joseph 145, 175 Goebel 119 Goerdeler, Carl Friedrich 4, 97, 99, 176, 179, 191–194, 197, 199, 201 Goethe, Johann Wolfgang von 15, 19, 25, 58, 111, 127, 142, 205, 212 Gogol, Nikolai W. 70 Goldschmidt, Nils 38, 97 Goldsmith, Raymond W. 218 Goldstein, Julius 25 Gollwitzer, Helmuth 178, 192

Gontard, Fides von 210 Gothein 119 Götz, Hans Herbert 53, 138 Graef, Botho 4, 13, 26, 214 Grein, Rosemarie 135 Grimme, Adolf 106 Großmann-Doerth, Hans 69, 89, 107, 125 f., 133 f., 143 f., 146 f., 203, 211, 213, 309 ff., 335 Grudev, Lachezar 135 Grünfeld 119 Grüters, F. 135 Günter, Gotthard 82 Günther, Otto 78, 84 Gurland, Max 63 Gütermann, Richard C. 213 Gutmann 119 Haas, Erwin 211, 213 Haberler, Gottfried 114, 120, 237 ff. Hacker, Curt 78 f., 81 Haeckel, Ernst 7 f., 15, 34, 214 Hagen, Benno von 17 f., 24, 27, 79, 83 f. Hahn, Dorothy s. a. Salter Hahn, Dorothy 248, 343 Hahn, L. Albert 111, 115, 120, 258, 264 Hahn, Otto 232 ff. Hall, Karl Alfred 89 Hansen, Alvin H. 260 f. Harms, Bernhard 30, 111, 112, 183 Harper, F. A. 248 Harrod, Roy F. 261 Hartlieb, Heinrich 223 Hase, Karl Alfred von 195 Hase, Karl August von 195 Hasenack, Otto 130, 136, 182 Hassel, Ulrich von 183 Hauenstein, Fritz 197, 199, 219 Hauff, Walter von 63 Hauptmann, Gerhart 26 Haushofer, Karl 26 Hayek, Friedrich August von 3 f., 113 ff., 119 f., 135, 151, 154–157, 159 f., 173, 229 f., 235–254, 257, 259 f., 262–265, 267 ff., 272, 277, 342 f. Hazlitt, Henry 248 Heckscher, Eli F. 249, 261 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 7, 238



Namensregister

Heidegger, Martin 4, 91, 95, 103, 107, 143, 162–170, 174, 304, 317, 335 Heilperin, Michael 240 Heimann, Eduard 109, 115, 120 Heinicke, Günther 53, 138 Heinrich, Dr. Kurt (Pseudonym Walter Euckens) 7, 82 Heiß, Robert 91 Heise, Hans 91 Heisenberg, Elisabeth s. a. Schumacher, Liesl 233 Heisenberg, Werner 4, 232 ff., 305 Helander, Sven 88, 111, 119, 237 Hellige, Fritz 211 Hellpach, Willy 85 Hellwig, Hans 189 Helmholtz, Hermann von 15 Henninger, Otto 211 Hensel, K. Paul 126, 136, 138, 152, 160, 258 Heraklit 128, 165 Herkner, Heinrich 66, 195 Hermann, Friedrich von 246 Hermberg, Edzard 47 Hermberg, Paul 4, 47, 52, 230 Herzfelder, E. 237 Hesse, Paul 119, 185 Hesselbacher (Pfarrer) 179 Heuß, Ernst 135, 137 ff. Heuss, Theodor 234 Heyde 119 Hicks, J. R. 261 Hielscher, Erwin 223 Hilferding, Rudolf 111, 115 Hilgenfeld, H. 12 Hippel, Ernst von 85 Hirohito, Kaiser von Japan 83 Hirsch, Ludwig 11 Hitler, Adolf 99, 152, 166, 171 f., 175, 183, 221, 242, 269 Hobson, Oscar 241 Hocking, William E. 83 Hodge, William 157 Hodler, Ferdinand 4, 18, 26 ff., 40, 214, 315, 324, 325 Hoeniger, Heinrich 89, 142 f. Hof, Otto 107, 179 Hoff, Trygve J. B. 248

355

Hoffmann, Walther G. 225 Hoffmann, Wolfgang 215 Höffner, Joseph 136 ff. Hofmann, Ludwig von 13, 26 Hofmannsthal, Hugo von 26 Hohenzollern-Sigmaringen, Friedrich Fürst von 211 Holz, Günther 210 Homer 128 Hopper, Bruce 240 Horch, Fritz 179 Horn, Jürgen 272 Horn, Karen 272 Horwitz, Arnold (später Horwell, Arnold) 184 Huch, Ricarda 127 f., 176 Hügel, Friedrich Baron von 25, 36 Huizinga, Johan 240 Humboldt, Wilhelm von 207 Hume, David 92 f. Hunold, Albert 221, , 248, 254, 258, 260, 264, 271 Husserl, Edmund 4, 81, 91 f., 99–108, 194, 205, 211, 267, 317, 337 Husserl, Gerhart 105 Husserl, Malvine 106 f. Husserl-Rosenberg, Elisabeth s. a. Rosenberg, Elisabeth 106, 108 Hutchison, Terence W. 157 Ibsen, Henrik 25 Ilau, Hans 230, 258 Immisch, Clara 107 Irmler, Heinrich 263 Iversen, Carl 248, 318, 343 f. Jaegerschmidt, Adelgundis 103, 107 Jäger, Walt 10, 46 Jahn 119 Janssen, Hauke 170 Janssen, Sigurd 172 Jantzen, Hans 91 Jao, Hanyin Konjih 221 Jecht, Horst 185 Jessen, Jens Peter 4, 49, 182–187, 189, 193, 196 f., 199, 317, 339 Jewkes, John 150, 248, 254 f., 257, 272 Joël, Karl 81

356

Namensregister

Johns, Rudolf 125, 133, 144, 309 Jöhr, Walter Adolf 27 f. Jordan, Pascual 82, 85 Josten, Paul 182, 223, 225 f. Jouvenel, Bertrand de 4, 248, 254 f. Jung, Edgar 81 Junkers, Hugo 81, 83 Kaiser, Jakob 197 Kandinsky, Wassily 39 Kant, Immanuel 20, 22, 35, 55, 142, 205 Kappstein, Theodor 63 Kaufmann, Georg 34 Keiser, Günter 223, 225 f., 228 Kepler, Johannes 128 Kepper, Georg 62, 71, 90, 136 Kern, Eduard 89, 170 f. Kessel, Albrecht von 190 Kessler, Gerhard 99 Kessler, Harry Graf 13 Keynes, John Maynard 116, 157, 243, 249 Kienberger-Markwalder, Ursula s. a. Markwalder, Ursula 200 Kirchhofer, Marianne s. a. Dietze, Marianne von 178 Kirchner, Ernst Ludwig 12, 24, 26, 48 Kittredge, Tracy 240 Klausinger, Hansjörg 247, 271 Kleist, Heinrich von 123 Knight, Frank H. 4, 132, 153 f., 157, 238, 248, 252, 254, 257, 267 Koberstein, Günther 138 Koch, Woldemar 225 Köhler, Ekkehard A. 119, 239 Kohn, Hans 249 Kolbe, Walter 93 Kolev, Stefan 237 ff. Königsmarck, Adolf Graf 11 Kopernikus, Nikolaus 128 Köppe, Hans 89 Kosswig, Curt 99 Kotzebue, Amalie von s. a. Gildemeister, Amalie 212 Kotzebue, August von 212 Kresling, Alexander 161, 334 Kreuels, Albert 201 Kröger, Hans 32 Kröger, Leo 44

Kromphard, Wilhelm 146, 151, 185, 225 ff., 317, 339 Kroner, Richard 81 Krüger (Staatsminister a. D.) 191 Kügelgen, Carlo von 63 Kügelgen, Elsbe von 63 Kuhlberg, Helen von s. a. Miksch, Helen 211 Kuhlberg, Ruth von s. a. Erdsiek, Ruth 211 Kullmann, Heinrich 201 f. Kumpmann, Karl 35 Kunkel, Wolfgang 161 f., 232, 236, 273 Küpper, Helmut 151, 156, 262 f. Lachmann, Kurt 114 Lampe, Adolf 4, 89, 97, 107, 125, 133, 135 f., 144, 146, 168 f., 176–179, 182, 185 ff., 191 f., 197–202, 204, 210, 216 f., 219 f., 224 ff., 317 f., 334 f., 337, 339 f. Lampe, Gertrud 179, 201 Lampe, Klaus 177, 202 Lange, Karl 117 f. Lansburgh, Alfred 115 Lautenbach, Wilhelm 115 f., 118 Lavergne, Bernard 240 Lederer, Emil 62, 109, 115, 119 f., 236 Leffson, Ulrich 136, 158 Lehnartz, Emil 232 Leibniz, Gottfried Wilhelm 20, 35, 205 Leisegang, Hans 81 Lenel, Hans Otto 99, 136, 138 f., 160, 210, 257, 263 Lenel, Otto 89, 91 Lepsius, Sabine 26 Lessing, Gotthold Ephraim 98, 205 Leßmann, Hermann 138, 140 Leubuscher, Charlotte 195 Liang Chi-Chao s. a. Liang Qui-Chao 29, 67 Liang Qui-Chao s. a. Liang Chi-Chao 29, 67 Liebert, Arthur 81 Liebknecht, Karl 34 Liechtenstern 118 Liefmann, Robert 49, 89, 208 Liefmann-Keil, Elisabeth 137, 140, 145 f., 209, 225, 245



Namensregister

Liermann, Hans 81 Linnemann, Hermann 133 Lippmann, Walter 240, 249 List, Friedrich 71 Löb, Rudolf 115, 118, 120 Lohmann (Frau) 203 Lohmann, Martin 126, 134, 136, 310 f. Lorenz, Ottokar 129–132 Lösch, August 57 f., 72, 110, 124, 129, 141 f., 153 f., 158, 186, 209 f. Lösch, Erika 142 Lotz 119 Lovinfosse, Henri de 248 Löwe, Adolf (später Lowe, Adolph) 109, 111, 113 ff., 120, 124 Ludwig III., König von Bayern 43 Lukas, Eduard 75 f. Luther, Hans 75, 111, 115 Luther, Martin 14, 20, 97, 179 Lutz, Friedrich A. 63 f., 71 f., 81, 89, 92, 109 f., 112 f., 120, 125, 132, 136 ff., 144, 146, 150, 153–158, 238 f., 249, 257 f., 308 f., 335 Lutz, Vera C. s. a. Smith, Vera C. 156 f., 238 Machlup, Fritz 113 f., 120, 156, 247 f., 254, 256, 343 Machlup, Mitzi 256 Macke, August 4, 38–42, 46 Macke, Elisabeth (Lisbeth) s. a. ErdmannMacke, Elisabeth 42 Mackenroth, Gerhard 237 Madariaga, Salvador de 249 Mahlberg, Walter 89, 125, 136 Maier, Karl Friedrich 126, 138, 257 f. Manet, Édouard 39 Mangold, Hans von 246 Mann, Fritz Karl 89 Mantoux, Ètienne 240 Marc, Franz 39, 42, 50 Marchionini, Alfred 98, 103, 194 Marjolin, Robert 240 Markwalder, Ursula s. Kienberger-Markwalder, Ursula 136, 155, 200, 261 Marlio, Louis 240 Marquardt, Heinrich 124, 136 Marschall von Bieberstein, Fritz Freiherr 81, 89, 91, 93, 179, 204 f., 317, 338

357

Marschall von Bieberstein, Nora Freifrau 179 Marschall von Bieberstein, Walther Freiherr 204 Marshall, Alfred 157 Martini, Paul 232 Marx, Karl 59 Mayer, Hans 154, 185 Mayer, Robert 128 Meier-Rust, Kathrin 99 Meinecke, Friedrich 3, 25 Meiner, Felix 150 Meinhold, Helmuth 225 Mendelsohn, Felix von 83 Menger, Carl 128 Mercier, Ernest 240 Merkel, Angela 1 Merkel, Rudolf 89 Meyer, Fritz W. 136 ff., 140, 263 Metz, Friedrich 208 Mez, Hans 211, 213 Micklay, Otto 130 Mie, Gustav 81, 179 Miksch, Harald 210 Miksch, Helen s. a. Kuhlberg, Helen von 210 Miksch, Helga s. Serrano-Miksch, Helga 210 Miksch, Leonhard 53, 71 f.., 81, 85, 109, 113, 116, 118, 120, 136–139, 146 f., 151 f., 160, 173, 188, 205, 210 f., 226, 228–231, 257 ff., 263, 313 Miller, Loren B. 248, 318 Millet y Bel, Salvador 265 Mises, Ludwig von 113, 115, 119 f., 236 f., 239 ff., 248, 254, 258 f., 318, 343 f. Moeller, Hero 185, 317, 339 Möllendorf, Wilhelm von 162, 165 Möller, Hans 225 f. Moltke, Helmuth James Graf von 99, 187, 190 f. Mook, Herbert 33 Mook, Kurt 31, 33 ff. Morgan, Charles 249 Morgenstern, Christian 55, 205 Morgenstern, Oskar 156, 237 Morley, Felix 248 Most, Otto 81, 83

358

Namensregister

Mötteli, Carlo 188, 249 Mozart, Wolfgang Amadeus 205 Muhs 119 Müller, Heinrich 185 Müller, Max 107 Müller, Rolf Walter 89 Müller-Armack, Alfred 185, 225 f., 258, 263, 277 Munch, Edvard 26 Müncker, Theodor 137 Muthesius, Volkmar 189 Naharro Mora, José Maria 267 Naphtali, Fritz 62 Napoleon 269 Napoleon III. 14 Neisser, Hans 109, 111, 114 ff., 124 Nell-Breuning, Oswald von 225 f. Nernst, Walther 10 Neßler, Ruth 210 Newton, Isaak 185 Niemöller, Martin 95 f. Nientiedt, Daniel 119 Nietzsche, Friedrich 8, 12, 91, 111, 124 Nitti, Francesco 240 Nolde, Ada 12 Nolde, Emil 26 Nölting, Erik 225 Noppel, Constantin 179 Nordhoff, Karl 115 Norström, Vitalis 44 Nostitz, Exz. von 119 Nürnberger, Richard 179 Nurske, Ragnar 239 Oehlert, Mechthild 210 Oehlkers, Friedrich 166, 171, 232, 234 Oettingen, Erika von 63 Ohgushi, Toyowo 103 Olde, Hans 13, 26 Ollendorf, Lotte 63 Oncken, Hermann 25 Opitz 103 Oppenheimer, Franz 62 Oppermann, Hans 124 Orestano, Francesco 81 Ortega Spottorno, Miguel 267 Ortega y Gasset, José 4, 91 f., 240, 267

Orton, W. A. 249 Ostrom, Elinor 2 Oswalt, Irene (Oswalt-Eucken, Irene) s. a. Eucken, Irene (Tochter Walter Euckens) 104, 106, 151, 158, 166, 195, 204, 304 Oswalt, Walter 96, 150, 192 Otto, Martin 105 Palyi, Melchior 111 f. Pankow, Otto 91 Pape, Ernst 61 Papen, Franz von 99 Paredes Marcos, Miguel 266 f. Pareto, Vilfredo 131 Partsch, Karl Josef 263 Passow, Adolf 11, 45 Passow, Alexander 21 Passow, Arnold 11 Passow, Athenäa s. a. Ulrichs, Athenäa 11, 25, 207, 212 Passow, Dora 21 Passow, Hermann 11, 21 Passow, Irene s. a. Eucken, Irene (Mutter Walter Euckens) 10 Passow, Karl Friedrich 11 Passow, Sidonie 11 Paul, Jean 25 Peacock, Alan 271 Perels, Justus 195 f. Perroux, François 4, 173, 243, 264 Peter, Hans 185, 225 f., 317, 339 Peter, Hermann 14 Petersen, Carl W. 118 Petersen, Tim 96 Pfeiffer, Rudolf 226 Pfirrmann 119 Pfister, Bernhard 89, 125 f., 130, 136, 144, 257 f., 310 Piatier, André 240 Pindter, Edith 210 Planck, Max 55 Plant, Arnold 249 Platon 19, 22, 164 Plum, Maria 133 Pohl, Wolfgang 115 Pöhlmann, Hans 81 Polanyi, Michael 240 f., 254



Namensregister

Polybios 17 Polycarp (Pater) 140 Pönsgen, Helmuth (Spitzname Pönschen) 56 f. Popitz, Johannes 115, 183, 192 f. Popper, Karl R. 4, 243, 248, 254, 318, 344 Possony, Stefan 240 Preiser, Erich 62, 140, 154, 185 f., 197 ff., 202, 217, 225, 317, 337, 339 Pribram 119 Pringsheim, Fritz 89, 163, 173 Prion 119 Quesnay, François 134 f., 209 Rachfahl, Felix 30, 90 Rad, Gerhard von 192 Raimann, Hugo 211, 213 Raiser, Ludwig 225 Ranke, Leopold von 129 Rappard, William E. 240 f., 248, 251, 257, 261, 343 Rasmussen (Herr) 130 Rathgen, Irmgard 63 Rauch, Wendelin 179, 181 Read, Leonard E. 227, 248, 318, 344 Regener, Erich 232, 234 Reger, Max 4, 7, 10, 24, 26, 34, 41 f., 214 Reichardt, W. 15 Rein, Hermann 232 ff. Rein, Wilhelm 14 Reinau, Erich 38 Reuter, Ernst 99, 194 Révay, George 248 Ricardo, David 92, 109, 209 Ricci, Umberto 240 Richter, Gustav 15 Rienecker (Hauptmann) 74 Rintelen, Fritz-Joachim von 265 Rist, Charles 240, 249, 261 Ritter, Gerhard 4, 81, 85, 90–95, 97 ff., 103 f., 107, 125, 160, 176 ff., 181, 185, 191 f., 194, 196, 202 f., 241 Ritter, Gertrud 105, 179 Ritter, Hellmut 98 f. Ritter, Ilse 272 Rittershausen, Heinrich 115, 224, 226

359

Robbins, Lionel 4, 156, 240 f., 248, 254, 269, 271, 343 Roberts, Michael 249 Rodbertus, Karl 52, 58 Rodin, Auguste 214 Rohland, Woldemar von 89 Römer, Gerhard 213 Römer, Oskar 211 Röpke, Eva 243 Röpke, Wilhelm 4, 67, 90, 109, 111, 114 ff., 118 ff., 151, 154 ff., 173, 186, 188 f., 207, 218 f., 222, 228 f., 235 f., 240–243, 248, 252, 254 f., 258, 260–267, 272, 276 f., 343 Roosevelt, Theodore 29 Rosa (Kindermädchen bei Familie Eucken) 158, 347 Rosenberg, Elisabeth s. a. Husserl-Rosenberg, Elisabeth 106, 247 Rosenberg, Jakob 105 Rosenstein-Rodan, Paul 114, 237 Rosenthal, Eduard 13 Rosenthal, Klara 13 Rougier, Louis 240 Ruef, Julius 133 Rueff, Jacques 219, 240, 242 f., 247, 257 Rümelin, Max von 75 Rüstow, Alexander 4, 20, 30, 40, 46, 54, 63, 67, 69 f., 72–77, 89, 98 ff., 109–115, 117–121, 123, 126, 143, 147 f., 151, 154, 158 ff., 168, 170, 194, 236 f., 240 f., 245, 249, 254, 259, 277, 304 Rüstow, Hanns-Joachim 109 Saemisch, Friedrich 115 Saenger 119 Saint-Simon, Henri de 134, 237 Saitzew 119 Salin, Edgar 4, 114 f., 260 ff., 305 Salpius, Friedrich von 11 Salter Hahn, Dorothy s. a. Hahn, Dorothy 248, 343 Samuel, Arthur 38 f. Sánchez Asiaín, José Ángel 267 Sardá Dexeus, Juan 265, 267 Sator, Adolf 89 Sauer, Joseph 164 f., 172, 211 Sauermann, Heinz 225

360

Namensregister

Schacht, Hjalmar 111 f. Schack 119 Schadewaldt, Wolfgang 93 Schäfer, Hans 115 Schäfer, Michael 175 Schams, Ewald 237 Schäufele, Hermann 179 Scheidemann, Philipp 51 Scheler, Max 3, 25, 55, 66, 79 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 7 Schelsky, Helmut 82, 236 Schenkel, Kilian 126 Scherer, Robert 179 Schiller, Friedrich von 7, 19, 129, 205 Schiller, Karl 170, 225 f. Schlecht, Otto 138 Schlesinger, Karl 114 Schliemann, Heinrich 128 Schlippe, Josef 211 Schmidt 119 Schmidt, F. 231 Schmidtlein 56 Schmidtlein (Frau) 56 Schmitz, Oscar A. H. 81 Schmölders, Günter 154, 184 f., 187 ff., 197, 275, 317, 339 Schmoller, Gustav 110, 131, 180, 209, 246 Schnabel, Franz 232, 249 f. Schneider, Reinhold 201 Schönke, Adolf 200 Schopenhauer, Arthur 142 Schott, Erich 4, 14, 22 f., 42 f., 90, 111, 222, 270, 316, 329 Schott, Otto 7, 15, 23 Schott, Rolf 46 Schrader, Otto 19 Schröder, Paul 89, 136 Schubnell, Hermann 152 Schulenburg, Fritz-Dietlof Graf von der 190 Schultz, Rudolf 89 Schulze-Gaevernitz, Gerhart von 89 Schumacher (Wirtin) 48 Schumacher, Fritz (Ernst Friedrich) 229 f. Schumacher, Hermann 7, 34 f., 37, 43, 48–56, 59 f., 62 f., 65–68, 71, 74, 119, 230, 233, 303

Schumacher, Liesl s. a. Heisenberg, Elisabeth 233 Schumpeter, Joseph A. 4, 75 f., 88, 109 f., 116, 120, 124, 153, 157, 168, 204, 260 f., 265 Schütz, Alfred 240 Schwartz-Arayasy, Inge 135 Schweitzer, Albert 140 Schwerin, Claudius Freiherr von 89, 93, 143 Schwerin v. Krosigk, Johann 115 f. Schwoerer, Paul 211 Seebeck, Moritz 11 Seebeck, Thomas 212 Seeberg, Erich 97 Seifer, Hartmann 89 Semler, Johannes 225 f. Seraphim 119 Sering, Max 50, 57, 59 Serrano-Miksch, Helga s. a. Miksch, Helga 226 Seubert, Fritz von 211 Seuss, Wilhelm 138 Sichler, Richard 257 Siebeck, Oskar 122 Siegfried, Theodor 81 Sieveking 119 Simons, Henry C. 238 f., 249 f. Sinzheimer, Hugo 62 Sismondi, Jean Charles Léonard Simonde de 134 Smidt, Johann 212 Smith, Adam 21, 71, 93, 134 f., 209, 259 Smith, Vera C. s. a. Lutz, Vera C. 238 Snell, Bruno 232 ff. Söderblom, Nathan 25 Sokrates 128 Sombart, Werner 66, 119 Sommer (Frau Oberleutnant) 56 Sophokles 15, 19 Spemann, Hans 107, 125, 127 Spiethoff, Arthur 49, 57 f., 119 Sprott, W. J. H. 249 Stackelberg, Heinrich Freiherr von 4, 153 f., 182, 184 f., 187, 197 f., 266 f. Stadelmann, Rudolf 93 Staudinger, Hans 73



Namensregister

361

Staudinger, Hermann 91, 211 Staudinger, Magda 91 Stauffenberg, Berthold Schenk Graf von 190 Stein, Karl Freiherr vom und zum 92 f. Steinke, Eduard 135 Stempell, Benedikt von 63 Stepun, Fedor 81 Stern, Ernst 116 Stieler, Georg 81, 93, 103, 107 Stieve, Hermann 167 Stigler, George J. 81, 93, 103, 107 Stinnes, Hugo 48 Straubel, Rudolf 23 Strauß, Walter 225 f., 246 Stresemann, Gustav 81 Strigl, Richard Ritter von 114, 154, 185, 317, 339 Stucken, Rudolf 182 Sulzberger, Cyrus Leo 174 Susat, Walter 111 Süss, Wilhelm 135, 200 Syrus, Publilius 117

Uexküll, Nikolaus Graf von 190 Ullastres Calvo, Alberto 266 Ulrichs, Athenäa s. a. Passow, Athenäa 11 Ulrichs, Christine 212 Ulrichs, Heinrich N. 25 Unrein, Otto 19 Utitz, Emil 81 Utz, Friedemann 225

Takamatsu, Prinz von Japan 83 Tantscher, Daisy 63 Tantscher, Jürgen 63 Tell, Wilhelm 170 Tellenbach, Gerd 273 Tenebaum, Edward. A. 224 Tennyson, Alfred Lord 36 Tennyson, Lionel 36 Terhalle, Fritz 223 Teschemacher, Hans 182 Thannhauser, Siegfried 106 Thielicke, Helmut 192 f. Thomas von Aquinus 210 Thornton, Henry 92 f. Thukydides 17 Thünen, Johann Heinrich von 206, 209 Tiburtius, Joachim 136 Tinbergen, Jan 159 Tingsten, Herbert 248 Trendelenburg, Ernst 116 Trevoux, François 248 Truchy, Henri 240 Truman, Harry 218 Truptil, Roger 249

Waentig, Heinrich 245 Wagenmann, Margarethe 13 Wagner (Gauleiter) 135 Wagner, Josef 190 Wagner, O. 19 Wagner, Richard 164 Wagner, Valentin F. 64 Walden, Herwarth 39 Walras, Léon 209 Walter, Reinhold von 63 Waltz, Ludwig 89 Wandel, Lothar 210 Warmbold, Hermann 116 Watts, V. Orval 248 Weber, Adolf 50, 111, 217, 223 Weber, Alfred 113, 260, 261 Weber, Charlotte 179 Weber, Hermann 94, 104 Weber, Max 55, 88, 149, 153, 253 Wedgwood, C. Veronica 4, 248, 255, 343 Wehrung, Georg 81 Weigert, Oskar 116 Weiß, F. X. 237 Weißer, Gerhard 146

Van Breda, Herman Leo 108 Van de Velde, Henry 12 f., 26, 34 Veil, Wolfgang H. 85 Veit, Otto 4, 81, 120, 144, 205, 225, 230, 247, 258, 268 Vergara Doncel, José 267 f. Vermehren, Adele 195 Verrijn Stuart, Gerard M. 159 Vetter, Ernst Günter 138 Villey, Daniel 249 Vitzthum, Christoph Graf 121 Vleugels, Wilhelm 154, 185 Vongehr, Thomas 104 Vossler, Karl 111

362

Namensregister

Weisser, Gerhard 225 ff. Weismann, Julius 211 Weizsäcker, Carl Friedrich von 82 Welter, Erich 28, 53, 116, 160, 255 Welter, Otto 211 Wendt, Siegfried 53 Wentscher, Max 35 Werle, Melitta 210 Wessels, Theodor 154, 185, 187, 197 f., 225 Weyl, Hermann 239 Wicklein (Dr.) 19 Wicksell, Knut 157, 209 Wieacker, Franz 89 Wiedenfeld 119 Wiese und Kaiserswaldau, Leopold von 119, 185 Wieseler, Theodor 57 Wilbrandt, Hans 99 Wilbrandt, Robert 68 f., 72 f., 119 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 7, 43, 48 Wilken, Folkert 89, 136 Windaus, Adolf 233 Wogau, Max von 211

Wolf, Erik 81, 89, 102, 169 f., 191 f., 194 f., 201 Wolfers, Arnold 73, 109, 120, 245 Wolff 119 Wölfflin, Heinrich 66, 214 Woodward, E. L. 249 Wrede, Viktor 223 Wriston, H. M. 249 Wundt, Max 87 Wurm, Theophil 193 Wygodzinski, Willy 35 Yorck von Wartenburg, Peter Graf 4, 183, 187, 190 f., 197, 199 Young, G. M. 249 Zahn 119 Zastrow, Rudolf von 11 Zeeland, Marcel van 240 Zeiß, Carl 7, 15 Zeisl, H. 237 Zenneck, Jonathan 232, 234 Zhang Junmai s. a. Carsun Chang 29, 67 Zwiedineck-Südenhorst, Otto von 65

Sachregister „20. Juli 1944“ 175, 183, 191, 196, 199, 209, 242 Alltagserfahrung 149, 185, 206 Akademie der Arbeit 61, 304 Akademie für Deutsches Recht (ADR) 154, 184, 187 ff., 196, 266, 317, 339 – Arbeitsgemeinschaft Preispolitik 187 – Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre 154, 184, 305 Aktivismus, ethischer (Rudolf Eucken) 29, 79, 80, 86 Amerika 2, 28 f., 99, 105 f., 150, 153, 219, 227, 230, 235, 239, 243, 247, 250, 254, 263 f. Antisemitismus 165, 174; s. a. Judenverfolgung Arbeitsdienst 163, 165 Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath s. Freiburger Kreis(e) Ariergesetzgebung 32; s. a. Nürnberger Gesetze Austerity, Politik der 231 Autarkie 117 f., 120, 132, 237 Barmer Theologische Erklärung 94 Bekennende Kirche 4, 90, 94–98, 104, 169, 179 f., 191 ff., 195, 304 Bekenntnisfront 94 f., 97, 304; s. a. Bekennende Kirche Berufsbeamtengesetz 208; s. a. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums Betriebsbesichtigungen 69, 133, 139, 310 f. Bewirtschaftung 71, 223, 225–229 Bonhoeffer-Denkschrift 193; s. a. Denkschrift „Politische Gemeinschaftsordnung“ (Freiburger Bonhoeffer-Kreis)

Bonhoeffer-Kreis s. Freiburger Bonhoeffer-Kreis Bremer Bürgerausschuss 51, 303 Carolo-Alexandrinum 14, 16, 18, 303 Chicago School 238 f., 249, 254 Christentum 20, 95, 98, 180, 252 f. Club der chinesischen Studenten 221 Colloque Walter Lippmann 219, 240 Colm-Dodge-Goldsmith-Plan 218 Comité d’Études Économiques 220, 305 Consejo Superior de Investigaciones Cientificas (CSIC) 234, 265 Corps Saxonia Kiel 31 f., 175, 303 f. Demokratie 23, 99, 120, 124 Denkschrift „Einführung von Papiergeld“ (Freiherr vom Stein) 92 Denkschrift „Möglichkeiten einer Konjunkturbelebung durch Investition und Kreditausweitung“ (Lautenbach) 116 f.; s. a. Lautenbach-Plan Denkschrift über eine vernünftige Behandlung Deutschlands nach dem Kriege (Röpke) 242 Denkschrift „Zur Ernährungslage in Südbaden“ (von Dietze, Eucken) 219 Denkschriften der Freiburger Kreise – Denkschrift „Kirche und Welt“ (Freiburger Konzil) 179 f. – Denkschrift „Politische Gemeinschaftsordnung“ (Freiburger BonhoefferKreis) 191 ff., 195 f. Deutsche Christen 94–97 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 234 Deutscher Bund für freie Wirtschaftspolitik 72, 117

364

Sachregister

Deutscher Forschungsrat (DFR) 4, 232 ff., 268 Deutscher Freiheitsbund 99 Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 52, 118, 303 Diehl-Seminar 176 f., 304 Diktatur 5, 121, 174, 180 Emigration 120, 218, 239 Engelmann-Ausstellung 214 ff. Erziehung 22, 163, 192, 206 Euckenbund 4, 10, 26, 59, 73, 78–84, 94, 114, 174, 303 Eucken-Kleider 12 Eucken-Kreis 28, 47, 53, 62, 138, 140 f. Eucken’sche Prinzipien 86, 276 Fachgruppe Textilindustrie des Reichsverbandes der Deutschen Industrie 54, 58, 60 f., 245, 304 Feldartillerie-Regiment, Bayerisches 18, 43 f., 47, 74, 303, 316, 328 f. Fortschritt 15, 37 Fortschrittsgläubigkeit 61 Foundation of Economic Education 227 f., 248 Freiburger Kreis(e) 4, 97, 137, 169, 174 f., 266, 275, 277 – Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath 187, 196–199, 201, 217, 220, 266, 305 – Freiburger Bonhoeffer-Kreis 97, 191–196, 305 – Freiburger Konzil 97 f., 177–181, 191, 196, 305 Freiburger Schule 1, 70 f., 125, 137 f., 142, 144, 146, 176, 188, 190, 225, 238 f., 245, 250 f., 258, 266, 276 f. Freiheit 3, 5, 11, 16, 18, 20, 24, 82, 86 f., 128, 134, 141, 146, 163, 175, 188, 193, 207, 209, 248 f., 252 f., 273 f., 276 – freiheitliche Ordnung 5, 86, 188, 193 – Freiheitsrechte 188, 275 – Vertragsfreiheit 86 Friedrich List-Gesellschaft 110, 114 f., 261 Frontoffizier im Ersten Weltkrieg 44 ff. Führerprinzip 164 ff., 169 Fußball-Regeln 14

Geldentwertung 63, 78; s. a. Inflation Geldtheorie 64 ff., 93, 110, 183, 238 Gemeinschaftsseminar 125 f., 135, 144, 175 f., 309 f., 312 Gerechtigkeit 24, 32, 262, 276 Geschichte 19, 21, 25, 30, 34 f., 62, 70, 72, 79, 90, 101, 108, 128, 131, 175 ff., 180, 201, 245, 303 f. Gesellschaft der Kunstfreunde von Jena und Weimar 13, 27, 214 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums 208 Gestapo (Geheime Staatspolizei) 189, 191, 193, 196, 199, 202, 208 f., 217, 242, 276 Gewalt 103, 165, 178 Gleichschaltung 120, 127, 165, 184 Haftung 2, 86 Historische Schule 37, 50, 59, 68, 75, 109–112, 131 f., 224 Hitlerjugend (HJ) 94, 129 Hochschultag in Erfurt 165 ff. Hochverrat 3, 191, 193, 200 Homo oeconomicus 130 f. Ideenlehre Platons 22 Ideologien 52, 84, 86, 131, 147, 207, 245, 270, 273 Inflation 1, 5, 61, 63, 72, 148, 188, 256 Interdependenz der Ordnungen 3, 224, 226; s. a. Ordnung International Rescue and Relief Committee 100 Internationalität (internationale Kontakte) 30, 83, 248 ff., 253, 255, 257 Jenaer Glaswerk Schott & Gen. 7, 23, 43, 111, 270 Juden – Judenerlass, Badischer 163 – Judenfrage 192, 195 – Judenverfolgung (-deportation) 96, 167, 177 f., 208; s. a. Nürnberger Gesetze; s. a. Reichspogromnacht Kaiser-Wilhelm-Austauschprofessur 29, 43, 74



Sachregister

KAKADU („Krüppelkorps der Universität“) 201 Kartelle (Kartelltheorie) 37, 50, 63, 125, 142 ff., 245 f., 252, 274, 309 Kartellgesetz 223 Kirche 3, 94–97, 103, 180 f., 192 – Weltkirchenkonferenz 191; s. a. ­Bekennende Kirche; s. a. Deutsche Christen Kreisauer Kreis 99, 187, 190 f., 194, 197 Krieg 14, 18, 26 f., 29, 41, 43 f., 48, 50, 59, 105, 134 f., 152, 155 f., 159, 172, 182, 186 f., 189, 196 ff., 200 f.; s. a. Weltkrieg Kriegserfahrung 45 f. Kriegsfinanzierung 152, 182 f., 203 Kriegsschuldfrage 122, 205 Kriegs- und Zwangswirtschaft 188 Krise 1, 2, 5, 9, 33, 59, 65, 77, 83 f., 110–119, 230, 237, 239, 254, 275; s. a. Weltwirtschaftskrise Kultur 3 f., 7, 9, 11, 19, 22, 23, 73, 79, 81, 83 ff., 91, 98 f., 114, 222, 263, 265, 268 Kunst 7, 12 f., 23, 26 ff., 34 ff., 38–42, 50, 78, 103, 207, 212, 214 f. Kyklos 260 f., 305 Laissez-faire 240, 244, 249 ff.; s. a. Liberalismus Lautenbach-Plan 116 f. Lebensordnung 79, 86 Leitsätzegesetz 71, 228 Lesezirkel, akademischer 91 f. Lessinghochschule 66 Liberalismus 23, 37, 94, 117, 120, 240, 252 f., 259; s. a. Neoliberalismus; s. a. Ordoliberalismus Literarischer Kreis 63 London School of Economics 4, 121, 154, 156 f., 236, 238, 249, 265, 269, 271, 305 Macht 8, 15, 17, 24, 38, 60 f., 84, 103, 120, 126, 128, 136, 143 f., 164 f., 171 f., 181, 194, 213, 218, 221, 229, 242, 244, 250, 270 f., 274 ff. – geschichtliche 61 – öffentliche 24 – private 24, 143 – wirtschaftliche 61, 143 f., 274

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Macke-Gedächtnis-Ausstellung 38, 40 Marktwirtschaft 86, 117, 138, 192, 198, 226, 228 f., 252, 276; s. a. Soziale Marktwirtschaft Marshallplan 224, 227, 230 Meckerstube 92 Menschenwürde 86, 137, 274 – menschenwürdige Ordnung 1, 3, 5, 85 f., 188, 263, 270, 272–275 Militär – Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger 43, 303, 316, 328 f. – militärische Fragen 46 – militärische Orden 46 – militärischer Widerstand 190, 194 – Militärregierung (Militärverwaltung) 47, 100, 159, 216, 218–223, 228, 247, 270, 305 Mittwochs-Gesellschaft 183 Mont Pèlerin Society 156, 189, 213, 227 f., 230, 240, 244, 246, 260, 265, 305, 318, 342 ff. – Mont Pèlerin Konferenz 1947 247 f., 250–253, 255, 257 – Mont Pèlerin Konferenz 1949 258 f. Moral 22, 61, 174, 180, 243, 249 Nationalökonomische Gesellschaft (NOeG) Wien 247 Nationalsozialismus 4 f., 82 ff., 86, 94–97, 103, 117, 120 f., 135, 137, 147, 162, 164 ff., 174 f., 179 f., 188 ff., 201, 240, 247, 269, 275 f. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 118, 170, 184, 190, 238, 273 Nationalsozialistischer Deutscher ­Studentenbund (NSDStB) 124, 129, 132 Nationalsozialistischer Dozentenbund (NSD) 151 Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund (NSRB) 184 Naturaltauschwirtschaft 252 Neoliberalismus 240; s. a. Liberalismus Nürnberger Gesetze 175 Oberbadisches Wirtschaftsinstitut 133

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Sachregister

Österreichische Schule 52, 113, 115, 120 Ofen-Beispiel 206 Office of Strategic Services (OSS) 99 Orangen-Anekdote 256 Ordnung 3, 5, 38, 41, 85 f., 120, 157, 185 f., 188, 193, 224, 226, 230, 245 f., 252, 262, 272 ff. – funktionsfähige und menschenwürdige 3, 5, 85, 270, 273 ff. Ordnungsdenken 134, 137, 245, 258, 274 Ordnungspolitik 1, 71, 146, 150, 190, 228, 231, 263, 274, 276; s. a. Wirtschaftsordnung Ordo (Begriff ) 35, 148 Ordo-Jahrbuch 262, 263 Ordoliberalismus 2, 108, 119, 225; s. a. Freiburger Schule Phänomenologie 102, 108 Philosophie 8, 14, 17, 22, 26, 30, 35, 37, 39, 54, 78, 85, 87, 100 f., 103, 106, 128, 206, 248 f., 273 – Lebensphilosophie 4, 29, 63, 77, 79, 85 ff., 274 Planwirtschaft 115, 220, 226–231, 252 f. Preis als volkswirtschaftliches Lenkungsmittel 223, 251 Preisfreigabe 71, 117, 224, 226 f., 232, 252, 276 Prinzipien – ethische 86, 275 – konstituierende 86 – regulierende 86 Privateigentum 86 Professorengutachten zur Kriegsfinanzierung 152, 182, 203 Quantitätstheorie 93, 148 Ratio 70, 132, 139, 145; s. a. Vernunft Recht 1, 3, 37 f., 61, 86, 94, 97 Rechtsordnung 1, 192, 195, 258 Reichspogromnacht 177 f., 180 Reichsverband der Deutschen Industrie (RDI) 54, 58, 60, 66, 75, 245, 274, 304 Reinigungsausschuss der Universität Freiburg 163 ff., 167, 305

Rektorwahl 162 f. Reparation 66, 111, 122 f., 220, 247 Reparationskonferenz 111 f., 114 Ricardianer 54, 109 ff., 113 ff., 117, 120, 236 Ringvorlesung „Der Einzelne und der Staat“ 93 f. Risikoproblem 132 Rockefeller-Stipendium 54, 119, 144, 150, 238, 254 Rotary Club Freiburg 133, 211 ff., 265, 304 f. Rudolf-Eucken-Haus Jena 10, 82 f., 103 Russischer Chor der Universität Freiburg 161 Saxonia Kiel s. Corps Saxonia Kiel Schmollers Jahrbuch 49, 51, 59, 110 Selbstverwaltung, akademische 73, 161–173 Sicherheit, soziale 1, 24, 257 Sichtreibenlassen, Politik des 231 Sommerakademie an der Internationalen Universität Menéndes Pelayo (UIMP) 265 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 34, 47, 52, 230, 246 – SPD-Parteitag 1911 33 f. Soziale Frage 23 f., 271 Soziale Marktwirtschaft 86, 138, 192, 229, 276 Sozialismus 52 f., 58, 67, 109, 115, 191, 228, 230, 240, 246, 253, 270 Sozialordnung 3, 86, 192, 195 Staat 3, 84, 86, 94, 97, 119, 124, 138, 147, 168, 174, 176, 180 f., 189, 194, 206, 219 f., 237, 244, 251 f., 258, 275 f. Stackelberg-Netzwerk 266 Tapferkeit 32, 44, 46 Textil- und Kunstwerkstätten Jena G. m. b. H. 13, 78, 207 Theologie 94, 138, 140 – dialektische 94 US Group Control Council (USGCC) 216 f.



Sachregister

Vereinigung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Hochschullehrer 236 Verein deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA) 60, 63, 72, 112, 117 f., 144 Verein für Sozialpolitik 65 f., 77, 113, 115, 119 f., 184, 186, 224, 235 f., 239, 254, 261 Vernunft 82, 111, 181, 273; s. a. Ratio Verwaltung für Wirtschaft der Bizone 71, 170, 223, 227 f., 305 Volkswirtschaftliche Gesellschaft 133 Volkswirtschaftsfibel (von Dietze, Eucken, Lampe) 192 Vorlesung „Der Kampf der Wissenschaft“ 122 f., 126–129, 175 Wahrheit 3, 126, 163, 262, 273 Währung 62, 65 f., 68 f., 72 f., 78, 123, 182, 197 f., 212, 217, 223 Währungsordnung 135, 220 Währungspolitik 86, 93, 136, 186, 238, 264, 271 Währungsreform 217 f., 223–226, 228 f., 252, 263, 276 Wehrsport 95, 165, 167 Weltkrieg – Erster Weltkrieg 4 f., 18, 29, 41, 43–46, 48, 50 ff., 54, 57, 59, 63, 79, 105, 111, 118, 122, 131, 170, 214, 230 – Zweiter Weltkrieg 5, 32, 53, 99, 108, 121, 126, 134, 151 f., 182 Weltwirtschaftskrise 5, 110, 115 Wert(e) 9, 15 f., 22, 50, 61, 79, 87 Wettbewerb 1, 5, 37, 71, 108, 131, 143, 146 f., 187 ff., 190, 220, 232, 239, 251, 274, 276

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– Wettbewerb als Entmachtungsinstrument 250, 276 Wettbewerbsordnung 1, 86, 146, 244, 251 f., 264, 272, 275 f. – konstituierende und regulierende Prinzipien der 86 Widerstand 3 ff., 47, 96 f., 99 f., 174, 178 ff., 190, 197, 222, 277 Widerstandsbewegung 183, 187, 189, 191, 193 f., 197, 199 Widerstandsrecht (Resistenzrecht) 179, 181 Wirklichkeit (Realität) 17, 40, 71, 79, 85, 105, 128, 131, 133, 155, 189 Wirtschaftsfibel (Goerdeler) 193 Wirtschaftsordnung 1, 41, 86, 125, 134, 143–146, 150, 155, 159 f., 188, 191 f., 195, 197 f., 220, 250, 252, 262, 264, 276 Wirtschaftstheorie 37, 54, 59, 62 f., 68 f., 71 f., 74 f., 85, 88 f., 93, 109–116, 121–124, 130–133, 136, 140, 144, 149 f., 153, 155, 160, 168 f., 175, 184 f., 206, 228, 237, 243, 246, 260, 276 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft 231 Wissenschaftlicher Beirat der Verwaltung für Wirtschaft der Bizone 47, 170, 223–226, 228–231, 258 Zentralverwaltungswirtschaft 223, 227, 231, 244, 275 Zivilisation, europäische 249 Zwangsläufigkeit der Entwicklung 65, 246, 271